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42 6 2008 · UFA-REVUE PFLANZENBAU Per 1. April 2008 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Anglei- chung an die EU-Gesetzgebung die Mykotoxin-Grenzwerte für unverar- beitetes Getreide in Kraft gesetzt. Neu wird somit zwischen unverarbeitetem und konsumfertigen Getreide (zum Bei- spiel ganze Körner, Schrot, Mehl, Dunst) unterschieden. So gilt für Deoxynivale- nol (DON), das häufigste Mykotoxin in unverarbeitetem Getreide, neu ein Grenzwert von 1.25 mg/kg. Bei verar- beiteten Getreideprodukten wurde der bisherige Toleranzwert für DON von 1 mg/kg durch einen Grenzwert von 0.75 mg/kg ersetzt. Im Unterschied zu einer möglichen Überschreitung eines Toleranzwertes, bei der ein Lebensmit- DIE GETREIDEERNTE 2007 war deutlich stärker und flächendeckender durch Fusarienpilze befallen als in den Vorjahren. Mahlweizen und insbesondere Futter- weizen und Triticale wiesen infolge dessen vermehrt eine Mykotoxinbelastung auf. Die neuen Grenzwerte im Lebensmittelbereich können weit reichende Konsequenzen für den Produzenten und die Getreidesammelstellen darstellen. Neue Grenzwerte für Mykotoxine Fortunat Schmid Grafik: swiss granum-Konzept zum Mykotoxin-Risikomanagement HACCP + GHP jeder Unternehmung innerhalb der Branche Monitoring Brotgetreide: DON-Analyse bei 150 Weizenmustern Sammelstellnetz von swiss granum Vertragliche Anforderungen: • Sammelstellen Produzenten Suisse Premium • IP-Suisse • usw. Monitoring Futter- getreide; Untersuchungen der Agroscope ALP: • Gerste, Triticale, Weizen, Hafer DON, ZEA, T2-Toxine 6 7 8 • Körner- mais • FUM, DON, ZEA Empfohlene Sortenlisten: Sortenanfälligkeit gegenüber Fusariose: • Körnermais 2 3 • Weizen und Triticale Präventive Empfehlungen der Branche: • Vorfrucht Einarbeiten der Ernte- rückstände • Bodenbearbeitung • Sortenanfälligkeit • usw. Beobachtung der Ähren- gesundheit vor der Ernte: Bonitierung in den Versuchen von Agroscope und swiss granum Beobachtungen der kantonalen Beratungsstellen 5 Prognosesystem Fusaprog von Agroscope ART: Zusammenfassung des DON-Risikos, aufgrund Erhebungen bei 50 bis 100 Weizenparzellen: • Inokulum Sensibilität des Wirtes • Wetter 1 4 Januar bis März April 2 1 4 3 5 7 6 8 Mai Juni Juli August September Oktober November Situationsbericht vor der Ernte: Einschätzung des Risikos Veröffentlichung der Durchnittsresultate und Überprüfung der Mass- nahmen

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42 6 2008 · UFA-REVUE

PFLANZENBAU

Per 1. April 2008 hat das Bundesamtfür Gesundheit (BAG) in Anglei-chung an die EU-Gesetzgebung dieMykotoxin-Grenzwerte für unverar-

beitetes Getreide in Kraft gesetzt. Neuwird somit zwischen unverarbeitetem

und konsumfertigen Getreide (zum Bei-spiel ganze Körner, Schrot, Mehl, Dunst)unterschieden. So gilt für Deoxynivale-nol (DON), das häufigste Mykotoxin inunverarbeitetem Getreide, neu einGrenzwert von 1.25 mg/kg. Bei verar-

beiteten Getreideprodukten wurde derbisherige Toleranzwert für DON von1 mg/kg durch einen Grenzwert von0.75 mg/kg ersetzt. Im Unterschied zueiner möglichen Überschreitung einesToleranzwertes, bei der ein Lebensmit-

DIE GETREIDEERNTE 2007 war deutlich stärker und flächendeckender durch Fusarienpilze befallen als in den Vorjahren. Mahlweizen und insbesondere Futter-weizen und Triticale wiesen infolge dessen vermehrt eine Mykotoxinbelastung auf. Die neuen Grenzwerte im Lebensmittelbereich können weit reichende Konsequenzenfür den Produzenten und die Getreidesammelstellen darstellen.

