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Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 30. September 2010 III/2010
Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert
Weniger als drei Millionen Arbeitslose in greifbarer Nähe: solche Verhältnisse
auf dem Arbeitsmarkt hatten wir zuletzt Anfang der 90er Jahre. Ein voraussicht-
liches BIP-Wachstum im Jahr 2010 von drei Prozent oder mehr: das ist gut
doppelt so hoch, wie die Regierung es noch zu Jahresbeginn erwartet hatte.
Noch vor einem Jahr hatten Weltuntergangspropheten Hochkonjunktur. Und
heute? Erinnert sich überhaupt noch jemand an die Wirtschafts- und Finanzkri-
se? Deutsche Unternehmen stehen im Rennen um globale Märkte in der Pole
Position und selbst bei der seit Jahren chronisch schwächelnden Binnenkon-
junktur gibt es Lichtblicke.
Das besonnene Krisenmanagement der vergangenen Jahre hat sich also be-
zahlt gemacht. Ein besseres Beispiel als die vergangenen zwei Jahre, dass die
Soziale Marktwirtschaft auch heute noch funktioniert, kann es eigentlich nicht
geben. Denn vielerorts haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nach
Wegen gesucht, um Zeiten mit schlechter Auftragslage zu überbrücken, oft mit
erheblichen Kompromissen auf beiden Seiten. Massenentlassungen blieben so
aus. Jetzt, wo sich die Auftragsbücher füllen und qualifizierte Fachkräfte ohne-
hin rar werden, können die Unternehmen „von jetzt auf gleich“ mit den Mitar-
beitern, die sie kennen, durchstarten.
Fakt ist aber auch, dass Deutschland ohne die staatlichen Hilfen aus den Kon-
junkturpaketen, ohne die Kurzarbeiterregelungen, ohne Erleichterungen bei den
Konditionen für Kredite und Bürgschaften etc. längst nicht so gut dastünde.
Jetzt, angesichts der unverkennbaren Boomphase, ist es richtig, aus diesen teu-
ren Instrumenten auszusteigen. Dass beispielsweise der Wirtschaftsfonds nach
dem Willen der Europäischen Kommission zum Jahresende auslaufen soll, ist
nachvollziehbar, auch wenn wir uns sicherlich bei den Modalitäten etwas mehr
Kulanz gewünscht hätten.
Auf der wirtschaftspolitischen Agenda der nächsten Wochen und Monate ganz
oben muss die Exit-Strategie stehen. Eine kluge Fortsetzung des Ausstiegsszena-
rios ist und bleibt das Gebot der Stunde.
Das Energiekonzept ist
endlich beschlossene
Sache. Nach den sehr
emotional geführten De-
batten der letzten Wo-
chen haben wir mit einer
durchschnittlichen Laufzeitverlänge-
rung um zwölf Jahre für Kernkraftwerke
und einem angestrebten Ökostrom-
Anteil von 80 Prozent bis 2050 eine
tragfähige und zukunftsgerichtete Lö-
sung gefunden.
Dass die Opposition das Energiekon-
zept mit allen Mitteln torpedieren
möchte, ist schade, war aber leider
nicht anders zu erwarten. In der Sache
bleibt uns der politische Gegner näm-
lich nach wie vor die Antwort darauf
schuldig, wie die Energieversorgung in
Deutschland in den nächsten Jahren
und Jahrzehnten gestaltet werden soll,
solange die Erneuerbaren Energien
noch keine verlässlichen Stromversor-
gungen garantieren können, noch
keine ausreichenden Speicherkapazitä-
ten vorhanden sind und der dringend
benötigte Netzausbau nicht voran-
kommt. Statt seriöser Politik sollen´s
wieder einmal Polemik und Demago-
gie richten. Vertrauenerweckend ist
das wirklich nicht.
Volkskrankheit
NIMBY-Syndrom?
Bloße Neinsagerei
hilft keinem
Energiekonzept
beschlossene Sache
Richtige Weichenstellung
für die Energieversorgung
In Vorbereitung:
Neues Insolvenzrecht
Bessere Sanierungschancen für Unter-
nehmen

INHALTSeite 2
PKM JOURNAL
36. Sommer-Biwak des
Parlamentskreis Mittelstand
Über 2.000 Gäste fanden sich in der letzten Sitzungs-
woche vor der parlamentarischen Sommerpause zum
36. Sommer-Biwak des PKM im Kronprinzenpalais ein.
Als besonderen Ehrengast konnte der PKM-Vorsitzende
Dr. Michael Fuchs auch in diesem Jahr wieder Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel begrüßen. In ihren Anspra-
chen zeigten sich die Bundeskanzlerin, der Fraktions-
vorsitzende Volker Kauder und der PKM-Vorsitzende
besonders erfreut über die positive Wirtschaftsentwick-
lung.
Das Bundeskabinett war durch Wirtschaftsminister Rai-
ner Brüderle, Arbeitsministerin Dr. Ursula von der Ley-
en, Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer, Bundesland-
wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Gesundheitsminister
Dr. Philipp Rösler sowie Kanzleramtschef Ronald Pofal-
la vertreten. Auch zahlreiche Spitzenvertreter aus Wirt-
schaft und Verbänden nutzten die Gelegenheit für ei-
nen Gedankenaustausch in stilvoll-ungezwungener
Atmosphäre. In den Gesprächen ging es dabei sicher-
lich nicht nur um aktuelle politische Themen, sondern
auch um die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Die
kulinarischen Leckerbissen der vielen Unterstützer des
Festes und die ansprechende musikalische Umrahmung
machten das Fest wieder zu einem vollen Erfolg.
INTERN
2 36. PKM-Sommer-Biwak
3 PKM-Vorstand zu Gast bei
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
5 Aktuelles aus dem Gesprächskreis Freie Berufe
MEINUNG
6 „Eine Enquête für Offenheit und Innovation“
von Jens Koeppen MdB
8 „Das NIMBY-Syndrom und seine Folgen“
von Jens Koeppen MdB
POLITIK
10 „Energiekonzept als Meilenstein der deutschen
Energiepolitik“
von Thomas Bareiß MdB
13 „Sanierungschancen durch die Reform des
Insolvenzrechts stärken“
von Andrea Voßhoff MdB
INFORMATION
16 „Europäische Privatgesellschaft“
von Christian Steinberger, VDMA
21 „Positive Wirtschaftsentwicklung richtig nutzen“
von Prof. Dr. Johann Eekhoff
Präsident IfM Bonn

Der PKM-Vorstand zu Gast bei
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Bundestagswahl
2009 empfing Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den
PKM-Vorstand zu einem mehrstündigen Gespräch im Bun-
deskanzleramt. Bei einem gemeinsamen Abendessen wurde
eingehend über die Lehren der Wirtschafts- und Finanz-
marktkrise für den Standort Deutschland und über aktuelle
politische Megathemen wie die Energie- und Klimapolitik,
die Neuregelung der SGB II-Regelsätze und die Gesund-
heitspolitik diskutiert. Zu den weiteren Themen zählten die
aktuellen Steuervereinfachungsvorschläge und der Bürokra-
tieabbau, politische Handlungsoptionen im Hinblick auf die
Tarifeinheit und die Perspektiven einer steuerlichen Förde-
rung von Forschung und Entwicklung.
Im Gespräch mit
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe
Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause
war CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zu
Gast beim PKM. Im Zentrum standen dabei
eine Rückschau auf das erste parlamentarische
Jahr der christlich-liberalen Regierung und ein
Ausblick auf die anstehenden Aufgabenschwer-
punkte. Hermann Gröhe betonte, der PKM sei für die
CDU/CSU-Fraktion unverzichtbares Bindeglied zum Mit-
telstand, sowohl als Vermittler politischer Inhalte in die Wirt-
schaft hinein, als auch als Sachwalter ihrer Anliegen in der
parlamentarischen Arbeit.
Meinungsaustausch mit
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble traf im
Juni bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr mit
dem PKM-Vorstand zusammen. Thema waren
u.a. die „Sparbeschlüsse“ der Bundesregierung
vom 6./7. Juni 2010. Eingehend erörtert wur-
den Einzelheiten der geplanten Maßnahmen im
Energiebereich, unter anderem die Luftverkehrsabgabe und
die Brennelementesteuer; der PKM verdeutlichte, dass die
Wirtschaft nicht über Gebühr belastet werden dürfe. Im Hin-
blick auf den Entwurf des Bundeshaushalts 2011 betonte
Bundesminister Schäuble, nach den milliardenschweren
Konjunkturstützungsmaßnahmen zur Abfederung der Wirt-
schafts- und Finanzkrise sei angesichts der wirtschaftlichen
Erholung ein allmähliches Rückführen der Staatshilfen ange-
zeigt. Zur Sprache kamen des Weiteren auch die Arbeiten
der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen und die
Initiativen zur Steuervereinfachung.
Diskussion mit Bundesministerin
Dr. Ursula von der Leyen
Mit Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
diskutierte der PKM-Vorstand über aktuelle ar-
beitsmarktpolitische Themen. Man war sich
einig, dass sich die Zeitarbeit als Flexibilisie-
rungsinstrument bewährt habe. Handlungsbe-
darf bestehe aber, um den Missbrauch der
Zeitarbeit – insbesondere den „Drehtüreffekt“ – künftig wir-
kungsvoll zu verhindern. Im Vorfeld der Arbeitnehmerfreizü-
gigkeit ab dem 1. Mai 2011 stelle sich auch die Frage nach
einer Mindestlohnregelung. Der PKM erneuerte seine grund-
sätzlichen Bedenken gegen eine gesetzliche Lohnuntergren-
ze. Eingehend erörtert wurden ferner auch die Situation auf
dem Ausbildungsmarkt und politische Maßnahmen zur Mil-
derung des Fachkräftemangels.
Seite 3INTERN
PKM JOURNAL
Foto: Bundesregierung

Vorstandssitzung mit Bundesminister
Dr. Thomas de Maizière
Der PKM traf mit Bundesminister Dr. Thomas de
Maizière vor der Sommerpause zu einem Ge-
spräch u.a. zu den anstehenden Neuregelun-
gen im Beschäftigtendatenschutz zusammen.
Bundesminister Dr. de Maizière erklärte, der
aktuelle Entwurf trage den zuletzt vermehrt be-
kannt gewordenen Datenschutzsskandalen in Unternehmen
Rechnung. Der PKM-Vorstand äußerte die Bitte, dass die
Neuregelungen nicht mit zusätzlichen Belastungen für KMU
einhergehen dürften. Unerlässlich sei ein fairer Ausgleich
zwischen den Interessenslagen von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern. Arbeitgeber benötigten eine verlässliche und
praktikable Handhabe gegen Korruption oder Straftaten.
Erörtert wurde ferner auch der Handlungsbedarf und die
Handlungsmöglichkeiten bei der Integration von Migranten,
insbesondere unter dem Aspekt des Fachkräftemangels,
und die Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungs-
gerichts zur Vorratsdatenspeicherung vom März 2010.
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
zu Gast beim PKM
Gleich zweimal traf der PKM-Vorstand vor der
Sommerpause mit Bundesminister Dr. Norbert
Röttgen zum Energiekonzept zusammen. Der
PKM bekräftigte, dass der Industriestandort
Deutschland auch künftig auf sichere, umwelt-
freundliche und bezahlbare Energie angewiesen
sei und bleibe. Das Energiekonzept der Bundesregierung
müsse diesem Anspruch gerecht werden und die Kernkraft
als CO2-freie Brückentechnologie einbeziehen, bis sie durch
Erneuerbare Energien ersetzt werden könne. Die vereinbar-
ten vier Szenarien zur Laufzeitverlängerung bis zu 28 Jahren
seien dafür eine essentielle Entscheidungsgrundlage.
Positive Grundstimmung
im Handwerk
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) emp-
fing im Mai die Mitglieder der AG Handwerk zu einem Mei-
nungsaustausch. ZDH-Generalsekretär Holger Schwanne-
cke erläuterte, das Handwerk erwarte mit Spannung die
anstehenden Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Die
Grundstimmung im Handwerk sei positiv, der Aufschwung
jedoch noch nicht gesichert. Umso dringlicher sei ein wirt-
schaftspolitischer Kurs, in dem Sparanstrengungen und
Wachstumsimpulse austariert seien. Aus der Sicht des Hand-
werks sei eine Steuerstrukturreform – selbst wenn sie mögli-
cherweise nicht mit nennenswerten Entlastungen einhergehe
– sinnvoll und wünschenswert. Auch beim Bürokratieabbau
seien noch weitere Erfolge anzustreben.
Gespräch mit Lufthansa-Chef
Wolfgang Mayrhuber
Standortfragen, der zunehmende internationale Wettbewerb
sowie Konzentrationstendenzen in der Luftverkehrsbranche
standen im Mittelpunkt des Gesprächs des PKM mit Lufthan-
sa-Chef Wolfgang Mayrhuber. Das dynamische Wachstum
in aufstrebenden, bevölkerungsstarken Regionen wie Asien
und Südamerika fordere von den Europäischen Fluggesell-
schaften geeignete Anpassungsstrategien. Wachsamkeit sei
auch geboten, weil einige Länder der Golfregion – auch mit
politischer Flankierung – erhebliche Anstrengungen unter-
nähmen, sich als weltweites Drehkreuz für Frachtverkehr und
Personenbeförderung zu positionieren. Diskutiert wurden
des Weiteren auch aktuelle politische Themen wie die Luft-
verkehrsabgabe und Konsequenzen aus der Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts, künftig Abweichungen vom
Grundsatz der Tarifeinheit zuzulassen.
INTERNSeite 4
PKM JOURNAL
Namen und
Nachrichten
Am 31. August 2010 wurde die neue hessische
Umweltministerin, Lucia Puttrich, vereidigt. Sie
war seit September 2009 Mitglied des Deut-
schen Bundestages und seit September 2009
PKM-Mitglied.
Wir begrüßen Bernd Siebert als neues PKM-
Mitglied. Der selbständige Kaufmann ist Ordent-
liches Mitglied im Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie im
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.

Erfahrungsaustausch mit dem
Zentralverband des
Deutschen Bäckerhandwerks
Die Führungsspitze des Zentralverbandes des Deutschen
Bäckerhandwerks unterrichtete den PKM-Vorstand unter
anderem über den steigenden Wettbewerbsdruck in der
Branche, über den Strukturwandel – beispielsweise die zu-
nehmende Verbreitung von Backstationen – und über er-
folgreiche Anpassungsstrategien des „klassischen“ Bäcker-
handwerks. Erschwerend wirke sich für viele Hersteller mehr
und mehr das europäische Lebensmittelrecht aus; viele Re-
gelungen – beispielsweise zur Kennzeichnung von Lebens-
mitteln und zur Verbraucherinformation – seien in der Praxis
kaum erfüllbar. Sorge bereite die weltweit steigende Nach-
frage nach Rohstoffen wie Weizen und Kakao. Der Verband
warb für geeignete Standortbedingungen. Insbesondere
auch die Energiekosten seien von zentraler Bedeutung für
die Branche.
Seite 5INTERN
PKM JOURNAL
Freie Berufe on tour
Stephan Mayer hat die bundesweite Veranstaltungsse-
rie „Freie Berufe on tour“ gemeinsam mit dem Bundes-
verband der Freien Berufe ins Leben gerufen. Ziel ist
es, die Öffentlichkeit stärker über die Bedeutung der
Freien Berufe zu informieren.
Nähere Informationen erhalten Sie unter:
http://www.ovb-online.de/muehldorf/gesetzliche-
regulierungen-kritisiert-890550.html
Stellten sich den Fragen der Teilnehmer bei „Freie Berufe on tour“.
Von links: Michael Schwarz, Präsident der Bayerischen Landeszahn-
ärztekammer, Stephan Mayer MdB und der Präsident des BFB,
Dr. Ulrich Oesingmann. Foto gö
Aktuelles aus dem
Gesprächskreis Freie Berufe
Der Gesprächskreis Freie Berufe unter der Leitung von
Stephan Mayer traf mit Vertretern des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie zusammen, um über die Situ-
ation der Freien Berufe und etwaigen Anpassungsdruck auf-
grund europäischer Entwicklungen zu beraten. So stünden
im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Dienst-
leistungsrichtlinie u.a. die Gebührenordnungen der Freien
Berufe auf dem Prüfstand. Unbeschadet dessen seien Fort-
schritte bei der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der inländi-
schen Unternehmen sehr zu begrüßen. Denn beim Export
freiberuflicher Dienstleistungen seien die Potenziale für hei-
mische Anbieter noch lange nicht ausgeschöpft; das BMWi
wurde um Prüfung gebeten, ob die Förderangebote noch
stärker auf kleine Anbieter angepasst werden könnten. Einig
war man sich, dass das hohe Qualitätsniveau freiberuflicher
Dienstleistungen in Deutschland erhalten bleiben müsse.
Abzuwarten sei, welche Konsequenzen sich aus dem von
EU-Kommissar Michel Barnier für Herbst angekündigten
Grünbuch zur Wirtschaftsprüfung für diesen Berufsstand in
Deutschland ergäben. Das Bundeswirtschaftsministerium will
voraussichtlich im kommenden Jahr dem Deutschen Bundes-
tag erstmals seit 2002 einen Bericht zur Lage der Freien
Berufe in Deutschland vorlegen.
In einem weiteren Treffen tauschte sich der Gesprächskreis
Freie Berufe mit Vertretern der Ergotherapeuten, Logopäden
und Physiotherapeuten zu den speziellen Anliegen dieser
Gesundheitsberufe aus. Besonders problematisiert wurden
die Anbindung der Honorare an die Grundlohnsummenent-
wicklung, die nach wie vor bestehenden Honorarunterschie-
de zwischen Ost- und Westdeutschland im Heilmittelbereich
und die Auswirkungen des Heilmittelregresses.
Mit Friedemann Schmidt, Vizepräsident, und Karl-Heinz
Resch, Geschäftsführer für den Bereich Wirtschaft der Bun-
desvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) disku-
tierte der Gesprächskreis Freie Berufe über Konsequenzen
der aktuellen Gesetzgebungsvorhaben im Gesundheitssektor
auf freiberuflich tätige Apotheker. Einsparungen und sub-
stanzielle Synergieeffekte im Gesundheitswesen seien zwar
zweifelsohne möglich; dafür sei allerdings eine belastbare
Datengrundlage unverzichtbar. Die ABDA-Vertreter beton-
ten, der Berufsstand verschließe sich nicht der Forderung,
einen Beitrag zur Kosteneffizienz zu leisten, wolle jedoch
durch die anstehenden Reformen nicht überproportional
belastet werden. Man war sich einig, den Dialog zu diesem
komplexen Thema fortzusetzen. Eine Versachlichung der –
teilweise sehr emotional geführten – Diskussionen sei über-
fällig. Dafür wird sich auch der PKM stark machen.

