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Nanos überall Nanotechnologie im Alltag

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Socken, die nie stinken, Lebensmittel, die den Körper mit Vita-minen überschütten, Hosen, von denen selbst Rotwein einfachabperlt, Obst, das auch nach Wochen in der Frischhaltebox wiegerade gepflückt aussieht, Kinderspielzeug mit Lack, der Bakterientötet und unzerbrechliche Tennisschläger – das alles und noch

viel mehr bringt uns die schöne neue Nanowelt. Weil die Nano-technologie in so vielen verschiedenen Bereichen zum Einsatzkommen kann, wird sie auch als Plattformtechnologie bezeichnet.

In welchen Alltagsprodukten Nanomaterialien bereits stecken,ist für Verbraucherinnen und Verbraucher aber meist nicht zuerkennen. Eine Kennzeichnungspflicht gibt es nur bei Lebens-mitteln, Kosmetika und Bioziden, aber auch diese ist lückenhaft.In der BUND Nano-Produktdatenbank sind für den deutschenMarkt (Stand November 2015) bereits 1.085 Nanoprodukte auf-geführt, die vom Hersteller als solche kenntlich gemacht wurden.Die Dunkelziffer ist wesentlich höher, da viele Hersteller nichtangeben, ob Nanomaterialien in den Produkten enthalten sind.

Ist alles cool, was nano heißt?© Fotolia.co

m/Werner Fellner

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Kleine Größe – neue Eigenschaften

Substanzen, künstlich auf Nanogröße verkleinert, haben völligandere Eigenschaften als dieselben Stoffe in größerer Form. IhreEigenschaften verändern sich, weil Nanopartikel im Vergleich zugrößeren Teilchen bei gleicher Masse eine enorm vergrößerteOberfläche aufweisen. Sie können eine andere Farbe, andere Löslichkeit oder andere elektrische Eigenschaften besitzen. EineBesonderheit stellen die mikroskopisch kleinen Kohlenstoff-Na-noröhrchen (CNT) aus wabenartig angeordneten Kohlenstoff-atomen sowie die sogenannten Fullerene, fußballförmige Mole-küle aus Kohlenstoffatomen, dar. Diese besonderen KohlenstoffFormen gibt es nur in Nanogröße. Viele Nanomaterialien reagierenstärker mit anderen chemischen und biologischen Materialienund können daher auch giftiger sein.

Bis heute gibt es keine einheitliche Definition von Nanoma-terialien. Als Nanomaterialien werden meist Stoffe bezeich-net, deren Größe in mindestens einer Dimension (Höhe,Breite oder Länge) 100 Nanometer (nm) oder wenigerbeträgt. Allerdings ist die Größe der Materialien nichtdas einzige Kriterium zur Festlegung, ob ein Materialals Nanomaterial angesehen wird.

Alle bisherigen Definitionen schließen Materialien aus, die eben-falls nanospezifische Eigenschaften aufweisen und damit neueRisiken für Mensch und Umwelt besitzen können. Es sollten auchNanostrukturierte Materialien berücksichtigt werden, die in einemGrößenbereich von 100–500 nm liegen, unlöslich sind und nureine geringe Menge an einzelnen Partikeln in Nanogröße ent-halten.

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In der Lebensmittelindustrie und in der Landwirtschaft verspre-chen die besonderen Eigenschaften von Nanomaterialien vieleneue Möglichkeiten. Sie können als stärkere Farbstoffe, Riesel-hilfe, Geschmacks- und Konservierungsstoffe oder als Nahrungs-ergänzungsmittel, antibakterielle Zusätze von Lebensmittelver-

packungen und als Pestizide und Dünger eingesetzt werden. VieleLebensmittel wie Instant-Suppen, Salz oder Kaffeeweißer ent-halten Nano-Siliziumdioxid als Rieselhilfe, damit sie nicht ver-klumpen. Nano-Titandioxid Beschichtungen sollen Schokoriegellänger haltbar machen. Nano-Kapseln reichern Getränke mit Vi-taminen an. Verpackungen sind mit Nano-Titandioxid oder Nano-Silber beschichtet, um die Lebensmittel vor UV-Strahlung oderBakterien zu schützen.

