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374 Ernährungs Umschau | 7/10 Fort- & Weiterbildung | Basiswissen aktualisiert Glossar: Mycel = Pilzgeflecht Ergotalkaloide (Mutterkorn) Der Schlauchpilz Claviceps purpurea be- fällt als Feldpilz Getreide und bildet in der Ähre einen leicht gekrümmten, dun- kel-violett gefärbten Körper, der 2–5 cm lang werden kann ( Abbildung 1). Die- ses als Mutterkorn oder Secale cornutum bezeichnete Dauermycel dient als Über- winterungsform, aus der im folgenden Jahr die Sporen bildenden Fruchtkörper hervorgehen. In Mutterkorn wurden mehr als 40 verschiedene Alkaloide nachgewiesen, deren Grundstruktur das Ergolin ist ( Abbildung 2). Unterschie- den werden: Clavinalkaloide: z. B. Agroclavin, Ely- moclavin und Chanoclavin und Lysergsäurederivate, die komplexer aufgebaut sind als die Clavinalkaloide und weiter untergliedert werden in Lysergsäureamide (z. B. Ergin, Ergo- metrin) und Lysergsäurepeptide (z. B. Ergotamin, Ergocornin, Ergo- cristin, Ergocryptin und Ergosin). Der Hauptanteil der Mutterkornalka- loide gehört zu den Lysergsäurepepti- den mit Ergotamin als wichtigstem Ver- treter [3]. Die Clavinalkaloide sind da- gegen mengenmäßig von untergeordne- ter Bedeutung und spielen für die Toxi- zität des Mutterkorns kaum eine Rolle. Der Alkaloidgehalt in Mutterkorn kann 0,1–1 % betragen, wobei die Zusam- mensetzung stark schwankt. Die Bezeichnung „Mutterkorn“ geht wahrscheinlich auf die volksmedizini- sche Bedeutung der Alkaloide zurück, da diese die Wehenfunktion bei der Ge- burt anregen [3]. Schimmelpilze finden auf Lebensmitteln einen guten Nährboden und sind dort entsprechend weit verbreitet. Sie führen zur Belastung von Lebensmit- teln mit Mykotoxinen. Im ersten Teil dieses Beitrags im letzten Heft wurde allgemein auf Schimmelpilze und die Kontamination von Lebensmitteln mit Pilzgiften eingegangen. In diesem zweiten Teil geht es nun um Ergotalka- loide, Fusarientoxine und einige weniger toxische oder weniger verbreitete Pilzgifte. Mykotoxine Teil 2 Dipl. oec. troph. Claudia Weiß Vorholzstr. 39 76137 Karlsruhe E-Mail: Claudia Weiss@gmx.de Tab. 1: Untersuchung von Roggenmehl auf die Summe der Mutterkornalkaloide Ergometrin, Ergotamin, Ergosin, Ergocryptin, Ergocristin, Ergocornin und deren isomeren -inin-Formen (s. Text) [6] Anzahl Anzahl Proben Mittelwert aus Höchster Anzahl Proben < Nachweis- Proben > Nach- ermittelter > 1000 μg/kg* grenze weisgrenze Gehalt (15 μg/kg) [μg/kg] [μg/kg] Alle Roggenproben 45 2 422 2411 5 Proben aus 39 2 480 2 411 5 konventionellem Anbau Proben aus Öko-Anbau 6 0 63 160 *tolerierbarer Gesamtalkaloidgehalt s. Lebensmittelrechtliche Bestimmungen Beleg/Autorenexemplar! Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

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Glossar:Mycel =

Pilzgeflecht

Ergotalkaloide (Mutterkorn)

Der Schlauchpilz Claviceps purpurea be-fällt als Feldpilz Getreide und bildet inder Ähre einen leicht gekrümmten, dun-kel-violett gefärbten Körper, der 2–5 cmlang werden kann (� Abbildung 1). Die-ses als Mutterkorn oder Secale cornutumbezeichnete Dauermycel dient als Über-winterungsform, aus der im folgendenJahr die Sporen bildenden Fruchtkörperhervorgehen. In Mutterkorn wurdenmehr als 40 verschiedene Alkaloidenachgewiesen, deren Grundstruktur dasErgolin ist (� Abbildung 2). Unterschie-den werden:

■ Clavinalkaloide: z. B. Agroclavin, Ely-moclavin und Chanoclavin und

■ Lysergsäurederivate, die komplexeraufgebaut sind als die Clavinalkaloide

und weiter untergliedert werden inLysergsäureamide (z. B. Ergin, Ergo-metrin) und Lysergsäurepeptide(z. B. Ergotamin, Ergocornin, Ergo-cristin, Ergocryptin und Ergosin).

Der Hauptanteil der Mutterkornalka-loide gehört zu den Lysergsäurepepti-den mit Ergotamin als wichtigstem Ver-treter [3]. Die Clavinalkaloide sind da-gegen mengenmäßig von untergeordne-ter Bedeutung und spielen für die Toxi-zität des Mutterkorns kaum eine Rolle.Der Alkaloidgehalt in Mutterkorn kann0,1–1 % betragen, wobei die Zusam-mensetzung stark schwankt.

Die Bezeichnung „Mutterkorn“ gehtwahrscheinlich auf die volksmedizini-sche Bedeutung der Alkaloide zurück,da diese die Wehenfunktion bei der Ge-burt anregen [3].

Schimmelpilze finden auf Lebensmitteln einen guten Nährboden und sinddort entsprechend weit verbreitet. Sie führen zur Belastung von Lebensmit-teln mit Mykotoxinen. Im ersten Teil dieses Beitrags im letzten Heft wurdeallgemein auf Schimmelpilze und die Kontamination von Lebensmitteln mitPilzgiften eingegangen. In diesem zweiten Teil geht es nun um Ergotalka-loide, Fusarientoxine und einige weniger toxische oder weniger verbreitetePilzgifte.

