Neue Städte und Grosssiedlungen der Epoche 1950–1975: schon Baugeschichte oder noch aktuell?
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Neue Städte und Grosssiedlungen der Epoche1950–1975: schon Baugeschichte oder noch aktuell?Thomas Sieverts & Ilse IrionPublished online: 01 Nov 2012.
To cite this article: Thomas Sieverts & Ilse Irion (1994) Neue Städte und Grosssiedlungen der Epoche 1950–1975: schonBaugeschichte oder noch aktuell?, disP - The Planning Review, 30:117, 3-10, DOI: 10.1080/02513625.1994.10556536
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DISP 117 3Thomas Sieverts, lise Irion
Neue Steidte und Grosssiediungen der Epoche 1950-1975:schon Baugeschichte oder noch aktuell?
Nach fast zwei Jahrzehnten des stagnierenden Stadtwachstums, in dem manglaubte, wegen zuruckgehender Bevolkerungszahlen die Aufgaben der Stadtplanung durch Stadterneuerung und Innenentwicklung losen zu konnen, stehen
die Stadte seit der grossen europaischenWende wieder vor Dimensionen derWohnungsnachfrage, die mit Innenentwicklung allein nicht zu losen sind, sondern offensichtlich erhebliche Stadterweiterungen erfordern: In den meistendeutschen Grossstadten sind wieder
Planungen fur grosse, neue, in sich geschlossene Stadtteile in Arbeit.
Da sollte es eigentlich selbstverstandlich sein, sich mit den Siedlungsergebnissen aus der letzten grossen Phase dereuropaischen Stadterweiterungen zwischen 1950 und 1975 zu beschaftigen,um offensichtliche Fehler in der vor uns
liegenden Phase der Entwicklung neuerStadtteile zu vermeiden. Dabei ist unseregrundsatzliche Einstellung der Aufgabegegenuber von Bedeutung:
Sind die Grosssiediungenund «NeuenStadte» jener Zeit eigentlich schon einhistorisch abgeschlossenes Thema derStadtgeschichte, oder zeigen sie eineauch heute noch aktuelle Konzeption derModerne?
.Erfahrungstransfer: zwischen zuuberwindender und .unvollendeterModerneAusserlich gesehen zeigen sie durchausverwandte Merkmale mit den heute gebauten neuen Stadttei len:
Denn «Neue Stadte», «Trabantenstadte» oder - nuchterner - «Grosssiedlungen» sind die Bezeichnungen fur die insich geschlossenen, schon von weitemerkennbaren Siedlungsgebiete mit mehreren tausend Bewohnern, die nach einheitlichen, haufig mit ehrgeizigen sozialen und kulturellen Zielen verbundenenPlanen, in der Nachkriegszeit etwa zwischen 1950 und 1975, in ganz Europakonzipiert und gebaut wurden.
Um die Frage der Aktualitat beantworten zu konnen, muss man differenzleren:
Die Grosssiediungen waren im allgemeinen konzipiert fur eine Grossenordnung von 15000-25000 Einwohnern,
ZUnl Teil wurde die Zahl der Bewohnerauch erheblich uberschritten. Sie zeigenin allen europaischen Laridern typischeEntwicklungszuge, die es erlauben,idealtypisch von drei «Generationen» zusprechen. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit
im Detail weisen sie aile in verschieden
gestaltiger Auspragung das Grundprinzip der nach den Hauptfunktionen Wohnen, Versorgen, Bildung und Erholungsowie Arbeit geordneten «funktionalenStadt» auf.
Die erste Generation der funfziger
Jahre in der Wiederaufbauzeit folgt demIdeal der gegliederten, aufgelockerten
. und durchgrunten Stadt, die zweite Generation ist gepragt von den grossenWachstumserwartungen der sechzigerJahre und zeigt im Kontrast zur erstenGeneration eine ausserordentliche horizontale und vertikale Verdichtung, biszur einheitlichen, stadtebaulichenGrossform, wahrend die dritte Generation der siebziger Jahre nach den Erfahrungen der Rezession Ende der sechziger Jahre und nach Beseitigung derdruckendsten Wohnungsnot meist wieder eine grossere Vielfalt der Erscheinung zeigt, mit geringeren Dichten,anspruchsvoller Architektur und mehroffenen, landschaftlich gestalteten Freiflachen.
In den «Neuen Stadten» haben sichdie stadtebaulichen Ideale der jeweiligen Entstehungszeit am deutlichsten ausgepragt, die sich partiell auch, der kleineren Grossenordnung entsprechend, inden sehr viel zahlreicheren Grosswohnanlagen unterschiedlicher Dimensionenausdrucken. Die «Neuen Stadte» stellendeswegen ein besonders geeignetes Untersuchungsfeld fur die Periode von 1950bis 1975 fur die jeweils zeittypischenZielvorstellungen im Stadtebau dar. Sogesehen sind sie einer abgeschlossenenPhase der zentraleuropaischen Stadtentwicklung zuzurechnen und sind als insich geschlossene Gebilde damit trotzihres geringen Alters - sie sind nochnicht einmal finanziell abgeschrieben
zu einem Thema der modernen Stadtgeschichte geworden.
