Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 30 ... Journal III-2010.pdfNachrichten und...

32
Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 30. September 2010 III/2010 Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert Weniger als drei Millionen Arbeitslose in greifbarer Nähe: solche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt hatten wir zuletzt Anfang der 90er Jahre. Ein voraussicht- liches BIP-Wachstum im Jahr 2010 von drei Prozent oder mehr: das ist gut doppelt so hoch, wie die Regierung es noch zu Jahresbeginn erwartet hatte. Noch vor einem Jahr hatten Weltuntergangspropheten Hochkonjunktur. Und heute? Erinnert sich überhaupt noch jemand an die Wirtschafts- und Finanzkri- se? Deutsche Unternehmen stehen im Rennen um globale Märkte in der Pole Position und selbst bei der seit Jahren chronisch schwächelnden Binnenkon- junktur gibt es Lichtblicke. Das besonnene Krisenmanagement der vergangenen Jahre hat sich also be- zahlt gemacht. Ein besseres Beispiel als die vergangenen zwei Jahre, dass die Soziale Marktwirtschaft auch heute noch funktioniert, kann es eigentlich nicht geben. Denn vielerorts haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nach Wegen gesucht, um Zeiten mit schlechter Auftragslage zu überbrücken, oft mit erheblichen Kompromissen auf beiden Seiten. Massenentlassungen blieben so aus. Jetzt, wo sich die Auftragsbücher füllen und qualifizierte Fachkräfte ohne- hin rar werden, können die Unternehmen „von jetzt auf gleich“ mit den Mitar- beitern, die sie kennen, durchstarten. Fakt ist aber auch, dass Deutschland ohne die staatlichen Hilfen aus den Kon- junkturpaketen, ohne die Kurzarbeiterregelungen, ohne Erleichterungen bei den Konditionen für Kredite und Bürgschaften etc. längst nicht so gut dastünde. Jetzt, angesichts der unverkennbaren Boomphase, ist es richtig, aus diesen teu- ren Instrumenten auszusteigen. Dass beispielsweise der Wirtschaftsfonds nach dem Willen der Europäischen Kommission zum Jahresende auslaufen soll, ist nachvollziehbar, auch wenn wir uns sicherlich bei den Modalitäten etwas mehr Kulanz gewünscht hätten. Auf der wirtschaftspolitischen Agenda der nächsten Wochen und Monate ganz oben muss die Exit-Strategie stehen. Eine kluge Fortsetzung des Ausstiegsszena- rios ist und bleibt das Gebot der Stunde. Das Energiekonzept ist endlich beschlossene Sache. Nach den sehr emotional geführten De- batten der letzten Wo- chen haben wir mit einer durchschnittlichen Laufzeitverlänge- rung um zwölf Jahre für Kernkraftwerke und einem angestrebten Ökostrom- Anteil von 80 Prozent bis 2050 eine tragfähige und zukunftsgerichtete Lö- sung gefunden. Dass die Opposition das Energiekon- zept mit allen Mitteln torpedieren möchte, ist schade, war aber leider nicht anders zu erwarten. In der Sache bleibt uns der politische Gegner näm- lich nach wie vor die Antwort darauf schuldig, wie die Energieversorgung in Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gestaltet werden soll, solange die Erneuerbaren Energien noch keine verlässlichen Stromversor- gungen garantieren können, noch keine ausreichenden Speicherkapazitä- ten vorhanden sind und der dringend benötigte Netzausbau nicht voran- kommt. Statt seriöser Politik sollen´s wieder einmal Polemik und Demago- gie richten. Vertrauenerweckend ist das wirklich nicht. Volkskrankheit NIMBY-Syndrom? Bloße Neinsagerei hilft keinem Energiekonzept beschlossene Sache Richtige Weichenstellung für die Energieversorgung In Vorbereitung: Neues Insolvenzrecht Bessere Sanierungschancen für Unter- nehmen

Transcript of Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 30 ... Journal III-2010.pdfNachrichten und...

Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 30. September 2010 III/2010

Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert

Weniger als drei Millionen Arbeitslose in greifbarer Nähe: solche Verhältnisse

auf dem Arbeitsmarkt hatten wir zuletzt Anfang der 90er Jahre. Ein voraussicht-

liches BIP-Wachstum im Jahr 2010 von drei Prozent oder mehr: das ist gut

doppelt so hoch, wie die Regierung es noch zu Jahresbeginn erwartet hatte.

Noch vor einem Jahr hatten Weltuntergangspropheten Hochkonjunktur. Und

heute? Erinnert sich überhaupt noch jemand an die Wirtschafts- und Finanzkri-

se? Deutsche Unternehmen stehen im Rennen um globale Märkte in der Pole

Position und selbst bei der seit Jahren chronisch schwächelnden Binnenkon-

junktur gibt es Lichtblicke.

Das besonnene Krisenmanagement der vergangenen Jahre hat sich also be-

zahlt gemacht. Ein besseres Beispiel als die vergangenen zwei Jahre, dass die

Soziale Marktwirtschaft auch heute noch funktioniert, kann es eigentlich nicht

geben. Denn vielerorts haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nach

Wegen gesucht, um Zeiten mit schlechter Auftragslage zu überbrücken, oft mit

erheblichen Kompromissen auf beiden Seiten. Massenentlassungen blieben so

aus. Jetzt, wo sich die Auftragsbücher füllen und qualifizierte Fachkräfte ohne-

hin rar werden, können die Unternehmen „von jetzt auf gleich“ mit den Mitar-

beitern, die sie kennen, durchstarten.

Fakt ist aber auch, dass Deutschland ohne die staatlichen Hilfen aus den Kon-

junkturpaketen, ohne die Kurzarbeiterregelungen, ohne Erleichterungen bei den

Konditionen für Kredite und Bürgschaften etc. längst nicht so gut dastünde.

Jetzt, angesichts der unverkennbaren Boomphase, ist es richtig, aus diesen teu-

ren Instrumenten auszusteigen. Dass beispielsweise der Wirtschaftsfonds nach

dem Willen der Europäischen Kommission zum Jahresende auslaufen soll, ist

nachvollziehbar, auch wenn wir uns sicherlich bei den Modalitäten etwas mehr

Kulanz gewünscht hätten.

Auf der wirtschaftspolitischen Agenda der nächsten Wochen und Monate ganz

oben muss die Exit-Strategie stehen. Eine kluge Fortsetzung des Ausstiegsszena-

rios ist und bleibt das Gebot der Stunde.

Das Energiekonzept ist

endlich beschlossene

Sache. Nach den sehr

emotional geführten De-

batten der letzten Wo-

chen haben wir mit einer

durchschnittlichen Laufzeitverlänge-

rung um zwölf Jahre für Kernkraftwerke

und einem angestrebten Ökostrom-

Anteil von 80 Prozent bis 2050 eine

tragfähige und zukunftsgerichtete Lö-

sung gefunden.

Dass die Opposition das Energiekon-

zept mit allen Mitteln torpedieren

möchte, ist schade, war aber leider

nicht anders zu erwarten. In der Sache

bleibt uns der politische Gegner näm-

lich nach wie vor die Antwort darauf

schuldig, wie die Energieversorgung in

Deutschland in den nächsten Jahren

und Jahrzehnten gestaltet werden soll,

solange die Erneuerbaren Energien

noch keine verlässlichen Stromversor-

gungen garantieren können, noch

keine ausreichenden Speicherkapazitä-

ten vorhanden sind und der dringend

benötigte Netzausbau nicht voran-

kommt. Statt seriöser Politik sollen´s

wieder einmal Polemik und Demago-

gie richten. Vertrauenerweckend ist

das wirklich nicht.

Volkskrankheit

NIMBY-Syndrom?

Bloße Neinsagerei

hilft keinem

Energiekonzept

beschlossene Sache

Richtige Weichenstellung

für die Energieversorgung

In Vorbereitung:

Neues Insolvenzrecht

Bessere Sanierungschancen für Unter-

nehmen

INHALTSeite 2

PKM JOURNAL

36. Sommer-Biwak des

Parlamentskreis Mittelstand

Über 2.000 Gäste fanden sich in der letzten Sitzungs-

woche vor der parlamentarischen Sommerpause zum

36. Sommer-Biwak des PKM im Kronprinzenpalais ein.

Als besonderen Ehrengast konnte der PKM-Vorsitzende

Dr. Michael Fuchs auch in diesem Jahr wieder Bundes-

kanzlerin Dr. Angela Merkel begrüßen. In ihren Anspra-

chen zeigten sich die Bundeskanzlerin, der Fraktions-

vorsitzende Volker Kauder und der PKM-Vorsitzende

besonders erfreut über die positive Wirtschaftsentwick-

lung.

Das Bundeskabinett war durch Wirtschaftsminister Rai-

ner Brüderle, Arbeitsministerin Dr. Ursula von der Ley-

en, Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer, Bundesland-

wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Gesundheitsminister

Dr. Philipp Rösler sowie Kanzleramtschef Ronald Pofal-

la vertreten. Auch zahlreiche Spitzenvertreter aus Wirt-

schaft und Verbänden nutzten die Gelegenheit für ei-

nen Gedankenaustausch in stilvoll-ungezwungener

Atmosphäre. In den Gesprächen ging es dabei sicher-

lich nicht nur um aktuelle politische Themen, sondern

auch um die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Die

kulinarischen Leckerbissen der vielen Unterstützer des

Festes und die ansprechende musikalische Umrahmung

machten das Fest wieder zu einem vollen Erfolg.

INTERN

2 36. PKM-Sommer-Biwak

3 PKM-Vorstand zu Gast bei

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

5 Aktuelles aus dem Gesprächskreis Freie Berufe

MEINUNG

6 „Eine Enquête für Offenheit und Innovation“

von Jens Koeppen MdB

8 „Das NIMBY-Syndrom und seine Folgen“

von Jens Koeppen MdB

POLITIK

10 „Energiekonzept als Meilenstein der deutschen

Energiepolitik“

von Thomas Bareiß MdB

13 „Sanierungschancen durch die Reform des

Insolvenzrechts stärken“

von Andrea Voßhoff MdB

INFORMATION

16 „Europäische Privatgesellschaft“

von Christian Steinberger, VDMA

21 „Positive Wirtschaftsentwicklung richtig nutzen“

von Prof. Dr. Johann Eekhoff

Präsident IfM Bonn

Der PKM-Vorstand zu Gast bei

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Bundestagswahl

2009 empfing Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den

PKM-Vorstand zu einem mehrstündigen Gespräch im Bun-

deskanzleramt. Bei einem gemeinsamen Abendessen wurde

eingehend über die Lehren der Wirtschafts- und Finanz-

marktkrise für den Standort Deutschland und über aktuelle

politische Megathemen wie die Energie- und Klimapolitik,

die Neuregelung der SGB II-Regelsätze und die Gesund-

heitspolitik diskutiert. Zu den weiteren Themen zählten die

aktuellen Steuervereinfachungsvorschläge und der Bürokra-

tieabbau, politische Handlungsoptionen im Hinblick auf die

Tarifeinheit und die Perspektiven einer steuerlichen Förde-

rung von Forschung und Entwicklung.

Im Gespräch mit

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe

Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause

war CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zu

Gast beim PKM. Im Zentrum standen dabei

eine Rückschau auf das erste parlamentarische

Jahr der christlich-liberalen Regierung und ein

Ausblick auf die anstehenden Aufgabenschwer-

punkte. Hermann Gröhe betonte, der PKM sei für die

CDU/CSU-Fraktion unverzichtbares Bindeglied zum Mit-

telstand, sowohl als Vermittler politischer Inhalte in die Wirt-

schaft hinein, als auch als Sachwalter ihrer Anliegen in der

parlamentarischen Arbeit.

Meinungsaustausch mit

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble traf im

Juni bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr mit

dem PKM-Vorstand zusammen. Thema waren

u.a. die „Sparbeschlüsse“ der Bundesregierung

vom 6./7. Juni 2010. Eingehend erörtert wur-

den Einzelheiten der geplanten Maßnahmen im

Energiebereich, unter anderem die Luftverkehrsabgabe und

die Brennelementesteuer; der PKM verdeutlichte, dass die

Wirtschaft nicht über Gebühr belastet werden dürfe. Im Hin-

blick auf den Entwurf des Bundeshaushalts 2011 betonte

Bundesminister Schäuble, nach den milliardenschweren

Konjunkturstützungsmaßnahmen zur Abfederung der Wirt-

schafts- und Finanzkrise sei angesichts der wirtschaftlichen

Erholung ein allmähliches Rückführen der Staatshilfen ange-

zeigt. Zur Sprache kamen des Weiteren auch die Arbeiten

der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen und die

Initiativen zur Steuervereinfachung.

Diskussion mit Bundesministerin

Dr. Ursula von der Leyen

Mit Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen

diskutierte der PKM-Vorstand über aktuelle ar-

beitsmarktpolitische Themen. Man war sich

einig, dass sich die Zeitarbeit als Flexibilisie-

rungsinstrument bewährt habe. Handlungsbe-

darf bestehe aber, um den Missbrauch der

Zeitarbeit – insbesondere den „Drehtüreffekt“ – künftig wir-

kungsvoll zu verhindern. Im Vorfeld der Arbeitnehmerfreizü-

gigkeit ab dem 1. Mai 2011 stelle sich auch die Frage nach

einer Mindestlohnregelung. Der PKM erneuerte seine grund-

sätzlichen Bedenken gegen eine gesetzliche Lohnuntergren-

ze. Eingehend erörtert wurden ferner auch die Situation auf

dem Ausbildungsmarkt und politische Maßnahmen zur Mil-

derung des Fachkräftemangels.

Seite 3INTERN

PKM JOURNAL

Foto: Bundesregierung

Vorstandssitzung mit Bundesminister

Dr. Thomas de Maizière

Der PKM traf mit Bundesminister Dr. Thomas de

Maizière vor der Sommerpause zu einem Ge-

spräch u.a. zu den anstehenden Neuregelun-

gen im Beschäftigtendatenschutz zusammen.

Bundesminister Dr. de Maizière erklärte, der

aktuelle Entwurf trage den zuletzt vermehrt be-

kannt gewordenen Datenschutzsskandalen in Unternehmen

Rechnung. Der PKM-Vorstand äußerte die Bitte, dass die

Neuregelungen nicht mit zusätzlichen Belastungen für KMU

einhergehen dürften. Unerlässlich sei ein fairer Ausgleich

zwischen den Interessenslagen von Arbeitgebern und Arbeit-

nehmern. Arbeitgeber benötigten eine verlässliche und

praktikable Handhabe gegen Korruption oder Straftaten.

Erörtert wurde ferner auch der Handlungsbedarf und die

Handlungsmöglichkeiten bei der Integration von Migranten,

insbesondere unter dem Aspekt des Fachkräftemangels,

und die Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungs-

gerichts zur Vorratsdatenspeicherung vom März 2010.

Bundesminister Dr. Norbert Röttgen

zu Gast beim PKM

Gleich zweimal traf der PKM-Vorstand vor der

Sommerpause mit Bundesminister Dr. Norbert

Röttgen zum Energiekonzept zusammen. Der

PKM bekräftigte, dass der Industriestandort

Deutschland auch künftig auf sichere, umwelt-

freundliche und bezahlbare Energie angewiesen

sei und bleibe. Das Energiekonzept der Bundesregierung

müsse diesem Anspruch gerecht werden und die Kernkraft

als CO2-freie Brückentechnologie einbeziehen, bis sie durch

Erneuerbare Energien ersetzt werden könne. Die vereinbar-

ten vier Szenarien zur Laufzeitverlängerung bis zu 28 Jahren

seien dafür eine essentielle Entscheidungsgrundlage.

Positive Grundstimmung

im Handwerk

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) emp-

fing im Mai die Mitglieder der AG Handwerk zu einem Mei-

nungsaustausch. ZDH-Generalsekretär Holger Schwanne-

cke erläuterte, das Handwerk erwarte mit Spannung die

anstehenden Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Die

Grundstimmung im Handwerk sei positiv, der Aufschwung

jedoch noch nicht gesichert. Umso dringlicher sei ein wirt-

schaftspolitischer Kurs, in dem Sparanstrengungen und

Wachstumsimpulse austariert seien. Aus der Sicht des Hand-

werks sei eine Steuerstrukturreform – selbst wenn sie mögli-

cherweise nicht mit nennenswerten Entlastungen einhergehe

– sinnvoll und wünschenswert. Auch beim Bürokratieabbau

seien noch weitere Erfolge anzustreben.

Gespräch mit Lufthansa-Chef

Wolfgang Mayrhuber

Standortfragen, der zunehmende internationale Wettbewerb

sowie Konzentrationstendenzen in der Luftverkehrsbranche

standen im Mittelpunkt des Gesprächs des PKM mit Lufthan-

sa-Chef Wolfgang Mayrhuber. Das dynamische Wachstum

in aufstrebenden, bevölkerungsstarken Regionen wie Asien

und Südamerika fordere von den Europäischen Fluggesell-

schaften geeignete Anpassungsstrategien. Wachsamkeit sei

auch geboten, weil einige Länder der Golfregion – auch mit

politischer Flankierung – erhebliche Anstrengungen unter-

nähmen, sich als weltweites Drehkreuz für Frachtverkehr und

Personenbeförderung zu positionieren. Diskutiert wurden

des Weiteren auch aktuelle politische Themen wie die Luft-

verkehrsabgabe und Konsequenzen aus der Entscheidung

des Bundesarbeitsgerichts, künftig Abweichungen vom

Grundsatz der Tarifeinheit zuzulassen.

INTERNSeite 4

PKM JOURNAL

Namen und

Nachrichten

Am 31. August 2010 wurde die neue hessische

Umweltministerin, Lucia Puttrich, vereidigt. Sie

war seit September 2009 Mitglied des Deut-

schen Bundestages und seit September 2009

PKM-Mitglied.

Wir begrüßen Bernd Siebert als neues PKM-

Mitglied. Der selbständige Kaufmann ist Ordent-

liches Mitglied im Ausschuss für Ernährung,

Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie im

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.

Erfahrungsaustausch mit dem

Zentralverband des

Deutschen Bäckerhandwerks

Die Führungsspitze des Zentralverbandes des Deutschen

Bäckerhandwerks unterrichtete den PKM-Vorstand unter

anderem über den steigenden Wettbewerbsdruck in der

Branche, über den Strukturwandel – beispielsweise die zu-

nehmende Verbreitung von Backstationen – und über er-

folgreiche Anpassungsstrategien des „klassischen“ Bäcker-

handwerks. Erschwerend wirke sich für viele Hersteller mehr

und mehr das europäische Lebensmittelrecht aus; viele Re-

gelungen – beispielsweise zur Kennzeichnung von Lebens-

mitteln und zur Verbraucherinformation – seien in der Praxis

kaum erfüllbar. Sorge bereite die weltweit steigende Nach-

frage nach Rohstoffen wie Weizen und Kakao. Der Verband

warb für geeignete Standortbedingungen. Insbesondere

auch die Energiekosten seien von zentraler Bedeutung für

die Branche.

Seite 5INTERN

PKM JOURNAL

Freie Berufe on tour

Stephan Mayer hat die bundesweite Veranstaltungsse-

rie „Freie Berufe on tour“ gemeinsam mit dem Bundes-

verband der Freien Berufe ins Leben gerufen. Ziel ist

es, die Öffentlichkeit stärker über die Bedeutung der

Freien Berufe zu informieren.

