Neue Instrumente im Direktmarketing - Coliquio...Im Ergebnis komme es auf den Return on Investment...

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Von Umfragen in den USA lassen sich die Dienstleister in Deutschland nicht beeindrucken. Laut einer Umfrage des Distributed Marketing Blog unter 190 Marketingführungskräften plant die amerikanische Pharmaindustrie, ihre Budgets für Direktmarketing zu- gunsten von Mobile-Marketing- und Social-Media-Aktivitäten zu reduzieren. In Deutschland rechnen Experten eben- falls mit einer Verschiebung in Rich- tung der digitalen Medien, allerdings nennen sie nicht explizit die Social- Media- und Mobile-Marketing-Kanäle. „In der Pharmaindustrie hat es schon immer eine Budgetaufteilung gege- ben, wie in vielen anderen Industrien und Unternehmen übrigens auch“, sagt Stefan Burckhardt, Leiter strate- gischer Vertrieb beim Direktmarke- tingdienstleister Avocis Deutschland. Es sei zeitgemäß, wenn die Industrie in digitale Medien mehr investieren will. Im Ergebnis komme es auf den Return on Investment an, betont der Vertriebs- leiter, weist aber gleichwohl daraufhin, dass die klassischen Vertriebskanäle „natürlich weiterhin ihre Bedeutung haben und eingesetzt werden“. Klassisches Direktmarketing wird bei Produktneueinführungen, beim Re- launch von Produkten, Zulassungs- erweiterungen, Einladungen zu Ver- anstaltungen, internetbasierten Fort- bildungen sowie Produktmarketing eingesetzt. Oft wählt die Industrie bei erklärungsbedürftigen Produkten eine Kombination aus Außendienst und Direktmarketing. „Eine gemein- same Marktbearbeitung, in der unter- schiedliche und von den Zielpersonen akzeptierte Anspracheformen einge- setzt werden, bringt einen optimierten Ressourcenmix, der Kosten reduzieren kann“, erläutert Burckhardt. Die Kosten des Kontakts hängen dabei stark von den eingesetzten Kanälen ab. So beginnt der Kontaktpreis pro Arzt bei 0,60 Euro für ein einfaches Mailing, kann aber bis zu 150 Euro pro Kontakt ansteigen, wenn ein Außendienstbesuch integriert werden soll. Einen Bedeutungsverlust für das klas- sische Direktmarketing kann auch nicht Gottfried Unterweger, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnami- gen Healthcare-Agentur mit Sitz in Hamburg, beobachten. „Die digitalen Medien sind eine gute Ergänzung zu den klassischen Tools, aber kein Ersatz“, stellt Unterweger fest, „denn Kommunikation ist mittlerweile komplexer und vielfäl- tiger geworden. Es reicht nicht, eins zu können und alles andere abzulehnen.“ Bei seinen Kundenprojekten hält er sein Team an, stets aufs Neue für die jeweilige Zielgruppe und Aufgabe das richtige Tool einzusetzen. Die Kunden öffnen sich zunehmend für digitale Lö- sungen, auch „weil es aktuell als schick empfunden wird, in diese zu investie- ren“, berichtet Unterweger aus dem Agenturalltag. Bewegtbilder im Netz sind ein Beispiel dafür, wie Botschaften in nachhaltiger Form vermittelt werden können. Und Apps bieten nicht nur neue Kommunikationsmöglichkeiten, sondern auch ein unbegrenztes Spei- cherpotenzial. Die Entwicklung in den USA begrüßt Hubert Sichler, Partner der Agentur Serviceplan Health & Life in München, und rechnet künftig mit stärkeren In- vestitionen auch in Deutschland. „Mo- bile Marketing und Social Media sind die modernen, auf direkten Response ausgerichteten Dialogformen. Mailings, Callcenter und die weiteren klassi- schen Direktmarketingkanäle werden an Bedeutung verlieren – auch bei uns in Deutschland“, proklamiert Sichler. Gleichzeitig mahnt er vor Vereinfa- chung: „Die neuen Medien erfordern eine komplett andere Herangehenswei- se und andere Inhalte als die Klassik.