1,9 Milliarden Menschen und damit knapp
30 Prozent der Weltbevölkerung sind online.
70 Prozent der Deutschen nutzen das Internet,
für rund 60 Prozent gehört es zum Alltag.
76 Prozent der deutschen Nutzer gehen täglich
ins Internet. Bei Menschen unter 30 Jahren steht
das Netz bei der Mediennutzung heute bereits auf dem ers-
ten Platz. Soziale Netzwerke oder die Kurzbotschaften von
Twitter sind insbesondere für sie nicht nur eine Kommunika-
tionsplattform, sondern auch ein Lebensgefühl. Für Digital
Natives, Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen
sind, ist es kein Instrument, sondern ein Teil ihres Lebens. Es
zählt vor allem, dabei zu sein.
Der Erfolg des Internet verändert unsere Beziehungs- und
Kommunikationsstrukturen. Sie werden digital nachgebildet,
neu organisiert sowie durch die Möglichkeiten zunehmender
Vernetzung angereichert und beschleunigt. Soziale Netzwer-
ke und Blogs gehören zu den wichtigsten Anlaufstellen im
Netz. Ihre Reichweite wächst im zweistelligen Bereich, wäh-
rend die online dort verbrachte Zeit explodiert.
Das Internet ist die effizienteste und freiheitlichste Kommuni-
kationsplattform. Der Zugang zu freiem Wissen und freier
Information ist das kostbarste Gut, das wir haben. Was also
kann getan werden, um die Digitalisierung positiv im Sinne
von mehr Wertschöpfung, mehr Arbeitsplätzen und einer
höheren Lebensqualität in Deutschland zu beeinflussen? Zu
diesen und anderen Fragen hat der Deutsche Bundestag im
März 2010 die Enquête-Kommission „Internet und digitale
Gesellschaft“ eingesetzt, die aus 17 Abgeordneten und
17 Sachverständigen besteht. Klar ist: Es geht um die sozio-
ökonomischen, die kulturellen, die rechtlichen und die poli-
tischen Auswirkungen fortschreitender Vernetzung.
Der Strukturwandel hin zur digitalen Gesellschaft vollzieht
sich vor unseren Augen. Neben den digitalen Profis gibt es
vor allem viele Gelegenheitsnutzer, die sich freuen, dass
alltägliche Erledigungen ihnen via Netz schneller und kom-
fortabler von der Hand gehen. Das Internet befindet sich
also nicht irgendwo außerhalb, sondern mitten in unserer
Gesellschaft. Es ist insofern nicht virtuell, sondern ganz real.
Es ist ein Kulturraum und ein Teil unserer Gesellschaft – und
wir sollten es auch so behandeln.
Die Digitalisierung erfasst auch die Unternehmen und die
Arbeitswelt. Es gibt kaum noch Prozesse, die auf digitale
Medien verzichten können. Fast jeder Beruf wird von ITK-
Technologien beeinflusst. Die Datennetze gehören zur Infra-
struktur des Geschäftslebens. Lediglich national ausgerichte-
te, kleine und mittelständische Unternehmen sind häufig
noch Inseln geringer Digitalisierung. Zunehmend halten
Web 2.0-Instrumente wie beispielsweise Wikis Einzug in den
Unternehmensalltag. IT- und Internet-Grundkenntnisse sind
für die meisten Tätigkeiten unentbehrlich.
Immer mehr gesellschaftliche Veränderungen vollziehen sich
mit und im Internet. Der Arbeitsauftrag der Enquête-
Kommission ist daher breit gefächert. Derzeit arbeiten vier
Projektgruppen zu den Themen Netzneutralität, Urheber-
recht, Datenschutz und Medienkompetenz. Bis zur Sommer-
pause 2012 folgen acht weitere Projektgruppen, in denen
die 33 Arbeitsaufträge des Einsetzungsbeschlusses sowie
zusätzliche aktuelle Fragen bearbeitet werden sollen. Am
5. Juli 2010 hat die Enquête-Kommission ihre erste Anhö-
rung abgehalten. Als Experten haben wir dafür vor allem
Unternehmensvertreter und Praktiker wie den Gründer und
ehemaliger CEO des sozialen Netzwerks Xing, Lars Hinrichs,
eingeladen. Der nächste Meilenstein der Enquête-
Kommission ist der Zwischenbericht, der bis Ostern 2011
erstellt werden soll.
„Jobs durch Innovationsfähigkeit“ sowie „Freiheit durch Si-
cherheit“ lauten die zentralen Orientierungspunkte für unse-
re Arbeit in der Enquête-Kommission. Das Netz bietet in
besonderem Maße Chancen für neue Arbeitsplätze, Bildung
und Forschung. Es ist voller Information und Wissen. Kom-
petenz im Umgang mit digitalen Medien ist entscheidend für
mehr Lebensqualität und Erfolg im Job. Medienkompetenz
ermöglicht Teilhabe. Sie ist ein Standortvorteil in einer zu-
nehmend vernetzten Welt. Die Vermittlung von Medienkom-
petenz muss sich dem veränderten Medienverhalten anpas-
sen. Damit wir die Möglichkeiten des Netzes tatsächlich aus-
schöpfen können, brauchen wir noch mehr Anstrengungen
sowie vor allem eine bessere Verknüpfung bei der Medien-
erziehung in Familie, Kindergarten und Schule, Aus- und
Weiterbildung. Wir wollen deshalb prüfen, wie die Medien-
erziehung gestärkt und besser aufeinander abgestimmt wer-
den kann. Dazu gehört auch eine quantitative Evaluierung.
Offenheit fördert Vertrauen, Engagement und Innovation.
Das Statistische Bundesamt stellt 166 Millionen Datensätze
im Internet zur Verfügung. Die USA und Großbritannien
haben Open Data-Portale eingerichtet, auf denen Datensät-
MEINUNGSeite 6
PKM JOURNAL
Eine Enquête für Offenheit und Innovation
Von Jens Koeppen MdB
Mitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

ze unterschiedlicher Herkunft kostenlos, in offener Lizenz
und maschinenlesbar angeboten werden. Wenn Staat und
Verwaltung Datenbestände ohne Personenbezug und damit
datenschutzkonform im Internet verfügbar machen, dann
kann dies einen gewaltigen Innovationsschub bringen. Zahl-
reiche Forschungsprojekte, die wir heute teuer finanzieren,
könnten dann von den Bürgern erledigt werden. Wer in die-
sen Innovationsprozess einsteigt, gewinnt Know how und
Geschäftsmodelle. Eine Open Data-Strategie ist auch eine
moderne Form der Forschungsförderung, der Wirtschaftsför-
derung und der Bürgerbeteiligung.
Politische Kommunikation und Partizipation verlagern sich
zunehmend ins Netz. Diese Tendenz bestätigen die zurück-
liegenden Wahlkämpfe ebenso wie der Wunsch vieler Bür-
gerinnen und Bürger nach mehr digitalen Angeboten aus
den Verwaltungen. Der Staat kann mit seinen elektronischen
Angeboten, dem E-Government, gleichzeitig wichtige Impul-
se für Wirtschaft und Gesellschaft geben.
Auch die Enquête-Kommission versucht politische Prozesse
an das Internet anzunähern und von ihm zu profitieren. Kein
Ausschuss und keine Untersuchungskommission zuvor hat
ähnlich viel Offenheit gewagt. Die Sitzungen der Enquête-
Kommission sind weitestgehend öffentlich und werden live
aus dem Sitzungssaal ins Internet übertragen. Wir wollen die
netzinteressierten Bürgerinnen und Bürger als „18. Sachver-
ständigen“ beteiligen. Neben einem Forum und einem Blog
soll es künftig auch ein Online-Tool geben, das Kommentie-
rung, Kollaboration und Abstimmung den aktiven und den
gelegentlichen Nutzern gleichermaßen ermöglicht.
Meine Einschätzung ist: Die Chance der Enquête-
Kommission besteht in vielfältigen Anstößen und darin, dass
sie das Internet als Teil der Gesellschaftspolitik begreift. Ich
wünsche mir vor allem ein Plädoyer für mehr Offenheit auch
gegenüber neuen Technologien sowie Ideen, damit unter-
nehmerisches Handeln im Netz weiter gefördert wird. Dazu
gehören Anregungen für klare rechtliche Lösungen und viel-
leicht ebenso eine breitere Anwendung des aus dem Ju-
gendmedienschutz bekannten Prinzips der regulierten Selbst-
regulierung. Letzteres bietet die Chance, klare Grenzen zu
ziehen, ohne in die freiheitlichen Strukturen des Netzes ein-
zugreifen.
Seite 7MEINUNG
PKM JOURNAL
40- bis 49-Jährige
sind stärkste Gruppe im Internet
Das Internet wird erwachsen. Laut einer Umfrage stellt die
Altersgruppe der Menschen zwischen 40 und 49 Jahren im
deutschen Internet mit einem Anteil von 23 Prozent inzwi-
schen die größte Gruppe dar. Rund 85 Prozent der Men-
schen dieses Alters hat in den vergangenen Monaten das
Internet genutzt, haben die Marktforscher herausgefunden.
Jeweils 19 Prozent der Internetbevölkerung werden von den
Menschen zwischen 20 und 29 und zwischen 30 und
39 Jahren gestellt. In diesen Altersklassen beträgt der Anteil
der Onliner an der Gesamtbevölkerung schon mehr als
90 Prozent. Unter den Jugendlichen zwischen 14 bis
19 Jahren sind sogar 97 Prozent online.
Unter den älteren Menschen ist die Nutzungsrate zwar weit
geringer, steigt aber ebenfalls an. Rund 71 Prozent der
Menschen zwischen 50 und 59 Jahren sind online und in
der Gruppe „60 plus“ ist es jeder dritte.
Noch immer verfügen die Onliner über eine überdurch-
schnittlich hohe formale Bildung und ein höheres Einkom-
men als der Durchschnittsbürger.

Not In My Back Yard – Nicht in meinem Garten – für diese
Forderung haben wir doch alle Verständnis.
Wer möchte schon ein Atom- oder Kohlekraftwerk vor der
Tür, Kohlendioxid unter seinem Haus, auf die Solaranlage
seines Nachbarn aus dem Küchenfenster schauen müssen,
am Horizont statt Leere zu bewundern, Windkraftanlagen
ertragen? Wer möchte schon, dass die gewohnte Ruhe
durch neue Landebahnen, Straßen oder Bahntrassen einge-
schränkt wird? Wer möchte, dass in der Nähe seines Was-
sergrundstücks die Schleuse erweitert wird und so der eh
schon störende Schiffsverkehr womöglich weiter zunimmt?
Warum soll mein Blick Hochspannungsleitungen ertragen,
wenn man diese auch tief in der Erde einbuddeln kann?
Erdkabel sind zwar deutlich teuer und ökologisch bedenkli-
cher – na und?
Für alles gibt es Bürgerinitiativen. Die Bürger haben gelernt,
dass, was sie nicht wollen, lautstark in die Öffentlichkeit zu
tragen – jenseits politischer Parteien. Die einzelnen Initiati-
ven eint inhaltlich eigentlich gar nichts. Viele Infrastruktur-
projekte werden nicht nur von einer, sondern von mehreren
Initiativen begleitet bzw. verhindert. Die eine Initiative ist
gegen die Ortsumfahrung Ost, die andere gegen die Orts-
umfahrung West und die Dritte will auf jeden Fall verhin-
dern, dass die Straße durch den Ort gebaut wird. Gegen
die Straße selbst hat man natürlich nichts – die wird ja in der
Region dringend gebraucht.
Auch gegen Atom- oder Kohlestrom haben viele Bürgerin-
nen und Bürger nichts. Wenn er aus Frankreich oder Polen
kommt. Dass der Ausbau Erneuerbarer Energien vorange-
trieben werden muss, würden mindestens 80 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger unterschreiben. Aber für die dafür
erforderlichen Energienetze oder Windkraftanlagen gibt es
gute Argumente, andere Standorte zu wählen.
Das Problem, was in Deutschland von Monat zu Monat au-
genscheinlicher wird, ist, dass es diese Argumente mittler-
weile überall gibt. Niemand möchte mehr mit dem
„Schlechten“, mit dem „Negativen“, mit dem „Lauten“ von
Projekten, von Infrastrukturausbauten oder anderen Entwick-
lungen etwas zu tun haben. Gesellschaftliche Verantwortung
auf diese Weise zu übernehmen, wird zunehmend abge-
lehnt.
Andere Bürger und Bürgerinitiativen haben schließlich auch
Erfolge gehabt, das motiviert und treibt an. Fragen nach
Folgen der jeweiligen Egoismen verbittet man sich – es gibt
ja schließlich andere Standorte, Möglichkeiten und Lösun-
gen. Man stellt doch nie das Ganze oder gar die Entwick-
lung unserer Gesellschaft in Frage, wenn das eine Kohle-
kraftwerk, die eine Straße oder der eine Windpark nicht ge-
baut wird.
Oder doch? Bürgerinitiativen sind längst nicht mehr da, um
unbestreitbar vorhandene unsinnige Projekte zu verhindern.
Nicht nachvollziehbare politische Entscheidungen oder un-
sinniges Verwaltungshandeln haben zu Recht das Engage-
ment bei den Bürgern geweckt. Mittlerweile wird aber die
Entwicklung ganzer Regionen behindert.
Die Instrumente der Bürgerbeteiligungen und Klagemöglich-
keiten werden von einigen dieser Bürgerinitiativen nicht
mehr genutzt, um Recht zu bekommen, sondern um Projekte
durch zeitliche Verzögerung massiv zu verteuern und schei-
tern zu lassen. Instrumente des Rechtstaats und der Mitspra-
che werden von einigen nicht mehr genutzt, sondern
schlichtweg ausgenutzt. So erklärten es auch die branden-
burgischen Bürgerinitiativen gegen die CO2-Verpresssung.
Das dortige CCS-Projekt von Vattenfall steht unter den zeitli-
chen Vorgaben der EU, um Fördermittel einzuwerben.
1,5 Milliarden Euro will der Energiekonzern in die neue
CCS-Technologie der brandenburgischen Lausitz investie-
ren, um die Braunkohlenverstromung in der strukturschwa-
chen Region den neuen Klimaschutzzielen anzupassen. Die
Initiatoren gegen die Verpressung lassen öffentlich wissen,
mit Klagen und der damit verbundenen zeitlichen Verzöge-
rung wird das Projekt scheitern. Sie berufen sich gar nicht
mehr auf inhaltliche Argumente, sondern setzen auf den
Faktor Zeit.
Die Energie- und Klimapolitik der kommenden Jahre wird
nur Erfolg haben, wenn massiv Netze, Speicher und Anla-
gen der Erneuerbaren Energieerzeugung ausgebaut werden.
Wenn die Errichtung jeder Anlage mit Jahren der gerichtli-
chen Auseinandersetzung verbunden ist, werden nicht nur
die Investitionskosten in die Höhe getrieben, sondern auch
die Stromkosten für Bürger und Wirtschaft. Außerdem wird
Deutschland die gesteckten Klimaziele niemals erreichen.
Wenn die Verkehrsinfrastruktur nicht mehr modernisiert wird,
MEINUNGSeite 8
PKM JOURNAL
Das NIMBY-Syndrom und seine Folgen
Von Jens Koeppen MdB
Mitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

gefährden wir die Wachstumsadern unserer Industriegesell-
schaft. Diese Zusammenhänge müssen wir formulieren und
kommunizieren. Die Diskussion über die Auswirkungen auf
den Einzelnen oder sein Grundstück ist nicht gewinnbar. Die
Modernisierung bringt für Einzelne auch Nachteile. Das war
im übrigen immer so. Das ist von niemanden wegzudisku-
tieren. Dafür wurde richtigerweise ein großzügiges Entschä-
digungssystem aufgebaut. Um so wichtiger ist es, dass Poli-
tik nicht weiterhin versucht, es jedem Recht zu machen. Poli-
tik muss für die Gesamtziele werben, sie erklären und auch
offensiv vertreten.
Oftmals sind politische Entscheidungen nicht sorgfältig vor-
bereitet oder werden nicht vernünftig begründet. Oftmals
mangelt es auch an nachvollziehbarem Verwaltungshan-
deln. Das muss sich ändern, das lässt Akzeptanz zurückge-
winnen. Ein ständiges Zurückweichen von Positionen und
Entscheidungen jedoch, wenn erste Kritik formuliert wird, ist
kein Weg, um unsere Zukunft zu gestalten.
Es ist dringend Zeit zum Umdenken und für eine neue Dis-
kussionskultur.
Seite 9MEINUNG
PKM JOURNAL
Kommissiosvorschlag für ein europaweit
einheitliches Vertragsrecht
Die EU-Kommission hat ein Grünbuch zur Einführung eines
Europäischen Vertragsrechts mit sieben Optionen für die
Einführung von europaweit einheitlichen und kohärenten
Regeln im Vertragsrecht vorgelegt:
Die Veröffentlichung (nicht verbindlicher) Musterver-
tragsklauseln im Internet, die im europäischen Binnen-
markt verwendet werden könnten.
Ein (wahlweise verbindlicher oder nicht verbindlicher)
Bezugsrahmen, auf die die Gesetzgeber in der EU bei
der Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften im Interesse
der Klarheit und Kohärenz zurückgreifen könnten.
Eine Empfehlung zum Vertragsrecht, in der die EU-
Mitgliedstaaten dazu aufgefordert würden, ein Europäi-
sches Vertragsrecht in ihre nationalen Rechtsordnungen
aufzunehmen. Ein ähnlicher Ansatz wurde in den Verei-
nigten Staaten mit Erfolg praktiziert, wo ein einheitli-
ches Handelsgesetzbuch mit einer einzigen Ausnahme
von allen 50 Staaten übernommen wurde.
Ein fakultatives Europäisches Vertragsrecht (sogenannte
28. Regelung – neben den 27 Vertragsrechtssystemen
der Mitgliedstaaten), für das sich die Verbraucher und
Unternehmen frei entscheiden könnten. Diese fakultati-
ve Regelung würde als Alternative zu den bestehenden
einzelstaatlichen Vertragsrechtssystemen der Mitglied-
staaten in allen Amtssprachen angeboten. Sie könnte
wahlweise nur auf grenzübergreifende oder auch auf
innerstaatliche Vertragsverhältnisse Anwendung finden.
Sie müsste ein hohes Verbraucherschutzniveau garan-
tieren und die Rechtssicherheit während der gesamten
Vertragslaufzeit gewährleisten.
Harmonisierung des einzelstaatlichen Vertragsrechts im
Wege einer EU-Richtlinie.
Vollständige Harmonisierung des einzelstaatlichen Ver-
tragsrechts im Wege einer EU-Verordnung.
Einführung eines kompletten Europäischen Zivilgesetz-
buchs, das an die Stelle des vertraglichen Schuldrechts
der Mitgliedstaaten tritt.
Nach Angaben der Europäischen Kommission kaufen nur
acht Prozent der Verbraucher Waren online in anderen
Mitgliedstaaten, 61 Prozent der Kaufangebote schlagen
fehl, weil Unternehmen sich weigern, in das Land des
Verbrauchers zu liefern. Dies sei weitgehend auf rechtliche
Barrieren und Unsicherheit bezüglich des anzuwendenden
Rechts zurückzuführen. Zu dem Grünbuch läuft eine öf-
fentliche Konsultation bis zum 31. Januar 2011.

