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Teil 15 Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der Gelenke Abschnitt 1 Das Immunsystem beim Gesunden und beim Kranken Barton F. Haynes, Kelly A. Soderberg, Anthony S. Fauci 372e Einführung in das Immunsystem Für die deutsche Ausgabe Thomas Kamradt DEFINITIONEN Adaptives Immunsystem: der phylogenetisch jüngere Anteil der Im- munabwehr, der auf einer spezifischen Erkennung von Antigenen durch T- und B-Lymphozyten beruht. Zur Erkennung dieser Antige- ne besitzen T- und B-Lymphozyten klonale Rezeptoren. Die Gene für diese Rezeptoren entstehen während der Entwicklung dieser Zel- len durch eine zufällige Rekombination einzelner Gensegmente. Zu- sätzlich gibt es verschiedene Typen Antigen-präsentierender Zellen. Angeborenes Immunsystem: phylogenetisch sehr altes immunologi- sches Abwehrsystem, das über keimbahnkodierte nicht klonale Re- zeptoren, so genannte Mustererkennungsrezeptoren (engl. Pattern Recognition Receptors; PRR) Pathogene erkennt und eine Reihe von Mechanismen zu deren Elimination aktivieren kann. Zellen des an- geborenen Immunsystems sind: natürliche Killer(NK)-Zellen, Mo- nozyten/Makrophagen, dendritische Zellen, neutrophile Granulozy- ten, basophile Granulozyten, eosinophile Granulozyten, Mastzellen und Epithelzellen. Antikörper: Moleküle, die von B-Lymphozyten produziert werden und deren Gene durch zufällige Rekombination einzelner Genseg- mente entstehen. Sie bestehen aus leichten und schweren Immun- globulinketten, die zusammen den B-Zell-Antigenrezeptor bilden. Antikörper kommen entweder als membrangebundener Antigen- rezeptor von B-Zellen oder in löslicher Form im Blut und anderen Körperflüssigkeiten vor. Antigen: körperfremde oder körpereigene Moleküle, welche durch die angeborene oder adaptive Immunabwehr erkannt werden und zur Aktivierung von Immunzellen, wie beispielsweise T-Zellen und/ oder B-Zellen und zur Antikörperproduktion führen. Antimikrobielle Peptide: kleine Peptide mit weniger als 100 Amino- säuren, die von Zellen des angeborenen Immunsystems produziert werden und antimikrobielle Wirkung haben. Apoptose: der Prozess des programmierten Zelltodes, hervorgerufen z. B. durch eine Aktivierung so genannter Todesrezeptoren auf der Zelloberfläche (z. B. CD95 oder Rezeptoren für Tumor-Nekrose- Faktor, TNF). Die Aktivierung dieser Rezeptoren führt über eine Signalkaskade zur Aktivierung von Caspasen, diese bewirken eine DNS-Fragmentierung und schließlich den Zelltod. Im Gegensatz zum Zelluntergang infolge von Nekrose induziert die Apoptose kei- ne entzündlichen Reaktionen. Autoimmunkrankheiten: Erkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes und rheumatoide Arthritis, bei denen die Zellen des erworbenen Immunsystems (autoreaktive T- und B-Zellen) Selbst- antigene erkennen und T-Zell- und Antikörperreaktionen gegen körpereigene Gewebe auslösen. Autoinflammatorische Syndrome: hereditäre Erkrankungen, wie he- reditäres periodisches Fieber (HPFs) mit rezidivierenden Episoden mit schweren Entzündungen und Fieber. Verursacht durch Mutatio- nen in Genen, welche für die Regulation der Entzündungsreaktion wesentlich sind, z. B. Elemente des Inflammasoms (siehe unten und Tab. 372e-6). HPF-Patienten leiden zudem unter Ekzemen, Serosi- tis und Arthritis und haben häufig auch neurologische Symptome. Autoinflammatorische Syndrome unterscheiden sich von Autoimm- unerkrankungen dadurch, dass es keine Hinweise auf eine Aktivie- rung der erworbenen Immunität gegen Selbstantigene gibt, wie au- toreaktive B-Zellen. B-Lymphozyten: aus dem Knochenmark stammende Lymphozyten, die membrangebundene Immunglobuline (den Antigenrezeptor von B-Zellen) exprimieren und nach ihrer Aktivierung durch Kon- takt mit Antigen spezifische Antikörper sezernieren. B-Lymphozy- ten wurden zuerst in der Bursa Fabricii in Vögeln entdeckt, daher die Bezeichnung B-Lymphozyt. B-Zell-Antigenrezeptor: Komplex von Oberflächenmolekülen aus membrangebundenem Immunglobulin (Ig) und damit assoziierten Ig-αβ-Ketten. Die Antigene werden durch die variablen Anteile der leichten und der schweren Kette der Immunglobuline erkannt und diese Bindung von Antigen führt zur zellulären Aktivierung der B- Zelle und damit zu ihrer terminalen Dierenzierung und zur Pro- duktion Antigen-spezifischer Antikörper. CD-Klassifikation humaner Leukozytendierenzierungsantigene: Die Entwicklung der Technologie zur Herstellung monoklonaler Antikörper hat zur Entdeckung zahlreicher neuer Oberflächenmo- leküle auf Leukozyten geführt. 1982 wurde durch den First Interna- tional Workshop on Leukocyte Dierentiation Antigens eine einheit- liche Nomenklatur für Oberflächenmoleküle von humanen Leuko- zyten eingeführt, die man als Cluster-of-Dierentiation(CD)-Klassi- fikation bezeichnet und die regelmäßig aktualisiert wird. Chemokine: lösliche Moleküle, die die Migration und die Zirkulati- on der Immunzellen steuern. Dendritische Zellen: Antigen-präsentierende Zellen des adaptiven Immunsystems, die sich aus myeloiden und/oder lymphatischen Vorläuferzellen entwickeln. Unreife dendritische Zellen sind Schlüs- selkomponenten des angeborenen Immunsystems, die auf Infektio- nen mit einer starken Zytokinproduktion reagieren. Dendritische Zellen sind zentrale Initiatoren sowohl der angeborenen Immunität (durch Zytokinproduktion) als auch der adaptiven Immunabwehr (durch Antigenpräsentation für T-Zellen). Große granuläre Lymphozyten: Lymphozyten des angeborenen Im- munsystems mit azurophilen Granula, die durch ihre NK-Zell-Akti- vität in der Lage sind, fremde und körpereigene Zellen mit geringer oder fehlender Major-Histokompatibilitätskomplex-Klasse-I(MHC- I)-Expression abzutöten. Fc-Rezeptoren: Fc-Rezeptoren (Fc) binden den Fc(constant frag- ment)-Teil der Antikörper. Sie sind üblicherweise spezifisch für be- stimmte Isotypen. So binden FcgR Antikörper vom IgG-Typ und FceR binden IgE-Antikörper. Verschiedene Zellen des hämatopoie- tischen Systems, z. B. Makrophagen, Neutrophile, Mastzellen, B- Zellen und NK-Zellen, exprimieren FcR. FcR verbinden die Anti- genspezifität der Antikörper mit den Eektormechanismen des an- geborenen Immunsystems. So werden z. B. Antikörper-beladene (opsonisierte) Pathogene über den FcR leichter von Makrophagen aufgenommen und natürliche Killerzellen können nach Bindung an ihren FcR Antikörper-beladene Zellen töten. Dieser Vorgang wird als Antikörper-vermittelte Zytotoxizität (engl. antibody-dependent cytoxicity, ADCC) bezeichnet. Beispiele für Fc-Rezeptoren sind CD16 (FcγRIIIa), CD32 (FcγRII), CD64 (FcγRI), CD23 (FcεR), und CD89 (FcαR). 372e-1 Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Teil 15 Erkrankungen des Immunsystems,des Bindegewebes und der Gelenke

Abschnitt 1 Das Immunsystem beim Gesunden und beimKranken

Barton F. Haynes, Kelly A. Soderberg, Anthony S. Fauci

372e Einführung in das ImmunsystemFür die deutsche Ausgabe Thomas Kamradt

DEFINITIONEN• Adaptives Immunsystem: der phylogenetisch jüngere Anteil der Im-munabwehr, der auf einer spezifischen Erkennung von Antigenendurch T- und B-Lymphozyten beruht. Zur Erkennung dieser Antige-ne besitzen T- und B-Lymphozyten klonale Rezeptoren. Die Genefür diese Rezeptoren entstehen während der Entwicklung dieser Zel-len durch eine zufällige Rekombination einzelner Gensegmente. Zu-sätzlich gibt es verschiedene Typen Antigen-präsentierender Zellen.

• Angeborenes Immunsystem: phylogenetisch sehr altes immunologi-sches Abwehrsystem, das über keimbahnkodierte nicht klonale Re-zeptoren, so genannte Mustererkennungsrezeptoren (engl. PatternRecognition Receptors; PRR) Pathogene erkennt und eine Reihe vonMechanismen zu deren Elimination aktivieren kann. Zellen des an-geborenen Immunsystems sind: natürliche Killer(NK)-Zellen, Mo-nozyten/Makrophagen, dendritische Zellen, neutrophile Granulozy-ten, basophile Granulozyten, eosinophile Granulozyten, Mastzellenund Epithelzellen.

• Antikörper: Moleküle, die von B-Lymphozyten produziert werdenund deren Gene durch zufällige Rekombination einzelner Genseg-mente entstehen. Sie bestehen aus leichten und schweren Immun-globulinketten, die zusammen den B-Zell-Antigenrezeptor bilden.Antikörper kommen entweder als membrangebundener Antigen-rezeptor von B-Zellen oder in löslicher Form im Blut und anderenKörperflüssigkeiten vor.

• Antigen: körperfremde oder körpereigene Moleküle, welche durchdie angeborene oder adaptive Immunabwehr erkannt werden undzur Aktivierung von Immunzellen, wie beispielsweise T-Zellen und/oder B-Zellen und zur Antikörperproduktion führen.

• Antimikrobielle Peptide: kleine Peptide mit weniger als 100 Amino-säuren, die von Zellen des angeborenen Immunsystems produziertwerden und antimikrobielle Wirkung haben.

• Apoptose: der Prozess des programmierten Zelltodes, hervorgerufenz. B. durch eine Aktivierung so genannter Todesrezeptoren auf derZelloberfläche (z. B. CD95 oder Rezeptoren für Tumor-Nekrose-Faktor, TNF). Die Aktivierung dieser Rezeptoren führt über eineSignalkaskade zur Aktivierung von Caspasen, diese bewirken eineDNS-Fragmentierung und schließlich den Zelltod. Im Gegensatzzum Zelluntergang infolge von Nekrose induziert die Apoptose kei-ne entzündlichen Reaktionen.

• Autoimmunkrankheiten: Erkrankungen wie systemischer Lupuserythematodes und rheumatoide Arthritis, bei denen die Zellen deserworbenen Immunsystems (autoreaktive T- und B-Zellen) Selbst-antigene erkennen und T-Zell- und Antikörperreaktionen gegenkörpereigene Gewebe auslösen.

• Autoinflammatorische Syndrome: hereditäre Erkrankungen, wie he-reditäres periodisches Fieber (HPFs) mit rezidivierenden Episodenmit schweren Entzündungen und Fieber. Verursacht durch Mutatio-nen in Genen, welche für die Regulation der Entzündungsreaktionwesentlich sind, z. B. Elemente des Inflammasoms (siehe unten undTab. 372e-6). HPF-Patienten leiden zudem unter Ekzemen, Serosi-tis und Arthritis und haben häufig auch neurologische Symptome.Autoinflammatorische Syndrome unterscheiden sich von Autoimm-unerkrankungen dadurch, dass es keine Hinweise auf eine Aktivie-

rung der erworbenen Immunität gegen Selbstantigene gibt, wie au-toreaktive B-Zellen.

• B-Lymphozyten: aus dem Knochenmark stammende Lymphozyten,die membrangebundene Immunglobuline (den Antigenrezeptorvon B-Zellen) exprimieren und nach ihrer Aktivierung durch Kon-takt mit Antigen spezifische Antikörper sezernieren. B-Lymphozy-ten wurden zuerst in der Bursa Fabricii in Vögeln entdeckt, daherdie Bezeichnung B-Lymphozyt.

• B-Zell-Antigenrezeptor: Komplex von Oberflächenmolekülen ausmembrangebundenem Immunglobulin (Ig) und damit assoziiertenIg-αβ-Ketten. Die Antigene werden durch die variablen Anteile derleichten und der schweren Kette der Immunglobuline erkannt unddiese Bindung von Antigen führt zur zellulären Aktivierung der B-Zelle und damit zu ihrer terminalen Differenzierung und zur Pro-duktion Antigen-spezifischer Antikörper.

• CD-Klassifikation humaner Leukozytendifferenzierungsantigene:Die Entwicklung der Technologie zur Herstellung monoklonalerAntikörper hat zur Entdeckung zahlreicher neuer Oberflächenmo-leküle auf Leukozyten geführt. 1982 wurde durch den First Interna-tional Workshop on Leukocyte Differentiation Antigens eine einheit-liche Nomenklatur für Oberflächenmoleküle von humanen Leuko-zyten eingeführt, die man als Cluster-of-Differentiation(CD)-Klassi-fikation bezeichnet und die regelmäßig aktualisiert wird.

• Chemokine: lösliche Moleküle, die die Migration und die Zirkulati-on der Immunzellen steuern.

• Dendritische Zellen: Antigen-präsentierende Zellen des adaptivenImmunsystems, die sich aus myeloiden und/oder lymphatischenVorläuferzellen entwickeln. Unreife dendritische Zellen sind Schlüs-selkomponenten des angeborenen Immunsystems, die auf Infektio-nen mit einer starken Zytokinproduktion reagieren. DendritischeZellen sind zentrale Initiatoren sowohl der angeborenen Immunität(durch Zytokinproduktion) als auch der adaptiven Immunabwehr(durch Antigenpräsentation für T-Zellen).

• Große granuläre Lymphozyten: Lymphozyten des angeborenen Im-munsystems mit azurophilen Granula, die durch ihre NK-Zell-Akti-vität in der Lage sind, fremde und körpereigene Zellen mit geringeroder fehlender Major-Histokompatibilitätskomplex-Klasse-I(MHC-I)-Expression abzutöten.

• Fc-Rezeptoren: Fc-Rezeptoren (Fc) binden den Fc(constant frag-ment)-Teil der Antikörper. Sie sind üblicherweise spezifisch für be-stimmte Isotypen. So binden FcgR Antikörper vom IgG-Typ undFceR binden IgE-Antikörper. Verschiedene Zellen des hämatopoie-tischen Systems, z. B. Makrophagen, Neutrophile, Mastzellen, B-Zellen und NK-Zellen, exprimieren FcR. FcR verbinden die Anti-genspezifität der Antikörper mit den Effektormechanismen des an-geborenen Immunsystems. So werden z. B. Antikörper-beladene(opsonisierte) Pathogene über den FcR leichter von Makrophagenaufgenommen und natürliche Killerzellen können nach Bindung anihren FcR Antikörper-beladene Zellen töten. Dieser Vorgang wirdals Antikörper-vermittelte Zytotoxizität (engl. antibody-dependentcytoxicity, ADCC) bezeichnet. Beispiele für Fc-Rezeptoren sindCD16 (FcγRIIIa), CD32 (FcγRII), CD64 (FcγRI), CD23 (FcεR),und CD89 (FcαR).

372e-1Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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• Inflammasom: große zytoplasmatische Komplexe intrazellulärerProteine, die durch mikrobielle Produkte oder und zellulären Stressaktiviert werden und die proteolytische Aktivierung von proinflam-matorischen Zytokinen, insbesondere Interleukin (IL) 1β und IL-18bewirken. Die Aktivierung der Moleküle im Inflammasom ist einSchlüsselschritt bei der Reaktion des angeborenen Immunsystemsund dient dem intrazellulären Erkennen von Mikroorganismen undanderen gefährlichen Signalen bei pathologischen Veränderungenund im Normalzustand.

• Komplement: Kaskade von Enzymen und Effektorproteinen, die di-rekt zur Lyse von Pathogenen oder deren verbesserter Phagozytosedurch Neutrophile, Granulozyten oder Monozyten/Makrophagenführt.

• Kostimulatorische Moleküle: Moleküle, die von Antigen-präsentie-renden Zellen exprimiert werden, wie CD80 (B7-1) und CD86 (B7-2) oder CD40, und deren Interaktion mit dem jeweiligen Ligandenauf T-Zellen (CD28 oder CD40-Ligand) zu deren Aktivierungführt.

• Natürliche Killerzellen: große granuläre Lymphozyten, die beispiels-weise maligne transformierte oder virusinfizierte Zielzellen abtötenkönnen. Die Erkennung dieser Zellen erfolgt über eine verminderteoder fehlende MHC-I-Expression auf diesen Zellen. NK-Zellen be-sitzen Rezeptoren, die bei normaler MHC-I-Expression die Killer-funktion inhibieren.

• Natürliche Killer-T-Zellen: Lymphozyten des erworbenen Immun-systems, die eine invariante T-Zell-Rezeptor(T-cell receptor, TCR)-α-Kette mit einem begrenzten Satz von TCR-β-Ketten und koexpri-mierten Rezeptoren verwenden, die oft auf NK-Zellen vorkommen.NK-T-Zellen erkennen Lipidantigene von Bakterien, Viren, Pilzenund Protozoen.

• Pathogen-associated Molecular Patterns (PAMPs): evolutionär hochkonservierte Moleküle, die von einer ganzen Gruppe von Mikro-organismen exprimiert werden und von Pattern Recognition Recep-tors erkannt werden. Diese Erkennung führt zu einer Aktivierungdes angeborenen Immunsystems.

• Pattern Recognition Receptors (PRR): mustererkennende Rezepto-ren, die das Produkt keimbahnkodierter Gene sind und von Zellendes angeborenen oder erworbenen Immunsystems exprimiert wer-den; sie erkennen und reagieren mit PAMPs.

• Polyreaktive natürliche Antikörper: unabhängig von Antigenkontaktbereits produzierte Antikörper mit geringer Affinität, die von B-Zel-len hergestellt werden, mit zahlreichen Antigenen kreuzreagierenund sich zum Infektionszeitpunkt an die eindringenden Pathogenebinden, sie opsonisieren und die Infektion mithilfe der angeborenenReaktion so lange eingrenzen, bis das erworbene Immunsystemhochaffine, schützende Antikörper hergestellt hat.

• T-17-T-Zellen: CD4-T-Zellen, die IL-17 und IL-22 und IL-26 aus-schütten, spielen eine Rolle bei der Abwehr von Pilz- und bakteriel-len Infektionen. Th17-Zellen sind auch für die Entwicklung ver-schiedener Autoimmunkrankheiten (z. B. Psoriasis) von entschei-dender Bedeutung.

• T-Lymphozyten: Lymphozyten, die im Thymus ausreifen und Trägerder zellulären adaptiven Immunantwort sind. Zu ihnen zählen T-Helfer-Zellen, zytotoxische T-Zellen und regulatorische T-Zellen.

• T-follikuläre Helferzellen (Tfh): CD4-T-Zellen, die in B-Zell-Folli-keln in peripheren Lymphgeweben IL-4 und IL-21 produzieren unddadurch die B-Zell-Entwicklung und Reifung beschleunigen.

• T-Zell-Erschöpfung: Zustand der T-Zellen bei Fortbestehen eines dieT-Gedächtniszellen störenden Antigens. Die T-Zell-Antwort ist hiergestört. Sie tritt häufig bei Malignomen oder chronischen Virus-erkrankungen wie HIV-1 und Hepatitis C auf.

• T-Zell-Rezeptor: Molekülkomplex aus dem klonalen heterodimerenT-Zell-Rezeptor (TCR), dessen α- und β-Ketten mit dem CD3-Komplex assoziert sind. Die α- und β-Ketten des TCR entstehen,wie die Antigenrezeptoren von B-Zellen, durch eine somatische Re-kombination verschiedener Gensegmente während der Entwicklungder T-Zellen. Diese Ketten erkennen Peptidfragmente von Antige-nen, die an MHC-Klasse-I- oder MHC-Klasse-II-Moleküle Anti-gen-präsentierender Zellen gebunden sind. Der CD3-Komplex be-steht aus den invarianten CD3γ-, CD3δ-, CD3ε-, CD3ζ- undCD3η-Ketten und ist für die Signaltransduktion in die T-Zellen ver-antwortlich.

• Toleranz: fehlende Reaktivität von T- und B-Zellen auf Antigene,durch Kontakt mit körpereigenen oder -fremden Antigenen in Ab-

wesenheit kostimulatorischer Signale durch Antigen-präsentierendeZellen. Antigenspezifische Toleranz kann durch zentrale (im Thy-mus für T-Zellen, im Knochenmark für B-Zellen) und periphereMechanismen im gesamten Immunsystem hervorgerufen und auf-rechterhalten werden.

• Zytokine: lösliche Proteine, die an spezifische Rezeptoren auf Im-munzellen binden und dadurch das Wachstum und die Aktivierungdieser Zellen regulieren können. Zytokine sind an der Regulationnormaler und pathologischer Immunreaktionen sowie entzündli-cher Reaktionen beteiligt.

EINLEITUNGDas menschliche Immunsystem hat sich über Millionen Jahre zu ei-nem hocheffizienten Abwehrmechanismus entwickelt, der den Orga-nismus vor Mikroorganismen und deren Pathogenitätsfaktorenschützt. Das normale Immunsystem hat drei wesentliche Eigenschaf-ten: ein hochgradig diversifiziertes Repertoire von Antigenrezeptoren,das praktisch die Erkennung aller Pathogene ermöglicht; ein Ge-dächtnis, das stärkere und schnellere Reaktionen auf einen erneutenAntigenkontakt ermöglicht, und immunologische Toleranz, um Ge-webeschäden durch einen Angriff des Immunsystems auf normalekörpereigene Gewebe zu verhindern. Das Immunsystem enthält phy-logenetisch ältere Anteile, die man bereits bei Invertebraten findet,und jüngere Anteile, die ähnlich nur bei Vertebraten vorkommen. In-vertebraten besitzen bereits ein Abwehrsystem, das mithilfe keim-bahnkodierter Rezeptoren Pathogene erkennen kann. Dieses Erken-nungssystem findet man im Wesentlichen unverändert auch beimMenschen. Die Zellen des angeborenen Immunsystems, wie Makro-phagen, dendritische Zellen und natürliche Killerzellen (NK-Zellen),erkennen hochkonservierte molekulare Muster von Pathogenen (Pa-thogen-associated Molecular Patterns; PAMPs) über verschiedeneMustererkennungsrezeptoren (Pattern Recognition Receptors; PRRs).Wichtige Merkmale der Erkennung von Pathogenen durch das ange-borene Immunsystem sind die Erkennung über keimbahnkodierteRezeptoren der Wirtszellen, wobei die erkannten molekularen Struk-turen meist wichtige Virulenzfaktoren der Pathogene sind, die so imWirtsorganismus normalerweise nicht vorkommen. HarmloseFremdantigene oder körpereigene Strukturen werden im Normalfallnicht erkannt. Nach dem Kontakt mit dem Pathogen können Makro-phagen und NK-Zellen diese entweder direkt töten oder, gemeinsammit dendritischen Zellen, eine Reihe von Mechanismen aktivieren, dieden Verlauf der Infektion verlangsamen und die letztendlich zur Akti-vierung des entwicklungsgeschichtlich jüngeren adaptiven Immun-systems führen.Das adaptive Immunsystem existiert nur bei Vertebraten und ba-

siert auf der spezifischen Erkennung von Antigenen durch Antigen-rezeptoren von B- und T-Zellen. Diese Rezeptoren entstehen währendder Entwicklung dieser Zellen durch mehr oder weniger zufällige Re-kombination bestimmter Gensegmente. Das führt dazu, dass jeder B-oder T-Lymphozyt einen eigenen, individuellen Antigenrezeptor be-sitzt. Dadurch ist es möglich, dass nahezu alle Mikroorganismen inder Umwelt durch das Immunsystem erkannt werden können. Durchverschiedene Mechanismen wird dabei sichergestellt, dass die zufälligentstehenden Antigenrezeptoren nicht auf körpereigene Antigene rea-gieren, ein Phänomen, das man als immunologische Toleranz be-zeichnet. T- und B-Lymphozyten sind sowohl Träger der spezifischenImmunantwort als auch des immunologischen Gedächtnisses.Dieses Kapitel beschreibt die zellulären Komponenten, Schlüssel-

moleküle (Tab. 372e-1) und Mechanismen, auf denen die angeboreneund die adaptive Immunität basiert, sowie die Interaktionen zwischenangeborener und adaptiver Immunität, auf denen letztendlich derSchutz des Organismus vor Infektionen beruht. Die Kenntnis diesergrundlegenden Mechanismen ist notwendig für ein Verständnis derPathogenese von entzündlichen und Autoimmunerkrankungen, In-fektionskrankheiten und Immundefizienz.

DAS ANGEBORENE IMMUNSYSTEMAlle vielzelligen Organismen, einschließlich des Menschen, benutzenwenige keimbahnkodierte Rezeptoren, um ganze Gruppen von Patho-genen zu erkennen. Diese „Gefahrensignale“, durch die das angebore-ne Immunsystem aktiviert wird, beruhen entweder auf der Erken-nung von Pathogen-associated Molecular Patterns (PAMPs), den ge-meinsamen molekularen Strukturen vieler Pathogene oder auf der Er-

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Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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TABELLE 372e-1 Menschliche Leukozytenoberflächenantigene – die Cluster-of-Differentiation-Klassifikation der Leukozytendifferenzierungsantigene

Oberflächenantigen(CD und andereBezeichnung)

Familie Molekular-gewicht, kDa

Ort der Expression Ligand(en) Funktion

CD1a (T6, HTA-1) Ig 49 DZ, kortikale Thymozyten,dendritische Zellen vomLangerhans-Typ

TCR-γδ-T-Zellen CD1-Moleküle präsentieren Lipidantigenevon intrazellulären Bakterien wie M. lepraeund M. tuberculosis für TCR-γδ-T-Zellen

CD1b Ig 45 DZ, kortikale Thymozyten,dendritische Zellen vomLangerhans-Typ

TCR-γδ-T-Zellen

CD1c Ig 43 DZ, kortikale Thymozyten,Subpopulationen von B-Zellen,dendritische Zellen vom Lan-gerhans-Typ

TCR-γδ-T-Zellen

CD1d Ig ? Kortikale Thymozyten, intesti-nale Epithelzellen, dendritischeZellen vom Langerhans-Typ

TCR-γδ-T-Zellen

CD2 (T12, LFA-2) Ig 50 T, NK CD58, CD48, CD59, CD15 Alternative T-Zell-Aktivierung, T-Zell-Aner-gie, T-Zell-Zytokinproduktion, T- oderNK-vermittelte Zytolyse, T-Zell-Apoptose,Zelladhäsion

CD3 (T3, Leu-4) Ig γ: 25–28

δ: 21–28

ε: 20–25

η: 21–22

ζ: 16

T Assoziiert mit TCR T-Zell-Aktivierung und Funktion; ζ ist dieSignaltransduktionskomponente des CD3-Komplexes

CD4 (T4, Leu-3) Ig 55 T, myeloide Zellen MHC-II, HIV, gp120, IL-16,SABP

T-Zell-Selektion, T-Zell-Aktivierung, Signal-transduktion mit p56lck, primärer Rezeptorfür HIV

CD7 (3A1, Leu-9) Ig 40 T, NK K-12 (CD7L) T- und NK-Zell-Signaltransduktion und Re-gulation von IFN-γ und TNF-α-Produktion

CD8 (T8, Leu-2) Ig 34 T MHC-I T-Zell-Selektion, T-Zell-Aktivierung und-Signaltransduktion mit p56lck

CD14 (LPS-Rezeptor) LRG 53–55 MP, G (schwach), nicht beimyeloiden Vorläuferzellen

Endotoxin (Lipopolysaccharid),Lipoteichoinsäure, PI

TLR4-vermittelt mit LPS und anderen PAMPsAktivierung des angeborenen Immunsystems

CD16 (FcγRIIIa) Ig 50–80 NK, Makrophagen, Neutrophile Fc-Teil des IgG Vermittelt Phagozytose und ADCC

CD19 (B4) Ig 95 B (außer Plasmazellen), FDZ Nicht bekannt Bildet mit CD21 und CD81 einen Komplex,der bei der Signaltransduktion bei der B-Zell-Entwicklung, -Aktivierung und -Diffe-renzierung beteiligt ist

CD20 (B1) Nicht zuge-ordnet

33–37 B (außer Plasmazellen) Nicht bekannt Signaltransduktion, möglicherweise wichtigbei der B-Zellaktivierung und Proliferation

CD21 (B2, CR2, EBV-R,C3dR)

RCA 145 Reife B, FDZ, Subpopulationvon Thymozyten

C3d, C3dg, iC3b, CD23, EBV Bildet mit CD19 und CD81 einen Komplex,der an der Signaltransduktion bei B-Zell-Entwicklung, -Aktivierung und -Differenzie-rung beteiligt ist; EBV-Rezeptor

CD22 (BL-CAM) Ig 130–140 Reife B CDw75 Zelladhäsion, Signaltransduktion durch As-soziation mit p72sky, p53/56lyn, PI3-Kinase,SHP1, fLCγ

CD23 (FcεRII, B6,Leu-20, BLAST-2)

C-Typ-Lektin 45 B, M, FDZ IgE, CD21, CD11b, CD11c Reguliert IgE-Synthese, Zytokinfreisetzungdurch Monozyten

CD28 Ig 44 T, Plasmazellen CD80, CD86 Kostimulatorisch für T-Zell-Aktivierung,wichtig bei der Entscheidung zwischen T-Zell-Aktivierung oder Induktion von Anergie

CD32 (FcλRII) Ig 40 NK, Makrophagen, Neutrophile Fc-Teil des IgG Vermittelt Phagozytose und ADCC

CD40 TNFR 48–50 B, DZ, EZ, Thymusepithelzel-len, MP, Tumorzellen

CD154 B-Zell-Aktivierung, -Proliferation und -Diffe-renzierung, Bildung von Keimzentren, Iso-typwechsel, verhindert Apoptose

CD45 (LCA, T200,B220)

PTP 180, 200, 210, 220 Alle Leukozyten Galektin-1, CD2, CD3, CD4 T- und B-Aktivierung, Thymozytenentwick-lung, Signaltransduktion, Apoptose

CD45RA PTP 210, 220 Subpopulation von T, medulläreThymozyten, naive T

Galektin-1, CD2, CD3, CD4 Isoform von CD45 mit Exon 4 (A), beschränktauf eine Subpopulation von T-Zellen

CD45RB PTP 200, 210, 220 Alle Leukozyten Galektin-1, CD2, CD3, CD4 Isoform von CD45 mit Exon 5 (B)

CD45RC PTP 210, 220 Subpopulation von T, medulläreThymozyten, naive T

Galektin-1, CD2, CD3, CD4 Isoform von CD45 mit Exon 6 (C), beschränktauf eine Subpopulation von T-Zellen

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Einführung in das Immunsystem 372e

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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kennung von Molekülen der Wirtszelle, die als Reaktion auf eine In-fektion produziert werden, wie beispielsweise Hitzeschockproteineoder Fragmente der extrazellulären Matrix. PAMPs sind konservierteStrukturen, die meist essenziell für die Virulenz und das Überlebenvon Pathogenen sind, sodass diese sich nicht durch eine Mutation die-ser Strukturen der Immunabwehr entziehen können. Die Erkennungdieser molekularen Muster oder Gefahrensignale erfolgt über PatternRecognition Receptors (PRRs) (Tab. 372e-2, 372e-3). Die Erkennungvon Pathogenen durch hämatopoetische und nicht hämatopoetischeZellen führt zur Aktivierung und Produktion von Komplementfak-toren sowie zur Produktion von Zytokinen und antimikrobiellen Pep-tiden als Effektormolekülen der angeborenen Immunantwort. Darü-ber hinaus führt diese Erkennung zur Aktivierung dendritischer Zel-len, die dann ausreifen und Oberflächenmoleküle exprimieren, diefür die Antigenpräsentation und damit für eine optimale Aktivierungder adaptiven Immunantwort wichtig sind.