Neue Grenzwerte für Mykotoxine

FortunatSchmid

Grafik: swiss granum-Konzept zum Mykotoxin-Risikomanagement

HACCP + GHP jederUnternehmung innerhalbder Branche

Monitoring Brotgetreide:• DON-Analyse bei

150 Weizen mustern• Sammelstellnetz von swiss

granum

Vertragliche Anforderungen:• Sammelstellen

Produzenten• Suisse Premium• IP-Suisse• usw.

Monitoring Futter-getreide; Untersuchungender Agroscope ALP:• Gerste,

Triticale, Weizen, Hafer

• DON, ZEA,T2-Toxine

6

7 8

• Körner-mais

• FUM,DON, ZEA

Empfohlene Sortenlisten:Sortenanfälligkeit gegenüberFusariose:• Körnermais

2 3

• WeizenundTriticale

Präventive Empfehlungender Branche:• Vorfrucht• Einarbeiten der Ernte -

rückstände • Bodenbearbeitung• Sortenanfälligkeit• usw.

Beobachtung der Ähren-gesundheit vor der Ernte:• Bonitierung in den

Versuchen von Agroscopeund swiss granum

• Beobachtungen derkantonalen Beratungsstellen

5

Prognosesystem Fusaprogvon Agroscope ART:Zusammenfassung des DON-Risikos, aufgrundErhebungen bei 50 bis 100 Weizenparzellen:• Inokulum• Sensibilität des Wirtes• Wetter1 4

Januar bisMärz

April

21 43 5 7

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Mai Juni Juli August September Oktober November

Situationsbericht vor der Ernte:

Einschätzung des Risikos

Veröffentlichung derDurchnittsresultate undÜberprüfung der Mass-nahmen

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PFLANZENBAU

tel mit Auflagen verwertet werden kann,ist das Produkt bei einer Grenzwert-überschreitung für die menschliche Er-nährung ungeeignet. Ist das Produkt be-reits in Verkehr gebracht, müssen dieBehörden informiert werden, die danndie weiteren Massnahmen anordnen.Diese können den Warenrückzug, dieWarenvernichtung oder die Verwertungim Futterkanal umfassen.

Was ist «unverarbeitetes Ge-treide»? Die für unverarbeitetes Ge-treide festgelegten Grenzwerte geltenfür unverarbeitetes Getreide, das zurersten Verarbeitungsstufe in Verkehr ge-bracht wird. «‹Erste Verarbeitungsstufe›bedeutet jegliche physikalische oderthermische Behandlung des Korns. Ver-fahren zur Reinigung, Sortierung undTrocknung gelten nicht als ‹erste Verar-beitungsstufe›, sofern das Getreidekornselbst nicht physikalisch behandelt wirdund das ganze Korn nach der Reinigungund Sortierung intakt bleibt.» Soweitdie Umschreibung aus Anhang 1 derFremd- und Inhaltsstoffverordnung(FIV), worin die neuen Grenzwerte ge-regelt sind. Als erste Verarbeitungsstufegilt damit die Mühle respektive das Ver-mahlen, Quetschen, Schroten und soweiter. Es ist die Getreidesammelstelle,die unverarbeitetes Getreide an die ers-te Verarbeitungsstufe in Verkehr bringtund damit gewährleisten muss, dass dieneuen Grenzwerte eingehalten werden.

Orientierungswerte in der Fütte-rung Die von der Agroscope Liebe-feld-Posieux (ALP) festgesetzten Orien-tierungswerte für Mykotoxine imFuttermittelbereich gelten unverändert.Für DON bei Rindern, Hühnern, Pferdenund Kaninchen liegen diese bei 5 mg/kg,bei Kälbern bei 2 mg/kg und für Schwei-ne bei 0.9 mg/kg. Der Orientierungs-wert bezieht sich aber auf die ganze Fut-termischung, die ja aus verschiedenenKomponenten bestehen kann. So gese-hen könnten abgewiesene Posten anMahlweizen aus der menschlichen Er-nährung bedingt in der Wiederkäuer-fütterung genutzt werden. Doch auchhier sind Grenzen gesetzt. Kein verant-wortungsvoller Mischfutterhersteller istgewillt, höher belastete Komponentenauf diese Weise zu «verwerten» und sicheinem Risiko bezüglich Tiergesundheit

auszusetzen. Auch begrenzen logisti-sche Möglichkeiten dieses Vorgehen, dafür belastetes Getreide separate Kom-ponentenzellen nötig wären.