„Die Sicherstellung einer zuverlässigen, wirt-
schaftlichen und umweltverträglichen Energie-
versorgung ist eine der größten Herausforderun-
gen des 21. Jahrhunderts.“ So beginnt die Ein-
leitung des Energiekonzepts, das von der Bun-
desregierung am 28. September 2010 be-
schlossen wurde. Mit dem energiepolitischen Gesamtkon-
zept holen wir Rot-Grüne Versäumnisse nach und beschrei-
ten konsequent den Weg in das regenerative Zeitalter, ohne
die Energieversorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen
außer acht zu lassen. Damit nehmen wir eine entscheidende
Weichenstellung für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum,
Beschäftigung und Wohlstand sowie für ehrgeizige Klima-
schutzziele bis zum Jahr 2050 vor.
Mit dem Energiekonzept wird nicht nur die notwendige Ver-
längerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken festgelegt,
sondern grundsätzlich der Weg aufgezeigt, wie unsere Ener-
gieinfrastruktur in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten
aussehen wird, die auf den drei Eckpfeilern Wirtschaftlich-
keit, Versorgungssicherheit und Klimafreundlichkeit beruht.
Dabei setzen wir auf eine ideologiefreie, technologieoffene
und marktorientierte Energiepolitik. Dies umfasst alle Nut-
zungspfade Strom, Wärme und Verkehr.
Allerdings dürfen wir angesichts des viel beschworenen We-
ges ins regenerative Zeitalter nicht den Blick für die Belange
der Wirtschaft verlieren. Die Energieszenarien, welche die
Basis des Energiekonzepts sind, legen dar, dass Deutsch-
land rund 50 Prozent der Stromproduktion aufgeben wird
und ab dem Jahr 2025 zum Nettostromimporteuer wird. Die
Gründe liegen unter anderem in der „billigen Kernenergie“
im Ausland und besseren Bedingungen für Solar- und Wind-
strom in den Nachbarländern. Dies birgt nicht zuletzt große
Gefahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland und un-
seren Arbeitsmarkt. Aufgabe der Politik wird daher auch
sein, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen den ambitio-
nierten Ausbauzielen der Erneuerbaren Energien und den
Anforderungen des Wirtschaftsstandort Deutschlands.
Ausbau Erneuerbarer Energien
An erster Stelle des Energiekonzepts stehen unsere ambitio-
nierten Ausbauziele der Erneuerbaren Energien, die wir zu
einer tragenden Säule unserer Energieversorgung ausbauen
werden. Dazu wurde im Energiekonzept ein klarer Fahrplan
definiert, um das Zeitalter der Erneuerbaren Energien mög-
lichst schnell zu erreichen: Beim Brutto-Endenergieverbrauch
soll ihr Anteil 30 Prozent bis 2030, 45 Prozent bis 2040 und
60 Prozent bis 2050 betragen. Beim Bruttostromverbrauch
bis 2020 35 Prozent, bis 2030 50 Prozent, bis 2040
65 Prozent und bis 2050 80 Prozent.
Zu den größten Herausforderungen auf dem Weg, diese
Ziele zu erreichen, gehören der Ausbau der Windenergie,
die nachhaltige Nutzung und Erzeugung von Bioenergie,
eine stärkere Nutzung der Erneuerbaren Energien für die
Erzeugung von Wärme und Kälte sowie eine bessere Integ-
ration der Erneuerbaren Energien in die Energieversorgung.
Nochmals will ich an dieser Stelle aber davor warnen, an-
gesichts der hohen Ausbauziele den Wettbewerbsaspekt
außen vor zu lassen. Daher halte ich es für zwingend not-
wendig, den Druck auf Innovationen und Kostensenkungen
auch bei den Erneuerbaren Energien weiter zu erhöhen. Nur
so bleiben die entsprechenden Branchen international wett-
bewerbsfähig und die Kosten für die Verbraucher im Rah-
men. Das bedeutet insbesondere eine schrittweise, aber
zügige Heranführung an den Markt und damit eine stärker
bedarfsgerechte Erzeugung und Nutzung der Erneuerbaren
Energien. Die Situation bei der Förderung von Photovoltaik-
anlagen sollte uns ein warnendes Beispiel sein für eine
Überförderung, die zu massiven Kosten für Privathaushalte
und vor allem auch für die Industrie führt und dies, obwohl
Photovoltaik laut den Energieszenarien von EWI-Prognos-
GWS selbst bis 2050 nicht wirtschaftlich zu betreiben sein
wird.
Künftig muss das EEG stärker am Markt orientiert werden
und der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien in stär-
kerem Maße marktgetrieben erfolgen. Eine wichtige Rolle
spielt daher die geplante Einführung einer Marktprämie im
Zuge der EEG-Novelle zum 1.1.2012, um eine stärker be-
darfsgerechte Erzeugung und Nutzung des Stroms aus Er-
neuerbaren Energien zu erreichen.
Ausbau der Stromnetze
Das Energiekonzept listet auf Basis der ambitionierten Aus-
bauziele Erneuerbarer Energien eine Vielzahl von Maßnah-
POLITIKSeite 10
PKM JOURNAL
Energiekonzept als Meilenstein der deutschen Energiepolitik
Von Thomas Bareiß MdBKoordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-BundestagsfraktionMitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

men auf. Dazu gehört vor allem der zügige Ausbau des
Stromnetzes, der zur Integration der Erneuerbaren Energien
nötig ist. Die Stromerzeugung auf See und in den Küstenre-
gionen wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Der
Bau von leistungsfähigen Nord-Süd-Verbindungen wird da-
her immer wichtiger werden. Darüber hinaus werden viele
dezentrale Erzeugungsanlagen, wie Photovoltaik und Bio-
masse, Strom in das Netz einspeisen. Außerdem wird
Deutschland aufgrund seiner geographischen Lage zuneh-
mend am Stromaustausch in Europa teilnehmen.
Die zum Jahresende erscheinende dena-Netzstudie II wird
aufzeigen, welche enormen Rückstände wir in Deutschland
beim Ausbau unseres Stromnetzes haben. Zusätzlich zu dem
aus der Netzstudie I dargestellten Bedarf an 850 Kilometern
bis 2015 wird es in der Netzstudie II einen zusätzlichen Aus-
baubedarf im vierstelligen Bereich (in Kilometern) geben.
Auch der Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur wird
diese Entwicklungen bestätigen. Leider haben wir in
Deutschland beispielsweise durch enorm lange Genehmi-
gungsverfahren von bis zu 15 Jahren sehr schwierige Bedin-
gungen, um diesem Bedarf gerecht zu werden. Bereits jetzt
liegen wir mit dem EnLAG meilenweit hinter den gesteckten
Zielen zurück. So wurden von den 850 Kilometern bisher
gerade mal rund 90 Kilometer an Netzausbau realisiert.
Unser Augenmerk müssen wir in den nächsten Jahren daher
verstärkt auf dieses entscheidende Thema richten, welches
Grundvoraussetzung für die Realisierung unserer ehrgeizi-
gen Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien ist.
Ein wichtiger Bestandteil des Energiekonzepts ist daher die
Entwicklung eines „Zielnetz 2050“ aufbauend auf dem Be-
standsnetz und dem im Energieleitungsausbaugesetz defi-
nierten Ausbaubedarf. Daraus werden wir den Bedarf für die
zukünftig erforderliche Infrastruktur ableiten. Wesentliche
Bereiche, die im Energiekonzept auch definiert werden, sind
dabei die weitere Entwicklung des Bestandsnetzes, die Pla-
nung für ein Overlay-Netz und mögliche Pilotstrecken,
Nordseenetz und Clusteranbindung für Offshore sowie die
Integration des deutschen Netzes in den europäischen Ver-
bund. Wichtig ist dabei, dass wir uns nicht nur auf die Über-
tragungsnetze versteifen, sondern auch die Bedeutung der
Verteilnetze vor Ort mit in den Fokus rücken.
Ausbau von Speicherkapazitäten
Hand in Hand mit dem Ausbau des Stromnetzes muss der
verstärkte Einsatz von Speichertechnologien gehen. Da wir
mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien eine zuneh-
mend flukturierende Stromerzeugung haben werden, ist die-
ser Bereich elementar, um die Versorgungssicherheit zu ge-
währleisten. Im Energiekonzept wird aufgelistet, welche
Maßnahmen daher notwendig sind:
Zunächst gilt es, die verfügbaren deutschen Potentiale für
Pumpspeicherkraftwerke im Rahmen der technischen und
wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erschließen. Klar ist aber
auch, dass diese Potentiale allein langfristig nicht ausrei-
chen werden. Deshalb ist neben den deutschen Potentialen,
wie dem Schluchsee in Süddeutschland, auch die Nutzung
ausländischer Pumpspeicher für Deutschland von großer
Bedeutung. Darüber hinaus werden wir Investitionsanreize
prüfen, damit Strom aus Biomasse gezielt zum Ausgleich der
Fluktuationen von Wind und Sonne erzeugt und eingespeist
wird. Dies kann sicherlich nur funktionieren, wenn wir
gleichzeitig dem Bedarf an zusätzlichen Kuppelstellen ge-
recht werden. Vor allem müssen wir auch die Forschung in
neue Speichertechnologien deutlich intensivieren und zur
Marktreife führen sowie den Marktzugang für bereits verfüg-
bare Speichertechnologien erleichtern.
Nicht nur im Bereich der Speichertechnologien, sondern
auch in anderen Bereichen müssen wir die Investitionen in
die Forschung erhöhen. Neben der Grundlagenforschung
geht es vor allem darum, bei Erneuerbaren Energien und
effizienten Technologien insgesamt durch anwendungsorien-
tierte Forschungsförderung den Weg zur Marktdurchdrin-
gung zu ebnen. Aus diesem Grund wird die Bundesregie-
rung als Maßnahme unter anderem das 6. Energiefor-
schungsprogramm festlegen mit den Forschungsschwer-
punkten Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energie-
speichertechnologien und Netztechnik sowie Integration der
Erneuerbaren Energien in die Energieversorgung.
Ein bekanntes Problem, mit dem wir es in der Energiepolitik
zu tun haben, ist die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung.
Der Ausbau von Stromspeichern, aber auch der dringend
notwendige Netzausbau sowie der Ausbau Erneuerbarer
Energien können nur gelingen, wenn die künftige Energie-
politik für die Bürger verständlich und nachvollziehbar ist.
Für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind Wirtschaft
und Politik gleichermaßen gefordert. Auch dieser Punkt wur-
de im Energiekonzept berücksichtigt. So wird die Bundesre-
gierung eine Internet-Informationsplattform und ein Dialog-
forum „nachhaltige Energieversorgung“ einrichten mit dem
Ziel, Akzeptanz und Transparenz zu erhöhen.
Energieeffizienz
Ein zentraler Punkt des Energiekonzepts liegt im Bereich der
Energieeffizienz. Die bei den Instituten EWI, Prognos und
GWS in Auftrag gegebenen Energie-Szenarien arbeiten klar
heraus, dass im Bereich der energetischen Sanierung des
Gebäudebestands der zentrale Schlüssel zur Modernisierung
Seite 11POLITIK
PKM JOURNAL

der Energieversorgung und zum Erreichen der Klimaschutz-
ziele liegt. So entfallen auf den Gebäudebereich etwa 40
Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs und etwa ein
Drittel der CO2-Emissionen. Gleichzeitig liegen hier enorme
Potentiale zur Energie- und CO2-Einsparung.
Im Energiekonzept haben wir festgelegt, die erheblichen
Effizienzpotentiale in privaten Haushalten und im öffentli-
chen Bereich auszuschöpfen. Auch die Steigerung der Ener-
gieeffizienz für die Industrie spielt eine zentrale Rolle. Dabei
setzen wir auch auf die Eigenverantwortung von Wirtschaft
und Bürgern. Zentrales Ziel ist es, den Wärmebedarf des
Gebäudebestandes langfristig zu senken. Bis 2020 wollen
wir eine Reduzierung des Wärmebedarfs um 20 Prozent
erreichen und bis 2050 eine Minderung des Primärenergie-
bedarfs von 80 Prozent. Die energetische Sanierung des
Gebäudebestands ist die wichtigste Maßnahme, um den
Verbrauch an fossilen Energieträgern nachhaltig zu mindern
und die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren.
Vor diesem Hintergrund wird zudem beim Bundeswirt-
schaftsministerium ein Energieeffizienzfonds eingerichtet, um
die zahlreichen erforderlichen Maßnahmen zu erreichen.
Der sparsame Umgang mit Energie ist die wichtigste
„Ressource“ eines rohstoffarmen, hoch industrialisierten
Landes wie Deutschland und der Schlüssel zu mehr Versor-
gungssicherheit, Innovation und Klimaschutz. Gerade im
Bereich der Gebäudesanierung schlummern noch enorme
Potentiale. Was wir aus meiner Sicht allerdings nicht aus
dem Blick verlieren dürfen, ist die Frage, inwieweit der Staat
in die Eigentumsrechte der Bürger eingreifen darf. Bei aller
Notwendigkeit der CO2-Gebäudesanierung dürfen wir die-
sen wichtigen Aspekt nicht vergessen. Eine strikte Sanie-
rungspflicht für alle Gebäude sehe ich daher mit äußerster
Skepsis. Die Parole muss lauten: Anreizsetzung statt
Zwangsmaßnahmen. Auch hier müssen wir verstärkt auf das
Funktionieren des Marktes vertrauen.
Kernenergie
Zwingend notwendig ist eine Verlängerung der von Rot-
Grün willkürlich festgelegten Laufzeiten deutscher Kernkraft-
werke. Kernenergie ist weiterhin notwendig, um die Grund-
lastversorgung sicherzustellen, so lange, bis sie durch einen
modernen Energiemix ersetzt werden kann, der sich auf in-
telligente Stromnetze und ausreichend Batteriespeichersyste-
me stützen kann. Um diesen Übergang zu ermöglichen,
werden die Laufzeiten daher um durchschnittlich zwölf Jahre
verlängert. Bei Kernkraftwerken mit Beginn des Leistungsbe-
triebs bis einschließlich 1980 wird die Laufzeit um acht Jah-
re verlängert, bei den jüngeren um 14 Jahre.
Zudem kommen die Energieszenarien der Gutachter zu dem
Ergebnis, dass eine Laufzeitverlängerung im Durchschnitt
über die Betrachtungsperiode eine preisdämpfende Wirkung
hat. Dadurch werden die Preise sowohl für Haushalts- als
auch für Großhandelskunden über den betrachteten Zeit-
raum niedriger, als bei einem Ausstieg aus der Kernenergie
(bis zu sieben Prozent bei Haushaltskunden und bis zu
35 Prozent bei Industriekunden). Gleichzeitig erleichtert die
Laufzeitverlängerung das Erreichen der Klimaschutzziele.
Aus der Verlängerung der Laufzeiten ergibt sich die Mög-
lichkeit, die Finanzierung in den Bereichen Erneuerbare
Energien und Energieeffizienz zu verstärken. Die Energie-
betreiber werden – zusätzlich zur bis Ende 2016 befristeten
Kernbrennstoffsteuer in Höhe von jährlich 2,3 Milliarden
Euro – in den Jahren 2011 und 2012 eine jährliche Sum-
me in Höhe von 300 Millionen Euro und in den Jahren
2013 bis 2016 in Höhe von 200 Millionen Euro (also ins-
gesamt 1,4 Milliarden Euro) zahlen. Ab dem Jahr 2017
zahlen die Energieversorgungsunternehmen in einen Fonds
ein, der sich an neun Euro pro MWh Stromproduktion ori-
entiert, was hochgerechnet rund 15 Milliarden Euro ent-
spricht. Damit werden rund die Hälfte der erzielten Mehr-
einnahmen der Unternehmen abgeschöpft.
Darüber hinaus werden die Mittel für die zahlreichen Ziele
des Energiekonzepts durch die Einnahmen aus der Verstei-
gerung von Emissionszertifikaten ab 2013 generiert. Aus
dieser Quelle werden damit jährlich rund 2,5 Milliarden
Euro in Erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnah-
men fließen.
Fazit
Leider wurde in den vergangenen Wochen oft die notwendi-
ge Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke einseitig in den
Vordergrund gerückt. Die dargestellten Punkte des Energie-
konzepts zeigen aber, dass es uns ernst ist mit dem Weg ins
regenerative Zeitalter. Zu den dargestellten Punkten im
Energiekonzept kommen noch weitere wichtige wie zum
Beispiel auch im Bereich der Elektromobilität dazu.
In den nächsten Wochen und Monaten wird es nun ent-
scheidend sein, zum einen die Kernpunkte des energiepoliti-
schen Gesamtkonzepts zu erläutern und zu verteidigen so-
wie zum anderen zügig in die Umsetzung der einzelnen ins-
gesamt immerhin rund 60 Maßnahmen des Energiekonzepts
zu gehen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem energie-
politischen Gesamtkonzept alle Voraussetzungen geschaffen
haben für eine saubere, sichere und bezahlbare Energiever-
sorgung der Zukunft.
POLITIKSeite 12
PKM JOURNAL

