Nachruf für Prof. Dr.-Ing. Manfred Kany

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302 geotechnik 12 (2011), Heft 4 Persönliches Nachruf für Prof. Dr.-Ing. Manfred Kany Prof. Dr.-Ing. Manfred Kany, Ehren- mitglied der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT), ist am 27. Sep- tember 2011 im Alter von 89 Jahren ver- storben. Nach sechsjährigem Kriegsdienst während des Zweiten Weltkriegs studier- te Manfred Kany Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Darmstadt (heute Technische Universität) und ar- beitete dort anschließend als Assistent am Lehrstuhl für Wasser- und Grund- bau. Kany interessierte sich bereits als junger Wissenschaftler für die Berech- nung von Flächengründungen, das Thema, mit dem er sich während seines ganzen späteren Berufslebens intensiv auseinander gesetzt hat. 1955 wurde Manfred Kany von Prof. W. Detig mit einer Dissertation unter dem Titel: „Bei- trag zur Berechnung von Gründungs- körpern auf nachgiebiger Unterlage“ promoviert. Als Ergebnis seiner über fünf Jahr- zehnte unermüdlich fortgesetzten For- schungsarbeiten schrieb Kany zahlrei- che Beiträge zu nationalen und interna- tionalen Tagungen, zu Fachbüchern wie dem Grundbautaschenbuch sowie Ein- zelveröffentlichungen. Die von Kany verfassten Bücher „Flächengründungen und Fundamentsetzungen, Teil 1 (1959) und Teil 2 (1964)“ im Beuth-Vertrieb und im Verlag W. Ernst & Sohn Berlin, zweite erweiterte Auflage 1974, geben eindrucksvolles Zeugnis seiner praxis- nahen Arbeit. Hieraus ist auch sein Pro- gramm ELPLA zur Berechnung von elastischen Gründungsplatten und KPP- Gründungen entstanden, das der Fach- welt sehr früh eine Möglichkeit bot, der komplexen Interaktion bei Kombinier- ten Pfahl-Plattengründungen näher zu kommen. Vor nicht allzu langer Zeit er- schien eine Monographie von Kany und El Gendy mit dem Titel: „Sicherheitsun- tersuchungen bei Flächengründungen“, ein wichtiger Beitrag zu den Grundlagen der neuen deutschen Geotechnik-Nor- mengeneration auf der Basis des Partial- sicherheitskonzepts. Dr.-Ing. Kany nahm 1955 seine Tätig- keit in der Landesgewerbeanstalt Bayern in Nürnberg (LGA) auf, damals einer der namhaftesten deutschen, öffentlich- rechtlichen, technischen Prüfinstitutio- nen. Als anfänglich einziger Geotechni- ker in der LGA gründete er das LGA- Grundbauinstitut, das unter seiner Lei- tung schnell wuchs, und in dem zur Zeit seiner Pensionierung im Jahr 1987 etwa 100 Mitarbeiter auf allen Teilgebieten der Geotechnik tätig waren. Im LGA- Grundbauinstitut wurde unter Kanys Leitung den experimentellen Arbeiten im bodenmechanischen und im fels- mechanischen Labor, in der geotechni- schen Versuchshalle sowie in Verbin- dung mit einer hoch entwickelten Mess- technik den geotechnischen Feldversu- chen große Aufmerksamkeit gewidmet. Die Anwendung der EDV einschließlich der Entwicklung spezieller geotechni- scher Software spielte für Kany bei allen Arbeiten des LGA-Grundbauinstituts eine entscheidende Rolle. Er gehörte zu den ersten, die sich in Deutschland mit elektronischen Berechnungen befassten, und zwar auf dem Rechner „Zuse 4“. Kany setzte elektronische Rechengeräte bereits in den frühen 1950er Jahren für systematische Setzungs- und Verfor- mungsberechnungen ein. Die EDV hat Kany sein gesamtes Berufsleben bis kurz vor seinen Tod begleitet. Er kann des- halb in Zusammenarbeit