Andererseits konnten Analyse undDarstellung der Erfahrungen mit ausgewahlten Neuen Stadten in Zentral-, Ostund Nordeuropa zu einem nutzlichen Er-
fahrungstransfer fur die neu anstehenden Aufgaben der Stadterweiterung beitragen - wenn es gelingt, das spezifischeWesen und die strukturellen Merkmaleherauszuarbeiten.
Dieser Doppelcharakter von Ge
schichtlichkeit und konzeptioneller Aktualitat fuhrt in der stadtplanerischenPraxis zur Gretchenfrage: Soil man sieals Zeugnisse einer abgeschlossenen,historischen Epoche behandeln oder alsnoch konzeptionell aktuelle, «unvollendete Moderne», die es weiterzufuhrenund deren Anspruch es auch unter veranderten Bedingungen einzulosen gilt?
In einer wichtigen Eigenschaft konnenwir ihr historisch bedingtes Wesen deutlich erkennen:
Die Grosssiediungen waren zumeistnicht nur als raumlich begrenzte, sondern auch als zeitlich abgeschlosseneSiedlungsgebilde entworfen worden, furein endgultiges Bild einer zeitlosen Zukunft, sozusagen fur einen endgultigenZustand der Fertigkeit und Ganzheit, ohne konzeptionelle Offenheit fCir geschichtlichen Wandel. Diese Auffassungerweist sich heute als falsch und verhangnisvoll, denn ihre beabsichtigte undvermeintliche Fertigkeit birgt gleichzeitig eine Fulle von Konflikten: Wenn sie gemessen an okonomischen und sozialen Kriterien - erfolgreich sind, sind die,Neuen Stadte weiterhin aktive Entwicklungsgebiete und haben deshalb vitaleAnpassungsprobleme.
Die weniger erfolgreichen NeuenStadte, insbesondere diejenigen derzweiten Generation aus den sechzigerJahren, die gepragt sind von industrialisierter Vorfertigung und hoher Dichte,.leiden zum Teil jetzt schon, nach ein biszwei Jahrzehnten, unter schweren sozialen, okonomischen und technischen Problemen, die ihnen bisweilen den Ruf vonSlums eingetragen hoben, die dringendder Stadterneuerung bedurfen.
In jedem Fall erweist sich die Eigenschaft des «Fertigen», das konzeptionellkaum Entwicklungen zulasst, als schwe
res Hindernis bei der Anpassung an ge
wandelte Bedingungen, insbesondere inden baulich verdichteten und industrialisierten Stadtstrukturen. Man muss diese Neuen Stadte heute aus ihrer stahlbetonierten Versteinerung befreien und
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Karlsruhe-Waldstatt: Die Abstande zwischen den
Zeilen bilden grosszUgige Freiflochen, und der
alte Baumbestand pragt den Raum.
Karlsruhe-Waldstatt (K. Selg), Modellfoto 1956.
(Bsp. fUr die «erste Generation» von Neuen
Stodten)
offnen fur eine Entwicklung, in der wieder Spielraume freigelegt werden undsoziale Aneignungsprozesse stattfinden
konnen, in der diese Gebilde auch in
Wurde altern und Patina ansetzen
konnen.Damit stellen sich Fragen des Um
gangs mit der ursprunglichen Planungskonzeption: Der bewusst antihistorischeCharakter dieser Konzeptionen verleitetdazu, mit ihnen historisch sorglos umzugehen und sie so zu behandeln, als obsie keine eigene Geschichte hatten. Die
se Einstellung erscheint uns aber heute
unangemessen und kurzsichtig.
Denn diesen Konzeptionen liegt eine
eigene wesentliche Geschichte zugrunde. Die Konzipierungs- und Entstehungszeit hat einen geschichtlichen Charakter,
den man genauso erkennen muss wiebei Eingriffen in historisch schon sank
tionierte Stadtkonzeptionen des Mittelalters und der Neuzeit: Wir machen sonstwieder den gleichen Fehler wie nachdem Zweiten Weltkrieg im Umgang mitder Stadt des 19. Jahrhunderts.
Vor allen punktuell-pragmatischen,einseitig sektoralen Sanierungs- und An
passungseingriffen erscheint es notwen
dig, innezuhalten und den Blick nicht nurisolieri auf die Probleme einzelner Siedlungen zu richten, sondern die Betrach-
tung mit etwas mehr Distanz auf dasGanze zu lenken: auf die Planungsziele
die Entstehungsbedingungen und die
Durchfuhrungsprobleme nicht nur der
heutigen Problemsiedlungen, sondernauch der gelungenen Beispiele derNeuen Stadte, und zwar nicht nur in derBundesrepublik, sondern auch im europaischen Ausland. Dabei mussen einerseits die jeweiligen Siedlungsindividualitaten analysiert und andererseits diegemeinsamen strukturellen Merkmaleherausgearbeitet werden.
