Netzwerktag Digitalisierung - uni-due.de · 2020. 1. 29. · Entdeckendes Lernen im...

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Netzwerktag Digitalisierung 25. November 2019 Digital forschen Digitales erforschen Lehre digital gestalten Fragestellungen 1.Welche räumlichen Machtverhältnisse im Kontext von Stadt und ihrer digitalen, geomedialen Kommunikation werden von Kindern konstruiert? 2.Welche (intersektionalen) Machtverhältnisse (re-) produzieren Kinder in ihrer sozialräumlichen Aushandlung? 3. Welche Hinweise auf Prozesse der Entfremdung oder Aneignung zeigen sich in diesen geomedialen Konstruktionen und (Re-) Produktionen? Welche Konstruktionen entwickeln Kinder zu Machtverhältnissen im Stadtraum und inwiefern können digitale (Geo- )Medien einen Beitrag bei der Kommunikation dieser Konstruktionen leisten? Ausgehend von einer Bildung zu Spatial Citizenship untersucht das Projekt intersektionale und digital kommunizierte Konstruktionen von Ungleichheit und Raum und damit einhergehende Entfremdungs- & Aneignungsprozesse von Kindern. Quellenangaben Bachmann G. (2009) Teilnehmende Beobachtung. In: Kühl S., Strodtholz P., Taffertshofer A. (eds) Handbuch Methoden der Organisationsforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Budke, A. & D. Kanwischer (2007): Spurensuche als Unterrichtseinstieg. Entdeckendes Lernen im Geographieunterrucht. In: Praxis Geographie 37, 17-19. Crenshaw Kimberlé 1989: “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Policy”. In: University of Chicago Legal Forum, Jg. 1, Heft 8, S. 139-167. Daum, E. (2010): Heimatmachen durch subjektives Kartographieren. IN: Grundschulunterricht Sachunterricht 2, 17-21. Gryl, I. (2016): Reflexive Kartenarbeit : eine Einleitung und Gebrauchsanregung zu diesem Band. In: Gryl, I. (Hrsg.): Reflexive Kartenarbeit, 5 24. Gryl, I. & Jekel, T. (2012): Re-centering geoinformation in secondary education: Toward a spatial citizenship approach. In: Cartographica (The International Journal for Geographic Information and Geovisualization, University of Toronto Press) Jg. 47, Heft 1, S. 18-28. Jaeggi, R. (2016). Entfremdung: Zur Aktualität eines sozialphilosophischen Problems. Berlin. Kuckartz, U. (2018): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Wiesbaden. Skelton, T. (2009): Children, young people, UNICEF and Participation. In: Aitken, Stuart u.a. (Hrsg.): Global Childhoods: Globalization, development and young people. London/New York, S. 165-181. Wem gehört die Stadt? Reflexionen von Kindern zu Macht und Raum Jana Pokraka Jana Pokraka Institut für Sachunterricht/Institut für Geographie Betreuung: Inga Gryl [email protected] 0201 183 6951 Erhebungskontext & Datenauswertung Die oben genannten Fragestellungen wurden im Kontext eines viertätigen Ferienworkshops für Schüler*innen in Essen untersucht (n=7, Alter 6-10 J.). Dabei lag der Fokus des Workshops auf Gruppendiskussionen, unter anderem im Kontext der reflexiven Kartenarbeit (Gryl 2016) und zwei tabletgestützen Mapping-Exkursionen in Form einer Spurensuche (Budke & Kanwischer 2007) (s. Abb. 1). Die Datenauswertung erfolgte dabei auf Basis der Audiotranskription der Gruppendiskussionen, Feldnotizen aus der teilnehmenden Beobachtung (Bachmann 2009) und subjektiven Karten (Daum 2011), die anhand der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018) ausgewertet wurden. Bildung zu Spatial Citizenship Das Ziel von Spatial Citizenship (Gryl & Jekel 2012) ist die geomedial gestützte mündige Raumaneignung aller Bürger*innen, die befähigt werden sollen, an gesellschaftlichen Partizipationsprozessen teilzuhaben. Hierbei spielt der gegenwärtige Bedeutungsgewinn des Web 2.0 eine entscheidende Rolle, bei dem nicht nur der Konsum bzw. die Nutzung, sondern auch die eigene Produktion von Inhalten, also die mediale Vermittlung der eigenen Position, im Vordergrund steht. Im schulischen Kontext sollen insbesondere Kinder und Jugendliche im Rahmen einer Bildung zu Spatial Citizenship einen Umgang mit digitalen Geomedien erfahren, der dazu führt, räumliche Prozesse aktiv mitgestalten zu können. Entfremdung und Aneignung Rahel Jaeggi (2006) widerspricht einem objektivistischen Entfremdungsbegriff und wendet sich hin zu einer Analyse derjenigen gesellschaftlichen Strukturen, die den „Bedingungen unseres Wollens und Könnens widersprechen“ (ebd. 8). Selbstentfremdung äußere sich somit einerseits in einer Eigendynamik (ebd. 85), die Verhältnisse eher als gegeben, denn als gemacht anzusehen bzw. einem mangelndem Bewusstsein über die eigenen Handlungsspielräume und andererseits in der daraus resultierenden Erstarrung (ebd.). Daraus ergeben sich für den Begriff der Aneignung unterschiedliche relationale Dimensionen der Betrachtung, wie Relationalität, Fluidität, oder Identifikation. Intersektionalität Neben der sozialen Konstruktion von Kindheit (Skelton 2009) und der daraus resultierenden generationalen Differenz zwischen den Kategorien Kind und Erwachsene*r werden (Un-) Gleichheiten im Kontext von Kindheit auf Basis weiterer Differenzkategorien, wie bspw. des Geschlechts, produziert, weshalb eine intersektionale Betrachtung der (Re-) Produktion von Ungleichheit fruchtbar erscheint. So lassen sich vielfältige und komplexe Wirkmechanismen unterschiedlicher Differenzkategorien und spezifische Exklusionsformen (Crenshaw 1989) im Kontext der Auseinandersetzung von Kindern mit dem Thema Recht auf Stadt, aber auch ihrer sozialräumlichen Interaktion, analysieren. In der Datenauswertung wurden unterschiedliche Dimensionen im Spannungsfeld von Entfremdung und Aneignung im Kontext der Konstruktionen von Stadtraum und des Sozialraums der Aushandlung der Kinder entwickelt, die in der folgenden Übersicht dargestellt sind: Abb. 2: Übersichtsmatrix der Analyseergebnisse (eigene Darstellung). Gruppendis- kussion „Wem gehört die Stadt“? Spurensuche 1 Subjektives Kartographie- ren & Reflexive Kartenarbeit Spurensuche 2 Neuentwurf des untersuchten Gebietes Abb. 1: Ablauf des Workshops (eigene Darstellung). Ergebnisse Sozialraum Stadtraum Aneignung Entfremdung Institutioneller, ökonomischer und kartographischer Determinismus; Bürgerlicher Liberalismus Fremdheitskonstruktionen Arbeitsteilung Konstruktion von Kindheit Relationales Kartenverständnis Fremdheitskonstruktionen Arbeitsteilung Abb. 3-5: Mapping mit der App #stadtsache; Abb. 6: Neuentwurf des Exkursionsgebiets. 10.17185/duepublico/71260 Lizenziert unter CC BY-SA 4.0 | https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

