natur / reise Tropische -...

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16 17 natur / reise B esorgt schaut Jules auf mein rech- tes Bein. «Sieht nicht gut aus. Hast du dir die Stiche auf Praslin ge- holt?» Wieso weiss er das? «Auf La Digue gibt’s keine Sandflöhe, da drüben schon.» Jules schaut in Richtung Praslin, der zweitgrössten Seychellen-Insel. «Streich Auf der Seychellen-Insel La Digue werden Sand- floh-Stiche mit Zitrone be- handelt, Velos nicht abgeschlossen und Fünf- sternehotels bekämpft. Text und Fotos: Sonja Hüsler Universum Mauritius – Indischer Ozean DO | 10. Juli | 17.45 | 3sat MEHR ÜBER TRAUMINSELN AM TV dir ja nichts mehr von diesem rosa Zeug drauf, hier lösen wir das Problem effi- zienter und vor allem natürlicher.» Jules meint Caladryl-Lotion. Die Tink- tur gibt’s auf Praslin in jedem Dorfladen. Genützt hat sie bisher allerdings nicht. Es vergehen keine zwei Minuten, schon steht Jules mit einer Zitrone neben mir, kratzt die juckenden Blasen mit der Scha- le auf und träufelt Zitronensaft in die Wunde. Der Betrieb in seinem winzigen Strandcafé an der lauschigen Anse Bana- ne kommt derweil zum Erliegen. Die restlichen Gäste scheint das nicht zu stö- ren. Sie haben sich längst dem beschauli- chen Trott von La Digue hingegeben. Auf der 5 km langen und 3 km brei- ten, üppig grünen Insel prägten bis vor ein paar Jahren noch Ochsenkarren den Alltag. Heute gibt es gerade mal 50 Fahrzeuge, denn Fortbewegungsmittel Nummer eins ist das Velo. Einheimische und Touristen pedalen gemütlich über die Insel, auf der man jede Stelle in weniger als einer Stunde er- reicht und wo der Weg entweder an einem Strand oder im grünen Nirgendwo endet. Abgeschlossen werden die klapprigen Draht- esel nie – auf La Digue wird nicht geklaut. David, der Sohn der Besitzer der Chalets «Fleur de Lys», die nur einen Kilometer vom Hafen ent- fernt sind, sitzt auf der Veranda der Réception. Er schmunzelt, als er die Sandflohstichgeschichte hört. Selbstverständlich kennt er Jules. «Wir sind hier wie eine kleine Familie. Und vieles gehen wir auf La Digue etwas anders an als sonst wo auf den Seychellen.» Das fängt damit an, dass REISE- FIEBER? www.travel. tele.ch Tropische Träume Jules und seine Schildkröte: Wer ist der grös- sere Playboy? Autsch!!! Die Stiche jucken ganz schön fies. Bilderbuchbucht im Indischen Ozean: Anse Source L’Argent. FOTOS: REINHARD SCHMID/SCHAPOWALOW, SONJA HÜSLER (3)

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natur / reise

Besorgt schaut Jules auf mein rech-tes Bein. «Sieht nicht gut aus. Hast du dir die Stiche auf Praslin ge-

holt?» Wieso weiss er das? «Auf La Digue gibt’s keine Sandflöhe, da drüben schon.» Jules schaut in Richtung Praslin, der zweitgrössten Seychellen-Insel. «Streich

Auf der Seychellen-Insel La Digue werden Sand-

floh-Stiche mit Zitrone be-handelt, Velos nicht

abgeschlossen und Fünf-sternehotels bekämpft.

Text und Fotos: Sonja Hüsler

Universum Mauritius – Indischer OzeanDO | 10. Juli | 17.45 | 3sat

MEHR ÜBER TRAUMINSELN AM TVdir ja nichts mehr von diesem rosa Zeug drauf, hier lösen wir das Problem effi-zienter und vor allem natürlicher.»

Jules meint Caladryl-Lotion. Die Tink-tur gibt’s auf Praslin in jedem Dorfladen. Genützt hat sie bisher allerdings nicht.

Es vergehen keine zwei Minuten, schon steht Jules mit einer Zitrone neben mir, kratzt die juckenden Blasen mit der Scha-le auf und träufelt Zitronensaft in die Wunde. Der Betrieb in seinem winzigen

Strandcafé an der lauschigen Anse Bana-ne kommt derweil zum Erliegen. Die restlichen Gäste scheint das nicht zu stö-ren. Sie haben sich längst dem beschauli-chen Trott von La Digue hingegeben.