MUSTERERKENNUNGDie Hauptfamilien der PRRs sind Transmembranproteine wie dieToll-like receptors (TLRs), Typ-C-Lektin-Rezeptoren (CLRs) und zy-toplasmatische Proteine, wie der Retinolsäure-induzierbare-Gen-(RIG)-1-like-Rezeptor (RLR) und NOD-like-Rezeptoren (NLRs)(Tab. 372e-3). Eine Hauptgruppe der Typ-C-Lektine sind die Kollek-tine, Glykoproteine mit Typ-C-Lektin-Domänen, deren wichtigsterVertreter das Mannose-bindende Lektin (MBL) ist. MBL und andereKollektine sowie Plasma-Pentraxine (wie C-reaktives Protein und Se-rum-Amyloid P) und Makrophagen-Scavenger-Rezeptoren haben diegemeinsame Fähigkeit zur Opsonisierung. Opsonisierung beschreibtdas Beschichten von Bakterien mit diesen Proteinen, was entwederzur verbesserten Phagozytose dieser Pathogene durch Makrophagenoder zur Aktivierung der Komplementkaskade und zur Lyse der Mi-kroorganismen führt. Integrine sind Adhäsionsmoleküle auf der Zell-oberfläche, die Zell-Zell-Kontakte oder das Anhaften von Zellen mitder extrazellulären Matrix bewirken. Die resultierende Signalkaskadeinformiert die Zelle, bildlich gesprochen, über die chemische Zusam-mensetzung der Zellumgebung. Integrine können beispielsweise nachder Bindung von bakteriellem Lipopolysaccharid (LPS) die Zelle akti-vieren und Phagozyten zur Aufnahme von Pathogenen stimulieren.Es gibt zahlreiche Verbindungen zwischen angeborenem und adap-

tivem Immunsystem. Dazu gehören z. B. die Toll-like-Receptor-Pro-teine (TLRs) (Abb. 372e-1, Tab. 372e-3 und 372e-4). TLRs werdenvon Makrophagen, dendritischen Zellen, B-Zellen und verschiedenennicht hämatopoetischen Zellen exprimiert, wie respiratorischen Epi-thelzellen. Inzwischen wurden beim Menschen 11 TLRs identifiziertund bei der Maus 13 (Tab. 372e-4 und 372e-5). Sie erkennen evolu-tionär konservierte Strukturen (z. B. LPS, doppelsträngige Virus-RNS,bestimmte Lipoproteine). Ihre Ligandenbindung löst eine Signalkas-kade aus, die eine Reihe intrazellulärer Prozesse in Gang setzt, die zurZytokinproduktion und zur Abtötung bakteriell oder virusinfizierterZellen und letztendlich zur Rekrutierung und Aktivierung Antigen-spezifischer T- und B-Lymphozyten führen (Abb. 372e-1). Mithilfedieser TLRs findet also die Unterscheidung zwischen „nicht infektiö-sem Selbst“ (= ungefährlich) und infektiösem Nicht-Selbst (= gefähr-lich) im Immunsystem statt. Bakterielle Lipopolysaccharide werdenim Serum von LPS-bindendem Protein gebunden und zum LPS-Re-

Tabelle 372e-1 (Fortsetzung )

Oberflächenantigen(CD und andereBezeichnung)

Familie Molekular-gewicht, kDa

Ort der Expression Ligand(en) Funktion

CD45RO PTP 180 Untergruppe T, kortikale Thy-mozyten, Gedächtnis-T

Galektin-1, CD2, CD3, CD4 Isoform von CD45 mit nicht alternativgespleißten Exons, beschränkt auf eineSubpopulation von T-Zellen

CD64 (FcγRI) Ig 45–55 Makrophagen/Monozyten Fc-Teil des IgG Vermittelt Phagozytose und ADCC

CD80 (B7-1, BB1) Ig 60 Aktivierte B und T, MP, DZ CD28, CD152 Reguliert T-Zell-Aktivierung, Signalvermitt-lung durch CD28 stimuliert, durch CD152inhibiert die T-Zell-Aktivierung

CD86 (B7-2, B70) Ig 80 Subpopulationen von B, DZ, EZ,aktivierte T, Thymusepithel-zellen

CD28, CD152 Reguliert T-Zellaktivierung, Signalvermittlungdurch CD28 stimuliert, durch CD152 inhi-biert die T-Zell-Aktivierung

CD 89 (FcαR) Ig 55–100 Neutrophile, Eosinophile, Mo-nozyten und Makrophagen

Fc-Teil des IgG Vermittelt Phagozytose und ADCC der vonIgA opsonisierten Pathogene

CD95 (APO-1, Fas) TNFR 43 Aktivierte T und B Fas-Ligand Vermittelt Apoptose

CD152 (CTLA-4) Ig 30–33 Aktivierte T CD80, CD86 Inhibiert T-Zell-Proliferation

CD154 (CD40L) TNF 33 Aktivierte CD4+-T, Subpopula-tion CD8+-T, NK, M, Basophile

CD40 Kostimulatorisch bei T-Zell-Aktivierung, B-Zell-Proliferation und -Differenzierung

CD279 (PD-1) Ig 50–55 B-Zellen, T-Zellen, T-follikuläreHelferzellen

PD-L 1, PD-L 2 Hemmt die T-Zell-Proliferation

Abkürzungen: ADCC = Antikörper-abhängige Zytotoxizität; CTLA = zytotoxisches T-Lymphozyten-assoziiertes Antigen; DZ = dendritische Zellen; EBV = Epstein-Barr-Virus; EZ = Endothelzellen;EZM = extrazelluläre Matrix; FcγRIIIA = niedrig affine IgG-Rezeptor-Isoform IIIA; FDZ = follikuläre dendritische Zellen; G = Granulozyten; GPI = Glykosylphosphatidylinositol; HTA = humanesThymozytenantigen; Ig = Immunglobulin; IgG = Immunglobulin G; LCA = gemeinsames Leukozytenantigen; LPS = Lipopolysaccharid; MHC-I = Haupthistokompatibilitätskomplex Klasse I (MHC-Klasse-I-Molekül); MP = Makrophagen; NK = natürliche Killerzellen; P = Thrombozyten; PBT = T-Zellen des peripheren Blutes; PD-1 = programmierter Zelltod 1; PI = Phosphatidylinositol; PI3K =Phosphatidylinositol-3-Kinase; PLC = Phospholipase C; PTP = Proteintyrosinphosphatase; TCR = T-Zell-Rezeptor; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor; TNFR = Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptor. KompletteListe der CD-Antigene des letzten Workshops über Leukozytendifferenzierungsantigene (VII) siehe www.ncbi.nlm.nih.gov/prow/guide.Quelle: Ausgewählt und zusammengestellt mit frdl. Genehmigung aus T Kishimoto et al (Hrsg.): Leukocyte Typing VI, New York, Garland Publishing 1997; R Brines et al: Immunology Today 18S:1,1997; und S Shaw (Hrsg.): Protein Reviews im Web unter www.mpr.nci.nih.gov/prow/. http://mpr.nci.nih.gov/prow/.

TABELLE 372e-2 Hauptkomponenten des angeborenen Immunsystems

Mustererkennungsrezepto-ren (Pattern RecognitionReceptors; PRRs)

Toll-like-Rezeptoren (TLRs), Typ-C Lektin-Rezeptoren(CLRs), RIG-1-like-Rezeptoren (RLRs) und NOD-like-Rezeptoren (NLRs)

Antimikrobielle Peptide α-Defensine, β-Defensine, Cathelin, Protegrin, Gra-nulysin, Histatin, sekretorischer Leukoproteasen-hemmer und probiotische Peptide

Zellen Makrophagen, dendritische Zellen, NK-Zellen, NK-T-Zellen, Neutrophile, Eosinophile, Mastzellen, Baso-phile und Epithelzellen

Komplementkomponenten Klassischer und alternativer Komplementweg; Pro-teine, die Komplementkomponenten binden

Zytokine Autokrine, parakrine, endokrine Zytokine, die Wirts-zellabwehr und Entzündung vermitteln und regulativeadaptive Immunantworten rekrutieren, dirigieren undregulieren

Abkürzungen: NK-Zellen = natürliche Killerzellen; NOD = nucleotide-binding oligomerizationdomain; RIG = Retinolsäure-induzierbares Gen.

372e-4

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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TABELLE 372e-3 Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) und ihre Liganden

PRRs Lokalisation Liganden Herkunft des Liganden

TLR

TLR1 Plasmamembran Triacyl-Lipoprotein Bakterien

TLR2 Plasmamembran Lipoprotein Bakterien, Viren, Parasiten, eigene

TLR3 Endolysosom dsRNA Viren

TLR4 Plasmamembran LPS Bakterien, Viren, eigene

TLR5 Plasmamembran Flagellin Bakterien

TLR6 Plasmamembran Diacyl-Lipoprotein Bakterien, Viren

TLR7 (TLR8 beim Menschen) Endolysosom ssRNA Viren, Bakterien, eigene

TLR9 Endolysosom CpG-DNA Viren, Bakterien, Protozoen, eigene

TLR10 Endolysosom Unbekannt Unbekannt

TLR11 Plasmamembran Profilin-like-Molekül Protozoen

RLR

RIG-I Zytoplasma Kurze dsRNA, Triphosphat-dsRNA RNS-Viren, DNS-Viren

MDA5 Zytoplasma Lange dsRNA RNS-Viren (Picornaviridae)

LGP2 Zytoplasma Unbekannt RNS-Viren

NLR

NOD1 Zytoplasma iF-DAP Bakterien

NOD2 Zytoplasma MDP Bakterien

CLR

Dectin-1 Plasmamembran β2-Glucan Pilze

Dectin-2 Plasmamembran β2-Glucan Pilze

MINCLE Plasmamembran SAP130 Pilze, eigene

Abkürzungen: CLR = C-Typ-Lektin-Rezeptoren; dsRNA = Doppelstrang-RNS; iE-DAP = D-glutamyl-meso-diaminopimelic acid moiety; LGP2 = Laboratory of Genetics and Physiology 2 Protein;MDA5 = melanoma differentiation-associated protein 5; MDP = MurNAc-L-Ala-D-isoGln; MINCLE = Makrophagen-induzierbares C-Typ-Lektin; NLR = NOD-like-Rezeptor; NOD = nucleotide-bindingoligomerization domain receptors; RIG = Retinolsäure-induzierbares Gen; RLR = RIG-like-Rezeptor; TLR = Toll-like-Rezeptor.

CD14

LPS

Inflammatorische Zytokineund/oder

ChemokineZellkern

TLR9

CpG

ssRNA

EndosomTLR7or TLR8

MyD88

MyD88MyD88 TIRAPTRIF

TRIF

TRAM

TriacetylierteLipopeptide

DiacetylierteLipopeptide Flagellin Unbekannt

TLR4 TLR2TLR1

TLR2TLR6

TLR5 TLR10

Zellmembran

TRAF-6

IRAK

NF-κBMAPK

NF-κB

IFN-β

IRF3

IRF3

TLR3

dsRNA

Endosom

Flagellin

TLR11

Abbildung 372e-1 Überblick über die wesentlichen TLR-Signaltransduktionswege. Alle TLR vermitteln Signale über MyD88 (mit Ausnahme von TLR3). Die TLR4- und die TLR2-Sub-familie (TLR1, TLR2, TLR6) benutzen außerdem TIRAP. TLR3 vermittelt seine Signale über TRIF. TRIF wird gemeinsam mit TRAM von TLR4 im MyD88-unabhängigen Signaltransduktionswegbenutzt. Die gestrichelten Pfeile zeigen die Translokation von Transkriptionsfaktoren in den Zellkern an. dsRNS = Doppelstrang-RNS; IRF3 = interferon regulatory factor 3; LPS = Lipopolysaccha-rid; MAPK = mitogen-activated protein kinases; NF-κB = nukleärer Faktor κB; ssRNS = Einzelstrang-RNS. (Nach D van Duin, R Medzhitov, AC Shaw, 2005, mit frdl. Genehmigung.)

372e-5

Einführung in das Immunsystem 372e

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zeptor von Makrophagen (CD14) transferiert, der mit TLR 4 assozi-iert ist. Durch die Freisetzung einer großen Menge LPS, beispielweisebei einer systemischen Infektion, kann es zu einer massiven Zytokin-ausschüttung kommen, die zum septischen Schock führt. Mäuse mitMutationen im TLR-4-Protein sind gegen einen solchen LPS-indu-zierten Schock geschützt und auch Menschen mit TLR-4-Mutationensind vor LPS-induzierten entzündlichen Erkrankungen, wie der LPS-induzierten bronchialen Hyperreaktivität, geschützt (Abb. 372e-1).Zwei weitere Familien intrazellulärer PRRs sind die NLRs (NOD-

like Receptors) und die RLHs (RIG-like Helicases). Im Gegensatz zuden TLRs bestehen diese Familien überwiegend aus löslichen intrazel-lulären Proteinen, die im Zytoplasma nach intrazellulären Pathogenensuchen (Tab. 372e-2 und 372e-3).Die intrazellulären Sensoren von Mikroorganismen, NLRs, bilden

nach ihrer Aktivierung große zytoplasmatische Komplexe, die Inflam-masome. Dabei handelt es sich um Aggregate von Molekülen, wieNOD-like-Receptor-Pyrin(NLRP)-Proteinen, die zur NLR-Familie ge-hören (Tab. 372e-3). Inflammasome aktivieren inflammatorische Ka-spasen und IL-1β in der Gegenwart von bakteriellen (PAMPs) odernicht bakteriellen (Zellstress) Gefahrensignalen. Mutationen von Pro-teinen des Inflammasoms sind die Ursache verschiedener periodi-scher Fiebersyndrome, genannt autoinflammatorische Syndrome(Tab. 372e-6).

EFFEKTORZELLEN DES ANGEBORENEN IMMUNSYSTEMSDie Zellen des angeborenen Immunsystems und ihre Rolle bei derinitialen Immunabwehr von Pathogenen sind in Tabelle 372e-5 auf-geführt. Ebenso bedeutsam wie ihre Rolle als Mediatoren der angebo-renen Immunantwort ist die Rolle dieser Zellen bei der Rekrutierungund Aktivierung von T- und B-Lymphozyten und damit bei der Akti-vierung der spezifischen adaptiven Immunabwehr von Pathogenen.

& MONOZYTEN/MAKROPHAGENMonozyten entwickeln sich aus Vorläuferzellen im Knochenmark(Abb. 372e-2) und zirkulieren mit einer mittleren Lebensdauer von1–3 Tagen. Monozyten verlassen die periphere Zirkulation über dieKapillaren und wandern in die Gewebe ein. Gewebemakrophagenentstehen aus diesen in die Gewebe eingewanderten Monozyten oderdurch In-situ-Proliferation von Makrophagenvorläufern direkt imGewebe. Gewöhnlich findet man Gewebemakrophagen (und derenverschiedenen gewebespezifischen Formen) in Lymphknoten, Milz,Knochenmark, perivaskulärem Bindegewebe, serösen Körperhöhlenwie Peritoneum und Pleura, Hautbindegewebe, Lunge (Alveolarma-krophagen), Leber (Kupffer-Sternzellen), Knochen (Osteoklasten),ZNS (Mikroglia) und Synovium (Typ-A-Synoviozyten).Generell sind Monozyten/Makrophagen an der initialen Abwehr

von Pathogenen beteiligt. Sie phagozytieren und zerstören Mikro-organismen durch die Freisetzung toxischer Produkte wie Wasser-stoffperoxid (H2O2) und Stickstoffmonoxid (NO). Über entzündlicheMediatoren, die von Monozyten/Makrophagen freigesetzt werden,können zusätzliche Effektorzellen, wie neutrophile Granulozyten,zum Ort der Infektion hingelockt werden. Diese Mediatoren sind un-ter anderem Prostaglandine, Leukotriene, Zytokine wie Interleukin(IL) 1, Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) α, IL-6 und IL-12 sowie Che-mokine (Tab. 372e-7 bis 372e-9).Ursprünglich wurde angenommen, dass Monozyten/Makrophagen

die effizientesten Antigen-präsentierenden Zellen sind. Erst in jünge-rer Zeit wurde klar, dass dendritische Zellen die potentesten und effi-zientesten Antigen-präsentierenden Zellen sind (siehe unten). Mono-zyten/Makrophagen vermitteln einen Teil der Effektorfunktionen desangeborenen Immunsystems, wie die Zerstörung antikörperbeladenerBakterien, Tumorzellen oder sogar normaler hämatopoetischer Zellenbei Autoimmunzytopenien. Monozyten/Makrophagen, die Bakterien

TABELLE 372e-4 Die Rolle von Mustererkennungsrezeptoren (PRR) bei der Modulation von T-Zell-Antworten

PRR-Familie PRR Ligand Zytokinantwort von DZ oder Makrophagen Adaptive Immunantwort

TLRs TLR2 (Heterodimermit TLR1 oder -6)

Lipopeptide

Pam-3-cys (TLR 2/1)

MALP (TLR 2/6)

IL-12p70 (niedrig)

IL-10 (hoch)

IL-6

TH1

TH2

Regulatorische T-Zelle

TLR3 dsRNS IL-12p70

IFN-α

IL-6

TH1

TLR4 E. coli LPS IL-12p70 (hoch)

IL-10 (mittel)

IL-6

TH1

TLR5 Flagellin IL-12p70 (hoch)

IL-12p70 (niedrig)

TH1

TH2

TLR7/8 ssRNS

Imidazoquinoline

IL-12p70 (hoch)

IFN-α

IL-6

TH1

TLR9 CpG DNA IL-12p70 (hoch)

IL-10 (niedrig)

IL-6

IFN-α

TH1

TLR10 ? ? ?

Typ-C-Lektine DC-SIGN Env von HIV; Core-Protein von HCV; Kom-ponenten von M. tuberculosis; H. pylori,Lewis-Ag

H.-pylori-Lewis-Ag

Supprimiert IL-12p70

Supprimiert Signaltransduktion von TLRs in DZ

TH2

Regulatorische T-Zelle

NOD NOD2 Muramyldipeptid von Peptidoglycan Induziert IL-10 in DZ Schwache T-Zell-Antwort(tolerogen?)

Mannoserezeptor Mannoserezeptor Mannosylierte Lipoarabinomannane von Ba-cillus Calmette-Guérin und M. tuberculosis

Suppression von IL-12 und Signaltransduktionvon TLRs in DZ

Schwache T-Zell-Antwort(tolerogen?)

Abkürzungen: CpG = DNS-Sequenz, die von TLR-9 erkannt wird; DC-SIGN = DC-specific C-type lectin (DZ-spezisches Typ-C-Lektin); dsRNS = Doppelstrang-RNS; DZ = dendritische Zelle; HCV =Hepatitis-C-Virus; HIV = humanes Immunodefizienz-Virus; LPS = Lipopolysaccharid; MALP = Makrophagen-aktivierendes Lipopeptid; NOD = nucleotide-binding oligomerization domain; ssRNS =Einzelstrang-RNS; TH1 = T-Helfer-1-Zelle; TH2 = T-Helfer-2-Zelle; TLR = Toll-like Receptor.Quelle: B Pulendran, J Immunol 174:2457, 2005. Copyright 2005 The American Association of Immunologists, Inc.; mit frdl. Genehmigung.

372e-6

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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aufgenommen haben oder durch Viren infiziert wurden, werden oftapoptotisch. Makrophagen, die durch solche intrazelluläre Erreger„gestresst“ oder apoptotisch werden, werden dann von dendritischenZellen phagozytiert. Dadurch können dendritische Zellen infektiösesMaterial aus infizierten Makrophragen für T-Zellen „kreuzpräsentie-ren“. Aktivierte Makrophagen besitzen unspezifische lytische Aktivitätund können so beispielsweise Tumorzellen auch ohne spezifische An-tikörper gegen diese Zellen lysieren. Diese lytische Aktivität wird vor-wiegend über Zytokine (z. B. TNF-α und IL-1) vermittelt. Monozyten/Makrophagen exprimieren charakteristische Oberflächenmoleküle(z. B. den Rezeptor für LPS; CD14) und besitzen Oberflächenrezepto-ren für eine Reihe von Molekülen, wie den Fc-Teil von IgG, aktivierteKomplementfaktoren und verschiedene Zytokine (Tab. 372e-7).

& DENDRITISCHE ZELLENDie dendritischen Zellen (DZ) des Menschen enthalten mehrere Un-tergruppen, wie myeloide dendritische Zellen und plasmazytoide den-dritische Zellen. Myeloide dendritische Zellen können sich entwederin Makrophagen/Monozyten oder in gewebespezifische dendritischeZellen differenzieren. Plasmazytoide dendritische Zellen sind relativineffiziente Antigen-präsentierende Zellen, können aber nach viralen

Infektionen große Mengen Typ-1-Interferone (IFN; z. B. IFN-α) pro-duzieren. Die Ausreifung von dendritischen Zellen wird durch Zell-Zell-Kontakte und lösliche Faktoren reguliert und dendritische Zellenkönnen Effektorzellen des Immunsystems über die Sekretion vonChemokinen attrahieren. Wenn dendritische Zellen in Kontakt mitBakterien, Viren oder Wirtsproteinen kommen, die als Gefahrensig-nal von infizierten Wirtszellen produziert werden, kommt es über ei-ne Triggerung verschiedener Toll-like-Rezeptoren (TLRs) zur Aktivie-rung der dendritischen Zellen (Abb. 372e-2, Abb. 372e-3). Diese pro-duzieren dann Zytokine und Chemokine, die wiederum andere Zellendes angeborenen Immunsystems zur Abwehr der Erreger stimulierenund zusätzlich B- und T-Lymphozyten, also die adaptive Immun-abwehr, aktivieren. Plasmazytoide dendritische Zellen produzierenIFN-α, das selbst antivirale Wirkung besitzt und natürliche Killerzel-len (NK-Zellen) zur Abtötung virusinfizierter Zellen aktiviert. Weiter-hin ist es auch an der Induktion der zytolytischen Aktivität zytotoxi-scher T-Zellen beteiligt. Sowohl plasmazytoide als auch myeloide den-dritische Zellen produzieren nach Kontakt mit Pathogenen Chemoki-ne, die chemotaktisch auf naive und Gedächtnis-T-Helfer-Zellen, B-Zellen, Granulozyten und auch auf regulatorische T-Zellen wirken,die an der Beendigung der Immunantwort nach der Beseitigung des

TABELLE 372e-5 Zellen des angeborenen Immunsystems und ihre Hauptfunktionen bei der Aktivierung der adaptiven Immunität

Zelltyp Hauptrolle bei der natürlichen Immunität Hauptrolle bei der erworbenen Immunität

Makrophagen Phagozytose und Abtötung von Bakterien; produzierenantimikrobielle Peptide; binden Lipopolysaccharide(LPS); produzieren proinflammatorische Zytokine

Produzieren Interleukin (IL) 1 und Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) α zur Hoch-regulation von Adhäsionsmolekülen und Chemokinen, um Antigen-spezifischeLymphozyten anzulocken; produzieren IL-12 zur Rekrutierung einer TH1-T-Antwort;Hochregulation kostimulierender und MHC-Moleküle zur Unterstützung derAktivierung von T- und B-Lymphozyten; Makrophagen, B-Zellen und dendritischeZellen exprimieren TLRs und regulieren die kostimulatorischen Moleküle B7-1(CD80) und B7-2 (CD86) z. B. nach LPS-Bindung herauf, was für die Aktivierungvon antigenspezifischen T-Zellen erforderlich ist. Außerdem gibt es Toll-like-Proteine auf den B-Zellen und den dendritischen Zellen, die nach LPS-Ligation aufdiesen Zellen die Exprimierung von CD80 und CD86 zur Antigenpräsentation der T-Zellen stimulieren

Plasmazytoide dendritischeZellen (lymphoide DZ)

Produzieren große Mengen von Interferon (IFN) α, dasAntitumor- und antivirale Aktivität besitzt, befinden sichin T-Zell-Regionen lymphatischer Organe, zirkulieren imBlut

IFN-α ist ein starker Aktivator von Makrophagen und reifen dendritischen Zellen fürdie Phagozytose und die Präsentation von Antigen an T- und B-Zellen

Myeloide dendritische Zellen:interstitielle und Langerhans-Zellen

Interstitielle DZ produzieren große Mengen IL-12 undIL-10 und befinden sich in den T-Zell-Regionenlymphatischer Organe, zirkulieren im Blut und findensich im Interstitium von Lunge, Herz, Niere; Langer-hans-DZ produzieren IL-12; befinden sich in T-Zell-Regionen von Lymphknoten, Hautepithelien und immedullären Thymus, zirkulieren im Blut

Interstitielle DZ sind starke Aktivatoren von Makrophagen und reifen dendritischenZellen zur Phagozytose von Erregern und zur Antigenpräsentation

Natürliche Killer(NK)-Zellen Töten körperfremde und Wirtszellen, die wenig MHC-Selbst-Peptid-Komplexe exprimieren. Exprimieren inhi-bitorische Rezeptoren, die die NK-Funktion bei starkerMHC-Selbst-Peptid-Expression hemmen

Produzieren TNF-α und IFN-γ, die TH1-Antworten auslösen

NK-T-Zellen Lymphozyten mit T-Zell- und auch NK-Oberflächen-markern, die Lipidantigene intrazellulärer Bakterien, wieMycobacterium tuberculosis, mithilfe von CD1-Mole-külen erkennen und die mit intrazellulären Bakterieninfizierte Zellen abtöten

Produzieren IL-4, um TH2-Antworten, IgG1- und IgE-Produktion zu stimulieren

Neutrophile Phagozytose und Abtötung von Bakterien, produzierenantimikrobielle Peptide

Produzieren Stickstoffmonoxid(NO)-Synthetase und Stickstoffmonoxid, das dieApoptose in Lymphozyten hemmt und zu einer verlängerten Immunantwort desadaptiven Immunsystems führt

Eosinophile Abtötung von Parasiten Produzieren IL-5, das IgE-Antikörperantworten fördert

Mastzellen und Basophile Setzen TNF-α, IL-6 und IFN-γ als Antwort auf eineVielzahl von bakteriellen PAMPs frei

Produzieren IL-4, das TH2-Antworten sowie IgG- und IgE-Produktion fördert

Epithelzellen Produzieren antimikrobielle Peptide; gewebespezifischeEpithelien produzieren Mediatoren der lokalen angebo-renen Immunität, z. B. produzieren LungenepithelienSurfactant-Proteine (Proteine der Kollektinfamilie), diean Erreger binden und ihre Beseitigung fördern können

Produzieren TGF-β, das die IgA-Produktion fördert

Abkürzungen: DZ = dendritische Zellen; IL = Interleukin; LPS = Lipopolysaccharid; MHC = Major histocampatiblity complex, Haupthistokompatibilitätskomplex; PAMP = Pathogen-assoziiertesmolekulares Muster; TNF-α = Tumor-Nekrose-Faktor α.Quelle: Nach R Medzhitov, CA Janeway. Innate immunity: Impact on the adaptive immune response. Curr Opin Immunol 9:4, 1997, mit frdl. Genehmigung.