Ergebnisse einer Untersuchung
Der heroische Stadt- und WeltverbesserungsidealismusDie Jahre, in denen die Neuen Stadte
nach demo Zweiten Weltkrieg konzipiertund begonnen wurden, waren ohneZweifel eine Periode mit dem grossten
Stadtwachstum in der Geschichte Europas. In den Neuen Stadten haben sich
die Hoffnungen, Ideen und Ziele, die mit
diesem gewaltigen Stadtwachstum ver
bunden waren, am reinsten verkorpert.Sie dienten neben dem unabweisbaren
Bedurfnis, moglichst viel Wohnraum inkurzer Zeit zu schaffen, auch als gesell
schaftspolitische Hoffnungs- und Experimentierfelder.: Es galt, mit einer neuen,
idealen Wohnumwelt auch einen neuen,besseren und glucklicheren Menschenzu schaffen.
Die Planungskonzepte der NeuenStadte waren bisher die letzten heroischen Versuche, da~ gesamte Alltagsleben in einer nicht nur funktionell, sondern auch kulturell ganzheitlich gesehenen stadtischen Umwelt zu beheimaten
und abzubilden.Das scheint auf den ersten Blick im
Widerspruch zu stehen zu der These derFunktionstrennung, die den funktionalen
Stadtebau kennzeichnet. Ein grundle
gender Bestandteil der Theorien des modernen Stadtebaus ist jedoch die gezielte strukturelle Verknupfung der Alltagsfunktionen derart, dass sie mit einemMinimum an Zeitaufwand benutzt wer
den konnen.Das «Heroische» zeigt sich zum Teil
auch in der Art der Planungskonzeptio
nen, die als grosser Wurf die Traume
ihrer Verfasser von einer besseren, dem
industriellen Fortschritt verschriebenen
Welt widerspiegeln. In dieser besseren
Welt war - wie im Paradies - die Ge
schichte ein fur allemal «stillgelegt»!
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Bei oller grundlegenden Unterschied
lichkeit der Ausgangsbedingungen - et
wa in den fur die Untersuchung gewahl
ten Landern in Schweden, Finnland, Po
len und Deutschland [1] - gab es einen
verbindenden Notstand: die grosse
Wohnungsnot - und eine verbindende
Ideologie: der Glaube an die Moderne
und an den mit ihr verbundenen Fort
schritt.
Wir kdnnen deswegen neben allen
politischen, okonomischen und kulturel
len Unterschieden eine machtige zivili
satorische Grundstromung feststellen,
die sicherlich nur vor dem gemeinsamen
Hintergrund des Erlebnisses der Verhee
rung des Zweiten Weltkriegs verstand
lich ist.
Diese Grundstromung schlug sich po
litisch nieder in konkreten stadtebauli
chen Program'men, die das Alltagsleben
- besonders der Frauen, Kinder und AI
ten - erleichtern und befreien wollten
von den inhumanen Zwangen ungesun
der Wohnverhaltnisse, longer Wege,
isolierten Wohnens und mangelnder Bil
dungs- und Erholungsmoglichkeiten,
Programme, die schon viele Jahrzehnte
vorher konzipiert worden waren, aber
erst zu diesem Zeitpunkt auf nationaler,
regionaler und kommunaler Ebene rea
lisiert werden konnten.
Der scheinbar so einseitig technokra
tische Charakter dieser Stadtebaubewe
gung dod uns uber die humanistischen
Ziele, die auf die Befreiung des Wohn
alltags von unnotigen Zwangen und Ge
fahren ausgerichtet waren, nicht hin
wegtauschen.
Die drei Generationen von Neuen
StCidten
Die eingangs gemachte Unterscheidung
in drei Generationen von Grosssiedlun
gen bzw. Neuen Stadten lasst sich fol
gendermassen genauer umreissen:
Fur die erste Generation gelten folgende
Merkmale:
- Es wird ausnahmslos eine enge,
lichst fusslaufige Verknupfung von
Wohnen, sozialen und kommerziellen
Versorgungseinrichtungen sowie Ar
beitsplatzen angestrebt, wenn ouch
nicht immer erreicht.
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Heidelberg-Emmertsgrund (F. Angerer,
V Branca), Ausfuhrungsmodell um 1970.
(Bsp. fur die «zweite Generation» von Neuen
Stadten)
Heidelberg-Emmertsgrund: Zahlreiche Kinder
spielgebiete wurden von Anfang an angewiesen
und mit der Wohnbebauung erstellt.
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- Die Boustruktur ist eng mit einer landschaftlich aufgefassten GrOnstrukturverzahnt, die Natur dominiert.
- Die Bau- und Wohndichte ist - verglichen mit der kompakten historischenStadt, wie auch mit der zweiten Generation der Neuen Stadte - gering.Die verschiedenen BauformenHochbau und Flachbau, Geschosswohnungen und Einfamilienhauser werden in unterschiedlichen VerknOpfungen gemischt angeordnet.
- Die Nachbarschaften gruppieren sichum Grundschulen, Kindergarten undTagesbedarfsladen, getrennt durchGrGnzOge.
- Fussganger und Autofahrer werdenebenerdig auf verschiedenen WegengefOhrt, ohne aufwendige Trennung inmehreren Ebenen.
- Ais maximale Fusswegentfernung vonder Wohnung zu den Zentren undHaltepunkten des offentlichen Nahverkehrs werden 700-1000 m in Kaufgenommen, dabei gelten fur Kindergarten und Grundschulen geringereMaximalentfernungen von nur 300500m.