Auf der 5 km langen und 3 km brei-ten, üppig grünen Insel prägten bis vor ein paar Jahren noch Ochsenkarren den Alltag. Heute gibt es gerade mal 50 Fahrzeuge, denn Fortbewegungsmittel Nummer eins ist das Velo. Einheimische und Touristen pedalen gemütlich über

die Insel, auf der man jede Stelle in weniger als einer Stunde er-reicht und wo der Weg entweder an einem Strand oder im grünen Nirgendwo endet. Abgeschlossen werden die klapprigen Draht-esel nie – auf La Digue wird nicht geklaut.

David, der Sohn der Besitzer der Chalets «Fleur de Lys», die

nur einen Kilometer vom Hafen ent-fernt sind, sitzt auf der Veranda der Réception. Er schmunzelt, als er die Sandflohstichgeschichte hört.

Selbstverständlich kennt er Jules.

«Wir sind hier wie eine kleine Familie. Und vieles gehen wir auf La Digue etwas anders an als sonst wo auf den Seychellen.» Das fängt damit an, dass

REISE-

FIEBER?

www.travel.

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die Insel, auf der man jede Stelle in weniger als einer Stunde er-reicht und wo der Weg entweder an einem Strand oder im grünen Nirgendwo endet. Abgeschlossenwerden die klapprigen Draht-esel nie – auf La Digue wird nicht geklaut.

David, der Sohn der Besitzer der Chalets «Fleur de Lys», die

nur einen Kilometer vom Hafen ent-fernt sind, sitzt auf der Veranda der Réception. Er schmunzelt, als er die Sandflohstichgeschichte hört.

Selbstverständlich kennt er Jules.

«Wir sind hier kleine Familie. Und vieles gehen wir auf La Digue etwas anders an als sonst wo auf den Seychellen.» Das fängt damit an, dass

Jules und seine Schildkröte:

Wer ist der grös-sere Playboy?

Autsch!!! Die Stiche jucken ganz

schön fi es.

Bilderbuchbucht im Indischen Ozean: Anse Source L’Argent.

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die meisten Unterkünfte auf der Insel Einheimischen gehören, einfache Selbst-versorger-Bungalows bzw. preiswerte, familiäre Gasthäuser. Viersternehotels lassen sich an einer Hand abzählen. Ein Fünfsterne-Haus? Gibt es nicht.

Ein riesiges Luxushotel-Projekt am weltberühmten Strand Anse Source d’Argent (siehe gr. Bild vorne) konnte der Liverpool-Fan mit Kollegen erfolgreich verhindern. «Die Idylle und die Ur-sprünglichkeit unserer Insel sind unser Kapital. Wenn das zerstört wird, ist La Digue verloren – und wir ebenso.»

Im puderzuckerfeinen Sand der Anse Source d’Argent darf sich darum nach wie vor jeder unter Kokospalmen verlus-tieren und die bizarren, wie von Zauber-hand gemeisselten Granitblöcke bewun-dern. Die Anse Source d’Argent ist das Synonym eines Traumstrandes und wohl der berühmteste und meistfotografierte Küstenstreifen der 115 Seychellen-Inseln.

Dort räkelte sich seinerzeit schon die holländische Schauspielerin Sylvia Kris-tel (1952–2012), als der legen däre Erotik-streifen «Emanuelle» gedreht wurde. In-zwischen haben auch Hochzeitspaare die Traumkulisse für sich entdeckt – und natürlich Modefotografen.

«Fahr mit dem Velo zur Grand Anse», schlägt David vor, «von da läufst du wei-ter zur Anse Cocos.» Die schweisstrei-benden 30 Minuten über Stock und Stein seien es mehr als wert, wenn man den Touristen-Hotspots entkommen möchte.

David kennt jede noch so verborgene Ecke der Insel. Anse Cocos ist aber gar

nicht so unbekannt, steht sie doch in je-dem Reiseführer. Trotzdem laufen nur wenige bis dorthin: Die ungestüm toben-den, mannshohen Wellen in den zwei davorliegenden Buchten schrecken die meisten Touristen ab. Missmutig trotten sie von dannen und radeln zurück an die Westküste zur Anse Sévère, wo meist badefreundlicheres Meer lockt.

Dabei würde sich die Mühe lohnen: Hat man sich erst mal durch einen Vorhang aus Mangroven, Kokospalmen, Takama-ka-, Brotfrucht- und indischen Mandel-bäumen geschlagen, steht man ganz zuhinterst an der Anse Cocos vor einer Traumbucht, oft menschenleer.