“ Sowohl Unterweger als auch Sichler realisieren aktuell eine Reihe von Di- rektmarketingmaßnahmen mit digita- len Medien. „Wir arbeiten im Moment an einer webbasierten Expertenplatt- form, die Information, Education und Networking vereint“, berichtet Unter- weger. „Das iPad nutzen wir ebenfalls in vielfältiger Weise, zum Beispiel für internetgestütztes E-Learning oder Im Direktmarketing vollzieht sich ein Wandel. Klas- sische Maßnahmen werden mit digitalen Lösungen ergänzt, aufgewertet oder sogar komplett ersetzt. Neue Instrumente im Direktmarketing Autorin: Sandra Fösken 28 pharma marketing journal 3/2012 SPECIAL BUSINESS Direktmarketing Produktschulungen – das sogenannte E-Detailing. Denn alles, was mit einer „Apple“-Gerätenutzung verbunden ist, kommt bei Ärzten gut an“, weiß der Hamburger. Ärzte und Apotheker gelten als besonders Apple-affin. Allerdings klassifiziert er solche E-Detailing- Maßnahmen nicht als dem Direktmar- keting zugehörig. Ein sehr erfolgreiches Projekt war eine multimediale Musterbox, die seine Agentur 2011 im Auftrag eines Kun- den an 3 000 Ärzte versendete. Die Besonderheit war ein drei Millimeter großer, flacher Bildschirm, der in die Box integriert war, auf dem die Ärzte ein Anwendungsvideo abspielen konn- ten. „Diese Idee kam bei den Ärzten in Deutschland und UK sehr gut an“, freut sich Unterweger. Die Empfänger waren so positiv von der Technika an- getan, dass sie Filme auch Kollegen und Patienten vorführten. Damit konnte ein klassischer Multiplikatoreneffekt erzielt werden. Und nach wenigen Tagen gingen die ersten Nachbestellungen für diese Boxen in der Agentur ein. Noch Lernbedarf haben die Fachkreise im Umgang mit Social-Media-Netz- werken wie Facebook und auch dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Den Ärzten und Apothekern fehlt einfach noch die Affinität zu diesen neuen Medien“, stellt Unterweger fest. Eine Ausnahme bilden geschlossene Communitys wie Facharzt.de, Doc- check.de, Esanum.de oder Coliquio.de. Aber selbst diesen Expertennetzwer- ken begegnen sie mit einer gewissen Zurückhaltung. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb von der Industrie finanziert wird, was bei den Genannten teilweise gegeben ist. Die Vorbehalte unter den Ärzten ist in diesen Fällen zunächst einmal groß. Wie die Überzeugungsarbeit erfolgreich gelingen kann, zeigt das Expertennetz- werk Coliquio.de. Das Unternehmen, das hinter der Expertencommunity steht, ist aus einem Projekt der Hoch- schule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz hervorgegangen. Welche Entwick- lungen stellen Sie im Direktmarke- ting fest? SIEHLER: Die Zielgruppe Arzt steht längst nicht mehr so im Fokus, wie vor ein paar Jahren. Das hat auch mit dem AMNOG und weiteren Restriktionen zu tun. Warum soll beworben werden, was durch Rabattverträge verteilt wurde? Bei den Innovationen und den Spezialitäten sieht das noch anders aus. Hier wird weiterhin „klassisch“ aber auch mit zunehmender Tendenz in Richtung digitaler Kommuni- kation gearbeitet. Ärzte sind jedoch nach wie vor mit digitalen Medien allein nicht optimal zu erreichen. Welchen Medieneinsatz empfehlen Sie bei der Ansprache von Apothekern? SIEHLER: Die Kommunikationsabsicht be- stimmt die Wahl der Medien. Der Apothe- ker wird in der Selbstmedikation wichtiger und deshalb auch stark umworben, aber sicherlich nicht nur digital. Die Frage nach den richtigen Medien beantwortet der Blick in den Papierkorb der Apotheke. Hier sind immer noch der Außendienstbesuch, Schulungen, Service und der Werbedruck bei Verbrauchern wichtig. Digitale Medien sind aber im Trend… SIEHLER: Die digitalen Medien bieten kein Patentrezept – weder im Direktmarketing- Bereich, noch in der Business-to-Busi- ness- oder der Business-to-Customer- Kommunikation. Sie stellen aber eine ideale Bereicherung dar und eröffnen tolle Möglichkeiten, Inhalte interessant und responseorientiert zu verpacken. Nur: Auf den Inhalt und die Idee kommt es an. Hubert Sichler, Partner der Agen- tur Serviceplan Health & Life in München »Ärzte sind mit digitalen Medien allein nicht optimal zu erreichen« Das Gespräch führte Sandra Fösken Neue Lösungen für die Industrie: Eine kreative Idee für Ärzte hatte die Healthcare-Agentur Unterweger in Hamburg, die zur Bekanntmachung eines Produkts auf einer Box einen Bildschirm mit einem Anwendungsvideo platzierte. pharma marketing journal 3/2012 29 Gründer und Geschäftsführer sind Felix Rademacher und Martin Drees. Rademacher hat die Idee konsequent verfolgt, eine Community für Ärzte zu entwickeln, die Ärzten bei offenen Fragen zu Diagnose und Therapien hilft. Mit Erfolg: Aktuell sind es über 60 000 aktive deutschsprachige Ärzte. Im Schnitt wächst die Community um monatlich 2 200 Ärzte. Ende