Mykotoxine Teil 2

Dipl. oec. troph.Claudia WeißVorholzstr. 3976137 KarlsruheE-Mail: [email protected]

Tab. 1: Untersuchung von Roggenmehl auf die Summe der Mutterkornalkaloide Ergometrin, Ergotamin,Ergosin, Ergocryptin, Ergocristin, Ergocornin und deren isomeren -inin-Formen (s. Text) [6]

Anzahl Anzahl Proben Mittelwert aus Höchster Anzahl Proben < Nachweis- Proben > Nach- ermittelter > 1000 μg/kg*grenze weisgrenze Gehalt(15 μg/kg) [μg/kg] [μg/kg]

Alle Roggenproben 45 2 422 2411 5

Proben aus 39 2 480 2 411 5konventionellem Anbau

Proben aus Öko-Anbau 6 0 63 160 –

*tolerierbarer Gesamtalkaloidgehalt s. Lebensmittelrechtliche Bestimmungen

Beleg/Autorenexemplar!Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

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Abb. 2: Strukturen der Ergotalkaloide [2]. Zu den Clavin-Alkaloiden zählen Agroclavin mit R=H und Elymoclavin mitR=OH. Lysergsäureabkömmlinge sind z. B. Lysergsäure mit R=OH, Lysergsäurediethylamid (LSD) mitR=N(C2H5)2 und Ergometrin mit R=NH-(CH2)2-OH

NH

NH

Ergolingerüst

N–CH3

N

CH2R

H

N–CH3

N

CO–RH

H

H

LysergsäureabkömmlingeClavin-Alkaloide

Glossar:First-Pass-

Elimination =

metabolischer

Abbau eines

Stoffes während

dessen erster

Passage (engl.

first pass)

durch die

Leber

Mutterkorn verursacht die am längs-ten bekannte Mykotoxikose, den Er-gotismus. Es hat bis in die Neuzeitimmer wieder zu Massenvergiftungengeführt. In den letzten Jahrzehntensind toxische Konzentrationen vonErgotalkaloiden in Lebensmitteln eu-ropaweit nicht mehr aufgetreten. Be-dingt durch veränderte Agrartechno-logien und Umweltbedingungen hatdie Belastung von Getreide in denletzten Jahren allerdings wieder zu-genommen. Daher ist die Mutter-kornkontrolle und -forschung nachwie vor wichtig [3].

Vorkommen in Lebensmitteln

Claviceps-Arten treten weltweit als Pa-rasiten zahlreicher Gräser- und Ge-treidearten auf. Roggen ist besondersinfektionsanfällig. Eine feucht-kühleWitterung zur Roggenblüte begüns-tigt die Infektion. Durch gezielte An-baumaßnahmen und Reinigungsver-fahren wird die Kontamination vonGetreide mit Mutterkorn vor demVermahlen stark reduziert. Die we-sentlichen mühlentechnischen Ver-fahren sind Sieben und Windsich-tung des Korns (Trennung nachDichte). Zusätzlich sortieren Farb-scanner dunkel gefärbte Bestandteileaus [4, 5]. Das Chemische und Veterinärunter-suchungsamt Stuttgart untersuchteim Jahr 2009 45 Proben Roggenvoll-kornmehl auf Mutterkornalkaloide.Die Ergebnisse zeigt � Tabelle 1 [6].

Auffallend sind die niedrigeren Alka-loidwerte in ökologisch angebautemRoggen. Einen tendenziell geringe-

ren Befall für ökologisch erzeugtenRoggen fand das Untersuchungsamtauch im Ökomonitoring 2004 und2008 [7]. Die Probenanzahl war inallen drei Untersuchungen jedoch zugering, um eine generelle Aussage ab-leiten zu können. Günstig sind imökologischen Landbau die Sorten-auswahl und die weiten Fruchtfolgen.Der Einsatz von ungebeiztem Saatgutsowie die Schonung der Wildgräserfördern dagegen einen Mutterkorn-befall [4, 7].

Unter Einfluss von Hitze, Luft undLicht wandeln sich Mutterkornalka-loide in die deutlich weniger toxischeIsolysergsäureform um, die mit derNamensendung „-inin“ bezeichnetwird (z. B. Ergocristin in Ergocristi-nin). In Backwaren aus mit Ergot-alkaloid belastetem Mehl wurdenmind. 50 % des Toxins auf dieseWeise entgiftet. Im Verlauf der Bier-herstellung konnte eine fast vollstän-dige Umwandlung nachgewiesen wer-den [3].

Resorption und Stoffwechsel

Erkenntnisse über Resorption undStoffwechsel stammen hauptsächlichaus Studien mit therapeutisch ge-nutzten Alkaloiden. Mutterkornalka-loide vom Amidtyp weisen eine hoheBioverfügbarkeit auf. Maximale Plas-makonzentrationen werden nach 60bis 90 min erreicht [4]. Die Alkaloidevom Peptidtyp wie z. B. Ergotaminhaben dagegen eine sehr geringeund individuell unterschiedliche Bio-verfügbarkeit von 5 % und weniger[4, 8]. Dies ist vor allem auf ihre hohe

First-Pass-Elimination zurückzufüh-ren, in deren Folge nur ein sehr ge-ringer Anteil der Ausgangssubstanz inden systemischen Kreislauf gelangt[4]. In der Leber entstehen aus Ergota-min und Dihydroergotamin verschie-dene Metaboliten, die allerdings eineähnliche biologische Aktivität besit-zen wie ihre Ausgangssubstanz. Fürdie Metabolisierung scheinen Cyto-chrom-P450-abhängige Monooxyge-nasen eine wichtige Rolle zu spielen.Ergotakaloide reichern sich in ver-

Abb. 1: Mutterkorn an der Ähre

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schiedenen Organen und Gewebenan und werden über einen längerenZeitraum ins Blut abgegeben. DieAusscheidung der Alkaloide undihrer Metaboliten erfolgt überwie-gend über die Galle, nur ein kleinerTeil wird unverändert mit dem Urinausgeschieden [4].

