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NEUE ZWEITAKT-SCHIFFSDIESEL- MOTOREN VON WÄRTSILÄ Wärtsilä hat eine neue Generation kleiner Schiffsdieselmotoren namens RT-flex35 und RT-flex40 mit 35 cm und 40 cm Zylinderbohrung entwickelt. Die Antriebe werden ausschließlich elektronisch geregelt angeboten, wobei erstmals beim langsamlaufenden Zweitaktmotor ein Common-Rail-Einspritzsystem vom Mittelschnellläufer- Viertaktmotor übernommen wurde. Die Bohrungsausführungen basieren auf einem gemeinsamen Konzept mit Mitsubishi Heavy Industries und wurden in enger Zusammenarbeit entwickelt. Der Abnahmelauf des ersten Motors, gemäß Bestellung ein Sechszylindermotor, ist für November 2011 geplant. TITELTHEMA GROSSMOTOREN 846

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neUe ZWeITakT-SCHIFFSDIeSeL-MOTORen VOn WÄRTSILÄ

Wärtsilä hat eine neue Generation kleiner Schiffsdieselmotoren namens RT-flex35 und RT-flex40 mit 35 cm und

40 cm Zylinderbohrung entwickelt. Die Antriebe werden ausschließlich elektronisch geregelt angeboten, wobei

erstmals beim langsamlaufenden Zweitaktmotor ein Common-Rail-Einspritzsystem vom mittelschnell läufer-

Viertaktmotor übernommen wurde. Die Bohrungsausführungen basieren auf einem gemeinsamen Konzept mit

mitsubishi Heavy Industries und wurden in enger Zusammenarbeit entwickelt. Der Abnahmelauf des ersten

motors, gemäß Bestellung ein Sechszylindermotor, ist für november 2011 geplant.

titEltHEMa GRoSSmoToREn

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Motivation

Wärtsilä hat im Jahr 2008 entschieden, das Marktsegment der kleinen Zweitakt-Schiffs-dieselmotoren mit der Auflage zweier Neu-entwicklungen zu beleben. Das Segment wurde vom Unternehmen zuletzt mit dem Motor RTA38 von Sulzer Mitte der 1980er-Jahre bedient. Besonders in Asien gibt es ein großes Marktvolumen für langsamlau-fende Motoren in Kreuzkopfbauweise und Propellerdirektantrieb. Die Vorteile liegen in der kostengünstigen Herstellung, der Verfügbarkeit durch lokale Lizenzfertigung, der einfachen Wartung sowie den gerin-gen Betriebskosten [1]. Bis zu einer Boh-rungsgröße von etwa 40 cm kommen diese Motoren in kleinen und mittelgroßen Han-delsschiffen zum Einsatz, wie kleineren Schütt- und Stückgutfrachtern, Container-feederschiffen und Flüssiggastankern.

Mit der Mitsubishi Heavy Industries Ltd. (MHI) in Kobe, Japan, als Entwicklungs-partner konnte auf eine gute Zusammen-arbeit bei einem vorangegangenem Ent-wicklungsprojekt aufgebaut werden, was sich aufgrund der langjährigen Erfahrung von Mitsubishi mit der kleinen UE-Bau-reihe als wertvoll erwies. MHI leiten aus dem Motorenkonzept eigene UEC-Moto-ren namens 35LSE und 40LSE mit mecha-nischer Einspritzung ab [2].

EntwicklungsziElE

Von den oben genannten Eckpunkten aus-gehend wurden folgende Entwicklungsziele definiert: : niedrige Produktlebenszykluskosten : geringe Emissionen : Einsatz bewährter Technologien.Für alle langsamlaufenden Zweitaktmotoren als Schiffsantrieb steht die Zuverlässigkeit seit jeher zuvorderst im Lastenheft. Für den Lizenznehmer ist zudem eine einfache und kostengünstig herzustellende Konstruktion des Motors maßgebend. Von Seiten der Schiffseigner, Schiffsbetreiber und Lizenz-nehmer besteht die Anforderung, wenn auch in teils unterschiedlicher Gewichtung, die gesamten über den Lebenszyklus des Motors anfallenden Kosten zu minimieren.