Nähere Informationen erhalten Sie unter:

http://www.ovb-online.de/muehldorf/gesetzliche-

regulierungen-kritisiert-890550.html

Stellten sich den Fragen der Teilnehmer bei „Freie Berufe on tour“.

Von links: Michael Schwarz, Präsident der Bayerischen Landeszahn-

ärztekammer, Stephan Mayer MdB und der Präsident des BFB,

Dr. Ulrich Oesingmann. Foto gö

Aktuelles aus dem

Gesprächskreis Freie Berufe

Der Gesprächskreis Freie Berufe unter der Leitung von

Stephan Mayer traf mit Vertretern des Bundesministeriums

für Wirtschaft und Technologie zusammen, um über die Situ-

ation der Freien Berufe und etwaigen Anpassungsdruck auf-

grund europäischer Entwicklungen zu beraten. So stünden

im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Dienst-

leistungsrichtlinie u.a. die Gebührenordnungen der Freien

Berufe auf dem Prüfstand. Unbeschadet dessen seien Fort-

schritte bei der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der inländi-

schen Unternehmen sehr zu begrüßen. Denn beim Export

freiberuflicher Dienstleistungen seien die Potenziale für hei-

mische Anbieter noch lange nicht ausgeschöpft; das BMWi

wurde um Prüfung gebeten, ob die Förderangebote noch

stärker auf kleine Anbieter angepasst werden könnten. Einig

war man sich, dass das hohe Qualitätsniveau freiberuflicher

Dienstleistungen in Deutschland erhalten bleiben müsse.

Abzuwarten sei, welche Konsequenzen sich aus dem von

EU-Kommissar Michel Barnier für Herbst angekündigten

Grünbuch zur Wirtschaftsprüfung für diesen Berufsstand in

Deutschland ergäben. Das Bundeswirtschaftsministerium will

voraussichtlich im kommenden Jahr dem Deutschen Bundes-

tag erstmals seit 2002 einen Bericht zur Lage der Freien

Berufe in Deutschland vorlegen.

In einem weiteren Treffen tauschte sich der Gesprächskreis

Freie Berufe mit Vertretern der Ergotherapeuten, Logopäden

und Physiotherapeuten zu den speziellen Anliegen dieser

Gesundheitsberufe aus. Besonders problematisiert wurden

die Anbindung der Honorare an die Grundlohnsummenent-

wicklung, die nach wie vor bestehenden Honorarunterschie-

de zwischen Ost- und Westdeutschland im Heilmittelbereich

und die Auswirkungen des Heilmittelregresses.

Mit Friedemann Schmidt, Vizepräsident, und Karl-Heinz

Resch, Geschäftsführer für den Bereich Wirtschaft der Bun-

desvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) disku-

tierte der Gesprächskreis Freie Berufe über Konsequenzen

der aktuellen Gesetzgebungsvorhaben im Gesundheitssektor

auf freiberuflich tätige Apotheker. Einsparungen und sub-

stanzielle Synergieeffekte im Gesundheitswesen seien zwar

zweifelsohne möglich; dafür sei allerdings eine belastbare

Datengrundlage unverzichtbar. Die ABDA-Vertreter beton-

ten, der Berufsstand verschließe sich nicht der Forderung,

einen Beitrag zur Kosteneffizienz zu leisten, wolle jedoch

durch die anstehenden Reformen nicht überproportional

belastet werden. Man war sich einig, den Dialog zu diesem

komplexen Thema fortzusetzen. Eine Versachlichung der –

teilweise sehr emotional geführten – Diskussionen sei über-

fällig. Dafür wird sich auch der PKM stark machen.

1,9 Milliarden Menschen und damit knapp

30 Prozent der Weltbevölkerung sind online.

70 Prozent der Deutschen nutzen das Internet,

für rund 60 Prozent gehört es zum Alltag.

76 Prozent der deutschen Nutzer gehen täglich

ins Internet. Bei Menschen unter 30 Jahren steht

das Netz bei der Mediennutzung heute bereits auf dem ers-

ten Platz. Soziale Netzwerke oder die Kurzbotschaften von

Twitter sind insbesondere für sie nicht nur eine Kommunika-

tionsplattform, sondern auch ein Lebensgefühl. Für Digital

Natives, Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen

sind, ist es kein Instrument, sondern ein Teil ihres Lebens. Es

zählt vor allem, dabei zu sein.

Der Erfolg des Internet verändert unsere Beziehungs- und

Kommunikationsstrukturen. Sie werden digital nachgebildet,

neu organisiert sowie durch die Möglichkeiten zunehmender

Vernetzung angereichert und beschleunigt. Soziale Netzwer-

ke und Blogs gehören zu den wichtigsten Anlaufstellen im

Netz. Ihre Reichweite wächst im zweistelligen Bereich, wäh-

rend die online dort verbrachte Zeit explodiert.

Das Internet ist die effizienteste und freiheitlichste Kommuni-

kationsplattform. Der Zugang zu freiem Wissen und freier

Information ist das kostbarste Gut, das wir haben. Was also

kann getan werden, um die Digitalisierung positiv im Sinne

von mehr Wertschöpfung, mehr Arbeitsplätzen und einer

höheren Lebensqualität in Deutschland zu beeinflussen? Zu

diesen und anderen Fragen hat der Deutsche Bundestag im

März 2010 die Enquête-Kommission „Internet und digitale

Gesellschaft“ eingesetzt, die aus 17 Abgeordneten und

17 Sachverständigen besteht. Klar ist: Es geht um die sozio-

ökonomischen, die kulturellen, die rechtlichen und die poli-

tischen Auswirkungen fortschreitender Vernetzung.

Der Strukturwandel hin zur digitalen Gesellschaft vollzieht

sich vor unseren Augen. Neben den digitalen Profis gibt es

vor allem viele Gelegenheitsnutzer, die sich freuen, dass

alltägliche Erledigungen ihnen via Netz schneller und kom-

fortabler von der Hand gehen. Das Internet befindet sich

also nicht irgendwo außerhalb, sondern mitten in unserer

Gesellschaft. Es ist insofern nicht virtuell, sondern ganz real.

Es ist ein Kulturraum und ein Teil unserer Gesellschaft – und

wir sollten es auch so behandeln.

Die Digitalisierung erfasst auch die Unternehmen und die

Arbeitswelt. Es gibt kaum noch Prozesse, die auf digitale

Medien verzichten können. Fast jeder Beruf wird von ITK-

Technologien beeinflusst. Die Datennetze gehören zur Infra-

struktur des Geschäftslebens. Lediglich national ausgerichte-

te, kleine und mittelständische Unternehmen sind häufig

noch Inseln geringer Digitalisierung. Zunehmend halten

Web 2.0-Instrumente wie beispielsweise Wikis Einzug in den

Unternehmensalltag. IT- und Internet-Grundkenntnisse sind

für die meisten Tätigkeiten unentbehrlich.

Immer mehr gesellschaftliche Veränderungen vollziehen sich

mit und im Internet. Der Arbeitsauftrag der Enquête-

Kommission ist daher breit gefächert. Derzeit arbeiten vier

Projektgruppen zu den Themen Netzneutralität, Urheber-

recht, Datenschutz und Medienkompetenz. Bis zur Sommer-

pause 2012 folgen acht weitere Projektgruppen, in denen

die 33 Arbeitsaufträge des Einsetzungsbeschlusses sowie

zusätzliche aktuelle Fragen bearbeitet werden sollen. Am

5. Juli 2010 hat die Enquête-Kommission ihre erste Anhö-

rung abgehalten. Als Experten haben wir dafür vor allem

Unternehmensvertreter und Praktiker wie den Gründer und

ehemaliger CEO des sozialen Netzwerks Xing, Lars Hinrichs,

eingeladen. Der nächste Meilenstein der Enquête-

Kommission ist der Zwischenbericht, der bis Ostern 2011

erstellt werden soll.

„Jobs durch Innovationsfähigkeit“ sowie „Freiheit durch Si-

cherheit“ lauten die zentralen Orientierungspunkte für unse-

re Arbeit in der Enquête-Kommission. Das Netz bietet in

besonderem Maße Chancen für neue Arbeitsplätze, Bildung

und Forschung. Es ist voller Information und Wissen. Kom-

petenz im Umgang mit digitalen Medien ist entscheidend für

mehr Lebensqualität und Erfolg im Job. Medienkompetenz

ermöglicht Teilhabe. Sie ist ein Standortvorteil in einer zu-

nehmend vernetzten Welt. Die Vermittlung von Medienkom-

petenz muss sich dem veränderten Medienverhalten anpas-

sen. Damit wir die Möglichkeiten des Netzes tatsächlich aus-

schöpfen können, brauchen wir noch mehr Anstrengungen

sowie vor allem eine bessere Verknüpfung bei der Medien-

erziehung in Familie, Kindergarten und Schule, Aus- und

Weiterbildung. Wir wollen deshalb prüfen, wie die Medien-

erziehung gestärkt und besser aufeinander abgestimmt wer-

den kann. Dazu gehört auch eine quantitative Evaluierung.

Offenheit fördert Vertrauen, Engagement und Innovation.

Das Statistische Bundesamt stellt 166 Millionen Datensätze

im Internet zur Verfügung. Die USA und Großbritannien

haben Open Data-Portale eingerichtet, auf denen Datensät-

MEINUNGSeite 6

PKM JOURNAL

Eine Enquête für Offenheit und Innovation

Von Jens Koeppen MdB

Mitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

ze unterschiedlicher Herkunft kostenlos, in offener Lizenz

und maschinenlesbar angeboten werden. Wenn Staat und

Verwaltung Datenbestände ohne Personenbezug und damit

datenschutzkonform im Internet verfügbar machen, dann

kann dies einen gewaltigen Innovationsschub bringen. Zahl-

reiche Forschungsprojekte, die wir heute teuer finanzieren,

könnten dann von den Bürgern erledigt werden. Wer in die-

sen Innovationsprozess einsteigt, gewinnt Know how und

Geschäftsmodelle. Eine Open Data-Strategie ist auch eine

moderne Form der Forschungsförderung, der Wirtschaftsför-

derung und der Bürgerbeteiligung.

Politische Kommunikation und Partizipation verlagern sich

zunehmend ins Netz. Diese Tendenz bestätigen die zurück-

liegenden Wahlkämpfe ebenso wie der Wunsch vieler Bür-

gerinnen und Bürger nach mehr digitalen Angeboten aus

den Verwaltungen. Der Staat kann mit seinen elektronischen

Angeboten, dem E-Government, gleichzeitig wichtige Impul-

se für Wirtschaft und Gesellschaft geben.

Auch die Enquête-Kommission versucht politische Prozesse

an das Internet anzunähern und von ihm zu profitieren. Kein

Ausschuss und keine Untersuchungskommission zuvor hat

ähnlich viel Offenheit gewagt. Die Sitzungen der Enquête-

Kommission sind weitestgehend öffentlich und werden live

aus dem Sitzungssaal ins Internet übertragen. Wir wollen die

netzinteressierten Bürgerinnen und Bürger als „18. Sachver-

ständigen“ beteiligen. Neben einem Forum und einem Blog

soll es künftig auch ein Online-Tool geben, das Kommentie-

rung, Kollaboration und Abstimmung den aktiven und den

gelegentlichen Nutzern gleichermaßen ermöglicht.

Meine Einschätzung ist: Die Chance der Enquête-

Kommission besteht in vielfältigen Anstößen und darin, dass

sie das Internet als Teil der Gesellschaftspolitik begreift. Ich

wünsche mir vor allem ein Plädoyer für mehr Offenheit auch

gegenüber neuen Technologien sowie Ideen, damit unter-

nehmerisches Handeln im Netz weiter gefördert wird. Dazu

gehören Anregungen für klare rechtliche Lösungen und viel-

leicht ebenso eine breitere Anwendung des aus dem Ju-

gendmedienschutz bekannten Prinzips der regulierten Selbst-

regulierung. Letzteres bietet die Chance, klare Grenzen zu

ziehen, ohne in die freiheitlichen Strukturen des Netzes ein-

zugreifen.

Seite 7MEINUNG

PKM JOURNAL

40- bis 49-Jährige

sind stärkste Gruppe im Internet

Das Internet wird erwachsen. Laut einer Umfrage stellt die

Altersgruppe der Menschen zwischen 40 und 49 Jahren im

deutschen Internet mit einem Anteil von 23 Prozent inzwi-

schen die größte Gruppe dar. Rund 85 Prozent der Men-

schen dieses Alters hat in den vergangenen Monaten das

Internet genutzt, haben die Marktforscher herausgefunden.

Jeweils 19 Prozent der Internetbevölkerung werden von den

Menschen zwischen 20 und 29 und zwischen 30 und

39 Jahren gestellt. In diesen Altersklassen beträgt der Anteil

der Onliner an der Gesamtbevölkerung schon mehr als

90 Prozent. Unter den Jugendlichen zwischen 14 bis

19 Jahren sind sogar 97 Prozent online.

Unter den älteren Menschen ist die Nutzungsrate zwar weit

geringer, steigt aber ebenfalls an. Rund 71 Prozent der

Menschen zwischen 50 und 59 Jahren sind online und in

der Gruppe „60 plus“ ist es jeder dritte.

Noch immer verfügen die Onliner über eine überdurch-

schnittlich hohe formale Bildung und ein höheres Einkom-

men als der Durchschnittsbürger.

Not In My Back Yard – Nicht in meinem Garten – für diese

Forderung haben wir doch alle Verständnis.

Wer möchte schon ein Atom- oder Kohlekraftwerk vor der

Tür, Kohlendioxid unter seinem Haus, auf die Solaranlage

seines Nachbarn aus dem Küchenfenster schauen müssen,

am Horizont statt Leere zu bewundern, Windkraftanlagen

ertragen? Wer möchte schon, dass die gewohnte Ruhe

durch neue Landebahnen, Straßen oder Bahntrassen einge-

schränkt wird? Wer möchte, dass in der Nähe seines Was-

sergrundstücks die Schleuse erweitert wird und so der eh

schon störende Schiffsverkehr womöglich weiter zunimmt?

Warum soll mein Blick Hochspannungsleitungen ertragen,

wenn man diese auch tief in der Erde einbuddeln kann?

Erdkabel sind zwar deutlich teuer und ökologisch bedenkli-

cher – na und?

Für alles gibt es Bürgerinitiativen. Die Bürger haben gelernt,

dass, was sie nicht wollen, lautstark in die Öffentlichkeit zu

tragen – jenseits politischer Parteien. Die einzelnen Initiati-

ven eint inhaltlich eigentlich gar nichts. Viele Infrastruktur-

projekte werden nicht nur von einer, sondern von mehreren

Initiativen begleitet bzw. verhindert. Die eine Initiative ist

gegen die Ortsumfahrung Ost, die andere gegen die Orts-

umfahrung West und die Dritte will auf jeden Fall verhin-

dern, dass die Straße durch den Ort gebaut wird. Gegen

die Straße selbst hat man natürlich nichts – die wird ja in der

Region dringend gebraucht.

Auch gegen Atom- oder Kohlestrom haben viele Bürgerin-

nen und Bürger nichts. Wenn er aus Frankreich oder Polen

kommt. Dass der Ausbau Erneuerbarer Energien vorange-

trieben werden muss, würden mindestens 80 Prozent der

Bürgerinnen und Bürger unterschreiben. Aber für die dafür

erforderlichen Energienetze oder Windkraftanlagen gibt es

gute Argumente, andere Standorte zu wählen.

Das Problem, was in Deutschland von Monat zu Monat au-

genscheinlicher wird, ist, dass es diese Argumente mittler-

weile überall gibt. Niemand möchte mehr mit dem

„Schlechten“, mit dem „Negativen“, mit dem „Lauten“ von

Projekten, von Infrastrukturausbauten oder anderen Entwick-

lungen etwas zu tun haben. Gesellschaftliche Verantwortung

auf diese Weise zu übernehmen, wird zunehmend abge-

lehnt.

Andere Bürger und Bürgerinitiativen haben schließlich auch

Erfolge gehabt, das motiviert und treibt an. Fragen nach

Folgen der jeweiligen Egoismen verbittet man sich – es gibt

ja schließlich andere Standorte, Möglichkeiten und Lösun-

gen. Man stellt doch nie das Ganze oder gar die Entwick-

lung unserer Gesellschaft in Frage, wenn das eine Kohle-

kraftwerk, die eine Straße oder der eine Windpark nicht ge-

baut wird.

Oder doch? Bürgerinitiativen sind längst nicht mehr da, um

unbestreitbar vorhandene unsinnige Projekte zu verhindern.

Nicht nachvollziehbare politische Entscheidungen oder un-

sinniges Verwaltungshandeln haben zu Recht das Engage-

ment bei den Bürgern geweckt. Mittlerweile wird aber die

Entwicklung ganzer Regionen behindert.

Die Instrumente der Bürgerbeteiligungen und Klagemöglich-

keiten werden von einigen dieser Bürgerinitiativen nicht

mehr genutzt, um Recht zu bekommen, sondern um Projekte

durch zeitliche Verzögerung massiv zu verteuern und schei-

tern zu lassen. Instrumente des Rechtstaats und der Mitspra-

che werden von einigen nicht mehr genutzt, sondern

schlichtweg ausgenutzt. So erklärten es auch die branden-

burgischen Bürgerinitiativen gegen die CO2-Verpresssung.

Das dortige CCS-Projekt von Vattenfall steht unter den zeitli-

chen Vorgaben der EU, um Fördermittel einzuwerben.

1,5 Milliarden Euro will der Energiekonzern in die neue

CCS-Technologie der brandenburgischen Lausitz investie-

ren, um die Braunkohlenverstromung in der strukturschwa-

chen Region den neuen Klimaschutzzielen anzupassen. Die

Initiatoren gegen die Verpressung lassen öffentlich wissen,

mit Klagen und der damit verbundenen zeitlichen Verzöge-

rung wird das Projekt scheitern. Sie berufen sich gar nicht

mehr auf inhaltliche Argumente, sondern setzen auf den

Faktor Zeit.

Die Energie- und Klimapolitik der kommenden Jahre wird

nur Erfolg haben, wenn massiv Netze, Speicher und Anla-

gen der Erneuerbaren Energieerzeugung ausgebaut werden.

Wenn die Errichtung jeder Anlage mit Jahren der gerichtli-

chen Auseinandersetzung verbunden ist, werden nicht nur

die Investitionskosten in die Höhe getrieben, sondern auch

die Stromkosten für Bürger und Wirtschaft. Außerdem wird

Deutschland die gesteckten Klimaziele niemals erreichen.

Wenn die Verkehrsinfrastruktur nicht mehr modernisiert wird,

MEINUNGSeite 8

PKM JOURNAL

Das NIMBY-Syndrom und seine Folgen

Von Jens Koeppen MdB

Mitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

gefährden wir die Wachstumsadern unserer Industriegesell-

schaft. Diese Zusammenhänge müssen wir formulieren und

kommunizieren. Die Diskussion über die Auswirkungen auf

den Einzelnen oder sein Grundstück ist nicht gewinnbar. Die

Modernisierung bringt für Einzelne auch Nachteile. Das war

im übrigen immer so. Das ist von niemanden wegzudisku-

tieren. Dafür wurde richtigerweise ein großzügiges Entschä-

digungssystem aufgebaut. Um so wichtiger ist es, dass Poli-

tik nicht weiterhin versucht, es jedem Recht zu machen. Poli-

tik muss für die Gesamtziele werben, sie erklären und auch

offensiv vertreten.