Unterstützung der Branche swissgranum hat bereits vor der Ernte 2007ein dreistufiges Konzept bezüglich My-kotoxine eingeführt, das der Branchewertvolle Informationen über Vorbeu-gemassnahmen, Befallsdruck und effek-tive Belastung der Ernte liefert (Grafik).Die erste Stufe gibt einen Überblick überdie Vielzahl der von allen Akteuren zutreffenden Vorbeugemassnahmen. Inder zweiten Stufe werden verschiedeneInformationen über den Fusarienbefallim Feld und die während der Blüte herr-schende Witterung zusammengefasstund veröffentlicht. In der dritten Stufewerden in einem Monitoring bei 50Sammelstellen je drei Muster Mahlge-treide analysiert und die Ergebnisse ver-öffentlicht. Darauf aufbauend können

die Akteure der Branche ihre Bemuste-rungen entsprechend ausrichten. In derErnte 2007 wurden von swiss granum130 Mahlweizenproben analysiert.1.5 % überschritten den dannzumalnoch gültigen Toleranzwert für genuss-fertiges Getreide von 1 mg/kg. Beim Fut-terweizen und Auswuchsweizen, derenAnalysen durch ALP gezogen wurden,lagen aber rund ein Drittel der Probenüber diesem Wert.

Was tun die Sammelstellen? Be-reits seit mehreren Jahren instruiert fe-naco die MAXI-Getreidesammelstellenüber den Umgang mit Posten, bei denenaufgrund der visuellen Kontrolle odermittels eines Schnelltests eine übermäs-sige DON-Belastung angenommen wer-den muss. Nebst der visuellen Kontrol-le gibt derzeit bloss ein Schnelltestgenügend verlässliche Informationen,um bei der Annahme das DON in Ge-treide innerhalb nützlicher Frist nachzu-

Tabelle: Fusarienresistenz der wichtigsten Weizensorten (Klasse)

schwach: Drifter (F), Tapidor (F), mittel bis schwach: Levis (II) , Caphorn (II) , Winnetou (F), mittel: Runal (T), Siala (T), Arolla (l), Zinal (l), Ludwig

(l), Tommi (ll), Galaxie (ll), Scaletta (II), Rigi (II), Pegassos (III), Akratos (III), Manhattan (B), Muveran (B), Mulan (F)

mittel bis gut: Segor (T), Titlis (T), Ephoros (III), Hermann (F)gut: Arina (l)

Ähre mit typischemFusarienbefall.

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weisen. Diesen April wurden mehr als250 Silofachleute im Rahmen der GutenSammelstellenpraxis (GSP) über dieneue Situation und den Umgang mit be-lasteten Posten und dem Schnelltest ge-schult.

Merkmale von Fusarienbefall ImFeld weisen weissliche Ähren mit teil-weise lachsfarbenem Pilzbelag nahe derÄhrenspindel auf einen Fusarienbefallhin. Bei gedroschen Posten sind mehrals 10 % weisse sowie lachsfarbene Kör-ner oder einer hoher Anteil anSchmachtkörnern untrügliche Zeichen,dass diese Getreidelieferung zu hoheMykotoxingehalte enthalten kann. Beider Ablieferungen der Produzenten istdas Hauptaugenmerk auf dasjenige Ge-treide zu richten, bei dessen Anbau dieRisikofaktoren nicht ausgeschaltet wur-den (siehe welche Massnahmen ver-mindern das Fusarienrisiko). Ein vomLandwirt gelieferter Posten darf zwarvor der DON-Messung in der Sammel-stelle gereinigt und sortiert werden, die-se Massnahme hilft aber kaum, starkeBelastungen mit DON zu reduzieren.

Feststellung des DON-Gehaltes ins La-bor geschickt werden. Nach ca. 3–5 Ta-gen liegt dann das Resultat vor.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungenmit die Ernte 2007 sowie den neuen ge-setzlichen Gegebenheiten ist es für alleSammelstellen ratsam, für die Ernte2008 einen Schnelltest anzuschaffen.Mit diesem sind zweifelhafte Posten beider Annahme sowie die während derErnte an eine Mühle zu verladenenChargen auf DON zu testen.