Schätzungen gehen davon aus, dass einige hundert Nanoprodukteim Lebensmittelbereich auf dem Markt sind. In der BUND Nano-Produktdatenbank sind 34 Produkte aus dem Lebensmittelbereich(Stand November 2015) aufgeführt.

Dies ist aber nur die Spitze des Eisberges. Wie viele es wirklichsind, ist völlig unklar. Zwar gibt es in der Europäischen Unionseit Dezember 2014 eine Kennzeichnungspflicht für Nanomate-rialien in Lebensmitteln. Für Lebensmittel-Verpackungen oderPestizide gibt es jedoch noch keine entsprechende Kennzeich-nungsverpflichtung, aus diesen könnten jedoch möglicherweiseNanomaterialien in Lebensmittel gelangen.

In Zukunft wird wahrscheinlich viel mehr Nanomaterialien inLebensmitteln, Lebensmittel-Verpackungen und in der Landwirt-schaft geben. Über 200 internationale Lebensmittel-Konzerneinvestieren in Nanotechnologie und sind dabei, Produkte mitNanomaterialien auf den Markt zu bringen.

Beispiel Lebensmittelbereich

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/Adha Ghazali

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Beispiel Kosmetika

Schon heute beinhalten viele Sonnenschutzcremes Nanomate-rialien aus Titandioxid oder Zinkoxid. Die winzigen Teilchen fungieren als physikalischer Sonnenschutz – sie reflektieren wieMilliarden kleinster Spiegel das Sonnenlicht. Auch größere Teil-chen von Titandioxid und Zinkoxid haben diese Wirkung, aller-dings lassen sich mit Nanopartikeln transparente Sonnenschutz-cremes mit besonders hohen Lichtschutzfaktoren herstellen.

Des Weiteren bietet die Kosmetikindustrie dekorativen KosmetikaProdukte wie z.B. Kajal, Lidschatten und Nagellacke an, in denenKohlenstoff in Nanogröße als schwarzes Farbpigment verwendetwird.

Siliziumdioxid wird als Füllstoff oder Rieselhilfe in Zahncremes,Make-up, Puder oder Haarstyling-Produkte eingesetzt. Ein erst2014 für den Einsatz in Kosmetika zugelassener neue Inhaltstoffin Nanogröße ist der synthetische UV-Filter ETH50. Er wird vorallem in Sonnenschutzmitteln sowie in diversen Hautpflegepro-dukten mit UV-Schutz wie Tagescremes eingesetzt. Im Handelsind finden sich auch Körper- und Gesichtscremes mit Nanoma-terialien, die einer Faltenbildung entgegenwirken sollen. Bei ei-nigen dieser Produkte werben Hersteller mit dem Einsatz vonFullerenen – nanogroßen Kohlenstoffkugeln.

In der BUND Nano-Produktdatenbank sind 151 Kosmetik- undKörperpflegeprodukte mit Nanomaterialien aufgeführt (StandNovember 2015), die in Geschäften oder über deutsche Inter-netseiten gekauft werden können. Es sind sicher zahlreiche wei-tere auf dem Markt. Zu erkennen sind sie seit Juli 2013 an demZusatz „nano“ auf der Liste der Inhaltsstoffe. Da ein Teil der Na-nomaterialien jedoch nicht gekennzeichnet werden muss, istnicht jedem Produkt anzusehen, ob es Nanomaterialien enthält.

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Nanomaterialien entstehen zum einen bei hohen Temperaturenin der Natur, so zum Beispiel bei Waldbränden oder vulkanischenAktivitäten. Zum anderen sind sie Nebenprodukte bestimmterindustrieller Prozesse wie Verbrennung, Schweißen oder Homo-genisierung. Obwohl Menschen Nanopartikeln schon immer aus-gesetzt waren, hielt sich die Belastung bis zur industriellen Re-volution in Grenzen. Neuerdings stellt die Industrie gezieltsynthetische Nanomaterialien her, um deren besondere Eigen-

Woher kommen die Nanomaterialien?

schaften zu nutzen. Durch den Kontakt mit ihnen sind Menschund Umwelt einer bislang ungekannten Belastung ausgesetzt.Was passiert, wenn Nanomaterialien bei Herstellung, Gebrauchoder Entsorgung in die Umwelt gelangen oder vom menschlichenKörper aufgenommen werden? Darüber weiß man derzeit nochnicht genügend. Es wird jedoch immer deutlicher, dass einigeNanomaterialien erhebliche Gesundheits- und Umweltschädenverursachen können.