mit Prof. Zuse – dem Erfinder des Computers – als der Begründer der Numerik in der Geotech- nik bezeichnet werden. Das Arbeitsspektrum des LGA- Grundbauinstituts umfasste unter Kanys Leitung Baugrunduntersuchungen, geo- technische Prüfungen, Berechnungen und Beratungen für Bauvorhaben aller Art von einfachen Hochbauten über In- dustrieanlagen, Kernkraftwerke, Tunnel, Wasserschifffahrtstraßen, Talsperren, Abfalldeponien bis zu umweltgeotechni- schen und ingenieurgeologischen Pro- jekten. Auf allen Einsatzgebieten liefen unter Prof. Kanys Leitung neben der Be- arbeitung der baupraktischen Aufgaben für reale Bauvorhaben stets auch For- schungsarbeiten zur Klärung grundsätz- licher geotechnischer Fragen. Viele For- schungsvorhaben des LGA-Grundbau- instituts dienten jungen Mitarbeitern als Basis für Doktorarbeiten. Im Bereich der Baugrunduntersu- chung hat Kany als Begründer und Lei- ter des AK 2b (DGEG) und später NA- Bau 05.11.00 „Baugrund, Bohrmethoden und Entnahmegeräte“ zur Norm DIN 4021 bereits 1971 den Grundstein für die Ausbildung der Bohrgeräteführer nach DIN 4021 gelegt. Diese Ausbildung und Qualifizierung, die seit 1983 besteht, qualifiziert in der Fortsetzung mit der Fachkraft nach DIN EN ISO 22475 bis heute bundesweit, in Zusammenarbeit mit Ausbildungszentren, Bohrgerätefüh- rer. Die Ausbildung, die Kany geschaffen hat, ist heute im europäischen und im ISO Bereich Vorbild für die Qualifika- tionen von geotechnischem Fachperso- nal im Bereich der geotechnischen Feld- untersuchungsnormen. Für seine heraus- ragenden Verdienste im Bereich der Normung wurde Prof. Kany deshalb die Ehrennadel des DIN verliehen. Dr.-Ing. Kany bot Gastwissenschaft- lern aus zahlreichen Ländern der Drit- ten Welt, Gelegenheit, im LGA-Grund- bauinstitut in der Forschung und in der Praxis ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Geotechnik zu vertiefen. Ab 1977 hielt er als Honorarprofessor an der Uni- versität Erlangen-Nürnberg Vorlesungen im Fach Geotechnik. Neben seinen viel- seitigen Verpflichtungen als Mitglied des LGA-Direktoriums, als Leiter des LGA-Grundbauinstituts und als Lehrbe- auftragter führte Prof. Kany zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen durch, in denen er sein umfangreiches Fachwissen an jüngere Kollegen weitergab. Auch nach seiner Pensionierung veranstaltete Prof. Kany bis ins hohe Alter Fachsemi- nare zu geotechnischen Spezialfragen. Einen besonderen Dienst erwies Prof. Kany der deutschen Wirtschaft auf dem Gebiet des Sachverständigenwe- sens, indem er die Bildung eines für die gesamte Bundesrepublik tätigen Sach- verständigen-Fachausschusses für „Bo- denmechanik, Erd- und Grundbau“ (derzeitiger Titel: „Erdbau, Grundbau, Felsbau“) anregte. Der Ausschuss wurde bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken eingerichtet und führte unter Prof. Kanys Leitung (1979 bis 1998) die Über- prüfung der erforderlichen besonderen Sachkunde der auf dem Gebiet der Geotechnik öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen durch. Seit 1952 war Kany Mitglied des 1949 gegründeten Arbeitsausschusses 1 „Berechnungsverfahren“ des DIN NA Bau/Baugrund und der Deutschen Ge- sellschaft für Erd- und Grundbau (heute DGGT). Die im Arbeitsausschuss „Be- rechnungsverfahren“ bearbeiteten Nor- men DIN 4018 Sohldruckverteilung (Flächengründungen) und besonders Persönliches

