Neuroinformatik I - Universität Ulm · Neuroanatomie Psychologie Kognitionswissenschaften...

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Neuroinformatik I Günther Palm Friedhelm Schwenker Abteilung Neuroinformatik Vorlesung: Do 10-12 Uhr Raum H21 / Übung: Fr 12-14 Raum 121 und 122 Übungsaufgaben sind schriftlich zu bearbeiten (Schein bei 50% der erreichbaren Punkte und aktiver Teilnahme in der Übungsstunde). Kernfächer: Mathematische und theoretische Methoden der Informatik und Praktische Informatik. Vertiefungsfach: Neuroinformatik. Wählbar im 3. Bachelor Jahr

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Neuroinformatik I

Günther PalmFriedhelm Schwenker

Abteilung Neuroinformatik

• Vorlesung: Do 10-12 Uhr Raum H21 / Übung: Fr 12-14 Raum 121 und 122

• Übungsaufgaben sind schriftlich zu bearbeiten (Schein bei 50% der erreichbaren Punkteund aktiver Teilnahme in der Übungsstunde).

• Kernfächer: Mathematische und theoretische Methoden der Informatik und PraktischeInformatik.

• Vertiefungsfach: Neuroinformatik.

• Wählbar im 3. Bachelor Jahr

1. Computer und neuronale Netze

1. Was ist die Neuroinformatik?

2. Aufgaben für neuronale Systeme

3. Computer vs. neuronale Netze

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Neuroinformatik ist die Wissenschaft, die sich mit der Informationsverarbeitung in neuro-nalen Systemen (biologischen und künstlichen) befasst.

Neuroinformatik

Neurowissenschaften Informatik

Neurobiologie

Neurophysiologie

Neuroanatomie

Psychologie

Kognitionswissenschaften

Neuronale Systeme Informationsverarbeitung

AutomatikMathematik

Information

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Aufgaben für neuronale Systeme

Für welche Aufgabenstellungen sind neuronale Systeme geeignet?

Visuelle Erkennung: Erkennung von Objekten, Gesichtern, Handschrift-zeichen.

Akustische Erkennung: Erkennung von kontinuierlich gesprochenerSprache, die Identifizierung eines Sprechers.

Autonome Systeme: Lokalisation im Raum, Ausweichen von Hindernis-sen, Planung von Wegen.

Arithmetik: Berechnung von 23.4561246537829, π = 3, 1415 . . .

(Mathematische) Beweise: Gibt es natürliche Zahlen x, y und z, so dassdie Gleichung xn + yn = zn für natürliche Zahlen n > 2 erfüllt ist?

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Computer Neuronale Systemewenige aber komplexe Prozessoren≈ 100 – 104

viele einfache Neuronen, z. B. immenschlichen Gehirn ≈ 1010-1011

niedriger Vernetzungsgrad≈ 101

hoher Vernetzungsgrad≈ 103–105 Synapsen pro Neuron

Taktfrequenz liegt im GHz-Bereich wenige hundert Spikes pro Sekunde

kaum fehlertolerant fehlertolerant (fuzzy, verrauschteoder wiedersprüchliche Daten)

nicht robust; Störung führen meistzum Ausfall

robust bzw. stetig; Störung bedeu-tet kein Totalausfall, sondern einge-schränkte Funktionalität

explizite Programmierung lernen durch Beispiele

Trennung von Programmen und Da-ten

Keine Trennung; die Synapsenstärkebeeinflußt die Neuronenaktivität undumgekehrt

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Literatur

[1] D. J. Amit. Modelling Brain Function: The world of attractor neural networks. CambridgeUniversity Press, Cambridge, 1989.

[2] M. Arbib. The Metaphorical Brain 2. Wiley, New York, 1988.

[3] R. Beale and T. Jackson. Neural Computing an Introduction. Adam Hilger, Bristol andNew York, 1990.

[4] C. M. Bishop. Neural Networks for Pattern Recognition. Clarendon Press, Oxford, 1995.

[5] H. Braun. Praktikum neuronaler Netze. Springer, 1996.

[6] R. Brause. Neuronale Netze. B. G. Teubner, Stuttgart, 1991.

[7] V. Cherkassky, J.H. Feldman, and H. Wechsler, editors. From Statistics to Neural Net-works, volume 135 of Computer and Systems Sciences. Springer, 1994.

[8] A. Chichocki and R. Unbehauen. Neural networks for Optimization and Signal Proces-sing. Wiley, 1993.

[9] M. H. Hassoun. Fundaments of Artificial Neural Networks. MIT Press, 1995.