372e-7

Einführung in das Immunsystem 372e

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Pathogens beteiligt sind. Die Triggerung der TLR von dendritischenZellen führt zur Heraufregulation von MHC-Klasse II, B7-1 (CD80)und B7-2 (CD86), also von Molekülen, die wesentlich für die Anti-genpräsentation und damit die Aktivierung von T-Zellen sind und alsFeedbackmechanismus auch die Zytokinproduktion der dendritischenZellen steigern können (Tab. 372e-7). Somit sind dendritische Zellenentscheidende Bindeglieder zwischen der frühen angeborenen undder später einsetzenden adaptiven Immunabwehr. Diese Zellen steu-ern und modulieren die entstehende Immunantwort gegen die Patho-gene über die unterschiedlichen TLRs, die von ihnen exprimiert wer-den (TLR7-9 überwiegend von plasmazytoiden dendritischen Zellen,TLR4 überwiegend von myeloiden dendritischen Zellen) und über dieAdaptorproteine, die mit diesen TLRs assoziiert und an der Signal-transduktion beteiligt sind (Abb. 372e-1, Tab. 372e-4). Zusätzlichkönnen auch andere Pattern Recognition Receptors, wie Typ-C-Lekti-ne, NLRs und Mannoserezeptoren, durch die Erkennung von Patho-genen die Zellen des adaptiven Immunsystems aktivieren und, ebensowie die TLRs, über zahlreiche Faktoren den Typ und die Qualität derentstehenden Immunantwort beeinflussen (Tab. 372e-4).

& GROßE GRANULÄRE LYMPHOZYTEN/NATÜRLICHE KILLERZELLENGroße granuläre Lymphozyten (Large granular Lymphocytes, LGL)oder natürliche Killerzellen (NK-Zellen) machen 5–15 % der Lym-phozyten im peripheren Blut aus. NK-Zellen sind nicht adhärente,nicht phagozytierende Zellen mit großen azurophilen zytoplasmati-schen Granula. Sie exprimieren Oberflächenrezeptoren für den Fc-Teil von IgG (CD16) und für NCAM-1 (CD56). Viele NK-Zellen ex-primieren zusätzlich einige T-Zell-Marker, besonders CD8, und pro-liferieren nach Stimulation mit IL-2. NK-Zellen entwickeln sich so-wohl im Knochenmark als auch im Thymus.Funktionell sind NK-Zellen sowohl mit Monozyten/Makrophagen

als auch Neutrophilen vergleichbar. Sie sind einerseits befähigt zur Ly-se von Zielzellen, indem sie über ihre Fc-Rezeptoren opsonisierte (mitAntikörper beladene) Zielzellen erkennen und lysieren (Antibody-de-pendent Cellular Cytotoxicity; ADCC). Andererseits besitzen sie NK-Zell-Aktivität, damit bezeichnet man eine antigenunabhängige (d. h.die Effektorzelle hatte vorher niemals Kontakt zur Zielzelle), nichtdurch MHC restringierte und nicht über Antikörper vermittelte Ab-tötung von Zielzellen. Solche Zielzellen sind typischerweise maligneentartete Zellen, transplantierte körperfremde oder virusinfizierte

LymphoiderVorläufer

Stammzelle

B-Zelle

IgIgGIgAIgDIgE

IL-12-Antigen-präsentation

IL-1-, IL-6-Phagozytose von Erregern

Phagozytose von Erregern; Sekretioninflammatorischer Substanzen

IFN-α-Antigenprä-sentation

T-Zelle

Natürliche Killerzellen

Über-wachung des Immunsystems von HLA-Klasse-I-negativen Zellen (maligne und virus-infizierte Zellen)

Plasmazytoide dendritische Zellen

Myeloide dendritische Zelle

Monozyten/Makrophagen

Neutrophiler Granulozyt

Knochenmark

Thymus CD8-positive zytotoxische T-Zelle

CD4-positive T-Zelle

CD4-positive, CD8-positiveregulatorische Zellen

TH1 TH2

TH0

TR

IL-12 IL-4

IFN-γintrazelluläre

Mikrobe

IL-4,IL-5extrazelluläre

Mikrobe

Abbildung 372e-2 Schematisches Modell der interzellulären Interaktionen der Zellen des adaptiven Immunsystems. Die Pfeile zeigen an, wie sich die Zellen aus denentsprechenden Vorläuferzellen entwickeln oder Zytokine beziehungsweise Antikörper produzieren, Querstriche am Ende weisen auf inhibitorische interzelluläre Interaktionen hin.Stammzellen differenzieren sich entweder zu T-Zellen, Antigen-präsentierenden dendritischen Zellen, natürlichen Killerzellen, Makrophagen, Granulozyten und B-Zellen. Fremdantigenewerden von dendritischen Zellen prozessiert und Peptidfragmente werden CD4- und/oder CD8-positiven T-Zellen präsentiert. Die Aktivierung von CD8-positiven T-Zellen führt zurInduktion direkter zytotoxischer Funktionen sowie zur Zytokinproduktion. Für die Produktion von Antikörpern gegen das gleiche Antigen muss dieses über sIg gebunden werden. Diesführt zur Aktivierung der B-Zelle und zu ihrer Differenzierung zu Plasmazellen. TH1- oder TH2-Zellen, die Interferon (IFN) γ oder Interleukin (IL) 4 oder Interleukin 5 produzieren, regulie-ren den Ig-Klassenswitch und legen so den Typ des Antikörpers, der produziert wird, fest. TH17-Zellen sezernieren IL-17, IL-22 und andere Zytokine, die vor allem an Schleimhaut-oberflächen an der Abwehr von extrazellulären Bakterien und Pilzen beteiligt sind. CD4-positive und CD25-positive regulatorische T-Zellen regulieren nach der Beseitigung der Pathoge-ne unter Beteiligung von IL-10 die T- und B-Zell-Antwort herunter. GM-CSF = Granulocyte-macrophage Colony-stimulating Factor; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor.

372e-8

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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Zellen. Die NK-Zell-Aktivität spielt also eine wichtige Rolle in der Er-kennung und Abwehr von malignen oder virusinfizierten Zellendurch das Immunsystem. Eine verminderte NK-Zell-Aktivität findetman bei Patienten mit dem Chédiak-Higashi-Syndrom, einer auto-somal rezessiven Erkrankung, die mit einer Fusion der zytoplasmati-schen Granula und einer Störung der Degranulation der Neutrophi-len assoziiert ist.NK-Zellen besitzen zahlreiche Oberflächenrezeptoren mit inhibieren-

der oder aktivierender Funktion, die zu zwei Familien gehören: der Su-perfamilie der Immunglobuline und der Familie der Lectin-like-type-II-Transmembranproteine. Zur Familie der Immunoglobulinrezeptorengehören aktivierende oder inhibitorische Killer-cell-immunoglobulin-like-Rezeptoren (KIR), von denen viele MHC-Klasse-I-Liganden haben.KIRs bestehen aus Proteinen mit zwei (KIR2D) oder drei (KIR3D) ex-trazellulären Immunglobulindomänen (D). Außerdem legt die Nomen-klatur ihre Funktion als inhibitorische KIRs mit langem (L) zytoplasma-tischem Schwanz und Immunoreceptor Tyrosine-based inhibitory Motif(ITIM) (KIRDL) oder als aktivierende KIRs mit kurzem (S) zytoplas-matischem Schwanz fest (KIRDS). Die Inaktivierung der NK-Zellendurch KIRs ist ein Schlüsselmechanismus für den Schutz gesunderWirtszellen. Genetische Studien haben einen Zusammenhang zwischenKIRs und der Suszeptibilität für virale Infektionen und Autoimmun-krankheiten belegt (Tab. 372e-10).Neben den KIRs exprimieren NK-Zellen eine zweite Gruppe aus

der Superfamilie der Immunoglobulinrezeptoren: die natürlichen Zy-totoxozitätsrezeptoren (NCRs) NKp46, NKp30 und NKp44. Diese Re-zeptoren helfen bei der NK-Zell-Aktivierung gegen Zielzellen. Die Li-ganden, an die NCRs auf den Zielzellen binden, wurden kürzlich alsmolekulare Bestandteile von Pathogenen wie Influenza, Vaccinia undMalaria, aber auch als körpereigene Moleküle auf Tumorzellen identi-fiziert.

Die Aktivierung von NK-Zellen ist also die Folge von kompliziertenWechselwirkungen aktivierender und inhibitorischer Signale, sodassnicht infizierte, nicht maligne Zellen nicht angegriffen werden, wäh-rend maligne entartete oder virusinfizierte Zellen attackiert werden(Abb. 372e-4). Es gibt Hinweise, wonach NK-Zellen an sekundärenImmunreaktionen, beispielsweise bei Kontakthypersensitivität, betei-ligt sind, obwohl sie nicht über rearrangierte Antigenrezeptoren ver-fügen.Manche NK-Zellen exprimieren CD3 und invariante T-Zell-Rezep-

tor(TCR)-α-Ketten und werden deshalb als NKT-Zellen bezeichnet.Die TCRs der NKT-Zellen erkennen Lipidmoleküle intrazellulärerBakterien im Kontext mit CD1-Molekülen auf APZ. Nach der Akti-vierung sezernieren NKT-Zellen Effektorzytokine, wie IL-4 und IFN-γ. Diese Form der Erkennung intrazellulärer Bakterien wie Listeriamonocytogenes oder Mycobacterium tuberculosis führt dann zur Ak-tivierung von dendritischen Zellen und zu einer Modulation der ent-stehenden T-Zell-Antwort. Es wird angenommen, dass dies ein be-deutender Abwehrmechanismus gegen diese Erreger ist.Die Rezeptoren für den Fc-Teil eines IgG (FcγRs) sind auf NK-Zel-

len, B-Zellen, Makrophagen, Neutrophilen und Mastzellen. Antikör-per-NK-Zell-Interaktion via Antikörper-Fc-Teil und NK-Zell-FcRverbindet somit das adaptive und das angeborene Immunsystem mit-einander und reguliert die IgG-Antikörperfunktionen wie die ADCC.Es gibt sowohl inhibitorische als auch stimulierende FcγRs. Aktivie-rende, wie FcγRI (CD64), FcγRII (CD32) und FcγRIII (CD64), sinddurch eine Immunoreceptor-tyrosine-based-activator-motif(ITAM)-Sequenz charakterisiert, während inhibitorische FcγRs wie der FcγRI-Ib eine Immunoreceptor-tyrosine-based-inhibitory-motif(ITIM)-Se-quenz beinhalten. Eine Dysregulation der IgG-FcγR-Interaktion spielteine Rolle in der Pathologie der Arthritis, der Multiplen Sklerose unddes systemischen Lupus erythematodes.

B-Zell-IgG-Antikörper

Makrophagen-aktivierung

Induziert CD8-positive zyto-

toxische T-Zellen

Aktivierung von TH1-CD4-positiven-T-Zellen

Dendritische/Langerhans-Zellen

Aktivierung von TH2-CD4-positiven-T-Zellen

IL-2, IFN-γ, IL-3TNF-α, TNF-β, GM-CSF

Unterdrückung der TH2-Typ-

Antwort

Unterdrückungder TH1-Typ-

Antwort

Opsonisiert Mikroben zur Phagozytose

Tötet opsonisierte Mikroben

Abtöten mikrobiell infizierter

Zellen

Mastzellen, Basophile

B-Zell-IgM-, -G-, -A-und -E-Antikörper

Eosinophile

Regulation der vas- kulären Permea-

bilität, Allergien, pro-tektive Immunant-worten gegen bak-terielle, virale und

parasitäre Infektionen

Direkte antikör-pervermittelte Abtötung von Mikroben und Opsonisierung für mikrobielle Phagozytose

Töten von Parasiten

IL-3, IL-4, IL-5, IL-6,IL-10, IL-13

Dendritische/Langerhans-Zellen

Abbildung 372e-3 CD4-positive T-Helfer-1(TH1)- und TH2-Zellen produzieren unterschiedliche, aber überlappende Zytokinmuster. TH1-Zellen werden häufig zur Abwehrintrazellulärer Bakterien oder Viren benötigt, während TH2-Zellen für die Produktion verschiedener Antikörper beispielsweise gegen Parasiten oder extrazelluläre bekapselte Bakteriennotwendig sind; sie sind auch an allergischen Erkrankungen beteiligt. GM-CSF = Granulocyte-macrophage Colony-stimulating Factor; IL = Interleukin; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor.(Nach S Romagnani: CD4 effector cells, in J Gallin, R Snyderman [Hrsg.]: Inflammation: Basic Principles and Clinical Correlates, 3rd ed. Philadelphia, Lipincott Williams & Wilkins, 1999,mit frdl. Genehmigung.)

372e-9

Einführung in das Immunsystem 372e

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TABELLE 372e-6 Krankheiten mit Inflammasomaktivität

Krankheit Klinische Merkmale Mutiertes Gen Auslöser Inflammasombeteiligung Anakinra-Reaktion*

Familiäres Kälte-Urtikaria-Syndrom(FCAS)

Fieber, Arthralgie, kälteinduzierte Urtikaria NALP3 Überaktiv Ja

Muckle-Wells-Syndrom (MWS) Fieber, Arthralgie, Urtikaria, sensorineuraleTaubheit, Amyloidose

NAPL3 Überaktiv Ja

Chronisches infantiles neurolo-gisch-kutanes und artikuläres Syn-drom (CINCA, NOMID)

Fieber, starke Arthralgie, Urtikaria, neurologi-sche Beschwerden, schwere Amyloidose

NALP3 Überaktiv Ja

Familiäres Mittelmeerfieber (FMF) Fieber, Peritonitis, Pleuritis, Amyloidose Pyrin Überaktiv Partial

Pyogene Arthritis, Pyoderma gan-graenosum und Akne (PAPA)

Pyogene sterile Arthritis PSTPIP1 Überaktiv Ja

Hyperimmunoglobulin-D-Syndrom(HIDS)

Arthralgie, Bauchschmerzen, Lymph-adenopathie

Mevalonatkinase Noch zu belegen Ja

Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptor-1-assoziiertes Syndrom (TRAPS)

Fieber, Bauchschmerzen, Hautläsionen TNF-R1 Noch zu belegen Ja

Systemische juvenile idiopathischeArthritis (SOJIA)

Chronische Gelenkentzündung Unbekannt Noch zu belegen Ja

Adulte Still-Krankheit (AOSD) Arthralgie, Fieber Unbekannt Noch zu belegen Ja

Behçet-Krankheit Arthralgie, Uveitis, Ulzera Unbekannt Noch zu belegen Ja

Schnitzler-Syndrom Urtikaria, Fieber, Arthralgie Unbekannt Noch zu belegen Ja

Gicht Metabolische Arthritis, Schmerzen Harnsäure(MSU)

Aktiviert Ja

Pseudogicht Arthritis CPPD Aktiviert Ja

Kontaktdermatitis Urtikaria Reizstoffe Aktiviert Unbekannt

Fiebersyndrom Fieber NALP12 Unbekannt Unbekannt

Blasenmole Blasenmole NALP7 Unbekannt Unbekannt

Vitiligo Hautdepigmentierung, Autoimmunität NLRP1 Hochaktiv Unbekannt

Morbus Crohn NLRP3 Minderaktiv Unbekannt

Multiple Sklerose NLRP3 Aktiviert Unbekannt

Psoriasisarthritis NLRP3 Aktiviert Ja

* Anakinra ist ein rekombinanter IL-1-Rezeptorantagonist, der die biologische Aktivität von natürlich auftretendem Interleukin 1 (IL-1) blockiert.Abkürzung: CPPD = Calcium pyrophosphate dihydrate (Chondrokalzinose).Quelle: Aus F Martinon et al: Ann Rev Immunol 27:229, 2009. Copyright 2009, mit frdl. Genehmigung von Annual Reviews Inc.

TABELLE 372e-7 Zytokine und Zytokinrezeptoren

Zytokin Rezeptor Produktion durch Zielzelle Biologische Aktivität

IL-1α, β Typ-I-IL-1R, Typ-2-IL-1R

Monozyten/Makrophagen, B-Zellen, Fibroblasten, die meis-ten Epithelzellen inkl. Thymus-epithelien, Endothelzellen

Alle Zellen Hochregulation der Expression von Adhäsionsmolekü-len, Einwanderung von Neutrophilen und Makrophagenin Gewebe, Auslösung von Fieber und Schock,verstärkte Produktion von Akute-Phase-Proteinen in derLeber, fördert Hämatopoese

IL-2 IL-2Rα, β, gemein-same γ-Kette

T-Zellen T-Zellen, B-Zellen, NK-Zellen, Monozyten/Makrophagen

T-Zell-Aktivierung und -Proliferation, B-Zell-Proliferati-on, NK-Zell-Proliferation und -Aktivierung, verstärktzytolytische Aktivität von Monozyten/Makrophagen

IL-3 IL-3R, gemeinsameβ-Kette

T-Zellen, NK-Zellen, Mastzellen Monozyten/Makrophagen, Mastzellen, Neu-trophile, Eosinophile, Vorläuferzellen imKnochenmark

Stimulation von hämatopoetischen Vorläuferzellen

IL-4 IL-4Rα, gemein-same γ-Kette

T-Zellen, Mastzellen, Basophile T-Zellen, B-Zellen, NK-Zellen, Monozyten/Makrophagen, Neutrophile, Eosinophile, En-dothelzellen, Fibroblasten

Stimuliert Differenzierung und Proliferation von TH2-Zellen; stimuliert B-Zell-Ig-Klassen-Switch zu IgG1 undIgE; antiinflammatorische Aktivität für T-Zellen undMonozyten durch T-follikuläre Helferzellen innerhalb vonB-Zell Keimzentren

IL-5 IL-5Rα, gemein-same γ-Kette

T-Zellen, Mastzellen, Eosino-phile

Eosinophile, Basophile, murine B-Zellen Reguliert Migration und Aktivierung von Eosinophilen

IL-6 IL-6R, gp130 Monozyten/Makrophagen, B-Zellen, Fibroblasten, die meistenEpithelien einschließlich Thy-musepithelien, Endothelzellen

T-Zellen, B-Zellen, Epithelzellen, Hepatozy-ten, Monozyten/Makrophagen

Induktion der Produktion von Akute-Phase-Proteinen,Differenzierung und Wachstum von T- und B-Zellen,fördert Wachstum von Myelomzellen und Osteoklastensowie deren Aktivierung

IL-7 IL-7Rα, gemein-same γ-Kette

Knochenmark, Thymusepithel-zellen

T-Zellen, B-Zellen, Knochenmarkzellen Differenzierung von B-, T- und NK-Zellvorläufern,Aktivierung von T- und NK-Zellen

372e-10

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Tabelle 372e-7 (Fortsetzung )

Zytokin Rezeptor Produktion durch Zielzelle Biologische Aktivität

IL-8 CXCR1, CXCR2 Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Neutrophile, Fibroblas-ten, Endothelzellen, Epithelzel-len

Neutrophile, T-Zellen, Monozyten-Makro-phagen, Endothelzellen, Basophile

Induziert Migration von Neutrophilen, Monozyten und T-Zellen; induziert Neutrophilenadhärenz an Endothel-zellen und Histaminfreisetzung aus Basophilen; stimu-liert Angiogenese; unterdrückt die Proliferation vonhepatischen Vorläuferzellen

IL-9 IL-9Rα, gemein-same γ-Kette

T-Zellen Vorläuferzellen im Knochenmark, B-Zellen,T-Zellen, Mastzellen

Induziert die Proliferation und Funktion von von Mast-zellen, fördert gemeinsam mit IL-4 die Produktion vonIgG und IgE, T-Zell-Wachstum, -Aktivierung, -Differen-zierung

IL-10 IL-10R Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, B-Zellen, Keratinozyten,Mastzellen

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, B-Zel-len, NK-Zellen, Mastzellen

Hemmt die proinflammatorische Zytokinproduktion vonMakrophagen; reguliert MHC-Klasse-II, B7-1- und B7-2-Expression herunter; hemmt die Differenzierung vonTH1-Zellen, hemmt NK-Zell-Funktion; stimuliert Mast-zellproliferation und Funktion sowie B-Zell-Aktivierungund -Differenzierung

IL-11 IL-11, gp130 Knochenmark, Stromazellen Megakaryozyten, B-Zellen, Hepatozyten Induziert Megakaryozyten-Kolonieformation und -Rei-fung; unterstützt Antikörperantwort; stimuliert Produk-tion von Akute-Phase-Proteinen

IL-12 (35-kDa und 40-kDa-Unter-einheiten)

IL-12R Aktivierte Makrophagen, den-dritische Zellen, Neutrophile

T-Zellen, NK-Zellen Induziert Differenzierung von TH1- und lymphokin-aktivierten Killerzellen; erhöht zytolytische Aktivität vonCD8-positiven T-Zellen, ↑ IFN-γ und ↓ IL-17

IL-13 IL-13R/IL-4Rα T-Zellen (TH2) Monozyten/Makrophagen, B-Zellen, Endo-thelzellen, Keratinozyten

Hochregulation von VCAM-1 und C-C-Chemokin-expression auf Endothelzellen; B-Zell-Aktivierung und-Differenzierung; hemmt proinflammatorische Zytokin-produktion von Makrophagen

IL-14 Unbekannt T-Zellen Normale und maligne B-Zellen Induziert B-Zell-Proliferation und unterdrückt die Anti-körperausschüttung, vergrößert die Menge von B-ZellUntergruppen

IL-15 IL-15Rα, gemein-same γ-Kette, IL-2Rβ

Monozyten/Makrophagen, Epi-thelzellen, Fibroblasten

T-Zellen, NK-Zellen T- und NK-Zell-Aktivierung und -Proliferation. FördertAngiogenese

IL-16 CD4 Mastzellen, Eosinophile, CD8-positive T-Zellen, Epithelien desRespirationstraktes

CD4-positive T-Zellen, Monozyten/Makro-phagen, Eosinophile

Chemoattraktion von CD4-positiven T-Zellen, Mono-zyten und Eosinophilen. Hemmt HIV-Replikation. HemmtT-Zell-Aktivierung über den T-Zell-Rezeptor/CD3-Kom-plex

IL-17 IL-17R CD4-positive T-Zellen Fibroblasten, Endothel, Epithel, Makropha-gen

Erhöhte Zytokinsekretion, begünstigt Hypersensitivi-tätsreaktionen vom verzögerten Typ

IL-18 IL-18R (IL-1R-ver-wandtes Protein)

Keratinozyten, Makrophagen T-Zellen, B-Zellen, NK-Zellen Hochregulation der IFN-γ-Produktion, verstärkte NK-Zell-Zytotoxizität

IL-21 IL-δγ-Kette/IL-21R CD4-positive T-Zellen NK-Zellen Reguliert aktivierende NK-Zell-Rezeptoren herunter(NKG2D/DAP10), wird durch T-follikuläre Helferzelleninnerhalb von B-Zell-Keimzentren produziert

IL-22 IL-22 R1/IL-10R2 DZ, T-Zellen Epithelzellen Angeborene Abwehr gegen bakterielle Antigene, be-günstigt das Überleben von Hepatozyten

IL-23 IL-12Rb1/IL23R Makrophagen, andere Zellen T-Zellen Umgekehrte Wirkung wie IL-12 (↓ IFN-γ, ↑ IL-17)

IL-24 IL-20 R1/IL-20R2 Makrophagen Nicht hämatopoetische Zellen wie Fibro-blasten

Begünstigt die Wundheilung

IL-22R1/IL20R2 TH2-Zellen

IL-25 (oderIL-17F)

IL-17RB CD4-positive T-Zellen, Mast-zellen

Fibroblasten, Endothelzellen, Epithelzellen,Makrophagen

Proinflammatorisch, induziert die Zytokinproduktion

IL-26 IL-20R1/IL-10R2 TH1-Zellen, TH17-Zellen, Zellender Synovia

Epithelzellen Proinflammatorisch, induziert die Zytokinproduktion

IFN-α Typ-I-Interferon-Re-zeptor

Alle Zellen Alle Zellen Antivirale Aktivität; stimuliert T-Zellen, Makrophagenund NK-Zellaktivität; direkte Antitumoreffekte

Hochregulation von MHC-Klasse-I-Antigenexpression;therapeutischer Einsatz bei viralen und Autoimmuner-krankungen

IFN-β Typ-I-Interferon-Re-zeptor

Alle Zellen Alle Zellen Antivirale Aktivität; stimuliert T-Zellen, Makrophagenund NK-Zellaktivität; direkte Antitumoreffekte

Hochregulation von MHC-Klasse-I-Antigenexpression;therapeutischer Einsatz bei viralen und Autoimmuner-krankungen

IFN-γ Typ-II-Interferon-Re-zeptor

T-Zellen, NK-Zellen Alle Zellen Reguliert Makrophagen- und NK-Zell-Aktivierung; sti-muliert Immunglobulinsekretion durch B-Zellen; Induk-tion von MHC-Klasse-II-Molekülen; TH1-Differenzierung

372e-11

Einführung in das Immunsystem 372e

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Tabelle 372e-7 (Fortsetzung )

Zytokin Rezeptor Produktion durch Zielzelle Biologische Aktivität

TNF-α TNFrI, TNFrII Monozyten/Makrophagen,Mastzellen, Basophile, Eosino-phile, NK-Zellen, B-Zellen, T-Zellen, Keratinozyten, Fibro-blasten, Thymusepithelzellen

Alle Zellen außer Erythrozyten Fieber, Anorexie, Schock, Capillary-leak-Syndrom, er-höhte Leukozytenzytotoxizität, gesteigerte NK-Zellfunk-tion, Akute-Phase-Proteinsynthese, Induktionproinflammatorischer Zytokine

TNF-β TNFRI, TNFRII T-Zellen, B-Zellen Alle Zellen außer Erythrozyten Zytotoxizität, Entwicklung von Lymphknoten und Milz

LT-β LTβR T-Zellen Alle Zellen außer Erythrozyten Zytotoxizität, normale Entwicklung der Lymphknoten

G-CSF G-CSFR; gp130 Monozyten/Makrophagen, Fi-broblasten, Endothelzellen,Thymusepithelzellen, Stroma-zellen

Myeloide Zellen, endotheliale Zellen Reguliert Myelopoese; unterstützt Überleben undFunktion von Neutrophilen; klinischer Einsatz beiNeutropenie nach zytotoxischer Chemotherapie

GM-CSF GM-CSFR; gemein-same β-Kette

T-Zellen, Monozyten/Makro-phagen, Fibroblasten, Endo-thelzellen, Thymusepithelzellen

Monozyten/Makrophagen, Neutrophile, Eo-sinophile, Fibroblasten, Endothelzellen

Reguliert Myelopoese; verstärkt bakterizide und tumo-rizide Aktivität von Makrophagen; Mediator der Reifungund Funktion von dendritischen Zellen, Hochregulationvon NK-Zellfunktion; klinischer Einsatz bei Neutropenienach zytotoxischer Chemotherapie

M-CSF M-CSFR (c-fms-Proto-Onkogen)

Fibroblasten, Endothelzellen,Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, B-Zellen, Epithelzelleneinschließlich Thymusepithe-lien

Monozyten/Makrophagen Reguliert Monozyten-Makrophagenproduktion undFunktion

LIF LIFR; gp130 Aktivierte T-Zellen, Stromazel-len des Knochenmarks, Thy-musepithelien

Megakaryozyten, Monozyten, Hepatozyten,wahrscheinlich auch auf Subpopulationenvon Lymphozyten

Induziert die Produktion von Akut-Phase-Proteinen inder Leber. Stimuliert Makrophagen-Differenzierung.Fördert das Wachstum von Myelomzellen und häma-topoetischen Vorläuferzellen. Stimuliert Thrombopoese

OSM OSMR; LIFR; gp130 Aktivierte Monozyten/Makro-phagen und T-Zellen, Stroma-zellen des Knochenmarks,einige Mammakarzinom-Zell-linien, Myelomzellen

Neuronen, Hepatozyten, Monozyten/Makro-phagen, Adipozyten, alveolare Epithelzellen,embryonale Stammzellen, Melanozyten,Endothelzellen, Fibroblasten, Myelomzellen

Induziert die Produktion von Akut-Phase-Proteinen inder Leber. Stimuliert Makrophagendifferenzierung. För-dert das Wachstum von Myelomzellen und hämato-poetischen Vorläuferzellen. Stimuliert Thrombopoese.Stimuliert das Wachstum von Kaposi-Sarkomzellen

SCF SCFR (c-kit-Proto-Onkogen)

Stromazellen des Knochen-marks und Fibroblasten

Embryonale Stammzellen, myeloide undlymphoide Vorläuferzellen, Mastzellen

Stimuliert das Wachstum hämatopoetischer Vorläufer-zellen und Mastzellen sowie die Migration vonembryonalen Stammzellen

TGF-β (3Isoformen)

