New Charakterisierung chiraler Moleküle · 2019. 12. 12. · Teil 6 Charakterisierung chiraler...

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Teil 6 Charakterisierung chiraler Moleküle 1 Dr. Christian Merten, Ruhr-Uni Bochum, WiSe 2019/20 www.mertenlab.de

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  • Teil 6

    Charakterisierung

    chiraler Moleküle

    1

    Dr. Christian Merten, Ruhr-Uni Bochum, WiSe 2019/20 www.mertenlab.de

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 2

    Chiralität – ein kurzer Reminder

    Cahn-Ingold-Prelog-Regeln (CIP)

    Zuordnung von Prioritäten der Substituenten am Stereozentrum erfolgt wie folgt:

    1. Ordnungszahl der gebundenen Atome (Elektronenpaare = 0)

    2. Sind mehrere Substituenten in der ersten Sphäre identisch (bspw. alle C), dann wird die zweite Sphäre betrachtet

    3. … dann die aus der dritten Sphäre usw.

    4. Doppelbindungen: Z > E

    3

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 3

    Chiralität – ein kurzer Reminder

    Cahn-Ingold-Prelog-Regeln (CIP)

    Nach Zuordnung der Prioritäten orientiert man den Substituenten mit niedrigster Priorität nach hinten

    … und bestimmt die Anordnung der Substituenten:

    Im Uhrzeigersinn: (R)-Konfiguration (von lat. rectus)Gegen Uhrzeigersinn: (S)-Konfiguration (von lat. sinister)

    3

    4

    1

    23

    (S)

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    Chiralität – ein kurzer Reminder

    2 2

    D-(+)- und L-(-)-Glycerinaldehyd

    Historisch:

    Glycerinaldehyd wurde als Standard für Definition gewählt Willkürliche Zuordnung, dass Enantiomer mit positiver optischer

    Rotation D als D-Enantiomer bezeichnet wird.

    Bestimmung L oder D?:

    Substituent höchster Priorität in Fischer-Projektion nach oben setzen

    Steht OH-Gruppe rechts, dann D (für dexter), steht sie links, dann L (laevus)

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    Chiralität – ein kurzer Reminder

    (R) und (S) – L und D – (+) und (‒)

    2 2

    2

    2

    2

    D-(+)- und L-(-)-Glycerinaldehyd L-(+)-Cystein

    (R) (S) (R)

    Halten wir fest: CIP-Regeln bestimmen Konfiguration jedes Stereozentrums,

    ggf. wird angegeben: (1R,2S)-… L/D-Definition gibt erstes Stereozentrum in Fischerprojektion

    an; Diastereomere werden durch unterschiedliche Substanznamen unterschieden (Beispiel: Zucker)

    Ein immer gültiger Zusammenhang zwischen R/S, L/D und opt. Rotation +/- besteht nicht!

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    Andere Formen von Chiralität

    Zentrale Chiralität Helikale Chiralität

    Axiale Chiralität Planare Chiralität

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    Welche Methoden können chirale Moleküle unterscheiden?

    IR-Spektroskopie

    Raman-Spektroskopie

    UV/vis-Spektroskopie

    NMR-Spektroskopie

    Massenspektrometrie Massen von Enantiomeren sind identisch.

    NMR-Spektren von Enantiomeren sind identisch,aber nicht die von Diastereomeren! Derivatisierung ermöglicht Unterscheidung!

    UV/Vis- und Schwingungsspektren von Enantiomeren sind identisch.

    Diastereomere haben theoretisch unterschiedliche Spektren; der Unterschied ist mitunter aber nicht auflösbar oder wenig charakteristisch.

    Möglichkeit „chirale Strahlung“, d.h. zirkular polarisiertes Licht zur Anregung zu benutzen: Zirkulardichroismus

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    NMR: Derivatisierungen

    Umsetzung mit chiralem Hilfsreagenz,

    beispielsweise Mosher‘s Reagenz

    (MTPA-Cl = methyl trifluoromethyl phenyl acetyl chloride)

    Bei Mischungen von Enantiomeren: Bildung eines Diastereomerengemisches

    (R)-MTPA-Cl (?)-sec-OH (S,S)- und (S,R)-Enantiomerim NMR unterscheidbar!

    12

    3

    4 1

    2

    3

    4

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    Bevorzugte Konformationen der beiden Mosher-Ester

    3

    3

    3

    (S,S)-Enantiomer (S,R)-Enantiomer

    Intramolekulare H-Brücke

    minimiert gleichzeitig

    sterische Ww. mit Carbonyl

    Stark elektronenziehende Gruppe (CF3)

    geht in Ebene mit Carbonyl um Dipole-

    Dipole-Ww. zu minimieren

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    Verschiebungseffekte

    Abschirmung von R2 durch Lage oberhalb des Phenylrings (Ringstromeffekt) Hochfeldverschiebung

    Elektronenziehende Ww. durch den Raum entschirmt R1 Tieffeldverschiebung

    Fazit:

    Im Vergleich zum freien Alkohol

    Verschieben sich die 1H-Signale von R1 und R2

    Verschiebung durch OMe > Ph

    Definieren wir also = S - R.