[10] S. Haykin. Neural Networks: A Comprehensive Foundation. Macmillan College Publis-hing Company, 1994.

[11] J A. Hertz, A Krogh, and R G. Palmer. Introduction to the Theory of Neural Computation.Addison-Wesley, 1991.

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[12] T. Kohonen. Self-Organization and Associative Memory. Springer, Berlin, 1983.

[13] T. Kohonen. Self-Organizing Maps. Springer, 1995.

[14] B. Kosko. Neural Networks and fuzzy systems. Prentice-Hall International Editions,1992.

[15] R. J. Mammone, editor. Artificial Neural Networks for Speech and Vision. Chapman&Hall, 1994.

[16] D. Nauck, F. Klawonn, and R. Kruse. Neuronale Netze und Fuzzy-Systeme. Vieweg,1994.

[17] M. L. Minsky S. A. Papert. Perceptrons. MIT–Press, 2nd edition, 1988.

[18] R. Rojas. Theorie der neuronalen Netze. Springer, 1993.

[19] D. E. Rumelhart and J. L. Mc Clelland. Parallel Distributed Processing Vol. 1: Foundati-ons. MIT Press, Cambridge, 1986.

[20] P. D. Wasserman. Advanced methods in neural computing. Van Nostrand Reinhold,New York, 1993.

[21] H. White. Artifical Neural Networks. Blackwell, 1992.

[22] A. Zell. Simulation neuronaler Netze. Addision Wesley, 1994.

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2. Biologische Grundlagen neuronaler Netze

1. Gehirn

2. Neuron

3. Synapse

4. Neuronale Dynamik

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Menschliches Gehirn

Ansicht eines menschlichen Gehirns (von links-hinten). Großhirnrinde und Kleinhirn sind ge-zeigt.

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Gehirne einiger Tiere

Fortschreitende Vergrößerung (bzgl. des Volu-mens und der Einfaltungen) des Großhirns beiWirbeltieren.

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Links: Seitenansicht der linken Gehirnhemisphäre beim Menschen. Die Oberfläche ist starkgefaltet; verschiedene Felder mit ihrer Spezialisierung auf Teilaufgaben sind abgegrenzt.

Rechts: Schnitt durch die Hirnrinde einer Katze. Pyramidenzellen (A-G); Sternzellen (H-M).Etwa 1% der Nervenzellen sind durch spezielle Färbungstechniken gezeigt. MenschlichesGehirn: 1010

− 1011 Neuronen.

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Somatosensorische und motorische Hirnrinde

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Schichtenstruktur der Großhirnrin-de. Es sind verschiedene neuronaleStrukturen gezeigt:

• Neuronen mit Nervenfa-sern(links)

• Verteilung der Zellkörper (Mitte).

• Organisation der Nervenfasern(rechts).

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Neuron (schematisch dargestellt)

Anatomische Teilstrukturen eines Neurons:

• Zellkörper (Soma)

• Dendrit

• Axon

Der Nervenimpuls (Spike oder Aktionspoten-tial) breitet sich ausgehend vom Zellkörper(genauer vom Axonhügel) über das gesamteAxon bis in die axonalen Endigungen aus.

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Oben: Zellkörper mit einem stark ver-zweigten Dendriten(baum). An denVerästelungen des Dendriten befin-den sich eine Vielzahl von Kontakt-stellen, sogenannten Synapsen, vonvorgeschalteten Neuronen.

Unten: Synaptische Kopplung zwei-er Neuronen. In der präsynaptischenMembran (axonales Endknöpfchen)befindet sich der Neurotransmitterin den synaptischen Bläschen.

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Zellmembran

Sematische Darstellung einer Axonmembran. Offene und durch Tore (gates) verschlosseneIonenkanäle sind gezeigt. Ionen befinden außerhalb und innerhalb der Membran.

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Die häufigsten Ionenkanaltypen in der Axon-membran:

• Kaliumkanäle (oben) gehören (in der Mehr-zahl) zum offenen Typ; Kaliumionen sindvor allem innerhalb der Zelle.

• Natriumkanäle (Mitte) sind (in der Mehr-zahl) durch gates verschlossen; Natriumio-nen befinden sich hauptsächlich außerhalbder Zelle.

• Chloridkanäle (unten) sind (in der Mehr-zahl) offen; Chloridionen sind überwiegendaußerhalb der Zelle.

Chloridionen gibt es deutlich weniger alsKalium- oder Natriumionen.