Der RT-flex35 ist der erste neue Zwei-taktmotor von Wärtsilä, der zum Zeitpunkt seiner Markteinführung in der bereits gül-tigen Emissionsstufe IMO Tier II angeboten wird. Neue Technologien sind ein geän-dertes Konstruktionsprinzip der Motor-

struktur, ein jeweils neues Einspritz- und Zylinderschmiersystem, eine am Moto-rende angeordnete Aufladegruppe sowie eine vereinfachte Kolbenkühlung. Der Simulation und Versuchsvalidierung kommt schon deshalb eine besonders hohe Bedeutung zu, weil bereits der erste Zweitaktmotor einer neuen Baureihe für eine Zeitdauer von 25 Jahren und länger seinen Dienst verrichten wird. Um die glo-balen Ziele niedrige Kosten und Emissio-nen bei hoher Zuverlässigkeit ge samthaft erfüllen zu können, wurden in der Ent-wicklung der Motoren neue Wege be -schritten, auf die später detaillierter einge-gangen wird.

HauptMErkMalE dEr konstruktion

❶ zeigt die neuen Motoren im Zweitakt-Motorenportfolio von Wärtsilä, aufgetra-gen über Drehzahl und Motorleistung. Ihre Hauptdaten sind im direkten Vergleich zu anderen Motoren in ❷ aufgelistet. Die spe-zifischen Werte lassen erkennen, dass es sich bei heutigen Zweitakt-Schiffsdiesel-motoren um „High-Tech-Produkte“ han-delt. Die Motoren RT-flex35 und RT-flex40 weisen in ihren Grundzügen die typischen Merkmale moderner, langsamlaufender Großdieselmotoren der Kreuzkopfbauart auf, ❸.

Motorstruktur

Bei der Motorstruktur handelt es sich um eine Schweißkonstruktion mit Grundplatte und Ständer. Die Grundplatte nimmt über einen eingeschweißten Stahlgusstragrah-men die in ihr liegende Kurbelwelle auf. Der mit der Grundplatte im Verbund mit dem Zylinderblock über Zuganker ver-schraubte Ständer integriert die Gleitbahnen für den Kreuzkopf, über den die Seiten-kräfte aus dem Triebwerk in die Struktur eingeleitet werden.

triEbwErk

Die Kurbelwelle besteht aus einzelnen zy -lindrischen Wellen und Kröpfungen, die mit-tels Schrumpfsitz verbunden werden. Am Antriebsende der Kurbelwelle befindet sich der Drucklagerflansch, der den Propeller-schub über am Motorgehäuse aufgebrachte Drucklagerklötze schließlich in die Schiffs-struktur einleitet. Ein charakteristisches

dipl.-ing. patrick FriggEist Direktor Entwicklung und

Konstruktion Zweitaktmotoren im Bereich Forschung und Entwicklung bei Wärtsilä in Winterthur (Schweiz).

dipl.-ing. saMuEl aFFoltErist Teamleiter Entwicklung

Brennraumkomponenten, Abteilung Entwicklung und Konstruktion

Zweitaktmotoren bei Wärtsilä in Winterthur (Schweiz).

dr.-ing. daniEl bacHMannist Teamleiter Berechnung/Struktur-festigkeit, Abteilung Forschung und

Technologie bei Wärtsilä in Winterthur (Schweiz).

dipl.-ing. ronald dE Jongist Gesamtprojektleiter RT-flex35/ RT-flex40, Abteilung Entwicklung

und Konstruktion Zweitaktmotoren bei Wärtsilä in Winterthur (Schweiz).

AuToREn

84711I2011 72. Jahrgang

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Merkmal aller langsamlaufenden Zweitakt- Großdieselmotoren ist die starre Kopplung der Motorkurbelwelle mit dem Schiffspro-peller über die Wellenleitung [3].