Toxische Wirkungen

Beschreibungen von Mutterkorn-Ver-giftungen zählen zu den ältesten aus-führlich beschriebenen Vergiftungs-epidemien aufgrund von Mykotoxin-belastung. Ergotismus trat in weitenTeilen Europas auf und wurde auf-grund der extremen Schmerzen als„höllisches“ oder „heiliges Feuer“ be-zeichnet. Da sich die Mitglieder desAntoniter-Ordens für die Pflege und

Heilung der Erkrankten einsetzten,wurde die Mutterkornvergiftung auch„Antonius-Feuer“ genannt. Durch die Vergiftung starben einzelne Kör-perteile komplett ab, vor allemHände und Füße. Eine Darstellungder Mutterkornvergiftung findet sichauf dem um 1512 entstandenen Isen-heimer Altarbild von Mathias Grüne-wald [9, 10] (� Abbildung 3). An Ergotismus starben im MittelalterHunderttausende von Menschen.Der Zusammenhang zwischen der Er-krankung und Mutterkorn wurde erstim 19. Jahrhundert hergestellt. Letztegroße Ausbrüche wurden 1951/1952in England und Frankreich sowie1978 in Äthiopien bekannt. Die Wirkungen des Mutterkorns wer-den vornehmlich auf seine Gehaltean Lysergsäurederivaten zurückge-

führt. Diese besitzen strukturelleÄhnlichkeiten mit den Neurotrans-mittern Noradrenalin, Dopamin undSerotonin und können agonistischoder antagonistisch an deren Rezep-toren wirken [4, 8].Das Wirkungsspektrum der Substan-zen ist nicht einheitlich. Im Vorder-grund der Toxizität steht jedoch diedirekte Stimulation der glatten Mus-kulatur mit einer ausgeprägten ge-fäßverengenden (vasokonstriktori-schen) Wirkung auf das periphereGefäßsystem sowie die Erregung vonDopaminrezeptoren im zentralenNervensystem (ZNS) [4].Akute Vergiftungen äußern sich inÜbelkeit, Schwindel, Blutdruckan-stieg, Kopfschmerz, Diarrhö, Paräs-thesien (Kribbeln) und Taubheits-gefühl in den Extremitäten sowieMuskelschmerzen. Bei Schwangerenkann die starke Stimulation der Ute-rusmuskulatur zum Spontanabortführen. Die letale Dosis liegt für denMenschen bei 5–10 g frischem Mut-terkorn [11]. Der Tod tritt durchAtemlähmung und Herzstillstand ein.

Bei chronischen Mutterkorn-Vergif-tungen unterscheidet man die gan-gräne und die konvulsive Form. Beimgangränen Verlauf (Ergotismus gan-graenosus) dominiert die vasokons -triktorische Wirkung. Die dauerhafteVerengung der Arterien führt zuIschämie und Gewebenekrosen. Bei der konvulsiven Form (Ergotismusconvulsivus) dominieren die Wirkun-gen auf das ZNS. Die Symptome äh-neln denen der akuten Intoxika-tion: Kopfschmerzen, Übelkeit undKrämpfe. Außerdem treten Psycho-sen auf, die in einer Demenz endenkönnen [5].Durch Senkung der Prolaktinkon-zentration bleibt bei schweren chro-nischen Vergiftungen die Laktationbei stillenden Frauen aus (Agalaktie)[4, 5]. Mutterkornalkaloide wirken außer-dem fruchtschädigend, denn ein an-haltender uteriner Gefäßspasmus be-hindert den plazentaren Sauerstoff-transport und kann dadurch fetaleAnomalien und Totgeburten auslö-sen [4].

Abb. 3: Darstellung eines an Mutterkornvergiftung leidenden Kranken auf demIsenheimer Altarbild von Mathias GRÜNEWALD

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Eine Schwellendosis für Gesundheits-schäden kann für die Gesamtheit derMutterkornalkaloide bisher nicht er-mittelt werden. Das liegt zum einendaran, dass unerwünschte Wirkungenbeim Menschen kaum unter quanti-tativen Aspekten beschrieben wur-den. Außerdem enthält Mutterkornein Gemisch an Substanzen, die inihrem Gehalt schwanken und teilsagonistisch, teils antagonistisch anverschiedenen Angriffsorten wirken[8].

Therapeutischer Einsatz

In geringer Konzentration werdenisolierte und z. T. auch halbsynthe-tisch hergestellte Mutterkornalka-loide als Arzneimittel eingesetzt:

■ gegen Migräne und andere gefäß-bedingte Kopfschmerzen (Ergota-min),

■ nach der Geburt zur Stimulationder Uteruskontraktion und zurKontrolle von Blutungen (Methyl -ergometrin),

■ bei Morbus Parkinson (Bromo-criptin) und

■ bei Hirnleistungsstörungen imAlter (Dihydroergotoxin) [4].