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Nanomaterialien verhalten sich anders als größere Teilchen dergleichen Substanz. Das macht sie für die Entwicklung neuer Pro-dukte so interessant. Aber genau diese neuen Eigenschaften kön-nen auch zu neuen Risiken führen. Dabei ist die Wahrschein-lichkeit eines Risikos für Mensch und Umwelt am größten, wennein direkter Kontakt mit Nanopartikeln stattfindet, wie beiLebens mitteln, Kosmetika und Reinigungsmitteln oder in derLandwirtschaft. Bei Produkten mit gebundenen Nanomaterialien(wie zum Beispiel Autolacken, elektronischen Bauteilen oderMessinstrumenten) ist ein Risiko hingegen geringer.

Nanopartikel können aufgrund ihrer extrem geringen Größe sehrviel besser in den Körper und in Organe eindringen als größerePartikel. Welche Mengen synthetischer Nanomaterialien aus Pro-dukten des täglichen Lebens vom menschlichen Körper aufge-nommen werden, ist allerdings weitgehend unbekannt. Wedergibt es genaue Informationen darüber, welche Nanomaterialieneingesetzt werden noch in welchem Umfang diese bereits aufdem Markt sind.

Nanomaterialien können vom Körper aufgenommen werden, bei-spielsweise wenn sie direkt in Lebensmitteln verarbeitet sindoder über Verpackungen in Lebensmittel abgeben würden. Zudemkönnen Nanomaterialien eingeatmet werden, beispielsweise beider Anwendung von Reinigungssprays. Auch über die Haut, beimAuftragen von Sonnencremes auf vorgeschädigte Haut, gelangendiese in den Körper. Ob auch durch gesunde Haut Partikel in denKörper eindringen können, wird derzeit für die meisten derzeiteingesetzten Nanomaterialien als unwahrscheinlich betrachtet.

Einmal im Körper, können sie in die Blutbahn gelangen und sichim Körper verteilen. Einige Nanopartikel vermögen sogar wichtigeSchutzbarrieren wie die Blut-Hirn- und die Plazenta-Schrankezu überwinden und könnten so möglicherweise bereits ungebo-renes Leben schädigen.

Kleine Teilchen, kleine Risiken?

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stehung von Krebs beitragen. Nano-Zinkoxid schädigte bei Füt-terungsversuchen Leber, Milz und Bauspeicheldrüse bei Mäusen.Der Stoff wirkt auch schädigend auf Algen und Wasserflöhe.

Nano-Silber ist derzeit neben Nano-Titandioxid weltweit dasam häufigsten eingesetzte Nanomaterial und findet sich bei-spielsweise in Küchenutensilien und Textilien als antibakterielleSubstanz. Die gesundheitlichen Risiken für VerbraucherInnensind nicht abzuschätzen. Das Bundesinstitut für Risikobewertungrät deshalb, auf Produkte mit Nano-Silber zu verzichten. Zudemkann es durch Abwässer in Kläranlagen gelangen und wurdebisher häufig von dort mit dem Klärschlamm auf Äcker ausge-bracht. Auf Gewässerökosysteme wirkt Nanosilber hochgiftigund auch für Bodenorganismen kann es eine erhebliche Gefahrdarstellen. Ein weiteres Problem ist das Risiko einer zunehmendenResistenz auch krankheitserregender Bakterien auf Silber.

Nano-Siliziumdioxid wird häufig beispielsweise als Rieselhilfein Lebensmitteln oder auch in Kosmetika eingesetzt. Der Stoffgalt bisher als weitgehend unbedenklich. Allerdings basieren diebisherigen Bewertungen der Gesundheitsrisiken auf Studien ausden Jahren bis 1981. Neuere Studien zeigen, dass auch Nano-Siliziumdioxid ein Risikopotential hat. So wurde in Zellkulturengezeigt, dass der Stoff Funktionen des Zellkerns und damit desErbgutes stören kann. Zudem ist nicht geklärt, ob Nano-Silizi-umdioxid durch die Haut eindringen kann.