Die Hauptlager wurden aufgrund der zu erwartenden höheren Belastungen mit Aluminiumlagerschalen anstelle der bei anderen Wärtsilä-Zweitaktmotoren verwen-deten Weißmetalllager ausgerüstet. Die Schmierung erfolgt über einen entsprechen-den Rohranschluss durch den Lagerdeckel, während das obere und das untere Schub-stangenlager durch den Kreuzkopf mit Schmieröl versorgt werden. Die Ölzufüh-rung an den Kreuzkopf wird an ausgeführ-ten Zweitakt-Großdieselmotoren entweder über ein Teleskoprohr oder über die bei Wärtsilä favorisierte Lösung mit Kniehebel

bewerkstelligt. Nach einem Konzeptver-gleich gemeinsam mit dem Entwicklungs-partner MHI wurde für die neuen Moto-ren die Kniehebellösung ausgewählt, ❹. Zur Optimierung der tribologischen Verhält-nisse am Kreuzkopf wurden mit Unterstüt-zung der AVL List GmbH erstmals auch an den Gleitbahn- beziehungsweise Gleit-schuhgeometrien elastohydrodynamische Simulationen (EHD) durchgeführt.

gusszylindErblock und brEnnrauMkoMponEntEn

Die Trennebene zwischen Motorgestell und Zylinderblock ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen grenzt sie den Kurbelraum von den spülluft- und abgas-

führenden Bauteilen sicher ab, wodurch das Triebwerk nicht mit den Verbrennungs-produkten in Kontakt kommt – ein prin-zipbedingter Vorteil der Kreuzkopfbauweise. Zum anderen stellt sie den Übergang zwi-schen den vorrangig geschweißten und den gegossenen Motorhauptbauteilen dar. Unabhängig von der Motorgröße besteht etwa 40 % der Masse eines langsamlau-fenden Zweitakt-Großdieselmotors aus ge -schweißten Strukturen. Die Motoren wei-sen das für langhubige Zweitaktmotoren etablierte Längsspülkonzept mit Spülschlit-zen im Bereich des unteren Totpunkts und zentralem, hydraulisch betätigtem Auslass-ventil auf, wobei letzteres elektronisch vollvariabel gesteuert werden kann.

Die im Vergleich zu größeren Wärtsilä-Zweitaktmotoren markanteste Neuerung betrifft die Ölkühlung der Kolben. Dank der absolut kleinen Bauteilwandstärken und des höheren Oberflächen-Volumen-Verhält-nisses des kleinen Brennraums konnte von der aufwendigeren Spritzölkühlung nach dem Jet-Shaker-Prinzip abgesehen und eine ausreichende Bauteilkühlung per ein-facher Durchströmung erreicht werden, die in der Herstellung kostengünstiger umge-setzt werden kann. Die Geometrie der ölfüh-renden Teile wurde mittels intensiver CFD-Analysen (Computational Fluid Dynamics) derart gestaltet, dass unter Berücksichti-gung der üblichen Fertigungstoleranzen stets ein ausreichender Wärmeübergang ins Kühlmedium sichergestellt ist. Die Entwicklungszusammenarbeit mit MHI erwies sich auch hier als gewinnbringend.

Der nach dem Kraftstoffverbrauch zweit-größte Kostenfaktor für den Betrieb eines Zweitaktmotors ist der Zylinderschmieröl-verbrauch. Zum Erreichen einer niedrigen Schmierrate bei gleichzeitig hoher Zuverläs-sigkeit gelangt das vollelektronisch ge steu-erte sogenannte Pulse-Zylinderschmiersys-tem (PLS – Pulse Lubrication System) zum Einsatz. Dies geschieht in Kombination mit einem von den größeren Motoren übernom-menen Kolbenlaufkonzept, bestehend aus plateaugehonter Zylinderlauffläche mit ein-geschliffenen Ölverteilnuten, chromkeramik-beschichteten und vorprofilierten Kolben-ringen, gasdichtem Topring und hartchrom-beschichteten Kolbenringnuten. Als Neu-heit wird ein Kolbenhemd mit nitrokarb u-rierter Lauffläche verbaut, welches die sonst übliche Ausführung mit eingelasse-nen Bandagen aus Bronze er setzt. Ähnlich wie bei der Kolbenkühlung konnte auf die

100 %85 %

80 %

85 %

100 %

Motordrehzahl [%]

Mot

orle

istu

ng [

%]

R1

R2

R3

R4

Motortyp RT-flex35 RT-flex40

Bauart, ZylinderzahlReihenmotor mit

geschweißter Grundstruktur, fünf bis acht Zylinder

Bohrung/Hub [mm]Hub-/Bohrungsverhältnis

Zylinderleistung [kQ]