Der Mittelstand ist der Motor unserer deut-
schen Volkswirtschaft. Dies zeigt sich heute
einmal mehr, nachdem die schlimmsten Aus-
wirkungen der größten Finanz- und Wirt-
schaftskrise seit 80 Jahren überwunden schei-
nen und Deutschland im internationalen Ver-
gleich der Industrieländer gut dasteht.
Es ist die Aufgabe des Staates, den ordnungspolitischen
Rahmen vorzugeben, in dem Unternehmen ihre produktiven
Kräfte entfalten und ihren wirtschaftlichen Erfolg sichern
können, und diesen immer wieder neuen Herausforderun-
gen anzupassen. Ein wichtiger Baustein hierbei ist das Insol-
venzrecht, das ins Spiel kommt, wenn ein Unternehmen in
die Krise gerät. Gerade durch die jüngste Finanz- und Wirt-
schaftskrise ist deutlich geworden, dass der ordnungspoliti-
sche Rahmen im deutschen Insolvenzrecht verbessert werden
muss. Neben einem eigenen Reorganisationsverfahren für
Banken geht es im Kern darum, die Voraussetzungen für
eine Sanierung von Unternehmen in der Krise zu erleichtern.
Denn das geltende Recht legt der frühzeitigen und konse-
quenten Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen zahl-
reiche Hindernisse in den Weg. Diese Hindernisse gilt es,
aus dem Weg zu räumen und den „Sanierungsstandort
Deutschland“ zu verbessern.
Die Koalition hat sich dieser Aufgabe unverzüglich gestellt
und bereits vor der Sommerpause einen Diskussionsentwurf
für ein „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von
Unternehmen“ vorgelegt. Damit zieht die Koalition die rich-
tigen Schlüsse, um die Chancen für eine Fortführung von
sanierungsfähigen Unternehmen zu verbessern und dadurch
auch vermehrt Arbeitsplätze zu erhalten.
Im Einzelnen sollen diese Ziele durch größeren Einfluss der
Gläubiger, durch Ausbau und Straffung des Insolvenzplan-
verfahrens, durch Stärkung der sogenannten Eigenverwal-
tung und durch eine Professionalisierung der Arbeit der In-
solvenzgerichte erreicht werden.
Damit eine Unternehmenssanierung gelingen kann, muss
der Einfluss der Gläubiger gestärkt werden. Denn die wirt-
schaftliche Gesundung eines angeschlagenen Unterneh-
mens liegt grundsätzlich in ihrem Interesse, da sie das wirt-
schaftliche Risiko eines endgültigen Scheiterns tragen. Da-
her wird den Gläubigern künftig schon in einem frühen Ver-
fahrensabschnitt Gelegenheit zur Äußerung gegeben und
ein Vorschlagsrecht für die Person des vorläufigen Insolvenz-
verwalters eingeräumt.
Sanierungsmöglichkeiten sollen zudem dadurch optimiert
werden, dass in einem Insolvenzplan nach Ermessen der
Beteiligten Verbindlichkeiten in Gesellschafteranteile umge-
wandelt werden können (sog. Debt-Equity-Swap). Die Fi-
nanzkrise hat gezeigt, dass die damit verbundenen Eingriffe
in die Rechte der Anteilsinhaber ein wichtiges Instrument zur
Sanierung von Unternehmen sein können. Durch den Weg-
fall von Verbindlichkeiten kann eine Überschuldung des
angeschlagenen Unternehmens vermieden und seine Zah-
lungsfähigkeit durch das Erlöschen der Zins- und Tilgungs-
last wiederhergestellt werden. Die Gläubiger werden zu-
gleich im Erfolgsfall an den Erträgen des sanierten Unter-
nehmens beteiligt und können über dessen künftige Aktivitä-
ten mitbestimmen.
Wirtschaftlich sinnvolle und von einer Mehrheit der Beteilig-
ten gewollte Sanierungen dürfen nicht an einer Blockade
Einzelner scheitern. Daher sieht der Gesetzentwurf eine Rei-
he von Maßnahmen vor, durch die Blockademöglichkeiten,
insbesondere durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen die
Bestätigung eines Insolvenzplans, abgebaut werden.
Zudem werden bürokratische Hemmnisse rund um das In-
solvenzplanverfahren verringert. Der Insolvenzverwalter
muss künftig bei einer Unternehmensfortführung vor Aufhe-
bung des Verfahrens lediglich fällige unstreitige Massean-
sprüche erfüllen und nur für streitige Ansprüche Sicherheit
leisten. Erhebliche praktische Schwierigkeiten werden so
beseitigt, da es ausreicht, bei nicht fälligen Ansprüchen ei-
nen Finanzplan vorzulegen, aus dem sich ergibt, dass die
Erfüllung gewährleistet ist.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwal-
tung werden erheblich gelockert. Dadurch kann die bisheri-
ge Geschäftsleitung – insbesondere auch bei häufig inha-
bergeführten mittelständischen Unternehmen – ihre Kennt-
nisse und Erfahrungen einbringen und die Einarbeitungszeit
des Insolvenzverwalters verkürzen. Auf diese Weise werden
Seite 13POLITIK
PKM JOURNAL
Sanierungschancen durch die Reformdes Insolvenzrechts stärken
Von Andrea Voßhoff MdBRechtspolitische Sprecherin und Vorsitzende der AG Recht der CDU/CSU-BundestagsfraktionStellvertretende Vorsitzende des Parlamentskreis Mittelstand

Anreize geschaffen, sich früher als bisher auf ein Insolvenz-
verfahren einzulassen.
Schließlich soll die Tätigkeit der Insolvenzgerichte weiter
professionalisiert werden. Insbesondere soll künftig nur noch
maximal ein Amtsgericht je Landgerichtsbezirk für Insolvenz-
sachen zuständig sein. Durch die wiederholte Behandlung
ähnlicher Fälle können Richter und Rechtspfleger aufgrund
der erworbenen Erfahrungen zügiger und sachkundiger mit
Insolvenzverfahren umgehen.
Das deutsche Recht und die deutsche Justiz genießen inter-
national hohe Anerkennung. Droht die deutsche Justiz bei
internationalen Wirtschaftsprozessen ins Hintertreffen zu
geraten – wegen ihrer Gerichtssprache? Nach § 184 Ge-
richtsverfassungsgesetz (GVG) ist die Gerichtssprache aus-
schließlich Deutsch. Auch wenn Übersetzungen zugelassen
sind, so bleibt doch eine komplette fremdsprachliche münd-
liche Verhandlung unzulässig, weil jedenfalls die Anträge
der Parteien, das Sitzungsprotokoll sowie die gerichtlichen
Anordnungen und Entscheidungen auf Deutsch zu verfassen
sind. Gerade in der englischsprechenden Wirtschaftswelt
hat das große Auswirkungen nicht nur auf die Wahl des
Gerichtsstandes, sondern auch auf die Frage der Rechts-
wahl. Die Begrenzung der Gerichtssprache auf Deutsch
trägt somit dazu bei, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche
Streitigkeiten vor ausländischen Gerichten ausgetragen wer-
den – zum Nachteil des Gerichtsstandortes Deutschland
und deutscher exportorientierter Unternehmen, die natürlich
vor allem mit den deutschen Rechtstraditionen vertraut sind.
Mit dem vom Bundesrat vor der Sommerpause vorgelegten
Gesetzentwurf zur Einführung von Kammern für internatio-
nale Handelssachen (KfiHG) soll diesem Zustand Abhilfe
geschaffen und Englisch als Gerichtssprache in speziellen
Kammern bei den Landgerichten ermöglicht werden.
Diese Verbesserungen ebnen den Weg hin zu mehr Sanie-
rungschancen für das Unternehmen. Die Vorstellung, dass
ein Insolvenzverwalter stets als Bestatter eines Unternehmens
auf den Plan tritt, muss ihrerseits zu Grabe getragen wer-
den. Wir wollen vielmehr, dass dort, wo es marktwirtschaft-
lich sinnvoll ist, der Insolvenzverwalter einen wichtigen Bei-
trag zur Gesundung von Unternehmen leistet. In diesem
Sinne ist das Reformvorhaben ein wichtiger erster Schritt.
Wir werden diesem weitere folgen lassen.
Damit soll der Gerichtsstandort Deutschland an Attraktivität
gewinnen und bedeutende wirtschaftsrechtliche Verfahren
anziehen, die bisher im englischsprachigen Ausland verhan-
delt werden. Die zunehmende Vereinbarung des Gerichts-
standortes Deutschland soll auch die vermehrte Wahl des
deutschen Rechts in internationalen Verträgen nach sich
ziehen. Das ihnen vertraute Rechtssystem bietet deutschen
Unternehmen dann den wertvollen Vorteil der erhöhten
Rechtssicherheit im internationalen Wirtschaftsverkehr.
Ein Modellprojekt der Landgerichte Köln, Aachen und Bonn
sowie des Oberlandesgerichts Köln zeigt dabei, dass viele
Richter bereits einen angelsächsischen Zusatzabschluss als
„Master of Laws“ (LL.M) erworben oder aber früher in einer
internationalen Anwaltskanzlei gearbeitet haben und so
auch das Fachvokabular der englischen Rechtssprache be-
herrschen.
In der christlich-liberalen Koalition wird diese Initiative des
Bundesrates derzeit diskutiert. Eine abschliessende Mei-
nungsbildung steht noch aus. Unter dem Aspekt, dass auch
die Wettbewerbsfähigkeit des Deutschen Rechts für interna-
tional agierende Unternehmen ein wichtiger Faktor ist, bie-
tet die Bundesratsinitative einen diskussionswürdigen An-
satz.
POLITIKSeite 14
PKM JOURNAL
Kann Justitia auch Englisch? -
Englisch als Gerichtssprache in
internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten
Von Andrea Voßhoff MdBRechtspolitische Sprecherin und Vorsitzende der AG Recht der CDU/CSU-BundestagsfraktionStellvertretende Vorsitzende des Parlamentskreis Mittelstand

Deutsche Unternehmen haben
sich bislang in der Wirtschaftskrise
wacker geschlagen. Erste Indika-
toren belegen, dass es langsam
wieder bergauf geht. Die Auf-
tragsbücher vieler Firmen füllen
sich wieder, auch hellt sich das
Konsumklima in Deutschland erst-
mals seit dem Herbst letzten Jahres auf. Die Nachwehen der
Finanzmarktkrise sind allerdings noch immer allgegenwär-
tig: Viele Unternehmen bekommen die restriktive Kreditver-
gabe-Praxis der Banken nach wie vor zu spüren. Vor diesem
Hintergrund denken die Unternehmen vermehrt über Eigen-
kapitalfinanzierungen nach. Auf der Suche nach Informatio-
nen stoßen sie über kurz oder lang auf die Private Equity-
Branche. Dort steht reichlich Kapital für deutsche Unterneh-
men zur Verfügung: Über 32,8 Milliarden Euro können
deutsche und internationale Beteiligungsgesellschaften der-
zeit in deutsche Unternehmen investieren. Es handelt sich
dabei um Mittel, die von den Gesellschaften im Fundraising
bei professionellen Anlegern weltweit eingeworben wurden
und jetzt in mittelständische und Großunternehmen in
Deutschland investiert werden können.
Allein die deutschen, im Bundesverband Deutscher Kapital-
beteiligungsgesellschaften (BVK) organisierten Gesellschaf-
ten bieten frei verfügbare Mittel für Investitionen in deutsche
Unternehmen in Höhe von knapp sechs Milliarden Euro.
Weitere 27 Milliarden Euro an Mitteln kommen von den im
BVK organisierten internationalen Beteiligungsgesellschaften
hinzu.
Vier Milliarden Euro aller freien Mittel stehen ausschließlich
für Wachstumsfinanzierungen für mittelständische Unterneh-
men zur Verfügung. Für Mehrheitsübernahmen (die soge-
nannten Buy-Outs), die etwa bei Nachfolgeregelungen im
Mittelstand oder bei der Begleitung von Konzernteilen in die
Unabhängigkeit eingesetzt werden, stehen bei den BVK-
Mitgliedern rund 29 Milliarden Euro bereit. Beteiligungsge-
sellschaften finanzierten allein in den Jahren 2008 und
2009 mit zusammen mehr als elf Milliarden Euro jeweils
mehr als 1.000 deutsche Unternehmen unterschiedlicher
Größe mit Eigenkapital.
Deutschland gehört, gemessen an den Private Equity-
Investitionen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft, zu den
Schlusslichtern Europas. Dies liegt nicht zuletzt an den im
internationalen Vergleich undefinierten Rahmenbedingun-
gen für die deutsche Private Equity-Branche. Die deutsche
Branche mahnt schon schon seit vielen Jahren einen einheit-
lichen Private Equity-Kapitalmarktrahmen an, der eine auf-
sichts- und steuerrechtliche Regulierung deutscher Private
Equity-Gesellschaften und -Fonds umfasst. Dies könnte die
Rahmenbedingungen für Private Equity und damit die Finan-
zierungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen
deutlich verbessern.
Seite 15INFORMATION
PKM JOURNAL
Private EquityPartner mit viel Potenzial
Mehr High-Tech-Gründungen auch
dank der Mini-GmbH
Die Anzahl von Unternehmensgründungen in den High-
Tech-Sektoren ist im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr
gestiegen. Mit einer Zunahme um knapp 20 Prozent auf
14.000 lag die Anzahl der High-Tech-Gründungen deut-
lich über dem Tiefpunkt des Jahres 2008. Die Gründungs-
tätigkeit in der Gesamtwirtschaft nahm ebenfalls zu. Die
Anzahl wirtschaftsaktiver Gründungen insgesamt stieg um
knapp acht Prozent auf 205.000 Gründungen.
Der starke Anstieg der Anzahl der Unternehmensgründun-
gen ist auf eine Änderung der institutionellen Rahmenbe-
dingungen zurückzuführen: Am 1.11.2008 trat das Gesetz
zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft, das mit der Einfüh-
rung der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft
(der sog. Mini-GmbH) für viele, insbesondere kleine Unter-
nehmen eine attraktive Rechtsform schaffte. Ohne die Ein-
führung der Unternehmergesellschaft wäre die Entwicklung
der Gründungstätigkeit zwar schwächer ausgefallen, aber
mit einem geschätzten Anstieg der Anzahl der Unterneh-
mensgründungen im High-Tech-Sektor von mindestens drei
Prozent trotzdem erfreulich positiv ausgefallen. Unbescha-
det dessen bereitet die Finanzierung sowohl in der Grün-
dungs- als auch in der Wachstumsphase vielen Unterneh-
men oft erhebliche Probleme.

Europäische Privatgesellschaft
Von Christian SteinbergerLeiter der RechtsabteilungVDMA – Verband Deutscher Maschinen- undAnlagenbau e.V.
Ausgebremst – so fühlen sich viele Mittelständler im Maschi-
nen- und Anlagenbau, die grenzüberschreitende Unterneh-
mensstrukturen im Binnenmarkt aufbauen wollen. Seit Jah-
ren hoffen sie vergebens auf die Schaffung einer Europäi-
schen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE),
die ihnen die Gründung von Tochtergesellschaften in ande-
ren EU-Mitgliedstaaten erleichtert. Die Hoffnungen waren
berechtigt, nicht zuletzt, weil die SPE 2007 zu den Prioritäten
der deutschen Ratspräsidentschaft zählte. Leider ist vom an-
fänglichen Elan nichts mehr zu spüren.
Die Schaffung einer europäischen Gesellschaftsform gehört
daher zu den zentralen Forderungen des VDMA (Verband
Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.). Der mittel-
ständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau nutzt den
Binnenmarkt intensiv: die Exportquote beträgt 75 Prozent;
die Hälfte der Exporte geht in die EU-Mitgliedstaaten. Um
ihre Stärken ausspielen zu können, müssen die Unterneh-
men grenzüberschreitend über einen effektiven Vertrieb und
verlässlichen Service verfügen – Erfolgsfaktoren, die oft nur
über die Gründung von Tochtergesellschaften im EU-
Ausland zu erreichen sind.
Bereits 2002 haben daher bei einer VDMA-Umfrage 95
Prozent der Unternehmen angegeben, neue Tochtergesell-
schaften in EU-Mitgliedstaaten in Form einer SPE gründen
zu wollen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Die Vortei-
le der „Europa-GmbH“ liegen auf der Hand. Derzeit ist ein
Unternehmen, das seine Vertriebs- und Serviceaktivitäten
europaweit organisieren will, mit 27 teilweise sehr unter-
schiedlichen gesellschaftsrechtlichen Systemen konfrontiert.
Daraus ergibt sich ein erheblicher Informations- und Bera-
tungsbedarf zu den Gründungsvoraussetzungen nach dem
jeweiligen nationalen Recht, aber auch zu der laufenden
Geschäftsführung. Die SPE könnte hier Abhilfe schaffen.
Eine Studie, die 2008 von der Anwaltskanzlei Baker & Mc-
Kenzie im Auftrag des VDMA und in Zusammenarbeit mit
Prof. Dr. Christoph Teichmann der Universität Würzburg
durchgeführt wurde, belegt das Einsparpotenzial. Hiernach
muss ein KMU, das in fünf Staaten eine kleine Vertriebs- und
Servicetochter gründen will, mit Gründungskosten in Höhe
von fast 45.000 Euro rechnen. Davon entfallen allein auf
die gesellschaftsrechtliche Beratung zur jeweiligen Rechts-
form 16.000 Euro, hinzu kommen laufende Kosten in Höhe
von 16.500 Euro pro Jahr. Mit Hilfe der SPE könnten im
Optimalfall vier Fünftel der Beratungskosten sowohl in der
Gründungsphase als auch während der laufenden Ge-
schäftsführung gespart werden.
Der Einwand, die SPE sei durch die Reform des deutschen
GmbH-Rechts, nach der eine GmbH ihren Verwaltungssitz
ins Ausland verlegen darf, überflüssig geworden, greift
nicht. Abgesehen davon, dass Gründung einer „Briefkasten-
GmbH“ und Verlagerung des Verwaltungssitzes vom seriös
agierenden Mittelstand überhaupt nicht in Betracht gezogen
wird, verringert es auch die Rechtsberatungskosten nicht. Ein
KMU, das in Deutschland eine GmbH gründet und an-
schließend deren Verwaltungssitz nach Spanien verlegt, ist
auf eine kostenintensive Rechtsberatung angewiesen, um zu
ermitteln, inwieweit deutsches oder spanisches Recht anzu-
wenden ist.
Die Frage liegt nahe, warum die SPE noch nicht Wirklichkeit
geworden ist. Die SPE ereilt offensichtlich dasselbe Schicksal
wie einst die Europa AG (SE). Die Frage der Mitbestimmung
hatte jahrzehntelang die Verhandlungen blockiert. Auch die
Verhandlungen über die SPE sind mit Blick auf die Mitbe-
stimmung festgefahren.
Die Situation bei der SPE ist aber eine andere als bei der SE,
die auf die Bedürfnisse großer Unternehmen zugeschnitten
ist. KMU unterliegen aufgrund ihrer geringen Beschäftigten-
zahl wesentlich seltener Mitbestimmungsregeln. Außerdem
ist zu berücksichtigen, dass an der Gründung einer SE in der
Regel Unternehmen beteiligt sind, in denen bereits Mitbe-
INFORMATIONSeite 16
PKM JOURNAL
Produkt- und
Markenpiraterie
Der VDMA unterrichtete den PKM in einem Gespräch
über die zunehmende Verbreitung von Produkt- und
Markenpiraterie. Einer Umfrage zufolge seien mittlerwei-
le fast alle Branchen in Deutschland betroffen. Zwar
gebe es technische, rechtliche und betriebsinterne Prä-
ventionsmöglichkeiten. Die volkswirtschaftlichen Schä-
den seien jedoch enorm. Eine möglichst enge internati-
onale Abstimmung im Kampf gegen Produkt- und Mar-
kenpiraterie sei daher anzustreben.