Typische Nebenwirkungen dieser Arzneimittel sind Kopfschmerzen,Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.Bei Medikamentenmissbrauch kön-nen starke Mutterkorn-Vergiftungser-scheinungen auftreten, die in einem

Fall sogar tödlichen endeten [4]. Auf-grund der Nebenwirkungen sind Ergotalkaloide kontraindiziert beiSchwangerschaft und Stillzeit, Gefäß-erkrankungen, Hypertonie sowie beiLeber- und Nierenschäden.

Lebensmittelrechtliche Regelungen

Höchstmengen für Alkaloide ausMutterkorn existieren bislang nicht.Allerdings wird im Rahmen der„Guten landwirtschaftlichen Praxis“ein Gehalt an Mutterkorn von maxi-mal 0,05 % gefordert (basierend aufder Verordnung [EG] Nr. 824/2000für Interventionsgetreide). Da zen-traleuropäisches Mutterkorn einenmittleren Gesamtalkaloidgehalt von0,2 % aufweist, ergibt sich bei einemBesatz mit 0,05 % Mutterkorn ein to-lerierbarer Gesamtalkaloidgehalt von1 000 µg/kg [8].

Fusarientoxine

Die Schimmelpilze der Gattung Fusa-rium sind Bestandteil der natürlichenMikroflora des Oberbodens. Sie ge-hören zu den bedeutendsten pflan-zenpathogenen Erregern auf Ge-treide. Die wichtigsten Fusariento-xine sind Trichothecene, darunterDeoxynivalenol (DON), sowie Zeara-lenon und Fumonisine. Aufgrund der weiten Verbreitung derFusarien sind die Toxine auch in tro-

ckenen Jahren und bei einem sehrgeringen Befall im Getreide nach-weisbar (DON bis ca. 40 µg/kg). Infeuchten Jahren kann ihre Konzen-tration extrem ansteigen (DON bisüber 1 000 µg/kg) und sich durcheine ungünstige Lagerung weiter er-höhen. Untersuchungsergebnisse fürFusarientoxine in Getreideprobenzeigt � Tabelle 2.Fusarium-Arten können in einemTemperaturbereich von 1–39 °C wach-sen, wobei das Optimum bei 25–30 °Cliegt. Die maximale Mykotoxinbil-dung findet in der Regel aber beideutlich niedrigeren Temperaturenvon 8–12 °C statt [12].

Trichothecene

Die wichtigste Gruppe der Fusarien-toxine sind die Trichothecene mitetwa 150 strukturverwandten Subs -tanzen. Allen gemein ist ein Ring-system mit einer Epoxidgruppe am C-12, 13 (� Abbildung 4). Trichothe-cene werden außer von Fusarienartenauch von den Gattungen Trichothe-cium, Myrothecium, Stachybotrysu. a. gebildet.Die wichtigsten Vertreter sind Deoxy-nivalenol (DON), Nivalenol, das T-2-Toxin und dessen Abbauprodukt HT-2-Toxin. Deoxynivalenol ist das be-deutendste Fusarientoxin sowohlhinsichtlich der Befallshäufigkeit alsauch aufgrund der gebildeten Toxin-konzentrationen [2]. Trichothecene

Tab. 2: Untersuchung von 185 Getreideproben auf Fusarientoxine im Jahr 2009 [13]

Mykotoxin / Anbauart Probenzahl Anzahl > BG* Mittelwert # Median# Maximum(in μg/kg) (in μg/kg) (in μg/kg)

Deoxynivalenol (DON)– ökologisch 22 100 % 118 62 608– konventionell 163 100 % 125 96 695

T-2-Toxin– ökologisch 22 0 % 0 - 0– konventionell 163 8,6 % 3,5 2,3 11,2

HT-2-Toxin– ökologisch 22 0 % 0 - 0– konventionell 163 4,3 % 26,5 15,9 50,2

Zearalenon– ökologisch 22 9,1 % 4,2 - 4,6– konventionell 163 10,4 % 8,9 5,7 32

*BG = Bestimmungsgrenze: DON 8 μg/kg, Zearalenon 3 μg/kg, T-2-Toxin 0,4 μg/kg, HT-2-Toxin 0,2 μg/kg; # = Mittelwert bzw. Median aus Konzentrationen > BG

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treten hauptsächlich auf Getreideund Getreideprodukten wie Mehl,Brot und Keksen auf. Sie sind hitze-stabil bis ca. 200 °C und behaltenauch nach mehrjähriger Lagerungihre Toxizität [12].

Resorption und Stoffwechsel

Trichothecene werden über dieLunge, den Gastrointestinaltrakt unddie Haut aufgenommen. Sie sind gutresorbierbar und verteilen sich im ge-samten Körper. Eine wichtige Entgif-tungsreaktion ist die Deepoxidie-rung. T-2-Toxin wird durch eine De-acetylierung schnell in HT-2-Toxinüberführt. Die Toxizität von T-2-Toxin ist daher im Wesentlichen aufdie Wirkungen von HT-2-Toxin zu-rückzuführen. Die Ausscheidung er-folgt über Fäzes und Urin [5, 15].

Toxische WirkungenTrichothecene wirken zytotoxischund können die Apoptose in ver-schiedenen Organen auslösen. Siehemmen die ribosomale Proteinsyn-these durch Bindung an die 60S-Ein-heit der Ribosomen. Der reaktive Teilscheint die Epoxidgruppe zu sein,denn ihre Hydrolyse führt zur Inakti-vierung.

Nach oraler Aufnahme kommt es zustarken Schleimhautirritationen mitSymptomen wie Übelkeit, Erbrechenund blutigen Durchfällen bis hin zuNekrosen in Mund und Darm.