Die zweite Generation der Neuen Stadte- konzipiert in den sechziger Jahren, derZeit der grossen Wachstumserwartungen und des Glaubens an die Allzustandigkeit der Planung - ist als eine typische kulturelle Gegenbewegung zu verstehen. Sie verwirft das Form-Ideal dergegliederten und aufgelockerten Stadtmit ihrer'geringen Dichte und der Dominanz der Natur, als antiurban und versucht dagegen, eine neue Art der Urbanitat zu setzen mit stark verdichtetenBauformen in geometrisch-strukturellerAnordnung als bewusster Kontrast zurumgebenden NattJr der offenen Landschaft. Dabei wird das Ziel verfolgt, Flache zu sparen und durch die Steigerungder Wohndichte und der Anordnung kurzer Wege zu den Gemeinschaftseinrichtungen das stadtische Leben zu fordern.Damit wird auch das Ordnungsprinzipder kleinen Nachbarschaft aufgegebenzugunsten grosserer Einzugsgebiete mitmehr Zentralitat der Gemeinschaftseinrichtungen, ohne das Ziel der Einheit vonForm, Funktion und Lebenszugen zu verlassen.
Foigende Merkmale kennzeichnendiese zweite Generation der NeuenStadte:
starke horizontale und vertikale Yerdichtung der Bebauung in geometrisch geordneter Baustruktur bis zureinheitlichen stadtebaulichen Grossform,bauliche VerknOpfung der Gemeinschaftseinrichtungen mit der Wohnbebauung mit dem Ziel kurzer, witterungsgeschOtzter Wege.Vergrosserung der Infrastruktureinrichtungen mit derFolge grossererEinzugsbereiche - raumlich ausgeglichen durch die grossere Wohndichte- und dem Ziel der betrieblichen Optimierung und der Maximierung derWahlfreiheit fOr den Nutzer,
- Natur und Landschaft als Kontrastumgebung, GrOn innerhalb der Stadtvorwiegend als geometrisch angeordnetes StadtgrOn,Bebauung gepragt durch Industrialisierung der Bausysteme, Bauokonomie als Ausdrucksprinzip: Form folgtFertigung.Dominanz der Verkehrssysteme inForm von Strassensystemen und PKWGaragen in mehreren Ebenen, haufigerganzt durch die technische AusrOstung, z. B. zentraler MOlisammelsysteme, Fernheizung und Verkabelungieder Wohnung.
Die dritte Generation Neuer Stadtestammt aus den siebziger Jahren. Sie istwiederum eine Reaktion auf die vorhergehende Generation.
Die Eindeutigkeit der beiden vorhergehenden Generationen von NeuenStadten, die gleichzeitig auch Einseitigkeit bedeutete, wird aufgegeben zugunsten grosserer Vielfalt und Vieldeutigkeit: Die progende Kraft der Theorie unddes auf ihr beruhenden Gliederungsschemes schwacht sich abo
Diese dritte Generation Neuer Stadtewurde in einer Zeit konzipiert, als sichschon das Ende der drOckenden Wohnungsnot abzeichnete urid aus einemAngebotsmarkt ollmahlich ein nachfragebestimmter Markt wurde. Die Planungskonzeptionen mussten deswegenstarker als die vorhergehenden Generationen Neuer Stadte die differenzierte-
ren und sich teilweise schnell verandernden Krafte des Marktes berucksichtigen.
Die AnsprOche an die Qualitat undIndividualitat des Wohnens stiegenebenso wie der Anspruch on das Wohnumfeld und die Moglichkeiten der Frei"zeitbeschaftigung. Die 'VerkOrzung der .Tagesarbeitszeit allgemein und die weitere Verbreitung von Halbtagsarbeitsteigerten d,ie Bedeutung der Nahe attraktiver Arbeitsplatze.
Gleichzeitig ging die Dominanz desausschliesslich offentlich finanziertenMietwohnungsbaus zugunsten des Einsatzes von Privatkapital und von Eigentumswohnungen und EinfamilienhausernzurOck. Die Prioritaten in der Rangfolgeder Nachfrage wandelten sich von derMietgeschosswohnung ober Eigentumswohnungen in unterschiedlichen VerfGgungsformen zum Einfamilienhaus alsEigentum.
Der Charakter dieser GenerationNeuer Stadte lasst sich nicht mehr soeindeutig auf in sich schlOssige TheorienzurOckfOhren. Trotzdem gibt es eine Reihe typischer Merkmale:- Die Standortqualitat ist meistens her
vorragend.Sie sind haufig auch sehr gut mit demoffentlichen Nahverkehr erschlossen.Die Ausstattung mit Infrastruktur istquantitativ wie auch qualitativ vielseitig.
- Die Zentren sind meist multifunktionalund in architektonisch anspruchsvolter, Oberdachter Form ausgebildet.
- Die Wohnungen sind in kleineren, informell ausgebildeten Wohngruppenangeordnet, mit differenzierter, haufig traditionelle Elemente und Materialien verwendender Architektur.
- Der Anteil von Eigentumswohnungenund eigentumsahn lichen Verfugungsformen liegt meist bei ober 50C}"o.