stimmung praktiziert wird. Demgegenüber handelt es sich
bei der Gründung einer SPE in der Regel um Neugründun-
gen. Schützenswerte Arbeitnehmer sind also noch nicht vor-
handen, so dass im Gründungsstadium keine Mitbestim-
mung erforderlich ist. Ist die SPE dann errichtet, gilt für sie
nach dem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission das
Arbeitsrecht des Sitzstaates – und damit die nationalen Mit-
bestimmungsregeln.
Um Befürchtungen entgegen zu treten, die SPE könnte be-
nutzt werden, um über Holding-, Fusions- oder Joint Ven-
ture-Konstruktionen die Arbeitnehmermitbestimmung auszu-
hebeln, könnten für diese Fälle die Mitbestimmungsregeln
der SE-Verordnung gelten. Ebenso muss verhindert werden,
dass eine „Flucht aus der Mitbestimmung“ durch die Verle-
gung des Verwaltungssitzes möglich ist.
Die SE wurde erst mehr als zehn Jahre nach dem ursprüngli-
chen Kommissionsvorschlag Wirklichkeit. Der industrielle
Mittelstand will nicht so lange auf seine SPE warten.
Seite 17INFORMATION
PKM JOURNAL
Neue Bilanzregeln für den Mittelstand
Für einige mittelständische Betriebe könnte die Rech-
nungslegung künftig etwas einfacher werden. Denn für
kleine und mittlere Unternehmen gelten die Regeln des
neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG),
das Ende Mai 2009 in Kraft getreten ist und jetzt für die
Betriebe relevant wird.
Ziel der Reform ist, Regulierungsvorschriften für kleine
und mittlere Unternehmen zu reduzieren. Die Bundesre-
gierung erwartet auch eine deutliche Kostenreduktion für
den Mittelstand. Durch die Anhebung der Umsatz- und
Gewinngrenzen etwa sind nun mehr Betriebe von der
Buchführungspflicht befreit.
Mit der Novelle kommt der Gesetzgeber gleich zwei Zie-
len nach: Zum einen wird mit dem BilMoG EU-Recht
umgesetzt, zum anderen passen sich die neuen Bilanzie-
rungsregeln aber auch dem internationalen Rechnungsle-
gungsstandard (IFRS) an, dessen Variante für den Mit-
telstand ebenfalls im vergangenen Jahr in Kraft trat. Die
IFRS-Normen sind in rund 100 Ländern anerkennt und
seit 2005 für Konzerne und Unternehmen mit börslich
notierten Aktien und Anleihen verpflichtend. Die verein-
fachten IFRS-Regeln für den Mittelstand wurden aus dem-
selben Grund entwickelt wie das BilMoG: Aufwändige,
eigentlich für Konzerne ersonnene Bilanzierungsbestim-
mungen sollen vermieden und Bürokratie abgebaut wer-
den.
Konkret ist in der IFRS-Variante für kleine mit mittlere
Unternehmen der Umfang der Pflichtangaben geringer,
es gibt einfachere Ansatz- und Bewertungsvorschriften
und auch weniger Bilanzierungs- und Bewertungswahl-
rechte. Einige Punkte, die in der Vollversion nur börsen-
notierte Konzerne betreffen, wurden gleich ganz wegge-
lassen.
Unterm Strich ist das Werk für viele Mittelständler den-
noch unnötig komplex. Zwar hat das deutsche BilMoG
viele Widersprüche beseitigt, die zwischen nationalen
Rechnungslegungsvorschriften und IFRS bestanden. Aller-
dings sind die IFRS eher für den anonymen Kapitalmarkt
gemacht. Für kleine und mittlere Betriebe sollte die IFRS-
Norm daher freiwillig bleiben. Für größere, international
tätige Mittelständler hingegen macht sie Sinn, da sie ge-
genüber ausländischen Geschäftspartnern die Vorlage
eines transparenten Abschlusses ermöglicht.

Verbände wollen Mitglieder
in sozialen Medien binden
Zahlreiche Verbände in Deutschland leiden an Mitglieder-
schwung und einer älter werdenden Mitgliederstruktur. Um
jüngere Zielgruppen anzusprechen, planen viele Verbände
nun den Einsatz sozialer Medien, wie eine Umfrage unter
331 Geschäftsführern und Vorständen deutscher Verbände
ergeben hat.
Bisher halten sich die Verbände im sozialen Internet noch
sehr zurück. Nur etwa 10 Prozent nutzen den Kurznachrich-
tendienst Twitter oder soziale Netzwerke wie Facebook oder
Xing. Eine verbandsinterne Community, die den Wissens-
austausch unter den Mitgliedern verbessern könnte, hat nur
jeder zehnte Verband im Einsatz. Die Sorge vor einem ho-
hen Verwaltungsaufwand ist der Hauptgrund für die Zurück-
haltung, weniger der Respekt oder gar die Angst vor dem
Neuen, haben die Befragten angegeben.
Nur fünf Prozent der Verbände sehen offene Netzwerke wie
Xing oder Facebook als Wettbewerb an, obwohl die Vernet-
zung oder der Wissensaustausch als Kernaufgabe der Ver-
bände auch gut in sozialen Netzwerken abgebildet werden
kann. Die Verbände hinken damit den Anwendungen der
neuen Medien in Unternehmen weit hinterher.
Drei von fünf Verbandsvertretern haben ihren Nachholbe-
darf aber inzwischen erkannt und wollen die sozialen Me-
dien im kommenden Jahr stärker nutzen. Als neue Instru-
mente genießt die eigene Online-Community die höchste
Wertschätzung, gefolgt von Wikis und Blogs. Microblog-
ging-Dienst wie Twitter werden nur von jedem fünften Ver-
bandsvertreter als wichtig eingeschätzt. Allerdings kannte ein
Drittel der Befragten den Begriff Micoblogging überhaupt
nicht.
Als Vorteile der sozialen Medien wurden vor allem ein bes-
serer Informationsfluss und eine höhere Mitgliederbindung
gesehen. Auch die Hoffnung auf eine bessere Anpassung
der Kommunikation an die Zielgruppe treibt die Verbands-
vertreter ins soziale Web.
Gesundheitsbrancheschafft Arbeitsplätze
Unternehmer und Dienstleister im deutschen Gesundheits-
wesen lassen sich von Spardebatten und den Auswirkungen
der Wirtschaftskrise nicht beeindrucken. Die Geschäftslage
habe sich weiter verbessert, die Erwartungen stabilisierten
sich auf hohem Niveau, stellt der Deutsche Industrie- und
Handelskammertag in der Auswertung einer Befragung von
600 Gesundheitsunternehmen aus dem Frühsommer fest.
Das schlage sich spürbar in den Beschäftigungsplänen der
Unternehmen nieder: In den kommenden 12 Monaten sei
ein Anstieg der Erwerbstätigenzahl um 100.000 möglich.
Allerdings gelte das vorbehaltlich weiterer Belastungen
durch Mindestlöhne oder Gesundheitsreform.
Die Umfrage zeige, dass sich die Erholung der wenig kon-
junkturabhängigen Gesundheitsbranche weiter fortsetze. In
der Beurteilung der Lage habe sie das Niveau vor Ausbruch
der Krise im Jahr 2008 wieder erreicht. Die Exporterwartun-
gen hätten sich auf hohem Niveau verbessert. Das gelte vor
allem für Pharma und Medizintechnik.
Halbes Prozent statt die Hälfte
Jeder sechste Bundesbürger vermutet, dass die Firmen die
Hälfte ihres Umsatzes als Gewinn einstreichen. Die Wahrheit
sieht selbst in guten Jahren wie 2008 ganz anders aus: Da-
mals blieben deutschen Firmen von jeweils 100 Euro Um-
satz im Schnitt 3,67 Euro Gewinn übrig. Vor Steuern waren
es 4,57 Euro. Zwei Drittel des Umsatzes schluckten die Kos-
ten für Material, jeder sechste Euro wurde für die Mitarbeiter
ausgegeben. Quer durch alle Branchen waren die Aufwen-
dungen der Firmen sogar höher als ihre Umsätze. Dass die
Betriebe dennoch einen Gewinn verbucht haben, verdanken
sie den übrigen Erträgen aus Zinsen und Beteiligungen. Für
das Krisenjahr 2009 deuten ersten Schätzungen auf einen
dramatischen Gewinneinbruch hin. So dürfte die Rendite der
Metall- und Elektro-Industrie auf ein halbes Prozent ge-
schrumpft sein; über ein Drittel der Betriebe schrieb rote
Zahlen. Die guten Geschäfte im aktuellen Aufschwung die-
nen deshalb zunächst dazu, aus dem Tal herauszukommen
und sich ein Polster zuzulegen.
INFORMATIONSeite 18
PKM JOURNAL

EU will Rauchverbot
total
Die EU-Kommission will ein
tabakfreies Europa bis 2012
in öffentlichen Räumen und
am Arbeitsplatz erreichen.
Vor allem Jugendliche sollen
stärker über die gesundheitli-
chen Gefahren aufgeklärt
werden. Dies kündigte EU-Gesundheitskommissar John Dal-
li kürzlich in Brüssel bei der Vorstellung der Eurobarometer-
Umfrage zum Tabakkonsum in der EU an. Dabei wurden
EU-weit fast 27.000 Menschen zu ihrer Haltung zum Rau-
chen befragt, 1.550 waren es in Deutschland.
Der Gesundheitskommissar ist entschlossen, den Tabakkon-
sum in der EU zu reduzieren. Er will dies durch die Revision
der Tabakprodukte-Richtlinie bis 2011 auf den Weg brin-
gen. Besorgt sei er vor allem über den Anteil junger Rau-
cher. Europa könne nicht zusehen, wie die junge Generati-
on ihre Gesundheit „verqualme“. Jährlich sterben in der EU
nach Schätzungen mehr als 650.000 Menschen an den
Folgen des Tabakkonsums.
14 Millionen EU-Bürger leiden an durch exzessiven Tabak-
konsum verursachten Krankheiten. Aber nicht nur Raucher
sind betroffen. 19.000 Todesfälle gehen jährlich auf das
Konto von Passivrauchen am Arbeitsplatz oder zu Hause,
rechnet die Kommission vor. Ein Viertel der Bürger gibt an,
am Arbeitsplatz mit rauchenden Kollegen leben zu müssen.
Drei Viertel der EU-Bürger befürworten laut Umfrage drasti-
sche Warnhinweise wie Fotos auf Zigarettenpackungen über
die Gesundheitsgefahren. 63 Prozent der Befragten spra-
chen sich für ein Verbot der Tabakwerbung an Verkaufsstel-
len aus. Uneins ist die Einschätzung aber darüber, in wel-
chen Bereichen ein Rauchverbot gelten sollte. 65 Prozent
der Raucher wollen im eigenen Auto – auch wenn es von
Nichtrauchern gefahren wird – weiter rauchen. 45 Prozent
der Raucher fordern diese Freiheit auch in Bars und Gast-
stätten. Unter den Nichtrauchern wollen dies nur 13 Prozent
noch zulassen.
Ein gesetzliches Rauchverbot am Arbeitsplatz, in Gaststätten
oder Speiselokalen ist in der EU unterschiedlich geregelt.
Ein Totalrauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Räu-
men, Bars und Restaurants besteht derzeit nur in Irland,
Großbritannien und Zypern. Italien, Malta, Schweden, Litau-
en, Finnland, Slowenien, Frankreich, Lettland und die Nie-
derlande haben Einschränkungen des Rauchens geregelt.
In Krankenhäusern besteht Rauchverbot in Österreich, Bul-
garien, Dänemark, Griechenland, Portugal, Rumänien, Bel-
gien, Luxemburg, der Slowakei und Spanien und in den
meisten deutschen Ländern.
Seite 19INFORMATION
PKM JOURNAL
Europa 2020 - Die fünf Ziele der EU
Beschäftigung:
Der Anteil der erwerbstätigen Personen im Alter von 20
bis 64 Jahren an der Gesamtbevölkerung derselben
Altersgruppe – die Beschäftigungsquote – soll bis 2020
auf 75 Prozent steigen.
Forschung und Entwicklung:
Öffentliche und private Investitionen für diese Zwecke
sollen drei Prozent des BIP erreichen.
Energie und Klima:
Die Treibhausgasemissionen sollen gegenüber 1990
um mindestens 20 Prozent verringert werden, der Anteil
erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz um je-
weils 20 Prozent steigen.
Bildung:
EU-weit sollen die Schulabbrecherquoten auf unter 10
Prozent sinken und der Anteil der Personen mit Hoch-
schulabschluss oder gleichwertigem Abschluss soll auf
mindestens 40 Prozent steigen.
Armut:
Es sollen weniger Europäer als bisher in Armut leben:
Mindestens 20 Millionen Mensch sollen vor dem Risiko
der Armut oder der Ausgrenzung bewahrt werden.

Finanzgerichte haben
immer weniger Fälle
Die deutschen Finanzgerichte ha-
ben immer weniger Arbeit. Die
Zahl der anhängigen Verfahren ist
in den vergangenen Jahren stark
zurückgegangen, und die Klagen
werden schneller abgearbeitet.
Hatten die Steuergerichte im Jahr 2004 noch 85.627 Fälle
in den Akten, waren es Ende 2009 nur noch 59.550 Fälle –
ein Rückgang von gut 30 Prozent.
Die durchschnittliche Verfahrensdauer stieg zwischen 2004
und 2006 von 17 auf 19 Monate, fiel dann aber bis 2009
wieder auf 18,1 Monate.
Der Vorsitzende der Steuer-Gewerkschaft führte diesen
Trend darauf zurück, dass die Finanzämter bei geringen
Beträgen lieber dem Steuerzahler recht geben, als es auf
eine Klage ankommen zu lassen. Das ist die Kapitulation
des Rechtsstaats oder ökonomische Arbeitsweise – je nach
Standpunkt.
Der deutliche Rückgang der Verfahren widerspricht den jah-
relangen Klagen der Finanzgerichte, sie würden durch pro-
zessfreudige Steuerzahler und das immer komplizierter wer-
dende Steuerrecht unter einer Lawine von Fällen begraben.
Die Finanzgerichte arbeiten nicht nur alte Verfahren zügiger
ab, sondern bekommen auch weniger neue Fälle: Die Zahl
der neu eingegangenen Verfahren sank von 78.683 im Jahr
2004 auf 54.393 im Jahr 2009. Das höchste Steuergericht,
der Bundesfinanzhof, hatte zwar in diesen Jahren rund
3.400 neue Fälle. Er konnte aber durch eine bessere Ar-
beitsorganisation die durchschnittliche Verfahrensdauer von
zwölf auf neun Monate drücken.
Die Bundesregierung führt diese Entwicklung auch auf eine
Verbesserung des Steuerrechts zurück. Fachleute von der
Freien Universität Berlin halten das allerdings nicht für plau-
sibel. Auch Gewerkschaften sehen den wahren Grund eher
darin, dass die Finanzämter bei Beträgen von unter
500 Euro dem Steuerzahler auch dann recht geben, wenn
sie anderer Meinung sind. Außerdem gibt es immer mehr
maschinelle Verfahren. Da werden Fälle anerkannt, die ein
Mensch niemals würde durchgehen lassen.
Deutschland senkt Unternehmensteuern
wie kein anderes Land in der EU
Nirgends in der EU ist die Körperschaftsteuer so stark ge-
sunken wie in Deutschland. Zwischen 2000 und 2010 gin-
gen die Steuersätze hierzulande um 21,8 Punkte zurück.
Das teilte die Statistikbehörde Eurostat mit. Ungeachtet die-
ser Entwicklung liegt Deutschland bei der Körperschaftsteuer
noch deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Wäh-
rend der Höchstsatz in Deutschland 29,8 Prozent beträgt,
beläuft er sich im EU-Schnitt auf 23,2 Prozent. Spitzenreiter
sind Malta mit 35 und Frankreich mit 34,4 Prozent. Die
niedrigsten Sätze gibt es in Bulgarien und Zypern mit je zehn
Prozent. Die Einkommensteuer hat Deutschland im gleichen
Zeitraum nicht so deutlich gesenkt. Mit einem Rückgang von
6,3 Prozentpunkten blieb Deutschland hinter der EU mit
minus 7,2 Punkten zurück. Auch das Niveau von 47,5 Pro-
zent liegt über dem EU-Schnitt von 37,5 Prozent. Grundsätz-
lich bleibt die Europäische Union ein Hochsteuergebiet. Die
Abgabenquote liegt mehr als ein Drittel über dem Niveau in
den USA und Japan. Dabei gibt es in der EU starke Unter-
schiede: In Rumänien lag die Quote 2008 unter 30 Prozent,
in Schweden bei 47,1 Prozent.
INFORMATIONSeite 20
PKM JOURNAL
Gebühr für
sinnloses Klagen
Das Bundesverfassungsgericht hat zum wiederholten Mal
Missbrauchsgebühren gegen offensichtlich erfolglose Ver-
fassungsbeschwerden verhängt. Bei der Erfüllung seiner
Aufgaben dürfe das höchste deutsche Gericht nicht durch
eine sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazi-
täten behindert werden, heißt es in zwei Entscheidungen,
in denen Gebühren von je 500 und 300 Euro verhängt
wurden. Unter anderem war nach Ansicht der Richter der
Rechtsweg nicht ausgeschöpft worden.
Arbeitskosten im Osten
28 Prozent billiger
Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es
noch große Unterschiede zwischen den Arbeitskosten
in Ost und West. In Westdeutschland kostet eine ge-
leistete Arbeitsstunde die Arbeitgeber inklusive Lohn-
Nebenkosten im Schnitt 29,25 Euro. In Ostdeutsch-
land sind die Kosten laut Statistischem Bundesamt
27,9 Prozent geringer: Hier kostet eine Stunde Arbeit
insgesamt 21,09 Euro.