    Folglich:

    Zeigt ein Kern > 0 ist er R1Zeigt ein Kern < 0 ist er R2

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 11

    Unbekannte Konfiguration bestimmen

    OH

    H3C Ph

    H

    (S)-Ester

    (R)-Ester

    S

    R

    Vorgehen: Umsetzen des Alkohols mit (S)-und (R)-MTPA-Cl und bestimmen von .

    Methyl = S - R > 0

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    Mehr zu Mosher-Estern inkl. Protokoll zur Analyse

    Nature Protocols 2 (2007) 2451-2458

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    Weitere chirale NMR-Hilfsreagenzien

    OHOSi

    HF3CPh

    Cl

    H3C CH3

    OSi

    HF3CPh

    O

    H3C CH3 H

    CH3

    Derivatisierungsreagenz

    Solvatisierungsreagenz

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 14

    NMR-Shift-Reagenzien

    Para-magnetische Verbindungen werden aufgrund der ungepaarten

    Elektronen stark durch das Magnetfeld beeinflusst.

    In der Regel kann man keine bzw. keine gut aufgelösten NMR-Spektren von

    paramagnetischen Verbindungen erhalten.

    Aber: Lanthanid-basierte Shiftreagenzien können gezielt eingesetzt werden

    um Enantiomere im NMR auseinander zu halten.

    O

    O

    C3F7

    Eu3+3Einer der bekanntesten Vertreter:

    Europium tris[3-(heptafluoropropylhydroxymethylene)-(+)-campherat]

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 15

    Beispiel NMR-ShiftreagenzBi

    ldqu

    elle

    : Frib

    olin

    , Ein

    -und

    zw

    eidi

    men

    sion

    ale

    NM

    R, W

    iley-

    VCH

    , 3. A

    ufla

    ge

    Entschirmung aller Protonen

    von PEA durch Zugabe des

    Shift-Reagenzes

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 16

    Beispiel NMR-Shiftreagenz

    Bild

    quel

    le: F

    ribol

    in, E

    in-u

    nd z

    wei

    dim

    ensi

    onal

    e N

    MR

    , Wile

    y-VC

    H, 3

    . Auf

    lage

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 17

    Circulardichroismus (CD)-Spektroskopie

    Circulardichroismus: … misst die unterschiedliche Absorption

    links- und recht-zirkular polarisierten LichtesA = ALCP - ARCP

    Man unterscheidet:

    ECD „electronic circular dichroism“= CD-Spektroskopie im UV/vis-Bereich (manchmal auch UV-CD genannt)

    VCD „vibrational circular dichroism“= CD-Spektroskopie im IR-Bereich

    ROA „Raman optical activity“= Streuung von zirkular polarisiertem Licht

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 18

    ECD/VCD – Wie erhält man absolute Konfigurationen?

    ECD: Vergleich mit bekannten Verbindungen, die gleiche

    Chromophore tragen Empirische Regeln wie „exciton coupling“ Berechnung von Spektren Häufig verwendet bei Peptiden oder

    supramolekularen Systemen

    VCD: Berechnung von Spektren Selten „exciton coupling“ oder andere empirische

    Regeln, da sie nur in Spezialfällen funktionieren Für Peptide: Vergleich mit bekannten Verbindungen Ideal für kleine bis mittlere organische Moleküle

    Liu, Merten, Deska, Angew. Chem. Int. Ed. 57 (2018) 12151-12156

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 19

    Ein wenig RUB-Geschichte

    Angew. Chem. 91 (1979) 380-393

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 20

    Linear polarisiertes Licht

    ?

    Ein - zugegebenermaßen - stark vereinfachtes Modell eines Polarisators:

    Unpolarisiertes Licht aus einer normalen UV/vis-

    oder IR-Lichtquelle

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 21

    Linear polarisiertes Licht

    SEM-image from NanoOpto, Somerset, NJ

    Wie funktioniert‘s?

    Elektromagnetische Welle, die mit ihrer elektrischen Feldkomponente parallel zum Gitter auftrifft induziert eine Oszillation von Elektronen in den Gitterlinien

    Reflektion der Lichtwelle

    Elektromagnetische Welle, die mit ihrer elektrischen Feldkomponente senkrecht zum Gitter zeigte keine oder nur geringe Wechselwirkungen mit dem Gitter

    Transmission der Lichtwelle

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 22

    Linear polarisiertes Licht

    Ein verbessertes „Zaun-Modell“

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 23

    Linear polarisiertes Licht

    Die im Raum gekippte linear polarisierte Welle (hier 45° LP) kann durch ihre Komponenten Ex und Ey beschrieben werden.