des Jahres rechnet Rademacher mit 75 000 aktiven Medizinern. Das Mitgliederwachstum entwickelte sich anfangs erst langsam. „Es war schwierig, die Ärzte für eine Communi- ty zu gewinnen“, bekennt Rademacher. Doch das transparente Geschäftsmo- dell und der hohe Nutzwert für Ärzte, „Fragen unter Kollegen in einem ge- schlossenen digitalen Raum zu stellen, die innerhalb von 24 Stunden quali- fiziert beantwortet werden können“, überzeugte die Mediziner ebenso wie Erfolgsbeispiele. So hat ein mit einer Leukämiepatien- tin bekannter Arzt aus Villach (Öster- reich) wichtige Informationen für eine lebensrettende Knochenmarkspende in der Onlinecommunity Coliquio.de generiert. Hintergrund war, dass er die finalen Aussagen der behandelnden Klinikärzte nicht akzeptieren wollte, wonach potenzielle Spender aus dem Familienkreis allein aufgrund ihres Alters ausgeschlossen werden sollten. Zu seiner Frage nach der Berechtigung der Altersgrenze (50 Jahre) meldeten sich innerhalb von 24 Stunden zahlreiche Arztkollegen zu Wort. Richtlinien, Risi- ken für den Spender sowie die Qualität der Spenderzellen wurden diskutiert. Ebenso berichteten die Mediziner von ihren Erfahrungen mit der Stammzel- lentransplantation. Motiviert durch die geschöpften In- formationen wurde ein Klinikwechsel der Patientin nach Wien veranlasst. Dort erhielt sie die lebensrettende Knochenmarkspende ihres 62-jährigen Verwandten. „Wir versprechen einen schnellen, verlässlichen und transparenten Aus- tausch zwischen Experten in über 70 verschiedenen Fachrichtungen“, sagt Rademacher. Außerdem erhalten die Ärzte Neuigkeiten aus der Pharmabran- che, Studien, Fortbildungstermine. Die Industrie hat keinen Zugang zu dem Ärztedialog. Die Mitglieder können sicher sein, dass der medizinische Aus- tausch nicht von der Pharmaindustrie eingesehen werden kann. Für die Pharmaindustrie hat das Un- ternehmen eigene Bereiche und Mög- lichkeiten vorgesehen, die ihnen einen direkten Kontakt zu den Medizinern nach Fachbereichen und Positionen bieten. Sie können bestimmte Arztziel- gruppen zu Produkten, Diagnose- und Therapieverfahren befragen, Meinungs- führer identifizieren und Neuigkeiten gezielt streuen. Die Erkenntnisse sind für die Industrie von hohem Nutzen. Zum Beispiel können Meinungsbildner ermittelt werden, die sehr viele posi- tive Äußerungen in einer Indikation getätigt haben und dabei viel positive Zustimmung durch andere Ärzte in der Community erfahren haben. Die Industrie kann hier direkt mit den Meinungsbildnern in Kontakt treten und muss nicht mehr die Schleife über den Außendienst drehen. Auch Diskus- sionen zu bestimmten Themen kann die Industrie anregen und Meinungen einsammeln. Coliquio analysiert im Auftrag der Kunden auch das Potenzial für Markt- forschungsprojekte und Marketing- aktionen. So fragen Kunden nach, mit welchem Anteil die Vielverschreiber oder Wenigverschreiber im Hinblick auf einen Wirkstoff in der Community vertreten sind, sodass die Industrie gezielte Direktmarketingmaßnahmen einleiten kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Industrie ihre Kundendaten zur Verfügung stellt. „Schnellabstimmun- gen sind ebenfalls möglich, Kongresse können beworben werden und CME- Fortbildungen eingestellt werden“, nennt Rademacher weitere Vorteile dieses Mediums. Das Who‘s who der großen Pharmarie- sen ist dort mittlerweile präsent. Das war anfangs nicht der Fall, „erst als wir die kritische Masse von 15 000 bis 20 000 registrierten Ärzten durchbrochen ha- ben“, erzählt Rademacher. Die Maßnahmen werden auch einer monatlichen Erfolgsmessung mit Re- porting unterzogen. Die Industrie sieht dadurch sehr schnell, ob sich beispiels- weise das Verordnungsverhalten oder die Weiterempfehlungsbereitschaft verändert hat. Das Ärztenetzwerk Coliquio.de: Ärzte aus 70 Fachgebieten sind dort aktiv. Es sind sehr erfahrene Ärzte mit einem Altersdurchschnitt von 49,8 Jahren, die sich über Patientenfälle austauschen. EXPERTENNETZWERK COLIQUIO Infocenter auf Coliquio.de: In extra ausge- wiesenen Bereichen darf die Industrie Ärzte in dem Netzwerk kontaktieren und mit Informati- onen versorgen. 30 pharma marketing journal 3/2012 SPECIAL BUSINESS Direktmarketing