Typ I, II, III TGF-β-Rezeptor

Fast alle Zellen Fast alle Zellen Reguliert Aktivität von T-Zellen, Makrophagen undGranulozyten herunter. Fördert die Synthese vonMatrixproteinen, stimuliert Angiogenese

Lymphotak-tin/SCM-1

Unbekannt NK-Zellen, Mastzellen, CD4-und CD8-negative Thymozyten,aktivierte CD8-positive T-Zellen

T-Zellen, NK-Zellen Chemotaktisch für Lymphozyten, einzig bekanntes C-Chemokin

MCP-1 CCR2 Fibroblasten, glatte Muskelzel-len, aktivierte mononukleäreperiphere Blutzellen

Monozyten/Makrophagen, NK-Zellen, Ge-dächtnis-T-Zellen, Basophile

Chemoattraktiv für Monozyten, aktivierte Gedächtnis-T-und NK-Zellen. Induziert Freisetzung von Granulae ausCD8-positiven T- und NK-Zellen. Induziert Histamin-freisetzung aus Basophilen. Supprimiert die Prolifera-tion hämatopoetischer Stammzellen. Reguliert dieProteaseproduktion von Monozyten

MCP-2 CCR1, CCR2 Fibroblasten, aktivierte mono-nukleäre periphere Blutzellen

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Eosino-phile, Basophile, NK-Zellen

Chemotaktisch für Monozyten, naive und Gedächtnis-T-Zellen, Eosinophile und evtl. NK-Zellen. AktiviertBasophile und Eosinophile. Reguliert die Protease-produktion von Monozyten

MCP-3 CCR1, CCR2 Fibroblasten, aktivierte mono-nukleäre periphere Blutzellen

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Eosino-phile, Basophile, NK-Zellen, dendritischeZellen

Chemotaktisch für Monozyten, naive und Gedächtnis-T-Zellen, Eosinophile und evtl. NK-Zellen. AktiviertBasophile und Eosinophile. Reguliert die Protease-produktion von Monozyten

MCP-4 CCR2, CCR3 Lunge, Kolon, Epithelzellen desDünndarms, aktivierte Endo-thelzellen

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Eosino-phile, Basophile

Chemotaktisch für Monozyten, T-Zellen, Eosinophileund Basophile

Eotaxin CCR3 Epithelzellen der Lunge, Herz Eosinophile, Basophile Stark chemotaktisch für Eosinophile und Basophile.Induziert allergische Atemwegserkrankungen. Kanngemeinsam mit IL-5 Eosinophile aktivieren. Antikörpergegen Eotaxin hemmen Atemwegsentzündungen

TARC CCR4 Thymus, dendritische Zellen,aktivierte T-Zellen

T-Zellen, NK-Zellen Chemotaktisch für T- und NK-Zellen

MDC CCR4 Monozyten/Makrophagen, den-dritische Zellen, Thymus

Aktivierte T-Zellen Chemotaktisch für aktivierte T-Zellen. Hemmt Infektionmit T-Zell-trophen HIV

372e-12

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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Tabelle 372e-7 (Fortsetzung )

Zytokin Rezeptor Produktion durch Zielzelle Biologische Aktivität

MIP-1α CCR1, CCR5 Monozyten/Makrophagen, T-Zellen

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, dendri-tische Zellen, NK-Zellen, Eosinophile, Baso-phile

Chemotaktisch für Monozyten, T-Zellen, dendritischeZellen, NK-Zellen, schwach chemotaktisch für Eosino-phile und Basophile. Aktiviert NK-Zellen. Supprimiert dieProliferation hämatopoetischer Vorläuferzellen. Not-wendig für Coxsackie-assoziierte Virusmyokarditis.Hemmt Infektion mit monozytotrophen HIV

MIP-1β CCR5 Monozyten/Makrophagen, T-Zellen

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, dendri-tische Zellen, NK-Zellen

Chemotaktisch für Monozyten, T-Zellen, dendritischeZellen und NK-Zellen. Aktiviert NK-Zellen. HemmtInfektion mit monozytotrophen HIV

RANTES CCR1, CCR2, CCR5 Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Fibroblasten, Eosino-phile

Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, dendri-tische Zellen, NK-Zellen, Eosinophile, Baso-phile

Chemotaktisch für Monozyten/Makrophagen, CD4-po-sitive CD45RO-positive T-Zellen, CD8-positive T-Zellen,NK-Zellen, Eosinophile und Basophile. Induziert His-taminfreisetzung aus Basophilen. Hemmt Infektion mitmonozytotrophen HIV

LARC/MIP-3α/Exodus-1

CCR6 Dendritische Zellen, fetale Le-berzellen, aktivierte T-Zellen

T-Zellen, B-Zellen Chemotaktisch für Lymphozyten

ELC/MIP-3β CCR7 Thymus, Lymphknoten, Ap-pendix

Aktivierte T- und B-Zellen Chemotaktisch für B- und T-Zellen. Rezeptor auf EBV-infizierten B- und HSV-infizierten T-Zellen herauf-reguliert

I-309/TCA-3 CCR8 Aktivierte T-Zellen Monozyten/Makrophagen, T-Zellen Chemotaktisch für Monozyten, verhindert Glukokorti-koid-induzierte Apoptose in einigen T-Zell-Linien

SLC/TCA-4/Exodus-2

Unbekannt Thymusepithelzellen, Lymph-knoten, Appendix, Milz

T-Zellen Chemotaktisch für T-Zellen. Hemmt Hämatopoese

DC-CK1/PARC

Unbekannt Dendritische Zellen in sekun-där-lymphatischen Geweben

Naive T-Zellen Evtl. Rolle bei der Induktion von Immunantworten

TECK Unbekannt Dendritische Zellen, Thymus,Leber, Dünndarm

T-Zellen, Monozyten/Makrophagen, dendri-tische Zellen

Zytokin, das von dendritischen Zellen im Thymusproduziert wird, möglicherweise an der T-Zell-Ent-wicklung beteiligt

GROα/MGSA CXCR2 Aktivierte Granulozyten, Mono-zyten/Makrophagen und Epi-thelzellen

Neutrophile, Epithelzellen, evtl. Endothel-zellen

Wirkt chemotaktisch auf und aktiviert Neutrophile.Mitogene Wirkung auf einige Melanomzelllinien. HemmtProliferation von hämatopoetischen Vorläuferzellen.Fördert Angiogenese

GROβ/MIP-2α

CXCR2 Aktivierte Granulozyten, Mono-zyten/Makrophagen

Neutrophile, evtl. Endothelzellen Wirkt chemotaktisch auf und aktiviert Neutrophile.Fördert Angiogenese

NAP-2 CXCR2 Thrombozyten Neutrophile, Basophile Spaltprodukt von Platelet Basic Protein. Wirkt chemo-taktisch auf und aktiviert Neutrophile

IP-10 CXCR3 Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Fibroblasten, Endothel-zellen, Epithelzellen

Aktivierte T-Zellen, tumorinfiltrierende Lym-phozyten, evtl. Endothel- und NK-Zellen

Durch IFN-γ-induzierbares Protein, das chemotaktischfür T-Zellen ist. Hemmt Proliferation von hämatopoeti-schen Vorläuferzellen

MIG CXCR3 Monozyten/Makrophagen, T-Zellen, Fibroblasten

Aktivierte T-Zellen, Tumor-infiltrierendeLymphozyten

Durch IFN-γ-induzierbares Protein das chemotaktischfür T-Zellen ist. Hemmt Proliferation von hämatopoeti-schen Vorläuferzellen

SDF-1 CXCR4 Fibroblasten T-Zellen, dendritische Zellen, evtl. Basophileund Endothelzellen

Niedrigpotenter, aber hocheffizienter chemotaktischerFaktor für T-Zellen. Notwendig für die Entwicklung vonB-Lymphozyten. Verhindert die Infektion von CD4-positiven und CXCR4-positiven Zellen durch T-Zell-trophe HIV

Fraktalkin CX3CR1 Aktivierte Endothelzellen NK-Zellen, T-Zellen, Monozyten/Makropha-gen

Hybridmoleküle aus zelloberflächengebundenem Che-mokin und Muzin, das chemotaktisch und als Adhäsi-onsmolekül wirkt sowie Leukozyten aktivieren kann

PF-4 Unbekannt Thrombozyten, Megakaryozy-ten

Fibroblasten, Endothelzellen Chemotaktisch für Fibroblasten. Hemmt Proliferationvon hämatopoetischen Vorläuferzellen. Hemmt Prolife-ration von Endothelzellen und Angiogenese

Abkürzungen: B7-1 = CD80; B7-2 = CD86; CCR = CC-Typ-Chemokinrezeptor; CXCR = CXC-Typ-Chemokinrezeptor; DC-CK = Dendritic Cell Chemokine; EBV = Epstein-Barr-Virus; ELC = EB11Ligand Chemokine (MIP-1β); IL = Interleukin; G-CSF = Granulocyte Colony-stimulating Factor; GM-CSF = Granulocyte-macrophage Colony-stimulating Factor; GRO = Growth-related Oncogene; GRP= Growth-related Peptide; HIV = Human Immundeficiency Virus; HSV = Herpes-simplex-Virus; IFN = Interferon; Ig = Immunglobulin; IP-10 = IFN-γ-induzierbares Protein-10; LARC = Liver andActivation-regulated Chemokine; LIF = Leukemia Inhibitory Factor; LT = Lymphotoxin; MCP = Monozyten-chemotaktisches Protein; M-CSF = Macrophage Colony-stimulating Factor; MDC =Macrophage-derived Chemokine; MGSA = Melanoma Growth-stimulating Activity; MHC = Haupthistokompatibilitätskomplex; MIG = Monoteine Induced by IFN-γ; MIP = Macrophage InflammatoryProtein; NAP = Neutrophil-activating Protein; NK = natürliche Killerzellen; OSM = Onkostatin M; PARC = Pulmonary and Activation-regulated Chemokine; PF = Platelet factor; RANTES = Regulated onActivation, Normally T-Cell Expressed and Secreted; SCF = Stem Cell Factor; SDF = Stromal Cell-derived Factor; SLC = Secondary Lymphoid Tissue Chemokine; TARC = Thymus and Activation-regulated Chemokine; TCA = T-cell Activation Protein; TECK = Thymus Expressed Chemokine; TGF = Transforming Growth Factor; TH1 und TH2 = T-Helfer-Zell-Subpopulationen; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor; VCAM = vaskuläres Zelladhäsionsmolekül.Quelle: Mit frdl. Genehmigung aus Sundy JS, Patel DD, und Haynes BF: Appendix B, in Inflammation, Basic Principles and Clinical Correlates, 3rd ed, J Gallin and R Snyderman (Hrsg.). Philadelphia,Lippincott Williams and Wilkins, 1999.

372e-13

Einführung in das Immunsystem 372e

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TABELLE 372e-8 CC-, CXC1-, CX3-, C1- und XC-Chemokine und Chemokinrezeptoren

Chemokin-rezeptor

Liganden (Chemokine) Expression auf Assoziiert mit

CCR1 CCL3 (MIP-1α), CCL5 (RANTES), CCL7(MCP-3), CCL14 (HCC1)

T-Zellen, Monozyten, Eosinophile, Basophile Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose

CCR2 CCL2 (MCP-1), CCL8 (MCP-2), CCL7 (MCP-3), CCL13 (MCP-4), CCL16 (HCC4)

Monozyten, unreife dendritische Zellen, Ge-dächtnis-T-Zellen

Atherosklerose, rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose,Resistenz gegen intrazelluläre Erreger, Typ-2-Diabetes

CCR3 CCL11 (Eotaxin), CCL13 (Eotaxin-2), CCL-7(MCP-3), CCL5 (RANTES), CCL8 (MCP-2),CCL13 (MCP-4)

Eosinophile, Basophile, Mastzellen, TH2,Thrombozyten

Allergische Rhinitis und allergisches Asthma

CCR4 CCL17 (TARC), CCL22 (MDC) T-Zellen (TH2), reife dendritische Zellen,Basophile, Makrophagen, Thrombozyten

Infektion mit Parasiten, Transplantatabstoßung, Migrationvon T-Zellen in die Haut

CCR5 CCL3 (MIP-1α), CCL4 (MIP-1β), CCL5(RANTES), CCL11 (Eotaxin), CCL14 (HCC1),CCL16 (HCC4)

T-Zellen, Monozyten HIV-Korezeptor (monozytentrophe Stämme), Transplantat-abstoßung

CCR6 CCL20 (MIP-3α, LARC) T-Zellen (regulatorische und Gedächtnis), B-Zellen, dendritische Zellen

Mukosale humorale Immunantwort, allergisches Asthma, T-Zell-Migration in Darm

CCR7 CCL19 (ELC), CCL21 (SLC) T-Zellen, reife dendritische Zellen Migration von T- und dendritischen Zellen in Lymphknoten,Antigen-Präsentation und zelluläre Immunität

CCR8 CCL1 (1309) T-Zellen (TH2), Monozyten, dendritische Zellen Migration dendritischer Zellen in Lymphknoten, Typ-2-Antworten, Granulombildung

CCR9 CCL25 (TECK) T-Zellen, IgA-positive Plasmazellen Migration von T-Zellen und IgA-positiven Plasmazellen in denDarm, chronisch entzündliche Darmerkrankungen

CCR10 CCL27 (CTACK), CCL28 (MEC) T-Zellen Migration von T-Zellen in Haut und Darm

CXCR1 CXCL8 (Interleukin-8), CXCL6 (GCP2) Neutrophile, Monozyten Entzündliche Lungenerkrankungen, COPD

CXCR2 CXCL8, CXCL1 (GROα), CXCL2 (GROα),CXCL3 (GROα), CXCL5 (ENA-78), CXCL6

Neutrophile, Monozyten, mikrovaskuläre En-dothelzellen

Entzündliche Lungenerkrankungen, COPD, Angiogenese beiTumoren

CXCR3-A CXCL9 (MIG), CXCL10 (IP-10), CXCL11 (I-TAC)

TH1-Zellen, Mastzellen, Mesangiumzellen Entzündliche Hauterkrankungen, Multiple Sklerose, Trans-plantatabstoßung

CXCR3-B CXCL4 (PF4), CXCL9 (MIG), CXCL10 (IP-10),CXCL11 (I-TAC)

Mikrovaskuläre Endothelzellen, neoplastischeZellen

Angiostatisch bei Tumorwachstum

CXCR4 CXCL12 (SDF-1) Häufig exprimiert HIV-Korezeptor (T-Zell-trophe Stämme), Tumormetastasen,Hämatopoese

CXCR5 CXCL13 (BCA-1) B-Zellen, follikuläre T-Helfer-Zellen Bildung von B-Zell-Follikeln

CXCR6 CXCL16 (SR-PSOX) CD8-positive T-Zellen, natürliche Killerzellen,CD4-positive Gedächtnis-T-Zellen

Entzündliche Lebererkrankungen, Atherosklerose (CXCL-16)

CX3CR1 CX3CL1 (Fraktalkin) Makrophagen, Endothelzellen, glatte Muskel-zellen

Atherosklerose

XCR1 XCL1 (Lymphotaktin), XCL2 T-Zellen, natürliche Killerzellen Rheumatoide Arthritis, IgA-Nephropathie, Tumorantwort

Abkürzungen: BCA-1 = B-Cell Chemoattractant 1; COPD = chronisch obstruktive Lungenerkrankung; CTACK = Cutaneous T-Cell-attracting Chemokine; ELC = Epstein Barr 11 Ligand Chemokine;ENA = Epithelial-Cell-derived Neutrophil-activating Peptide; GCP = Granulocyte Chemotactic Protein; GRO = Growth-related Oncogene; MIP = Macrophage Inflammatory Protein; HCC = HemofiltrateChemokine; HIV = Human Immunodeficiency Virus; IP-10 = IFN-γ-induzierbares Protein-10; I-TAC = Interferon-inducible T-Cell alpha Chemoattractant; MCP = Monocyte Chemoattractant Protein;MDC = Macrophage Derived Chemokine; MEC = Mammary-enriched Chemokine; MIG = Monokine induced by Interferon-γ; LARC = Liver and Activation-regulated Chemokine; PF = Platelet Factor;SDF = Stromal Cell-derived Factor; SLC = Secondary Lymphoid Tissue Chemokine; SR-PSOX = Scavenger-Rezeptor für Phosphatidylserin-enthaltende oxidierte Lipide; TARC = Thymus andActivation-Regulated Chemokine; TECK = Thymus Expressed Chemokine; TH2 = T-Helfer-2-Zelle.Quelle: Aus IF Charo, RM Ranshohoff: N Engl J Med 354:610, 2006, mit frdl. Genehmigung. Copyright Massachusetts Medical Society. All rights reserved.

TABELLE 372e-9 Zytokinfamilien nach ihren strukturellen Gemeinsamkeiten

Hämatopoetine IL-2, IL-3, IL-4, IL-5, IL-6, IL-7, IL-9, IL-11, IL-12, IL-15, IL-16, IL-17, IL-21, IL-23, EPO, LIF, GM-CSF, G-CSF, OSM, CNTF, GH und TPO

TNF-α, LT-α, LT-β, CD40L, CD30L, CD27L, 4-1BBL, OX40, OPG und FasL

IL-1 IL-1α, IL-1β, IL-1ra, IL-18, bFGF, aFGF und ECGF

PDGF PDGF A, PDGF B und M-CSF

TGF-β TGF-β und BMPs (1, 2, 4 etc.)

CXC-Chemokine IL-8, Gro-α/β/γ, NAP-2, ENA78, GCP-2, PF-4, CTAP-3, Mig und IP-10

CC-Chemokine MCP-1, MCP-2, MCP-3, MIP-1α, MIP-1β, RANTES

Abkürzungen: aFGF = Acidic Fibroblast Growth Factor; 4-1BBL = 4-1BB-Ligand; bFGF = Basic Fibroblast Growth Factor; BMP = Bone Marrow Morphogenetic Proteins; CC = Cystein-Cystein; CD =Cluster of Differentiation; CNTF = Ciliary Neurotrophic Factor; CTAP = Connective Tissue Activating Peptide; CXC = Cystein-X-Cystein; ECGF = Endothelial Cell Growth Factor; EPO = Erythropoetin;FasL = Fas-Ligand; GCP-2 = Granulocyte Chemotactic Protein-2; G-CSF = Granulocyte Colony-stimulating Factor; GH = Growth Hormone; GM-CSF = Granulocyte-macrophage Colony-stimulatingFactor; Gro = Growth-related Gene Products; IFN = Interferon; IL = Interleukin; IP = Interferon-γ-induzierbares Protein; LIF = Leukemia inhibitory Factor; LT = Lymphotoxin; MCP = MonocyteChemoattractant; M-CSF = Macrophage Colony-stimulating Factor; Mig = Monokine induced by Interferon-γ; MIP = Macrophage Inflammatory Protein; NAP-2 = Neutrophil Activating Protein-2;OPG = Osteoprotegerin; OSM = Onkostatin M; PDGF = Platelet-derived Growth Factor; PF = Platelet Factor; R = Rezeptor; RANTES = Regulated on Activation; Normal T Cell-expressed and -secreted;TGF = Transforming Growth Factor; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor; TPO = Thyreoperoxidase.

372e-14

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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& NEUTROPHILE, EOSINOPHILE, BASOPHILEGranulozyten sind an nahezu allen Formen von Entzündung beteiligtund wirken als Effektorzellen und Verstärker von Antworten des ange-borenen Immunsystems (Abb. 372e-2 und 372e-3). Eine unkontrol-lierte Akkumulation und Aktivierung von Granulozyten kann Gewe-beschäden zur Folge haben, wie bei der systemischen nekrotisierendenVaskulitis, an der neutrophile und eosinophile Granulozyten beteiligtsind. Granulozyten entstehen aus Stammzellen im Knochenmark. Diedrei Arten von Granulozyten (Neutrophile, Eosinophile und Basophi-le) gehen aus jeweils unterschiedlichen Vorläuferzellen hervor, diedurch Kolonie-stimulierende Faktoren zur Proliferation angeregt wer-den (Tab. 372e-7). Nach ihrer terminalen Differenzierung erlaubendie typische Morphologie der Zellkerne und die unterschiedliche An-färbbarkeit der Zellkerne die histologische Unterscheidung der ver-schiedenen Arten von Granulozyten.Neutrophile Granulozyten exprimieren Fc-Rezeptor IIIa für IgG

(CD16) und Rezeptoren für aktivierte Komplementfaktoren (C3b-Re-zeptor oder CD35). Durch die Interaktion von Neutrophilen mit op-sonisierten Bakterien oder Immunkomplexen kommt es zur Freiset-zung von azurophilen Granula, die Myeloperoxidase, Lysozym, Elas-tase und andere Enzyme enthalten, und spezifischen Granula, dieLaktoferrin, Lysozym, Kollagenase und andere Enzyme enthalten. Au-ßerdem werden an der Zellmembran Superoxidradikale (O2

–) gebil-det, die mikrobizidielle Wirkung haben. Die Bildung von Superoxid-radikalen führt über direkte Gewebeschädigung und eine Schädigungvon Makromolekülen wie Kollagen und DNS zur Entzündung.Eosinophile exprimieren Fc-Rezeptor II für IgG (CD32) und sind

potente zytotoxische Effektorzellen gegen verschiedene Parasiten. Beider experimentellen Infektion mit dem Helminthen Nippostrongylusbrasiliensis sind Eosinophile wesentlich an der Abwehr der Erregerbeteiligt. Gesteuert wird die zytotoxische Aktivität der Eosinophilendurch Antigen-spezifische T-Helfer-Zellen, die IL-4 und IL-5 pro-duzieren. Dieses Beispiel illustriert, wie Immunantworten des ange-borenen Immunsystems durch das adaptive Immunsystem, insbeson-dere durch Antigen-spezifische T-Zellen, gesteuert und moduliertwerden. Im Zytoplasma von Eosinophilen befinden sich Proteine, wieMajor Basic Protein, Eosinophil Cationic Protein und Eosinophil-de-

rived Neurotoxin, die direkt Gewebeschäden verursachen können undan der Pathogenese der Organdysfunktionen beim hypereosinophilenSyndrom beteiligt sind (Kap. 80). Die Granula der Eosinophilen ent-halten auch antiinflammatorisch wirkende Enzyme, wie Histaminase,Arylsulfatase und Phospholipase D und sind damit an der homöosta-tischen Regulation und Beendigung von Entzündungen beteiligt.Basophile und Mastzellen enthalten große Mengen präformierter

Zytokine, wie Interleukin-4 (IL-4) und können nach ihrer Aktivierungweitere Zytokine und andere Mediatoren produzieren. Sie besitzen ver-schiedene Toll-like-Rezeptoren und können deswegen direkt durch Vi-ren oder Bakterien aktiviert werden. Mastzellen und Basophile könnenauch über die Bindung pathogenspezifischer Antikörper an der Im-munabwehr beteiligt sein. Dies ist ein besonders wichtiger Mechanis-mus bei der Abwehr von Parasiten. Basophile exprimieren hochaffineRezeptoren für IgE (FcεRII; CD23). Wenn an solche Rezeptoren ge-bundenes IgE durch die Bindung von Antigenen kreuzvernetzt wird,kommt es zur Aktivierung dieser Zellen und zur Ausschüttung vonHistamin, Eosinophil Chemotactic Factor of Anaphylaxis und NeutralProtease, jeweils wichtigen Mediatoren der allergischen Reaktion vonSoforttyp (Anaphylaxie; Tab. 372e-11). Zusätzlich exprimieren Baso-phile Komplementrezeptoren (für C3a und C5a), über deren Aktivie-rung auch direkt die Ausschüttung dieser Mediatoren ausgelöst wer-den kann. Basophile können daher, wie fast alle anderen Zellen desImmunsystems auch, neben ihrer Rolle an der Abwehr von Pathoge-nen auch durch eine ungesteuerte Aktivierung und Mediatorfreiset-zung an der Pathogenese von allergischen und entzündlichen Erkran-kungen beteiligt sein. Auf die Rolle von Mastzellen wird im Kapitel376 näher eingegangen.

& KOMPLEMENTSYSTEMAls Komplementsystem, eine bedeutende humorale Komponente desangeborenen Immunsystems, bezeichnet man eine Reihe von Plasma-enzymen, regulatorischer und anderer Proteine, die kaskadenartig ak-tiviert werden, was letztendlich zur Zelllyse führt. Es gibt drei Haupt-wege des Komplementsystems: den klassischen Aktivierungsweg, derdurch Antigen/Antikörper-Komplexe aktiviert wird, den MBL-Akti-vierungsweg (gehört zur Familie der Kollektine, Tab. 372e-3), der

TABELLE 372e-10 Krankheitsassoziationen von KIRs

Krankheit KIR-Assoziation Beobachtung

Psoriasisarthritis KIR2DS1/KIR2DS2; HLA-Cw-Gruppenhomozygotie Suszeptibilität

Spondylarthritiden Vermehrte KIR3DL2-Expression

Interaktion von HLA-B27-Homodimeren mit KIR3DL1/ KIR3DL2; unabhängigvon der Peptidbeladung

Evtl. an der Pathologie beteiligt

Evtl. an der Pathologie beteiligt

Ankylosierende Spondylitis KIR3DL1/3DS1, HLA-B27-Genotypen Suszeptibilität

Rheumatoide Vaskulitis KIR2DS2, HLA-Cw*03

Erhöhtes KIR2L2/2DS2 bei extraartikulären Manifestationen

Suszeptibilität

Evtl. unterschiedlicher KIR-Genotyp der Symptome

Rheumatoide Arthritis Reduziertes KIR2DS1/3DS1 bei Patienten ohne Knochenerosionen

KIR2DS4; HLA-Cw4

Suszeptibilität

Suszeptibilität

Sklerodermie KIR2DS2+/KIR2DL2- Suszeptibilität

Behçet-Krankheit Veränderte KIR3DL1-Expression Mit schwererer Augenbeteiligung assoziiert

Psoriasis vulgaris 2DS1; HLA-Cw*06

2DS1; 2DL5; Haplotyp B

Suszeptibilität

Suszeptibilität

IDDM KIR2DS2; HLA-C1 Suszeptibilität

Typ-1-Diabetes KIR2DS2; HLA-C1 und kein HLA-C2, kein HLA-Bw4 Beschleunigte Krankheitsprogression

Präeklampsie KIR2DL1 mit weniger KIR2DS (Mutter); HLA-C2 (Kind) Beschleunigte Krankheitsprogression

AIDS KIR3DS1; HLA-Bw4Ile80

KIR3DS1-Homozygotie; No HLA-Bw4Ile80

Verlangsamte Krankheitsprogression

Beschleunigte Krankheitsprogression

HCV-Infektion KIR2DL3-Homozygotie; HLA-C1-Homozygotie Verlangsamte Krankheitsprogression

Zervikale Neoplasie (HPV-induziert) KIR3DS1; HLA-C1-Homozygotie und kein HLA-Bw4 Beschleunigte Krankheitsprogression

Malignes Melanom KIR2DL2 und/oder KIR2DL3; HLA-C1 Beschleunigte Krankheitsprogression

Abkürzungen: HCV = Hepatitis-C-Virus; HLA = humanes Leukozytenantigen; HPV = humanes Papillomavirus; IDDM = insulinabhängiger Diabetes mellitus; KIR = Killer Cell Immunoglobulin-likeReceptor.Quelle: Nach Diaz-Pena et al: Adv Exp Med Biol 649:286, 2009.

372e-15

Einführung in das Immunsystem 372e

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durch Pathogene mit terminalen Mannosegruppen aktiviert wird,und den alternativen Aktivierungsweg, der durch Pathogene oder Tu-morzellen aktiviert wird. Diese drei unterschiedlichen Aktivierungs-wege münden im gemeinsamen terminalen Aktivierungsweg, derüber die Bildung eines Membran-Attacken-Komplexes in der Lysevon Zielzellen endet (Abb. 372e-5). Die Enzyme der Komplementkas-kade gehören zu den Serinproteinasen.Die Aktivierung des klassischen Aktivierungsweges über die Bin-

dung von C1q an Immunkomplexe, die Antigen-spezifische Antikör-

per enthalten, ist ein klassisches Beispiel einer Verbindung zwischenadaptivem und angeborenem Immunsystem. Der alternative Aktivie-rungsweg ist von Antikörpern unabhängig und wird durch die direkteBindung von C3 an Pathogene oder „alteriertes Selbst“, wie es bei-spielsweise bei Tumorzellen auftritt, aktiviert. Bei der IgA-Nephro-pathie, einer Form der Glomerulonephritis, kommt es zu einer Akti-vierung des alternativen Aktivierungsweges durch IgA, die dann zueiner glomerulären Schädigung mit konsekutiver Nierenfunktionsein-schränkung führt. Die Aktivierung des klassischen Aktivierungswegesüber C1, C4 und C2 und des alternativen Weges durch C3, Faktor Dund Faktor B führt zur Spaltung und damit zur Aktivierung von C3.Fragmente von C3, die durch die Aktivierung dieses Moleküls entste-hen und an Oberflächen von Bakterien oder anderen Fremdantigenengebunden werden, sind wichtig für die Opsonisierung (Beladung vonOberflächen mit Antikörpern und Komplement) und damit für eineverbesserte Phagozytose. Der MBL-Aktivierungsweg ist im Prinzipmit dem klassischen Aktivierungsweg vergleichbar, wobei die MBL-assoziierten Serin-Proteasen (MASP) 1 und 2 den Komplex aus C1q,C1r und C1s für die Aktivierung von C4 ersetzen. Der MBL-Wegwird durch die Bindung von Mannose-bindendem Lektin (MBL) anMannosegruppen auf der Oberfläche von Bakterien und Viren akti-viert.Die drei Wege der Komplementaktivierung laufen alle im gemein-

samen terminalen Aktivierungsweg zusammen. Durch die Spaltungvon C3 durch die einzelnen Aktivierungswege kommt es zur Aktivie-rung von C5, C6, C7, C8 und C9 und dadurch zur Bildung des Mem-bran-Angriffs-Komplexes, der über die Bildung einer Pore in derMembran von Zielzellen oder Bakterien zu deren Lyse führt.Das Komplementsystem ist eine wichtige Komponente des angebo-

renen Immunsystems zur Abwehr von Infektionen. Die funktionellenKonsequenzen einer Aktivierung des Komplementsystems durch diedrei unterschiedlichen Aktivierungswege und den gemeinsamen ter-minalen Aktivierungsweg sind in Abbildung 372e-5 zusammenge-fasst. Generell kommt es durch die bei der Komplementaktivierungentstehenden Spaltprodukte der Komplementproteine zu einem ver-besserten Abbau von Mikroorganismen oder geschädigten Zellen(C1q, C4, C3), zur Aktivierung und Aufrechterhaltung von entzündli-chen Vorgängen (Anaphylatoxine, C3a, C5a) und zur direkten Lysevon Mikroorganismen durch den Membran-Angriffskomplex.