Oftmals sind politische Entscheidungen nicht sorgfältig vor-

bereitet oder werden nicht vernünftig begründet. Oftmals

mangelt es auch an nachvollziehbarem Verwaltungshan-

deln. Das muss sich ändern, das lässt Akzeptanz zurückge-

winnen. Ein ständiges Zurückweichen von Positionen und

Entscheidungen jedoch, wenn erste Kritik formuliert wird, ist

kein Weg, um unsere Zukunft zu gestalten.

Es ist dringend Zeit zum Umdenken und für eine neue Dis-

kussionskultur.

Seite 9MEINUNG

PKM JOURNAL

Kommissiosvorschlag für ein europaweit

einheitliches Vertragsrecht

Die EU-Kommission hat ein Grünbuch zur Einführung eines

Europäischen Vertragsrechts mit sieben Optionen für die

Einführung von europaweit einheitlichen und kohärenten

Regeln im Vertragsrecht vorgelegt:

Die Veröffentlichung (nicht verbindlicher) Musterver-

tragsklauseln im Internet, die im europäischen Binnen-

markt verwendet werden könnten.

Ein (wahlweise verbindlicher oder nicht verbindlicher)

Bezugsrahmen, auf die die Gesetzgeber in der EU bei

der Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften im Interesse

der Klarheit und Kohärenz zurückgreifen könnten.

Eine Empfehlung zum Vertragsrecht, in der die EU-

Mitgliedstaaten dazu aufgefordert würden, ein Europäi-

sches Vertragsrecht in ihre nationalen Rechtsordnungen

aufzunehmen. Ein ähnlicher Ansatz wurde in den Verei-

nigten Staaten mit Erfolg praktiziert, wo ein einheitli-

ches Handelsgesetzbuch mit einer einzigen Ausnahme

von allen 50 Staaten übernommen wurde.

Ein fakultatives Europäisches Vertragsrecht (sogenannte

28. Regelung – neben den 27 Vertragsrechtssystemen

der Mitgliedstaaten), für das sich die Verbraucher und

Unternehmen frei entscheiden könnten. Diese fakultati-

ve Regelung würde als Alternative zu den bestehenden

einzelstaatlichen Vertragsrechtssystemen der Mitglied-

staaten in allen Amtssprachen angeboten. Sie könnte

wahlweise nur auf grenzübergreifende oder auch auf

innerstaatliche Vertragsverhältnisse Anwendung finden.

Sie müsste ein hohes Verbraucherschutzniveau garan-

tieren und die Rechtssicherheit während der gesamten

Vertragslaufzeit gewährleisten.

Harmonisierung des einzelstaatlichen Vertragsrechts im

Wege einer EU-Richtlinie.

Vollständige Harmonisierung des einzelstaatlichen Ver-

tragsrechts im Wege einer EU-Verordnung.

Einführung eines kompletten Europäischen Zivilgesetz-

buchs, das an die Stelle des vertraglichen Schuldrechts

der Mitgliedstaaten tritt.

Nach Angaben der Europäischen Kommission kaufen nur

acht Prozent der Verbraucher Waren online in anderen

Mitgliedstaaten, 61 Prozent der Kaufangebote schlagen

fehl, weil Unternehmen sich weigern, in das Land des

Verbrauchers zu liefern. Dies sei weitgehend auf rechtliche

Barrieren und Unsicherheit bezüglich des anzuwendenden

Rechts zurückzuführen. Zu dem Grünbuch läuft eine öf-

fentliche Konsultation bis zum 31. Januar 2011.

„Die Sicherstellung einer zuverlässigen, wirt-

schaftlichen und umweltverträglichen Energie-

versorgung ist eine der größten Herausforderun-

gen des 21. Jahrhunderts.“ So beginnt die Ein-

leitung des Energiekonzepts, das von der Bun-

desregierung am 28. September 2010 be-

schlossen wurde. Mit dem energiepolitischen Gesamtkon-

zept holen wir Rot-Grüne Versäumnisse nach und beschrei-

ten konsequent den Weg in das regenerative Zeitalter, ohne

die Energieversorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen

außer acht zu lassen. Damit nehmen wir eine entscheidende

Weichenstellung für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum,

Beschäftigung und Wohlstand sowie für ehrgeizige Klima-

schutzziele bis zum Jahr 2050 vor.

Mit dem Energiekonzept wird nicht nur die notwendige Ver-

längerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken festgelegt,

sondern grundsätzlich der Weg aufgezeigt, wie unsere Ener-

gieinfrastruktur in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten

aussehen wird, die auf den drei Eckpfeilern Wirtschaftlich-

keit, Versorgungssicherheit und Klimafreundlichkeit beruht.

Dabei setzen wir auf eine ideologiefreie, technologieoffene

und marktorientierte Energiepolitik. Dies umfasst alle Nut-

zungspfade Strom, Wärme und Verkehr.

Allerdings dürfen wir angesichts des viel beschworenen We-

ges ins regenerative Zeitalter nicht den Blick für die Belange

der Wirtschaft verlieren. Die Energieszenarien, welche die

Basis des Energiekonzepts sind, legen dar, dass Deutsch-

land rund 50 Prozent der Stromproduktion aufgeben wird

und ab dem Jahr 2025 zum Nettostromimporteuer wird. Die

Gründe liegen unter anderem in der „billigen Kernenergie“

im Ausland und besseren Bedingungen für Solar- und Wind-

strom in den Nachbarländern. Dies birgt nicht zuletzt große

Gefahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland und un-

seren Arbeitsmarkt. Aufgabe der Politik wird daher auch

sein, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen den ambitio-

nierten Ausbauzielen der Erneuerbaren Energien und den

Anforderungen des Wirtschaftsstandort Deutschlands.

Ausbau Erneuerbarer Energien

An erster Stelle des Energiekonzepts stehen unsere ambitio-

nierten Ausbauziele der Erneuerbaren Energien, die wir zu

einer tragenden Säule unserer Energieversorgung ausbauen

werden. Dazu wurde im Energiekonzept ein klarer Fahrplan

definiert, um das Zeitalter der Erneuerbaren Energien mög-

lichst schnell zu erreichen: Beim Brutto-Endenergieverbrauch

soll ihr Anteil 30 Prozent bis 2030, 45 Prozent bis 2040 und

60 Prozent bis 2050 betragen. Beim Bruttostromverbrauch

bis 2020 35 Prozent, bis 2030 50 Prozent, bis 2040

65 Prozent und bis 2050 80 Prozent.

Zu den größten Herausforderungen auf dem Weg, diese

Ziele zu erreichen, gehören der Ausbau der Windenergie,

die nachhaltige Nutzung und Erzeugung von Bioenergie,

eine stärkere Nutzung der Erneuerbaren Energien für die

Erzeugung von Wärme und Kälte sowie eine bessere Integ-

ration der Erneuerbaren Energien in die Energieversorgung.

Nochmals will ich an dieser Stelle aber davor warnen, an-

gesichts der hohen Ausbauziele den Wettbewerbsaspekt

außen vor zu lassen. Daher halte ich es für zwingend not-

wendig, den Druck auf Innovationen und Kostensenkungen

auch bei den Erneuerbaren Energien weiter zu erhöhen. Nur

so bleiben die entsprechenden Branchen international wett-

bewerbsfähig und die Kosten für die Verbraucher im Rah-

men. Das bedeutet insbesondere eine schrittweise, aber

zügige Heranführung an den Markt und damit eine stärker

bedarfsgerechte Erzeugung und Nutzung der Erneuerbaren

Energien. Die Situation bei der Förderung von Photovoltaik-

anlagen sollte uns ein warnendes Beispiel sein für eine

Überförderung, die zu massiven Kosten für Privathaushalte

und vor allem auch für die Industrie führt und dies, obwohl

Photovoltaik laut den Energieszenarien von EWI-Prognos-

GWS selbst bis 2050 nicht wirtschaftlich zu betreiben sein

wird.

Künftig muss das EEG stärker am Markt orientiert werden

und der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien in stär-

kerem Maße marktgetrieben erfolgen. Eine wichtige Rolle

spielt daher die geplante Einführung einer Marktprämie im

Zuge der EEG-Novelle zum 1.1.2012, um eine stärker be-

darfsgerechte Erzeugung und Nutzung des Stroms aus Er-

neuerbaren Energien zu erreichen.

Ausbau der Stromnetze

Das Energiekonzept listet auf Basis der ambitionierten Aus-

bauziele Erneuerbarer Energien eine Vielzahl von Maßnah-

POLITIKSeite 10

PKM JOURNAL

Energiekonzept als Meilenstein der deutschen Energiepolitik

Von Thomas Bareiß MdBKoordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-BundestagsfraktionMitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

men auf. Dazu gehört vor allem der zügige Ausbau des

Stromnetzes, der zur Integration der Erneuerbaren Energien

nötig ist. Die Stromerzeugung auf See und in den Küstenre-

gionen wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Der

Bau von leistungsfähigen Nord-Süd-Verbindungen wird da-

her immer wichtiger werden. Darüber hinaus werden viele

dezentrale Erzeugungsanlagen, wie Photovoltaik und Bio-

masse, Strom in das Netz einspeisen. Außerdem wird

Deutschland aufgrund seiner geographischen Lage zuneh-

mend am Stromaustausch in Europa teilnehmen.

Die zum Jahresende erscheinende dena-Netzstudie II wird

aufzeigen, welche enormen Rückstände wir in Deutschland

beim Ausbau unseres Stromnetzes haben. Zusätzlich zu dem

aus der Netzstudie I dargestellten Bedarf an 850 Kilometern

bis 2015 wird es in der Netzstudie II einen zusätzlichen Aus-

baubedarf im vierstelligen Bereich (in Kilometern) geben.

Auch der Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur wird

diese Entwicklungen bestätigen. Leider haben wir in

Deutschland beispielsweise durch enorm lange Genehmi-

gungsverfahren von bis zu 15 Jahren sehr schwierige Bedin-

gungen, um diesem Bedarf gerecht zu werden. Bereits jetzt

liegen wir mit dem EnLAG meilenweit hinter den gesteckten

Zielen zurück. So wurden von den 850 Kilometern bisher

gerade mal rund 90 Kilometer an Netzausbau realisiert.

Unser Augenmerk müssen wir in den nächsten Jahren daher

verstärkt auf dieses entscheidende Thema richten, welches

Grundvoraussetzung für die Realisierung unserer ehrgeizi-

gen Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien ist.

Ein wichtiger Bestandteil des Energiekonzepts ist daher die

Entwicklung eines „Zielnetz 2050“ aufbauend auf dem Be-

standsnetz und dem im Energieleitungsausbaugesetz defi-

nierten Ausbaubedarf. Daraus werden wir den Bedarf für die

zukünftig erforderliche Infrastruktur ableiten. Wesentliche

Bereiche, die im Energiekonzept auch definiert werden, sind

dabei die weitere Entwicklung des Bestandsnetzes, die Pla-

nung für ein Overlay-Netz und mögliche Pilotstrecken,

Nordseenetz und Clusteranbindung für Offshore sowie die

Integration des deutschen Netzes in den europäischen Ver-

bund. Wichtig ist dabei, dass wir uns nicht nur auf die Über-

tragungsnetze versteifen, sondern auch die Bedeutung der

Verteilnetze vor Ort mit in den Fokus rücken.

Ausbau von Speicherkapazitäten

Hand in Hand mit dem Ausbau des Stromnetzes muss der

verstärkte Einsatz von Speichertechnologien gehen. Da wir

mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien eine zuneh-

mend flukturierende Stromerzeugung haben werden, ist die-

ser Bereich elementar, um die Versorgungssicherheit zu ge-

währleisten. Im Energiekonzept wird aufgelistet, welche

Maßnahmen daher notwendig sind:

Zunächst gilt es, die verfügbaren deutschen Potentiale für

Pumpspeicherkraftwerke im Rahmen der technischen und

wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erschließen. Klar ist aber

auch, dass diese Potentiale allein langfristig nicht ausrei-

chen werden. Deshalb ist neben den deutschen Potentialen,

wie dem Schluchsee in Süddeutschland, auch die Nutzung

ausländischer Pumpspeicher für Deutschland von großer

Bedeutung. Darüber hinaus werden wir Investitionsanreize

prüfen, damit Strom aus Biomasse gezielt zum Ausgleich der

Fluktuationen von Wind und Sonne erzeugt und eingespeist

wird. Dies kann sicherlich nur funktionieren, wenn wir

gleichzeitig dem Bedarf an zusätzlichen Kuppelstellen ge-

recht werden. Vor allem müssen wir auch die Forschung in

neue Speichertechnologien deutlich intensivieren und zur

Marktreife führen sowie den Marktzugang für bereits verfüg-

bare Speichertechnologien erleichtern.

Nicht nur im Bereich der Speichertechnologien, sondern

auch in anderen Bereichen müssen wir die Investitionen in

die Forschung erhöhen. Neben der Grundlagenforschung

geht es vor allem darum, bei Erneuerbaren Energien und

effizienten Technologien insgesamt durch anwendungsorien-

tierte Forschungsförderung den Weg zur Marktdurchdrin-

gung zu ebnen. Aus diesem Grund wird die Bundesregie-

rung als Maßnahme unter anderem das 6. Energiefor-

schungsprogramm festlegen mit den Forschungsschwer-

punkten Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energie-

speichertechnologien und Netztechnik sowie Integration der

Erneuerbaren Energien in die Energieversorgung.

Ein bekanntes Problem, mit dem wir es in der Energiepolitik

zu tun haben, ist die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung.

Der Ausbau von Stromspeichern, aber auch der dringend

notwendige Netzausbau sowie der Ausbau Erneuerbarer

Energien können nur gelingen, wenn die künftige Energie-

politik für die Bürger verständlich und nachvollziehbar ist.

Für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind Wirtschaft

und Politik gleichermaßen gefordert. Auch dieser Punkt wur-

de im Energiekonzept berücksichtigt. So wird die Bundesre-

gierung eine Internet-Informationsplattform und ein Dialog-

forum „nachhaltige Energieversorgung“ einrichten mit dem

Ziel, Akzeptanz und Transparenz zu erhöhen.

Energieeffizienz

Ein zentraler Punkt des Energiekonzepts liegt im Bereich der

Energieeffizienz. Die bei den Instituten EWI, Prognos und

GWS in Auftrag gegebenen Energie-Szenarien arbeiten klar

heraus, dass im Bereich der energetischen Sanierung des

Gebäudebestands der zentrale Schlüssel zur Modernisierung

Seite 11POLITIK

PKM JOURNAL

der Energieversorgung und zum Erreichen der Klimaschutz-

ziele liegt. So entfallen auf den Gebäudebereich etwa 40

Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs und etwa ein

Drittel der CO2-Emissionen. Gleichzeitig liegen hier enorme

Potentiale zur Energie- und CO2-Einsparung.

Im Energiekonzept haben wir festgelegt, die erheblichen

Effizienzpotentiale in privaten Haushalten und im öffentli-

chen Bereich auszuschöpfen. Auch die Steigerung der Ener-

gieeffizienz für die Industrie spielt eine zentrale Rolle. Dabei

setzen wir auch auf die Eigenverantwortung von Wirtschaft

und Bürgern. Zentrales Ziel ist es, den Wärmebedarf des

Gebäudebestandes langfristig zu senken. Bis 2020 wollen

wir eine Reduzierung des Wärmebedarfs um 20 Prozent

erreichen und bis 2050 eine Minderung des Primärenergie-

bedarfs von 80 Prozent. Die energetische Sanierung des

Gebäudebestands ist die wichtigste Maßnahme, um den

Verbrauch an fossilen Energieträgern nachhaltig zu mindern

und die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund wird zudem beim Bundeswirt-

schaftsministerium ein Energieeffizienzfonds eingerichtet, um

die zahlreichen erforderlichen Maßnahmen zu erreichen.

Der sparsame Umgang mit Energie ist die wichtigste

„Ressource“ eines rohstoffarmen, hoch industrialisierten

Landes wie Deutschland und der Schlüssel zu mehr Versor-

gungssicherheit, Innovation und Klimaschutz. Gerade im

Bereich der Gebäudesanierung schlummern noch enorme

Potentiale. Was wir aus meiner Sicht allerdings nicht aus

dem Blick verlieren dürfen, ist die Frage, inwieweit der Staat

in die Eigentumsrechte der Bürger eingreifen darf. Bei aller

Notwendigkeit der CO2-Gebäudesanierung dürfen wir die-

sen wichtigen Aspekt nicht vergessen. Eine strikte Sanie-

rungspflicht für alle Gebäude sehe ich daher mit äußerster

Skepsis. Die Parole muss lauten: Anreizsetzung statt

Zwangsmaßnahmen. Auch hier müssen wir verstärkt auf das

Funktionieren des Marktes vertrauen.

Kernenergie

Zwingend notwendig ist eine Verlängerung der von Rot-

Grün willkürlich festgelegten Laufzeiten deutscher Kernkraft-

werke. Kernenergie ist weiterhin notwendig, um die Grund-

lastversorgung sicherzustellen, so lange, bis sie durch einen

modernen Energiemix ersetzt werden kann, der sich auf in-

telligente Stromnetze und ausreichend Batteriespeichersyste-

me stützen kann. Um diesen Übergang zu ermöglichen,

werden die Laufzeiten daher um durchschnittlich zwölf Jahre

verlängert. Bei Kernkraftwerken mit Beginn des Leistungsbe-

triebs bis einschließlich 1980 wird die Laufzeit um acht Jah-

re verlängert, bei den jüngeren um 14 Jahre.

Zudem kommen die Energieszenarien der Gutachter zu dem

Ergebnis, dass eine Laufzeitverlängerung im Durchschnitt

über die Betrachtungsperiode eine preisdämpfende Wirkung

hat. Dadurch werden die Preise sowohl für Haushalts- als

auch für Großhandelskunden über den betrachteten Zeit-

raum niedriger, als bei einem Ausstieg aus der Kernenergie

(bis zu sieben Prozent bei Haushaltskunden und bis zu

35 Prozent bei Industriekunden). Gleichzeitig erleichtert die

Laufzeitverlängerung das Erreichen der Klimaschutzziele.

Aus der Verlängerung der Laufzeiten ergibt sich die Mög-

lichkeit, die Finanzierung in den Bereichen Erneuerbare

Energien und Energieeffizienz zu verstärken. Die Energie-

betreiber werden – zusätzlich zur bis Ende 2016 befristeten

Kernbrennstoffsteuer in Höhe von jährlich 2,3 Milliarden

Euro – in den Jahren 2011 und 2012 eine jährliche Sum-

me in Höhe von 300 Millionen Euro und in den Jahren

2013 bis 2016 in Höhe von 200 Millionen Euro (also ins-

gesamt 1,4 Milliarden Euro) zahlen. Ab dem Jahr 2017

zahlen die Energieversorgungsunternehmen in einen Fonds

ein, der sich an neun Euro pro MWh Stromproduktion ori-

entiert, was hochgerechnet rund 15 Milliarden Euro ent-

spricht. Damit werden rund die Hälfte der erzielten Mehr-

einnahmen der Unternehmen abgeschöpft.