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Von Umfragen in den USA lassen sich die Dienstleister in Deutschland nicht beeindrucken. Laut einer Umfrage des Distributed Marketing Blog unter 190 Marketingführungskräften plant die amerikanische Pharmaindustrie, ihre Budgets für Direktmarketing zu-gunsten von Mobile-Marketing- und Social-Media-Aktivitäten zu reduzieren. In Deutschland rechnen Experten eben-falls mit einer Verschiebung in Rich-tung der digitalen Medien, allerdings nennen sie nicht explizit die Social-Media- und Mobile-Marketing-Kanäle.

„In der Pharmaindustrie hat es schon immer eine Budgetaufteilung gege-ben, wie in vielen anderen Industrien und Unternehmen übrigens auch“, sagt Stefan Burckhardt, Leiter strate-gischer Vertrieb beim Direktmarke-tingdienstleister Avocis Deutschland. Es sei zeitgemäß, wenn die Industrie in digitale Medien mehr investieren will. Im Ergebnis komme es auf den Return on Investment an, betont der Vertriebs-leiter, weist aber gleichwohl darauf hin, dass die klassischen Vertriebskanäle „natürlich weiterhin ihre Bedeutung haben und eingesetzt werden“. Klassisches Direktmarketing wird bei Produktneueinführungen, beim Re-launch von Produkten, Zulassungs-erweiterungen, Einladungen zu Ver-

anstaltungen, internetbasierten Fort-bildungen sowie Produktmarketing eingesetzt. Oft wählt die Industrie bei erklärungsbedürftigen Produkten eine Kombination aus Außendienst und Direktmarketing. „Eine gemein-same Marktbearbeitung, in der unter-schiedliche und von den Zielpersonen akzeptierte Anspracheformen einge-setzt werden, bringt einen optimierten Ressourcenmix, der Kosten reduzieren kann“, erläutert Burckhardt. Die Kosten des Kontakts hängen dabei stark von den eingesetzten Kanälen ab. So beginnt der Kontaktpreis pro Arzt bei 0,60 Euro für ein einfaches Mailing, kann aber bis zu 150 Euro pro Kontakt ansteigen, wenn ein Außendienstbesuch integriert werden soll.