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Netzwerktag Digitalisierung25. November 2019

Digital forschen

Digitales erforschen

Lehre digital gestalten

Fragestellungen

1.Welche räumlichen Machtverhältnisse im Kontext von Stadt und ihrer digitalen,

geomedialen Kommunikation werden von Kindern konstruiert?

2.Welche (intersektionalen) Machtverhältnisse (re-) produzieren Kinder in ihrer

sozialräumlichen Aushandlung?

3. Welche Hinweise auf Prozesse der Entfremdung oder Aneignung zeigen sich in

diesen geomedialen Konstruktionen und (Re-) Produktionen?

Welche Konstruktionen entwickeln Kinder zu Machtverhältnissen im Stadtraum und inwiefern können digitale (Geo- )Medien einen

Beitrag bei der Kommunikation dieser Konstruktionen leisten? Ausgehend von einer Bildung zu Spatial Citizenship untersucht das

Projekt intersektionale und digital kommunizierte Konstruktionen von Ungleichheit und Raum und damit einhergehende

Entfremdungs- & Aneignungsprozesse von Kindern.

Quellenangaben

Bachmann G. (2009) Teilnehmende Beobachtung. In: Kühl S., Strodtholz P., Taffertshofer A. (eds) Handbuch Methoden der Organisationsforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Budke, A. & D. Kanwischer (2007): Spurensuche als Unterrichtseinstieg. Entdeckendes Lernen im Geographieunterrucht. In: Praxis Geographie 37, 17-19.

Crenshaw Kimberlé 1989: “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Policy”. In: University of Chicago Legal Forum,

Jg. 1, Heft 8, S. 139-167.

Daum, E. (2010): Heimatmachen durch subjektives Kartographieren. IN: Grundschulunterricht Sachunterricht 2, 17-21.

Gryl, I. (2016): Reflexive Kartenarbeit : eine Einleitung und Gebrauchsanregung zu diesem Band. In: Gryl, I. (Hrsg.): Reflexive Kartenarbeit, 5 – 24.

Gryl, I. & Jekel, T. (2012): Re-centering geoinformation in secondary education: Toward a spatial citizenship approach. In: Cartographica (The International Journal for Geographic Information and

Geovisualization, University of Toronto Press) Jg. 47, Heft 1, S. 18-28.

Jaeggi, R. (2016). Entfremdung: Zur Aktualität eines sozialphilosophischen Problems. Berlin.

Kuckartz, U. (2018): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Wiesbaden.