Darüber hinaus werden die Mittel für die zahlreichen Ziele

des Energiekonzepts durch die Einnahmen aus der Verstei-

gerung von Emissionszertifikaten ab 2013 generiert. Aus

dieser Quelle werden damit jährlich rund 2,5 Milliarden

Euro in Erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnah-

men fließen.

Fazit

Leider wurde in den vergangenen Wochen oft die notwendi-

ge Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke einseitig in den

Vordergrund gerückt. Die dargestellten Punkte des Energie-

konzepts zeigen aber, dass es uns ernst ist mit dem Weg ins

regenerative Zeitalter. Zu den dargestellten Punkten im

Energiekonzept kommen noch weitere wichtige wie zum

Beispiel auch im Bereich der Elektromobilität dazu.

In den nächsten Wochen und Monaten wird es nun ent-

scheidend sein, zum einen die Kernpunkte des energiepoliti-

schen Gesamtkonzepts zu erläutern und zu verteidigen so-

wie zum anderen zügig in die Umsetzung der einzelnen ins-

gesamt immerhin rund 60 Maßnahmen des Energiekonzepts

zu gehen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem energie-

politischen Gesamtkonzept alle Voraussetzungen geschaffen

haben für eine saubere, sichere und bezahlbare Energiever-

sorgung der Zukunft.

POLITIKSeite 12

PKM JOURNAL

Der Mittelstand ist der Motor unserer deut-

schen Volkswirtschaft. Dies zeigt sich heute

einmal mehr, nachdem die schlimmsten Aus-

wirkungen der größten Finanz- und Wirt-

schaftskrise seit 80 Jahren überwunden schei-

nen und Deutschland im internationalen Ver-

gleich der Industrieländer gut dasteht.

Es ist die Aufgabe des Staates, den ordnungspolitischen

Rahmen vorzugeben, in dem Unternehmen ihre produktiven

Kräfte entfalten und ihren wirtschaftlichen Erfolg sichern

können, und diesen immer wieder neuen Herausforderun-

gen anzupassen. Ein wichtiger Baustein hierbei ist das Insol-

venzrecht, das ins Spiel kommt, wenn ein Unternehmen in

die Krise gerät. Gerade durch die jüngste Finanz- und Wirt-

schaftskrise ist deutlich geworden, dass der ordnungspoliti-

sche Rahmen im deutschen Insolvenzrecht verbessert werden

muss. Neben einem eigenen Reorganisationsverfahren für

Banken geht es im Kern darum, die Voraussetzungen für

eine Sanierung von Unternehmen in der Krise zu erleichtern.

Denn das geltende Recht legt der frühzeitigen und konse-

quenten Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen zahl-

reiche Hindernisse in den Weg. Diese Hindernisse gilt es,

aus dem Weg zu räumen und den „Sanierungsstandort

Deutschland“ zu verbessern.

Die Koalition hat sich dieser Aufgabe unverzüglich gestellt

und bereits vor der Sommerpause einen Diskussionsentwurf

für ein „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von

Unternehmen“ vorgelegt. Damit zieht die Koalition die rich-

tigen Schlüsse, um die Chancen für eine Fortführung von

sanierungsfähigen Unternehmen zu verbessern und dadurch

auch vermehrt Arbeitsplätze zu erhalten.

Im Einzelnen sollen diese Ziele durch größeren Einfluss der

Gläubiger, durch Ausbau und Straffung des Insolvenzplan-

verfahrens, durch Stärkung der sogenannten Eigenverwal-

tung und durch eine Professionalisierung der Arbeit der In-

solvenzgerichte erreicht werden.

Damit eine Unternehmenssanierung gelingen kann, muss

der Einfluss der Gläubiger gestärkt werden. Denn die wirt-

schaftliche Gesundung eines angeschlagenen Unterneh-

mens liegt grundsätzlich in ihrem Interesse, da sie das wirt-

schaftliche Risiko eines endgültigen Scheiterns tragen. Da-

her wird den Gläubigern künftig schon in einem frühen Ver-

fahrensabschnitt Gelegenheit zur Äußerung gegeben und

ein Vorschlagsrecht für die Person des vorläufigen Insolvenz-

verwalters eingeräumt.

Sanierungsmöglichkeiten sollen zudem dadurch optimiert

werden, dass in einem Insolvenzplan nach Ermessen der

Beteiligten Verbindlichkeiten in Gesellschafteranteile umge-

wandelt werden können (sog. Debt-Equity-Swap). Die Fi-

nanzkrise hat gezeigt, dass die damit verbundenen Eingriffe

in die Rechte der Anteilsinhaber ein wichtiges Instrument zur

Sanierung von Unternehmen sein können. Durch den Weg-

fall von Verbindlichkeiten kann eine Überschuldung des

angeschlagenen Unternehmens vermieden und seine Zah-

lungsfähigkeit durch das Erlöschen der Zins- und Tilgungs-

last wiederhergestellt werden. Die Gläubiger werden zu-

gleich im Erfolgsfall an den Erträgen des sanierten Unter-

nehmens beteiligt und können über dessen künftige Aktivitä-

ten mitbestimmen.

Wirtschaftlich sinnvolle und von einer Mehrheit der Beteilig-

ten gewollte Sanierungen dürfen nicht an einer Blockade

Einzelner scheitern. Daher sieht der Gesetzentwurf eine Rei-

he von Maßnahmen vor, durch die Blockademöglichkeiten,

insbesondere durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen die

Bestätigung eines Insolvenzplans, abgebaut werden.

Zudem werden bürokratische Hemmnisse rund um das In-

solvenzplanverfahren verringert. Der Insolvenzverwalter

muss künftig bei einer Unternehmensfortführung vor Aufhe-

bung des Verfahrens lediglich fällige unstreitige Massean-

sprüche erfüllen und nur für streitige Ansprüche Sicherheit

leisten. Erhebliche praktische Schwierigkeiten werden so

beseitigt, da es ausreicht, bei nicht fälligen Ansprüchen ei-

nen Finanzplan vorzulegen, aus dem sich ergibt, dass die

Erfüllung gewährleistet ist.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwal-

tung werden erheblich gelockert. Dadurch kann die bisheri-

ge Geschäftsleitung – insbesondere auch bei häufig inha-

bergeführten mittelständischen Unternehmen – ihre Kennt-

nisse und Erfahrungen einbringen und die Einarbeitungszeit

des Insolvenzverwalters verkürzen. Auf diese Weise werden

Seite 13POLITIK

PKM JOURNAL

Sanierungschancen durch die Reformdes Insolvenzrechts stärken

Von Andrea Voßhoff MdBRechtspolitische Sprecherin und Vorsitzende der AG Recht der CDU/CSU-BundestagsfraktionStellvertretende Vorsitzende des Parlamentskreis Mittelstand

Anreize geschaffen, sich früher als bisher auf ein Insolvenz-

verfahren einzulassen.

Schließlich soll die Tätigkeit der Insolvenzgerichte weiter

professionalisiert werden. Insbesondere soll künftig nur noch

maximal ein Amtsgericht je Landgerichtsbezirk für Insolvenz-

sachen zuständig sein. Durch die wiederholte Behandlung

ähnlicher Fälle können Richter und Rechtspfleger aufgrund

der erworbenen Erfahrungen zügiger und sachkundiger mit

Insolvenzverfahren umgehen.

Das deutsche Recht und die deutsche Justiz genießen inter-

national hohe Anerkennung. Droht die deutsche Justiz bei

internationalen Wirtschaftsprozessen ins Hintertreffen zu

geraten – wegen ihrer Gerichtssprache? Nach § 184 Ge-

richtsverfassungsgesetz (GVG) ist die Gerichtssprache aus-

schließlich Deutsch. Auch wenn Übersetzungen zugelassen

sind, so bleibt doch eine komplette fremdsprachliche münd-

liche Verhandlung unzulässig, weil jedenfalls die Anträge

der Parteien, das Sitzungsprotokoll sowie die gerichtlichen

Anordnungen und Entscheidungen auf Deutsch zu verfassen

sind. Gerade in der englischsprechenden Wirtschaftswelt

hat das große Auswirkungen nicht nur auf die Wahl des

Gerichtsstandes, sondern auch auf die Frage der Rechts-

wahl. Die Begrenzung der Gerichtssprache auf Deutsch

trägt somit dazu bei, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche

Streitigkeiten vor ausländischen Gerichten ausgetragen wer-

den – zum Nachteil des Gerichtsstandortes Deutschland

und deutscher exportorientierter Unternehmen, die natürlich

vor allem mit den deutschen Rechtstraditionen vertraut sind.

Mit dem vom Bundesrat vor der Sommerpause vorgelegten

Gesetzentwurf zur Einführung von Kammern für internatio-

nale Handelssachen (KfiHG) soll diesem Zustand Abhilfe

geschaffen und Englisch als Gerichtssprache in speziellen

Kammern bei den Landgerichten ermöglicht werden.

Diese Verbesserungen ebnen den Weg hin zu mehr Sanie-

rungschancen für das Unternehmen. Die Vorstellung, dass

ein Insolvenzverwalter stets als Bestatter eines Unternehmens

auf den Plan tritt, muss ihrerseits zu Grabe getragen wer-

den. Wir wollen vielmehr, dass dort, wo es marktwirtschaft-

lich sinnvoll ist, der Insolvenzverwalter einen wichtigen Bei-

trag zur Gesundung von Unternehmen leistet. In diesem

Sinne ist das Reformvorhaben ein wichtiger erster Schritt.

Wir werden diesem weitere folgen lassen.

Damit soll der Gerichtsstandort Deutschland an Attraktivität

gewinnen und bedeutende wirtschaftsrechtliche Verfahren

anziehen, die bisher im englischsprachigen Ausland verhan-

delt werden. Die zunehmende Vereinbarung des Gerichts-

standortes Deutschland soll auch die vermehrte Wahl des

deutschen Rechts in internationalen Verträgen nach sich

ziehen. Das ihnen vertraute Rechtssystem bietet deutschen

Unternehmen dann den wertvollen Vorteil der erhöhten

Rechtssicherheit im internationalen Wirtschaftsverkehr.

Ein Modellprojekt der Landgerichte Köln, Aachen und Bonn

sowie des Oberlandesgerichts Köln zeigt dabei, dass viele

Richter bereits einen angelsächsischen Zusatzabschluss als

„Master of Laws“ (LL.M) erworben oder aber früher in einer

internationalen Anwaltskanzlei gearbeitet haben und so

auch das Fachvokabular der englischen Rechtssprache be-

herrschen.

In der christlich-liberalen Koalition wird diese Initiative des

Bundesrates derzeit diskutiert. Eine abschliessende Mei-

nungsbildung steht noch aus. Unter dem Aspekt, dass auch

die Wettbewerbsfähigkeit des Deutschen Rechts für interna-

tional agierende Unternehmen ein wichtiger Faktor ist, bie-

tet die Bundesratsinitative einen diskussionswürdigen An-

satz.

POLITIKSeite 14

PKM JOURNAL

Kann Justitia auch Englisch? -

Englisch als Gerichtssprache in

internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten

Von Andrea Voßhoff MdBRechtspolitische Sprecherin und Vorsitzende der AG Recht der CDU/CSU-BundestagsfraktionStellvertretende Vorsitzende des Parlamentskreis Mittelstand

Deutsche Unternehmen haben

sich bislang in der Wirtschaftskrise

wacker geschlagen. Erste Indika-

toren belegen, dass es langsam

wieder bergauf geht. Die Auf-

tragsbücher vieler Firmen füllen

sich wieder, auch hellt sich das

Konsumklima in Deutschland erst-

mals seit dem Herbst letzten Jahres auf. Die Nachwehen der

Finanzmarktkrise sind allerdings noch immer allgegenwär-

tig: Viele Unternehmen bekommen die restriktive Kreditver-

gabe-Praxis der Banken nach wie vor zu spüren. Vor diesem

Hintergrund denken die Unternehmen vermehrt über Eigen-

kapitalfinanzierungen nach. Auf der Suche nach Informatio-

nen stoßen sie über kurz oder lang auf die Private Equity-

Branche. Dort steht reichlich Kapital für deutsche Unterneh-

men zur Verfügung: Über 32,8 Milliarden Euro können

deutsche und internationale Beteiligungsgesellschaften der-

zeit in deutsche Unternehmen investieren. Es handelt sich

dabei um Mittel, die von den Gesellschaften im Fundraising

bei professionellen Anlegern weltweit eingeworben wurden

und jetzt in mittelständische und Großunternehmen in

Deutschland investiert werden können.

Allein die deutschen, im Bundesverband Deutscher Kapital-

beteiligungsgesellschaften (BVK) organisierten Gesellschaf-

ten bieten frei verfügbare Mittel für Investitionen in deutsche

Unternehmen in Höhe von knapp sechs Milliarden Euro.

Weitere 27 Milliarden Euro an Mitteln kommen von den im

BVK organisierten internationalen Beteiligungsgesellschaften

hinzu.

Vier Milliarden Euro aller freien Mittel stehen ausschließlich

für Wachstumsfinanzierungen für mittelständische Unterneh-

men zur Verfügung. Für Mehrheitsübernahmen (die soge-

nannten Buy-Outs), die etwa bei Nachfolgeregelungen im

Mittelstand oder bei der Begleitung von Konzernteilen in die

Unabhängigkeit eingesetzt werden, stehen bei den BVK-

Mitgliedern rund 29 Milliarden Euro bereit. Beteiligungsge-

sellschaften finanzierten allein in den Jahren 2008 und

2009 mit zusammen mehr als elf Milliarden Euro jeweils

mehr als 1.000 deutsche Unternehmen unterschiedlicher

Größe mit Eigenkapital.

Deutschland gehört, gemessen an den Private Equity-

Investitionen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft, zu den

Schlusslichtern Europas. Dies liegt nicht zuletzt an den im

internationalen Vergleich undefinierten Rahmenbedingun-

gen für die deutsche Private Equity-Branche. Die deutsche

Branche mahnt schon schon seit vielen Jahren einen einheit-

lichen Private Equity-Kapitalmarktrahmen an, der eine auf-

sichts- und steuerrechtliche Regulierung deutscher Private

Equity-Gesellschaften und -Fonds umfasst. Dies könnte die

Rahmenbedingungen für Private Equity und damit die Finan-

zierungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen

deutlich verbessern.

Seite 15INFORMATION

PKM JOURNAL

Private EquityPartner mit viel Potenzial

Mehr High-Tech-Gründungen auch

dank der Mini-GmbH

Die Anzahl von Unternehmensgründungen in den High-

Tech-Sektoren ist im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr

gestiegen. Mit einer Zunahme um knapp 20 Prozent auf

14.000 lag die Anzahl der High-Tech-Gründungen deut-

lich über dem Tiefpunkt des Jahres 2008. Die Gründungs-

tätigkeit in der Gesamtwirtschaft nahm ebenfalls zu. Die

Anzahl wirtschaftsaktiver Gründungen insgesamt stieg um

knapp acht Prozent auf 205.000 Gründungen.

Der starke Anstieg der Anzahl der Unternehmensgründun-

gen ist auf eine Änderung der institutionellen Rahmenbe-

dingungen zurückzuführen: Am 1.11.2008 trat das Gesetz

zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung

von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft, das mit der Einfüh-

rung der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft

(der sog. Mini-GmbH) für viele, insbesondere kleine Unter-

nehmen eine attraktive Rechtsform schaffte. Ohne die Ein-

führung der Unternehmergesellschaft wäre die Entwicklung

der Gründungstätigkeit zwar schwächer ausgefallen, aber

mit einem geschätzten Anstieg der Anzahl der Unterneh-

mensgründungen im High-Tech-Sektor von mindestens drei

Prozent trotzdem erfreulich positiv ausgefallen. Unbescha-

det dessen bereitet die Finanzierung sowohl in der Grün-

dungs- als auch in der Wachstumsphase vielen Unterneh-

men oft erhebliche Probleme.

Europäische Privatgesellschaft

Von Christian SteinbergerLeiter der RechtsabteilungVDMA – Verband Deutscher Maschinen- undAnlagenbau e.V.

Ausgebremst – so fühlen sich viele Mittelständler im Maschi-

nen- und Anlagenbau, die grenzüberschreitende Unterneh-

mensstrukturen im Binnenmarkt aufbauen wollen. Seit Jah-

ren hoffen sie vergebens auf die Schaffung einer Europäi-

schen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE),

die ihnen die Gründung von Tochtergesellschaften in ande-

ren EU-Mitgliedstaaten erleichtert. Die Hoffnungen waren

berechtigt, nicht zuletzt, weil die SPE 2007 zu den Prioritäten

der deutschen Ratspräsidentschaft zählte. Leider ist vom an-

fänglichen Elan nichts mehr zu spüren.

Die Schaffung einer europäischen Gesellschaftsform gehört

daher zu den zentralen Forderungen des VDMA (Verband

Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.). Der mittel-

ständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau nutzt den

Binnenmarkt intensiv: die Exportquote beträgt 75 Prozent;

die Hälfte der Exporte geht in die EU-Mitgliedstaaten. Um

ihre Stärken ausspielen zu können, müssen die Unterneh-

men grenzüberschreitend über einen effektiven Vertrieb und

verlässlichen Service verfügen – Erfolgsfaktoren, die oft nur

über die Gründung von Tochtergesellschaften im EU-

Ausland zu erreichen sind.

Bereits 2002 haben daher bei einer VDMA-Umfrage 95

Prozent der Unternehmen angegeben, neue Tochtergesell-

schaften in EU-Mitgliedstaaten in Form einer SPE gründen

zu wollen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Die Vortei-

le der „Europa-GmbH“ liegen auf der Hand. Derzeit ist ein

Unternehmen, das seine Vertriebs- und Serviceaktivitäten

europaweit organisieren will, mit 27 teilweise sehr unter-

schiedlichen gesellschaftsrechtlichen Systemen konfrontiert.

Daraus ergibt sich ein erheblicher Informations- und Bera-

tungsbedarf zu den Gründungsvoraussetzungen nach dem

jeweiligen nationalen Recht, aber auch zu der laufenden

Geschäftsführung. Die SPE könnte hier Abhilfe schaffen.

Eine Studie, die 2008 von der Anwaltskanzlei Baker & Mc-

Kenzie im Auftrag des VDMA und in Zusammenarbeit mit

Prof. Dr. Christoph Teichmann der Universität Würzburg

durchgeführt wurde, belegt das Einsparpotenzial. Hiernach

muss ein KMU, das in fünf Staaten eine kleine Vertriebs- und

Servicetochter gründen will, mit Gründungskosten in Höhe

von fast 45.000 Euro rechnen. Davon entfallen allein auf

die gesellschaftsrechtliche Beratung zur jeweiligen Rechts-

form 16.000 Euro, hinzu kommen laufende Kosten in Höhe

von 16.500 Euro pro Jahr. Mit Hilfe der SPE könnten im

Optimalfall vier Fünftel der Beratungskosten sowohl in der

Gründungsphase als auch während der laufenden Ge-

schäftsführung gespart werden.