Bei der systemischen Wirkung stehteine Beeinträchtigung des Immun-systems mit Infektanfälligkeit undStörungen der Blutbildung im Vor-dergrund. Ursache ist die zyto-toxische Wirkung auf Knochenmark,Thymus und Milz [5, 14]. Typi-sche Krankheitsbilder, die mit einererhöhten Aufnahme von Tricho-thecenen zusammenhängen, sind diealimentäre toxische Aleukie und die

Kashin-Beck-Erkrankung (s. Kasten). T-2-Toxin und DON zeigten im Tier-versuch eine reproduktionstoxischeWirkung. Mutagene und direkt kan-zerogene Effekte sind dagegen bis-her nicht nachgewiesen. In Südafrikawird aber eine positive Korrelationzwischen dem Gehalt an Deoxyniva-lenol in Mais und dem Auftreten vonÖsophaguskrebs beobachtet. Dieskönnte auf tumorfördernde Effek-te und/oder auf eine Schwächungdes Immunsystems zurückzuführensein [5].

Der Wissenschaftliche Lebensmittel-ausschuss der EU-Kommission hat fürDeoxynivalenol eine tolerierbare täg-liche Aufnahmemenge (TDI) von 1 µg/kg Körpergewicht festgelegt.Für die Summe der Fusarientoxine T-2 und HT-2 gilt ein vorläufiger TDIvon 0,06 µg/kg Körpergewicht [17].

Zearalenon

Zearalenon (� Abbildung 5) wirdunter anderem von dem Schimmel-pilz Fusarium graminearum gebildet,der neben Mais auch Heu und ande-res pflanzliches Tierfutter befällt.Durch carry over (s. Teil 1 dieses Bei-trags EU06/2010 S. 318) gelangt dasMykotoxin sowie sein aktiver Metabo-lit α-Zearalenol auch in Milch. DieZearalenon-Aufnahme wird für Eu-ropa auf 1–420 ng pro kg Körperge-wicht geschätzt, wobei Brot und an-dere Getreideprodukte die Haupt-quellen sind [18].

Abb. 4: Strukturen der Trichothecene [14]

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O

O

CH3R3

CH3

Trichothen-Grundgerüst

H3C

R5

R2

R4

R1

R1 R2 R3 R4 R5

Deoxynivalenol –OH –H –OH –OH =O

Nivalenol –OH –OH –OH –OH =O

T2-Toxin –OH –O–COCH3 –O–COCH3 –H –O–COCH2–CH–(CH3)2

Die alimentäre toxische Aleukie ist eine vor allem nach dem zweiten Welt-krieg in Ostsibirien vermehrt aufgetretene Erkrankung. Sie äußerte sich ineiner verminderten Leukozytenzahl, einer Schädigung des Knochenmarksund durch Hautnekrosen. Ursache war der Verzehr von auf dem Feld über-wintertem Getreide, das Mykotoxine der Trichothecen-Gruppe enthielt, ver-mutlich insbesondere das T-2- bzw. HT-2-Toxin [11,14].

Die Kashin-Beck-Erkrankung tritt in Ostsibirien, Nordkorea und Nordchinaauf und äußert sich in Wachstumsstörungen des Skeletts von Kindern.Diese entstehen aufgrund von Verengungen der Blutgefäße, die zu denWachstumszonen und Gelenkenden von Knochen führen. Ursache ist derVerzehr von mit Fusarien (Fusarium sporotrichoides) kontaminiertem Ge-treide und damit eine hohe Zufuhr an Trichothecenen [14, 16].

Glossar:Apoptose = Form

des program-

mierten Zelltods.

Er wird von der

betreffenden

Zelle selbst aktiv

durchgeführt, ist

Teil des Stoff-

wechsels der

Zelle (Gegensatz

zur Nekrose). Da-

durch stirbt nur

die betreffende

Zelle ohne Schä-

digung des Nach-

bargewebes.

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Resorption und Stoffwechsel

Zearalenon wird schnell resorbiert.Die Biotransformation findet haupt-sächlich in der Leber statt. Haupt-stoffwechselprodukte sind α- und β-Zearalenol sowie Glucuronsäurekon-jugate von Zearalenon und seinenMetaboliten. Die Ausscheidung er-folgt beim Menschen hauptsächlichüber den Urin [15, 18].

Toxische WirkungenZearalenon hat eine sehr geringeakute Toxizität. Es wirkt im Körperaber stark östrogen, da es aufgrundseiner Struktur an Östrogenrezepto-ren in Uterus, Hypophyse und Hypo-thalamus binden kann. Daher wird esauch als Mykoöstrogen bezeichnet.Der Metabolit α-Zearalenol wirktzehnmal so stark wie das ursprüngli-che Toxin [13].

Bei Mädchen führt Zearalenon zuvorzeitiger Geschlechtsreifung undbei Frauen zu Zyklusstörungen. BeiMännern kommt es zu einer Ab-nahme der Fruchtbarkeit.

Die therapeutische Nutzung von Zea-ralenon und Derivaten zur Östrogen-substitution während der Menopausewurde eingestellt, nachdem im Tier-versuch eine kanzerogene Wirkungfestgestellt wurde. Die InternationalAgency for Research on Cancer(IARC) stuft Zearalenon als „mögli-cherweise krebserregend“ ein. Aller-dings ist auch für Östrogen bekannt,dass es eine prokanzerogene Wir-kung an Uterus und Brust entfaltenkann.

Im Tierversuch wirkt Zearalenon te-ratogen, in dem es vor allem zu Stö-rungen der Knochenbildung führt[5]. Der Wissenschaftliche Lebens-

mittelausschuss der EU-Kommissionhat eine vorläufig tolerierbare tägli-che Aufnahmemenge von 0,2 µg/kgKörpergewicht festgelegt [18].