Skelton, T. (2009): Children, young people, UNICEF and Participation. In: Aitken, Stuart u.a. (Hrsg.): Global Childhoods: Globalization, development and young people. London/New York, S. 165-181.

Wem gehört die Stadt? Reflexionen von Kindern zu Macht und RaumJana Pokraka

Jana Pokraka

Institut für Sachunterricht/Institut für Geographie

Betreuung: Inga Gryl

[email protected]

0201 – 183 6951

Erhebungskontext & Datenauswertung

Die oben genannten Fragestellungen wurden im Kontext eines viertätigen

Ferienworkshops für Schüler*innen in Essen untersucht (n=7, Alter 6-10 J.). Dabei lag

der Fokus des Workshops auf Gruppendiskussionen, unter anderem im Kontext der

reflexiven Kartenarbeit (Gryl 2016) und zwei tabletgestützen Mapping-Exkursionen in

Form einer Spurensuche (Budke & Kanwischer 2007) (s. Abb. 1). Die Datenauswertung

erfolgte dabei auf Basis der Audiotranskription der Gruppendiskussionen, Feldnotizen

aus der teilnehmenden Beobachtung (Bachmann 2009) und subjektiven Karten (Daum

2011), die anhand der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018) ausgewertet wurden.

Bildung zu Spatial Citizenship

Das Ziel von Spatial Citizenship (Gryl & Jekel 2012) ist die

geomedial gestützte mündige Raumaneignung aller

Bürger*innen, die befähigt werden sollen, an

gesellschaftlichen Partizipationsprozessen teilzuhaben.

Hierbei spielt der gegenwärtige Bedeutungsgewinn des

Web 2.0 eine entscheidende Rolle, bei dem nicht nur der

Konsum bzw. die Nutzung, sondern auch die eigene

Produktion von Inhalten, also die mediale Vermittlung der

eigenen Position, im Vordergrund steht. Im schulischen

Kontext sollen insbesondere Kinder und Jugendliche im

Rahmen einer Bildung zu Spatial Citizenship einen

Umgang mit digitalen Geomedien erfahren, der dazu führt,

räumliche Prozesse aktiv mitgestalten zu können.

Entfremdung und Aneignung

Rahel Jaeggi (2006) widerspricht einem objektivistischen

Entfremdungsbegriff und wendet sich hin zu einer Analyse

derjenigen gesellschaftlichen Strukturen, die den

„Bedingungen unseres Wollens und Könnens

widersprechen“ (ebd. 8). Selbstentfremdung äußere sich

somit einerseits in einer Eigendynamik (ebd. 85), die

Verhältnisse eher als gegeben, denn als gemacht

anzusehen bzw. einem mangelndem Bewusstsein über

die eigenen Handlungsspielräume und andererseits in der

daraus resultierenden Erstarrung (ebd.). Daraus ergeben

sich für den Begriff der Aneignung unterschiedliche

relationale Dimensionen der Betrachtung, wie

Relationalität, Fluidität, oder Identifikation.

Intersektionalität

Neben der sozialen Konstruktion von Kindheit (Skelton

2009) und der daraus resultierenden generationalen

Differenz zwischen den Kategorien Kind und

Erwachsene*r werden (Un-) Gleichheiten im Kontext von

Kindheit auf Basis weiterer Differenzkategorien, wie bspw.

des Geschlechts, produziert, weshalb eine intersektionale

Betrachtung der (Re-) Produktion von Ungleichheit

fruchtbar erscheint. So lassen sich vielfältige und

komplexe Wirkmechanismen unterschiedlicher

Differenzkategorien und spezifische Exklusionsformen

(Crenshaw 1989) im Kontext der Auseinandersetzung von

Kindern mit dem Thema Recht auf Stadt, aber auch ihrer

sozialräumlichen Interaktion, analysieren.

In der Datenauswertung wurden unterschiedliche Dimensionen im Spannungsfeld von

Entfremdung und Aneignung im Kontext der Konstruktionen von Stadtraum und des

Sozialraums der Aushandlung der Kinder entwickelt, die in der folgenden Übersicht

dargestellt sind:

Abb. 2: Übersichtsmatrix der Analyseergebnisse (eigene Darstellung).

Gruppendis-kussion „Wem

gehört die Stadt“?

Spurensuche 1

Subjektives Kartographie-

ren & Reflexive Kartenarbeit

Spurensuche 2

Neuentwurf des untersuchten

Gebietes

Abb. 1: Ablauf des Workshops (eigene Darstellung).

Ergebnisse

SozialraumStadtraum

Aneignung

EntfremdungInstitutioneller, ökonomischer und kartographischer Determinismus;Bürgerlicher LiberalismusFremdheitskonstruktionen

ArbeitsteilungKonstruktion von KindheitRelationales Kartenverständnis

FremdheitskonstruktionenArbeitsteilung

Abb. 3-5: Mapping mit der App #stadtsache; Abb. 6: Neuentwurf des Exkursionsgebiets.

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