Drehzahl R1 [1/min]Mittlerer effektiverDruck [bar]

Mittlere Kolbengeschwin-digkeit [m/s]

Spezifischer Brennstoff-verbrauch Standardtuning R1 [g/kWh]Leistungsbereich R1-R2 [kW]Motorgewicht (Sechszylinder) [t]

Leis

tung

[kW

]

80.000

60.000

50.000

40.000

30.000

20.000

10.000

8000

6000

4000

60 70 80 90 100 120 140

Motordrehzahl [1/min]

160 180

3000

350/1550 400/17704,43

870 1135

167 146

21

8,6

176 175

3475 bis 6960

4550 bis 9080

80 125

RT-flex82TRTA82T

RT-flex82CRTA82C

RT-flex82T-B

RT-flex84T-DRTA84T-D

RT-flex68-DRTA68-D

RT-flex96C-BRTA96C-B

X72

RT-flex60C-B

RT-flex50-DRT-flex50-B

X62

RT-flex48T-DRTA48T-D RT-flex40

RT-flex35

RT-flex58T-DRTA58T-D

RT-flex58T-E

❶ Zweitaktmotorenportfolio von Wärtsilä

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bei größeren Motoren verwendete Bohrungs-kühlung des Zylinderkragens im Bereich des oberen Totpunkts verzichtet werden, da die konventionelle Kühlwasserummante-lung bereits die Einstellung des geforderten Laufflächentemperaturprofils erlaubt.

Die Summe aller Maßnahmen erlaubt in Abhängigkeit von Motorlast, Einlaufzustand und Kraftstoffschwefelgehalt eine Zylinder-schmierrate von lediglich 0,7 g/kWh, mit dem Ziel einer weiteren, stufenweisen Re -duktion ab der Markteinführung des Motors.

auFladung und spülsystEM

Eine hervorzuhebende Eigenschaft des neuen Auflade- und Spülsystems ist die kompakte Konstruktion mit integrierten

wärtsilä 14rt-FlEx96c

wärtsilä 5rt-FlEx35

wärtsilä 8rt-FlEx40

wärtsilä 8l46F

nFz-diEsEl pkw-diEsEl

arbEitsvErFaHrEn – Zweitakt Zweitakt Zweitakt Viertakt Viertakt Viertakt

boHrung mm 960 350 400 460 132 84

Hub mm 2500 1550 1770 580 145 90

EinzElHubrauM dm3 1810 149 222 96 1,98 0,50

gEsaMtHubrauM dm3 25.334 746 1779 771 11,9 2,00

zylindEranzaHl – 14 5 8 8 6 4

gEwicHt kg 2.300.000 69.000 153.000 124.000 995 158

lEistung kW 80.080 4350 9080 9600 390 110

Max. drEHMoMEnt knm 7497 249 594 153 2,130 0,330

lEistung / zylindEr kW 5720 870 1135 1200 65 27,5

nEnndrEHzaHl 1/min 102 167 146 600 2100 4000

Max. spEz. MittEldruck

bar 18,6 21 21 25 22,5 20,8

lEistungsdicHtE kW/dm3 3,2 5,8 5,1 12,4 32,8 55,1

MittlErE kolbEn-gEscHwindigkEit

m/s 8,5 8,6 8,6 11,6 10,2 12

spEziFiscHEs drEHMoMEnt

nm/dm3 296 334 334 198 179 165

MittlErE kolbEn-FläcHEnlEistung

kW/m2 7902 9043 9032 7221 4750 4962

spEz. vErbraucH bEi nEnnlEistung

g/kWh 171 176 175 171 217 238

vErbraucH (bEi nEnnlEistung)

kg/h 13.694 766 1589 1642 85 26

EinspritzMEngE bEi volllast

g/Zyklus 159,8 15,3 22,7 11,4 0,2 0,05

EinspritzdüsEn pro zylindEr

– 3 x 5-Loch 2 x 5-Loch 2 x 5-Loch 1 x 10-Loch 1 x 6 … 8-Loch 1 x 5 … 8-Loch

(MittlErEr) locHdurcHMEssEr

mm 1,34 0,57 0,7 0,81 ~ 0,22 (6) ~ 0,12 (8)