Der Indische Ozean zeigt sich hier nicht so klischeehaft türkis wie am Tou-ristenmagnet Anse Source d’Argent. Zu wild, zu wuchtig bricht die Brandung

sich am nahen Riff. Das Resultat ist ein verwaschenes Grün, das in ein dunkles Nachtblau übergeht und dem Strand einen eigentümlichen Charme verleiht.

In einem kleinen, natürlichen Pool lässt es sich gefahrlos planschen und die Salamander beobachten, die sich auf den heissen Granitblöcken sonnen. Stunden-lang. Das Wasser ist angenehm warm, was sehr praktisch ist: Salzwasser soll den Wundheilungsprozess fördern – in Kombination mit dem Zitronensaft.

Tatsächlich: Der Tipp hat gewirkt. Schon nach einem Tag hat sich die lädierte Haut spürbar erholt, was Jules froh stimmt. Denn sein Lebensmotto lautet: «Nur wenn ein Mann eine Frau glücklich machen kann, ist er es selber auch.»

Mit oder ohne Zitrone ist in diesem Moment völlig egal! n

Anreise Mit dem Propeller-Flugi (ca. € 100) von der Hauptinsel Mahé nach Praslin und von dort mit der Fähre (ca. € 14) in 15 Minuten nach La Digue. Wer nicht fl iegen mag, nimmt die ein-stündige, manchmal ziemlich raue Fäh-renfahrt von Mahé nach Praslin in Kauf.

Chez Jules Café Das kleine Strandresti befi ndet sich an der Anse Banane auf der Ostseite der Insel. Drei einfache Holztische stehen direkt an der kaum frequentierten Uferstrasse. Während man köstliche Fisch- und Oktopuscurrys verspeist (ab Fr. 12.–), trippeln einem Hühner über die Füsse, und ab und zu zeigt sich Jules’ Schildkröte «Playboy». Lassen Sie sich nicht von der Unordnung abschrecken: Sie widerspiegelt die typische seychellisch-paradiesische Gelassenheit, Tel. +248-4234287.

Anse Source d'Argent Obwohl jeder Strand auf den Seychellen für jeder-mann frei zugänglich ist, muss man 100 SR (ca. Fr. 6.90) bezahlen, um an die Anse Source d’Argent zu kommen, da der Weg über L’Union Estate führt. Das Gelände wurde seiner Kolonialge-bäude wegen zum Nationalerbe erklärt.

Anse Cocos Um an diesen Strand an der wilderen Ostseite zu gelangen, ist gutes Schuhwerk empfehlenswert. Turnschu-he reichen. Auf La Digue braucht man sowieso nur zwei Paar Schuhe: Flipfl ops und Sneakers. Schattenplätze sind an der Anse Cocos rar, es gibt auch keine Beach-Bar, darum unbedingt genügend Trinkwasser mitnehmen.

Reiseführer «Seychellen» aus dem DuMont-Verlag (2013, Fr. 42.90). Man spürt, dass sich der erfahrene Reise-

führer-Autor Wolfgang Därr in die Sey-chellen verliebt hat. Die persönlich ge-färbten Tipps machen es einfach, seine Ferien auf den Trauminseln zu planen.

Spezialist Manta Reisen ist spezialisiert auf Tauchreisen und Ferien im Indischen Ozean. Nebst Luxushotels hat Manta ein Netz an einfachen und persönlich ge-führten Gasthäusern und Self-Cate ring-Bungalows aufgebaut. Wichtig: Unbe-dingt frühzeitig reservieren, da die Un-terkünfte meistens nur über wenige Zimmer verfügen! Die grossen und rus-tikalen (in einem gepfl egten Garten ge-legenen) Chalets «Fleur de Lys» kann man bei Manta ab Fr. 2154.– pro Person buchen: eine Woche inklusive Flug ab/bis Schweiz, Inlandfl ug, Flughafentaxen, Transfers, aber ohne Mahlzeiten. manta.ch, 044 277 47 00

WISSENSWERTES

Sicht über die In-sel vom Aussichts-

punkt Belle Vue.

Ob Touristen oder Einheimische:

Auf La Digue fah-ren alle Velo.

Natürlicher Pool an der Anse Cocos:

Rechts und links tobt die Brandung.

Die Chalets «Fleur de Lys» stehen in einem herrlichen

tropischen Garten.

La Digue

Victòria

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