- Die umgebende Landschaft ist haufigvon besonderer Freizeitqualitat. Inder Regel werden den Neuen Stadtenattraktive Arbeitsstatten zugeordnet.
Die Einteilung in drei Generationen istwie iedes Ordnungsschema - nur bedingt aussagekraftig; natOrlich gibt esauch Misch- und Obergangsformen.Auch treten - bei jahrzehntelangen Bau-
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Kivenlahti,
1966-70.(Bsp. fur die «dritte Generation» von Neuen
Stadten)
Kivenlahti, Espoo: WOlhn()nlc]Qe «Amfi»,
in Neuen Stadte
Merkmale aller drei Generationen auf.
Zwischen Eigenstandigkeit und Einfugung: Neue Stadt oder neuer Stadtteil1m der untersuchten
sich interessan-te aber auch \1\1.rlL"'l>"'~""',""
che: Die rtn.rtO'ctr4:::lhto t-.rt.c~nC"1'rt,'"\rtlrtLt'Olt
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all haben sich die••• ,11 .. "....... als dominant erwiesen: Die
........,.'hlol"V'.I"c:'on «Neuen Stadte» sind die-
die sich als ganz norma Ie Stadt
das der
wo
\/OI'"'t"lc,rhtllr"l,rt ist
als ein bestim
mendes Strukturmerkmal noch bei allen
tselsplelE~n deutlich erkennbar: Auch ab
wurden ge
staltet wie «Neue Stadte» und setzen
sich in der Form bewusst ab von dem
Die
meistens nicht Bereiche ausqE~blldE~t,
welche die bestehenden alteren Stadttei-Ie mit der Neuen Stadt son-dern als deutlich Zentruminmitten der Neuen das somit de-
ren hervorhebt.
Der Einfluss der Organisationsformenfur Bau und BetriebEntscheidend fur den Charakter der
waren nicht nur die
sondern auch die
fur Bau und Be-
Fallen bot die
besondere Probleme:des Bo-
die mindestens
stadt-
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Die auf wenige Jahre konzentrierteriesige Wohnungsproduktion fuhrte inder Mehrzahl der Beispiele, unabhangigvon der politischen Struktur der Auftraggeber, zur Bildung grosser Wohnungsbauunternehmen, die mit dem Eigengewicht ihrer Kapitalkonzentration sowieihrer burokratischen Organisations- undtechnokratischen Produktionsformen die«Neuen Stadte» weitgehend gepragt hoben, insbesondere die der zweiten Generation, in denen sich die Kapital- undEntscheidungskonzentration mit derKonzentration der Industriealisierungder Bauweise verband und der Einflussder Architekten immer schwacherwurde.
Dos Verhaltnis der planenden Architekten zu den Durchfuhrungsorganisationenwar durchaus zwiespaltig: Einerseits erfuhren sie den schwindendenEinfluss, den sie auf die Durchfuhrunghatten, andererseits kam aber dieMachtkonzentration mit ihren zentralenEntscheidungswegen und die kurzzeitigen Realisierungsmoglichkeiten ihreraufgeklart-technokratischen Hei Isgewissheit und ihrem missionarischen Omnipotenzbewusstsein durchaus entgegen.
Die Machtzusammenballung in Grossorganisationen mit ihrer zentralgesteuerten Planung und Wohnungsproduktionsetzte sich spoter fort in der zentralenVerwaltung der Wohnungen und Gemeindebedarfseinrichtungen, die donnletztl ich zu den schwerwiegendsten Problemen der «Neuen Stodte» gefuhrt hat,zu der Entfremdung der Bewohner vonihrer Siedlung, die weder bei der Planungund beim Bau noch bei der Verwaltungund Erneuerung beteiligt waren.
Ausmass und Auswirkungen der Entfremdung sind stark beeinflusst von dersoziolen Zusammensetzung der Bevolkerung: Je schlechter der Bildungsstand, jeniedriger das Einkommen und je hoher dieArbeitslosenrate sind - je starker also dieBevolkerung auf ihr Wohnumfeld unmittelbar angewiesen ist -, desto verhangnisvoller wirkt sich die Entfremdung aus.
Die «ROckfOhrung» der Neuen Stadtein das ganz normale, soziale, kommunalpolitische, okonomische und verwaltungsmassige GefOge der jeweiligenStadtregionen ist besonders in den kriti-
schen Siedlungen der zweiten Generation haufig eine immer noch anstehendeAufgabe.
Ein anderes verbindendes Merkmal istder Glaube an die Rationalisierung derBauproduktion.
Die Rationalisierung der Bauproduktion war ein wesentlicher Programmpunkt der Charta von Athen und Bestandteil" der meisten Planungskonzeptionen der Neuen Stadte:
Zur Begeisterung fur den Fortschrittund die Technik als Instrument derMenschheitsbefreiung gehorte von Anfang an ouch die Forderung, die in ihrerProduktionsweise so ruckstandige Bautechnik in Richtung Serienfertigung undMontagebauweise zu industrialisieren.
Es ist fast tragisch,-dass die industrialisierte Montagebauweise erst zu einemZeitpunkt technisch perfektioniert wurde, als sie nicht mehr gefragt war.