spEziFiscHEs gEwicHt

kg/kW 28,7 15,9 16,9 12,9 2,6 1,4

❷ Technische Hauptdaten im Vergleich mit anderen motoren

❸ Grundkonstruktion des motors mit 35 cm Bohrung

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ivo
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Hilfsgebläsen, ❺. Anstelle der sonst üb -lichen lateralen Positionierung der Auf-ladeeinheit wurde der Abgasturbolader oberhalb des Abtriebs am Motorende platziert, ähnlich der Anordnung an mittel-schnelllaufenden Viertaktmotoren. Von Vorteil ist hierbei die reduzierte Gesamt-breite der Anlage, wodurch der Motor weit hinten im seitlich zusammenlaufen-den Schiffsrumpf installiert werden kann.

Bei der Stauaufladung ist die Dimensi-onierung der spülluft- und abgasführenden Bauteile von wichtiger Bedeutung. Die Sammlervolumina wurden mithilfe der CFD-Strömungsberechnung optimiert, um die Gleichbeaufschlagung aller Zylinder zu gewährleisten. Auch der Anforderung an einen möglichst modularen Aufbau wurde Rechnung getragen: so konnte das gesamte Motorspektrum vom 5RT-flex35 bis zum 8RT-flex40 mit zwei Turbolader-

baugrößen (mit verschiedenen Leistungs-stufen) und ebenfalls zwei Grundkonstruk-tionen abgedeckt werden. Als Abgastur-bolader stehen die Fabrikate ABB (A-Serie) und MHI-MET (MB-Serie) zur Auswahl. Das bei Wärtsilä an den neuen Motoren erstmals realisierte Endaufladungskonzept wurde inzwischen für den RT-flex50 adap-tiert und wird dort optional zur lateralen Aufladeanordnung angeboten.

ElEktroniscHE stEuErung

Bei Wärtsilä werden alle elektronisch ge -steuerten Zweitaktmotoren mit der Bezeich-nung RT-flex geführt. Das System ist eine vollständige Eigenentwicklung und wurde im Jahr 2001 als Neuheit im Markt der langsamlaufenden Zweitaktmotoren ein-geführt [4]. Gemäß der Wärtsilä-Entwick-lungsstrategie werden seit 2008 ausschließ-

lich elektronisch gesteuerte Zweitaktmo-toren entwickelt. Besonders die erheblich größere Flexibilität, Verbrauch und Emis-sionen über das Motorbetriebskennfeld anpassen zu können, birgt einen stark ge -steigerten Kundennutzen, der sich in einem günstigeren Kraftstoffverbrauch im mitt-leren und Niedriglastbetrieb deutlich nie-derschlägt, ❻. Circa 90 % der Motoren im derzeitigen Auftragsbestand wurden mit elektronischer Steuerung geordert.

Die Steuerung umfasst die folgenden Teilsysteme: : Common-Rail-Einspritzsystem (CR)

für den Betrieb mit Schweröl : elektrohydraulisch betätigte Auslassven-

tilsteuerung (ohne Motornockenwelle) : Zylinderschmiersystem

Pulse-Lubrication-System : Motorstartsystem mit Startluft-

verteilung.

❹ Triebwerks-komponenten ❺ Auflade- und Spülsystem

❻ Tier-II-Tuningvarianten bei konstantem nox-Zyklusergebnis

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Im Zentrum steht die elektronische Motor-steuerung namens Wärtsilä UNIC, deren Sensorik (beispielsweise die Kurbelwinkel-erfassung) von den übrigen Teilsystemen genutzt wird. UNIC wird in der Ausbau-stufe C3 seit 2008 an den Common-Rail-Viertaktmotoren von Wärtsilä eingesetzt und nun zum ersten Mal auch im Zweitakt-bereich verwendet. Das System ist modular aufgebaut und verfügt neben schiffsbe-triebsrelevanten Alarm-, Überwachungs- und Sicherheitsfunktionen auch über zy linderselektive Regelungsfunktionen, einschließlich Möglichkeiten zur zylinder-druckbasierten Verbrennungsregelung.