Der Einwand, die SPE sei durch die Reform des deutschen

GmbH-Rechts, nach der eine GmbH ihren Verwaltungssitz

ins Ausland verlegen darf, überflüssig geworden, greift

nicht. Abgesehen davon, dass Gründung einer „Briefkasten-

GmbH“ und Verlagerung des Verwaltungssitzes vom seriös

agierenden Mittelstand überhaupt nicht in Betracht gezogen

wird, verringert es auch die Rechtsberatungskosten nicht. Ein

KMU, das in Deutschland eine GmbH gründet und an-

schließend deren Verwaltungssitz nach Spanien verlegt, ist

auf eine kostenintensive Rechtsberatung angewiesen, um zu

ermitteln, inwieweit deutsches oder spanisches Recht anzu-

wenden ist.

Die Frage liegt nahe, warum die SPE noch nicht Wirklichkeit

geworden ist. Die SPE ereilt offensichtlich dasselbe Schicksal

wie einst die Europa AG (SE). Die Frage der Mitbestimmung

hatte jahrzehntelang die Verhandlungen blockiert. Auch die

Verhandlungen über die SPE sind mit Blick auf die Mitbe-

stimmung festgefahren.

Die Situation bei der SPE ist aber eine andere als bei der SE,

die auf die Bedürfnisse großer Unternehmen zugeschnitten

ist. KMU unterliegen aufgrund ihrer geringen Beschäftigten-

zahl wesentlich seltener Mitbestimmungsregeln. Außerdem

ist zu berücksichtigen, dass an der Gründung einer SE in der

Regel Unternehmen beteiligt sind, in denen bereits Mitbe-

INFORMATIONSeite 16

PKM JOURNAL

Produkt- und

Markenpiraterie

Der VDMA unterrichtete den PKM in einem Gespräch

über die zunehmende Verbreitung von Produkt- und

Markenpiraterie. Einer Umfrage zufolge seien mittlerwei-

le fast alle Branchen in Deutschland betroffen. Zwar

gebe es technische, rechtliche und betriebsinterne Prä-

ventionsmöglichkeiten. Die volkswirtschaftlichen Schä-

den seien jedoch enorm. Eine möglichst enge internati-

onale Abstimmung im Kampf gegen Produkt- und Mar-

kenpiraterie sei daher anzustreben.

stimmung praktiziert wird. Demgegenüber handelt es sich

bei der Gründung einer SPE in der Regel um Neugründun-

gen. Schützenswerte Arbeitnehmer sind also noch nicht vor-

handen, so dass im Gründungsstadium keine Mitbestim-

mung erforderlich ist. Ist die SPE dann errichtet, gilt für sie

nach dem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission das

Arbeitsrecht des Sitzstaates – und damit die nationalen Mit-

bestimmungsregeln.

Um Befürchtungen entgegen zu treten, die SPE könnte be-

nutzt werden, um über Holding-, Fusions- oder Joint Ven-

ture-Konstruktionen die Arbeitnehmermitbestimmung auszu-

hebeln, könnten für diese Fälle die Mitbestimmungsregeln

der SE-Verordnung gelten. Ebenso muss verhindert werden,

dass eine „Flucht aus der Mitbestimmung“ durch die Verle-

gung des Verwaltungssitzes möglich ist.

Die SE wurde erst mehr als zehn Jahre nach dem ursprüngli-

chen Kommissionsvorschlag Wirklichkeit. Der industrielle

Mittelstand will nicht so lange auf seine SPE warten.

Seite 17INFORMATION

PKM JOURNAL

Neue Bilanzregeln für den Mittelstand

Für einige mittelständische Betriebe könnte die Rech-

nungslegung künftig etwas einfacher werden. Denn für

kleine und mittlere Unternehmen gelten die Regeln des

neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG),

das Ende Mai 2009 in Kraft getreten ist und jetzt für die

Betriebe relevant wird.

Ziel der Reform ist, Regulierungsvorschriften für kleine

und mittlere Unternehmen zu reduzieren. Die Bundesre-

gierung erwartet auch eine deutliche Kostenreduktion für

den Mittelstand. Durch die Anhebung der Umsatz- und

Gewinngrenzen etwa sind nun mehr Betriebe von der

Buchführungspflicht befreit.

Mit der Novelle kommt der Gesetzgeber gleich zwei Zie-

len nach: Zum einen wird mit dem BilMoG EU-Recht

umgesetzt, zum anderen passen sich die neuen Bilanzie-

rungsregeln aber auch dem internationalen Rechnungsle-

gungsstandard (IFRS) an, dessen Variante für den Mit-

telstand ebenfalls im vergangenen Jahr in Kraft trat. Die

IFRS-Normen sind in rund 100 Ländern anerkennt und

seit 2005 für Konzerne und Unternehmen mit börslich

notierten Aktien und Anleihen verpflichtend. Die verein-

fachten IFRS-Regeln für den Mittelstand wurden aus dem-

selben Grund entwickelt wie das BilMoG: Aufwändige,

eigentlich für Konzerne ersonnene Bilanzierungsbestim-

mungen sollen vermieden und Bürokratie abgebaut wer-

den.

Konkret ist in der IFRS-Variante für kleine mit mittlere

Unternehmen der Umfang der Pflichtangaben geringer,

es gibt einfachere Ansatz- und Bewertungsvorschriften

und auch weniger Bilanzierungs- und Bewertungswahl-

rechte. Einige Punkte, die in der Vollversion nur börsen-

notierte Konzerne betreffen, wurden gleich ganz wegge-

lassen.

Unterm Strich ist das Werk für viele Mittelständler den-

noch unnötig komplex. Zwar hat das deutsche BilMoG

viele Widersprüche beseitigt, die zwischen nationalen

Rechnungslegungsvorschriften und IFRS bestanden. Aller-

dings sind die IFRS eher für den anonymen Kapitalmarkt

gemacht. Für kleine und mittlere Betriebe sollte die IFRS-

Norm daher freiwillig bleiben. Für größere, international

tätige Mittelständler hingegen macht sie Sinn, da sie ge-

genüber ausländischen Geschäftspartnern die Vorlage

eines transparenten Abschlusses ermöglicht.

Verbände wollen Mitglieder

in sozialen Medien binden

Zahlreiche Verbände in Deutschland leiden an Mitglieder-

schwung und einer älter werdenden Mitgliederstruktur. Um

jüngere Zielgruppen anzusprechen, planen viele Verbände

nun den Einsatz sozialer Medien, wie eine Umfrage unter

331 Geschäftsführern und Vorständen deutscher Verbände

ergeben hat.

Bisher halten sich die Verbände im sozialen Internet noch

sehr zurück. Nur etwa 10 Prozent nutzen den Kurznachrich-

tendienst Twitter oder soziale Netzwerke wie Facebook oder

Xing. Eine verbandsinterne Community, die den Wissens-

austausch unter den Mitgliedern verbessern könnte, hat nur

jeder zehnte Verband im Einsatz. Die Sorge vor einem ho-

hen Verwaltungsaufwand ist der Hauptgrund für die Zurück-

haltung, weniger der Respekt oder gar die Angst vor dem

Neuen, haben die Befragten angegeben.

Nur fünf Prozent der Verbände sehen offene Netzwerke wie

Xing oder Facebook als Wettbewerb an, obwohl die Vernet-

zung oder der Wissensaustausch als Kernaufgabe der Ver-

bände auch gut in sozialen Netzwerken abgebildet werden

kann. Die Verbände hinken damit den Anwendungen der

neuen Medien in Unternehmen weit hinterher.

Drei von fünf Verbandsvertretern haben ihren Nachholbe-

darf aber inzwischen erkannt und wollen die sozialen Me-

dien im kommenden Jahr stärker nutzen. Als neue Instru-

mente genießt die eigene Online-Community die höchste

Wertschätzung, gefolgt von Wikis und Blogs. Microblog-

ging-Dienst wie Twitter werden nur von jedem fünften Ver-

bandsvertreter als wichtig eingeschätzt. Allerdings kannte ein

Drittel der Befragten den Begriff Micoblogging überhaupt

nicht.

Als Vorteile der sozialen Medien wurden vor allem ein bes-

serer Informationsfluss und eine höhere Mitgliederbindung

gesehen. Auch die Hoffnung auf eine bessere Anpassung

der Kommunikation an die Zielgruppe treibt die Verbands-

vertreter ins soziale Web.

Gesundheitsbrancheschafft Arbeitsplätze

Unternehmer und Dienstleister im deutschen Gesundheits-

wesen lassen sich von Spardebatten und den Auswirkungen

der Wirtschaftskrise nicht beeindrucken. Die Geschäftslage

habe sich weiter verbessert, die Erwartungen stabilisierten

sich auf hohem Niveau, stellt der Deutsche Industrie- und

Handelskammertag in der Auswertung einer Befragung von

600 Gesundheitsunternehmen aus dem Frühsommer fest.

Das schlage sich spürbar in den Beschäftigungsplänen der

Unternehmen nieder: In den kommenden 12 Monaten sei

ein Anstieg der Erwerbstätigenzahl um 100.000 möglich.

Allerdings gelte das vorbehaltlich weiterer Belastungen

durch Mindestlöhne oder Gesundheitsreform.

Die Umfrage zeige, dass sich die Erholung der wenig kon-

junkturabhängigen Gesundheitsbranche weiter fortsetze. In

der Beurteilung der Lage habe sie das Niveau vor Ausbruch

der Krise im Jahr 2008 wieder erreicht. Die Exporterwartun-

gen hätten sich auf hohem Niveau verbessert. Das gelte vor

allem für Pharma und Medizintechnik.

Halbes Prozent statt die Hälfte

Jeder sechste Bundesbürger vermutet, dass die Firmen die

Hälfte ihres Umsatzes als Gewinn einstreichen. Die Wahrheit

sieht selbst in guten Jahren wie 2008 ganz anders aus: Da-

mals blieben deutschen Firmen von jeweils 100 Euro Um-

satz im Schnitt 3,67 Euro Gewinn übrig. Vor Steuern waren

es 4,57 Euro. Zwei Drittel des Umsatzes schluckten die Kos-

ten für Material, jeder sechste Euro wurde für die Mitarbeiter

ausgegeben. Quer durch alle Branchen waren die Aufwen-

dungen der Firmen sogar höher als ihre Umsätze. Dass die

Betriebe dennoch einen Gewinn verbucht haben, verdanken

sie den übrigen Erträgen aus Zinsen und Beteiligungen. Für

das Krisenjahr 2009 deuten ersten Schätzungen auf einen

dramatischen Gewinneinbruch hin. So dürfte die Rendite der

Metall- und Elektro-Industrie auf ein halbes Prozent ge-

schrumpft sein; über ein Drittel der Betriebe schrieb rote

Zahlen. Die guten Geschäfte im aktuellen Aufschwung die-

nen deshalb zunächst dazu, aus dem Tal herauszukommen

und sich ein Polster zuzulegen.

INFORMATIONSeite 18

PKM JOURNAL

EU will Rauchverbot

total

Die EU-Kommission will ein

tabakfreies Europa bis 2012

in öffentlichen Räumen und

am Arbeitsplatz erreichen.

Vor allem Jugendliche sollen

stärker über die gesundheitli-

chen Gefahren aufgeklärt

werden. Dies kündigte EU-Gesundheitskommissar John Dal-

li kürzlich in Brüssel bei der Vorstellung der Eurobarometer-

Umfrage zum Tabakkonsum in der EU an. Dabei wurden

EU-weit fast 27.000 Menschen zu ihrer Haltung zum Rau-

chen befragt, 1.550 waren es in Deutschland.

Der Gesundheitskommissar ist entschlossen, den Tabakkon-

sum in der EU zu reduzieren. Er will dies durch die Revision

der Tabakprodukte-Richtlinie bis 2011 auf den Weg brin-

gen. Besorgt sei er vor allem über den Anteil junger Rau-

cher. Europa könne nicht zusehen, wie die junge Generati-

on ihre Gesundheit „verqualme“. Jährlich sterben in der EU

nach Schätzungen mehr als 650.000 Menschen an den

Folgen des Tabakkonsums.

14 Millionen EU-Bürger leiden an durch exzessiven Tabak-

konsum verursachten Krankheiten. Aber nicht nur Raucher

sind betroffen. 19.000 Todesfälle gehen jährlich auf das

Konto von Passivrauchen am Arbeitsplatz oder zu Hause,

rechnet die Kommission vor. Ein Viertel der Bürger gibt an,

am Arbeitsplatz mit rauchenden Kollegen leben zu müssen.

Drei Viertel der EU-Bürger befürworten laut Umfrage drasti-

sche Warnhinweise wie Fotos auf Zigarettenpackungen über

die Gesundheitsgefahren. 63 Prozent der Befragten spra-

chen sich für ein Verbot der Tabakwerbung an Verkaufsstel-

len aus. Uneins ist die Einschätzung aber darüber, in wel-

chen Bereichen ein Rauchverbot gelten sollte. 65 Prozent

der Raucher wollen im eigenen Auto – auch wenn es von

Nichtrauchern gefahren wird – weiter rauchen. 45 Prozent

der Raucher fordern diese Freiheit auch in Bars und Gast-

stätten. Unter den Nichtrauchern wollen dies nur 13 Prozent

noch zulassen.

Ein gesetzliches Rauchverbot am Arbeitsplatz, in Gaststätten

oder Speiselokalen ist in der EU unterschiedlich geregelt.

Ein Totalrauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Räu-

men, Bars und Restaurants besteht derzeit nur in Irland,

Großbritannien und Zypern. Italien, Malta, Schweden, Litau-

en, Finnland, Slowenien, Frankreich, Lettland und die Nie-

derlande haben Einschränkungen des Rauchens geregelt.

In Krankenhäusern besteht Rauchverbot in Österreich, Bul-

garien, Dänemark, Griechenland, Portugal, Rumänien, Bel-

gien, Luxemburg, der Slowakei und Spanien und in den

meisten deutschen Ländern.

Seite 19INFORMATION

PKM JOURNAL

Europa 2020 - Die fünf Ziele der EU

Beschäftigung:

Der Anteil der erwerbstätigen Personen im Alter von 20

bis 64 Jahren an der Gesamtbevölkerung derselben

Altersgruppe – die Beschäftigungsquote – soll bis 2020

auf 75 Prozent steigen.

Forschung und Entwicklung:

Öffentliche und private Investitionen für diese Zwecke

sollen drei Prozent des BIP erreichen.

Energie und Klima:

Die Treibhausgasemissionen sollen gegenüber 1990

um mindestens 20 Prozent verringert werden, der Anteil

erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz um je-

weils 20 Prozent steigen.

Bildung:

EU-weit sollen die Schulabbrecherquoten auf unter 10

Prozent sinken und der Anteil der Personen mit Hoch-

schulabschluss oder gleichwertigem Abschluss soll auf

mindestens 40 Prozent steigen.

Armut:

Es sollen weniger Europäer als bisher in Armut leben:

Mindestens 20 Millionen Mensch sollen vor dem Risiko

der Armut oder der Ausgrenzung bewahrt werden.

Finanzgerichte haben

immer weniger Fälle

Die deutschen Finanzgerichte ha-

ben immer weniger Arbeit. Die

Zahl der anhängigen Verfahren ist

in den vergangenen Jahren stark

zurückgegangen, und die Klagen

werden schneller abgearbeitet.

Hatten die Steuergerichte im Jahr 2004 noch 85.627 Fälle

in den Akten, waren es Ende 2009 nur noch 59.550 Fälle –

ein Rückgang von gut 30 Prozent.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer stieg zwischen 2004

und 2006 von 17 auf 19 Monate, fiel dann aber bis 2009

wieder auf 18,1 Monate.

Der Vorsitzende der Steuer-Gewerkschaft führte diesen

Trend darauf zurück, dass die Finanzämter bei geringen

Beträgen lieber dem Steuerzahler recht geben, als es auf

eine Klage ankommen zu lassen. Das ist die Kapitulation

des Rechtsstaats oder ökonomische Arbeitsweise – je nach

Standpunkt.

Der deutliche Rückgang der Verfahren widerspricht den jah-

relangen Klagen der Finanzgerichte, sie würden durch pro-

zessfreudige Steuerzahler und das immer komplizierter wer-

dende Steuerrecht unter einer Lawine von Fällen begraben.

Die Finanzgerichte arbeiten nicht nur alte Verfahren zügiger

ab, sondern bekommen auch weniger neue Fälle: Die Zahl

der neu eingegangenen Verfahren sank von 78.683 im Jahr

2004 auf 54.393 im Jahr 2009. Das höchste Steuergericht,

der Bundesfinanzhof, hatte zwar in diesen Jahren rund

3.400 neue Fälle. Er konnte aber durch eine bessere Ar-

beitsorganisation die durchschnittliche Verfahrensdauer von

zwölf auf neun Monate drücken.

Die Bundesregierung führt diese Entwicklung auch auf eine

Verbesserung des Steuerrechts zurück. Fachleute von der

Freien Universität Berlin halten das allerdings nicht für plau-

sibel. Auch Gewerkschaften sehen den wahren Grund eher

darin, dass die Finanzämter bei Beträgen von unter

500 Euro dem Steuerzahler auch dann recht geben, wenn

sie anderer Meinung sind. Außerdem gibt es immer mehr

maschinelle Verfahren. Da werden Fälle anerkannt, die ein

Mensch niemals würde durchgehen lassen.

Deutschland senkt Unternehmensteuern

wie kein anderes Land in der EU

Nirgends in der EU ist die Körperschaftsteuer so stark ge-

sunken wie in Deutschland. Zwischen 2000 und 2010 gin-

gen die Steuersätze hierzulande um 21,8 Punkte zurück.

Das teilte die Statistikbehörde Eurostat mit. Ungeachtet die-

ser Entwicklung liegt Deutschland bei der Körperschaftsteuer

noch deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Wäh-

rend der Höchstsatz in Deutschland 29,8 Prozent beträgt,

beläuft er sich im EU-Schnitt auf 23,2 Prozent. Spitzenreiter

sind Malta mit 35 und Frankreich mit 34,4 Prozent. Die

niedrigsten Sätze gibt es in Bulgarien und Zypern mit je zehn

Prozent. Die Einkommensteuer hat Deutschland im gleichen

Zeitraum nicht so deutlich gesenkt. Mit einem Rückgang von

6,3 Prozentpunkten blieb Deutschland hinter der EU mit

minus 7,2 Punkten zurück. Auch das Niveau von 47,5 Pro-

zent liegt über dem EU-Schnitt von 37,5 Prozent. Grundsätz-

lich bleibt die Europäische Union ein Hochsteuergebiet. Die

Abgabenquote liegt mehr als ein Drittel über dem Niveau in

den USA und Japan. Dabei gibt es in der EU starke Unter-

schiede: In Rumänien lag die Quote 2008 unter 30 Prozent,

in Schweden bei 47,1 Prozent.

INFORMATIONSeite 20

PKM JOURNAL

Gebühr für

sinnloses Klagen

Das Bundesverfassungsgericht hat zum wiederholten Mal

Missbrauchsgebühren gegen offensichtlich erfolglose Ver-

fassungsbeschwerden verhängt. Bei der Erfüllung seiner

Aufgaben dürfe das höchste deutsche Gericht nicht durch

eine sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazi-

täten behindert werden, heißt es in zwei Entscheidungen,

in denen Gebühren von je 500 und 300 Euro verhängt

wurden. Unter anderem war nach Ansicht der Richter der

Rechtsweg nicht ausgeschöpft worden.