Die Rationalisierung der Wohnungsbauproduktion ist andere Wege gegangen, nicht weiter in Richtung der seriellen Fertigung grosser Elemente, sondernin der Rationalsierung einer individuellgestaltbaren Fertigungstechnik in Verbindung mit standardisierten, aber nichtbausystemgebundenen Ausbauelementen.
Die Foigen von Bevolkerungszusammensetzung und -entwicklungFast aile Grosssiediungen hatten mit denEntwicklungsphasen ihrer Bewohner zukampfen:
Die Probleme, die sich aus der Bevolkerungsentwicklung ergaben, wurdenanfangs haufig unterschatzt. Dies ist zumTeil auf den Mangel an Erfahrung zuruckzufuhren,zum Teil aber ouch auf dieOberschatzung der gOnstigen Wirkungder gebauten Umwelt auf das Verhalten,die ein wesentlicher Bestandtei-I der sozialen Oberzeugung der Stadtplanerwar. Die Unterschatzung der sozio lenEigengesetzlichkeiten in Verbindung mit.der Oberschatzung der sozialen Wirkung der gebauten Umwelt, hat wahrscheinlich zum Teil zu den fOr viele NeueStadte heute typischen sozialen Konflikten beigetragen.
Dabei sind drei Problemursachen zuunterscheiden, die freilich in den untersuchten Beispielen mit verschiedenem
Gewicht auftreten: die unausgeglicheneAltersstruktur, die anfonglich mangelnde Ausstattung mit Infrastruktur, insbesondere die schlechte Anbindung anden offentlichen Nahverkehr und - amschwerwiegendsten - die unausgewogenesoziale Schichtung mit einem Obergewicht sozial schwacher Bevolkerungsgruppen und sozialer Problemgruppenin roumlicher Konzentration.
Der von Anfang an unausgeglicheneAltersaufbau fOhrte zu dynamischenVeranderungen innerhalb weniger Jahre, denen die normativ festgelegte Infrastruktur nicht gewachsen war. Die vorwiegend junge Anfangsbevolkerung inder Phase der FamiliengrOndung hattezahlreiche Kinder zur Folge, die wellenformig in jeder Altersstufe neue Bedarfsprobleme erzeugten - bis zur Gegenwart, wo sich in den «Neuen Stadten»der ersten und zweiten Generationschon die ersten Probleme der Oberalterung der Bevolkerung zeigen, verbunden mit einem starken Ruckgang derWohndichte.
Insbesondere in den meisten NeuenStadten der ersten Generation ist anfangs der Ausbau der Versorgungseinrichtungen und die Bereitstellung von Arbeitsplatzen nicht im Einklang gewesenmit· den Bedurfnissen der Bevolkerung,dieser Mangel der Unterversorgungkonnte erst spoter korrigiert werden,teilweise zu spat: Die Gewohnheiten derneuen Bevolkerung hatten andere Verhaltensmust~r eingeschliffen, die sichnicht mehr korrigieren liessen.
Verscharft wurde der Konflikt dur~h
die zum Teil einseitige Belegungspolitikder Stadte und Gemeinden: Die offentlich kontrollierten Wohnungsbestandeboten die Moglichkeit, auf organisatorisch einfache Weise die Sozialfolle undRandgruppen unterzubringen. Dies fOhrte zu der verhangnisvollen raumlichenKonzentration von sozialen Problemgruppen.
Die hieraus entstehenden Problemewurden anfangs im Glauben an denwohltuenden Einfluss des neuen besseren Wohnmilieus unterschatzt, und spater liessen sie sich kaum noch korrigieren, weil das Image der betreffendenGrosssiediungen schon zu tief als soziales Problemgebiet eingeforbt war.
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Hat eine Grosssiediung erst einmal einen schlechten Ruf, so lasst sich dieserauch mit objektiv wirksamen Verbesserungen in der Wohnungs- und Infrastrukturausstattung kaum kurz- und mittelfristig verbessern, die Korrektur bedarf der
muhsamen, langfristig angelegten Sozial- und Kulturarbeit, die den gewachsenen besonderen sozialen Status derSiedlung erst einmal akzeptiert und sichbewusst ist, dass eine grossere sozialeAusgewogenheit nur mit einem sehr langen Atem zu erreichen ist. Denn es zeigte sich, dass der sich zunehmend entspannende Wohnungsmarkt die sozialen Segregationen unterstutzte: Wer essich leisten konnte, verliess die sozialeGeschosswohnung und zog in ein Einfamilienhaus. Die hohen Baudichten dieserzweiten Generation Neuer StCidte unddas einseitige Wohnungsangebot (uberwiegend Geschosswohnungen) stellensich heute deswegen als besonders hartnackiges Hindernis der sozialen Befriedigung dar.
Die stadtraumliche Gestalt der ver
schiedenen Grosssiediungen ist ganzunterschiedlich. Trotzdem folgen aileStadte einem ubergeordneten idealtypischen Grundprinzip: der Identitat vonfunktionaler Einheit, soziologischem Zusammenhang und architektonisch-stadtebaulicher Form. In diesem Prinzip, dassich in der «Nachbarschaftseinheit» amdeutlichsten auspragte, bleiben die Neuen Stadte dem Funktionalismus strukturell verpflichtet; bis in die Entwicklungder Normen und Richtwerte hinein istdieser Grundzug des funktionalistischenStadtebaus ablesbar.