    𝐸 E ⋅ sin 𝜆𝑡𝐸 E ⋅ sin 𝜆𝑡

    Die Welle wird entsprechend als E(Ex,Ey) beschrieben.

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 24

    Zirkular polarisiertes Licht

    Verschiebung einer Komponente, Exoder Ey, um eine Viertel Wellenlänge

    (/4):𝐸 E ⋅ sin 𝜆𝑡

    𝐸 E ⋅ sin 𝜆𝑡𝜆4

    Zirkulare Polarisation

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 25

    Zirkulare Polarisation

    Langsame Achse

    Schnelle Achse

    Verzögerung um /4

    quarterwave-plate (/4 plate): Dichroitischer Kristall mit verschiedenen Brechungsindizes entlang der kristallographischen a- und b-Achse.

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20

    Beispiel: Schwingungs-CD, also CD-Spektren im IR-Bereich

    Messung i.d.R. nicht als zwei getrennte Messungen mit /4-Platten in verschiedenen Orientierungen, sondern mit photoelastischem Modulator in einer Messung

    26

    Messung eines CD-Spektrums

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    Schnelle Modulation zwischen LCP und RCP

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 28

    Ein Beispiel für Konfigurationsbestimmung mit VCD

    ALCP

    ARCP

    A = ALCP - ARCP

    (1R)--pinene

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 29

    Beispiel für Konfigurationsbestimmung mit VCD

    -Phenylethylamin

    Theo: B3LYP / aug-cc-pVTZ, gas phase, 4 cm-1 HWHHExp.: 3M in CDCl3, 25 µm pathlength

    Messung des VCD-Spektrums Berechnung des VCD-Spektrums

    Aus Vergleich kann absolute Konfiguration bestimmt werden

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 30

    Beispiel für Konfigurationsbestimmung mit VCD

    -Phenylethylamin

    Theo: B3LYP / aug-cc-pVTZ, gas phase, 4 cm-1 HWHHExp.: 3M in CDCl3, 25 µm pathlength

    0.0 kcal/mol

    64 %

    0.4 kcal/mol

    33 %

    1.9 kcal/mol

    3 %

    R / S

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    Sekundärstruktur-Elemente im ECD

    CD-Spektren können helfen Sekundärstruktur-Elemente in Peptiden zu identifizieren.

    Es sind Software-Pakete verfügbar, mit denen durch Fitten Anteile von Sekundärstrukturen abgeschätzt werden können.

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 32

    Chirale Polymere

    Polymer inChloroformDMSO

    Chirale Poly(phenylacetylen)e besitzen ein helikal chiralesPolymerrückrat.

    In einigen Fällen kann ein Wechsel des Lösungsmittels den Helix-Drehsinn invertieren.

    N

    O R*

    H

  • MdS-1 | Charakterisierung chiraler Moleküle | Dr. C. Merten | WS 2019/20 33

    VCD: Mehr als nur Konfigurationsbestimmungen

    NH

    NH

    S

    CHCl3

    DMSO

    Tetrabutyl ammoniumacetate

    N. Kreienborg, C. H. Pollok, C. Merten, Chem. Eur. J. 22 (2016) 12455-12463

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    Letzte Worte vor‘m Fest

    Gruppeneinteilungen werden auf mertenlab.de veröffentlicht Sollten Sie noch keiner Gruppe zugeteilt sein, dann schließen

    Sie sich bitte Gruppe C oder D an Übungen finden immer Mittwoch statt (ab 08.01.) Montags ist keine VL! Räume: Grp A 2/99, Grp B 3/99, Grp C 5/99, Grp D 6/99

    Übungsaufgaben werden immer eine Woche vor der Übung zur Verfügung gestellt und können zuhause bearbeitet werden

    Es wird jeweils ein oder zwei Präsenzübungen geben, die erst in der Übung ausgegeben werden.

    Nächste und letzte Vorlesung am 27. Januar 2020 mit kurzer Wiederholung der Themen

    Übungen:

    Vorlesung:

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    Letzte Worte vor‘m Fest

    Termin: 06.02.2020, 14-16 HZO 40

    Es wird kein Buch zugelassen sein.

    Stattdessen: Gekürzte Tabellensammlung mit den notwendigen

    Daten zur Strukturanalyse

    Sie erhalten eine gesonderte Kopie der Tabellensammlung für

    den Zeitraum der Klausur – Sie brauchen keine Ausdrucke o.ä.

    mitbringen.

    Klausur:

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    In diesem Sinne: Frohes Fest und guten Rutsch!