ZYTOKINEZytokine sind lösliche Proteine, die von einer Vielzahl von Zellen pro-duziert werden können (Tab. 372e-7 bis 372e-9). Sie spielen sowohlbei der angeborenen als auch bei der adaptiven Immunität eine wich-tige Rolle und eine gestörte Expression kann daher an Autoimmuner-krankungen, Entzündungen und Infektionskrankheiten beteiligt sein.Zytokine regulieren das Wachstum, die Entwicklung und die Akti-

vierung von Immunzellen und sind an entzündlichen Erkrankungenbeteiligt. Generell ist die Wirkung vieler Zytokine funktionell redun-dant, d. h., verschiedene Zytokine haben die gleiche Funktion. Zusätz-lich wirken Zytokine pleiotrop, können also viele verschiedene Zell-typen beeinflussen. Diese Pleiotropie beruht auf der Expression vonZytokinrezeptoren für dasselbe Zytokin auf verschiedenen Zellen undführt zur Bildung so genannter Zytokinnetzwerke. Zytokine könnenentweder autokrin wirken, wenn die Zielzelle dieselbe Zelle ist, die

TABELLE 372e-11 Aus humanen Mastzellen und basophilen Granulozyten freigesetzte Mediatoren

Mediator Wirkung

Histamin Kontraktion der glatten Muskulatur, Erhöhung der Gefäßpermeabilität

Langsam reagierende Substanzen der Anaphylaxie (SRSA, Slow-reactingSubstance of Anaphylaxis; z. B. Leukotrien C4, D4, E4)

Kontraktion der glatten Muskulatur

Eosinophil Chemotactic Factor of Anaphylaxis (ECF-A) Chemoattraktion von Eosinophilen

Plättchenaktivierender Faktor Aktivierung von Thrombozyten zur Freisetzung von Serotonin und anderen Mediatoren:Kontraktion der glatten Muskulatur; Erhöhung der vaskulären Permeabilität

Neutrophiler chemotaktischer Faktor (NCF) Chemoattraktion von Neutrophilen

Leukotaktische Aktivität (Leukotrien B4) Chemoattraktion von Neutrophilen

Heparin Antikoagulans

Basophiles Kallikrein der Anaphylaxie (BK-A) Spaltet Kininogen zur Bildung von Bradykinin ab

Inhibitorischer Rezeptor

Aktivierender Rezeptor

Keine aktivie-renden Liganden

AktivierendeLiganden

AktivierendeLiganden

Keine aktivie-renden Liganden

KeineMHC-Klasse I

KeineMHC-Klasse I

MHC-Klasse I

MHC-Klasse I

ZielzelleNK

NK

NK

NK

Zielzelle

Zielzelle

Zielzelle

Keine Antwort

Keine Antwort

NK-Zellen greifenZielzellen an

Ergebnis hängtvon der Signal-integration durchdie NK-Zelle ab

A

B

C

D

Abbildung 372e-4 Antigenerkennung von NK-Zellen: mögliche Ziele und Kon-sequenzen. Das Ausmaß der Aktivierung und die inhibitorischen Rezeptoren auf den NK-Zellen sowie die Anzahl der Liganden auf der Zielzelle und die qualitativen Unterschiededer Signaltransduktion bestimmen die Stärke der NK-Reaktion. A. Zielzellen ohne MHC-Klasse I und aktivierende Liganden können von den NK-Zellen nicht abgetötet werden.B. Zielzellen mit Selbst-MHC können von den NK-Zellen nicht getötet werden. C. InfizierteZielzellen mit herabreguliertem MHC, die aktivierende Liganden exprimieren, können vonNK-Zellen getötet werden. D. Wenn die NK-Zellen auf eine Zielzelle mit Selbst-MHC undaktivierenden Rezeptoren treffen, hängt das Ergebnis der Antigenerkennung durch dieNK-Zelle von dem Gleichgewicht zwischen inhibitorischen und aktivierenden Signalen fürdie NK-Zelle ab. MHC = Major Histocompatibility Complex; NK = natürliche Killerzellen.(Nach Lanier; mit frdl. Genehmigung von Annual Reviews Inc. Copyright 2011 by AnnualReviews Inc.)

372e-16

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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das Zytokin produziert, oder parakrin, wenn die Zielzelle in unmittel-barer Nähe ist, oder endokrin, wenn das Zytokin in die Zirkulationsezerniert wird und entfernt vom Ursprungsort wirkt.Zytokine werden entsprechend ihren mutmaßlichen Zielzellen oder

ihrer Funktion benannt. Die Zytokine, die bevorzugt auf Leukozytenwirken, werden als Interleukine bezeichnet (IL-1, -2, -3 usw.). VieleZytokine, von denen ursprünglich angenommen wurde, dass sie nureine bestimmte Funktion haben, haben diesen Namen behalten (z. B.Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor oder G-CSF). Zytokinelassen sich in drei strukturell unterschiedliche Gruppen einteilen: dieHämatopoetin-Familie, die TNF-, IL-1-, Platelet-derived-Growth-Factor(PDGF)- und die Transforming-Growth-Factor(TGF)-Familiesowie die Familien der CXC- und CC-Chemokine (Tab. 372e-9).Chemokine sind Zytokine, welche die Motilität und Migration vonZellen steuern. Sie besitzen eine ganz bestimmte dreidimensionaleStruktur und ihre Wirkung wird über G-Protein-gekoppelte Rezepto-ren vermittelt. IL-8 (CXCR8) ist das einzige Chemokin, das ursprüng-lich als Interleukin bezeichnet wurde (Tab. 372e-7).Zytokine vermitteln ihre Effekte über die Aktivierung von Genen,

die für die zelluläre Aktivierung, die Expression von funktionell wich-tigen Oberflächenmolekülen und für die Effektorfunktionen der jewei-ligen Zellen verantwortlich sind. Deswegen sind Zytokine essenziellfür die Regulation von Immunantworten und damit für die Pathogene-se mehrerer Erkrankungen. So lassen sich T-Helfer-Zellen anhand ih-res Zytokinmuster in funktionell unterschiedliche Subpopulationeneinteilen, die entweder zellulär vermittelte Immunantworten (TH1)oder humorale Immunantworten (TH2) steuern. Ein dritter T-Helfer-zell-Typ ist die TH17-Zelle, die insbesondere an der Abwehr von extra-zellulären Bakterien und Pilzen beteiligt ist (Tab. 372e-2).Aufgrund der Ähnlichkeiten in den extrazellulären Aminosäuren-

sequenzen und konservierten strukturellen Domänen lassen sich Zy-tokinrezeptoren in fünf Gruppen einteilen. Als Immunglobulin(Ig)-Su-perfamilie werden viele verschiedene sezernierte und Oberflächenmo-leküle zusammengefasst. Die IL-1-Rezeptoren (Typ 1, Typ 2) sindBeispiele für Zytokinrezeptoren mit extrazellulären Ig-Domänen.Charakteristisch für die Familie der Hematopoietic-Growth-Factor-

(Typ 1)-Rezeptoren ist, dass die extrazelluläre Region jedes Rezeptorszwei konservierte Motive enthält. Das N-terminale Motiv enthält vieleCystein-Reste. Das andere Motiv befindet sich am C-Terminus pro-ximal der Transmembranregion und besteht aus fünf Aminosäuren,

nämlich Tryptophan-Serin-X-Tryptophan-Serin (WSXWS). DieseGruppe kann anhand der Anzahl der Rezeptoruntereinheiten und vonmehreren Zytokinrezeptoren gemeinsam benutzten Untereinheitenweiter unterteilt werden. Mehrere Zytokinrezeptoren (z. B. für IL-6,IL-11, IL-27 und Leukemia Inhibitory Factor) benutzen gp130 als ge-meinsame Untereinheit. Die Rezeptoren für IL-3, IL-5 und Granulocy-te-Macrophage Colony-stimulating Factor (GM-CSF) besitzen eine ge-meinsame, 150-kDa-schwere Untereinheit. Die γ-Kette (CommonGamma Chain; γc) des IL-2-Rezeptors ist eine Untereinheit, die manauch bei den Rezeptoren für IL-4, IL-7, IL-9 und IL-15 findet. Der je-weilige Zytokinrezeptor ist also für die Liganden-spezifische Bindungdes jeweiligen Zytokins verantwortlich, während die gemeinsamenUntereinheiten wie gp130, die 150-kDa-Untereinheit und die gemein-same γc für die Signaltransduktion verantwortlich sind. Das Gen fürdie γc befindet sich auf dem X-Chromosom und Mutationen in diesemProtein können ursächlich für das Krankheitsbild der X-linked Formof severe combined immune deficiency Syndrome (X-SCID; X-chro-mosomaler schwerer kombinierter Immundefekt; Kap. 374) sein.Die Interferon-Rezeptor-Familie besteht aus den Rezeptoren für

IFN-γ und IFN-β, die beide eine die gleichen 210 Aminosäuren um-fassende Bindungsdomäne haben. Diese besitzen jeweils am Amino-und am C-terminalen Ende konservierte Paare von Cystein-Resten.Alle Rezeptoren der TNF-Rezeptor-Familie (Typ 3) besitzen eine ge-meinsame Bindungsdomäne mit repetitiven Cystein-reichen Regio-nen. Mitglieder dieser Familie sind unter anderem die p55- und p75-Rezeptoren für TNF (TNF-Rezeptor 1 und 2) sowie CD40, das einwichtiges Oberflächenmolekül auf B-Zellen ist und beim Isotypen-switch von Immunglobulinen beteiligt ist. Weitere Vertreter sind Fas/Apo-1, welches an der Induktion von Apoptose beteiligt ist, CD27und CD30, die von aktivierten T-Zellen exprimiert werden, und derRezeptor für Nerve Growth Factor.Das gemeinsame Motiv der Sieben-Helix-Transmembranrezeptoren

wurde ursprünglich in GTP-bindenden Protein-gekoppelten Rezepto-ren beschrieben. Zu dieser Familie gehören die Chemokinrezeptoren(Tab. 372e-8), β-adrenerge Rezeptoren und retinales Rhodopsin. ZweiChemokinrezeptoren, CXC-Chemokin-Rezeptor 4 (CXCR4) und derβ-Chemokin-Rezeptor 5 (CCR5) sind hier besonders erwähnenswert,da diese als Korezeptoren für die Bindung und das Eindringen vonHIV in CD4-positive Wirtszellen dienen (Kap. 226).Bedeutende Fortschritte wurden bei der Aufklärung der Signalüber-

tragungswege gemacht, durch die Zytokine ihre intrazellulären Effektevermitteln. Eine Gruppe von Tyrosinkinasen, die so genannte Janus-Kinase-Familie (JAK), ist ein zentrales Element bei der Signaltrans-duktion über Rezeptoren für Zytokine der Hämatopoetinfamilie. VierJanus-Kinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und Tyk2) binden bevorzugt anbestimmte unterschiedliche Untereinheiten von Zytokinrezeptoren.Die Bindung der Zytokine an den jeweiligen Rezeptor bringt die Un-tereinheiten in enge Nachbarschaft, wodurch sich ein Paar von Janus-Kinasen gegenseitig transphosphorylieren und dadurch aktivierenkann. Die aktivierten Janus-Kinasen phosphorylieren dann Tyrosin-reste am Zytokinrezeptor selbst, wodurch dann weitere Signaltrans-duktionsmoleküle gebunden und phosphoryliert werden können. DieBindung dieser Adaptorproteine erfolgt über Domänen, mit denen siean phosphorylierte Tyrosinreste binden können (SH2- oder src2-ho-mology-Domäne). Es gibt eine ganze Reihe solcher Signalingmolekü-le, wie beispielsweise SHC, über das der Mitogen-aktivierte Proteinki-nase(MAP-Kinase)-Signalweg aktiviert wird. Eine weitere Gruppewichtiger Substrate für Janus-Kinasen sind Transkriptionsfaktoren(Signal Transducer and Activators of Transcription; STAT). STATs be-sitzen SH2-Domänen, mit denen sie an phosphorylierte Zytokin-rezeptoren binden können und dann selbst von Janus-Kinasen phos-phoryliert werden. Die STAT-Proteine besitzen offensichtlich eine ge-wisse Spezifität für verschiedene Rezeptor-Untereinheiten. Nach ihrerBindung dissoziieren die STAT-Moleküle vom Rezeptor und bewegensich in den Zellkern. Dort binden sie an bestimmte DNS-Motive undregulieren die Genexpression. Da die verschiedenen STAT-Proteinevorzugsweise an unterschiedliche DNS-Abschnitte binden, können siedie Transkription ganz bestimmter Gene regulieren. Eine besondereRolle spielt dieser Signaltransduktionsweg bei der Entwicklung vonLymphozyten: So führen Mutationen von JAK3 zu einem Krankheits-bild, das klinisch identisch mit dem X-SCID ist. Da das Gen für JAK3auf dem Chromosom 19 und nicht auf dem X-Chromosom liegt,kann diese Erkrankung sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen auf-treten (Kap. 374).

Mannose-bindender Lektin-

Aktivierungsweg

MBL-MASP1-MASP2

Erreger mit terminalen Mannose-Gruppen

Klassischer Aktivierungs-

wegBakterien, Pilze, Viren

oder Tumorzellen

C3 (H2O)

Alternativer Aktivierungs-

weg

C1q-C1r-C1s

Antigen-/Antikörper-Komplex

C4

C4

C2

C3

C3b

C5C6

C7

C8

poly-C9

C2

P

D

B

Terminaler Aktivierungsweg

Beseitigung vonImmunkomplexen

Beseitigung apopto-tischer Zellen

Anaphylatoxin

Anaphylatoxin

Lyse der Zelle

Opsonin

Lymphozyten-aktivierung

Zerstörung der Zellmembran

Abbildung 372e-5 Die vier Aktivierungswege und die Effektormechanismen desKomplementsystems. Die gestrichelten Pfeile bezeichnen die jeweiligen Effektorfunktio-nen der einzelnen Komplementkomponenten. (Nach Morley und Walport: The Comple-ment Facts Books. London, Academic Press, 2000, Chap. 2; mit frdl. Genehmigung,Copyright Academic Press, London 2000.)

372e-17

Einführung in das Immunsystem 372e

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DAS ADAPTIVE IMMUNSYSTEMDie adaptive Immunabwehr ist gekennzeichnet durch eine Antigen-spezifische Antwort auf Fremdantigene oder Pathogene. Eine derwichtigsten Eigenschaften des adaptiven Immunsystems ist, dass nachdem initialen Antigenkontakt (immunologisches Priming) bei einemerneuten Kontakt mit dem gleichen Antigen eine schnellere und stär-kere Immunantwort entsteht (immunologisches Gedächtnis). Dasadaptive Immunsystem vermittelt sowohl zelluläre als auch humoraleImmunantworten, wobei T-Lymphozyten Träger der zellulären Im-munabwehr sind, während B-Zellen und die von ihnen produziertenAntikörper Träger der humoralen Immunabwehr sind. Sowohl T- alsauch B-Lymphozyten gehen aus hämatopoetischen Stammzellen her-vor (Abb. 372e-6).Die Verteilung von immunkompetenten Zellen in den jeweiligen

Geweben und der relative Anteil der einzelnen Subpopulationen hän-gen vom Migrations- und Homingverhalten sowie den funktionellenEigenschaften der jeweiligen Zellen ab. Im Knochenmark entstehenaus pluripotenten Stammzellen unter dem Einfluss verschiedener Ko-lonie-stimulierender Faktoren alle hämatopoetischen Zellen. Wäh-rend B-Lymphozyten, Monozyten/Makrophagen, dendritische Zellenund Granulozyten im Knochenmark ausreifen, verlassen T-Zell-Vor-läufer, die auch aus pluripotenten Stammzellen entstehen, das Kno-chenmark und reifen im Thymus aus. Knochenmark und Thymuswerden daher auch als primäre lymphatische Organe bezeichnet. Rei-fe T- und B-Lymphozyten sowie Monozyten und dendritische Zellen

verlassen die primär-lymphatischen Organe und wandern in die se-kundären lymphatischen Organe, wie Milz, Lymphknoten, MALT(Mucosa Associated Lymphoid Tissue) und die peripheren Gewebe(z. B. Haut, Schleimhäute).

& T-ZELLENDer periphere T-Zell-Pool entsteht relativ früh im Leben und wirdwährend des gesamten Lebens durch die Neuproduktion von T-Zellenim Thymus und durch die durch Kontakt zu Antigenen ausgelösteProliferation und Differenzierung von naiven T-Zellen zu Gedächt-nis-T-Zellen in den sekundären lymphatischen Organen aufrecht-erhalten. Während des gesamten Lebens verlassen ungefähr 2 % derThymozyten den Thymus täglich als reife T-Zelle, wobei die Gesamt-zahl dieser Zellen in den ersten 4 Lebensjahrzehnten jährlich um etwa3 % absinkt.Reife T-Zellen machen beim Gesunden ungefähr 70–80 % der Lym-

phozyten des peripheren Blutes (wobei sich nur etwa 2 % aller Lym-phozyten im Blut befinden) sowie 90 % der Lymphozyten im Ductusthoracicus, 30–40 % aller Lymphknotenzellen und 20–30 % der mo-nonukleären Zellen der Milz aus. In den Lymphknoten befinden sichdie T-Zellen im Parakortex und umgeben somit die Keimzentren, indenen sich die B-Zellen befinden. In der Milz befinden sich die T-Zel-len im periarteriolaren Anteil der weißen Pulpa (Kap. 79). T-Lym-phozyten sind die Effektorzellen der zellulären Immunantwort. EineSubpopulation, die CD8+-zytotoxischen T-Zellen, sind auf die Zerstö-

CD34+

HämatopoetischeStammzelle

CD34+

α,β-Keimbahn

α-Keimbahnβ-V-DJ Rekombiniert

α-V-J Rekombiniertβ-V-DJ Rekombiniert

CD7CD2cCD3

Reife T

Thymusmedullaund periphere T-Zellen

CD7CD2cCD3, TCRαβCD4

Reife T

CD7CD2cCD3, TCRαβCD8Reife T

CD7CD2cCD3, TCRγδCD8

Unreife T

CD7CD2cCD3, TCRαβCD1CD4, CD8

FrühePro-B-Zelle

DJRekombiniert

Schwer-ketten-Gen

KeimbahnLeicht-ketten-Gen

Nichtexprimiert

Ober-flächen-Ig

CD34CD10CD19CD38

SpätePro-B-Zelle

VDJRekombiniert

Keimbahn

Nichtexprimiert

CD10CD19CD20CD38CD40

GroßePrä-B-Zelle

VDJRekombiniert

Keimbahn

μ-Schwerketteauf der Ober-fläche als Teildes Prä-B-Zell-Rezeptors

CD19CD20CD38CD40

KleinePrä-B-Zelle

VDJRekombiniert

VDJRekombiniert

μ-Schwerketteim Zytoplasmaund auf derOberfläche

CD19CD20CD38CD40

UnreifeB-Zelle

VDJRekombiniert

IgM wird auf derZelloberflächeexprimiert

CD19CD20CD40

VDJRekombiniert

ReifeB-Zelle

VDJRekombiniert

IgD und IgMentstehendurch alter-natives Splei-ßen der Tran-skripte fürschwere KetteCD19CD20CD21CD40

VDJRekombiniert

Ober-flächen-marker

Pro-T

CD34+CD7lo+ oder -

α,β-Keimbahn

Pro-T Prä-T

IgM

IgM

Abbildung 372e-6 Entwicklungsstadien von T- und B-Zellen. Die Einteilung der verschiedenen B-Zell-Entwicklungsstadien erfolgt anhand der Rekombination der Gene der leich-ten (L) und der schweren (H) Ketten der Immunglobuline (Ig) sowie der Expression bestimmter Oberflächenmoleküle. (Nach: JA Janeway et al [eds]: Immunbiology: The Immune Systemin Health and Disease. 4th ed, New York, Garland 1999, mit frdl. Genehmigung.)

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Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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rung virusinfizierter oder körperfremder Zellen spezialisiert, die an-dere besteht aus CD4+-T-Zellen, die die Reifung der CD8+-T-Zellenund B-Zellen unterstützen. Während solche Effektorzellen relativkurzlebig sind, entstehen im Verlauf von T-Zell-Antworten auch lang-lebige Gedächtniszellen, die man in zwei Populationen unterteilenkann. Effektor-Gedächtniszellen, die sich in nicht lymphatischen Or-ganen befinden, können sehr schnell mit Zytokinproduktion und zy-totoxischen Effektorfunktionen auf einen wiederholten Pathogenkon-takt reagieren. Zentrale Gedächtniszellen dagegen befinden sich inden lymphatischen Organen und können von dort den T-Zell-Pool,bestehend aus kurz- und langlebigen sowie Effektor-Gedächtniszellen,aufrechterhalten.CD4-positive T-Helfer-Zellen sind essenziell für die Regulation von

T- und B-Zell-Antworten sowie von Monozyten/Makrophagen. DieseRegulation erfolgt über Zell-Zell-Kontakte und Zytokine (Abb. 372e-2). Darüber hinaus regulieren T-Helfer-Zellen die Reifung von Ery-throzytenvorläufern im Knochenmark und wirken über CD40/CD40-Ligand-Interaktionen an der Aktivierung von B-Zellen und, in Kom-bination mit Zytokinen, beim Klassenwechsel mit. Es gibt nun Hin-weise darauf, dass die Kommensalen des Darmtrakts für die funktio-nelle Entwicklung des peripheren CD4+-T-Zell-Kompartiments beiKindern und Erwachsenen von Bedeutung sind.Die T-Zellen des Menschen exprimieren Oberflächenmoleküle, die

charakteristisch für bestimmte intrathymische Entwicklungsstadienoder funktionelle Subpopulationen reifer T-Zellen sind. Viele dieseMoleküle sind an der Regulation der T-Zell-Funktion beteiligt(Tab. 372e-1, Abb. 372e-6).Der früheste identifizierbare T-Zell-Vorläufer im Knochenmark ist

die CD34-positive Pro-T-Zelle, in der noch keine Rekombination derGene für die TCR-Ketten stattgefunden hat, die demzufolge daherauch nicht exprimiert werden. Nach ihrer Einwanderung in den Thy-mus beginnen diese T-Zell-Vorläufer mit der zytoplasmatischen (c)Expression von TCR-assoziierten Molekülen des CD3-Komplexes(Abb. 372e-6). Die Rekombination der Gene für den T-Zell-Rezeptor(TCR) in den T-Zell-Vorläufern führt zu zwei verschiedenen T-Zell-Populationen, die entweder einen T-Zell-Rezeptor aus einer αβ-Ketteoder aus einer γδ-Kette besitzen. T-Zellen mit einem αβ-TCR stellenden Hauptteil der T-Lymphozyten im peripheren Blut, Lymphknotenund Milz und differenzieren sich entweder in CD4-positive oderCD8-positive Zellen. T-Zellen mit einem γδ-TCR befinden sich alskleine Subpopulation im Blut und in Epithelien. Obwohl ihre Funk-tion noch nicht genau verstanden ist, wird angenommen, dass sie eineÜberwachungsfunktion an epithelialen Oberflächen wahrnehmen so-wie über die Erkennung bakterieller Lipide an der Abwehr von Myko-bakterien und anderen intrazellulären Erreger beteiligt sind.T-Zell-Rezeptoren erkennen Peptide, die an MHC-Moleküle ge-

bunden sind. Die MHC-Moleküle des Menschen sind polymorph,d. h., es existieren in der Population viele verschiedene Allele, von de-nen jeweils nur einzelne im Individuum exprimiert werden(Kap. 373e). Dieser Polymorphismus und die Tatsache, dass die Re-kombination der Gensegmente für die T-Zell-Rezeptoren zufällig er-folgt, machen es erforderlich, dass das Repertoire von T-Zell-Rezepto-ren individuell auf die vorhandenen MHC-Allele angepasst oder se-lektioniert wird. Diese Selektionsprozesse erfolgen im Thymus, woThymusepithelzellen, Makrophagen und dendritische Zellen Selbst-antigene im Kontext mit MHC-Molekülen präsentieren. Einerseitswird sichergestellt, dass die durch Rekombination entstandenen T-Zell-Rezeptoren überhaupt mit körpereigenen MHC-Molekülen in-teragieren können (positive Selektion) und andererseits werden T-Zellen mit T-Zell-Rezeptoren mit hoher Affinität für Autoantigeneeliminiert (negative Selektion). Dieser Prozess findet statt, wenn un-reife kortikale Thymozyten erstmals auf der Zelloberfläche einen T-Zell-Rezeptor exprimieren, und hat zur Folge, dass nur Thymozyten,die in der Lage sind, mit den körpereigenen MHC-Molekülen zu in-teragieren und die dabei nicht autoreaktiv sind, weiter ausreifen kön-nen. Die Elimination der autoreaktiven T-Zellen erfolgt über Apopto-se, während die T-Zellen, die nicht mit MHC-Molekülen interagierenkönnen, keine Überlebenssignale erhalten, also einen „Tod durch Ver-nachlässigung“ erleiden. Reife Thymozyten, die positiv selektioniertwurden, sind entweder CD4-positive T-Helfer-Zellen oder MHC-II-restringierte Killerzellen oder MHC-I-restringierte zytotoxische T-Zellen. MHC-Klasse-I- oder -II-Restriktion bedeutet hierbei, dass dieT-Zellen nur Peptide erkennen, die in der antigenbindenden Grubevon MHC-Klasse-I- oder -II-Molekülen gebunden sind (Kap. 373e).

Nach der Selektion und Reifung der Thymozyten verlassen dieseals CD4-positive oder CD8-positive Zelle den Thymus und besiedelndas periphere Immunsystem. Zeitlebens trägt der Thymus zur Auf-rechterhaltung des peripheren T-Zell-Pools bei, sowohl beim Gesun-den als auch bei einer Alteration, wie sie beispielsweise im Rahmeneiner HIV-Infektion oder Chemotherapie stattfindet.