Positive Wirtschaftsentwicklung
richtig nutzen
Die deutsche Wirtschaft hat sich nach der Finanz- und Wirt-
schaftskrise schneller erholt als erwartet. Wir sind mit einem
blauen Auge davongekommen, aber die Vorbelastungen
durch öffentliche Schulden sind kräftig gestiegen und die
Finanzierungsprobleme der Sozialsysteme verschärfen sich
weiter. Deshalb gilt es, die unerwartet positive Wirtschafts-
entwicklung konsequent zu nutzen, um die gewaltigen Zu-
kunftslasten tragbar zu gestalten und die labilen Wirtschafts-
systeme zu stabilisieren.
So groß die Versuchung auch sein mag: Jetzt ist nicht die
Zeit, neue Wohltaten zu verteilen, sondern beherzt die
Chance zu ergreifen, die öffentlichen Haushalte wieder in
den Griff zu bekommen, also insbesondere die Aufnahme
neuer Schulden schnell auf Null zu bringen und dann die
Abhängigkeit von den Kapitalmärkten zu reduzieren.
Genau so wichtig ist es, die Arbeitslosigkeit weiter abzubau-
en, also an die Entwicklung in den Jahren 2006 bis 2008
anzuschließen. In dieser Phase ist es Dank der vorsichtigen
Lohnerhöhungen gelungen, die Anzahl der Arbeitslosen um
1,5 Millionen auf rund drei Millionen zu verringern. Inzwi-
schen hat sich die Anzahl wieder um eine halbe Million er-
höht. Einschließlich der so genannten stillen Reserve sind
immer noch etwa fünf Millionen Menschen arbeitslos.
Die erfreuliche Seite: Der neue Exportboom lässt die Kurzar-
beit schneller als erwartet schrumpfen. Mehrere Unterneh-
men wollen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. Manche ha-
ben bereits damit begonnen. Einzelne Unternehmen stoßen
auf Engpässe bei den Fachkräften. Damit kommt wieder die
Frage auf, wie die Arbeitnehmer am laufenden Aufschwung
beteiligt werden können und ob ein Nachholbedarf bei den
Löhnen besteht.
Dabei ist auf einen wichtigen Zusammenhang hinzuweisen.
Auch wenn die Löhne real noch nicht steigen, nehmen alle
Arbeitnehmer schon aufgrund der sinkenden Arbeitslosigkeit
an einem Aufschwung teil. Durch die zusätzliche Beschäfti-
gung wird der Anstieg der Sozialabgaben verringert, weil
mehr Menschen ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften
und weil die zusätzlich Beschäftigten in die Sozialkassen
einzahlen. Das wird aufgrund der sich verschlechternden
Altersstruktur und der steigenden Ansprüche an die Sozial-
systeme in der Regel nicht unmittelbar sichtbar, ist aber an-
gesichts der demographischen Entwicklung besonders wich-
tig.
Dort wo Engpässe entstehen, werden die Unternehmen ver-
suchen, zusätzliche Arbeitskräfte durch attraktive Lohnange-
bote anzuwerben. Die sich verändernde Lohnstruktur und
die mögliche Lohnspreizung sind aber nicht zu bedauern.
Entscheidend für die Arbeitslosen ist, dass die Engpässe be-
hoben werden können – und sei es mit Arbeitskräften aus
dem Ausland. Dann wird im Inland mehr investiert und pro-
duziert. Dann steigen auch die Nachfragen nach komple-
mentären Arbeitskräften, die Beschäftigung und das reale
Lohnniveau.
Seite 21INFORMATION
PKM JOURNAL
Prof. Dr. Johann Eekhoff
Präsident IfM Bonn
Institut für Mittelstandsforschung
Zurück zur
40-Stunden-Woche
In Westdeutschland
arbeiten wieder
mehr Vollzeitbe-
schäftigte 39 oder
40 Stunden pro
Woche. Ende 2005
waren es noch we-
niger als 20 Prozent
aller Arbeitnehmer,
im Dezember 2009
schon mehr als 28
Prozent.
In der Bauwirtschaft sowie zum Teil im Öffentlichen Dienst
und in einigen Handwerken gilt seit 2005 tarifvertraglich
wieder die 40-Stunden-Woche. Im Durchschnitt aller
Branchen kommen die Westdeutschen auf 37,4 Stunden,
die Ostdeutschen auf 38,8. Dort ist das durchschnittliche
Wochenpensum in den vergangenen Jahren leicht gesun-
ken, weil mehr Menschen in Branchen mit geringeren Ar-
beitszeiten tätig sind.
Noch in den 1950er Jahren forderten die Gewerkschaften
unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“ eine Begren-
zung der Wochenarbeitszeit auf fünf Tage á acht Stunden.
Das gelang als Erstes 1956 in der Zigarettenindustrie.
In den 1960er Jahren folgten die Druck-, die Metall- und
Elektro-Industrie sowie die Bauindustrie. Etwa 20 Jahre
später wollten die Gewerkschaften sogar die 35-Stunden-
Woche durchsetzen, die es noch heute in der Druck- und
der Metall- und Elektro-Industrie gibt.

Die Zuwanderer, die heute nach
Deutschland kommen, haben eine
bessere Ausbildung als Zuwanderer in
der Vergangenheit. Bei der Integration
der Migranten gibt es hierzulande
aber weiterhin Nachholbedarf. Dies
sind Ergebnisse aus der Internationa-
len Migrationsstudie, die die Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Brüssel prä-
sentierte.
Deutschland ist heute allerdings nicht nur ein Einwande-
rungs-, sondern auch ein Auswandererland. So hat sich die
Zahl der Menschen, die Deutschland dauerhaft verlassen,
seit 2000 verdoppelt. Die Bundesrepublik belegt internatio-
nal inzwischen den siebten Platz bei der Abwanderung –
nach Ländern wie China, Polen, Indien oder Mexiko.
Laut OECD hat sich die Struktur der Zuwanderung nach
Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark verän-
dert. Seien bis in die Neunzigerjahre hinein vorwiegend Ge-
ringqualifizierte nach Deutschland gekommen, hätten die
heutigen Neuzuwanderer sogar im Schnitt ein höheres Bil-
dungsniveau als die hiesige Gesamtbevölkerung. Grund für
diesen Wandel sind die veränderten Zuwanderungsregeln.
So hat Deutschland die Migration Hochqualifizierter in den
vergangenen Jahren schrittweise liberalisiert und gleichzeitig
die Hürden für Unqualifizierte etwa durch den Sprachtest
erhöht. Ähnliche Entwicklungen sind in allen OECD-Ländern
zu beobachten. Der Wettbewerb um Hochqualifizierte hat
sich in den vergangenen Jahren sehr verschärft. Und andere
Länder, allen voran Australien, sind sehr viel erfolgreicher
als Deutschland im Anlocken von Hochqualifizierten. Austra-
lien ist am erfolgreichsten darin, ausländische Studenten
nach ihrem Abschluss im Land zu halten. In Australien kom-
me die Hälfte der hoch qualifizierten Zuwanderer von den
eigenen Universitäten. In Deutschland liegt dieser Anteil nur
bei 18 Prozent.
Allerdings ist auch für Deutschland festzustellen, dass die
ausländischen Studenten häufiger als früher im Land blei-
ben. Laut Bericht lässt sich ein Drittel der Universitätsabsol-
venten aus Drittstaaten dauerhaft in der Bundesrepublik
nieder. Im Berichtsjahr 2008 sind 10.000 Studenten aus
Nicht-EU-Ländern in Deutschland geblieben. Zudem wan-
derten 22.000 qualifizierte Arbeitnehmer ein.
Problematisch ist aus Sicht der OECD, dass sich hierzulande
nur relativ wenige Migranten einbürgern lassen. Bei der Ein-
bürgerung ist Deutschland neben der Schweiz das Schluss-
licht in der OECD. Dies sei auch deshalb bedauerlich, weil
Einbürgerung ein klares Integrationssignal sei. Deutschland
sollte stärker für die Einbürgerung werben. Positiv werteten
die Experten, dass die hier lebenden Ausländer von der
Wirtschaftskrise nicht überproportional stark betroffen wa-
ren. In den meisten anderen OECD-Ländern war dies der
Fall.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass Migranten besonders in
wirtschaftlich guten Zeiten einen wichtigen Beitrag zur wirt-
schaftlichen Entwicklung leisten. Nicht nur Deutschland,
sondern die gesamte Europäische Union bleibt der Studie
zufolge weiterhin ein Ziel für Wirtschaftsmigranten. Beson-
ders Spanien, Portugal, Italien und Großbritannien ziehen
noch immer Menschen aus aller Welt an. Zum ersten Mal
seit Jahren gehen die Zahlen aber zurück: So sank die Zahl
der Einwanderer in Italien um 26 Prozent, in Tschechien um
27 Prozent. OECD-weit ging die Zahl um sechs Prozent
zurück. Ein Trend, der in Brüssel Besorgnis auslöst: Wir
brauchen Migranten, denn die Bevölkerung wird stark
schrumpfen. Ohne die Migranten können wir langfristig
unseren wirtschaftlichen Wohlstand nicht halten.
INFORMATIONSeite 22
PKM JOURNAL
Paten erleichtern Seniorenden Internet-Zugang
Ehrenamtliche Internet-Paten sollen Senioren
den Einstieg ins Netz erklären und erleich-
tern. Ein auf zwölf Monate angelegtes Projekt
stieß in Berlin auf unerwartet großes Interesse, wie das Bun-
deswirtschaftsministerium mitteilte.
Rund 2.300 Internet-unerfahrene Senioren und potenzielle
Paten hatten sich gemeldet, um an der von dem Ministerium
gemeinsam mit der Postbank organisierten Initiative „Internet
erfahren“ teilnehmen zu können. Von den über 50-Jährigen
nutze nicht einmal die Hälfte das Internet, so das Ministeri-
um. Vielen von ihnen fehle oft nur eine Ansprechperson, die
beim Einstieg ins Netz hilft. Für diese Aufgabe will die Initia-
tive nun erfahrene ehrenamtliche Internet-Paten gewinnen,
die mit Schulungsmaterialien auf ihr künftiges Engagement
vorbereitet werden.
Nähere Informationen erhalten Sie unter:
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Technologie-
und-Innovation/Informationsgesellschaft/internet-
erfahren,did=299118.html
Zuwanderer habenbessere Ausbildung als früher

Bürgerarbeit fürArbeitslose
Rund 34.000 Langzeitarbeitslose sollen
von Anfang 2011 an gemeinnützige
„Bürgerarbeit“ leisten. Das Bundesar-
beitsministerium begann im Sommer ein
Modellprojekt, an dem sich 197 Jobcen-
ter beteiligen. Ziel des neuen arbeits-
marktpolitischen Instruments, das schon seit drei Jahren in
Sachsen-Anhalt erprobt wird, ist die bessere Integration von
Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Bundesar-
beitsministerin Dr. Ursula von der Leyen kündigte in Berlin
an, 160.000 erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger sollten an
der sechsmonatigen „Aktivierungsphase“ teilnehmen. In der
„Beschäftigungsphase“ von Mitte Januar nächsten Jahres an
stünden dann 34.000 Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung.
Aktiv zu sein ist besser als zu Hause auf ein Jobangebot zu
warten.
Das Bundesprogramm Bürgerarbeit wird in drei Jahren Lauf-
zeit rund 1,3 Milliarden Euro kosten. Davon kommen jähr-
lich 230 Millionen Euro aus dem Bundesetat und 200 Milli-
onen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds. Grundsätz-
lich sollen Bürgerarbeiter 30 Stunden in der Woche für
900 Euro Lohn plus Sozialversicherung tätig sein. Die loka-
len Konzepte sollen die Jobcenter mit Kammern und Wirt-
schaftsverbänden vor Ort erarbeiten. Gedacht ist etwa an
Begleitdienste für Ältere und Behinderte bei Behördengän-
gen oder Arztbesuchen.
Der sachsen-anhaltische Arbeitsminister Reiner Haseloff
betonte, reguläre Arbeit dürfe durch Bürgerarbeit nicht ver-
drängt werden. Er zeigte sich mit dem Erfolg des Modellver-
suchs in seinem Land zufrieden. In den Modell-Gemeinden
konnte die Arbeitslosigkeit dauerhaft um mehr als 50 Pro-
zent gesenkt werden. 20 bis 25 Prozent aller Arbeitslosen
haben sich binnen weniger Wochen in reguläre Beschäfti-
gung abgemeldet. Etwa zehn Prozent der ehemals Chan-
cenlosen sind zwischenzeitlich in den regulären Arbeitsmarkt
eingemündet: weitere fünf bis zehn Prozent haben eine
Qualifizierung aufgenommen. Ein Vorteil der nicht freiwilli-
gen Bürgerarbeit ist, dass Schwarzarbeit eingedämmt wird.
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen verwies darauf,
dass die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt das wichtigs-
te Ziel bleibe. Deshalb sei der Bürgerarbeit eine intensive
Aktivierungs- und Vermittlungsphase vorgeschaltet. Bedin-
gung sei im Gegensatz zu früheren Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen, dass der Bürgerarbeiter durch einen persönli-
chen „Coach“ unterstützt werde, damit der Sprung in einen
regulären Job gelinge.
Seite 23INFORMATION
PKM JOURNAL
Ältere arbeiten deutlich länger als
noch vor einem Jahrzehnt
Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Beschäfti-
gungssituation von älteren Menschen in Deutschland in
den vergangenen Jahren nachhaltig verbessert: 2009
waren 38,7 Prozent der Personen zwischen 60 und 64
Jahren erwerbstätig, das sind fast doppelt so viele wie
vor zehn Jahren. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl
derer, die aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhe-
stand gingen von 28 Prozent im Jahr 1998 auf 23 Pro-
zent im Jahr 2008. Auch die Arbeitslosenquoten von
Älteren liegen nur noch leicht über, zum Teil gar unter
dem Gesamtdurchschnitt.
Beispiel Automobilindustrie:
Auch die Belegschaft von vielen Automobilherstellern
kommt in die Jahre. In der Vergangenheit wurden vor
allem jüngere Arbeitnehmer eingestellt. Bis zuletzt wur-
den über 50-Jährige für viel Geld in den Ruhestand ge-
schickt. Reagieren die Unternehmen nicht, drohen Pro-
duktivitätsverluste und mehr Krankheitstage.
Manche Arbeitgeber setzten deshalb auf Schuhwerk, das
auf das Gewicht der Arbeitnehmer abgestimmt ist und
federnde Sohlen, die den Rücken schonen. Die Schrift an
den Computern wird größer, Lupen an den Materialkäs-
ten sollen die Suche erleichtern und helfen, Fehler zu
vermeiden. Auch die stärkere Rotation von Mitarbeitern
am Band soll Abhilfe schaffen. Empirisch wurde belegt,
das dadurch die Produktivität steigt und der Kran-
kenstand sinkt.
Die Autobauer versuchen zudem, die verfehlte Rekrutie-
rung der Vergangenheit zu korrigieren. Bei Neueinstel-
lungen beispielsweise werden neuerdings bewusst auch
Ältere bevorzugt, um in Zukunft nicht wieder in die Al-
tersfalle zu laufen.

Der Einstieg ist
hart und teuer
Der Weg in den Beruf des Steuerberaters ist mühsam. Laut
Branchendienst der Sparkassengruppe erfordern die Vorbe-
reitungskurse und das Lernen hohe Investitionen an Zeit und
Geld. Eine Vorbereitungszeit von insgesamt 1.400 Stunden
sei nicht ungewöhnlich. Dies entspreche drei Viertel der Jah-
resarbeitsleistung eines deutschen Arbeitnehmers. Die Kos-
ten seien mit mindestens 5.000 Euro zu veranschlagen,
könnten aber mit Unterkunft und Verpflegung auch
15.000 Euro erreichen. Dennoch rasseln schließlich bei der
Prüfung mitunter 50 Prozent oder mehr der Kandidaten
durch.
Leichter fällt der Einstieg in die Existenz als Steuerberater,
wenn man nicht gleich eine eigene Kanzlei gründet, sondern
sich erst mal in einer bestehenden Praxis anstellen lässt.
Auch den neuen Status als Syndikus-Steuerberater sieht die
Bundessteuerberaterkammer als „Brücke in die Selbständig-
keit“. Am Aussterben ist übrigens der alte Titel des Steuerbe-
vollmächtigen: Schon seit Anfang der neunziger Jahre wird
niemand mehr neu zu diesem Beruf mit seinen niedrigeren
Einstiegshürden zugelassen.
Werbebranche leidet
unter Kostendruck
Die Einnahmen der Werbeagenturen in Deutschland sind im
vergangenen Jahr um 5,1 Prozent gesunken. Das teilte der
Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) nach
seiner jährlichen Frühjahrsumfrage mit. Der Rückgang fiel
damit deutlich höher aus als in der Krise 2001/2002. Da-
mals schrumpfte die Branche um 1,8 Prozent.
Die umsatzstärkste Kundengruppe war im vergangenen Jahr
die Autoindustrie. Von ihr stammten 16 Prozent der gesam-
ten Erlöse. Für dieses Jahr hoffen die Werbeagenturen auf
ein Umsatzplus von durchschnittlich drei Prozent. Wie viele
Agenturen das Jahr 2009 mit einem Gewinn abgeschlossen
haben, hat der Verband nicht ermittelt. Es wird aber davon
ausgegangen, dass es sich um den überwiegenden Teil der
Agenturen handelt.
90 Prozent der Befragten klagten darüber, der Kostendruck
sei gegenüber 2008 noch weiter gestiegen. 57 Prozent der
Agenturen entließen 2009 betriebsbedingt Mitarbeiter,
28 Prozent führten Kurzarbeit ein. In diesem Jahr sollen wie-
der die Einstellungen überwiegen.
Vier Wochen Mutterschutz
für Selbständige
Selbständige Frauen und die Partnerinnen von Selbständi-
gen sollen in der EU künftig Anspruch auf mindestens
14 Wochen Mutterschaftsurlaub haben. Dafür hat sich das
Europäische Parlament in Straßburg ausgesprochen.
Außerdem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass
Selbständige und ihre häufig unentgeltlich mitarbeitenden
Lebenspartner Zugang zu einer „Standardversicherung“ ha-
ben. Diese soll sie im Falle von Krankheit und Invalidität
schützen und eine angemessene Altersversorgung umfassen.
Damit sollen vor allem Frauen geschützt werden, die in der
Landwirtschaft, in kleinen Unternehmen und bei Selbständi-
gen in freien Berufen mitarbeiten. Ob die Staaten den Mut-
terschaftsurlaub und die Standardversicherung zur Pflicht
machen, bleibt ihnen überlassen. Sie müssen aber eine
„ausreichende“ finanzielle Versorgung garantieren. Da das
Parlament und die Staaten ihre Position im Vorfeld des Vo-
tums abgestimmt haben, kann die Regelung in Kraft treten.
In Deutschland gilt der Mutterschutz bisher nur für angestell-
te Frauen. Er beginnt sechs Wochen vor dem berechneten
Geburtstermin und endet in der Regel acht Wochen nach
der Entbindung. Angestellte Frauen erhalten während dieser
Zeit ein Mutterschaftsgeld in Höhe des durchschnittlichen
vorherigen Nettolohns.
INFORMATIONSeite 24
PKM JOURNAL
Kfz-Mechaniker sehr beliebt
Die Hitliste der beliebtesten Handwerksberufe führen seit
Jahren unverändert der Kfz-Mechaniker, Friseur und
Elektroniker sowie der Maler/Lackierer an. Hier gibt es
auch die meisten Lehrlinge. Aber der Beruf des Bestat-
ters verzeichnet steigende Zahlen. Rund 180 Lehrlings-
verträge werden hier jährlich bundesweit abgeschlossen.
In allen Bereichen sind noch Plätze frei. Auch für den
Bau, das Elektro- und Metallgewerbe wird noch Nach-
wuchs gesucht. Sorgen machen sich seit einigen Jahren
Bäcker und Metzger, die wegen der zum Teil ungemütli-
chen Arbeitszeiten starke Nachwuchsprobleme haben.
Viele Betriebe hoffen nun auf junge Arbeitskräfte aus
den Nachbarländern wie Polen und Tschechien. Ab
1. Mai 2011 dürfen diese ohne gesetzliche Beschrän-
kungen in Deutschland arbeiten.