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Potential an der Zellmembran

Messungen des Ruhepotentials an der Zell-membran

a Ruhepotential (hier bei -75mV) zwischendem Inneren und dem Äußeren der Zelle.

b kein Potential im Extrazellulärraum

c kein Potental im Intrazellulärraum

d Einstechen einer Mikroelektrode in die Zel-le zur Zeit t1. Potential fällt sprunghaft aufdas Ruhepotential ab.

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Aktionspotential an der Zellmembran

Phasen des Aktionspotentials

1. Ruhepotential.

2. Spannungsgesteuerte Natrium- und(wenige) Kaliumkanäle springen auf(durch synaptische Erregung). Positi-ve Natriumionen strömen massiv indie Zelle ein.

3. Natriumionen strömen weiter ein.

4. Natriumkanäle schließen sich. Kali-umkanäle bleiben offen.

5. Positive Kaliumionen strömen durchdie offenen Kaliumkanäle weiter aus,ebenso positive Natriumionen (durchdie Natriumkanäle vom offen Typ).

6. Kaliumkanäle schließen sich wieder.

7. Ruhepotential wieder erreicht.

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Aktionspotential - Ausbreitung

1. Aktionspotential (AP) wird amAxonhügel ausgelöst.

2. Fortpflanzung des APs mit kon-stanter Amplitude.

3. Verzweigung des APs am Endedes Axons, sogenannter axonalerBaum.

4. Ausschüttung von Neurotransmit-ter in den Synapsen.

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Aufbau einer Synapse

• Präsynaptische Membran (axonalesEndknöpfchen des vor der Synapseliegenden Neurons) mit synaptischenBläschen. Neurotransmitter befindetsich in den synaptischen Bläschen.

• Postsynaptische Membran (Dendritdes nachfolgenden Neurons).

• Neuronen sind getrennt. Synapti-schen Spalt sehr klein (einige Nano-meter).

• Übertragung des Aktionspotentialauf die nachgeschaltete Zelle erfolgtdurch Ausschüttung von Neuro-transmitter in den synaptischenSpalt.

Diese chemische Synapsen kommenvor allem in Wirbeltiergehirnen vor.

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Synaptische Übertragung

Oben: ElektronenmikroskopischeAufnahme einer Synapse bei der Aus-schüttung von Neurotransmitter.

Unten: Sematische Darstellung derNeurotransmitterausschüttung.

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Erregende/ExzitatorischeSynapse• Aktionspotential erreicht Axonen-

digung

• Exizatorischer Neurotransmitterbewirkt das kurzzeitige Öffnenvon Natriumkanälen, so dassim Bereich der Synapse, positivgelandenen Natriumionen in dieZelle einströmen.

• Dadurch erhöht sich die positiveLadung innerhalb der Zelle.

• Änderung des Potentials derpostsynaptischen Zelle (es wirdetwas positiver).

• EPSP = exzitatorisches postsyn-aptisches Potential

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Hemmende/InhibitorischeSynapse• Aktionspotential erreicht Axonen-

digung

• Inhibitorischer Neurotransmitterbewirkt, dass negativ geladeneCloridionen im Bereich derSynapse in die Zelle einströmenkönnen.

• Dadurch erhöht sich die negativeLadung innerhalb der Zelle.

• Änderung des Potentials derpostsynaptischen Zelle (es wirdetwas negativer).

• IPSP = inhibitorisches postsynap-tisches Potential

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Räumlich-Zeitliche Summation amZellkörper• Durch einzelne EPSPs werden keine Akti-

onspotentiale ausgelöst.

• Viele EPSPs (räumliche Summation derEPSPs über die Synapsen), die ungefährgleichzeitig die Zelle erreichen (zeitlicheSummation der EPSPs), können die Zelleso stark erregen, dass die Feuerschwelle(hier -60mV) erreicht wird.

• Mit dem Erreichen der Feuerschwelle wer-den Natriumkanäle geöffnet und ein Akti-onsspotential (Spike) ausgelöst.

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Zyklus der neuronalen Dynamik

a Ausbreitung des Aktionspotenti-als auf dem Axon

b Synaptische Übertragung

c Räumlich-Zeitliche Summationder Eingaben

d Auslösung des Aktionspotentials

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Längenverhältnisse im Nervensystem

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Zusammenfassung

• Warum überhaupt Neuroinformatik?

• Anatomischer Aufbau: Gehirn, Neuron, Synapse,

• Aktionspotential

• Funktionalität der Zellmembran

• Synaptische Übertragung

• Zyklus der Neuronale Dynamik

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