coMMon-rail-systEM

Bereits vor der Konzeptphase der Motor-entwicklung wurden bei Wärtsilä Überle-gungen angestellt, ein bewährtes Viertakt-Common-Rail-Einspritzsystem am Zwei-taktmotor zum Einsatz zu bringen. Die neu zu entwickelnden Motoren der klei-nen Bohrungsklasse boten hierfür pas-sende Voraussetzungen:

: ähnliche Größenverhältnisse mit kompatiblen Bauteilabmessungen

: kostensparende Stückzahleneffekte, begünstigt durch höhere zu erwartende Absatzzahlen im Segment der kleinen Zweitaktmotoren

: Vorteile des zeitgesteuerten CR-Systems gegenüber dem bisherigen, volumen-gesteuerten System bei der Anwendung am kleineren, höher drehenden Motor (Dynamik)

: Eignung der kleinen Motoren für Ver-suchszwecke zur Basisentwicklung eines späteren Systems für die IMO Tier III.

Eine bereits zu Beginn der Entwicklung vorhandene, globale Organisationsstruk-tur bei Wärtsilä für Forschung und Ent-wicklung mit bestehenden, interdiszipli-nären Projektteams aus dem Zwei- und dem Viertaktbereich wirkte sich darüber hinaus unterstützend aus. Wärtsilä ent-schied daraufhin, die Entwicklung des neu -en Einspritzsystems gemeinsam mit den Projektpartnern durchzuführen. Alle ge -setzten Projektziele konnten bis dato erreicht werden.

❼ zeigt gegenüberstellend die CR-Ein-spritzsysteme für Wärtsilä-Zweitaktmo-toren mit großer und kleiner Zylinderboh-rung. Das im linken Bildteil dargestellte System für große Zylinderbohrungen nutzt für die Auslösung des Einspritzvorgangs eine servohydraulisch betätigte Steuerein-heit, die sogenannte Injection Control Unit (ICU) in Verbindung mit konventionellen Injektoren. Ein integrierter Mengenkolben liefert eine präzise, zyklusgenaue Lage-rückmeldung für den Soll-Ist-Vergleich der Mengenregelung (Volumensteuerung). Bei dem rechts gezeigten, neuen System für kleine Bohrungen wurde die ICU-Funkti-onalität mittels elektrischen Schaltventils in das Injektoroberteil integriert, wobei der Kraftstoff selbst das Servoöl als Steu-ermedium ersetzt. Die Auslösung der Ein-spritzung erfolgt über die Ansteuerung des integrierten Magnetventils in bekann-ter Weise zeitgesteuert.

Als Folge der geänderten Systemarchi-tektur konnten die bei den Lizenznehmern entstehenden Kosten für die gesamte Ein-spritzausrüstung, bezogen auf die gleiche

❼ Common-Rail-Einspritzsysteme mit volumetrischer Steuerung für große Zylinderbohrungen (links) und mit Zeitsteuerung für kleinere Zylinderbohrungen (rechts)

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Motorleistung, um die Hälfte reduziert werden. Noch bemerkenswerter ist, dass die Systemkosten für die neue CR-Ein-spritzung erstmals die Aufwände für ein konventionelles, mechanisches Zweitakt-Dieseleinspritzsystem unterschreiten.

In ❽ ist die Versorgungseinheit auf der Antriebsseite des Motors mit zwei Hoch-druckkraftstoffpumpen und zwei Servo-ölpumpen dargestellt. Zur Verminderung der erforderlichen Antriebsleistung sind die Hochdruckpumpen mit einer einlass-seitigen Drosseleinrichtung ausgerüstet. Die Zweitaktdieselmotoren von Wärtsilä

arbeiten derzeit mit Einspritzdrücken von 900 und 1000 bar. An beiden genannten Systemen kann eine Formung des Ein-spritzverlaufs realisiert werden, indem ent-weder zwei oder drei der am Brennraum-umfang platzierten Injektoren sequentiell angesteuert werden. Diese Technik wird bei den RT-flex-Motoren von Wärtsilä zur Rauch- und NO

x-Verminderung im Teillastbereich sowie zur Darstellung eines stabilen Motorlaufs bis hinunter zu ein-stelligen Motordrehzahlen angewendet. Das neue, „kleine“ System bietet darüber hinaus die Möglichkeit der Mehrfach-

einspritzung pro Injektor mit prinzipiell 1600 bar Hochdruckfähigkeit und somit zusätzliches Potenzial für die Weiterent-wicklung des Brennverfahrens.