Einen Bedeutungsverlust für das klas-sische Direktmarketing kann auch nicht Gottfried Unterweger, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnami-gen Healthcare-Agentur mit Sitz in Hamburg, beobachten. „Die digitalen Medien sind eine gute Ergänzung zu den klassischen Tools, aber kein Ersatz“, stellt Unterweger fest, „denn Kommunikation ist mittlerweile komplexer und vielfäl-tiger geworden. Es reicht nicht, eins zu können und alles andere abzulehnen.“ Bei seinen Kundenprojekten hält er sein Team an, stets aufs Neue für die

jeweilige Zielgruppe und Aufgabe das richtige Tool einzusetzen. Die Kunden öffnen sich zunehmend für digitale Lö-sungen, auch „weil es aktuell als schick empfunden wird, in diese zu investie-ren“, berichtet Unterweger aus dem Agenturalltag. Bewegtbilder im Netz sind ein Beispiel dafür, wie Botschaften in nachhaltiger Form vermittelt werden können. Und Apps bieten nicht nur neue Kommunikationsmöglichkeiten, sondern auch ein unbegrenztes Spei-cherpotenzial.

Die Entwicklung in den USA begrüßt Hubert Sichler, Partner der Agentur Serviceplan Health & Life in München, und rechnet künftig mit stärkeren In-vestitionen auch in Deutschland. „Mo-bile Marketing und Social Media sind die modernen, auf direkten Response ausgerichteten Dialogformen. Mailings, Callcenter und die weiteren klassi-schen Direktmarketingkanäle werden an Bedeutung verlieren – auch bei uns in Deutschland“, proklamiert Sichler. Gleichzeitig mahnt er vor Vereinfa-chung: „Die neuen Medien erfordern eine komplett andere Herangehenswei-se und andere Inhalte als die Klassik.“ Sowohl Unterweger als auch Sichler realisieren aktuell eine Reihe von Di-rektmarketingmaßnahmen mit digita-len Medien. „Wir arbeiten im Moment an einer webbasierten Expertenplatt-form, die Information, Education und Networking vereint“, berichtet Unter-weger. „Das iPad nutzen wir ebenfalls in vielfältiger Weise, zum Beispiel für internetgestütztes E-Learning oder

Im Direktmarketing vollzieht sich ein Wandel. Klas-sische Maßnahmen werden mit digitalen Lösungen ergänzt, aufgewertet oder sogar komplett ersetzt.

Neue Instrumente im Direktmarketing Autorin: Sandra Fösken

28 pharma marketing journal 3/2012

Special BuSineSS Direktmarketing

Produktschulungen – das sogenannte E-Detailing. Denn alles, was mit einer „Apple“-Gerätenutzung verbunden ist, kommt bei Ärzten gut an“, weiß der Hamburger. Ärzte und Apotheker gelten als besonders Apple-affin. Allerdings klassif iziert er solche E-Detailing-Maßnahmen nicht als dem Direktmar-keting zugehörig.

Ein sehr erfolgreiches Projekt war eine multimediale Musterbox, die seine Agentur 2011 im Auftrag eines Kun-den an 3 000 Ärzte versendete. Die Besonderheit war ein drei Millimeter großer, f lacher Bildschirm, der in die Box integriert war, auf dem die Ärzte ein Anwendungsvideo abspielen konn-ten. „Diese Idee kam bei den Ärzten in Deutschland und UK sehr gut an“, freut sich Unterweger. Die Empfänger waren so positiv von der Technika an-getan, dass sie Filme auch Kollegen und Patienten vorführten. Damit konnte ein klassischer Multiplikatoreneffekt erzielt werden. Und nach wenigen Tagen gingen die ersten Nachbestellungen für diese Boxen in der Agentur ein.