Arbeitskosten im Osten

28 Prozent billiger

Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es

noch große Unterschiede zwischen den Arbeitskosten

in Ost und West. In Westdeutschland kostet eine ge-

leistete Arbeitsstunde die Arbeitgeber inklusive Lohn-

Nebenkosten im Schnitt 29,25 Euro. In Ostdeutsch-

land sind die Kosten laut Statistischem Bundesamt

27,9 Prozent geringer: Hier kostet eine Stunde Arbeit

insgesamt 21,09 Euro.

Positive Wirtschaftsentwicklung

richtig nutzen

Die deutsche Wirtschaft hat sich nach der Finanz- und Wirt-

schaftskrise schneller erholt als erwartet. Wir sind mit einem

blauen Auge davongekommen, aber die Vorbelastungen

durch öffentliche Schulden sind kräftig gestiegen und die

Finanzierungsprobleme der Sozialsysteme verschärfen sich

weiter. Deshalb gilt es, die unerwartet positive Wirtschafts-

entwicklung konsequent zu nutzen, um die gewaltigen Zu-

kunftslasten tragbar zu gestalten und die labilen Wirtschafts-

systeme zu stabilisieren.

So groß die Versuchung auch sein mag: Jetzt ist nicht die

Zeit, neue Wohltaten zu verteilen, sondern beherzt die

Chance zu ergreifen, die öffentlichen Haushalte wieder in

den Griff zu bekommen, also insbesondere die Aufnahme

neuer Schulden schnell auf Null zu bringen und dann die

Abhängigkeit von den Kapitalmärkten zu reduzieren.

Genau so wichtig ist es, die Arbeitslosigkeit weiter abzubau-

en, also an die Entwicklung in den Jahren 2006 bis 2008

anzuschließen. In dieser Phase ist es Dank der vorsichtigen

Lohnerhöhungen gelungen, die Anzahl der Arbeitslosen um

1,5 Millionen auf rund drei Millionen zu verringern. Inzwi-

schen hat sich die Anzahl wieder um eine halbe Million er-

höht. Einschließlich der so genannten stillen Reserve sind

immer noch etwa fünf Millionen Menschen arbeitslos.

Die erfreuliche Seite: Der neue Exportboom lässt die Kurzar-

beit schneller als erwartet schrumpfen. Mehrere Unterneh-

men wollen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. Manche ha-

ben bereits damit begonnen. Einzelne Unternehmen stoßen

auf Engpässe bei den Fachkräften. Damit kommt wieder die

Frage auf, wie die Arbeitnehmer am laufenden Aufschwung

beteiligt werden können und ob ein Nachholbedarf bei den

Löhnen besteht.

Dabei ist auf einen wichtigen Zusammenhang hinzuweisen.

Auch wenn die Löhne real noch nicht steigen, nehmen alle

Arbeitnehmer schon aufgrund der sinkenden Arbeitslosigkeit

an einem Aufschwung teil. Durch die zusätzliche Beschäfti-

gung wird der Anstieg der Sozialabgaben verringert, weil

mehr Menschen ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften

und weil die zusätzlich Beschäftigten in die Sozialkassen

einzahlen. Das wird aufgrund der sich verschlechternden

Altersstruktur und der steigenden Ansprüche an die Sozial-

systeme in der Regel nicht unmittelbar sichtbar, ist aber an-

gesichts der demographischen Entwicklung besonders wich-

tig.

Dort wo Engpässe entstehen, werden die Unternehmen ver-

suchen, zusätzliche Arbeitskräfte durch attraktive Lohnange-

bote anzuwerben. Die sich verändernde Lohnstruktur und

die mögliche Lohnspreizung sind aber nicht zu bedauern.

Entscheidend für die Arbeitslosen ist, dass die Engpässe be-

hoben werden können – und sei es mit Arbeitskräften aus

dem Ausland. Dann wird im Inland mehr investiert und pro-

duziert. Dann steigen auch die Nachfragen nach komple-

mentären Arbeitskräften, die Beschäftigung und das reale

Lohnniveau.

Seite 21INFORMATION

PKM JOURNAL

Prof. Dr. Johann Eekhoff

Präsident IfM Bonn

Institut für Mittelstandsforschung

Zurück zur

40-Stunden-Woche

In Westdeutschland

arbeiten wieder

mehr Vollzeitbe-

schäftigte 39 oder

40 Stunden pro

Woche. Ende 2005

waren es noch we-

niger als 20 Prozent

aller Arbeitnehmer,

im Dezember 2009

schon mehr als 28

Prozent.

In der Bauwirtschaft sowie zum Teil im Öffentlichen Dienst

und in einigen Handwerken gilt seit 2005 tarifvertraglich

wieder die 40-Stunden-Woche. Im Durchschnitt aller

Branchen kommen die Westdeutschen auf 37,4 Stunden,

die Ostdeutschen auf 38,8. Dort ist das durchschnittliche

Wochenpensum in den vergangenen Jahren leicht gesun-

ken, weil mehr Menschen in Branchen mit geringeren Ar-

beitszeiten tätig sind.

Noch in den 1950er Jahren forderten die Gewerkschaften

unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“ eine Begren-

zung der Wochenarbeitszeit auf fünf Tage á acht Stunden.

Das gelang als Erstes 1956 in der Zigarettenindustrie.

In den 1960er Jahren folgten die Druck-, die Metall- und

Elektro-Industrie sowie die Bauindustrie. Etwa 20 Jahre

später wollten die Gewerkschaften sogar die 35-Stunden-

Woche durchsetzen, die es noch heute in der Druck- und

der Metall- und Elektro-Industrie gibt.

Die Zuwanderer, die heute nach

Deutschland kommen, haben eine

bessere Ausbildung als Zuwanderer in

der Vergangenheit. Bei der Integration

der Migranten gibt es hierzulande

aber weiterhin Nachholbedarf. Dies

sind Ergebnisse aus der Internationa-

len Migrationsstudie, die die Organisation für wirtschaftliche

Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Brüssel prä-

sentierte.

Deutschland ist heute allerdings nicht nur ein Einwande-

rungs-, sondern auch ein Auswandererland. So hat sich die

Zahl der Menschen, die Deutschland dauerhaft verlassen,

seit 2000 verdoppelt. Die Bundesrepublik belegt internatio-

nal inzwischen den siebten Platz bei der Abwanderung –

nach Ländern wie China, Polen, Indien oder Mexiko.

Laut OECD hat sich die Struktur der Zuwanderung nach

Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark verän-

dert. Seien bis in die Neunzigerjahre hinein vorwiegend Ge-

ringqualifizierte nach Deutschland gekommen, hätten die

heutigen Neuzuwanderer sogar im Schnitt ein höheres Bil-

dungsniveau als die hiesige Gesamtbevölkerung. Grund für

diesen Wandel sind die veränderten Zuwanderungsregeln.

So hat Deutschland die Migration Hochqualifizierter in den

vergangenen Jahren schrittweise liberalisiert und gleichzeitig

die Hürden für Unqualifizierte etwa durch den Sprachtest

erhöht. Ähnliche Entwicklungen sind in allen OECD-Ländern

zu beobachten. Der Wettbewerb um Hochqualifizierte hat

sich in den vergangenen Jahren sehr verschärft. Und andere

Länder, allen voran Australien, sind sehr viel erfolgreicher

als Deutschland im Anlocken von Hochqualifizierten. Austra-

lien ist am erfolgreichsten darin, ausländische Studenten

nach ihrem Abschluss im Land zu halten. In Australien kom-

me die Hälfte der hoch qualifizierten Zuwanderer von den

eigenen Universitäten. In Deutschland liegt dieser Anteil nur

bei 18 Prozent.

Allerdings ist auch für Deutschland festzustellen, dass die

ausländischen Studenten häufiger als früher im Land blei-

ben. Laut Bericht lässt sich ein Drittel der Universitätsabsol-

venten aus Drittstaaten dauerhaft in der Bundesrepublik

nieder. Im Berichtsjahr 2008 sind 10.000 Studenten aus

Nicht-EU-Ländern in Deutschland geblieben. Zudem wan-

derten 22.000 qualifizierte Arbeitnehmer ein.

Problematisch ist aus Sicht der OECD, dass sich hierzulande

nur relativ wenige Migranten einbürgern lassen. Bei der Ein-

bürgerung ist Deutschland neben der Schweiz das Schluss-

licht in der OECD. Dies sei auch deshalb bedauerlich, weil

Einbürgerung ein klares Integrationssignal sei. Deutschland

sollte stärker für die Einbürgerung werben. Positiv werteten

die Experten, dass die hier lebenden Ausländer von der

Wirtschaftskrise nicht überproportional stark betroffen wa-

ren. In den meisten anderen OECD-Ländern war dies der

Fall.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass Migranten besonders in

wirtschaftlich guten Zeiten einen wichtigen Beitrag zur wirt-

schaftlichen Entwicklung leisten. Nicht nur Deutschland,

sondern die gesamte Europäische Union bleibt der Studie

zufolge weiterhin ein Ziel für Wirtschaftsmigranten. Beson-

ders Spanien, Portugal, Italien und Großbritannien ziehen

noch immer Menschen aus aller Welt an. Zum ersten Mal

seit Jahren gehen die Zahlen aber zurück: So sank die Zahl

der Einwanderer in Italien um 26 Prozent, in Tschechien um

27 Prozent. OECD-weit ging die Zahl um sechs Prozent

zurück. Ein Trend, der in Brüssel Besorgnis auslöst: Wir

brauchen Migranten, denn die Bevölkerung wird stark

schrumpfen. Ohne die Migranten können wir langfristig

unseren wirtschaftlichen Wohlstand nicht halten.

INFORMATIONSeite 22

PKM JOURNAL

Paten erleichtern Seniorenden Internet-Zugang

Ehrenamtliche Internet-Paten sollen Senioren

den Einstieg ins Netz erklären und erleich-

tern. Ein auf zwölf Monate angelegtes Projekt

stieß in Berlin auf unerwartet großes Interesse, wie das Bun-

deswirtschaftsministerium mitteilte.

Rund 2.300 Internet-unerfahrene Senioren und potenzielle

Paten hatten sich gemeldet, um an der von dem Ministerium

gemeinsam mit der Postbank organisierten Initiative „Internet

erfahren“ teilnehmen zu können. Von den über 50-Jährigen

nutze nicht einmal die Hälfte das Internet, so das Ministeri-

um. Vielen von ihnen fehle oft nur eine Ansprechperson, die

beim Einstieg ins Netz hilft. Für diese Aufgabe will die Initia-

tive nun erfahrene ehrenamtliche Internet-Paten gewinnen,

die mit Schulungsmaterialien auf ihr künftiges Engagement

vorbereitet werden.

Nähere Informationen erhalten Sie unter:

http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Technologie-

und-Innovation/Informationsgesellschaft/internet-

erfahren,did=299118.html

Zuwanderer habenbessere Ausbildung als früher

Bürgerarbeit fürArbeitslose

Rund 34.000 Langzeitarbeitslose sollen

von Anfang 2011 an gemeinnützige

„Bürgerarbeit“ leisten. Das Bundesar-

beitsministerium begann im Sommer ein

Modellprojekt, an dem sich 197 Jobcen-

ter beteiligen. Ziel des neuen arbeits-

marktpolitischen Instruments, das schon seit drei Jahren in

Sachsen-Anhalt erprobt wird, ist die bessere Integration von

Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Bundesar-

beitsministerin Dr. Ursula von der Leyen kündigte in Berlin

an, 160.000 erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger sollten an

der sechsmonatigen „Aktivierungsphase“ teilnehmen. In der

„Beschäftigungsphase“ von Mitte Januar nächsten Jahres an

stünden dann 34.000 Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung.

Aktiv zu sein ist besser als zu Hause auf ein Jobangebot zu

warten.

Das Bundesprogramm Bürgerarbeit wird in drei Jahren Lauf-

zeit rund 1,3 Milliarden Euro kosten. Davon kommen jähr-

lich 230 Millionen Euro aus dem Bundesetat und 200 Milli-

onen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds. Grundsätz-

lich sollen Bürgerarbeiter 30 Stunden in der Woche für

900 Euro Lohn plus Sozialversicherung tätig sein. Die loka-

len Konzepte sollen die Jobcenter mit Kammern und Wirt-

schaftsverbänden vor Ort erarbeiten. Gedacht ist etwa an

Begleitdienste für Ältere und Behinderte bei Behördengän-

gen oder Arztbesuchen.

Der sachsen-anhaltische Arbeitsminister Reiner Haseloff

betonte, reguläre Arbeit dürfe durch Bürgerarbeit nicht ver-

drängt werden. Er zeigte sich mit dem Erfolg des Modellver-

suchs in seinem Land zufrieden. In den Modell-Gemeinden

konnte die Arbeitslosigkeit dauerhaft um mehr als 50 Pro-

zent gesenkt werden. 20 bis 25 Prozent aller Arbeitslosen

haben sich binnen weniger Wochen in reguläre Beschäfti-

gung abgemeldet. Etwa zehn Prozent der ehemals Chan-

cenlosen sind zwischenzeitlich in den regulären Arbeitsmarkt

eingemündet: weitere fünf bis zehn Prozent haben eine

Qualifizierung aufgenommen. Ein Vorteil der nicht freiwilli-

gen Bürgerarbeit ist, dass Schwarzarbeit eingedämmt wird.

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen verwies darauf,

dass die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt das wichtigs-

te Ziel bleibe. Deshalb sei der Bürgerarbeit eine intensive

Aktivierungs- und Vermittlungsphase vorgeschaltet. Bedin-

gung sei im Gegensatz zu früheren Arbeitsbeschaffungs-

maßnahmen, dass der Bürgerarbeiter durch einen persönli-

chen „Coach“ unterstützt werde, damit der Sprung in einen

regulären Job gelinge.

Seite 23INFORMATION

PKM JOURNAL

Ältere arbeiten deutlich länger als

noch vor einem Jahrzehnt

Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Beschäfti-

gungssituation von älteren Menschen in Deutschland in

den vergangenen Jahren nachhaltig verbessert: 2009

waren 38,7 Prozent der Personen zwischen 60 und 64

Jahren erwerbstätig, das sind fast doppelt so viele wie

vor zehn Jahren. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl

derer, die aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhe-

stand gingen von 28 Prozent im Jahr 1998 auf 23 Pro-

zent im Jahr 2008. Auch die Arbeitslosenquoten von

Älteren liegen nur noch leicht über, zum Teil gar unter

dem Gesamtdurchschnitt.

Beispiel Automobilindustrie:

Auch die Belegschaft von vielen Automobilherstellern

kommt in die Jahre. In der Vergangenheit wurden vor

allem jüngere Arbeitnehmer eingestellt. Bis zuletzt wur-

den über 50-Jährige für viel Geld in den Ruhestand ge-

schickt. Reagieren die Unternehmen nicht, drohen Pro-

duktivitätsverluste und mehr Krankheitstage.

Manche Arbeitgeber setzten deshalb auf Schuhwerk, das

auf das Gewicht der Arbeitnehmer abgestimmt ist und

federnde Sohlen, die den Rücken schonen. Die Schrift an

den Computern wird größer, Lupen an den Materialkäs-

ten sollen die Suche erleichtern und helfen, Fehler zu

vermeiden. Auch die stärkere Rotation von Mitarbeitern

am Band soll Abhilfe schaffen. Empirisch wurde belegt,

das dadurch die Produktivität steigt und der Kran-

kenstand sinkt.

Die Autobauer versuchen zudem, die verfehlte Rekrutie-

rung der Vergangenheit zu korrigieren. Bei Neueinstel-

lungen beispielsweise werden neuerdings bewusst auch

Ältere bevorzugt, um in Zukunft nicht wieder in die Al-

tersfalle zu laufen.

Der Einstieg ist

hart und teuer

Der Weg in den Beruf des Steuerberaters ist mühsam. Laut

Branchendienst der Sparkassengruppe erfordern die Vorbe-

reitungskurse und das Lernen hohe Investitionen an Zeit und

Geld. Eine Vorbereitungszeit von insgesamt 1.400 Stunden

sei nicht ungewöhnlich. Dies entspreche drei Viertel der Jah-

resarbeitsleistung eines deutschen Arbeitnehmers. Die Kos-

ten seien mit mindestens 5.000 Euro zu veranschlagen,

könnten aber mit Unterkunft und Verpflegung auch

15.000 Euro erreichen. Dennoch rasseln schließlich bei der

Prüfung mitunter 50 Prozent oder mehr der Kandidaten

durch.

Leichter fällt der Einstieg in die Existenz als Steuerberater,

wenn man nicht gleich eine eigene Kanzlei gründet, sondern

sich erst mal in einer bestehenden Praxis anstellen lässt.

Auch den neuen Status als Syndikus-Steuerberater sieht die

Bundessteuerberaterkammer als „Brücke in die Selbständig-

keit“. Am Aussterben ist übrigens der alte Titel des Steuerbe-

vollmächtigen: Schon seit Anfang der neunziger Jahre wird

niemand mehr neu zu diesem Beruf mit seinen niedrigeren

Einstiegshürden zugelassen.

Werbebranche leidet

unter Kostendruck

Die Einnahmen der Werbeagenturen in Deutschland sind im

vergangenen Jahr um 5,1 Prozent gesunken. Das teilte der

Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) nach

seiner jährlichen Frühjahrsumfrage mit. Der Rückgang fiel

damit deutlich höher aus als in der Krise 2001/2002. Da-

mals schrumpfte die Branche um 1,8 Prozent.

Die umsatzstärkste Kundengruppe war im vergangenen Jahr

die Autoindustrie. Von ihr stammten 16 Prozent der gesam-

ten Erlöse. Für dieses Jahr hoffen die Werbeagenturen auf

ein Umsatzplus von durchschnittlich drei Prozent. Wie viele

Agenturen das Jahr 2009 mit einem Gewinn abgeschlossen

haben, hat der Verband nicht ermittelt. Es wird aber davon

ausgegangen, dass es sich um den überwiegenden Teil der

Agenturen handelt.

90 Prozent der Befragten klagten darüber, der Kostendruck

sei gegenüber 2008 noch weiter gestiegen. 57 Prozent der

Agenturen entließen 2009 betriebsbedingt Mitarbeiter,

28 Prozent führten Kurzarbeit ein. In diesem Jahr sollen wie-

der die Einstellungen überwiegen.

Vier Wochen Mutterschutz

für Selbständige

Selbständige Frauen und die Partnerinnen von Selbständi-

gen sollen in der EU künftig Anspruch auf mindestens

14 Wochen Mutterschaftsurlaub haben. Dafür hat sich das

Europäische Parlament in Straßburg ausgesprochen.

Außerdem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass

Selbständige und ihre häufig unentgeltlich mitarbeitenden

Lebenspartner Zugang zu einer „Standardversicherung“ ha-

ben. Diese soll sie im Falle von Krankheit und Invalidität

schützen und eine angemessene Altersversorgung umfassen.