❾ zeigt die Einzelkomponenten des Hochdrucksystems mit Rail, Druckregel-ventil, Durchflussbegrenzungsventilen und Hochdruckleitungen, die in Zusam-menarbeit mit der Nova Werke AG in Effretikon, Schweiz, entwickelt wurden. Bei der Hochdruckpumpe und den Injek-toren handelt es sich um Entwicklungs-umfänge der Firma L’Orange GmbH, Stuttgart, dem Hauptkooperationspartner im Teilprojekt Einspritzsystem.

zylindErscHMiErsystEM

Die Trennung zwischen Kurbel- und Arbeitsraum des Kreuzkopfmotors hat zur Folge, dass das Reibpaar Kolbenring und Zylinder an Zweitakt-Großdieselmotoren auf an dere Weise als beim Tauchkolben-motor ge schmiert wird. Der zusätzliche Betriebsstoff Zylinderschmieröl steht nicht über einen Ölkreislauf mit dem im Kurbel-raum vorhandenen Systemöl in Verbin-dung. Letztendlich führt dies zu einem Verlust beziehungsweise einer kontinuier-lichen Zugabe des auf die Zylinderlauf-fläche aufgebrachten Schmierstoffs, die es zu optimieren gilt. Durch eine externe Pumpe wird das Schmier öl an jedem Motorzylinder von außen über entspre-chende Bohrungen zudosiert.

Das elektronisch gesteuerte Puls-schmiersystem PLS wurde in Kooperation mit der SKF Lubrication Systems Germany AG (vormals Vogel AG), Hockenheim, ent-wickelt und im Jahr 2006 bei den Wärts-ilä-Zweitaktmotoren eingeführt. Durch die höhere Drehzahl (167/min) des Motors mit 35 cm Bohrung werden hohe Anfor-derungen an die einzuhaltende Dosier-genauigkeit und -frequenz sowie Mini-malmenge gestellt. Um diese zu erfüllen, wurde gemeinsam mit SKF die neue, doppelt wirkende Hubtaktpumpe namens CLU-5 entwickelt. Da das doppeltwir-kende Prinzip pro Förderhub nur eine Taktung des 4/2-Wegeventils er fordert, ist die Gesamtzyklenzahl gegenüber der einfachwirkenden Pumpe halbiert, was der Standfestigkeit zugutekommt. ❿ zeigt die Entwicklung der Zylinderschmierrate an Wärtsilä-Motoren seit Einführung des Tribo-Pack-Standards, der in [5] be -schrieben wurde.

❽ Versorgungseinheit

❾ Systemkomponenten der neuen Common-Rail-Einspritzung für kleine Zylinderbohrungen

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EntwicklungsMEtHodik

Bereits während eines vorangegangenen Motorprojekts wurden bei Wärtsilä auf Zielkriterien basierende Entwicklungsme-thoden namens Design-for-X erfolgreich eingeführt und zur Prozessreife entwickelt. Zu Beginn des Entwicklungsprojekts wurde die Teildisziplin Design-to-Cost auch organisatorisch in der Projekt- und Linien-struktur auf entsprechender Ebene veran-kert, um der hohen Bedeutung der Motor-kosten für die Wettbewerbsfähigkeit des neuen Zweitaktmotors Rechnung zu tra-gen. In der Praxis entstanden so konkrete Zielvorgaben pro Motorkonstruktions-gruppe, die bereits im Zuge der Konzept-phase und über die gesamte Projektlaufzeit hinweg ein wesentliches und durchweg akzeptiertes Steuerungsinstrument darstell-ten. So konnte das ursprünglich gesetzte Kostenziel für den Gesamtmotor bereits zu Projekthalbzeit im August 2009 erreicht werden, woraufhin die Zielvorgabe erneut moderat angehoben wurde.