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Persönliches

Nachruf für Prof. Dr.-Ing. Manfred Kany

Prof. Dr.-Ing. Manfred Kany, Ehren-mitglied der Deutschen Gesellschaft fürGeotechnik e.V. (DGGT), ist am 27. Sep-tember 2011 im Alter von 89 Jahren ver-storben.

Nach sechsjährigem Kriegsdienstwährend des Zweiten Weltkriegs studier-te Manfred Kany Bauingenieurwesen ander Technischen Hochschule Darmstadt(heute Technische Universität) und ar-beitete dort anschließend als Assistentam Lehrstuhl für Wasser- und Grund-bau. Kany interessierte sich bereits alsjunger Wissenschaftler für die Berech-nung von Flächengründungen, dasThema, mit dem er sich während seinesganzen späteren Berufslebens intensivauseinander gesetzt hat. 1955 wurdeManfred Kany von Prof. W. Detig miteiner Dissertation unter dem Titel: „Bei-trag zur Berechnung von Gründungs-körpern auf nachgiebiger Unterlage“promoviert.

Als Ergebnis seiner über fünf Jahr-zehnte unermüdlich fortgesetzten For-schungsarbeiten schrieb Kany zahlrei-che Beiträge zu nationalen und interna-tionalen Tagungen, zu Fachbüchern wiedem Grundbautaschenbuch sowie Ein-zelveröffentlichungen. Die von Kanyverfassten Bücher „Flächengründungenund Fundamentsetzungen, Teil 1 (1959)und Teil 2 (1964)“ im Beuth-Vertriebund im Verlag W. Ernst & Sohn Berlin,zweite erweiterte Auflage 1974, gebeneindrucksvolles Zeugnis seiner praxis-nahen Arbeit. Hieraus ist auch sein Pro-gramm ELPLA zur Berechnung von

elastischen Gründungsplatten und KPP-Gründungen entstanden, das der Fach-welt sehr früh eine Möglichkeit bot, derkomplexen Interaktion bei Kombinier-ten Pfahl-Plattengründungen näher zukommen. Vor nicht allzu langer Zeit er-schien eine Monographie von Kany undEl Gendy mit dem Titel: „Sicherheitsun-tersuchungen bei Flächengründungen“,ein wichtiger Beitrag zu den Grundlagender neuen deutschen Geotechnik-Nor-mengeneration auf der Basis des Partial-sicherheitskonzepts.

Dr.-Ing. Kany nahm 1955 seine Tätig-keit in der Landesgewerbeanstalt Bayernin Nürnberg (LGA) auf, damals einerder namhaftesten deutschen, öffentlich-rechtlichen, technischen Prüfinstitutio-nen. Als anfänglich einziger Geotechni-ker in der LGA gründete er das LGA-Grundbauinstitut, das unter seiner Lei-tung schnell wuchs, und in dem zur Zeitseiner Pensionierung im Jahr 1987 etwa100 Mitarbeiter auf allen Teilgebietender Geotechnik tätig waren. Im LGA-Grundbauinstitut wurde unter KanysLeitung den experimentellen Arbeitenim bodenmechanischen und im fels-mechanischen Labor, in der geotechni-schen Versuchshalle sowie in Verbin-dung mit einer hoch entwickelten Mess-technik den geotechnischen Feldversu-chen große Aufmerksamkeit gewidmet.Die Anwendung der EDV einschließlichder Entwicklung spezieller geotechni-scher Software spielte für Kany bei allenArbeiten des LGA-Grundbauinstitutseine entscheidende Rolle. Er gehörte zuden ersten, die sich in Deutschland mitelektronischen Berechnungen befassten,und zwar auf dem Rechner „Zuse 4“.Kany setzte elektronische Rechengerätebereits in den frühen 1950er Jahren fürsystematische Setzungs- und Verfor-mungsberechnungen ein. Die EDV hatKany sein gesamtes Berufsleben bis kurzvor seinen Tod begleitet. Er kann des-halb in Zusammenarbeit mit Prof. Zuse– dem Erfinder des Computers – als derBegründer der Numerik in der Geotech-nik bezeichnet werden.

Das Arbeitsspektrum des LGA-Grundbauinstituts umfasste unter KanysLeitung Baugrunduntersuchungen, geo-technische Prüfungen, Berechnungenund Beratungen für Bauvorhaben allerArt von einfachen Hochbauten über In-dustrieanlagen, Kernkraftwerke, Tunnel,Wasserschifffahrtstraßen, Talsperren,Abfalldeponien bis zu umweltgeotechni-schen und ingenieurgeologischen Pro-jekten. Auf allen Einsatzgebieten liefenunter Prof. Kanys Leitung neben der Be-arbeitung der baupraktischen Aufgabenfür reale Bauvorhaben stets auch For-schungsarbeiten zur Klärung grundsätz-licher geotechnischer Fragen. Viele For-schungsvorhaben des LGA-Grundbau-

instituts dienten jungen Mitarbeitern alsBasis für Doktorarbeiten.