Damit sollen vor allem Frauen geschützt werden, die in der

Landwirtschaft, in kleinen Unternehmen und bei Selbständi-

gen in freien Berufen mitarbeiten. Ob die Staaten den Mut-

terschaftsurlaub und die Standardversicherung zur Pflicht

machen, bleibt ihnen überlassen. Sie müssen aber eine

„ausreichende“ finanzielle Versorgung garantieren. Da das

Parlament und die Staaten ihre Position im Vorfeld des Vo-

tums abgestimmt haben, kann die Regelung in Kraft treten.

In Deutschland gilt der Mutterschutz bisher nur für angestell-

te Frauen. Er beginnt sechs Wochen vor dem berechneten

Geburtstermin und endet in der Regel acht Wochen nach

der Entbindung. Angestellte Frauen erhalten während dieser

Zeit ein Mutterschaftsgeld in Höhe des durchschnittlichen

vorherigen Nettolohns.

INFORMATIONSeite 24

PKM JOURNAL

Kfz-Mechaniker sehr beliebt

Die Hitliste der beliebtesten Handwerksberufe führen seit

Jahren unverändert der Kfz-Mechaniker, Friseur und

Elektroniker sowie der Maler/Lackierer an. Hier gibt es

auch die meisten Lehrlinge. Aber der Beruf des Bestat-

ters verzeichnet steigende Zahlen. Rund 180 Lehrlings-

verträge werden hier jährlich bundesweit abgeschlossen.

In allen Bereichen sind noch Plätze frei. Auch für den

Bau, das Elektro- und Metallgewerbe wird noch Nach-

wuchs gesucht. Sorgen machen sich seit einigen Jahren

Bäcker und Metzger, die wegen der zum Teil ungemütli-

chen Arbeitszeiten starke Nachwuchsprobleme haben.

Viele Betriebe hoffen nun auf junge Arbeitskräfte aus

den Nachbarländern wie Polen und Tschechien. Ab

1. Mai 2011 dürfen diese ohne gesetzliche Beschrän-

kungen in Deutschland arbeiten.

Familie und Karriere –

ein Widerspruch?

Die Wirtschaftskri-

se hat den Opti-

mismus in den

deutschen Univer-

sitäten und Fach-

hochschulen ge-

bremst. Das geht

aus einer Studie

des Meinungsfor-

schungsinsti tuts

TNS Infratest im

Auftrag des Auto-

mobilzulieferers

Continental her-

vor, für die rund

1.000 künftige

Ingenieure, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler befragt

wurden. Anfang 2009 war demnach noch jeder vierte Stu-

dent aus dieser Gruppe nach eigener Auskunft „sehr zuver-

sichtlich“ mit Blick auf die eigene Karriere. Mittlerweile gilt

das nur noch für jeden siebten. Auffällig ist, dass die Stu-

dentinnen sich dabei noch deutlich skeptischer äußern als

ihre männlichen Kommilitonen.

Bis zur Weltuntergangsstimmung ist es aber noch weit. Der

Anteil der Studenten, die ihre eigenen Chancen trotz aller

Krisenmeldungen „sehr zuversichtlich“ oder „eher zuversicht-

lich“ sehen, ist zwar gegenüber 2009 um neun Prozent-

punkte auf den niedrigsten Wert seit der ersten vergleichba-

ren Umfrage im Jahr 2004 gefallen. Er liegt aber immer

noch bei 65 Prozent. Inzwischen sei die Perspektive aber vor

allem für Studenten der sogenannten MINT-Fächer Mathe-

matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik wieder

sehr gut. Für sie wirkt sich das Demographieproblem positiv

aus. Derzeit gehen genauso viele Ingenieure in Rente, wie

neue von den Universitäten nachkommen. Sobald das Wirt-

schaftswachstum einsetze, drohe wieder ein gravierender

Fachkräftemangel.

Nach dem Studium für längere Zeit im Ausland zu arbeiten,

können sich indes immer weniger Studenten vorstellen. Auf

die Frage, ob sie bereit wären, zwei oder drei Jahre in ost-

europäischen Ländern wie Tschechien oder Polen zu arbei-

ten, antworteten 64 Prozent mit „eher unwahrscheinlich“

oder „ganz bestimmt nicht“ (2004: 54 Prozent). Einen Be-

rufseinstig in China lehnen sogar 65 Prozent der Befragten

ab (2006: 49 Prozent), Südamerika kommt für 49 Prozent

eher oder gar nicht in Frage (2004: 38 Prozent). Deutlich

höher ist die Bereitschaft der Studenten, in den Vereinigten

Staaten zu arbeiten. Aber auch hier ist die Ablehnung seit

2004 um fünf Prozentpunkte auf 26 Prozent gestiegen.

An Bedeutung gewonnen hat die Familie. So geben in der

aktuellen Umfrage 76 Prozent an, dass sie für ihre Karriere

nicht auf die Gründung einer Familie verzichten würden.

2005 waren es nur 65 Prozent. Der Anteil der Familienmen-

schen ist unter Männern (77 Prozent) und Frauen (76 Pro-

zent) fast identisch. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach

geregelten Arbeitszeiten. Während sich 2008 etwa die Hälf-

te der Befragten eine tariflich geregelte Arbeitszeit wünschte,

sind es nun mehr als zwei Drittel. Und auf die Frage, wie sie

sich ihr künftiges Beschäftigungsverhältnis vorstellen, nannte

die Hälfte der Befragten „eine unbefristete, möglichst le-

benslange Anstellung und ein hohes Maß an Loyalität“. Im

Boomjahr 2005 hatte nur ein Viertel der Befragten so ge-

antwortet.

Energie 180 Euro teurer

Heinzen, tanken,

Wäsche waschen:

Die privaten Haus-

halte gehören zu

den größten Ener-

gieverbrauchern in

Deutschland. Doch

die Kosten für

Strom, Erdgas und

Kraftstoff haben in

den vergangenen

Jahren so angezo-

gen, dass ein Drei-Personen-Haushalt mit zwei Autos heut-

zutage im Schnitt rund 180 Euro monatlich mehr für Ener-

gie aufwenden muss als 1998. Hauptursache dafür ist der

Anstieg der globalen Energiepreise, der durch die starke

Nachfrage von Ländern wie China und den USA befeuert

wurde.

Zweitgrößter Preistreiber war der Staat: Die Einführung der

Ökosteuer, Umlagen für erneuerbare Energien und die

Kraft-Wärme-Kopplung sowie die Erhöhung der Mehr-

wertsteuer von 16 auf 19 Prozent haben die Energiekosten

in Deutschland zusätzlich in die Höhe getrieben.

Besonders hart trifft die Preisentwicklung jene Menschen,

die in schlecht isolierten Häusern leben, sowie Pendler, die

auf ein Auto angewiesen sind, um damit zur Arbeit zu fah-

ren. Auch der Trend zu sparsameren Fahrzeugen und effi-

zienterer Haushaltstechnik dürfte den Anstieg der Energie-

kosten nicht aufhalten.

Seite 25INFORMATION

PKM JOURNAL

Gasthörer andeutschen Universitäten

Sie lieben Sprach- und Kulturwissenschaft, aber auch die

Wirtschaftswissenschaften: Gasthörer an deutschen Universi-

täten. Diese Art des Studiums boomt wie selten: Fast

14 Prozent mehr Gasthörer als im Vorjahr gab es im ver-

gangenen Wintersemester; insgesamt waren es 41.900, wie

die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das All-

zeithoch aus dem Jahr 2003 wurde zwar nicht wieder er-

reicht, doch der Trend weist nach oben.

Die größte Gruppe der Gasthörer bilden Seniorenstudenten.

Rund 43 Prozent sind 60 Jahre alt oder älter. Dass ihr Anteil

steigt, erscheint Fachleuten wegen des demographischen

Wandels plausibel. Die Menschen werden immer älter, sind

aber geistig und körperlich sehr fit. Viele Ältere studierten

das Fach, das sie in jungen Jahren aus ökonomischen Er-

wägungen heraus nicht gewählt hätten. Gaststudenten kön-

nen auch ohne formale Hochschulreife an einzelnen Kursen

und Lehrveranstaltungen der Hochschulen teilnehmen. Eine

Abschlussprüfung ist nicht möglich.

Das bestätigt auch eine Studie der Bundesarbeitsgemein-

schaft wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG Wi-

WA) aus dem Jahr 2009. Soziale Aspekte wie die Zusam-

menarbeit mit Jüngeren und der Kontakt zu gleichgesinnten

Kommilitonen spielen demnach ebenfalls eine Rolle. In den

meisten Fällen kostet das Seniorenstudium Gebühren. Die

Spanne reicht der Studie zufolge von 20 bis 250 Euro.

Welche Motive aber die jüngeren Gasthörer bewegen, dar-

über gibt es nur Mutmaßungen. Bei der Hochschulrektoren-

konferenz (HRK) gelten die jüngeren Gasthörer als unbe-

kannte Größe, die statistischen Daten fehlen, um Aussagen

darüber zu machen. Vermutet wird, dass es sich um Wehr-

und Zivildienstleistende handelt, die nebenher ins Studium

hineinschnuppern. Auch junge Leute, die schon wissen, dass

sie ein bestimmtes Fach studieren wollen, aber den zugehö-

rigen Studienplatz noch nicht haben, sind sicher dabei.

Zur Weiterbildung

motivieren

Am Geld liegt es nicht, dass sich hierzulande zuletzt ledig-

lich 38 Prozent der 19- bis 64-Jährigen für eine berufliche

Weiterbildung begeistern konnten. Fast die Hälfte der heimi-

schen Arbeitnehmer ist vielmehr davon überzeugt, dass die

eigene Qualifikation vollkommen ausreicht, und zieht die

Möglichkeit einer beruflichen Fortbildung einfach nicht nä-

her in Betracht.

Dabei gibt es handfeste Vorteile – Mitarbeiter, die ihre Kom-

petenz und ihr Wissen erweitern, senken ihr Arbeitslosig-

keitsrisiko und steigern ihr Gehalt. Außerdem verbessern

sich die Chancen auf einen Karrieresprung. Dennoch be-

trachten viele Arbeitnehmer einen Sprachkurs oder eine

Qualifizierung zum Meister offenbar nur als nettes Beiwerk –

während für die Unternehmen die konsequente berufliche

Weiterbildung ihrer Belegschaft dringend notwendig ist: Der

demografische Wandel macht die Suche nach hochqualifi-

zierten Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt zusehends schwie-

riger. Wenn die eigenen Mitarbeiter stärker motiviert werden

können, sich durch Seminare, Schulungen etc. fit zu halten,

lässt sich diese Herausforderung besser meistern.

INFORMATIONSeite 26

PKM JOURNAL

Dienstleister:

Europa lockt

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist Ende 2009 in Kraft

getreten. Sie will den europaweiten Markt für Dienstleis-

tungen in Schwung bringen – unter anderem durch um-

fassende Informationsangebote über rechtliche Rahmen-

bedingungen für Dienstleistungen im betreffenden Land.

Beim „Portal für Dienstleistungen in Europa Portal

21“ (www.portal21.de) kann sich jeder Interessent für

grenzüberschreitende Dienstleistungen – sowohl Unter-

nehmer als auch Verbraucher – über die rechtlichen Rah-

menbedingungen und Verbraucherschutzstandards für

Dienstleistungen im gesamten EWR informieren. Das be-

inhaltet Auskünfte zum Rechtsrahmen in den EU-

Mitgliedstaaten, etwa zum Internationalen Privatrecht,

zum Vertragsrecht und Gesellschaftsrecht.

Weiterhin bietet das Portal Informationen über die Vor-

aussetzungen der Aufnahme und Ausübung von Dienst-

leistungen im EU-Ausland, über den Verbraucherschutz,

über den Rechtsschutz in den Mitgliedstaaten sowie über

geeignete Anlaufstellen für Dienstleistungsempfänger.

Geschäftsmodell Deutschland –geprüft und für gut befunden

Die wirtschaftliche Talfahrt des vergangenen Jahres hat ein-

mal mehr Kritk an der Ausrichtung der deutschen Wirtschaft

leut werden lassen. Sie sei unter anderem zu industrielastig

und daher besonders krisenanfällig. Doch der rezessionsbe-

dingte Rückgang der Industrieproduktion hat die Wirt-

schaftsleistung keineswegs stärker in Mitleidenschaft gezo-

gen als in anderen großen Volkswirtschaften.

Im Zuge der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise ist wieder

einmal die Debatte darüber entbrannt, ob das Geschäfts-

modell Deutschland noch tragfähig ist. Der Vorwurf: Der

außergewöhnlich hohe Industrieanteil sowie die starke Welt-

marktorientierung hätten der heimischen Wirtschaft während

der globalen Konjunkturturbulenzen besonders geschadet.

In der Tat unterscheidet sich Deutschlands Wirtschaftsstruk-

tur von der anderer großer Volkswirtschaften. So steuerte

das Verarbeitende Gewerbe im Jahr 2008 fast 26 Prozent

zum Bruttoinlandsprodukt bei und damit deutlich mehr als

etwa in Frankreich und Großbritannien mit 14 bzw. 18 Pro-

zent. Und auch mit einer Exportquote von rund 47 Prozent

spielte die deutsche Wirtschaft 2008 in einer anderen Liga

als ihre Konkurrenten: Die Briten zum Beispiel verkauften

lediglich 29 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung ins Ausland,

die Franzosen 26 Prozent und die US-Amerikaner sogar nur

12 Prozent.

Richtig ist, dass gerade die erfolgsverwöhnten Bereiche der

deutschen Wirtschaft zuletzt arg gebeutelt wurden. Als die

Konjunktur im April 2009 die Talsohle erreichte, lagen In-

dustrieproduktion und nominale Warenausfuhren um rund

ein Viertel unter dem vorangegangenen Höchststand vom

August 2008. Dennoch musste die deutsche Wirtschaft in

der zurückliegenden Krise keineswegs mehr Federn lassen

als ihre Konkurrenten (s. Grafik).

Während die Industrieproduktion hierzulande 2009 um fast

18 Prozent zurückging, schrumpfte sie in Japan sogar um

rund 23 Prozent. Auch in Frankreich, den USA sowie in

Großbritannien verzeichnete das Verarbeitende Gewerbe

jeweils einen Produktionseinbruch im zweistelligen Prozent-

bereich.

Zudem waren die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der

Krise im Industriesektor am Standort Deutschland keines-

wegs übermäßig groß:

Mit einem Minus von 4,9 Prozent schrumpfte das reale Brut-

toinlandsprodukt in Deutschland ähnlich stark wie in Japan,

Schweden, Italien, Großbritannien sowie den Niederlanden.

Wirft man einen näheren Blick auf den Zusammenhang zwi-

schen der Veränderung der Industrieproduktion und der

Veränderung der Wirtschaftsleistung, zeigt sich: Deutschland

liegt ungefähr im Schnitt der elf betrachteten Länder. Der

rückläufige Output des Verarbeitenden Gewerbes hat das

Bruttoinlandsprodukt also nicht außergewöhnlich stark nach

unten gedrückt. Dagegen war in Frankreich, den USA und

der Schweiz der negative Einfluss der Turbulenzen im – dort

viel kleineren – Industriesektor auf die Wirtschaftsleistung

überdurchschnittlich groß.

Damit erweist sich die Kritik am deutschen „Sonderweg“

abermals als unhaltbar. Bereits in der Vergangenheit waren

ähnliche Debatten letztlich ins Leere gelaufen. Mitte der

1990er Jahre hieß es zum Beispiel, die deutsche Wirtschaft

weise gegenüber ihren Wettbewerbern eine Dienstleistungs-

lücke auf. Mancher Skeptiker folgerte daraus sogar, die

hiesige Wirtschaft sei mit ihrem Fokus auf die Herstellung

von Industriewaren nicht zukunftsfähig.

Zur Jahrtausendwende ging die Diskussion dann unter dem

Titel „Old versus New Economy“ weiter. Vom Vorwurf,

Deutschland setze zu stark auf die klassischen Industriezwei-

ge, war allerdings nach dem Platzen der New-Economy-

Blase schon bald nichts mehr zu hören.

Und schließlich machte in der langen Phase der Stagnation

nach dem Jahr 2001 das Stichwort „Basarökomie“ die Run-

de. Die Bundesrepublik diene nur noch als Durchgangsstati-

on für Waren, die mehr und mehr im Ausland produziert

würden Doch auch diese Diskussion verstummte – Mitte des

Jahrzehnts begann ein Aufschwung, der zum großen Teil

von der heimischen Industrie getragen wurde.

Seite 27INFORMATION

PKM JOURNAL

Deutschland steht

vor einem Jobwunder

Politik und Wissenschaft sind sich

ausnahmsweise einmal einig:

Deutschland stehe vor einem Job-

wunder, sagen sie unisono. „Ich

glaube, dass wir nachhaltig die

Arbeitslosigkeit abbauen können

und dieses Jahr noch unter drei Millionen kommen“, sagte

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im ZDF. Mittelfris-

tig rechnet er sogar mit Vollbeschäftigung. „Das halte ich

schon für machbar“, sagte Brüderle. Helfen werde dabei die

niedrige Geburtenrate. Sie sorgt dafür, dass es künftig weni-

ger Erwerbstätige geben wird.

Trotz der anhaltenden Verlagerung von Arbeitsplätzen ins

Ausland soll es in den kommenden zehn Jahren Millionen

zusätzliche Stellen geben, heißt es in einer aktuellen Studie.

Bis 2020 soll die Zahl sozialversicherungspflichtiger Vollzeit-

jobs demnach um 1,7 Millionen zunehmen. Für geringfügig

Beschäftigte stehen – bezogen auf das Jahr 2003 – bis

2020 rund 820.000 zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung.

In den nächsten Jahren wird die Nachfrage nach Arbeits-

kräften stärker wachsen als das Angebot. Wichtig ist neben

einer besseren Qualifikation vor allem, mehr Frauen und

Ältere in Beschäftigung zu bringen. Viele Mütter wollen nach

der Babypause nicht auf ihre alte Position zurück, arbeiten

stattdessen in Teilzeit, nehmen Minijobs an oder hängen gar

ihren Job ganz an den Nagel .

Besonders gefragt werden Akademiker sein: Der Bedarf stei-

ge um rund 800.000 Universitäts- und 1,1 Millionen Fach-

hochschulabsolventen. Die besten Aussichten haben dem-

nach Absolventen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften,

Ingenieure, Erziehungswissenschaftler, Mathematiker, Juris-

ten, Maschinenbauer und Naturwissenschaftler. Gesucht

werden aber auch Meister, Techniker und Fachschulabsol-

venten. Hier steigt das Arbeitsplatzangebot um mehr als

eine halbe Million, so heißt es.

In der Industrie könnte die Rationalisierung und die Verlage-

rung ins Ausland aufgrund des verschärften Spardrucks

durch die Wirtschaftskrise weitergehen. Als zukunftsträchti-

ger gelten Tätigkeiten im Dienstleistungssektor.

Handwerk mitguten Noten

Drei Viertel der Deutschen sind einer Umfrage zufolge zu-

frieden mit ihrem Handwerker. Rund 73 Prozent der

Verbraucher hätten bislang keine Probleme mit Malern,

Klempnern oder Schreinern gehabt, teilte das Online-

Immobilienportal Immowelt in Nürnberg unter Berufung

auf eine repräsentative Untersuchung mit.