Familie und Karriere –
ein Widerspruch?
Die Wirtschaftskri-
se hat den Opti-
mismus in den
deutschen Univer-
sitäten und Fach-
hochschulen ge-
bremst. Das geht
aus einer Studie
des Meinungsfor-
schungsinsti tuts
TNS Infratest im
Auftrag des Auto-
mobilzulieferers
Continental her-
vor, für die rund
1.000 künftige
Ingenieure, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler befragt
wurden. Anfang 2009 war demnach noch jeder vierte Stu-
dent aus dieser Gruppe nach eigener Auskunft „sehr zuver-
sichtlich“ mit Blick auf die eigene Karriere. Mittlerweile gilt
das nur noch für jeden siebten. Auffällig ist, dass die Stu-
dentinnen sich dabei noch deutlich skeptischer äußern als
ihre männlichen Kommilitonen.
Bis zur Weltuntergangsstimmung ist es aber noch weit. Der
Anteil der Studenten, die ihre eigenen Chancen trotz aller
Krisenmeldungen „sehr zuversichtlich“ oder „eher zuversicht-
lich“ sehen, ist zwar gegenüber 2009 um neun Prozent-
punkte auf den niedrigsten Wert seit der ersten vergleichba-
ren Umfrage im Jahr 2004 gefallen. Er liegt aber immer
noch bei 65 Prozent. Inzwischen sei die Perspektive aber vor
allem für Studenten der sogenannten MINT-Fächer Mathe-
matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik wieder
sehr gut. Für sie wirkt sich das Demographieproblem positiv
aus. Derzeit gehen genauso viele Ingenieure in Rente, wie
neue von den Universitäten nachkommen. Sobald das Wirt-
schaftswachstum einsetze, drohe wieder ein gravierender
Fachkräftemangel.
Nach dem Studium für längere Zeit im Ausland zu arbeiten,
können sich indes immer weniger Studenten vorstellen. Auf
die Frage, ob sie bereit wären, zwei oder drei Jahre in ost-
europäischen Ländern wie Tschechien oder Polen zu arbei-
ten, antworteten 64 Prozent mit „eher unwahrscheinlich“
oder „ganz bestimmt nicht“ (2004: 54 Prozent). Einen Be-
rufseinstig in China lehnen sogar 65 Prozent der Befragten
ab (2006: 49 Prozent), Südamerika kommt für 49 Prozent
eher oder gar nicht in Frage (2004: 38 Prozent). Deutlich
höher ist die Bereitschaft der Studenten, in den Vereinigten
Staaten zu arbeiten. Aber auch hier ist die Ablehnung seit
2004 um fünf Prozentpunkte auf 26 Prozent gestiegen.
An Bedeutung gewonnen hat die Familie. So geben in der
aktuellen Umfrage 76 Prozent an, dass sie für ihre Karriere
nicht auf die Gründung einer Familie verzichten würden.
2005 waren es nur 65 Prozent. Der Anteil der Familienmen-
schen ist unter Männern (77 Prozent) und Frauen (76 Pro-
zent) fast identisch. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach
geregelten Arbeitszeiten. Während sich 2008 etwa die Hälf-
te der Befragten eine tariflich geregelte Arbeitszeit wünschte,
sind es nun mehr als zwei Drittel. Und auf die Frage, wie sie
sich ihr künftiges Beschäftigungsverhältnis vorstellen, nannte
die Hälfte der Befragten „eine unbefristete, möglichst le-
benslange Anstellung und ein hohes Maß an Loyalität“. Im
Boomjahr 2005 hatte nur ein Viertel der Befragten so ge-
antwortet.
Energie 180 Euro teurer
Heinzen, tanken,
Wäsche waschen:
Die privaten Haus-
halte gehören zu
den größten Ener-
gieverbrauchern in
Deutschland. Doch
die Kosten für
Strom, Erdgas und
Kraftstoff haben in
den vergangenen
Jahren so angezo-
gen, dass ein Drei-Personen-Haushalt mit zwei Autos heut-
zutage im Schnitt rund 180 Euro monatlich mehr für Ener-
gie aufwenden muss als 1998. Hauptursache dafür ist der
Anstieg der globalen Energiepreise, der durch die starke
Nachfrage von Ländern wie China und den USA befeuert
wurde.
Zweitgrößter Preistreiber war der Staat: Die Einführung der
Ökosteuer, Umlagen für erneuerbare Energien und die
Kraft-Wärme-Kopplung sowie die Erhöhung der Mehr-
wertsteuer von 16 auf 19 Prozent haben die Energiekosten
in Deutschland zusätzlich in die Höhe getrieben.
Besonders hart trifft die Preisentwicklung jene Menschen,
die in schlecht isolierten Häusern leben, sowie Pendler, die
auf ein Auto angewiesen sind, um damit zur Arbeit zu fah-
ren. Auch der Trend zu sparsameren Fahrzeugen und effi-
zienterer Haushaltstechnik dürfte den Anstieg der Energie-
kosten nicht aufhalten.
Seite 25INFORMATION
PKM JOURNAL

Gasthörer andeutschen Universitäten
Sie lieben Sprach- und Kulturwissenschaft, aber auch die
Wirtschaftswissenschaften: Gasthörer an deutschen Universi-
täten. Diese Art des Studiums boomt wie selten: Fast
14 Prozent mehr Gasthörer als im Vorjahr gab es im ver-
gangenen Wintersemester; insgesamt waren es 41.900, wie
die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das All-
zeithoch aus dem Jahr 2003 wurde zwar nicht wieder er-
reicht, doch der Trend weist nach oben.
Die größte Gruppe der Gasthörer bilden Seniorenstudenten.
Rund 43 Prozent sind 60 Jahre alt oder älter. Dass ihr Anteil
steigt, erscheint Fachleuten wegen des demographischen
Wandels plausibel. Die Menschen werden immer älter, sind
aber geistig und körperlich sehr fit. Viele Ältere studierten
das Fach, das sie in jungen Jahren aus ökonomischen Er-
wägungen heraus nicht gewählt hätten. Gaststudenten kön-
nen auch ohne formale Hochschulreife an einzelnen Kursen
und Lehrveranstaltungen der Hochschulen teilnehmen. Eine
Abschlussprüfung ist nicht möglich.
Das bestätigt auch eine Studie der Bundesarbeitsgemein-
schaft wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG Wi-
WA) aus dem Jahr 2009. Soziale Aspekte wie die Zusam-
menarbeit mit Jüngeren und der Kontakt zu gleichgesinnten
Kommilitonen spielen demnach ebenfalls eine Rolle. In den
meisten Fällen kostet das Seniorenstudium Gebühren. Die
Spanne reicht der Studie zufolge von 20 bis 250 Euro.
Welche Motive aber die jüngeren Gasthörer bewegen, dar-
über gibt es nur Mutmaßungen. Bei der Hochschulrektoren-
konferenz (HRK) gelten die jüngeren Gasthörer als unbe-
kannte Größe, die statistischen Daten fehlen, um Aussagen
darüber zu machen. Vermutet wird, dass es sich um Wehr-
und Zivildienstleistende handelt, die nebenher ins Studium
hineinschnuppern. Auch junge Leute, die schon wissen, dass
sie ein bestimmtes Fach studieren wollen, aber den zugehö-
rigen Studienplatz noch nicht haben, sind sicher dabei.
Zur Weiterbildung
motivieren
Am Geld liegt es nicht, dass sich hierzulande zuletzt ledig-
lich 38 Prozent der 19- bis 64-Jährigen für eine berufliche
Weiterbildung begeistern konnten. Fast die Hälfte der heimi-
schen Arbeitnehmer ist vielmehr davon überzeugt, dass die
eigene Qualifikation vollkommen ausreicht, und zieht die
Möglichkeit einer beruflichen Fortbildung einfach nicht nä-
her in Betracht.
Dabei gibt es handfeste Vorteile – Mitarbeiter, die ihre Kom-
petenz und ihr Wissen erweitern, senken ihr Arbeitslosig-
keitsrisiko und steigern ihr Gehalt. Außerdem verbessern
sich die Chancen auf einen Karrieresprung. Dennoch be-
trachten viele Arbeitnehmer einen Sprachkurs oder eine
Qualifizierung zum Meister offenbar nur als nettes Beiwerk –
während für die Unternehmen die konsequente berufliche
Weiterbildung ihrer Belegschaft dringend notwendig ist: Der
demografische Wandel macht die Suche nach hochqualifi-
zierten Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt zusehends schwie-
riger. Wenn die eigenen Mitarbeiter stärker motiviert werden
können, sich durch Seminare, Schulungen etc. fit zu halten,
lässt sich diese Herausforderung besser meistern.
INFORMATIONSeite 26
PKM JOURNAL
Dienstleister:
Europa lockt
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist Ende 2009 in Kraft
getreten. Sie will den europaweiten Markt für Dienstleis-
tungen in Schwung bringen – unter anderem durch um-
fassende Informationsangebote über rechtliche Rahmen-
bedingungen für Dienstleistungen im betreffenden Land.
Beim „Portal für Dienstleistungen in Europa Portal
21“ (www.portal21.de) kann sich jeder Interessent für
grenzüberschreitende Dienstleistungen – sowohl Unter-
nehmer als auch Verbraucher – über die rechtlichen Rah-
menbedingungen und Verbraucherschutzstandards für
Dienstleistungen im gesamten EWR informieren. Das be-
inhaltet Auskünfte zum Rechtsrahmen in den EU-
Mitgliedstaaten, etwa zum Internationalen Privatrecht,
zum Vertragsrecht und Gesellschaftsrecht.
Weiterhin bietet das Portal Informationen über die Vor-
aussetzungen der Aufnahme und Ausübung von Dienst-
leistungen im EU-Ausland, über den Verbraucherschutz,
über den Rechtsschutz in den Mitgliedstaaten sowie über
geeignete Anlaufstellen für Dienstleistungsempfänger.

Geschäftsmodell Deutschland –geprüft und für gut befunden
Die wirtschaftliche Talfahrt des vergangenen Jahres hat ein-
mal mehr Kritk an der Ausrichtung der deutschen Wirtschaft
leut werden lassen. Sie sei unter anderem zu industrielastig
und daher besonders krisenanfällig. Doch der rezessionsbe-
dingte Rückgang der Industrieproduktion hat die Wirt-
schaftsleistung keineswegs stärker in Mitleidenschaft gezo-
gen als in anderen großen Volkswirtschaften.
Im Zuge der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise ist wieder
einmal die Debatte darüber entbrannt, ob das Geschäfts-
modell Deutschland noch tragfähig ist. Der Vorwurf: Der
außergewöhnlich hohe Industrieanteil sowie die starke Welt-
marktorientierung hätten der heimischen Wirtschaft während
der globalen Konjunkturturbulenzen besonders geschadet.
In der Tat unterscheidet sich Deutschlands Wirtschaftsstruk-
tur von der anderer großer Volkswirtschaften. So steuerte
das Verarbeitende Gewerbe im Jahr 2008 fast 26 Prozent
zum Bruttoinlandsprodukt bei und damit deutlich mehr als
etwa in Frankreich und Großbritannien mit 14 bzw. 18 Pro-
zent. Und auch mit einer Exportquote von rund 47 Prozent
spielte die deutsche Wirtschaft 2008 in einer anderen Liga
als ihre Konkurrenten: Die Briten zum Beispiel verkauften
lediglich 29 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung ins Ausland,
die Franzosen 26 Prozent und die US-Amerikaner sogar nur
12 Prozent.
Richtig ist, dass gerade die erfolgsverwöhnten Bereiche der
deutschen Wirtschaft zuletzt arg gebeutelt wurden. Als die
Konjunktur im April 2009 die Talsohle erreichte, lagen In-
dustrieproduktion und nominale Warenausfuhren um rund
ein Viertel unter dem vorangegangenen Höchststand vom
August 2008. Dennoch musste die deutsche Wirtschaft in
der zurückliegenden Krise keineswegs mehr Federn lassen
als ihre Konkurrenten (s. Grafik).
Während die Industrieproduktion hierzulande 2009 um fast
18 Prozent zurückging, schrumpfte sie in Japan sogar um
rund 23 Prozent. Auch in Frankreich, den USA sowie in
Großbritannien verzeichnete das Verarbeitende Gewerbe
jeweils einen Produktionseinbruch im zweistelligen Prozent-
bereich.
Zudem waren die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der
Krise im Industriesektor am Standort Deutschland keines-
wegs übermäßig groß:
Mit einem Minus von 4,9 Prozent schrumpfte das reale Brut-
toinlandsprodukt in Deutschland ähnlich stark wie in Japan,
Schweden, Italien, Großbritannien sowie den Niederlanden.
Wirft man einen näheren Blick auf den Zusammenhang zwi-
schen der Veränderung der Industrieproduktion und der
Veränderung der Wirtschaftsleistung, zeigt sich: Deutschland
liegt ungefähr im Schnitt der elf betrachteten Länder. Der
rückläufige Output des Verarbeitenden Gewerbes hat das
Bruttoinlandsprodukt also nicht außergewöhnlich stark nach
unten gedrückt. Dagegen war in Frankreich, den USA und
der Schweiz der negative Einfluss der Turbulenzen im – dort
viel kleineren – Industriesektor auf die Wirtschaftsleistung
überdurchschnittlich groß.
Damit erweist sich die Kritik am deutschen „Sonderweg“
abermals als unhaltbar. Bereits in der Vergangenheit waren
ähnliche Debatten letztlich ins Leere gelaufen. Mitte der
1990er Jahre hieß es zum Beispiel, die deutsche Wirtschaft
weise gegenüber ihren Wettbewerbern eine Dienstleistungs-
lücke auf. Mancher Skeptiker folgerte daraus sogar, die
hiesige Wirtschaft sei mit ihrem Fokus auf die Herstellung
von Industriewaren nicht zukunftsfähig.
Zur Jahrtausendwende ging die Diskussion dann unter dem
Titel „Old versus New Economy“ weiter. Vom Vorwurf,
Deutschland setze zu stark auf die klassischen Industriezwei-
ge, war allerdings nach dem Platzen der New-Economy-
Blase schon bald nichts mehr zu hören.
Und schließlich machte in der langen Phase der Stagnation
nach dem Jahr 2001 das Stichwort „Basarökomie“ die Run-
de. Die Bundesrepublik diene nur noch als Durchgangsstati-
on für Waren, die mehr und mehr im Ausland produziert
würden Doch auch diese Diskussion verstummte – Mitte des
Jahrzehnts begann ein Aufschwung, der zum großen Teil
von der heimischen Industrie getragen wurde.
Seite 27INFORMATION
PKM JOURNAL

Deutschland steht
vor einem Jobwunder
Politik und Wissenschaft sind sich
ausnahmsweise einmal einig:
Deutschland stehe vor einem Job-
wunder, sagen sie unisono. „Ich
glaube, dass wir nachhaltig die
Arbeitslosigkeit abbauen können
und dieses Jahr noch unter drei Millionen kommen“, sagte
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im ZDF. Mittelfris-
tig rechnet er sogar mit Vollbeschäftigung. „Das halte ich
schon für machbar“, sagte Brüderle. Helfen werde dabei die
niedrige Geburtenrate. Sie sorgt dafür, dass es künftig weni-
ger Erwerbstätige geben wird.
Trotz der anhaltenden Verlagerung von Arbeitsplätzen ins
Ausland soll es in den kommenden zehn Jahren Millionen
zusätzliche Stellen geben, heißt es in einer aktuellen Studie.
Bis 2020 soll die Zahl sozialversicherungspflichtiger Vollzeit-
jobs demnach um 1,7 Millionen zunehmen. Für geringfügig
Beschäftigte stehen – bezogen auf das Jahr 2003 – bis
2020 rund 820.000 zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung.
In den nächsten Jahren wird die Nachfrage nach Arbeits-
kräften stärker wachsen als das Angebot. Wichtig ist neben
einer besseren Qualifikation vor allem, mehr Frauen und
Ältere in Beschäftigung zu bringen. Viele Mütter wollen nach
der Babypause nicht auf ihre alte Position zurück, arbeiten
stattdessen in Teilzeit, nehmen Minijobs an oder hängen gar
ihren Job ganz an den Nagel .
Besonders gefragt werden Akademiker sein: Der Bedarf stei-
ge um rund 800.000 Universitäts- und 1,1 Millionen Fach-
hochschulabsolventen. Die besten Aussichten haben dem-
nach Absolventen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften,
Ingenieure, Erziehungswissenschaftler, Mathematiker, Juris-
ten, Maschinenbauer und Naturwissenschaftler. Gesucht
werden aber auch Meister, Techniker und Fachschulabsol-
venten. Hier steigt das Arbeitsplatzangebot um mehr als
eine halbe Million, so heißt es.
In der Industrie könnte die Rationalisierung und die Verlage-
rung ins Ausland aufgrund des verschärften Spardrucks
durch die Wirtschaftskrise weitergehen. Als zukunftsträchti-
ger gelten Tätigkeiten im Dienstleistungssektor.
Handwerk mitguten Noten
Drei Viertel der Deutschen sind einer Umfrage zufolge zu-
frieden mit ihrem Handwerker. Rund 73 Prozent der
Verbraucher hätten bislang keine Probleme mit Malern,
Klempnern oder Schreinern gehabt, teilte das Online-
Immobilienportal Immowelt in Nürnberg unter Berufung
auf eine repräsentative Untersuchung mit.
Bei gut einem Fünftel (18 Prozent) der Verbraucher habe es
bereits Unstimmigkeiten wegen einer fehlerhaften Ausfüh-
rung der Arbeit gegeben, bei knapp einem Zehntel (neun
Prozent) Probleme mit dem Termin für die Fertigstellung
der Arbeiten.
Fünf Prozent der Deutschen hatten mit ihrem Handwerker
der Umfrage zufolge schon Streit wegen der Rechnung. Vor
allem Besserverdiener hätten sich häufig über hohe Hand-
werker-Rechnungen beklagt.
INFORMATIONSeite 28
PKM JOURNAL
Hochqualifizierte –
wer zählt dazu?
Zu den Hochqualifizierten zählen in Deutschland nicht
nur Akademiker, sondern auch Absolventen von Fach-
schulen sowie Meister und Techniker. Juristen, Lehrer und
Industriemeister gehören aufgrund ihres tertiären Bil-
dungsabschlusses also in dieselbe Kategorie, zumindest
statistisch.
Dennoch lassen sich die beiden Gruppen genauer unter-
scheiden. In der Bundesrepublik verfügen rund 12 Pro-
zent der Bevölkerung über einen Hochschulabschluss:
Insgesamt haben 9,7 Millionen Menschen ein Universi-
täts- oder Fachhochschulstudium abgeschlossen, unge-
fähr 800.000 von ihnen qualifizierten sich mittels Promo-
tion sogar noch weiter. Fachschulabsolventen, Meister
und Techniker gibt es nicht ganz so häufig – rund
5,2 Millionen Menschen können mit diesen Kompeten-
zen aufwarten.
Und auch der Nachwuchs ist um eine hohe Qualifizie-
rung bemüht: Im Wintersemester 2008/2009 besuchten
in Deutschland rund zwei Millionen Männer und Frauen
eine Hochschule; in praxisbezogenen Bildungsgängen an
Fachschulen und anderen Einrichtungen büffeln und tüf-
teln derzeit rund 450.000 Menschen.