Im Bereich der Baugrunduntersu-chung hat Kany als Begründer und Lei-ter des AK 2b (DGEG) und später NA-Bau 05.11.00 „Baugrund, Bohrmethodenund Entnahmegeräte“ zur Norm DIN4021 bereits 1971 den Grundstein für dieAusbildung der Bohrgeräteführer nachDIN 4021 gelegt. Diese Ausbildung undQualifizierung, die seit 1983 besteht,qualifiziert in der Fortsetzung mit derFachkraft nach DIN EN ISO 22475 bisheute bundesweit, in Zusammenarbeitmit Ausbildungszentren, Bohrgerätefüh-rer. Die Ausbildung, die Kany geschaffenhat, ist heute im europäischen und imISO Bereich Vorbild für die Qualifika-tionen von geotechnischem Fachperso-nal im Bereich der geotechnischen Feld-untersuchungsnormen. Für seine heraus-ragenden Verdienste im Bereich derNormung wurde Prof. Kany deshalb dieEhrennadel des DIN verliehen.

Dr.-Ing. Kany bot Gastwissenschaft-lern aus zahlreichen Ländern der Drit-ten Welt, Gelegenheit, im LGA-Grund-bauinstitut in der Forschung und in derPraxis ihre Kenntnisse auf dem Gebietder Geotechnik zu vertiefen. Ab 1977hielt er als Honorarprofessor an der Uni-versität Erlangen-Nürnberg Vorlesungenim Fach Geotechnik. Neben seinen viel-seitigen Verpflichtungen als Mitglieddes LGA-Direktoriums, als Leiter desLGA-Grundbauinstituts und als Lehrbe-auftragter führte Prof. Kany zahlreicheFortbildungsveranstaltungen durch, indenen er sein umfangreiches Fachwissenan jüngere Kollegen weitergab. Auchnach seiner Pensionierung veranstalteteProf. Kany bis ins hohe Alter Fachsemi-nare zu geotechnischen Spezialfragen.

Einen besonderen Dienst erwiesProf. Kany der deutschen Wirtschaft aufdem Gebiet des Sachverständigenwe-sens, indem er die Bildung eines für diegesamte Bundesrepublik tätigen Sach-verständigen-Fachausschusses für „Bo-denmechanik, Erd- und Grundbau“(derzeitiger Titel: „Erdbau, Grundbau,Felsbau“) anregte. Der Ausschuss wurdebei der IHK Nürnberg für Mittelfrankeneingerichtet und führte unter Prof.Kanys Leitung (1979 bis 1998) die Über-prüfung der erforderlichen besonderenSachkunde der auf dem Gebiet derGeotechnik öffentlich bestellten undvereidigten Sachverständigen durch.

Seit 1952 war Kany Mitglied des 1949gegründeten Arbeitsausschusses 1„Berechnungsverfahren“ des DIN NABau/Baugrund und der Deutschen Ge-sellschaft für Erd- und Grundbau (heuteDGGT). Die im Arbeitsausschuss „Be-rechnungsverfahren“ bearbeiteten Nor-men DIN 4018 Sohldruckverteilung(Flächengründungen) und besonders

Persönliches

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Persönliches

DIN 4019 (Setzungsberechnungen) tra-gen bis heute seine Handschrift. Mit derHerausgabe des unter seiner maßgeb-lichen Mitwirkung entstandenen DIN–Fachbericht 130, Wechselwirkung Bau-grund/Bauwerk bei Flachgründungen,rundete sich sein geotechnisches Le-benswerk.

Aktiv hat Kany den Arbeitsausschuss„Berechnungsverfahren“ über 50 Jahrebis Mai 2002 begleitet. Danach hat ernoch bis 2007 mit Freude an den jährli-chen privaten Treffen der Altmitgliederdieses Ausschusses teilgenommen, wasihm seitdem wegen des Schwindens sei-ner Hör- und der damit verbundenenKommunikationsfähigkeit nicht mehrmöglich war.

Das Leben von Prof. Dr.-Ing. Man-fred Kany war von unermüdlicher, dis-ziplinierter, erfolgreicher Arbeit für dieGeotechnik geprägt. Seine Beiträge zuden geotechnischen Normen, zu denvon der DGGT herausgegebenen techni-schen Empfehlungen und zu den Veran-staltungen der DGGT sind von nachhal-tigem Wert für die Fachwelt. Alle Kolle-gen, die Gelegenheit hatten, mit Prof.Kany zusammenzuarbeiten und von ihmzu lernen, blicken mit Dankbarkeit undAnerkennung auf die Lebensleistungdieses begnadeten Ingenieurs.

Ulrich SielerArmin Horn

Richard A. Herrmann