Das Prinzip der Nachbarschaftseinheit stellt sich als Grundzelle der NeuenStadt von 5000 bis 10 000 Einwohnerndar, mit der Grundschule als Bezugs
grosse.Empirisch-soziologische Untersuchun
gen von Prof. Klages haben zwar schonin den funfziger Jahren nachgewiesen,dass dem stadtebaulichen Konstrukt derNachbarschaft die soziale Realitat nur
sehr schwach entsprach. Diese grundlegende Kritik hat jedoch das Gliederungsprinzip sehr wenig beeinflusst - allenfalls z. B. in der Aufgabe der kleinenNachbarschaftseinheiten bei der zweiten Generation der Neuen Stadte zugun-
sten grosser Einzugsbereiche. 1m ubrigen bleibt das funktionale Gliederungsprinzip trotz der soziologischen Kritikgewahrt.
Chancen und AnknupfungsmoglichkeitenDie kurze Epoche der Neuen Stadte hatein breites Erbe hinterlassen, das in dergegenwartigen Diskussion vorwiegend·als soziales und bautechnisches Problemfeld betrachtet wird. Die grossenChancen dagegen, die dieses Erbe furdie zukunftige Stadtentwicklung birgt,werden noch nicht gesehen: Die NeuenStadte unterliegen zurzeit ziemlich einseitig und pauschal der Kritik, die jedeGeneration an den Werken der vorhergehenden obt. Wahrscheinlich wird erstdie nachste Generation wieder die Werte und Qualitaten erkennen konnen, die
das Erbe der Neuen Stadte beinhaltet.Die grossen Chancen der ersten Ge
neration Neuer Stadte liegen in der Offenheit der Baustruktur und der vergleichsweise geringen Dichte. Die Offenheit der Struktur gibt die Freiheit bau
licher Erganzungen und vergleichsweiseproblemlosen Austauschs veralteter Elemente. Beides ermoglicht die verhaltnismassig zwanglose Anpassung an gewandelte Anforderungen. Der grosseAnteil landschaftlicher, offener Freiflache erlaubt im Prinzip sowohl die Anlage privat zu nutzender und zu gestaltender Garten in verschiedener, den Wohnungen enger und weiter zugeordneterForm als auch die «Renaturierung» derVegetation und des Wasserhaushaltes.Damit kommen die Neuen Stadte derersten Generation den Anforderungeneiner okologisch ausgerichteten Stadtplanung wie auch den Anspruchen einesStadtebaus entgegen, bei dem Mitbestimmung und kreative Mitwirkung derBewohner von besonderer Bedeutungsind.
Die zweite Generation der NeuenStadte, die gegenwartig am starkstender Kritik ausgesetzt ist un~ die grosstenProbleme aufwirft, konnte in Zukunft fOrbestimmte Gruppen der Gesellschaft,denen weniger an Selbstgestaltung undMitbestimmung liegt, sondern die in derStadt in erster Linie einen Serviceapparat sehen, eine Renaissance der Wert-
schatzung erleben: Fur diese Gruppe typischer Stadter konnte die Verbindungvon hoher technischer Ausrustung, reichhaltiger Infrastruktur «im Hause» mitgrossen Wahlmoglichkeiten und grosserDichte dann interessant werden, wenn es
gelingt, den Teufelskreis des schlechtensozialen Images aufzubrechen und denVorteil der baulichen Verdichtung durchNutzungsmischung und Nutzungsanreicherung (Arbeitsplatze, soziale Dienste) in den bestehenden Gebauden konsequent zu nutzen. Auch die unmittelbare kontrastierende Nahe, aber nichtbauliche Durchdringung von Stadt undoffener Landschaft konnte fur dieseNachfragegruppe attraktiv werden.
Die dritte Generation Neuer Stadte istschon weitgehend auf die absehbaren
gesellschaftlichen Bedurfnisse ausgerichtet, ihre Zukunft muss zum Teil mitregionalplanerischen Mitteln gesichertwerden.
Die Neuen Stadte sind heute im allgemeinen hervorragend mit Infrastrukturau-sgestattet, zum Teil so gut, dass bestimmte Einrichtungen nicht mehr vollausgelastet sind. Es ware ein verhangnisvoller Fehler, diese Einrichtungen wegen der hohen Folgekosten jetzt beseitigen zu wollen, weil sie wahrscheinlichfur zukunftige Bedurfnisse im Bereichder Freizeit, der erweiterten kulturellenBetatigung, der Bildung und Altenpflegesowie der informellen Arbeit dringendbenot~t werden: Die Starke der NeuenStadte liegt in der funktionellen Strukturder Zuordnung von Wohnungen, Freiflachen und Gemeinbedarfseinrichtungen.
Wollen wir angemessen mit den Neuen Stadten umgehen, mussen wir die ursprunglichen Leitvorstellungen - dieVorstellungen der aufgelockerten,durchgrunten und in Bereiche gegliederten Stadt oder der Stadt als verdichteterDienstleistungsapparat - aus ihrer Entstehungszeit heraus verstehen und ausheutiger Sicht baulich weiterentwickeln.