Noch Lernbedarf haben die Fachkreise im Umgang mit Social-Media-Netz-werken wie Facebook und auch dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Den Ärzten und Apothekern fehlt einfach noch die Affinität zu diesen neuen Medien“, stellt Unterweger fest. Eine Ausnahme bilden geschlossene Communitys wie Facharzt.de, Doc-check.de, Esanum.de oder Coliquio.de. Aber selbst diesen Expertennetzwer-

ken begegnen sie mit einer gewissen Zurückhaltung. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb von der Industrie finanziert wird, was bei den Genannten teilweise gegeben ist. Die Vorbehalte unter den Ärzten ist in diesen Fällen zunächst einmal groß.

Wie die Überzeugungsarbeit erfolgreich gelingen kann, zeigt das Expertennetz-werk Coliquio.de. Das Unternehmen, das hinter der Expertencommunity steht, ist aus einem Projekt der Hoch-schule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz hervorgegangen.

Welche Entwick-lungen stellen Sie im Direktmarke-ting fest?SIEHLER: Die Zielgruppe Arzt

steht längst nicht mehr so im Fokus, wie vor ein paar Jahren. Das hat auch mit dem AMNOG und weiteren Restriktionen zu tun. Warum soll beworben werden, was durch Rabattverträge verteilt wurde? Bei den Innovationen und den Spezialitäten sieht das noch anders aus. Hier wird weiterhin „klassisch“ aber auch mit zunehmender Tendenz in Richtung digitaler Kommuni-kation gearbeitet. Ärzte sind jedoch nach wie vor mit digitalen Medien allein nicht optimal zu erreichen.

Welchen Medieneinsatz empfehlen Sie bei der Ansprache von Apothekern?SIEHLER: Die Kommunikationsabsicht be-stimmt die Wahl der Medien. Der Apothe-ker wird in der Selbstmedikation wichtiger und deshalb auch stark umworben, aber sicherlich nicht nur digital. Die Frage nach den richtigen Medien beantwortet der Blick in den Papierkorb der Apotheke. Hier sind immer noch der Außendienstbesuch, Schulungen, Service und der Werbedruck bei Verbrauchern wichtig.

Digitale Medien sind aber im Trend…SIEHLER: Die digitalen Medien bieten kein Patentrezept – weder im Direktmarketing-Bereich, noch in der Business-to-Busi-ness- oder der Business-to-Customer-Kommunikation. Sie stellen aber eine ideale Bereicherung dar und eröffnen tolle Möglichkeiten, Inhalte interessant und responseorientiert zu verpacken. Nur: Auf den Inhalt und die Idee kommt es an. ←

Hubert Sichler, Partner der Agen-tur Serviceplan Health & Life in München

»Ärzte sind mit digitalen Medienallein nicht optimal zu erreichen«Das Gespräch führte Sandra Fösken

Neue Lösungen für die Industrie: Eine kreative Idee für Ärzte hatte die Healthcare-Agentur Unterweger in Hamburg, die zur Bekanntmachung eines Produkts auf einer Box einen Bildschirm mit einem Anwendungsvideo platzierte.

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Gründer und Geschäftsführer sind Felix Rademacher und Martin Drees. Rademacher hat die Idee konsequent verfolgt, eine Community für Ärzte zu entwickeln, die Ärzten bei offenen Fragen zu Diagnose und Therapien hilft. Mit Erfolg: Aktuell sind es über 60 000 aktive deutschsprachige Ärzte. Im Schnitt wächst die Community um monatlich 2 200 Ärzte. Ende des Jahres rechnet Rademacher mit 75 000 aktiven Medizinern. Das Mitgliederwachstum entwickelte sich anfangs erst langsam. „Es war schwierig, die Ärzte für eine Communi-ty zu gewinnen“, bekennt Rademacher. Doch das transparente Geschäftsmo-dell und der hohe Nutzwert für Ärzte, „Fragen unter Kollegen in einem ge-schlossenen digitalen Raum zu stellen, die innerhalb von 24 Stunden quali-fiziert beantwortet werden können“, überzeugte die Mediziner ebenso wie Erfolgsbeispiele. So hat ein mit einer Leukämiepatien-tin bekannter Arzt aus Villach (Öster-reich) wichtige Informationen für eine lebensrettende Knochenmarkspende in der Onlinecommunity Coliquio.de generiert. Hintergrund war, dass er die finalen Aussagen der behandelnden Klinikärzte nicht akzeptieren wollte, wonach potenzielle Spender aus dem Familienkreis allein aufgrund ihres Alters ausgeschlossen werden sollten. Zu seiner Frage nach der Berechtigung der Altersgrenze (50 Jahre) meldeten sich innerhalb von 24 Stunden zahlreiche Arztkollegen zu Wort. Richtlinien, Risi-