Molekulare Mechanismen der AntigenerkennungDer Antigenrezeptor von T-Zellen ist ein komplexes Molekül, das ausdem antigenbindenden Heterodimer entweder aus einer αβ- oder γδ-Kette besteht, die nicht kovalent mit den fünf Untereinheiten desCD3-Komplexes (γ, δ, ε, ζ und η) assoziiert ist (Abb. 372e-7). DieCD3-ζ-Ketten sind entweder über Disulfidbrücken verbundene Ho-modimere (CD-3ζ2) oder Heterodimere aus einer ζ- und einer η-Ket-te. TCR-αβ- oder -γδ-Ketten müssen mit dem CD3-Komplex assozi-iert sein, um auf der Zelloberfläche exprimiert zu werden. Dabei wirdTCR-α mit TCR-β gepaart und TCR-γ mit TCR-δ. Der CD3-Komplexist notwendig für die Signalübertragung, während die beiden Kettendes T-Zell-Rezeptors für die Antigenerkennung verantwortlich sind.Die α-, β-, γ- und δ-Ketten des T-Zell-Rezeptors weisen Sequenzho-

mologien und strukturelle Ähnlichkeiten zu den leichten und schwe-ren Ketten von Immunglobulinen auf und sind Moleküle der Immun-globulin-Gen-Superfamilie. Die Gene für die Ketten des T-Zell-Rezep-tors (TCR) liegen als Gruppe von Gensegmenten in der Keimbahn vorund werden während der T-Zell-Entwicklung rekombiniert. Dadurchist es möglich, mit einer relativ begrenzten Anzahl von Genen eine un-geheure Vielzahl unterschiedlicher T-Zell-Rezeptoren zu generieren.Die Gensegmente für die TCR-α-Kette befinden sich auf dem Chro-mosom 14 und bestehen aus einer Reihe von V(variabel)-, J(joining)-und C(constant)-Segmenten. Der Gencluster für die TCR-β-Kette be-findet sich auf dem Chromosom 7 und besteht aus verschiedenen V-,D(diversity)-, J- und C-Segmenten. Die Gensegmente für die TCR-γund -δ-Ketten befinden sich auch auf dem Chromosom 7 beziehungs-weise auf dem Chromosom 14 inmitten des Genclusters für die TCR-α-Kette. Die T-Zell-Rezeptor-Ketten enthalten also konstante Anteile(aus C-Segmenten) und variable Anteile (aus V-, D-, J-Segmenten).Die Rekombination der jeweiligen Gensegmente und die Expressiondes rekombinierten Genproduktes finden im Thymus statt. Sowohl beiT- als auch bei B-Zell-Vorläufern sind an der Rekombination der DNSdie gleichen Enzyme, Rekombinase-aktivierendes Gen (RAG) 1 und 2(DNS-abhängige Proteinkinasen) beteiligt.Die Diversität der T-Zell-Rezeptoren entsteht durch die vielen

möglichen Kombinationen der verschiedenen V-, D- und J-Genseg-mente für eine einzelne Kette (Diversität durch Rekombination). Beider Rekombination der Gensegmente werden zur Bildung homologerEnden noch zusätzliche Nukleotide in die Verbindungstellen der Gen-segmente eingefügt (junktionale Diversität). Zusätzlich kann sich jedeentstehende TCR-α-Kette mit jeder β-Kette einem funktionellen TCRbilden (kombinatorische Diversität). Während der Reifung der T-Zel-len im Thymus wird dann das zufällig entstandene TCR-Repertoiremodifiziert, indem T-Zellen mit einer mittleren Affinität zum MHC/Selbst-Peptid proliferieren und weiter ausreifen, während T-Zellenmit einer zu geringen Affinität zum MHC durch Vernachlässigung(keine Überlebenssignale) absterben. T-Zellen mit einer hohen Affini-tät, also autoreaktive T-Zellen, werden zum größten Teil durch Apop-tose eliminiert (zentrale immunologische Toleranz).αβ-T-Zellen erkennen grundsätzlich keine nativen Proteine oder

Kohlenhydratantigene, sondern kurze (ungefähr 9–13 Aminosäurenlange) Peptidfragmente, die von Antigen-präsentierenden Zellen auf-genommen oder produziert wurden. Fremdantigene können durchEndozytose in intrazelluläre Vesikel oder durch Phagozytose auf-genommen werden und werden dort zu Peptidfragmenten abgebaut,die sich an MHC-II-Moleküle binden (exogener Weg der Antigen-Präsentation). Andere Fremdantigene entstehen direkt im Zytosol(z. B. replizierende Viren) und werden zu Peptiden abgebaut, die anMHC-Klasse-I-Moleküle binden (endogener Weg der Antigen-Prä-sentation). Die Aufgabe von Antigen-präsentierenden Zellen ist es al-so, Fremdproteine proteolytisch abzubauen und die Peptidfragmentedieser Proteine, gebunden von MHC-Molekülen, auf der Zelloberflä-che für T-Zellen zu präsentieren. Die relative schwache Bindung desTCR an MHC-II-Moleküle (HLA-DR, -DP, -DQ) wird durch die di-rekte Bindung des Korezeptors CD4 am MHC-Molekül verstärkt(Abb. 372e-7). Die gleiche Aufgabe erfüllt CD8 bei der Bindung desTCR an MHC-I-Molekülen (HLA-A, -B oder -C).

372e-19

Einführung in das Immunsystem 372e

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Antigene, die im Zytosol entstehen und für den endogenen Wegder Antigenpräsentation prozessiert werden, werden durch einen zy-tosolischen Komplex von Proteasen, der als Proteasom bezeichnetwird, abgebaut. Aus dem Proteasom kommende Peptide werden dannvom Zytosol in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums (ER)transportiert. Dieser aktive Transport erfolgt mithilfe eines heterodi-meren Komplexes, der als Transporter Associated with Antigen Pro-cessing (TAP) bezeichnet wird. Im ER assoziieren die Peptide dannmit den MHC-Klasse-I-Molekülen und gelangen dann über den Gol-gi-Apparat auf die Zelloberfläche, wo sie von CD8-positiven T-Zellenerkannt werden können.Antigene, die aus dem extrazellulären Raum über Endozytose auf-

genommen werden, gelangen in intrazelluläre Vesikel mit einem nied-rigen pH-Wert (Lysosom) und werden von Proteasen, die sich in die-sen Vesikeln befinden, zu Peptiden degradiert. Intrazelluläre Vesikel,die MHC-Klasse-II-Moleküle enthalten, fusionieren dann mit den Ly-sosomen, wodurch eine Bindung der Peptide an die MHC-Klasse-II-Moleküle ermöglicht wird. Diese werden dann zur Zelloberflächetransportiert, wo sie von CD4-positiven T-Zellen erkannt werdenkönnen (Kap. 373e).Während allgemeine Übereinstimmung darüber besteht, dass der

TCR-αβ-Rezeptor Peptidantigene in Anwesenheit von MHC-Klasse-I-oder -II-Molekülen erkennt, werden Lipide in der Zellwand intrazel-luärer Bakterien wie M. tuberculosis einer ganzen Reihe von T-Zell-Subpopulationen präsentiert (TCR-γδ-T-Zellen und eine Subpopula-tion CD8-positiver αβ-T-Zellen. Die Präsentation dieser bakteriellenLipidantigene erfolgt jedoch nicht im Kontext von klassischen MHC-Klasse-I- oder -II-Molekülen, sondern über die mit den damit ver-wandten CD1-Molekülen. Manche γδ-T-Zellen, die solche Lipidanti-gene erkennen, haben ein sehr eingeschränktes TCR-Repertoire, be-nötigen kein Antigen-Priming und stellen daher eher eine Form derangeborenen als der adaptiven Immunabwehr dar.

Körpereigene Proteine können genauso wie Fremdantigene prozes-siert und ihre Peptidfragmente im Kontext mit MHC-I oder -II- Mo-lekülen präsentiert werden. Tatsächlich gibt es im peripheren Immun-system auch T-Zellen, die diese Antigene erkennen können, aber diesesind normalerweise anerg oder tolerant, d. h., sie reagieren nicht aufdiesen Antigenkontakt, weil die Präsentation körpereigener Peptidenormalerweise nicht von einer Heraufregulation kostimulatorischerMoleküle wie B7-1 (CD80) oder B7-2 (CD86) begleitet ist (siehe un-ten).Nachdem der T-Zell-Rezeptor am Peptid/MHC-Komplex gebun-

den hat, wird diese Bindung durch die Interaktionen verschiedenerAdhäsionsmoleküle, wie CD54 mit CD11/CD18 oder CD58 mit CD2,stabilisiert. Gleichzeitig wird die Expression dieser Adhäsionsmolekü-le weiter heraufreguliert (Abb. 372e-7). Nach der Ligation des T-Zell-Rezeptors kommt es zur Bildung von Lipidmembranmikrodomänenoder Lipid Rafts in der Zellmembran der T-Zellen, die die für die Sig-naltransduktion essenziellen Moleküle enthalten. Diese Moleküle sindunter anderem der Komplex aus TCR und CD3, CD28, CD2, LAT(Linker for Activation of T Cells), intrazelluläre aktivierte (dephos-phorylierte) Protein-Tyrosinkinasen (PTK) aus der src-Familie sowiedie CD3ζ-assoziiertes-Protein-70-PTK (ZAP-70) (Abb. 372e-7).Während der T-Zell-Aktivierung entfernt sich CD45, ein Protein mitPhosphotyrosin-Phosphatase-Aktivität, vom TCR/CD3-Komplex,wodurch aktivierende Anlagerungen von Phosphatgruppen erst er-möglicht werden. Die enge räumliche Anordnung der Signalmolekülein Mikrodomänen lässt vermuten, dass sich die Interaktionen zwi-schen T-Zellen und Antigen-präsentierenden Zellen in einer immuno-logischen Synapse abspielen, ähnlich wie bei Synapsen im Nervensys-tem.Nachdem die Bindung zwischen T-Zell-Rezeptor (TCR) und MHC

stabilisiert ist, werden Aktivierungssignale in den Zellkern übertra-gen, was dort zur Expression einer Reihe von Genen führt, die für das

Phosphatidyl-Inositol-(4,5)-bisphosphat

Lipid-Raft

APZ

CD3 TZR

β α

Inositol-(1,4,5)-trisphosphat

DAG

PKC RASGRP

Aktivierung von Effektormolekülenwie NFκB, AP1 und NFAT,die dann zur Transkription spezi-fischer Gene und zur Zelldifferen-zierung und -proliferation führen

Kalziumfreisetzung, Translokationvon NFAT in den Zellkern Z

AP

70

Integrin-Aktivierung

MAPK-Aktivierung

Reorganisationdes Zytoskeletts

RAS

SOS

GR

B2 LA

T

PLCγ

GADS

HPK1

NCK

ADAP

ITK

LCK

VAV1

LFA

-1

CD

2

CD

28B

7-1

LFA

-3

ICA

M-1

Abbildung 372e-7 Signaltransduktion des T-Zell-Rezeptors. Die Aktivierungssignale werden über Immunoreceptor-Tyrosine-based-Activation-motif(ITAM)-Sequenzen vermittelt,die sich an den Ketten des CD3-Komplexes und LAT befinden. Diese binden und aktivieren dann Enzyme, die über die dargestellten intrazellulären Signalwege die Signale in denZellkern weiterleiten. Die Ligation des TCR durch MHC-Peptid-Komplexe führt zu einer sequenziellen Aktivierung der ζ-assoziierten Proteinkinase (ZAP-70). ZAP-70 phosphoryliertverschiedene Zielproteine, darunter LAT (Linker for Activation of T Cells) und SLP76 (src Homology 2 (SH2) Domain-containing Leukocyte Protein mit einem Molekulargewicht von76 kDa). SLP76 bindet an membranständiges LAT über seine konstitutive Interaktion mit GADS (GRB2-related Adaptor Protein). SLP76 und LAT bilden gemeinsam den Kern einesMultimolekül-Komplexes, der eine Reihe intrazellulärer Prozesse wie Kalzium-Flux, MAPK(Mitogen Activated Protein Kinase)-Aktivierung, Integrinaktivierung und zytoskelettale Reorgani-sation induziert. ADAP = Adhesion- and Degranulation-promoting Adaptor Protein; AP1 = Activator Protein 1; DAG = Diacylgycerol; GRB2 = Growth-Factor-Receptor-bound Protein 2;HPK1 = Hematopoetic Progenitor Kinase 1; ITK = Interleukin-2-inducible T Cell Kinase; NCK = Non-catalytic Regions of Tyrosine Kinase; NFκB = nukleärer Faktor κB; PKC = Pro-teinkinase C; PLC = Phospholipase C; RASGRP = RAS Guanyl Releasing Protein; SOS = Son of Sevenless Homologue. (Nach GA Koretzky, F Abtahaian, M Silverman. Nat Rev Immunol6:67, 2006, mit frdl. Genehmigung von McMillan Publishers.)

372e-20

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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breite Spektrum von T-Zell-Funktionen notwendig sind. Ein Beispieldafür ist die Produktion von IL-2. Der TCR selbst kann keine Signaleins Innere der Zelle weiterleiten, diese Signaltransduktion erfolgt überdie so genannten ITAMs (Immunoreceptor Tyrosine-based ActivationMotif) an den verschiedenen Ketten des CD3-Komplexes. Diese phos-phorylierten ITAMs können dann verschiedene so genannte Adaptor-proteine binden und aktivieren, die dann die weitere Signaltransduk-tion in Gang setzen. Die Bindung des Peptid/MHC-Komplexes anden TCR induziert die Aktivierung src-Tyrosinkinasen fyn und lck(lck ist mit CD4- oder CD8-Korezeptoren assoziiert) zur Phosphory-lierung der CD3ζ-Kette und zur Aktivierung der TyrosinkinasenZAP-70 und syk. Die distale Signaltransduktion erfolgt über den Kal-zium-abhängigen Kalzineurinweg, den ras-Weg und den Proteinkina-se-C-Weg. Jeder dieser Signaltransduktionswege führt zur Aktivie-rung einer spezifischen Familie von Transkriptionsfaktoren (beispiels-weise NF-AT, fos und jun sowie rel/NF-κB), die dann wiederum dieTranskription von IL-2, des IL-2-Rezeptors, IL-4, TNF-α und andererT-Zell-Mediatoren in Gang setzen.Zusätzlich zu den Signalen über den TCR/CD3-Komplex und CD4

oder CD8 benötigen T-Zellen so genannte kostimulatorische Signaleüber die Interaktion von CD28 mit B7-1 (CD80) oder B7-2 (CD86)auf Antigen-präsentierenden Zellen. Weitere kostimulatorische Sig-nale werden über ICOS (Inducible Co-stimulator) vermittelt. EineAntigenerkennung durch T-Zellen in Abwesenheit dieser kostimula-torischen Signale führt nicht zur Aktivierung der T-Zelle, sondernzur Induktion von Anergie (siehe unten „Immuntoleranz und Auto-immunität“). CTLA-4 (CD152) bindet wie CD28 an CD80 undCD86, jedoch mit deutlich höherer Affinität. Außerdem sendetCTLA-4 im Gegensatz zum CD28 inhibitorische Signale an T-Zellenim Sinne eines Aus-Schalters.

T-Zell-Erschöpfung bei viralen Infektionen und MalignomenBei chronischen viralen Infektionen wie HIV-1 und Hepatitis B undC sowie bei Tumoren wird die Funktion der T-Zellen durch eine per-manente Präsenz des Antigens gestört. Hieraus resultieren Störungenin der T-Zell-Antwort. Dieses Phänomen wurde als T-Zell-Erschöp-fung definiert und ist verknüpft mit der Expression des T-Zell-ver-mittelten programmed cell-death protein-1 (PD-1; CD279). Erschöpf-te T-Zellen haben eine geringere Proliferationsrate und verlieren dieFähigkeit, Effektormoleküle wie IL-2, TNF-α und INF-γ zu produzie-ren. PD-1 reguliert die T-Zell-Antwort herunter und wird wesentlichfür die T-Zell-Erschöpfung verantwortlich gemacht. Aus diesemGrund wird die Hemmung der T-Zell-PD-1-Aktivität zur Verbes-serung der T-Zell-Funktion als immunologische Therapieoption so-wohl bei Virusinfektionen als auch bei Tumoren erforscht. NeuereStudien haben deutliche Erfolge der Checkpoint-Inhibitoren z. B. beiPatienten mit malignem Melanom gezeigt.

T-Zell-SuperantigeneKonventionelle Antigene sind in der antigenbindenden Grube derMHC-Moleküle gebunden und werden über die variablen Anteile bei-der Ketten des T-Zell-Rezeptors erkannt. Superantigene hingegen bin-den an den lateralen Anteil des V-Segmentes der TCR-β-Kette sowiean der β-Kette des MHC-Klasse-II-Moleküls. Diese Bindung erfolgtalso unabhängig von den verwendeten Vα- oder D- und/oder J-Ge-nen. Superantigene sind Proteine, die in der Lage sind, bis zu 20 %der T-Zellen gleichzeitig zu aktivieren, während konventionelle Anti-gene weniger als eine von 10.000 T-Zellen aktivieren. T-Zell-Superan-tigene sind beispielsweise Staphylokken-Enterotoxine und anderebakterielle Produkte. Beim durch Staphylokokken ausgelösten toxi-schen Schocksyndrom kommt es durch die Freisetzung von Superan-tigenen zu einer massiven T-Zell-Aktivierung, deren Zytokine dannwiederum zu Hypotension und Schock führen (Kap. 172).

& B-ZELLENReife B-Zellen machen beim Gesunden etwa 10–15 % der Lymphozy-ten des peripheren Blutes, 20–30 % der Lymphknotenzellen, 50 % derMilzzellen und ungefähr 10 % der Zellen des Knochenmarks aus. B-Zellen exprimieren auf ihrer Oberfläche membrangebundenes Im-munglobulin (surface Ig, sIg), das zusammen mit invarianten Igα-und -β-Ketten den Antigenrezeptor der B-Lymphozyten bildet (B-Zell-Rezeptor, BZR), dessen Eigenschaften mit dem T-Zell-Rezeptorvergleichbar sind (Abb. 372e-8). Im Gegensatz zu T-Zellen, die nurprozessierte Antigene in Form von Peptidfragmenten, gebunden an

MHC-I- oder -II-Moleküle auf Antigen-präsentierenden Zellen, er-kennen, sind B-Zellen in der Lage, native unprozessierte Antigeneüber ihren Antigenrezeptor zu erkennen, und können so aktiviertwerden. B-Zellen exprimieren auch Oberflächenrezeptoren für denFc-Teil von IgG, so genannte Fc-Rezeptoren (z. B. CD32) und Rezep-toren für aktivierte Komplementproteine (C3d oder CD21 bzw. C3boder CD35). Die Hauptfunktion von B-Zellen ist die Produktion vonAntikörpern. B-Zellen können aber effizient Antigene prozessierenund dienen auch als Antigen-präsentierende Zellen. Die Funktion alsAntigen-präsentierende Zellen wird von verschiedenen Zytokinen ver-stärkt. Reife B-Zellen entstehen während des gesamten Lebens ausVorläuferzellen im Knochenmark (Abb. 372e-6).Die B-Zell-Entwicklung kann in eine antigenunabhängige und in

eine antigenabhängige Phase unterteilt werden. Die antigenunabhän-gige Phase findet in den primären lymphatischen Organen statt undumfasst alle Stufen der Entwicklung bis hin zur sIg-positiven reifenB-Zelle. Die antigenabhängige Phase beginnt mit der Bindung desAntigens am sIg und führt zur Bildung von Gedächtnis-B-Zellen,zum Ig-Klassen-Switch und zur Bildung von Plasmazellen. Die anti-genabhängige B-Zell-Reifung findet in den sekundären lymphati-schen Organen, u. a. also in Lymphknoten, Milz und Peyer-Plaques,statt. Im Gegensatz zu T-Zellen, bei denen das TCR-Repertoire bereitsim Thymus ohne Kontakt zu Fremdantigen festgelegt wird, kann dasRepertoire an B-Zell-Rezeptoren nach Antigenkontakt durch eineVeränderung der Ig-Gene noch modifiziert werden. Dieser Prozesswird als somatische Hypermutation bezeichnet und findet in denKeimzentren der Lymphknoten statt.Die antigenbindende Region von Immunglobulinen wird während

der Entwicklung der B-Zellen durch Rekombination einzelner Gen-segmente, ähnlich wie bei den α-, β-, γ- und δ-Ketten der T-Zell-Re-zeptoren, gebildet. Bei der schweren Kette findet zuerst die Rekom-bination eines D-Segmentes an ein J-Segment statt und im zweitenSchritt die Umlagerung des neugebildeten DJ-Segmentes an ein V-Segment. Das C-Segment wird als letztes an das VDJ-Segment ange-lagert, wodurch ein funktionelles Ig-Schwerketten-Gen, bestehend ausV-D-J-C-Segmenten, entsteht. Später kommt es zur Bildung funktio-neller leichter Ketten (κ oder λ) durch Rekombination eines V- an einJ-Segment, wodurch letztendlich ein intaktes Ig-Molekül, bestehendaus leichten und schweren Ketten, entstehen kann.Dieser Rekombinationsprozess ist so reguliert, das jede B-Zelle nur

Antikörper einer Spezifität, bestehend aus jeweils einem Typ leichterund schwerer Ketten, produzieren kann. Obwohl jede B-Zelle je zweiKopien der Gene für die leichten und schweren Ketten besitzt, kommtes nur bei jeweils einer zu einer produktiven Rekombination und Ex-pression. Dieser Prozess wird als allelische Exklusion bezeichnet.Es gibt ca. 300 Vκ- und 5 Jκ-Gene, sodass insgesamt mehr als 1500

Kombinationsmöglichkeiten für κ-Leichtketten existieren. Ferner gibtes etwa 70 Vλ- und 4 Jλ-Gene für mehr als 280 Kombinationen für λ-Leichtketten. Die Anzahl der verschiedenen κ-Leichtketten kanndurch somatische Mutationen in den Vκ- und Jκ-Segmenten noch er-höht werden, sodass aus einer relativ begrenzten Anzahl genetischerInformation eine große Menge unterschiedlicher Rezeptoren entste-hen kann. Da die schweren Ketten aus 3 Segmenten bestehen, die mit-einander rekombiniert werden (VH, DH und JH, siehe oben), ist hierdie Anzahl der verschiedenen Kombinationen und damit die Diver-sität der variablen Region der schweren Ketten noch größer als beiden leichten Ketten.Sehr unreife B-Zell-Vorläufer (frühe Pro-B-Zellen) exprimieren we-

der zytosolisches (cIg) noch oberflächengebundenes (sIg) Immunglo-bulin (Abb. 372e-6). Die große Prä-B-Zelle beginnt mit der Expressi-on eines Prä-B-Zell-Rezeptors, der aus einer μ-Schwerkette (HeavyChain, H) und einer Prä-B-Leichtkette (Light Chain, LC), die als ψLCbezeichnet wird, besteht. Die ψLC ist eine Surrogat-Leichkette, für diedie nicht rekombinierten V-prä-B- und λ5-Leichtketten-Loci kodie-ren. Über Signale aus den Stromazellen des Knochenmarks, vor allemIL-7, werden Pro- und Prä-B-Zellen zur Proliferation und Reifung an-geregt. Die Rekombination der leichten Kette erfolgt im Stadium derkleinen Prä-B-Zelle, sodass der komplette B-Zell-Rezeptor in Formvon sIgM bereits von unreifen B-Zellen exprimiert wird. Wenn sichdie unreifen B-Zellen zu reifen B-Zellen weiterentwickeln, kommt esneben der Expression von sIgM auch zur Expression von sIgD. Damitist die Entwicklung der B-Zellen im Knochenmark abgeschlossen undsie wandern über die periphere Zirkulation in die sekundär-lymphati-schen Organe ein.

372e-21

Einführung in das Immunsystem 372e

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Durch die zufällig ablaufende Rekombination der Immunglobulin-Gene können autoreaktive Antikörper entstehen. Um dies zu verhin-dern, existieren verschiedene Kontrollmechanismen. Einer dieser Me-chanismen ist das BZR-Editing, bei dem autoreaktive B-Zell-Rezepto-ren (BZR) so mutiert werden, dass sie nicht mehr mit Autoantigenenreagieren können. Falls durch diesen Mechanismus der autoreaktiveBZR nicht erfolgreich eliminiert werden konnte, kommt es durchKontakt der B-Zelle zu dem von ihr erkannten Autoantigen im Kno-chenmark zur negativen Selektion, also der Induktion von Apoptose.Nachdem sie das Knochenmark verlassen haben, besiedeln die B-

Zellen die B-Zell-Areale in Milz und Lymphknoten, wo sie auf denKontakt zu dem über ihren klonotypischen B-Zell-Rezeptor erkann-ten Antigen warten. Die Aktivierung der B-Zellen erfolgt über dieBindung von Antigenen an diesen Rezeptor und resultiert in einemProzess, der als somatische Hypermutation bezeichnet wird. Bei dersomatischen Hypermutation kommt es durch die Einführung vonPunktmutationen in die bereits rekombinierten Schwer- und Leicht-ketten-Gene zur Bildung veränderter Immunglobuline, von denen ei-nige das Antigen besser binden können als das originale Ig-Molekül.Diese Zellen besitzen dann einen Überlebensvorteil, sodass durch diesomatische Hypermutation Gedächtnis-B-Zellen mit einer höherenAffinität zum Antigen entstehen. Der Prozess der Bildung affinererAntikörper durch die somatische Hypermutation wird auch als Affini-tätsreifung von Antikörpern bezeichnet.B-Lymphozyten, die IgG, IgA oder IgE produzieren, entstehen alle

aus reifen B-Zellen, die ursprünglich sIgM- und sIgD-positiv waren.Der Wechsel von Immunglobulinklasse oder -isotyp erfolgt in denKeimzentren der Lymphknoten oder anderen sekundären lymphati-schen Organen. CD40, das von B-Zellen exprimiert wird, und CD40-Ligand (CD154) auf aktivierten T-Zellen sind ein wichtiges Rezeptor-Liganden-Paar für den Isotypenwechsel. Die Interaktion von CD40/CD154 durch direkten Kontakt der B-Zellen mit den T-Zellen sowieT-Zell-Zytokine wie IL-4 oder TGF-β steuern den Isotypenwechsel.Andere Zytokine wie IL-1, -2, -4, -5 und -6 wirken synergistisch an

der Proliferation und Differenzierung der B-Zellen zu Ig-produzieren-den Zellen mit.

& LÖSLICHE MEDIATOREN DER ADAPTIVEN IMMUNITÄT:IMMUNGLOBULINE

Immunglobuline werden von ausdifferenzierten B-Zellen produziertund bilden den humoralen Arm der adaptiven Immunität. DieHauptfunktion der Antikörper ist es, spezifisch an Antigene zu bin-den und damit beispielsweise Toxine, Mikroorganismen, Parasitenoder andere Fremdantigene zu neutralisieren oder zu eliminieren.Das Verständnis der strukturellen Basis der Funktion von Immunglo-bulinen und der Organisation der Ig-Gene gibt einen Einblick in dieRolle von Antikörpern bei normalen protektiven Immunantwortensowie bei Immunpathologie, die durch Immunkomplexe oder Auto-antikörper verursacht werden können.Alle Immunglobuline bestehen aus je zwei leichten und zwei schwe-

ren Ketten (Abb. 372e-8). Der jeweilige Isotyp (IgG, IgM, IgA, IgD,IgE) wird durch die Art der schweren Kette festgelegt. IgG und IgAkönnen anhand struktureller Unterschiede in den schweren Kettenweiterhin in Subklassen (IgG1, IgG2, IgG3, IgG4 und IgA1 und A2)unterteilt werden. Die Eigenschaften der verschiedenen Immunglobu-lin-Isotypen sind in Tabelle 372e-12 dargestellt. Die vier Ketten vonAntikörpern sind durch Disulfidbrücken kovalent miteinander ver-bunden. Jede Kette besteht aus einer V- und einer unterschiedlichenAnzahl C-Regionen (auch als Domänen bezeichnet) die jeweils ausetwa 110 Aminosäuren bestehen. Leichte Ketten besitzen eine variable(VL) und eine konstante (CL) Region, während schwere Ketten aus ei-ner variablen (VH) und drei bis vier konstanten (CH) Regionen beste-hen. Wie bereits aus dem Namen ersichtlich, besitzen die konstantenoder C-Regionen die gleiche Primärstruktur, also homologe Sequen-zen, die bei allen anderen Immunglobulinen des gleichen Isotyps undder gleichen Subklasse gleich sind. Die konstanten Regionen bestim-men die biologische Funktion der jeweiligen Antikörper. So sind dieCH2-Domäne von IgG und die CH4-Domäne von IgM für die Bindung

Fab-Region

Schwere Kette

Leichte Kette

BZR

SLP

65

Kalzium-freisetzung

Aktivierungvon Effektor-molekülen

Igβ

Igα Phosphatidyl-Inositol-(4,5)-bisphosphat

Inositol-(1,4,5)-trisphosphat

a

b

MAPK-Aktivierung

Reorganisationdes Zytoskeletts

B

RAS

PLCγNCK

VAV1

LYN

SOS

GR

B2

DAG

PKCβRASGRP

BTK

SYK

Abbildung 372e-8 Die Aktivierung des B-Zell-Rezeptors (BZR) führt zur sequenziellen Aktivierung von Protein-Tyrosinkinasen, die zur Bildung eines Signaling-Komplexes und zurAktivierung von Effektor-Signalwegen führen. Während SLP76 über GADS und LAT zur Membran rekrutiert wird, ist der Mechanismus der Rekrutierung von SLP65 unklar. Es werdenzwei Mechanismen vermutet: (1) eine direkte Bindung der SH2-Domäne des SLP76-Moleküls am Immunglobulin des B-Zell-Rezeptor-Komplexes oder (2) über einen amino-terminalenLeuzin-Zipper im SLP65 und einen unbekannten Bindungspartner. BTK = Bruton’s Tyrosine Kinase; DAG = Diacylgycerol; GRB2 = Growth-Factor-Receptor-bound Protein 2; NCK =Non-catalytic Regions of Tyrosine Kinase; PKC = Proteinkinase C; PLC = Phospholipase C; RASGRP = RAS Guanyl Releasing Protein; SOS = Son of Sevenless Homologue; SYK =Spleen Tyrosine Kinase. (Nach GA Koretzky, F Abtahaian, M Silverman, Nat Rev Immunol 6:67, 2006, mit frdl. Genehmigung.)