Nano-Titandioxid ist derzeit neben Nano-Silber weltweit dasam häufigsten eingesetzte Nanomaterial unter anderem zu findenin Sonnencremes, Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen.Nano-Titandioxid verursachte in Zellkulturen Schäden am Erbgutmenschlicher Zellen und könnte somit zur Entstehung von Krebsbeitragen. Nano-Titandioxid wirkt vor allem bei Einwirkung vonUV-Licht schädigend auf Algen und Wasserflöhe. Auch auf Bo-denorganismen kann Nano-Titandioxid einen Einfluss haben unddort das Wachstum von Mikroben wie Bakterien, Viren und Pilzenreduzieren.

Nano-Zinkoxid ist häufig in Sonnencremes, aber auch inLebens mittelverpackungen zu finden. Bereits sehr niedrige Men-gen von Nano-Zinkoxidpartikeln verursachen in ZellversuchenSchäden am Erbgut menschlicher Zellen. Dies könnte zur Ent-

Häufig eingesetzte Nanomaterialien

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/Brian A. Ja

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Nano-Kapseln werden beispielsweise in Lebensmitteln, Kos-metika, Medikamenten oder Pestiziden eingesetzt. Bisher ist un-klar, wie sich die immer breitere Anwendung auf die Gesundheitauswirken wird. Es besteht die Gefahr der Überdosierung vonStoffen, wie z. B. Vitamine, die in geringen Dosen als gesund-heitsfördernd gelten. In überhöhten Dosen können diese gesund-heitsschädlich sein.

Kohlenstoff (synthetischer Ruß / Carbon Black) wird als Farb-pigment schwarzer Tattoo-Tinte zugefügt. Der Stoff gilt bei derAnwendung auf gesunder Haut als unbedenklich. Allerdings istdie Aufnahme über die Haut bisher nur wenig erforscht. Wirdder Stoff eingeatmet, kann er möglicherweise Krebs auslösen.

Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) werden unter anderem inBaumaterialien oder Sportgeräten eingesetzt. Einige von ihnenstehen im Verdacht, ähnlich wie Asbest im Körper Entzündungenauszulösen, die zu Tumoren führen können. Da sie langlebig undnicht-wasserlöslich sind, reichern sie sich möglicherweise in derUmwelt an.

Fullerene, zu finden in Anti-Aging-Cremes, sind bisher nur un-zureichend erforscht. Sie werden sehr leicht vom Körper aufge-nommen und können auch durch gesunde Haut eindringen.Schon geringe Mengen sind giftig für menschliche Leberzellen.Sie können möglicherweise das Erbgut beeinflussen. Sie schä-digten in Versuchen das Gehirn von Fischen und wirkten tödlichauf Wasserflöhe.

EHT50 wird als neuartiger UV-Filter in Sonnenschutzcremeseingesetzt. Derzeit wird er als sicher für den Einsatz in Kosmetikabeurteilt. Allerdings sind die Testmethoden, mit denen der Stoffgeprüft wurde, bisher nicht für die Bewertung Nanomaterialienangepasst.

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/elena agibalova

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Kleine Teilchen – große Fragen!

In einem sind sich die meisten ExpertInnen aus Wissenschaft,Politik, Umwelt- und Verbraucherverbänden und sogar aus derWirtschaft einig: Viele Fragen über die Risiken von Nanomateria-lien sind noch ungeklärt. So fehlen Daten über die Belastung vonArbeiterInnen, VerbraucherInnen und Umwelt mit Nanomateria-lien, es herrscht Unklarheit über die Giftigkeit der bereits einge-setzten Stoffe und es gibt bislang keine standardisierten Mess-methoden, um Nanomaterialien überhaupt nachweisen zu können.

Die Verteilung der finanziellen Mittel bei der Erforschung derNanotechnologie weist auf ein mangelndes Risikobewusstseinhin: Nahezu alle Forschungsgelder fließen in die Entwicklungneuer Produkte. Die Analyse der Risiken hinkt weit hinterher,Deutschland und die USA investieren nur rund 6 Prozent der öf-fentlichen Forschungsmittel im Bereich Nanotechnologie in dieErforschung der Risiken.