Fumonisine

Fumonisine werden von verschiede-nen Fusariumarten gebildet, haupt-sächlich jedoch von Fusarium verticil-lioides (früher: F. moniliforme), das fastausschließlich auf Mais vorkommt.Fumonisine werden in die fünf Grup-pen A, B, C, P und H eingeteilt, wobeiim Lebensmittelbereich vor allem dieFumonisine der B-Gruppe auftreten.Fumonisin B1 ist am meisten verbrei-tet und weist die höchste Toxizität auf(� Abbildung 6).

Die tägliche Fumonisin-Aufnahmewird auf 0,02 mg/kg Körpergewichtgeschätzt [20]. Die Mykotoxine sindrecht hitzestabil und werden erst beiVerarbeitungsprozessen mit Tempe-raturen über 150 °C reduziert [20].

Resorption und StoffwechselFumonisine sind schlecht resorbier-bar. Dadurch liegt die Bioverfügbar-keit unter 5 %. Nach der Resorptionwerden sie schnell eliminiert, indemsie mit Glucuronsäure konjugiert undmit der Galle ausgeschieden werden.Sie unterliegen einem enterohepati-schen Kreislauf (s. Teil 1 dieses Bei-trags EU 06/2010 S. 319) [20].

Toxische WirkungenFumonisine hemmen aufgrund struk-tureller Ähnlichkeit die Ceramid-Syn-thase und blockieren infolgedessenden Aufbau von Sphingolipiden. Da-durch stören Fumonisine Zellwachs-tum und -differenzierung, sie führenzu oxidativem Stress und Zelltod

(Apoptose). Im Tierversuch bewirkensie speziesabhängig Gehirnerkran-kungen, Lungenödeme, Lebernekro-sen und wirken kanzerogen. BeimMenschen werden hohe Fumonisin-Konzentrationen in Mais als Ursachefür das Auftreten von Speiseröhren-krebs in Südafrika, China und mögli-cherweise auch Italien diskutiert [3,21]. Die IARC stuft Fumonisine als „mög-licherweise krebserregend“ ein. DerWissenschaftliche Lebensmittelaus-schuss der EU-Kommission hat fürdie Summe der Fumonisine B1, B2

und B3 eine tolerierbare tägliche Auf-nahmemenge (TDI) von 2 µg/kgKörpergewicht festgelegt [20].

Lebensmittelrechtliche Regelungen

Die Verordnung (EG) 1881/2006 zurFestsetzung der Höchstgehalte für be-stimmte Kontaminanten in Lebens-mitteln gibt Höchstwerte für Deoxy-nivalenol, Zearalenon und Fumoni-sine in Lebensmitteln an (� Tabelle3). Darüber hinaus regelt sie Fusa-rientoxine in unverarbeitetem Ge-treide, das nicht für den unmittelba-ren Verzehr bestimmt ist.

Weitere Mykotoxine

Die folgenden Mykotoxine sind in Le-bensmitteln ebenfalls relevant. Siesind jedoch nicht so weit verbreitetund/oder toxikologisch weniger be-deutend im Vergleich zu den bisherbeschriebenen Pilzgiften und daherauch weniger gut untersucht. Abb. 5: Strukturformeln von Zearalenon und α-Zearalenol [14]

Abb. 6: Fumonisin B1 [19]

H3C O CH3

OHCH3

O HO OH

H2N CH3

HOOCCOOH

O

O

COOHHOOC

Fumonisin B1

O

O

O

HO

OH CH3

Zearalenon

O

O

HO

OH CH3

OH

alpha-Zearalenon

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Citrinin

Das Mykotoxin Citrinin (� Abbildung7), auch Antimycin genannt, wirdhäufig zusammen mit Ochratoxin Aauf einheimischem Getreide gefun-den. Es wird von Ochratoxin-A-bildenden Pilzen und weiteren Peni-cillien und Aspergillen synthetisiert.Das Toxin kommt hauptsächlich inMais, Reis, Weizen, Gerste, Roggen,Hafer, Erdnüssen und Tomaten vor.Daneben können manche der Pilzeauch Fleisch und Fleischerzeugnissekontaminieren und dort beträchtli-che Mengen Citrinin bilden [11]. Dieoptimale Temperatur für die Toxin-bildung liegt bei 25°C [22].

Citrinin hemmt das Wachstum vonBakterien, Pilzen und Protozoen.Wegen seiner erheblichen Toxizitätkann es jedoch nicht therapeutischgenutzt werden.

Das Mykotoxin ist zytotoxisch undnierenschädigend. Die zytotoxischeWirkung beruht vermutlich auf einerHemmung der RNA-Synthese [11].

Nierenschäden werden durch eineAnreicherung von Citrinin in denproximalen Tubuli ausgelöst, denndie Zellen der proximalen Tubuli ver-fügen über einen aktiven Säuretrans-porter für Citrinin in die Zelle hinein.Dort entfaltet das Schimmelpilzgiftseine zellschädigende Wirkung und

führt zu Nekrosen und Funktionsstö-rungen wie die Ausscheidung von Ei-weißen (Proteinurie) und Glukose(Glucosurie) über den Harn [22].Darüber hinaus zeigt Citrinin geno-toxische und im Tierversuch repro-duktionstoxische Effekte [5, 14].

In Kombination wirken Ochratoxin Aund Citrinin bei Versuchstieren addi-tiv bis synergistisch [11, 22].