siMulations- und validiErungskonzEpt

Während der Entwicklungszeit der neuen Motoren konnten auf Seiten der Simulation weitere nennenswerte Fortschritte er zielt werden: Für Betriebsfestigkeits- und Schwingungsuntersuchungen wurde ver-stärkt mit vollständigen Motorgesamtmo-dellen gearbeitet, was vorausberechnende Aussagen bezüglich des Schwingungsver-haltens an kritischen Motorkomponenten ermöglichte. Diese werden gestützt durch Erfahrungen mit früheren Rechnungs-Mes-

sungs-Vergleichen an Teilmodellen. Die weitreichenden Simulationsaktivitäten an der ersten Sechszylinderversion des Mo tors waren: : Ermüdungsfestigkeitsnachweis anhand

dynamischer Spannungsanalysen basierend auf allen Betriebskräften

: Mehrkörpersimulation (MKS) des gesamten Triebwerks

: EHD-Simulation der Triebwerksgleitlager

: thermomechanische FE-Simulation des Brennraums

: CFD-Simulation der Verbrennung, des Schmiersystems und der Abgas- sowie der Spülluftführung

: harmonische Antwortanalyse der Schwingungen des gesamten Motors basierend auf den Anregungen aus der MKS

: explizite FE-Simulation von Hoch-geschwindigkeitsvorgängen in den Einspritzkomponenten.

Erwartet wird, dass die Aussagegenauigkeit der Simulation nach Auswertung der für den ersten Motor geplanten Messkampag-nen erneut signifikant zunehmen wird, wovon das interne Know-how und zukünfti- ge Motorentwicklungen profitieren werden.

Auch aus diesem Grund wurde in Zu -sammenarbeit mit dem Lizenznehmer 3. Maj Engines & Cranes in Rijeka, Kro-atien, ein 500 h umfassendes Motorver-suchsprogramm geplant, was auf diese Art ein Novum in der Erprobung von Zweitakt-motoren darstellt. Gleichzeitig dient der erweiterte Abnahmelauf der Validierung der neu entwickelten Einzelsysteme in ihrem Zusammenwirken am Motor. Grundsätzlich wird die Tauglichkeit neu entwickelter

Komponenten und Systeme bei Wärtsilä auf hierfür errichteten Funktions- und Dauer-laufprüfständen für eine Dauer >3000 h im Versuch abgesichert. Am Dieseltechnologie-zentrum in Oberwin terthur verfügt Wärtsilä über eigens ein gerichtete Prüfstände für das Einspritz- und PLS-Zylinderschmiersystem des neu en Motors.

zusaMMEnFassung und ausblick

Mit den RT-flex-Zweitakt-Schiffsdiesel-motoren der Bohrungsklassen 35 cm und 40 cm bietet Wärtsilä ein kostengünstiges, technisch hochwertiges Produkt an, bei dessen Entwicklung stärker denn je hohe Zuverlässigkeit und geringe Lebenszyklus-kosten für den Kunden im Fokus standen. Die Entwicklungsarbeiten konnten unter Einsatz weiterentwickelter Methoden erfolg-reich abgeschlossen werden. Die ersten Sechszylindermotoren vom Typ RT-flex35 befinden sich derzeit im Bau, die Versuchs-abnahme ist für November 2011 geplant.

litEraturHinwEisE[1] Heim, K.; Frigge, P.: The Wärtsilä low-speed engine programme for today’s and future require-ments. 26. CImAC-Weltkongress 2010, Bergen, norwegen[2] Sakabe, H.; Hosokawa, n.: Cutting edge technologies of uE engine for higher efficiency and environment. 26. CImAC-Weltkongress 2010, Bergen, norwegen[3] mollenhauer, K.; Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Dieselmotoren. 3. Aufl. Berlin: Springer, 2007[4] Demmerle, R.; Heim, K.: Evolution of the Sulzer RT-flex common rail system. 24. CImAC-Weltkongress 2004, Kyoto, Japan[5] Amoser, m.: Verbesserter Kolbenlauf von langsam laufenden Dieselmotoren. In: mTZ 63 (2002), nr. 4

❿ Entwicklung der Zylinderschmierraten an Wärtsilä-Zweitaktmotoren

Die Autoren danken Alexander Bühner,

ole Christensen, Dr. Wilfried Schiffer und

martin Sichler für ihre unterstützung bei der

Erstellung dieses Beitrags.

Danke

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85311I2011 72. Jahrgang