Die Nanotechnologie steht erst am Anfang ihrer Entwicklung.WissenschaftlerInnen arbeiten bereits an komplexeren Anwen-dungen. So sind bereits erste aktive Nanostrukturen auf demMarkt, die in der Lage sind, auf bestimmte Reize hin mit ihrerUmgebung zu interagieren. „Aktiv“ bedeutet, dass diese Nano-materialien beispielsweise in Wechselwirkung mit Inhaltsstoffenvon Lebensmitteln treten und diese beeinflussen können. AktiveLebensmittelverpackungen gibt es bereits. Sie nehmen Stoffeauf oder setzen sie frei, um so die Qualität verpackter Lebens-mittel zu verbessern oder ihre Haltbarkeit zu verlängern.

In einem nächsten Schritt könnten mit der so genannten „syn-thetische Biologie“ künstliche Organismen geschaffen werden,mit dem Zieldiese industriell zu nutzen. Die Methoden ähnelndenen der Gentechnik, die bereits im großen Maße in der Medizinund in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Aber bei der „synthe-tischen Biologie“ werden nicht nur Gene, die in der Natur bereitsvorhanden sind, in andere Organismen eingebaut, es würdenauch komplett neue Gene am Computer geschrieben.

Die Synthetische Biologie könnte sowohl für die Medizin alsauch für die Landwirtschaft, die Chemie oder die Energieerzeu-gung genutzt werden. Beispielsweise bereits Blaualgen so mani-puliert, dass diese Biodiesel erzeugen.

Aber auch der Mensch selbst könnte durch die „synthetische Bio-logie“ „verbessert“ werden, so die Visionen von Wissenschaftlern.Die Vorstellungen dieses „Human Enhancement“ reichen von derErweiterung der sensorischen Fähigkeiten wie der Verbesserungder Sehschärfe zum „Adlerauge“ bis hin zur Verlangsamung desAlterns, in dem „Nanoroboter“ den Abbau von Zellen verhindern.

Neben den Fragen nach den Risiken für die menschliche Ge-sundheit und die Umwelt werfen solche Entwicklungen tiefgrei-fende soziale und ethische Fragen auf: Wem nützen diese Ent-wicklungen? Was macht den Menschen aus und wie ändert sichunser Menschenbild, wenn die „menschliche Optimierung“ voranschreiten sollte?

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Große Erwartungen an kleine Partikel

Die Nanotechnologie gilt als eine Schlüsseltechnologie des 21.Jahrhunderts. Viele Unternehmen und Regierungen sehen in derNanotechnologie den Schlüssel für zukünftige wirtschaftlicheErfolge und investieren enorme Summen in deren Förderung. Inden letzten Jahren flossen jährlich 220 Millionen Euro von derBundesregierung in die Erforschung von Nanotechnologien. InDeutschland erwirtschafteten 2013 rund 750 NanotechnologieUnternehmen 15 Milliarden Euro. MarktanalystInnen rechnenfür die nächsten Jahre mit einer massiv steigenden Entwicklungauf dem Nanotechnologie Markt. Mit den Nanomaterialien istnicht nur die Hoffnung auf wirtschaftliche Erfolge verbunden.Sie sollen auch helfen, den Klimawandel zu verlangsamen sowieHunger und Krankheiten zu besiegen. Inwieweit sie tatsächlich

zur Lösung dieser Probleme beitragen können und welche Risikenmit ihrem Einsatz verbunden sind, kann noch nicht beantwortetwerden. Einige Produkte deuten auf einen hohen gesellschaftli-chen Nutzen hin: verbesserte Energiespeichertechniken, effizien-tere Solarzellen, leichtere Materialien, mit denen Ressourceneingespart werden könnten, sowie Filtersysteme zur Wasserauf-bereitung oder wirksamere Medikamente. Auf der anderen Seitestehen viele Produkte mit zweifelhaftem Nutzen, die vor allemGewinne für Unternehmen versprechen. Dies betrifft viele derheutigen Anwendungen in Lebensmitteln, Kosmetika, Textilienoder Küchenutensilien. Mögliche Risiken wälzt die Industrie dabeiauf VerbraucherInnen und Umwelt ab.

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Was macht die Politik?

Innerhalb der Europäischen Union existieren erste nanospezifischeRegelungen. So müssen Nanomaterialien für Kosmetika und Bio-zide in einem eigenen Verfahren zugelassen werden. Die Bewer-tung von Lebensmittelzusatzstoffen bezieht ebenfalls die Nano-größe mit ein. Lebensmittelzusatzstoffe in Nanogröße, die schonlange auf dem Markt sind, wie Siliziumdioxid, werden neu aufRisiken überprüft.