Citreoviridin

Das Mykotoxin Citreoviridin (� Ab-bildung 7) wird von Penicilllium citreo-viride und anderen Schimmelpilzenbei relativ niedrigen Temperaturengebildet. Bei feuchter Lagerungkommt Citreoviridin in Reis, Mais

und anderem Getreide vor, manch-mal auch in Fleischprodukten [11].Es hat eine gelbe Farbe und wurdeerstmals aus gelb verfärbtem Reis inOstasien isoliert. Dieser „gelbe Reis“verursacht aufgrund des Schimmel-pilzgiftes eine in Japan gehäuft auf-tretende Herzkrankheit, die kardialeBeri-Beri.

Citreoviridin hemmt die mitochon-driale ATPase und unterbricht damitdie Energieversorgung der Zellen. DaMuskel- und Nervenzellen einenhohen Energiebedarf haben, um ihrePotenziale aufrechtzuerhalten, rea-gieren sie besonders empfindlich aufdas Schimmelpilzgift. Es kommt zuneurotoxischen und kardiotoxischenWirkungen, außerdem wurden Schä-digungen von Niere und Leber beob-achtet. Letale Dosen führen zu einerParalyse des Nervensystems (vollstän-dige Lähmung) und Tod durchAtemlähmung [5, 11].

Sterigmatocystin

Sterigmatocystin (� Abbildung 7) istein Zwischenprodukt der Aflatoxin-Biosynthese und wird von Aspergillusversicolor, Aspergillus nidulans, Aspergil-lus bipolaris und anderen Aspergillenals Endprodukt gebildet. Es weist eineähnliche Struktur wie Aflatoxine auf

Tab. 3: Höchstmengen für Fusarientoxine in Lebensmitteln entsprechend Verordnung (EG) 1881/2006 (TM = bezogen auf die Trockenmasse)

Lebensmittel Deoxynivalenol Zearalenon Fumonisine(μg/kg) (μg/kg) (Summe aus B1

und B2) (μg/kg)

Getreide, Getreidemehl, Kleie, Keime 750 –75 –

Teigwaren (trocken) 750 – –

Brot, Kleingebäck, feine Backwaren, 500 50 –Kekse, Getreidesnacks und Frühstücks-cerealien (außer auf Maisbasis)

Mais und Maiserzeugnisse 500 100 1 000(außer Snacks und Frühstückscerealien)

Snacks und Frühstückscerealien auf Maisbasis 500 100 800

Getreidebeikost u. a. Beikost für Säuglinge 200 20 –und Kleinkinder (außer auf Maisbasis) (TM)

Getreidebeikost u. a. Beikost für Säuglinge 200 20 200und Kleinkinder auf Maisbasis (TM)

raffiniertes Maisöl – 400 –

Rotschimmelreis, auch Allok oderAngkak genannt, wird schon seitLangem in Südostasien zum Fär-ben von Lebensmitteln benutzt.Die auf dem Reis enthaltenenSchimmelpilze (Monascus spp.)bilden rote, orange und gelbeFarbstoffe. Daneben können siejedoch auch Citrinin synthetisie-ren. In Deutschland gilt Rotschim-melreis als nicht zugelassener Zu-satzstoff [14].

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und kommt häufig gemeinsam mitdiesen auf stark verschimmelten Le-bensmitteln vor [5]. Sterigmatocystinwird in den Pilzzellen gespeichert underst nach Zerstörung des Mycels oderdurch Autolyse freigesetzt [20]. DerWirkungsmechanismus entsprichtweitgehend dem der Aflatoxine: DasToxin wird zum Epoxid aktiviert undbildet mit Guanin der DNA ein Ad-dukt. Sterigmatocystin schädigt wiedie Aflatoxine die Leber und wirkt imTierversuch leberkanzerogen. DurchHydroxylierung entsteht das ebenfallsgiftige Aspertoxin.

Die schädigende Wirkung von Sterig-matocystin ist deutlich weniger starkausgeprägt als die der Aflatoxine.Zum Vergleich: Die Toxizität (LD50

oral) beträgt bei der Maus für Aflato-xin B1 50 mg/kg und für Sterigmato-cystin 800 mg/kg Körpergewicht [11].Allerdings kann die Konzentrationvon Sterigmatocystin in Lebensmit-teln deutlich höher sein als die vonAflatoxin [5, 20]. Da es aber nur inProdukten gefunden wird, die ausstark verschimmelten Rohstoffenstammen sowie gelegentlich auf Käse,wird eine Gesundheitsgefährdung ins-gesamt als gering eingeschätzt [11].

Alternaria-Toxine

Vertreter der Gattung Alternaria wer-den auch Schwärzepilze genannt.Etwa 300 Alternaria-Arten sind bisherbekannt, von denen die meisten wirts-spezifisch bestimmte Pflanzenartenparasitieren [16]. Einige Arten lebenjedoch saprophytisch und kommenubiquitär vor. Die Pilze gelten als weitverbreitete Materialzerstörer und Le-bensmittelverderber. Sie befallen alsFeld- und Lagerpilze Getreideartenwie Hirse, Weizen und Roggen, aberauch Gemüse und Obst, Nüsse, Tabakund Gewürze [23].

Alternaria alternata und Alternaria te-nuissima bilden beispielsweise schwar-ze Faulstellen auf Obst und Gemüse.Alternaria citri besiedelt Zitrusfrüchteauf dem Baum und kommt währenddes Transports und der Lagerung zurEntwicklung. Alternaria solani befällt

Kartoffelblätter und infiziert bei derErnte die Knolle (Hartfäule) [11].

Die Pilze produzieren je nach Art un-terschiedliche Mykotoxine. Mehr als30 verschiedene Substanzen sind be-kannt, von denen Tenuazonsäure(� Abbildung 7), Alternariol, Alter-nariol-Monomethylether, Altenuenund die Altertoxine I, II und III diehöchste Toxizität besitzen.