ken für den Spender sowie die Qualität der Spenderzellen wurden diskutiert. Ebenso berichteten die Mediziner von ihren Erfahrungen mit der Stammzel-lentransplantation. Motiviert durch die geschöpften In-formationen wurde ein Klinikwechsel der Patientin nach Wien veranlasst. Dort erhielt sie die lebensrettende Knochenmarkspende ihres 62-jährigen Verwandten. „Wir versprechen einen schnellen, verlässlichen und transparenten Aus-tausch zwischen Experten in über 70 verschiedenen Fachrichtungen“, sagt Rademacher. Außerdem erhalten die Ärzte Neuigkeiten aus der Pharmabran-che, Studien, Fortbildungstermine. Die Industrie hat keinen Zugang zu dem Ärztedialog. Die Mitglieder können sicher sein, dass der medizinische Aus-tausch nicht von der Pharmaindustrie eingesehen werden kann.

Für die Pharmaindustrie hat das Un-ternehmen eigene Bereiche und Mög-lichkeiten vorgesehen, die ihnen einen direkten Kontakt zu den Medizinern nach Fachbereichen und Positionen bieten. Sie können bestimmte Arztziel-gruppen zu Produkten, Diagnose- und Therapieverfahren befragen, Meinungs-führer identifizieren und Neuigkeiten gezielt streuen. Die Erkenntnisse sind für die Industrie von hohem Nutzen. Zum Beispiel können Meinungsbildner ermittelt werden, die sehr viele posi-tive Äußerungen in einer Indikation getätigt haben und dabei viel positive

Zustimmung durch andere Ärzte in der Community erfahren haben. Die Industrie kann hier direkt mit den Meinungsbildnern in Kontakt treten und muss nicht mehr die Schleife über den Außendienst drehen. Auch Diskus-sionen zu bestimmten Themen kann die Industrie anregen und Meinungen einsammeln. Coliquio analysiert im Auftrag der Kunden auch das Potenzial für Markt-forschungsprojekte und Marketing-aktionen. So fragen Kunden nach, mit welchem Anteil die Vielverschreiber oder Wenigverschreiber im Hinblick auf einen Wirkstoff in der Community vertreten sind, sodass die Industrie gezielte Direktmarketingmaßnahmen einleiten kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Industrie ihre Kundendaten zur Verfügung stellt. „Schnellabstimmun-gen sind ebenfalls möglich, Kongresse können beworben werden und CME-Fortbildungen eingestellt werden“, nennt Rademacher weitere Vorteile dieses Mediums. Das Who‘s who der großen Pharmarie-sen ist dort mittlerweile präsent. Das war anfangs nicht der Fall, „erst als wir die kritische Masse von 15 000 bis 20 000 registrierten Ärzten durchbrochen ha-ben“, erzählt Rademacher. Die Maßnahmen werden auch einer monatlichen Erfolgsmessung mit Re-porting unterzogen. Die Industrie sieht dadurch sehr schnell, ob sich beispiels-weise das Verordnungsverhalten oder die Weiterempfehlungsbereitschaft verändert hat. ←

Das Ärztenetzwerk Coliquio.de: Ärzte aus 70 Fachgebieten sind dort aktiv. Es sind sehr erfahrene Ärzte mit einem Altersdurchschnitt von 49,8 Jahren, die sich über Patientenfälle austauschen.

EXPERTENNETZWERK COLIQUIO

Infocenter auf Coliquio.de: In extra ausge-wiesenen Bereichen darf die Industrie Ärzte in dem Netzwerk kontaktieren und mit Informati-onen versorgen.

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Special BuSineSS Direktmarketing

Micha
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