In drei Produktbereichen können sich VerbraucherInnen nun ent-scheiden, ob sie Produkte mit oder ohne Nanomaterialien kaufenmöchten: Lebensmittel, Kosmetika und beispielsweise Farben mitBioziden müssen mit dem Zusatz „nano“ gekennzeichnet werden,wenn sie Nanomaterialien enthalten. Dies ist ein Schritt in dierichtige Richtung. Allerdings gilt die Kennzeichnungspflicht nichtfür alle eingesetzten Nanomaterialien, da die Definition, was alsNanomaterialien angesehen wird, sehr eng gefasst ist.

Weiterhin bestehen viele Regelungslücken beim Einsatz von Nanomaterialien. Um die Risiken von Nanomaterialien im Sinnedes Umwelt- und Verbraucherschutzes zu berücksichtigen, mussder Begriff „Nanomaterial“ weiter gefasst werden, als dies inbisherigen Gesetzen der Fall ist. Es müssen auch größere Nanos-trukturen die sich aus einzelnen Partikeln zusammensetzen (z. B.Agglomerate oder Aggregate) einbezogen werden, die ebenfallsein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen können. Zudemmuss das europäische Chemikaliengesetz REACH (REACH = Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien) an-gepasst werden, um die Besonderheiten von Nanomaterialienadäquat zu berücksichtigen. REACH enthält bisher keine aus -drücklichen Anforderungen für Nanomaterialien. Völlig ungeklärtist außerdem wie zukünftig aktive Nanostrukturen gesetzlichreguliert werden könnten.

REACH steht für

Registrierung,

Bewertung,

Zulassung und

Beschränkung

chemischer Stoffe

Quelle: Public Garden

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Was fordert der BUND?

• Kein Einsatz in verbrauchernahen und umweltoffenenProduktenDer BUND fordert im ersten Schritt ein Verbot für den Einsatzsynthetischer Nanomaterialien in umweltoffenen und verbrau-chernahen Anwendungen, bei denen Menschen den Nanoma-terialien direkt ausgesetzt werden. Zu diesen zählen Lebens-mittel und deren Zusatzstoffe, Lebensmittelverpackungen sowieNahrungsergänzungsmittel, Küchenutensilien einschließlichKühlschränken, Kinderprodukte wie Spielsachen sowie Pestizideund Dünger, Kosmetika, Textilien, Farben und Lacke für dieprivate Anwendung, Waschmaschinen, Reinigungs- und Im-prägniersprays.

• Das Verbot muss solange bestehen, bis:Daten zur Risikobewertung vorliegen, die die Sicherheit derverwendeten Nanomaterialien vor gesundheits- und umwelt-schädlichen Wirkungen belegen und eine ausreichende Vor-sorge ermöglichen, wirksame nanospezifische Regelungen inKraft sind, die mögliche Risiken für VerbraucherInnen, Arbeit-nehmerInnen und Umwelt bei der Herstellung, Anwendungund Entsorgung hinreichend sicher ausschließen, sowie um-fassende Wahlfreiheit für VerbraucherInnen zwischen Produk-ten mit und ohne Nanomaterialien gewährleistet ist.

• Anpassung von GesetzenDie bestehenden Gesetze und Regulierungen müssen so über-arbeitet werden, dass sie auch Nanostrukturierte Materialienoberhalb von 100 Nannometern (z. B: Aggregate oder Agglo-merate) berücksichtigt werden. Aktuell erlaubt die noch nicht

eindeutig für alle Regulierungen festgelegte Definition, dass einige Nanomaterialien nicht berücksichtigt werden müssen.Die besonderen Eigenschaften von Nanomaterialien müssenin allen europäischen Gesetzen berücksichtigt werden. Diesbetrifft vor allem das europäische Chemikaliengesetz REACH.Dabei müssen Materialien, die bereits in größerer Form zuge-lassen sind, in Nanoform als neue Stoffe eingestuft werdenund eine gesonderte Risikobewertung durchlaufen.