Akute Vergiftungen führen im Tier-versuch zu Diarrhö, Erbrechen undgastrointestinalen Blutungen sowieKrämpfen und Muskelzittern.

Die Pilzgifte wirken zytotoxisch,schwach mutagen sowie im Tierver-such teratogen und kanzerogen [20].Beim Menschen wird ein Zusammen-hang zwischen einer hohen Belastungmit Alternaria-Toxinen und dem Auf-treten von Speiseröhrentumoren dis-kutiert [24]. Einige Alternaria-Toxineblockieren die Ceramid-Synthase ver-gleichbar mit Fumonisin B1. Aller-dings ist die Wirkung deutlich schwä-cher. Das Einatmen von Alternaria-Sporen kann zu allergischen Reaktio-nen führen.

Eine Risikoabschätzung für den Ver-braucher ist aufgrund mangelnderDaten zurzeit nicht möglich. Höchst-gehalte für Lebensmittel existierenbisher nicht [23, 24].

Vorsorgemaßnahmen undEmpfehlungen

Eine Aufnahme von Mykotoxinen mitLebensmitteln wird nicht vollständigzu verhindern sein. Das Risiko einerKontamination lässt sich aber durcheine Vielzahl von Maßnahmen signifi-kant reduzieren.

Schimmelpilzgifte in pflanzlichen Le-bensmitteln sind in erster Linie aufeine Primärkontamination zurückzu-führen. Die Wahl resistenter Sorten,das sorgfältige Beseitigen oder Un-terpflügen von Ernterückständen,Fruchtwechsel, die richtige Düngungund geeigneter Pflanzenschutz kön-nen einen Befall deutlich vermindern[9, 11]. Ein wichtiger Kontaminati-onsweg tierischer Lebensmittel ist dascarry over. Die Vermeidungsstrategiebesteht in der Verfütterung von my-kotoxinfreiem Futter. Hier sind derLandwirt sowie der Futtermittelher-steller bzw. der Betreiber von Futter-lagern gefordert.

Während der Lagerung und Verar-beitung sind folgende Maßnahmenwichtig:

■ Reduzierung einer Pilzbelastungder Rohware durch Aussortierenvon verschimmelten Produktenbzw. Zurückweisen belasteter Par-tien

Abb. 7: Chemische Struktur von Citrinin, Citreoviridin, Sterigmatocystinund Tenuazonsäure [19]

O

O

CH3 CH3

CH3

OH

HOOC

Citrinin

O

CH3 O

H3COH

CH3

OH

CH3

O

H3CO

CH3

Citreoviridin

N

CH3

HO

OH3C

H3C

O

H

Tenuazonsäure

O O

O

OOH OCH3

Sterigmatocystin

Glossar:saprophytisch =

von totem orga-

nischem Mate-

rial lebend

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■ Hemmung des Pilzwachstums durchkonservierende Maßnahmen wieKühlen, Tiefgefrieren, Senkungdes aw-Wertes (z. B. durch Trock-nen, Salzen, Zuckern), CA-Lage-rung (Lagerung bei kontrollierterAtmosphäre mit vermindertemSauerstoff- und erhöhtem CO2-Ge-halt) oder Zusatz von Konservie-rungsstoffen

■ Abtötung der Pilze durch Sterilisa-tion und Pasteurisation

■ Vermeidung einer sekundärenKontamination durch geeigneteHygienemaßnahmen beim Herstel-len und Verpacken [12, 16]

Eine Intoxikation durch schimmelge-reifte Produkte kann vermieden wer-den, wenn eine geeignete Starterkul-tur verwendet wird und die Her-stellungsparameter wie Temperatur,Feuchtigkeit und Zeit eingehaltenwerden.

Jedes spontan verschimmelte Lebens-mittel ist als potenziell giftig anzuse-hen und sollte grundsätzlich nichtmehr verzehrt werden. Da sich Myko-toxine durch Diffusion im Lebensmit-tel verteilen können, ist es in derRegel nicht ausreichend, nur die ver-schimmelte Stelle des Lebensmittelszu entfernen [16].

Folgende Empfehlungen sind deshalbzu beachten [9, 11]:

■ Angefaultes Obst oder Gemüsenicht mehr verzehren. Durch dasAusschneiden der befallenen Be-reiche werden die Mykotoxinenicht vollständig entfernt.

■ Angeschimmelte tierische Lebens-mittel müssen ebenfalls komplettweggeworfen werden, auch Käse,denn Aflatoxine können erheblichin das Innere von Käse diffundie-ren.

■ Nüsse vor der Verwendung sortie-ren. Nicht nur verschimmelte, son-dern auch schlecht entwickelte,verfärbte oder geschrumpfte Nüssekönnen Mykotoxine enthalten.

■ Bei verschimmeltem Brot dieSchimmelstelle großräumig aus-schneiden. Eine Diffusion von My-kotoxinen außerhalb des sichtba-

ren Pilzbefalls wurde bei Brot bis-her nicht festgestellt.

■ Verschimmelte Konserven undKonfitüre komplett wegwerfen. Beihaushaltsmäßig hergestellter Kon-fitüre aus Früchten und Zucker imVerhältnis 1:1 reicht das großzügigeEntfernen, denn der hohe Zucker-gehalt hemmt die Toxinbildung.

■ Angefaulte und verschimmelte Le-bensmittel grundsätzlich nicht wei-terverarbeiten, da Mykotoxine sehrhitzestabil sind und durch thermi-sche Garverfahren nicht zerstörtwerden.

■ Kühlschrank und Brotfach sind Re-servoire im Haushalt, die immerwieder zur Infizierung von Vorrä-ten führen. Diese sollten sorgfältigtrocken und sauber gehalten wer-den.

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