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Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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von C1q, einem Bestandteil des C1-Makromoleküles während derKomplementaktivierung verantwortlich. Die CH-Region am Carboxy-terminalen Ende des IgG-Moleküls wird auch als Fc-Teil bezeichnetund vermittelt die Bindung von IgG an Fc-Rezeptoren (CD16, CD32,CD64) auf der Zelloberfläche von Makrophagen, dendritischen Zel-len, NK-Zellen, B-Zellen sowie neutrophilen und eosinophilen Gra-nulozyten. Die Fc-Anteile der IgA binden an FcαR (CD23).Die variablen Regionen (VL und VH) bilden gemeinsam die anti-

genbindende Region (Fab) von Ig-Molekülen. In den VL- und denVH-Regionen befinden sich hypervariable Regionen, die eine extremeSequenzvariabilität aufweisen und die die für jeden Antikörper ein-zigartige Struktur bilden, über die das Antigen gebunden wird. AlsIdiotyp eines Antikörpers wird die spezifische Region des Fab-Teilsbezeichnet, an die das Antigen bindet. Antikörper, die gegen diesenIdiotyp eines Antikörpers gerichtet sind, werden als Anti-Idiotyp-An-tikörper bezeichnet. Die Bildung solcher Antikörper in vivo kann ne-gativ regulierend auf normale B-Zell-Antworten wirken und die Anti-körperproduktion beenden.Etwa 75–85 % des Serumimmunglobulins bestehen aus IgG. Die

vier Subklassen werden entsprechend der Menge der jeweiligen Sub-klasse im Serum nummeriert; IgG1 stellt den größten Anteil undIgG4 den kleinsten. Die IgG-Subklassen besitzen klinische Relevanzaufgrund ihrer unterschiedlichen Fähigkeit zur Bindung an Fc-Rezep-toren von Makrophagen und Neutrophilen und zur Komplement-aktivierung (Tab. 372e-12). Ein selektiver Mangel an bestimmtenIgG-Subklassen ist die Ursache bestimmter klinischer Syndrome, beidenen Patienten eine gesteigerte Suszeptibilität gegenüber bestimmtenbakteriellen Infektionen aufweisen. IgG-Antikörper sind häufig dervorherrschende Isotyp, der bei einem sekundären Kontakt mit demAntigen produziert wird (sekundäre Antikörper-Antwort).IgM-Antikörper findet man im Serum normalerweise als 950 kDa

großes Pentamer, das aus 160 kDa großen bivalenten Monomeren be-steht. Diese werden durch die so genannte J-Kette, ein 15 kDa großesMolekül, das nicht zur Immunglobulinfamilie gehört, verbunden. DieJ-Kette ist auch für die Polymerisation von IgA-Molekülen verant-wortlich. IgM kann bereits von Neugeborenen gebildet werden undist generell das erste Immunglobulin, das während einer primärenImmunantwort produziert wird. Membrangebundenes IgM in mono-merer Form ist der hauptsächliche Antigenrezeptor auf der Oberflä-

che reifer B-Zellen (Tab. 372e-12). IgM ist eine wichtige Komponentevon Immunkomplexen, die bei verschiedenen Autoimmunerkrankun-gen auftreten. So findet man IgM-Antikörper gegen IgG-Moleküle(Rheumafaktor) in hohen Titern bei der rheumatoiden Arthritis, Kol-lagenosen und einigen Infektionskrankheiten (subakute bakterielleEndokarditis).IgA macht nur 7–15 % des Serumimmunglobulins aus und wird

vorwiegend auf Körperoberflächen sezerniert. IgA ist in Tränenflüs-sigkeit, Speichel, Nasensekret, Sekreten der Schleimhaut des Gastroin-testinaltrakts sowie Muttermilch als sekretorisches IgA (sIgA) enthal-ten. sIgA ist ein Polymer, bestehend aus 2 IgA-Monomeren, die durcheine J-Kette miteinander verbunden sind, und einem Glykoprotein,das als sekretorisches Protein bezeichnet wird. Die Verteilung derIgA-Subklassen ist etwas unterschiedlich: IgA1 findet sich vorwiegendim Serum, während IgA2 vorwiegend sezerniert wird. IgA kann dieKomplementkaskade über den alternativen Weg aktivieren und hatantivirale Aktivität, indem es die Virusbindung an Epithelzellen desRespirations- und Gastrointestinaltrakts verhindert.IgD findet man nur in geringen Mengen im Serum. Hauptsächlich

kommt es, zusammen mit IgM, als Antigenrezeptor auf B-Zellen vor.IgE, das im Serum nur in geringer Konzentration vorkommt, dienthauptsächlich zur Beladung von Fc-Rezeptoren von Mastzellen undBasophilen. Ein Cross-Linking der an die Fc-Rezeptoren gebundenenIgE-Moleküle führt zur Mediatorenfreisetzung aus diesen Zellen unddamit zur Überempfindlichkeitsreaktion vom Soforttyp (Tab. 372e-12).

ZELLULÄRE INTERAKTIONEN BEI DER REGULATION VON IMMUNANTWORTENDie Folge einer Aktivierung des humoralen (B-Zellen) und zellulären(T-Zellen) Armes des adaptiven Immunsystems ist die Beseitigungdes Antigens entweder durch spezifische Effektor-T-Zellen allein odergemeinsam mit Antikörpern. In Abbildung 372e-2 sind die wesentli-chen Interaktionen von T- und B-Zellen miteinander sowie mit ande-ren Immunzellen vereinfacht in einem Schema dargestellt.Letztlich ist die Aktivierung des adaptiven Immunsystems die Folge

einer komplexen Serie von immunregulatorischen Ereignissen, die inbestimmten Phasen verlaufen. Sowohl T- als auch B-Zellen sind Ef-fektorzellen der adaptiven Immunität, die, nachdem sie entsprechen-

TABELLE 372e-12 Physikalische, chemische und biologische Eigenschaften von menschlichen Immunglobulinen

Eigenschaft IgG IgA IgM IgD IgE

Gewöhnliche molekulare Form Monomer Monomer, dimer Pentamer, hexamer Monomer Monomer

Andere Ketten Keine J-Ketten, SC J-Kette Keine Keine

Subklassen G1, G2, G3, G4 A1, A2 Keine Keine Keine

Schwere Ketten-Allotypen Gm (= 30) Keine A1, A2m (2) Keine Keine Keine

Molekularmasse, kDa 150 160, 400 950, 1150 175 190

Sedimentationskonstante, Sw20 6,6S 7S, 11S 19S 7S 8S

Kohlenhydratanteil, % 3 7 10 9 13

Serumspiegel eines durchschnittlichen Er-wachsenen, mg/ml

9,5–12,5 1,5–2,6 0,7–1,7 0,04 0,0003

Prozentualer Anteil des gesamten Serum-Ig 75–85 7–15 5–10 0,3 0,019

Serumhalbwertszeit, Tage 23 6 5 3 2,5

Syntheserate, mg/kg/d 33 65 7 0,4 0,016

Antikörpervalenz 2 2,4 10,12 2 2

Klassische Komplementaktivierung +(G1, 2?, 3) – ++ – –

Alternative Komplementaktivierung +(G4) + – + –

Fc-bindende Zellen Makrophagen, Neutro-phile, große granuläreLymphozyten

Lymphozyten Lymphozyten Keine Mastzellen, Basophile,B-Zellen

Biologische Eigenschaften Plazentatransfer, se-kundärer Antikörper fürdie meisten antipatho-genen Antworten

Sekretorisches Immun-globulin

Primäre Antikörper-antwort

Marker für reifeB-Zellen

Allergie, antiparasitäreReaktion

Quelle: Nach L Carayannopoulos und JD Capra, in WE Paul (Hrsg.): Fundamental Immunology, 3rd ed., New York, Raven, 1993, mit frdl. Genehmigung.

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Einführung in das Immunsystem 372e

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de Stimuli erhalten haben, verschiedene Phasen durchlaufen. DiesePhasen umfassen Aktivierung und Induktion, Proliferation und Diffe-renzierung und schließlich die Effektorfunktionen. Die Effektorfunk-tion kann entweder ein direkter Effektormechanismus, wie beispiels-weise die Produktion von Antikörpern durch differenzierte Plasma-zellen, oder ein regulierender Mechanismus sein, der die Funktionenanderer Zellen moduliert, wie CD4-positive und CD8-positive T-Lymphozyten, welche die Aktivierung und Differenzierung von B-Zellen und zytotoxischen T-Zellen steuern.CD4-positive T-Helfer-Zellen werden anhand der Zytokine, die von

ihnen produziert werden, in verschiedene Subpopulationen eingeteilt(Abb. 372e-2): Aktivierte TH1-Zellen sezernieren IL-2, IFN-γ, IL-3,TNF-α, GM-CSF und TNF-β, während aktivierte TH2-Zellen IL-3, -4,-5, -6, -10 und -13 produzieren. TH1-Zellen spielen über die Sekretionvon IFN-γ eine zentrale Rolle bei der Elimination intrazellulärer Erre-ger. Sie helfen auch bei der Differenzierung zytotoxischer T-Zellenund bei der Produktion bestimmter opsonierender Antikörper undsind wesentlich an Hypersensitivitätsreaktionen vom verzögerten Typ(DTH) beteiligt, die beispielsweise an der Abwehr von intrazellulärenErregern wie HIV oder Mycobacterium tuberculosis beteiligt sind. ImGegensatz dazu sind TH2-Zellen besonders wichtig für die Regulationhumoraler Immunantworten und den Klassenwechsel. Durch die Pro-duktion von IL-4 und IL-10 können TH2-Zellen auch der Differenzie-rung und der proinflammatorischen Funktion von TH1 entgegenwir-ken (Abb. 372e-2). Zusätzlich helfen sie B-Zellen bei der Produktionspezifischer Antikörper. Sie sind daher besonders wichtig für Immun-antworten gegen Antigene, zu deren Elimination hohe Antikörper-titer benötigt werden. Solche Erreger sind häufig verkapselte extrazel-luläre Erreger wie Streptococcus pneumoniae oder bestimmte Parasi-ten. Vor kurzem wurde eine neue Untergruppe der TH-Familie be-schrieben, die TH17-Zellen, die Zytokine wie IL-17, -22 und anderesezernieren. TH17-Zellen sind an der Pathogenese von Autoimmun-krankheiten beteiligt und verteidigen den Körper vor allem gegenmukosale Infektionen mit extrazellulären Bakterien und Pilzen(Abb. 372e-3). Insgesamt wird die Art der entstehenden Immunant-wort somit reguliert über: die Art der Pathogen-associated MolecularPatterns der Erreger beziehungsweise über die Toll-like-Rezeptoren,die von ihnen aktiviert werden; die Art der aktivierten dendritischenZellen und die produzierten Zytokine (Tab. 372e-4). Im Allgemeinenproduzieren myeloide dendritische Zellen IL-12 und induzieren TH1-Antworten, die dann in der Produktion von IFN-γ und der Aktivie-rung von zytotoxischen T-Zellen münden. Die Aktivierung von plas-mazytoiden dendritischen Zellen führt über die Bildung von IFN-αzu einer TH2-Antwort, die mit einer verstärkten IL-4-Produktion undAntikörperantwort einhergeht.Wie in Abbildung 372e-2 und Abbildung 372e-3 dargestellt, pro-

duzieren T-Zellen nach ihrer Aktivierung durch dendritische Zellenentweder IL-2, IL-3, IFN-γ oder IL-4, -5, -6 und können so Effektor-T- und B-Zellen positiv und negativ beeinflussen. B-Zell-Antwortenwerden von zahlreichen Zytokinen reguliert (z. B. IL-3, -4, -5, -6), dieauf den unterschiedlichen Entwicklungsstadien die Ausreifung, dieProliferation und damit letztendlich die Antikörperproduktion beein-flussen. Faktoren, über die zytotoxische T-Zellen moduliert werden,sind unter anderem IL-2, IFN-γ und IL-12.Ein wichtiger Typ immunmodulatorischer T-Zellen, die Immun-

antworten kontrollieren sind CD4-positive und CD8-positive regulato-rische T-Zellen. Diese Zellen exprimieren konstitutiv die α-Kette desIL-2-Rezeptors (CD25), produzieren große Mengen IL-10 und kön-nen sowohl T- als auch B-Zell-Antworten unterdrücken. Regulatori-sche T-Zellen können durch immature dendritische Zellen induziertwerden und spielen eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung derimmunologischen Toleranz gegenüber Selbstantigenen in der Peri-pherie. Eine verringerte Anzahl regulatorischer T-Zellen kann beiMäusen unter bestimmten Umständen die Ursache für organspezi-fische Autoimmunerkrankungen wie Thyreoiditis, Adrenalitis undOophoritis sein (siehe auch Abschnitt „Immunologische Toleranzund Autoimmunität“). Regulatorische T-Zellen spielen auch eineSchlüsselrolle bei der Kontrolle der Intensität und der Dauer von Im-munantworten gegen Pathogene. Normalerweise werden regulatori-sche T-Zellen aktiviert, nachdem die intitale Immunantwort die Erre-ger beseitigt hat, um die Immunantwort zu beenden und Gewe-beschäden zu verhindern. Einige Mikroorganismen haben sich so an-gepasst, dass sie in der Lage sind, am Ort der Infektion regulatorischeT-Zellen zu aktivieren, um ihr Überleben zu sichern. Bei Infektionen

mit Leishmanien kommt es beispielsweise zur Akkumulation regula-torischer T-Zellen am Infektionort in der Haut, die die gegen dieLeishmanien gerichtete Immunantwort abschwächen und somit füreine Persistenz der Erreger sorgen. Es ist anzunehmen, das viele chro-nische Infektionen, wie beispielsweise mit M. tuberculosis, mit einersolchen Aktivität von regulatorischen T-Zellen assoziiert sind, die dieElimination der Erreger verhindern.Obwohl B-Zellen native Antigene über ihren B-Zell-Rezeptor er-

kennen können, benötigen sie zur Produktion hochaffiner Antikörperverschiedener Isotypen, die am effektivsten Fremdantigene eliminie-ren können, Hilfe durch T-Zellen. Diese T-Zell-Abhängigkeit ist einwichtiger Regulationsmechanismus für humorale Immunantwortenund verhindert die Bildung von Autoantikörpern. Für eine effektiveT-B-Zell-Interaktion, die zu einer Produktion hochaffiner Antikörperführt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: (1) Die B-Zellenerkennen das Antigen über ihren B-Zell-Rezeptor, nehmen es auf,prozessieren es und präsentieren es in Form von Peptidfragmentenfür die Erkennung durch T-Zellen. (2) T-Zellen erkennen das Antigenund aktivieren B-Zellen über CD40/CD40-Ligand-Interaktionen, wo-durch es (3) zur Induktion des Isotyp-Switches in den Antigen-spezi-fischen B-Zellen und (4) zur somatischen Hypermutation der Ig-Geneund damit zur Affinitätsreifung der Antikörper in den Keimzentrenin Lymphknoten und Milzen kommt.Naive B-Zellen exprimieren IgM und IgD und der initiale Kontakt

zum Antigen erfolgt über oberflächengebundenes IgM. T-Zell-Zytoki-ne, freigesetzt durch einen direkten Kontakt einer TH2-Zelle mit einerB-Zelle oder als „Bystander-Effekt“, induzieren konformationelle Ver-änderungen der Ig-Gene, die die Rekombination dieser Gene fördern.Dies führt zu einer Veränderung oder „Switching“ der Expression derExons für den konstanten Anteil der schweren Kette und damit zurProduktion von IgG, IgA oder auch IgE mit der identischen Spezifitätder V-Region wie der originale IgM-Antikörper. Diese Antikörpersind besser geeignet zur Abwehr von extrazellulären Bakterien, Pro-tozoen und Helminthen. Die Expression von CD40-Ligand durch ak-tivierte T-Zellen ist essenziell für die Induktion des Klassenwechselsund für die Stimulierbarkeit von B-Zellen durch Zytokine. Patientenmit Mutationen im CD40-Liganden auf T-Zellen oder im CD40 selbstsind nicht zum Klassenwechsel und zur Bildung von Memory-B-Zel-len in der Lage. Dieses Immunmangelsyndrom wird als Hyper-IgM-Syndrom bezeichnet (Kap. 374).

IMMUNOLOGISCHE TOLERANZ UND AUTOIMMUNITÄTAls immunologische Toleranz wird die Abwesenheit pathogener Au-toreaktivität bezeichnet. Als Autoimmunerkrankungen werden Syn-drome bezeichnet, die durch eine Aktivierung von T- und/oder B-Zel-len in Abwesenheit von Infektionen oder maligner Erkrankungenhervorgerufen werden (Kap. 377e). Während man früher angenom-men hat, dass sich immunologische Toleranz und Autoimmunität ge-genseitig ausschließen, wird zunehmend klar, dass beide Zustände imnormalen Immunsystem gleichzeitig vorkommen und die jeweiligenExtremzustände darstellen. So weiß man, dass ein geringes Maß anAutoreaktivität von T- und B-Zellen zu ihrem Überleben im periphe-ren Immunsystem beiträgt, weil niedrigaffine Interaktionen mitSelbstantigenen Überlebenssignale liefern. Auch im Thymus stellenInteraktionen zwischen autoreaktiven Thymozyten mit den dort prä-sentierten Autoantigenen sicher, dass normale T-Zellen positiv selek-tioniert werden, also ausreifen und den Thymus verlassen können,und dass T-Zellen, die sehr stark autoreaktiv sind, negativ selektio-niert werden, also im Thymus sterben und daher nicht in die Periphe-rie gelangen. Dies wird auch als zentrale Toleranz bezeichnet. Aller-dings werden nicht alle Autoantigene im Thymus exprimiert und des-halb können auch nicht alle autoreaktiven T-Zellen dort eliminiertwerden. Es existieren daher noch Mechanismen, die zur so genanntenperipheren Toleranz autoreaktiver T-Zellen beitragen. Im Gegensatzzur Präsentation mikrobieller Antigene durch ausgereifte dendritischeZellen führt die Präsentation von Autoantigen durch unreife dendriti-sche Zellen weder zur Aktivierung noch zur Ausreifung dendritischerZellen, also zur Heraufregulation kostimulatorischer Moleküle, wieB7-1 (CD80) oder B7-2 (CD86). Wenn periphere T-Zellen durchSelbstpeptid/MCH-Komplexe solcher unreifer dendritischer Zellenstimuliert werden, bekommen sie eine ausreichende Stimulation zumÜberleben, sie bleiben aber anerg, d. h. funktionell inaktiv. Sie könnennur dann aktiviert werden, wenn sie in Kontakt zu einer ausgereiftendendritischen Zelle kommen, die mikrobielle Peptide präsentiert und

372e-24

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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gleichzeitig hohe Mengen kostimulatorischer Moleküle exprimiert.Wenn B-Zellen autoreaktive Antigenrezeptoren exprimieren, kommtes durch Kontakt zum Autoantigen durch Rezeptorediting zur Ex-pression eines weniger autoreaktiven Rezeptors oder zur Eliminationder Zelle im Knochenmark. Bei vielen Autoimmunerkrankungen tre-ten Autoantikörper auf (Tab. 372e-13), deren pathogenetische Rele-vanz bei den meisten Erkrankungen jedoch unklar ist, die jedoch zumTeil als labordiagnostische Marker verwendet werden. Die meistenAutoimmunerkrankungen werden wahrscheinlich durch eine Kom-bination aus T- und B-Zell-Autoreaktivität verursacht.Zum Auftreten von Autoimmunsyndromen tragen verschiedene

Faktoren, wie genetische Suszeptibilität (Tab. 372e-13), Umweltfak-toren wie Medikamente (z. B. Procainamid, Dilantin mit arzneimittel-induziertem systemischen Lupus erythematodes), Infektionen (z. B.Epstein-Barr-Virus, Autoantikörper gegen Erythrozyten und Throm-bozyten) sowie eine verringerte Anzahl regulatorischer T-Zellen(führt zu Thyreoiditis, Adrenalitis und Oophoritis) bei.

& IMMUNITÄT AN SCHLEIMHAUTOBERFLÄCHENDie Schleimhäute, die die Oberfläche des Respirations-, Gastrointesti-nal- und Urogenitaltraktes sowie die Konjunktiven, das Innenohr unddie Ausführungsgänge aller exokrinen Drüsen bedecken, enthaltenZellen des angeborenen und des adaptiven Immunsystems. Dieses

Mukosa-assoziierte lymphatische Gewebe (mucosa associated lympha-tic tissue, MALT) enthält 80 % aller Immunzellen des Körpers und istdamit das bei Säugetieren größte lymphatische Organsystem.Das MALT hat drei Hauptfunktionen: (1) Es schützt die Schleim-

hautoberflächen vor invasiven Pathogenen, (2) es verhindert die Auf-nahme von Fremdantigenen aus der Nahrung oder der physiologi-schen Keimflora oder von Fremdstoffen und Pathogenen aus der Luft,und (3) es verhindert pathologische Immunreaktionen gegen Fremd-antigene, falls diese doch die Schleimhautbarrieren überwinden kön-nen (Abb. 372e-9).Das MALT ist ein kompartimentalisiertes System von Immunzel-

len, deren Funktion unabhängig von den systemischen Immunorga-nen ist. Während die systemischen Immunorgane normalerweise ste-ril sind und auf jedes Pathogen mit einer starken Antwort reagieren,sind die Zellen des MALT ständig in Kontakt mit Fremdantigenenund der physiologischen Keimflora der Schleimhäute. Es müssendurch das MALT daher die pathogenen Antigene selektioniert wer-den, die eliminiert werden sollen. Das MALTenthält anatomisch defi-nierte Ansammlungen von Immunzellen im Darm, in den Tonsillen,der Appendix und peribronchialen Gebieten, in denen mukosale Im-munantworten induziert werden. Von dort wandern T- und B-Zellenan den Effektorort (z. B. im Parenchym oder der Schleimhaut oderder exokrinen Drüsen) ein, um dort infizierte Zellen zu eliminieren.

TABELLE 372e-13 Rekombinante oder aufgereinigte Autoantigene, die von Autoantikörpern erkannt werden, die mit Autoimmunerkrankungendes Menschen assoziiert sind

Autoantigen Autoimmunerkrankungen Autoantigen Autoimmunerkrankungen

Zell- oder organspezifische Autoimmunität

Acetylcholinrezeptor Myasthenia gravis Insulinrezeptor Typ-B-Insulinresistenz, Akanthose, systemischerLupus erythematodes (SLE)

Actin Chronisch-aktive Hepatitis, primär biliäre Zirrhose Intrinsic Factor Typ 1 Perniziöse Anämie

Adenin nucleotide Translator(ANT)

Dilatative Kardiomyopathie, Myokarditis Leukozytenfunktion-assoziier-tes Antigen (LFA-1)

Therapierefraktäre Lyme-Arthritis

β-Adrenorezeptor Dilatative Kardiomyopathie Myelin-assoziiertes Glykopro-tein (MAG)

Polyneuropathie

Aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase

Autoimmunes polyendokrines Syndrom Typ 1 (APS-1) Myelin-basisches Protein Multiple Sklerose, demyelinisierende Erkrankungen

Asialoglykoproteinrezeptor Autoimmunhepatitis Myelin-oligodendrozytäresGlykoprotein (MOG)

Multiple Sklerose

Bakterizides/Permeabilitäts-steigerndes Protein (Bpi)

Vaskulitiden bei zystischer Fibrose Myosin Rheumatisches Fieber

„Calcium-sensing“-Rezeptor Erworbener Hypoparathyreoidismus p-80-Collin Atopische Dermatitis

Cholesterol-Seitenketten-Clea-vage-Enzym (CYPlla)

Autoimmunes polyglanduläres Syndrom-1 Pyruvatdehydrogenase-Kom-plex E2 (PDC-E2)

Primäre biliäre Zirrhose

Kollagen-Typ-IV-α3-Kette Goodpasture-Syndrom Natriumiodidsymporter (NIS) Basedow-Krankheit, autoimmune Hypothyreose

Cytochrom P450 2D6(CYP2D6)

Autoimmunhepatitis SOX-10 Vitiligo

Desmin Crohn-Krankheit, koronare Herzkrankheit Thyreoid- und Augenmuskula-tur-Protein

Thyroidea-assoziierte Ophthalmopathie

Desmoglein 1 Pemphigus foliaceus Thyreoglobulin Autoimmunthyreoiditis

Desmoglein 3 Pemphigus vulgaris Thyreoidperoxidase Autoimmune Hashimoto-Thyreoiditis

F-Actin Autoimmunhepatitis Thyreotropinrezeptor Basedow-Krankheit

GM-Ganglioside Guillain-Barré-Syndrom Gewebeständige Transgluta-minase

Zöliakie

Glutamatdecarboxylase(GAD65)

Diabetes mellitus Typ 1, Stiff-Man-Syndrom Transkriptionskoaktivator p75 Atopische Dermatitis

Glutamatrezeptor (GLUR) Rasmussen-Enzephalitis Thyreotropinrezeptor Autoimmunes polyglanduläres Syndrom-1

H/K-ATPase Autoimmungastritis Tyrosinase Vitiligo, metastasierendes Melanom

17-α-Hydroxylase (CYP17) Autoimmunes polyglanduläres Syndrom-1 Tyrosinhydroxylase Autoimmunes polyglanduläres Syndrom-1

21-Hydroxylase (CYP21) Addison-Krankheit

IA-2 (ICA512) Diabetes mellitus Typ 1

Insulin Diabetes mellitus Typ 1, Insulin-hypoglykämischesSyndrom (Hirata-Erkrankung)

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Einführung in das Immunsystem 372e

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Zusätzlich zur mukosalen Immunantwort besitzen alle mukosalenOberflächen eine starke mechanische und chemische Barrierefunk-tion und durch den gerichteten Schleimtransport eine Reinigungs-funktion, die das Eindringen von Pathogenen erschwert.Zu den Hauptbestandteilen des MALT gehören spezialisierte Epi-

thelzellen, so genannte „Membran-“ oder M-Zellen, die Antigene auf-nehmen und an dendritische Zellen oder andere Antigen-präsentie-

rende Zellen weitergeben können. Effektorzellen des MALT sind bei-spielsweise B-Zellen, die gegen Pathogene gerichtete Antikörper (se-kretorisches IgA oder IgG) produzieren, T-Zellen, die ähnlicheZytokine produzieren wie bei systemischen Immunantworten, sowieT-Helfer- und zytotoxische T-Zellen, die direkt infizierte Zellen elimi-nieren können.

Tabelle 372e-13 (Fortsetzung )

Autoantigen Autoimmunerkrankungen Autoantigen Autoimmunerkrankungen

Systemische Autoimmunität

ACTH ACTH-Mangel Histon H2A-H2B-DNS Systemischer Lupus erythematodes

Aminoacyl-tRNS-Histidylsyn-thetase

Myositis, Dermatomyositis IgE-Rezeptor Chronisch-idiopathische Urtikaria

Aminoacyl-tRNS-Synthetase(mehrere)

Polymyositis, Dermatomyositis Keratin Rheumatoide Arthritis

Cardiolipin Systemischer Lupus erythematodes, Antiphospho-lipid-Syndrom

Ku-DNS-Proteinkinase Systemischer Lupus erythematodes

Carbonat-Dehydratase II Systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syn-drom, systemische Sklerose

Ku-Nukleoprotein

La-Phosphoprotein (La 55-B)

Bindegewebeerkrankungen

Sjögren-Syndrom

Kollagen (mehrere Typen) Rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus ery-thematodes, progressive systemische Sklerose

Myeloperoxidase Nekrotisierende und pauci-immune (crescentic)Glomerulonephritis mit extrakapillärer Proliferation(NCGN), systemische Vaskulitis

Zentromer-assoziierte Proteine Systemische Sklerose Proteinase 3 (PR3) Granulomatöse Polyangiitis, Churg-Strauss-Syndrom

DNS-abhängige Nukleosin-sti-mulierte ATPase

Dermatomyositis RNS-Polymerase I–III (RNP) Systemische Sklerose, systemischer Lupus ery-thematodes

Fibrillarin Sklerodermie Signalerkennungsprotein(SRP54)

Polymyositis

Fibronektin Systemischer Lupus erythematodes, rheumatoideArthritis, Morphea

Topoisomerase-1 (Scl-70) Sklerodermie, Raynaud-Syndrom

Glukose-6-Phosphat-Isomera-se

Rheumatoide Arthritis Tublin Chronische Lebererkrankung, viszerale Leishma-niose

β2-Glykoprotein I (B2-GPI) Primäres Antiphospholipidsyndrom Vimentin Systemische Autoimmunerkrankungen

Golgin (95, 97, 160, 180) Sjögren-Syndrom, systemischer Lupus erythema-todes, rheumatoide Arthritis

Hitze-Schock-Protein Verschiedene immunologische Erkrankungen

Hemidesmosomales Protein180

Bullöses Pemphigoid, Herpes gestationis, vernar-bendes Schleimhautpemphigoid (cicatricialerPemphigus)

Plasmaprotein- und zytokinabhängige Autoimmunität

C1-Inhibitor Autoimmuner C1-Mangel Glykoprotein IIb/IIIg und Ib/IX Autoimmune thrombozytopenische Purpura

C1q Systemischer Lupus erythematodes, membran-proliferative Glomerulonephritis

IgA Immunmangelkrankheit, assoziiert mit SLE, per-niziöser Anämie, Thyreoiditis, Sjögren-Syndromund chronisch-aktiver Hepatitis

Zytokine (TNF-a, IL-1α, IL-1β,IL-6, IL-10, LIF)

Rheumatoide Arthritis, systemische Sklerose, Ge-sunde

Oxidiertes LDL (OxLDL) Atherosklerose

Faktor II, Faktor V, Faktor VII,Faktor VIII, Faktor IX, Faktor X,Faktor XI, Thrombin, vWF

Verlängerte aPTT

Maligne und paraneoplastische Autoimmunität

Amphiphysin Neuropathie, kleinzelliges Bronchialkarzinom p62 (IGF-II mRNS-bindendesProtein)

Hepatozelluläres Karzinom (China)

Cyclin B1 Hepatozelluläres Karzinom Recoverin Karzinom-assoziierte Retinopathie

DNS-Topoisomerase II Leberkarzinom Ri-Protein Paraneoplastische opsoklone myoklone Ataxie

Desmoplakin Paraneoplastischer Pemphigus βIV-Spektrin Unteres Motoneuronensyndrom

Gephyrin Paraneoplastisches Stiff-Man-Syndrom Synaptotagmin Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom

Hu-Proteine Paraneoplastische Enzephalomyelitis Spannungsabhängige Kalzi-umkanäle

Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom

Neuronaler nikotinischer Aze-tylcholinrezeptor

Subakute autonome Neuropathie, Karzinom Yo-Protein Paraneoplastische zerebelläre Degeneration

p53 Karzinom, systemischer Lupus erythematodes

Quelle: Aus A Lernmark et al: J Clin Invest 108:1091, 2001; mit frdl. Genehmigung.