Bei gut einem Fünftel (18 Prozent) der Verbraucher habe es

bereits Unstimmigkeiten wegen einer fehlerhaften Ausfüh-

rung der Arbeit gegeben, bei knapp einem Zehntel (neun

Prozent) Probleme mit dem Termin für die Fertigstellung

der Arbeiten.

Fünf Prozent der Deutschen hatten mit ihrem Handwerker

der Umfrage zufolge schon Streit wegen der Rechnung. Vor

allem Besserverdiener hätten sich häufig über hohe Hand-

werker-Rechnungen beklagt.

INFORMATIONSeite 28

PKM JOURNAL

Hochqualifizierte –

wer zählt dazu?

Zu den Hochqualifizierten zählen in Deutschland nicht

nur Akademiker, sondern auch Absolventen von Fach-

schulen sowie Meister und Techniker. Juristen, Lehrer und

Industriemeister gehören aufgrund ihres tertiären Bil-

dungsabschlusses also in dieselbe Kategorie, zumindest

statistisch.

Dennoch lassen sich die beiden Gruppen genauer unter-

scheiden. In der Bundesrepublik verfügen rund 12 Pro-

zent der Bevölkerung über einen Hochschulabschluss:

Insgesamt haben 9,7 Millionen Menschen ein Universi-

täts- oder Fachhochschulstudium abgeschlossen, unge-

fähr 800.000 von ihnen qualifizierten sich mittels Promo-

tion sogar noch weiter. Fachschulabsolventen, Meister

und Techniker gibt es nicht ganz so häufig – rund

5,2 Millionen Menschen können mit diesen Kompeten-

zen aufwarten.

Und auch der Nachwuchs ist um eine hohe Qualifizie-

rung bemüht: Im Wintersemester 2008/2009 besuchten

in Deutschland rund zwei Millionen Männer und Frauen

eine Hochschule; in praxisbezogenen Bildungsgängen an

Fachschulen und anderen Einrichtungen büffeln und tüf-

teln derzeit rund 450.000 Menschen.

Vom Mitarbeiter

zum Mitdenker

Beim betrieblichen Ideenmanagement geht es für ein Unter-

nehmen schon vorrangig darum, Kosten zu sparen oder

Produktionsabläufe zu verbessern. Das Instrument ist aber

auch eine wichtige Motivationshilfe für die Belegschaft.

Mitarbeiter kennen ihr Arbeitsumfeld genau und wissen, wo

etwas nicht rundläuft. In vielen Unternehmen gibt es deshalb

ein Ideenmanagement, in das die Beschäftigten ihre Verbes-

serungsvorschläge einspeisen können. Im besten Fall winken

dann stattliche Prämien. Wenn aber Arbeitnehmer eine Idee

auf einem Formular bei der „Kommission für das Verbesse-

rungswesen“ einreichen und Monate auf eine Antwort war-

ten müssen, werden sie demotiviert – vor allem, wenn ihr

Vorschlag abgelehnt wird und die Begründung weder nach-

vollziehbar noch transparent ist.

Die meisten Beschäftigten sind aber laut einer aktuellen Stu-

die hoch motiviert und wollen ihren Aufgabenbereich ver-

antwortlich gestalten.

Ganz anders verhält es sich in Unternehmen, die Ideenwett-

bewerbe ausschreiben oder über ein gut durchdachtes

Ideenmanagement verfügen. Hier ist für die Mitarbeiter klar

ersichtlich, dass ihr Arbeitgeber vom Wissen seiner Beschäf-

tigten profitieren will, und sie fühlen sich mit ihren Verbesse-

rungsvorschlägen ernst genommen. Um die Vorteile dieses

Vorgehens wissen auch die unmittelbaren Vorgesetzten.

Ideenmanagement gilt als Motivationsfaktor für die Beleg-

schaft – auch, weil die realisierten Vorschläge die Arbeit

erleichtern.

Den Firmen kommt ein effizientes Ideenmanagement eben-

falls zu Gute. Schließlich haben sie häufig Probleme, deren

Lösung nur gemeinsam mit den Angestellten gelingen kann:

Beispielsweise können Lieferengpässe auftreten, weil die

Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen schlecht funktio-

niert, oder Ressourcen werden verschwendet, weil mehrere

Abteilungen dieselben Aufgaben lösen.

Dennoch gilt es in einigen Betrieben noch immer als Untu-

gend, sich in andere Zuständigkeitsbereiche einzumischen,

abteilungsübergreifend Vorschläge zu machen oder seinen

Mitarbeitern Freiräume für eigene Ideen zu geben. Die Kon-

sequenz: Viel kreatives Potenzial, das zur Stärkung der Wett-

bewerbsposition eines Unternehmens beitragen könnte,

bleibt ungenutzt.

Dabei haben beide Seiten etwas vom betrieblichen Vor-

schlagswesen – sowohl die Firma als auch die Mitarbeiter:

Durchschnittlich wurden Ideen im Jahr 2009 mit 170 Euro

vergütet (Tabelle). Im Einzelfall zahlt ein Unternehmen aber

auch deutliche höhere Beträge – beispielsweise, wenn ein

Arbeitnehmervorschlag zu Einsparungen von mehreren

100 Millionen Euro pro Jahr führt. Das war unlängst etwa

bei der Deutschen Bahn der Fall, bei der ein Mitarbeiter

eine Methode entwickelte, Schienen zu reparieren, ohne sie

dafür ausbauen zu müssen.

Im Durchschnitt zahlte sich jede umgesetzte Idee für das

jeweilige Unternehmen 2009 mit mehr als 5.000 Euro aus –

in Form von niedrigeren Kosten oder höheren Umsätzen. In

den Jahren zuvor hatte dieser berechenbare Nutzen sogar

über 6.000 Euro betragen.

Oft ist das Vorschlagswesen die profitabelste Abteilung. Für

jeden ins Ideenmanagement investierten Euro bekam ein

Unternehmen 9,60 Euro zurück – und zufriedenere Mitar-

beiter obendrein.

Seite 29INFORMATION

PKM JOURNAL

Der Stellenwert von Familienunternehmen begründet sich

aus ihrer Systemrelevanz für eine auf freiem Wettbewerb

beruhende Volkswirtschaft. Prägendes Merkmal von Famili-

enunternehmen ist die Einheit von Eigentum, Haftung, Risiko

und Leitung. Die unternehmerische Entscheidung und das

Vermögensrisiko der Anteilseigner liegen damit allein in der

Verantwortung der Unternehmerperson. Im qualitativen Sin-

ne bilden Familienunternehmen den wirtschaftlichen Mit-

telstand. Mit der Einheit von Eigentum und Leitung sind wei-

tere typische Wesensmerkmale von Familienunternehmen

verbunden, dennoch ist es dieses konstitutive Merkmal, das

den Mittelstand trotz aller Heterogenität zu einem Unterneh-

menstyp sui generis macht. In den amtlichen Datenquellen

findet die herausragende Bedeutung von Familienunterneh-

men keine Entsprechung. So existieren keine amtlichen Da-

tenquellen, in denen die Familienunternehmen abgebildet

werden. Ebenso wenig lassen sich aus amtlichen Datenba-

sen Aussagen über das Geschlecht der Personen, die das

Unternehmen leitet, gewinnen, obwohl genderspezifische

Fragestellungen wie Existenzgründungen durch, Nachfolge

in und Leitung von Familienunternehmen von Frauen eine

besondere Aufmerksamkeit in der Politik genießen.

Das IfM Bonn hat daher ein Schätzmodell entwickelt, das

amtliche und private Datenquellen zusammenführt, um die

bestehende Datenlücke zu schließen. Das Modell ermög-

licht, die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familien- und

Frauenunternehmen an Hand ihrer Teilhabe an der Anzahl,

dem Umsatz und den sozialversicherungspflichtig Beschäf-

tigten der Unternehmen insgesamt in Deutschland zu quan-

tifizieren.

Um ein Familienunternehmen handelt es sich nach der Beg-

riffsbestimmung des IfM Bonn, wenn maximal zwei natürli-

che Personen oder deren Familienmitglieder mindestens die

Hälfte der Anteile des Unternehmens halten und diese der

Geschäftsführung angehören. Ein „Frauenunternehmen“ ist

nach dem Verständnis des IfM Bonn ein mehrheitlich von

Frauen geleitetes Familienunternehmen, d.h. mindestens die

Hälfte der Anteile der geschäftsführenden Gesellschafter

muss auf Frauen entfallen. Nach den jüngsten, auf einer

verbesserten Schätzmethode und Datenbasis beruhenden

Berechnungen des IfM Bonn sind von den insgesamt rund

3,1 Millionen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen rund

2,95 Millionen den Familienunternehmen zuzurechnen. Dies

entspricht einem Anteil von 95,3 Prozent aller Unternehmen

in Deutschland und belegt die mittelständische Prägung der

deutschen Unternehmenslandschaft. Auf Familienunterneh-

men entfallen neuesten Schätzungen zufolge 41,1 Prozent

aller Umsätze und sie vereinen auf sich 61,2 Prozent aller

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese Proportio-

nen zeigen, dass Familienunternehmen auch in Hinsicht auf

die wirtschaftliche Leistung und die Beschäftigung von gro-

ßer Bedeutung sind, wenngleich sie im Durchschnitt deutlich

kleiner sind als Nicht-Familienunternehmen.

Familienunternehmen haben sich in jedem Wirtschaftsbe-

reich und in jeder Größenordnung behaupten können. Sie

sind in allen Wirtschaftsbereichen der vorherrschende Unter-

nehmenstyp, wobei sie am stärksten (96,8 Prozent) im Wirt-

schaftsbereich sonstige Dienstleistungen, relativ am seltens-

ten (93,0 Prozent) im Wirtschaftsbereich unternehmensnahe

Dienstleistungen vertreten sind. Die meisten Familienunter-

nehmen sind kleine und mittlere Unternehmen, gleichwohl

gibt es auch große Familienunternehmen, die mehr als 50

Millionen Euro Umsatz erwirtschaften.

Die weitere Untersuchung der Familienunternehmen da-

nach, ob diese von Frauen oder von Männern geleitet wer-

den, kommt zu dem Befund, dass Unternehmerinnen, die

ein Familienunternehmen führen, im Vergleich zur allgemei-

nen Erwerbsbeteiligung von Frauen deutlich unterrepräsen-

tiert sind. So werden nur 19,5 Prozent der Familienunter-

nehmen von Frauen geleitet. Diese Unternehmen vereinen

auf sich 12,8 Prozent der Umsätze und 16,1 Prozent der

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aller Familienun-

ternehmen. Unter dem Strich sind damit Frauen in den

INFORMATIONSeite 30

PKM JOURNAL

Familien- und Frauenunternehmen –

die volkswirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands

Quelle: Statistisches Bundesamt; diverse Statistiken,

Schätzung des IfM Bonn

Anteile der Familien- bzw. Frauenunternehmen an Anzahl, Umsatzund sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland(Basisjahr 2006):

Chefetagen von Familienunternehmen nicht nur relativ sel-

ten, sondern wenn, dann auch viel häufiger in den kleineren

als in den größeren Unternehmenseinheiten vorzufinden.

Dies ist zum Teil, aber nicht nur, darauf zurückzuführen,

dass Frauen andere Branchenpräferenzen für ihre unterneh-

merische Betätigung haben als Männer. Die branchenspezi-

fischen Unterschiede in der Größenstruktur schlagen sich

damit in der Unternehmensgröße der von Frauen geleiteten

Familienunternehmen nieder. So sind von Frauen geleitete

Familienunternehmen schwerpunktmäßig im Bereich sonsti-

ge Dienstleistungen (26,4 Prozent) und im Handel

(23,4 Prozent) angesiedelt, die typischerweise stark kleinbe-

trieblich strukturiert sind, hingegen deutlich seltener in den

unternehmensnahen Dienstleistungen (15,9 Prozent) und im

Produzierenden Gewerbe (12,9 Prozent), in denen die Un-

ternehmen eine größere Durchschnittgröße haben. Nicht

zuletzt sind die Branchenunterschiede Ausfluss der ge-

schlechtsspezifischen Interessens-, Neigungs- und Ausbil-

dungspräferenzen, wie sie sich auch allgemein in den gen-

derspezifischen Unterschieden der Berufswahl äußern.

An der grundlegenden Struktur der Familienunternehmen

nach Geschlechtern hat sich seit dem Jahr 2000, für das

erstmals eine differenzierte Auszählung der Familienunter-

nehmen nach dem Geschlecht der Leitungsperson vom IfM

Bonn vorgelegt wurde, nichts Wesentliches geändert. Trotz

vielfältiger Werbung um sowie Promotion und Förderung

von Frauen als Unternehmerinnen sind innerhalb des Beo-

bachtungszeitraums von sechs Jahren noch keine strukturel-

len Veränderungen auszumachen.

Insgesamt ist zu konstatieren, dass der Anteil der Familien-

unternehmen an der deutschen Volkswirtschaft – ob nun von

Frauen oder Männern geleitet – langfristig stabil ist. Die

deutschen Familienunternehmen haben sich auch unter den

Herausforderungen des weltwirtschaftlichen Strukturwandels

mit ihrer Organisationsform langfristig behaupten können –

einer Organisationsform, die auf einem Planungshorizont

basiert, der mehrere Generationen umfassen kann und da-

her Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit vereinen muss.

Damit dies auch in Zukunft so bleibt, sollten wirtschaftspoli-

tische Maßnahmen stets die Auswirkungen auf den Mit-

telstand im Blick behalten. Die Langfristorientierung von

Familienunternehmen verlangt nach verlässlichen Rahmen-

bedingungen.

Seite 31INFORMATION

PKM JOURNAL

Institut für Mittelstandsforschung BonnAutorin: Dr. Ljuba HaunschildProjektleiterinhttp://www.ifm-bonn.org/

Woran Fremdmanagerim Familienbetrieb scheitern

Die meisten Familienunternehmen zahlen ihren Fremdge-

schäftsführern inzwischen genauso hohe Gehälter wie Publi-

kumskonzerne. 60 Prozent der Familienunternehmen bieten

ihnen ebenso viel Geld und weitere 23 Prozent sogar mehr.

Nur 17 Prozent zahlen weniger. Laut einer aktuellen Unter-

suchung zahlten die meisten Familienunternehmen vor zehn

Jahren noch schlechter. Befragt wurden 207 Familienunter-

nehmen mit 390 Millionen Euro Umsatz im Durchschnitt

quer durch alle Branchen.

Mit 51 Prozent der Familienunternehmen werden etwa die

Hälfte gemeinsam von Clan-Mitgliedern und Fremdmana-

gern geführt; in 38 Prozent der Firmen regiert die Familie

und in elf Prozent ein Fremdgeschäftsführer. Die Faustregel:

Je größer das Unternehmen ist, umso eher wird es von

Fremdmanagern gesteuert.

Auch Fremdmanager können aber scheitern: In 37 Prozent

der Fälle sind es fachliche Defizite, die ihnen die Eigentü-

merfamilie vorwirft. Häufiger noch sind es die Konflikte zwi-

schen Familie und Fremdmanager (43 Prozent) oder zwi-

schen den Familienmitgliedern und dem Fremdmanager (elf

Prozent), die Probleme machen. Viele Eigner beanstanden,

dass die Fremdgeschäftsführer zu wenig Verständnis für die

Familie, die Gesellschafter und die Besonderheiten des Fa-

milienunternehmens haben.

In neun Prozent der Fälle gibt es Probleme, weil der Fremd-

manager sich anders verhält, als es die Familie von ihm

erwartet. Dann gehen die Eigentümer davon aus, dass der

Fremdmanager ihre Mentalität kennt. Der hingegen läuft ins

offene Messer, weil manches nie thematisiert wurde, was

der Familie wichtig ist.

Als Beispiel für ein solches Verhalten gilt etwa, wenn es den

Fremdmanager allzu oft in die Presse drängt, die Familie

aber besonderen Wert auf Verschwiegenheit legt. Oder

wenn er nur in Luxushotels absteigt und den Chauffeur stun-

denlang warten lässt – obwohl die Familie selbst auf einen

bescheidenen Auftritt achtet.

Geringes Wirtschaftswissen

Die Deutschen haben in Finanz- und Wirtschaftsthemen große Wissens-

lücken – zumindest schätzen sie sich selbst so ein. Die große Mehrheit der

Bundesbürger würde sich bei dem gedachten Schulfach „Geld und Wirt-

schaft“ eher schlechte Noten geben. Die Hälfte der Befragten sagt, dass ihr

Wirtschaftswissen „bestenfalls befriedigend“ sei. 30 Prozent gaben sich die

Noten „ausreichend“ oder „mangelhaft“. Nur 16 Prozent schätzen ihr Wis-

sen „gut“ oder „sehr gut“ ein.

In der Tendenz, so die Angaben der Meinungsforscher, geben sich Frauen

und Ostdeutsche schlechtere Noten. In der Regel besser bewerten sich Men-

schen mit Abitur oder Hochschulabschluss. Auch das Einkommen spielt eine

Rolle: Wer mehr als 2.000 Euro netto verdient, schätzt sein Wissen über

Geld und Wirtschaft in der Regel besser ein, wie eine repräsentative Umfrage

Anfang Juli unter 1.000 Befragten ergab.

Wirtschaftliche Themen werden in den nächsten Jahren immer mehr an Be-

deutung gewinnen. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Bürger hier besser

auskennen. Die Chancen dafür stehen jedoch eher schlecht: Anfang 2009

hatte eine Studie ergeben, dass jeder Vierte mit Grundbegriffen wie Rezessi-

on oder Inflation nichts anfangen kann.

Post-it-Haftzettel -

klebriger Erfolg seit 30

Jahren

Eine klebende Erfin-

dung wird 30: Im

April 1980 brachte

ein US-Unter-nehmen

unter dem Namen

„Post-it“ seine kleinen bunten Klebezet-

telchen auf den Markt. Die unschein-

baren, aber nützlichen Haftnotizen er-

oberten die Welt und kleben heute in

mehr als 150 Ländern in Büros, an

Computern, Kühlschranktüren und

Wohngemeinschaftstelefonen. Seit der

Markteinführung zählen die kleinen

Zettel in den USA Jahr für Jahr zu den

fünf am meisten verkauften Büroarti-

keln. Das Magazin „Forbes“ reihte die

Post-it-Notizen unter die wichtigsten

Erfindungen des 20. Jahrhunderts ein.

Ihre geistigen Väter Arthur Fry und

Spencer Silver wurden im März mit der

Aufnahme in die Nationale Ruhmeshal-

le der US-Erfinder geehrt.

1980 waren die Zettelchen nur in Gelb

in einer Größe von 7,6 Zentimetern im

Quadrat zu haben. Heute gibt es sie in

62 Farben und 25 Formen. Neueste

Variante des Herstellers 3M: Öko-Post-

its mit pflanzlichem Klebstoff und Re-

cyclingpapier.

ZUGUTERLETZT

Herausgeber: Dr. Michael Fuchs MdB,

Vorsitzender des PKM

Redaktion: Dr. Stephanie Bauer

Marion Glaser

Telefon: (030) 227- 55900

Telefax: (030) 227- 56203

Email: [email protected]

web: www.cducsu.de/pkm

Parlamentskreis Mittelstand (PKM)

der CDU/CSU−Fraktion

im Deutschen Bundestag

Platz der Republik 1 · 11011 Berlin

Impressum