Vom Mitarbeiter
zum Mitdenker
Beim betrieblichen Ideenmanagement geht es für ein Unter-
nehmen schon vorrangig darum, Kosten zu sparen oder
Produktionsabläufe zu verbessern. Das Instrument ist aber
auch eine wichtige Motivationshilfe für die Belegschaft.
Mitarbeiter kennen ihr Arbeitsumfeld genau und wissen, wo
etwas nicht rundläuft. In vielen Unternehmen gibt es deshalb
ein Ideenmanagement, in das die Beschäftigten ihre Verbes-
serungsvorschläge einspeisen können. Im besten Fall winken
dann stattliche Prämien. Wenn aber Arbeitnehmer eine Idee
auf einem Formular bei der „Kommission für das Verbesse-
rungswesen“ einreichen und Monate auf eine Antwort war-
ten müssen, werden sie demotiviert – vor allem, wenn ihr
Vorschlag abgelehnt wird und die Begründung weder nach-
vollziehbar noch transparent ist.
Die meisten Beschäftigten sind aber laut einer aktuellen Stu-
die hoch motiviert und wollen ihren Aufgabenbereich ver-
antwortlich gestalten.
Ganz anders verhält es sich in Unternehmen, die Ideenwett-
bewerbe ausschreiben oder über ein gut durchdachtes
Ideenmanagement verfügen. Hier ist für die Mitarbeiter klar
ersichtlich, dass ihr Arbeitgeber vom Wissen seiner Beschäf-
tigten profitieren will, und sie fühlen sich mit ihren Verbesse-
rungsvorschlägen ernst genommen. Um die Vorteile dieses
Vorgehens wissen auch die unmittelbaren Vorgesetzten.
Ideenmanagement gilt als Motivationsfaktor für die Beleg-
schaft – auch, weil die realisierten Vorschläge die Arbeit
erleichtern.
Den Firmen kommt ein effizientes Ideenmanagement eben-
falls zu Gute. Schließlich haben sie häufig Probleme, deren
Lösung nur gemeinsam mit den Angestellten gelingen kann:
Beispielsweise können Lieferengpässe auftreten, weil die
Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen schlecht funktio-
niert, oder Ressourcen werden verschwendet, weil mehrere
Abteilungen dieselben Aufgaben lösen.
Dennoch gilt es in einigen Betrieben noch immer als Untu-
gend, sich in andere Zuständigkeitsbereiche einzumischen,
abteilungsübergreifend Vorschläge zu machen oder seinen
Mitarbeitern Freiräume für eigene Ideen zu geben. Die Kon-
sequenz: Viel kreatives Potenzial, das zur Stärkung der Wett-
bewerbsposition eines Unternehmens beitragen könnte,
bleibt ungenutzt.
Dabei haben beide Seiten etwas vom betrieblichen Vor-
schlagswesen – sowohl die Firma als auch die Mitarbeiter:
Durchschnittlich wurden Ideen im Jahr 2009 mit 170 Euro
vergütet (Tabelle). Im Einzelfall zahlt ein Unternehmen aber
auch deutliche höhere Beträge – beispielsweise, wenn ein
Arbeitnehmervorschlag zu Einsparungen von mehreren
100 Millionen Euro pro Jahr führt. Das war unlängst etwa
bei der Deutschen Bahn der Fall, bei der ein Mitarbeiter
eine Methode entwickelte, Schienen zu reparieren, ohne sie
dafür ausbauen zu müssen.
Im Durchschnitt zahlte sich jede umgesetzte Idee für das
jeweilige Unternehmen 2009 mit mehr als 5.000 Euro aus –
in Form von niedrigeren Kosten oder höheren Umsätzen. In
den Jahren zuvor hatte dieser berechenbare Nutzen sogar
über 6.000 Euro betragen.
Oft ist das Vorschlagswesen die profitabelste Abteilung. Für
jeden ins Ideenmanagement investierten Euro bekam ein
Unternehmen 9,60 Euro zurück – und zufriedenere Mitar-
beiter obendrein.
Seite 29INFORMATION
PKM JOURNAL

Der Stellenwert von Familienunternehmen begründet sich
aus ihrer Systemrelevanz für eine auf freiem Wettbewerb
beruhende Volkswirtschaft. Prägendes Merkmal von Famili-
enunternehmen ist die Einheit von Eigentum, Haftung, Risiko
und Leitung. Die unternehmerische Entscheidung und das
Vermögensrisiko der Anteilseigner liegen damit allein in der
Verantwortung der Unternehmerperson. Im qualitativen Sin-
ne bilden Familienunternehmen den wirtschaftlichen Mit-
telstand. Mit der Einheit von Eigentum und Leitung sind wei-
tere typische Wesensmerkmale von Familienunternehmen
verbunden, dennoch ist es dieses konstitutive Merkmal, das
den Mittelstand trotz aller Heterogenität zu einem Unterneh-
menstyp sui generis macht. In den amtlichen Datenquellen
findet die herausragende Bedeutung von Familienunterneh-
men keine Entsprechung. So existieren keine amtlichen Da-
tenquellen, in denen die Familienunternehmen abgebildet
werden. Ebenso wenig lassen sich aus amtlichen Datenba-
sen Aussagen über das Geschlecht der Personen, die das
Unternehmen leitet, gewinnen, obwohl genderspezifische
Fragestellungen wie Existenzgründungen durch, Nachfolge
in und Leitung von Familienunternehmen von Frauen eine
besondere Aufmerksamkeit in der Politik genießen.
Das IfM Bonn hat daher ein Schätzmodell entwickelt, das
amtliche und private Datenquellen zusammenführt, um die
bestehende Datenlücke zu schließen. Das Modell ermög-
licht, die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familien- und
Frauenunternehmen an Hand ihrer Teilhabe an der Anzahl,
dem Umsatz und den sozialversicherungspflichtig Beschäf-
tigten der Unternehmen insgesamt in Deutschland zu quan-
tifizieren.
Um ein Familienunternehmen handelt es sich nach der Beg-
riffsbestimmung des IfM Bonn, wenn maximal zwei natürli-
che Personen oder deren Familienmitglieder mindestens die
Hälfte der Anteile des Unternehmens halten und diese der
Geschäftsführung angehören. Ein „Frauenunternehmen“ ist
nach dem Verständnis des IfM Bonn ein mehrheitlich von
Frauen geleitetes Familienunternehmen, d.h. mindestens die
Hälfte der Anteile der geschäftsführenden Gesellschafter
muss auf Frauen entfallen. Nach den jüngsten, auf einer
verbesserten Schätzmethode und Datenbasis beruhenden
Berechnungen des IfM Bonn sind von den insgesamt rund
3,1 Millionen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen rund
2,95 Millionen den Familienunternehmen zuzurechnen. Dies
entspricht einem Anteil von 95,3 Prozent aller Unternehmen
in Deutschland und belegt die mittelständische Prägung der
deutschen Unternehmenslandschaft. Auf Familienunterneh-
men entfallen neuesten Schätzungen zufolge 41,1 Prozent
aller Umsätze und sie vereinen auf sich 61,2 Prozent aller
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese Proportio-
nen zeigen, dass Familienunternehmen auch in Hinsicht auf
die wirtschaftliche Leistung und die Beschäftigung von gro-
ßer Bedeutung sind, wenngleich sie im Durchschnitt deutlich
kleiner sind als Nicht-Familienunternehmen.
Familienunternehmen haben sich in jedem Wirtschaftsbe-
reich und in jeder Größenordnung behaupten können. Sie
sind in allen Wirtschaftsbereichen der vorherrschende Unter-
nehmenstyp, wobei sie am stärksten (96,8 Prozent) im Wirt-
schaftsbereich sonstige Dienstleistungen, relativ am seltens-
ten (93,0 Prozent) im Wirtschaftsbereich unternehmensnahe
Dienstleistungen vertreten sind. Die meisten Familienunter-
nehmen sind kleine und mittlere Unternehmen, gleichwohl
gibt es auch große Familienunternehmen, die mehr als 50
Millionen Euro Umsatz erwirtschaften.
Die weitere Untersuchung der Familienunternehmen da-
nach, ob diese von Frauen oder von Männern geleitet wer-
den, kommt zu dem Befund, dass Unternehmerinnen, die
ein Familienunternehmen führen, im Vergleich zur allgemei-
nen Erwerbsbeteiligung von Frauen deutlich unterrepräsen-
tiert sind. So werden nur 19,5 Prozent der Familienunter-
nehmen von Frauen geleitet. Diese Unternehmen vereinen
auf sich 12,8 Prozent der Umsätze und 16,1 Prozent der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aller Familienun-
ternehmen. Unter dem Strich sind damit Frauen in den
INFORMATIONSeite 30
PKM JOURNAL
Familien- und Frauenunternehmen –
die volkswirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands
Quelle: Statistisches Bundesamt; diverse Statistiken,
Schätzung des IfM Bonn
Anteile der Familien- bzw. Frauenunternehmen an Anzahl, Umsatzund sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland(Basisjahr 2006):

Chefetagen von Familienunternehmen nicht nur relativ sel-
ten, sondern wenn, dann auch viel häufiger in den kleineren
als in den größeren Unternehmenseinheiten vorzufinden.
Dies ist zum Teil, aber nicht nur, darauf zurückzuführen,
dass Frauen andere Branchenpräferenzen für ihre unterneh-
merische Betätigung haben als Männer. Die branchenspezi-
fischen Unterschiede in der Größenstruktur schlagen sich
damit in der Unternehmensgröße der von Frauen geleiteten
Familienunternehmen nieder. So sind von Frauen geleitete
Familienunternehmen schwerpunktmäßig im Bereich sonsti-
ge Dienstleistungen (26,4 Prozent) und im Handel
(23,4 Prozent) angesiedelt, die typischerweise stark kleinbe-
trieblich strukturiert sind, hingegen deutlich seltener in den
unternehmensnahen Dienstleistungen (15,9 Prozent) und im
Produzierenden Gewerbe (12,9 Prozent), in denen die Un-
ternehmen eine größere Durchschnittgröße haben. Nicht
zuletzt sind die Branchenunterschiede Ausfluss der ge-
schlechtsspezifischen Interessens-, Neigungs- und Ausbil-
dungspräferenzen, wie sie sich auch allgemein in den gen-
derspezifischen Unterschieden der Berufswahl äußern.
An der grundlegenden Struktur der Familienunternehmen
nach Geschlechtern hat sich seit dem Jahr 2000, für das
erstmals eine differenzierte Auszählung der Familienunter-
nehmen nach dem Geschlecht der Leitungsperson vom IfM
Bonn vorgelegt wurde, nichts Wesentliches geändert. Trotz
vielfältiger Werbung um sowie Promotion und Förderung
von Frauen als Unternehmerinnen sind innerhalb des Beo-
bachtungszeitraums von sechs Jahren noch keine strukturel-
len Veränderungen auszumachen.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass der Anteil der Familien-
unternehmen an der deutschen Volkswirtschaft – ob nun von
Frauen oder Männern geleitet – langfristig stabil ist. Die
deutschen Familienunternehmen haben sich auch unter den
Herausforderungen des weltwirtschaftlichen Strukturwandels
mit ihrer Organisationsform langfristig behaupten können –
einer Organisationsform, die auf einem Planungshorizont
basiert, der mehrere Generationen umfassen kann und da-
her Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit vereinen muss.
Damit dies auch in Zukunft so bleibt, sollten wirtschaftspoli-
tische Maßnahmen stets die Auswirkungen auf den Mit-
telstand im Blick behalten. Die Langfristorientierung von
Familienunternehmen verlangt nach verlässlichen Rahmen-
bedingungen.
Seite 31INFORMATION
PKM JOURNAL
Institut für Mittelstandsforschung BonnAutorin: Dr. Ljuba HaunschildProjektleiterinhttp://www.ifm-bonn.org/
Woran Fremdmanagerim Familienbetrieb scheitern
Die meisten Familienunternehmen zahlen ihren Fremdge-
schäftsführern inzwischen genauso hohe Gehälter wie Publi-
kumskonzerne. 60 Prozent der Familienunternehmen bieten
ihnen ebenso viel Geld und weitere 23 Prozent sogar mehr.
Nur 17 Prozent zahlen weniger. Laut einer aktuellen Unter-
suchung zahlten die meisten Familienunternehmen vor zehn
Jahren noch schlechter. Befragt wurden 207 Familienunter-
nehmen mit 390 Millionen Euro Umsatz im Durchschnitt
quer durch alle Branchen.
Mit 51 Prozent der Familienunternehmen werden etwa die
Hälfte gemeinsam von Clan-Mitgliedern und Fremdmana-
gern geführt; in 38 Prozent der Firmen regiert die Familie
und in elf Prozent ein Fremdgeschäftsführer. Die Faustregel:
Je größer das Unternehmen ist, umso eher wird es von
Fremdmanagern gesteuert.
Auch Fremdmanager können aber scheitern: In 37 Prozent
der Fälle sind es fachliche Defizite, die ihnen die Eigentü-
merfamilie vorwirft. Häufiger noch sind es die Konflikte zwi-
schen Familie und Fremdmanager (43 Prozent) oder zwi-
schen den Familienmitgliedern und dem Fremdmanager (elf
Prozent), die Probleme machen. Viele Eigner beanstanden,
dass die Fremdgeschäftsführer zu wenig Verständnis für die
Familie, die Gesellschafter und die Besonderheiten des Fa-
milienunternehmens haben.
In neun Prozent der Fälle gibt es Probleme, weil der Fremd-
manager sich anders verhält, als es die Familie von ihm
erwartet. Dann gehen die Eigentümer davon aus, dass der
Fremdmanager ihre Mentalität kennt. Der hingegen läuft ins
offene Messer, weil manches nie thematisiert wurde, was
der Familie wichtig ist.
Als Beispiel für ein solches Verhalten gilt etwa, wenn es den
Fremdmanager allzu oft in die Presse drängt, die Familie
aber besonderen Wert auf Verschwiegenheit legt. Oder
wenn er nur in Luxushotels absteigt und den Chauffeur stun-
denlang warten lässt – obwohl die Familie selbst auf einen
bescheidenen Auftritt achtet.

Geringes Wirtschaftswissen
Die Deutschen haben in Finanz- und Wirtschaftsthemen große Wissens-
lücken – zumindest schätzen sie sich selbst so ein. Die große Mehrheit der
Bundesbürger würde sich bei dem gedachten Schulfach „Geld und Wirt-
schaft“ eher schlechte Noten geben. Die Hälfte der Befragten sagt, dass ihr
Wirtschaftswissen „bestenfalls befriedigend“ sei. 30 Prozent gaben sich die
Noten „ausreichend“ oder „mangelhaft“. Nur 16 Prozent schätzen ihr Wis-
sen „gut“ oder „sehr gut“ ein.
In der Tendenz, so die Angaben der Meinungsforscher, geben sich Frauen
und Ostdeutsche schlechtere Noten. In der Regel besser bewerten sich Men-
schen mit Abitur oder Hochschulabschluss. Auch das Einkommen spielt eine
Rolle: Wer mehr als 2.000 Euro netto verdient, schätzt sein Wissen über
Geld und Wirtschaft in der Regel besser ein, wie eine repräsentative Umfrage
Anfang Juli unter 1.000 Befragten ergab.
Wirtschaftliche Themen werden in den nächsten Jahren immer mehr an Be-
deutung gewinnen. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Bürger hier besser
auskennen. Die Chancen dafür stehen jedoch eher schlecht: Anfang 2009
hatte eine Studie ergeben, dass jeder Vierte mit Grundbegriffen wie Rezessi-
on oder Inflation nichts anfangen kann.
Post-it-Haftzettel -
klebriger Erfolg seit 30
Jahren
Eine klebende Erfin-
dung wird 30: Im
April 1980 brachte
ein US-Unter-nehmen
unter dem Namen
„Post-it“ seine kleinen bunten Klebezet-
telchen auf den Markt. Die unschein-
baren, aber nützlichen Haftnotizen er-
oberten die Welt und kleben heute in
mehr als 150 Ländern in Büros, an
Computern, Kühlschranktüren und
Wohngemeinschaftstelefonen. Seit der
Markteinführung zählen die kleinen
Zettel in den USA Jahr für Jahr zu den
fünf am meisten verkauften Büroarti-
keln. Das Magazin „Forbes“ reihte die
Post-it-Notizen unter die wichtigsten
Erfindungen des 20. Jahrhunderts ein.
Ihre geistigen Väter Arthur Fry und
Spencer Silver wurden im März mit der
Aufnahme in die Nationale Ruhmeshal-
le der US-Erfinder geehrt.
1980 waren die Zettelchen nur in Gelb
in einer Größe von 7,6 Zentimetern im
Quadrat zu haben. Heute gibt es sie in
62 Farben und 25 Formen. Neueste
Variante des Herstellers 3M: Öko-Post-
its mit pflanzlichem Klebstoff und Re-
cyclingpapier.
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Herausgeber: Dr. Michael Fuchs MdB,
Vorsitzender des PKM
Redaktion: Dr. Stephanie Bauer
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