• VerbraucherInnen müssen wählen könnenDie VerbraucherInnen haben ein Recht zu wissen, was in denProdukten steckt, die sie kaufen. Vor allem bei Lebensmitteln,Kosmetika, Textilien und Reinigungsmitteln muss es eine um-fassende Kennzeichnungspflicht geben. Die bereits bestehendenKennzeichnungspflichten sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Auf den Verpackungen muss klar erkennbar sein, ob ein ProduktNanomaterialien enthält. Dies allein reicht jedoch nicht aus:Viele VerbraucherInnen können mit dem Begriff „Nanotech-nologie“ nicht viel anfangen. Daher müssen die Hersteller zu-sätzliche Informationen zu den eingesetzten Materialien be-reitstellen. Diese müssen mindestens umfassen: Art desNanomaterials und seine Größe sowie Möglichkeiten, sich überdie Eigenschaften Risiken der Stoffe zu informieren. Damitsich die VerbraucherInnen einen Überblick über die Nanopro-dukte auf dem Markt verschaffen können, bedarf es eines öf-fentlichen Registers, in dem alle Nanoprodukte aufgeführtwerden.

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Was können Sie tun?

Zeigen Sie Ihre WählermachtFordern Sie die Abgeordneten aus Ihrem Wahlkreis auf, sich füreine verpflichtende Sicherheitsprüfung aller Nanomaterialien,eine umfassende Kennzeichnungspflicht für kritische Produkt-gruppen und ein Nano-Produktregister einzusetzen.

Demonstrieren Sie Ihre MarktmachtTeilen Sie Herstellern und Einzelhändlern mit, dass Sie keine Na-noprodukte kaufen wollen, deren Sicherheit nicht ausreichendgeprüft worden ist.

Nutzen Sie Ihre KonsumentenmachtHinterfragen sie bei Produkten, die mit „nano“ gekennzeichneteInhaltstoffe enthalten, deren Notwendigkeit dieser Bestandteile.Fragen Sie gegebenenfalls nach Alternativen Produkten.

Weitere Informationen beispielsweise über Risiken erhalten Sie aufder BUND Themenseite „Nanotechnologie“: www.bund.net/nano

Der BUND informiertNanomaterialien werden auch in zahlrei-chen anderen Alltagsprodukten einge-setzt. Einen Überblick über mehr als 1 100 Nano-Produkte auf dem deutschenMarkt gibt das BUND-Produktregister. Online unter www.nanowatch.de

Mehr Wissen Auf der BUND-Homepage finden Sie die BUND Nano-Produkt-datenbank. Hier können Sie nachschlagen, welche Produkte be-reits Nanomaterialien enthalten: www.bund.net/nanodatenbankoder www.nanowatch.de

Mehr als 1100 Produkte sind bisher in der Datenbank zu finden.Sie wird regelmäßig aktualisiert. Vollständig ist sie dennoch nicht – sie gibt eine Auswahl von Artikeln aus verschiedenenProduktgruppen und liefert so einen Eindruck über die Breite derAnwendungen.

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Unsere internationalen Partner vonFriends of the Earth Europe, USA undAustralien bieten weitere Informationenauf Englisch: www.foeeurope.org,www.foe.org, www.foe.org.au

Broschüre „Nanosilber – Der Glanz täuscht“Broschüre „Nanomedizin“ Broschüre »Löst Nanotechnologie unsereUmweltprobleme?«

Broschüre „Nanotechnologie - wo sie eingesetztwird und was das mit deinem Leben zu tun hat“

Faltblatt „Nanomaterialien in Lebensmitteln“

Faltblatt „Nanobiozideals Hauhaltsgifte“

Faltblatt „Nanomaterialien in Kosmetika“

Erhältlich in der: www.bund.net/publikationsdatenbank

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Impressum Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. · Friends of the Earth GermanyAm Köllnischen Park 1 · 10179 Berlin · Fon (0 30) 27 586-0 · Fax -40 · E-Mail: [email protected] · Konzept und Text: Katja Vaupel, Dr. Rolf Busch mann · V.i.S.d.P.: Yvonne WeberGestaltung: Natur & Um welt GmbH · Titelbild: shiningchris/photocase.de · Druck: Z. B.! KunstdruckBerlin, 1/2016

Der BUND ist ein Angebot: An alle, die unsere Natur schützen und den kommendenGenerationen natürliche Lebensgrundlagen erhalten zu wollen.

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Das diesem Bericht zu Grunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln desBundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-heit unter dem Förderkennzeichen Z6-90381-6/110 gefördert. Die Ver-antwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei denAutor/-innen.

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