Strategien auf ProduktionsstufeDie wichtigsten beeinflussbaren Risiko-faktoren für Fusarium-Befall in Getreidesind: Hauptsächlich Vorfrucht Mais, mi-nimale Bodenbearbeitung respektiveschlechte Einarbeitung der Ernterück-stände und anfällige Sorten (Tabelle aufVorderseite). Das entsprechende Wetterwährend der Blüte ist ebenso wichtig,kann aber leider (oder zum Glück) nichtbeeinflusst werden. Berücksichtigt einProduzent die im Kasten aufgeführtenMassnahmen zur Verminderung des Fu-sarienrisikos, so handelt er professionellund legt die Grundlage, auch bei für Fu-sarien günstigen Witterungsbedingun-gen während der Blüte wenig Befall zuriskieren.

Was geschieht mit belastetenPosten? Die Verarbeiter werden zustark belastete Posten nicht direkt ver-mahlen können, der tiefere Grenzwertfür Mehl lässt wenig Spielraum zu. Einsolcher Posten kann dann je nach DON-Belastung eventuell nochmals gereinigt

und analysiert werden. Ob und zu wel-chem Preis dieser dann einen zulässigenEinsatzzweck findet, muss von Fall zuFall entschieden werden. Bei DON-Ge-halten über den Orientierungswertenfür die Wiederkäuerfütterung muss derPosten aber entsorgt werden, mit ent-sprechendem Verlust für die Sammel-stelle. Diese wird dann gefordert sein.Sie muss entscheiden, ob sie den ent-standenen Schaden selber tragen will,ob dieser auf den Produzentenpreis ab-gewälzt werden soll oder ob sie die Pro-duzenten durch die Rückstellmusterausfindig macht, die den Schaden durchdie Einlieferung von belastetem Getrei-de mitzuverantworten haben.

Fazit Höhere DON-Gehalte bei Wei-zen waren 2007 verbreitet anzutreffen.Aufgrund der neuen Grenzwerte bleibtdie Mykotoxinproblematik eine dauer-hafte Herausforderung für alle Beteiligtender Wertschöpfungskette. Mit entspre-chenden Massnahmen, insbesonderedurch den Produzenten, lässt sich das Be-fallsrisiko und somit der wirtschaftlicheSchaden minimieren. Das Thema bleibtleider aktuell. �

PFLANZENBAU

Autor Fortunat Schmid, Geschäfts-leiter Qualitätsmanagement, Logistik und Projekte bei fenaco Getreide, Ölsaaten und Futtermittel (GOF), 8401 Winterthur

www.fenaco-gof.ch

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Massnahmen gegen Fusarienbefall• Hohen Mais- und Getreideanteil in der Fruchtfolge vermeiden.

• Kein Weizen und keine Triticale nach Mais. Keine Triticale nachWeizen, ohne Erntereste vollständig einzuarbeiten.

• Strohrückstände zerkleinern, verteilen und so einarbeiten, dass sie gut verrotten.

• Wenig anfällige Sorten wählen. Inländische Züchtungen sindresistenter gegen Fusarien als ausländische.

• Bereits beim Drusch darauf achten, dass viel Stroh, Spelzen undSchmachtkörner eliminiert werden.

• Mit Fusarien befallene Parzellen separat ernten und abliefern.

• Maissorte mit geringer Anfälligkeit auf Stängelfäule wählen, wenn danach Weizen angebaut wird.

• Mais ernten sobald das Reifestadium erreicht ist. Späterntevermeiden.

• Auf Strobilurine und Halmverkürzer verzichten.

• Übermässige N-Düngung vermeiden.

• Einsatz eines Fusariumfungizides zum Blütenbeginn, kurz vor odernach einem Niederschlag (bei Labelproduktion nicht erlaubt).

Der linke Test ist bezüglich DON-Belastung negativ, der rechte positiv ausgefallen.

Das gemeinsame Lagern mit anderenbelasteten Posten ist zwar normale Pra-xis, kann aber dazu führen, dass eineganze Charge resp. Silozelle nicht mehrgesund und handelsüblich ist. Wirdwährend der Aufbereitung einer Silozel-le diese positiv getestet, muss sie ge-sperrt werden und ein ordentlichesDurchschnittsmuster zur zweifelsfreien