In einigen Fallen wird man auch densogenannten Ruckbau nicht vermeiden
konnen, um durch teilweisen oder vollstandigen Abriss von nicht mehr angenommenen Bauwerken und Strassen dasGleichgewicht zwischen Belastbarkeitder naturlichen Lebensgrundlagen derVegetationen, des Bodens, des Wassers
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sowie des Mikroklimas und den AnsprGchen stadtischer Lebensweise in neuerForm herzustellen.
Ebensowichtig, ja vielleicht noch wichtiger als die bauliche Erganzung undUmgestaltung ist die sozio-okonomischeAnpassung an die gewandelten AnsprGche: Die entfremdende Wirkung derzentralen Wohnungsproduktion undVerwaltung durch Grossorganisationenmuss durch effektive, die Verantwortungder Bewohner fGr ihre Wohnumwelt fordernde Beteiligungs- und wirksame VerfGgungsformen abgelost werden, ohnedoss durch ein Obermass an traditioneller zersplitterter und isolierter Eigentumsbildung die grossen Vorteile des zusammenhangenden offentlichen Besitzesdes Bodens aufgelost werden. Die vonuns untersuchten Beispiele zeigen hierein breites Spektrum unterschiedlicherVerfGgungsformen der Bewohner Gberdie verschiedenen Ebenen und Bestandteile ihrer Siedlungen. Die Entwicklungkonnte anknGpfen an die Tradition derGenossenschaften wie in Polen; bei-
. spielhaft sind ouch die schwedischenTraditionen des Wohnrechts, das vererbbar ist und verkauft werden kann, mitdem aber nicht spekuliert werden darf,und die Form des Wohneigentums in Tapiola/Finnland, bei dem jeder WohnungseigentGmer gleichzeitig Aktionardes Stadtteils ist.
Nur in der Bundesrepublik sind die .alten Genossenschaftsformen verkGmmert und neue, auf die Neuen Stadte undihre Eigenarten zugeschnittene dezentrale VerfGgungsmoglichkeiten kaumentstanden.
Ein wichtiger Weg zur Weiterentwicklung besteht in der Ausweisung vonWohnerweiterungs- und Erganzungsflachen, weil diese zu einer grosseren Ausgewogenheit im Wohnungsgemenge,der Alters- und Sozialstruktur sowie zueiner besseren Auslastung der Infrastruktur beitragen.
Modernisierung und Instandsetzungdorfen nicht dazu fGhren, unbrauchbareStrukturen zu konservieren, d. h. Restauration um jeden Preis ist falsch. Teilweiser oder vollstandiger Abriss oder Teildemontage konnen auch eine Chancebieten, die stadtebauliche Struktur nachhaItig zu verbessern.
RGckbau bedeutet den Versuch, dasGleichgewicht zwischen der Belastbarkeit der natGrlichen Lebensgrundlagenund dem Anspruch stadtischer Lebensweise in neuer Form herzustellen, unddas bedeutet Grenzen an Verdichtungzu wahren. Diese These wurde durch dieUnt~rsuchungen bestatigt: Die Stadteund Siedlungen, die Gberwiegend vonder Gartenstadtbewegung gepragt sind,sind heute von vieI weniger Problemenbelastet als Stadtorganismen, die mitdem Mittel der baulichen Verdichtungeine neue Urbanitat anstrebten.
Man kann es an den einzelnen Siedlungen erkennen - zum Guten oder zumSchlechten -, ob es «nun> eine bGrokratisch und technokratisch gut funktionierende Planungs- und DurchfGhrungsgruppe gab, mit mehr oder weniger austauschbaren Funktionstragern oder obbei der Entstehung und DurchfGhrungengagierte, unverwechselbare Personlichkeiten mit charismatischer Ausstrahlung Pate gestanden und verschworeneTeams von idealistischen Enthusiasteninspiriert haben.
Eir:' weiteres personliches Merkmalkennzeichnet die politischen GrGndungsvater und fachlichen GrGndungsplaner: der Mut zum Wagnis, ein Mut zurganzheitlichen gedachten Stadt, der eingegenwartig kaum nachvollziehbaresMass an Selbstvertrauen und Glaubenan Fortschritt, Reform und eine bessereZukunft zeigt. Ein Mut ouch in bezug aufdas Vertrauen in fachliche Autoritat, wissenschaftliche Prognose und Erfingung,ein Mut, der spater freilich zum Teil enttauscht wurde.
In dieser Hinsicht tragen die NeuenStadte deutlich das Signum ihrer Zeit unddas ihrer Vater. Ihre Behandlung undWeiterentwicklung muss in Kenntnis derEntstehungsbedingungen und in Achtungder Ziele erfolgen. Auch als ein zum Teilgescheiterter Versuch zu einem besseren, leichteren und gesGnderen Lebenund als Marksteine der Stadtentwicklungverdienen sie den Respekt einer wichtigen Epoche der europaischen Stadtgeschichte.
Anmerkung
[1] Die ausfohrlichen Untersuchungen derForschungsarbeit wurden publiziert unter: liseIrion, Thomas Sieverts, Neue StCidte - Experimentierfelder der Moderne, Deutsche' Verlagsanstalt Stuttgart 1991.
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