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Sekretorisches IgA wird in Mengen von mehr als 50 mg/kg in24 Stunden produziert und inhibiert die Adhäsion von Bakterien, blo-ckiert die Absorption von Makromolekülen im Darm, neutralisiertViren und verstärkt die Elimination von Antigenen im Gewebe, in-dem es an sie bindet und den rezeptorvermittelten Transport von Im-munkomplexen durch Epithelzellen fördert.Neuere Studien haben gezeigt, dass der physiologischen Keimflora

eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung eines normalen Im-munsystems zukommt. Die normale Keimbesiedlung induziert anti-inflammatorische Funktionen im Darm und schützt die Epithelzellenvor Pathogenen durch die Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren undanderen Pattern Recognition Receptors. Wenn die physiologischeKeimbesiedlung des Darmes zerstört wird, kommt es zur Abnahmeder TH1-Zellen und zu anderen Veränderungen des Immunsystems.Eine Wiederherstellung der physiologischen Keimflora kann auch diegestörte Balance der T-Helfer-Zell-Subsets wiederherstellen. Bei einerintakten Darmbarriere können Antigene diese entweder nicht über-winden oder werden durch eine selbstlimitierende protektive mukosa-le Immunantwort eliminiert (Abb. 372e-9). Wenn die Darmbarrierezerstört wird, kann die mukosale Immunantwort gegen die kommen-sale Flora des Darmes chronisch entzündliche Darmerkrankungenwie die Crohn-Krankheit und möglicherweise auch die Colitis ulcerosaverursachen (Abb. 372e-9; Kap. 351). Unkontrollierte Immunant-worten des MALT gegen Antigene aus der Nahrung, wie Gluten, sinddie Ursache der Zöliakie (Kap. 351).

ZELLULÄRE UND MOLEKULARE KONTROLLE DES PROGRAMMIERTEN ZELL-TODESDer Prozess der Apoptose oder des programmierten Zelltodes spielteine wichtige Rolle bei der Regulation normaler Immunantworten.Grob vereinfachend kann eine Aktivierung eines der verschiedenenApoptosewege durch eine Vielzahl von Stimuli zur Elimination voninfizierten Zellen, Zellen mit DNS-Schäden oder aktivierte Immun-zellen, die nicht weiter benötigt werden, führen (Abb. 372e-10). Diegrößte bekannte Familie der so genannten Todesrezeptoren ist die Tu-mor-Nekrose-Faktor-Rezeptor(TNF-R)-Familie, bestehend aus TNF-R1, TNF-R2, Fas (CD95), Death Receptor 3 (DR3), Death Receptor 4(DR4, TRAIL-R1) und Death Receptor 5 (DR5, TRAIL-R2). Die Li-ganden für diese Rezeptoren gehören alle zur TNF-Familie. Die Bin-dung dieser Liganden an die jeweiligen Rezeptoren führt über die Ak-

tivierung einer Signalkaskade zur Aktivierung von Proteinen aus derFamilie der Caspasen, die die DNS der Zelle abbauen und damit denTod der Zelle verursachen. Zwei andere Wege des programmiertenZelltodes werden durch nukleäres p53 oder mitochondrales Cyto-chrom C in vorgeschädigten Zellen in Gang gesetzt (Abb. 372e-10).Mehrere Erkrankungen des Menschen werden durch Mutationen vonApoptoseproteinen verursacht oder sind damit assoziiert (Tab. 372e-14). Dazu gehören Mutationen von Fas oder Fas-Liganden bei auto-immunen und lymphoproliferativen Syndromen sowie Mutationenapoptotischer Gene bei malignen Erkrankungen.

MECHANISMEN VON IMMUNOLOGISCH VERMITTELTEN SCHÄDEN AN MIKRO-ORGANISMEN ODER WIRTSGEWEBENDie verschiedenen Reaktionen des angeborenen und adaptiven Im-munsystems gegen Fremdantigen führen zu einer raschen und effi-zienten Beseitigung des Pathogens. Dabei interagieren die klassischenTräger der adaptiven Immunantwort (T- und B-Zellen) mit Zellen(Makrophagen, dendritische Zellen, Neutrophile, Eosinophile, Baso-phile) und löslichen Mediatoren (antimikrobielle Peptide, Pentraxine,Komplement- und Gerinnungssystem) des angeborenen Immunsys-tems (Kap. 80 und 376).Im Allgemeinen lässt sich die Abwehr von Pathogenen in fünf Pha-

sen einteilen: (1) Migration von Leukozyten an den Ort, an dem sichdas Pathogen befindet, (2) Erkennung der Anwesenheit eines Patho-gens durch Makrophagen sowie andere Zellen und Proteine des ange-borenen Immunsystems, (3) spezifische Erkennung der Antigenedurch T- und B-Lymphozyten, (4) Verstärkung der entzündlichenAntwort durch eine verstärkte Rekrutierung von spezifischen und un-spezifischen Effektorzellen durch Komplementproteine, Zytokine, Ki-nine, Arachidonsäuremetaboliten und Mediatoren aus Mastzellenund Basophilen, (5) Zusammenwirken von Makrophagen, Neutrophi-len und Lymphozyten bei der Destruktion des Antigens und seinerendgültigen Elimination durch Phagozytose (durch Makrophagenund Neutrophile) oder durch direkte zytotoxische Mechanismen (ver-mittelt durch Makrophagen, Neutrophile, dendritische Zellen undLymphozyten). Unter normalen Umständen sorgt das geordneteDurchlaufen dieser Phasen für eine kontrollierte Immun- und inflam-matorischen Antwort, die den Wirt vor dem Angriff des Pathogensschützt. Eine Störung der daran beteiligten Systeme kann jedoch zurGewebezerstörung und damit zu klinischen Krankheitsbildern beitra-

Barriere, die auf Antigen-aufnahme spezialisiert ist

Antigen-Transport in diePeyer-Plaques über

Follikel-assoziiertes Epithel Keine Antigene in

der Lamina propriaAntigene in derLamina propria Schädigung des

Epithels durchZytokine

ChronischeEntzündung

T-Zell-Antwort

INF-γTNF-α

T-Zellen sterbendurch Apoptose

Extravasation in die Lamina propria

T-Zell-Sensi-bilisierung

Emigration

MesenterialerLymphknoten

Blut

Intakte Barriere Durchlässige Barriere

Abbildung 372e-9 Erhöhte epitheliale Permeabilität kann bei T-Zell-abhängigen chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine Rolle spielen. CD4-positive T-Zellen, die durchAntigene aus dem Darm aktiviert werden, wandern in die Lamina propria (LP). Bei gesunden Personen sterben diese Zellen durch Apoptose. Eine erhöhte epitheliale Permeabilitätermöglicht jedoch den Durchtritt einer ausreichenden Menge Antigen in die Lamina propria und führt dadurch zur T-Zell-Aktivierung und zur Durchbrechung der immunologischenToleranz, die durch immunsuppressive Zytokine und eventuell regulatorische T-Zellen aufrechterhalten wird. Proinflammatorische Zytokine können dann wiederum die epitheliale Per-meabilität erhöhen und so einen Teufelskreis in Gang setzen. (Nach T MacDonald, G Monteleone: Science 307:1924, 2005, mit frdl. Genehmigung.)

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Einführung in das Immunsystem 372e

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gen. Außerdem kann bei bestimmten Infektionen auch die normaleImmunantwort bereits zu Gewebeschäden führen. Zum Beispiel führtdie entzündliche und Immunantwort gegen Infektionen mit Myco-bacterium tuberculosis im zentralen Nervensystem zu einer hohenMorbidität der Tuberkulose, wenn sie in diesem Organsystem auftritt

(Kap. 202). Auch die Morbidität bei bestimmten Pneumonien, bei-spielsweise bei der Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie, ist eher Folgeder entzündungsbedingten Gewebezerstörung als einer direkten ge-webeschädigender Wirkung der Erreger (Kap. 244).

TABELLE 372e-14 Molekulare Defekte des Immunsystems von Tieren oder Menschen, die autoimmune oder maligne Syndrome verursachen

Protein Defekt Erkrankung oder Syndrom Untersuchungen amTiermodell oder beimMenschen

Zytokine und Signalproteine

Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) α Überexpression Chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED),Arthritis, Vaskulitis

Mäuse

TNF-α Verminderte Expression Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Mäuse

Interleukin-1-Rezeptor-Antagonist Verminderte Expression Arthritis Mäuse

IL-2 Überexpression CED Mäuse

IL-7 Überexpression CED Mäuse

IL-10 Überexpression CED Mäuse

IL-2-Rezeptor Überexpression CED Mäuse

IL-10-Rezeptor Überexpression CED Mäuse

IL-3 Überexpression Demyelinisierendes Syndrom Mäuse

Interferon-δ Überexpression in der Haut SLE Mäuse

STAT-3 Verminderte Expression CED Mäuse

STAT-4 Überexpression CED Mäuse

Transforming Growth Factor (TGF) β Verminderte Expression Systemisches „Wasting-Syndrom“ und CED Mäuse

TGF-β-Rezeptor auf T-Zellen Verminderte Expression SLE Mäuse

Programmed death (PD-1) Verminderte Expression SLE-ähnliches Syndrom Mäuse

Cytotoxic T-lymphocyte antigen-4 (CTLA-4) Verminderte Expression Systemische lymphoproliferative Erkrankung Mäuse

IL-10 Verminderte Expression CED (Maus)

Typ-1-Diabetes, Schilddrüsenerkrankung, primär(Mensch)

Mäuse und Menschen

Moleküle des Haupthistokompatibilitätskomplexesa

HLA-B27 Allelexpression oder Überexpression Entzündliche Darmerkrankung Ratten und Menschen

Komplementfaktormangel für C1, 2, 3 oder 4 Verminderte Expression Menschen

LIGHT (TNF-Superfamilie 14) Überexpression Systemisch lymphoproliferativ (Maus) und Auto-immunität

Mäuse

HLA-Klasse-II-DQB10301, -DQB10302 Allelexpression Typ-1-Diabetes Menschen

HLA-Klasse-II-DQB10401, -DQB10402 Allelexpression Rheumatoide Arthritis Menschen

HLA-Klasse-I-B27 Allelexpression Ankylosierende Spondylitis, CED Ratten und Menschen

Apoptose-Proteine

TNF-Rezeptor 1 (TNF-R1) Verminderte Expression Familiäres periodisches Fiebersyndrom Menschen

Fas (CD95; Apo-1) Verminderte Expression Autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom Typ I(ALPS I); malignes Lymphom; Blasenkarzinom

Menschen

Fas-Ligand Verminderte Expression SLE (nur 1 Fall identifiziert) Menschen

Perforin Verminderte Expression Familiäre hämophagozytäre Lymphohistiozytose(FHL)

Menschen

Caspase 10 Verminderte Expression Autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom Typ II(ALPS II)

Menschen

bcl-10 Verminderte Expression Non-Hodgkin-Lymphom Menschen

P53 Verminderte Expression Verschiedene maligne Neoplasien Menschen

Bax Verminderte Expression Kolonkarzinom; hämatologische Malignome Menschen

bcl-2 Verminderte Expression Non-Hodgkin-Lymphom Menschen

c-IAP2 Verminderte Expression Niedriggradiges MALT-Lymphom Menschen

NAIP1 Verminderte Expression Spinale Muskelatrophie Menschen

a Die meisten Autoimmunerkrankungen sind mit mehreren HLA-Allelen assoziiert. Hier sind nur Beispiele aufgeführt.Abkürzung: MALT = Mucosa-associated Lymphoid Tissue.Quelle: Nach L Mullauer et al: Mutat Res 488:211; 2001 und A Davidson, Diamond B: N Engl J Med 345:340; 2001, mit frdl. Genehmigung.

372e-28

Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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& MOLEKULARE BASIS VON INTERAKTIONEN ZWISCHEN LYMPHOZYTENUND ENDOTHELZELLEN

Die Kontrolle der Zirkulation der Lymphozyten zwischen dem Blut-strom und den peripheren lymphatischen Organen erfolgt auf der Ba-sis von Interaktionen von Lymphozyten mit Endothelzellen, über diedie Einwanderung bestimmter Subpopulationen der Lymphozyten indie entsprechenden Organe reguliert wird. Ähnlich wird die Einwan-derung von Lymphozyten in entzündete Gewebe reguliert. Die Ex-pression von Adhäsionsmolekülen und Endothelzellen reguliert dieRetention und die Auswanderung von Lymphozyten aus Geweben, indenen sie durch Antigene stimuliert werden, verzögert damit ihrenAustritt aus diesen Geweben und verhindert, dass sie wieder in denPool der zirkulierenden Lymphozyten eintreten (Abb. 372e-11). Jegli-che Art von Migration der Lymphozyten beginnt mit der Anheftungder Lymphozyten an spezielle Regionen in den Gefäßen, so genann-ten High Endothelial Venules (HEV). Ein wichtiges Konzept bei derMigration von Lymphozyten ist, dass Adhäsionsmoleküle so langenicht an ihren Liganden binden können, bis es zu einer Änderung derKonformation des Adhäsionsmoleküls (Ligand-Aktivierung) kommt,die dann wiederum erst die Bindung des Liganden erlaubt. Die In-

duktion der konformationsabhängigen Determinante eines Adhäsi-onsmoleküls kann durch Zytokine oder durch die Ligation andererAdhäsionsmoleküle auf der Zelle erfolgen.Der erste Schritt in der Lymphozyten-Endothel-Interaktion, das

Anheften und Rollen, geschieht, wenn die Lymphozyten in den post-kapillären Venolen den laminaren Blutstrom verlassen und an denEndothelzellen entlangrollen (Abb. 372e-11). Das Rollen der Lym-phozyten wird vermittelt durch die L-Selektine (LECAM-1, LAM-1,CD62L) und verringert die Geschwindigkeit der Lymphozyten in denVenolen, um so eine Aktivierung der adhärenten Zellen zu ermögli-chen.Für den zweiten Schritt der Lymphozyten-Endothel-Interaktion,

die Adhäsion und den aktivierungsabhängigen stabilen Arrest, müssendie Lymphozyten durch chemotaktisch wirkende Substanzen odervon durch Endothelzellen produzierte Zytokine aktiviert werden. Zy-tokine und andere Mediatoren, die an diesem Prozess unter anderembeteiligt sind, sind Mitglieder der IL-8-Familie, Platelet-activatingFactor, Leukotrien B4 sowie C5a. Zusätzlich exprimieren die HEVChemokine wie SLC (CCL21) und ELC (CCL19), die auch an diesemProzess beteiligt sind. Nach ihrer Aktivierung durch diese chemoat-traktiven Mediatoren verlieren die Lymphozyten die Expression vonCD62L auf ihrer Oberfläche (shedding) und regulieren die Expressionvon CD11b/18 (Mac-1) oder CD11a/18 (LFA-1) herauf, was eine festeBindung an die HEVermöglicht.An der Einwanderung von Lymphozyten in periphere Lymphkno-

ten ist eine Interaktion zwischen L-Selektin und Glykoproteinen, dievon den Endothelzellen der HEV exprimiert werden, beteiligt. DieseGlykoproteine werden kollektiv als Peripheral Lymph Node Addressin(PNAd) bezeichnet. Im Gegensatz dazu erfolgt die Migration vonLymphozyten in die Peyer-Plaques im Darm vorwiegend über die Ad-häsion des Integrins α4β7 an von den HEV der Peyer-Plaques expri-miertes Mucosal Addressin Cell Adhesion Molecule-1 (MAdCAM-1).Allerdings benutzen naive Lymphozyten zur Einwanderung in dielymphoiden Aggregate der Peyer-Plaques bevorzugt L-Selektine, wäh-rend Gedächtnis-Lymphozyten vorwiegend das α4β7-Integrin benut-zen. Die Interaktion zwischen dem Integrin α4β1 (CD49d/CD29,VLA-4) mit VCAM-1 ist besonders wichtig für die initale Adhäsionvon Gedächtnis-Lymphozyten mit den HEV vieler Organe bei Ent-zündungen (Tab. 372e-15).Der dritte Schritt der Emigration von Leukozyten aus den HEV

wird als Adhäsion und Transmigration bezeichnet. Dieses feste An-heften der Leukozyten an den Endothelzellen erfolgt über die Bin-dung des αLβ2-Integrins LFA-1 an ICAM-1 auf HEV. Während dieersten drei Schritte des Anhaftens der Lymphozyten an die HEV nurwenige Sekunden benötigen, dauert der vierte Schritt, die trans-endotheliale Migration, ungefähr 10 Minuten. Obwohl die molekula-ren Mechanismen der transendothelialen Migration noch nicht genaubekannt sind, wird angenommen, dass CD44 und andere Moleküleder Glykokalyx der Endothelzellen der HEV wichtige Regulatorendieses Prozesses sind (Abb. 372e-11). Weiterhin ist auch die Expressi-on von Matrix-Metalloproteinasen notwendig, um die subendothelia-le Basalmembran, die reich an nicht fibrillärem Kollagen ist, zu zer-stören und damit die Penetration der Zellen in den extravaskulärenRaum zu ermöglichen.Die abnormale Induktion einer HEV-Bildung und der Moleküle,

die oben diskutiert wurden, wird mit der Entstehung und Aufrecht-erhaltung von Entzündungen bei mehreren chronisch entzündlichenErkrankungen in Verbindung gebracht. So wurde in Tiermodellen desTyp-1-Diabetes gezeigt, dass MAdCAM-1 und GlyCAM-1 in den ent-zündeten Langerhans-Inseln überexprimiert werden und das eine Be-handlung dieser Tiere mit Inhibitoren von L-Selektin und α4-Integri-nen die Entwicklung des Typ-1-Diabetes verhindern kann (Kap. 417).Eine ähnliche Rolle von abnormal exprimierten Adhäsionsmolekülenwird auch bei der rheumatoiden Arthritis (Kap. 380), der Hashimoto-Thyreoiditis (Kap. 405), der Basedow-Krankheit (Kap. 405), der Mul-tiplen Sklerose (Kap. 458), der Crohn-Krankheit (Kap. 351) und derColitis ulcerosa (Kap. 351) vermutet.

& IMMUNKOMPLEXBILDUNGDie Bildung von Komplexen aus Antigen und spezifischen Antikör-pern, so genannter Immunkomplexe, und damit eine Beseitigung desAntigens ist ein hocheffektiver Abwehrmechanismus. Immunkomple-xe können abhängig von ihrer Menge und ihren physikochemischenEigenschaften Schäden von körperfremden Zellen oder körpereigenen

Todesligand

Todesrezeptor

Todesrezeptor-vermittelt Mitochondrial vermittelt

(FAS, TNF, TRAIL) (Gammastrahlung)

Sauerstoffradikale DNS-Schaden

BIM, PUMA und andereBH3-only-Proteine

BCL-XL-BCL2 BCL2-BCL-XL

?

BAXFADD

Caspase 8BAK

c-FLIP

SMAC/DIABLO

SMAC/DIABLOCaspase 3

Caspase 9

Substratspaltung

Apoptose

IAPS

IAPS

BID

APAF1

Cytochrom C

Cytochrom C

tBID

Abbildung 372e-10 Signalwege der zellulären Apoptose. Es gibt zwei Hauptwege:den Todesrezeptor-Signalweg, der durch die Aktivierung von Todesrezeptoren vermitteltwird, und den BCL2-regulierten mitochondrialen Signalweg, der von Noxen ausgelöstwird, die schließlich zur Schädigung der Mitochondrien führen. Durch die Bindung vonFas-Ligand (FasL) an den Todesrezeptor Fas wird Fas trimerisiert und seine so genannteTodesdomäne aktiviert. An diese aktivierte Fas-Todesdomäne bindet das AdaptorproteinFADD (Fas-associated via Death Domain). FADD wiederum rekrutiert Pro-Caspase 8, diedaraufhin aktiviert wird und ihrerseits die Caspase 3 aktiviert, die exekutive Schlüssel-caspase. Cellular FLICE-inhibitory Protein (c-FLIP) kann die Bindung von FADD und Ca-spase 8 konzentrationsabhängig fördern oder hemmen. Beim intrinsischen Signalwegwerden durch noxische Reize proapoptotische BH3-Proteine aktiviert, die mit antiapoptoti-schem BCL2 oder BCL-XL interagieren und es hemmen. Dadurch sind BAX und BAK inder Lage, die Permeabilität der Mitochondrien zu erhöhen und Cytochrom C freizusetzen,was schließlich zur Aktivierung von Caspase 9 durch das Apoptosom führt. Caspase 9aktiviert dann Caspase 3. Auch SMAC/DIABLO wird nach der mitochondrialen Permeabili-sierung freigesetzt und blockiert die Inhibitoren des Apoptoseproteins (IAPs), welche dieCaspaseaktivierung hemmen. Es bestehen Querverbindungen zwischen beiden Signalwe-gen durch die trunkierte Form von BID (tBID), das durch die BID-Spaltung durch Caspase 8entsteht; tBID hemmt den BCL2-BCL-XL-Signalweg und aktiviert BAX und BAK. Es be-steht Uneinigkeit darüber, ob die proapoptotischen BH3-Moleküle (z. B. BIM und PUMA)direkt auf BAX und BAK wirken und die mitochondriale Permeabilität auslösen, oder obsie nur auf BCL2-BCL-XL wirken. APAF1 = apoptotischer Protease-aktivierender Faktor 1;BH3 = BCL-Homolog; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor; TRAIL = TNF-related apoptosis-inducing ligand. (Aus RS Hotchkiss et al: N Engl J Med 361:1570, 2009, mit frdl. Geneh-migung.)

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Einführung in das Immunsystem 372e

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Geweben verursachen. Nach einem Antigenkontakt können verschie-dene Formen von Antigen-Antikörper-Komplexen frei zirkulieren,die, wenn sie nicht durch das retikuloendotheliale System abgebautwerden, in den Wänden von Blutgefäßen oder anderen Organe wieGlomeruli der Niere abgelagert werden können, wo sie dann Vaskuli-tiden oder Glomerulinephritiden verursachen können (Kap. 338 undKap. 385). Der Mangel früher Komplementkomponenten führt beiAutoimmunsyndromen zur unzureichenden Clearance von Immun-komplexen und einem immunkomplexvermittelten Gewebeschaden,während der Mangel später Komplementkomponenten für rezidivie-rende Infektionen mit Neisseria prädisponiert (Tab. 372e-16).

ÜBEREMPFINDLICHKEITSREAKTION VOM SOFORTTYPDie Bildung von IgE-Antikörpern gegen Allergene wird vorwiegendvon TH2-Zellen, die IL-4, -5, -6 sowie IL-10 produzieren, gesteuert.Mastzellen und Basophile besitzen hochaffine Rezeptoren für den Fc-Teil von IgE (FcεRI) und die zellgebundenen allergenspezifischen IgE-Antikörper können dann nach einer Kreuzvernetzung dieser Rezepto-ren durch die Bindung des Allergens effektiv aktiviert werden. Media-toren, die nach einer solchen Aktivierung freigesetzt werden, sind ver-antwortlich für die pathophysiologischen Veränderungen bei allergi-schen Erkrankungen (Tab. 372e-11). Diese Mediatoren können indrei funktionelle Gruppen eingeteilt werden: (1) solche, die die vasku-läre Permeabilität erhöhen und zu einer Kontraktion glatter Muskel-

zellen führen (Histamin, Plättchen-aktivierender Faktor, SRS-A, BK-A), (2) Faktoren mit chemotaktischer oder aktivierender Wirkung aufinflammatorische Zellen (ECF-A, NCF, Leukotrien B4) und (3) solche,die die Freisetzung anderer Mediatoren modulieren (BK-A, Plätt-chen-aktivierender Faktor) (Kap. 376).

ANTIKÖRPER-VERMITTELTE ZYTOTOXIZITÄTBei dieser Form der durch das Immunsystem vermittelten Gewebs-schäden kommt es durch die Bindung von Komplement-fixierendenAntikörpern (IgM, IgG1, IgG2, IgG3) an normale oder fremde Zellenoder Gewebe zur Aktivierung des klassischen Komplementwegs.Ähnlich wie bei der Komplementaktivierung durch Immunkomplex-ablagerungen führt dies zur Zelllyse oder zu Gewebeschäden. Beispie-le für eine Antikörper-vermittelte Zytotoxizität sind die Lyse von Ery-throzyten bei Transfusionsreaktionen, die Schädigung der glomerulä-ren Basalmembran durch Antikörper beim Goodpasture-Syndromund bei Pemphigus vulgaris, bei dem es durch antiepidermale Anti-körper zur Blasenbildung der Haut kommt.

& KLASSISCHE VERZÖGERTE ÜBEREMPFINDLICHKEITSREAKTIONAls verzögerte Überempfindlichkeitsreaktion bezeichnet man entzünd-liche Reaktionen, die durch mononukleare Leukozyten und nicht nurdurch Antikörper initiiert werden. Als verzögert werden diese Reak-tionen bezeichnet, weil sie als sekundäre zelluläre Immunreaktionen

1. Anheften und Rollen

2. Signal durchChemokine

3. Arrest 4. Polarisierungund Diapedese

5. JunktionalesRearrangement

6. Proteolyse

8. Wanderung der DZ in diedrainierenden Lymphknoten

7. InterstitielleMigration

ZytokinstimulierteParenchymzelle

EZM mit GAG

Kollagen

CCL19CCL21 CCR7

ICAM-1oder

VCAM-1

Proinflammatorischechemotaktische

Mediatoren Selektin Sialomycin

Inaktiv Aktive Integrine

GPCR

Untergegangene oderentzündete

Gewebe

Basal-membran

Lymphgefäß

DZ

Gefäßlumen

Abbildung 372e-11 Die wichtigsten Schritte der Migration von Immunzellen in entzündete Gewebe. Eine durch Infektion oder Gewebezerstörung verursachte Entzündunginduziert eine Freisetzung von Zytokinen (nicht dargestellt) und anderen chemotaktisch wirksamen Mediatoren (rote Pfeilspitzen) aus Stromazellen und „professionellen“ Wächterzellen,wie Mastzellen und Makrophagen (nicht dargestellt). Diese inflammatorischen Signale führen zu einer Heraufregulation endothelialer Selektine und Mitglieder der Immunglobulin-Super-familie (insbesondere ICAM-1 und/oder VCAM-1). Chemokine und andere chemotaktisch wirkende Mediatoren werden entweder direkt durch Endothelzellen von Venen produziert odervon ihnen transloziert und gelangen so ins Lumen der Blutgefäße. Die Leukozyten, die die entsprechenden Rezeptoren exprimieren, durchlaufen eine mehrstufige „Adhäsionskaskade“(Schritt 1–3), polarisieren sich und durchdringen durch Diapedese die Gefäßwand (Schritt 4 und 5). Während der Diapedese kommt es zu einer zeitweiligen Auflösung der Verbindungder Epithelzellen untereinander und zur Penetration der darunter liegenden Basalmembran (Schritt 6). Wenn sich die Zellen im extravaskulären Raum befinden, interagieren sie mithilfeverschiedener Integrine mit Kollagenfaser, Laminin, Fibronektin und anderen Bestandteilen der extrazellulären Matrix (EZM) und mit ICAM-1 auf der Oberfläche von Parenchymzellen(Schritt 7). Diese gerichtete Bewegung wird durch Chemokine und andere Mediatoren gesteuert, die durch Glukosaminoglykane (GAG), die sich an Bestandteilen der extrazellulärenMatrix und an Stromazellen befinden, immobilisiert werden können. Proinflammatorische Signale führen auch zur Ausreifung gewebeständiger dendritischer Zellen. Nachdem diesedendritischen Zellen Antigene des zerstörten Gewebes und von Pathogenen aufgenommen haben, regulieren sie CCR7 herauf. Durch die Interaktion mit den CCR7-Liganden CCL21und CCL19 gelangen sie über die drainierenden Lymphgefäße in den lokalen Lymphknoten. Dort können sie naive T-Zellen aktivieren und Gedächtnis-T-Zellen expandieren, die dannwieder über das Blut den Ort der Entzündung erreichen können. Auch T-Zellen in peripheren Geweben nutzen diesen CCR7-abhängigen Weg, um über afferente Lymphgefäße wiederin die lokalen Lymphknoten einwandern zu können. (Nach AD Luster, R Alon, UH von Andrian, Nat Immunol 6:1182, 2005, mit frdl. Genehmigung.)

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Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

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nach dem Antigenkontakt zur vollen Ausprägung 48–72 Stundenbrauchen. Im Gegensatz dazu spielen sich Reaktionen vom Soforttypinnerhalb von 12 Stunden nach dem Antigenkontakt ab, weil siedurch präformierte Antikörper und anschließende Aktivierung vonMastzellen und Basophilen verursacht werden. Ein Beispiel für eineverzögerte Überempfindlichkeitsreaktion ist der Tuberkulintest. Hier-bei wird aufgereinigtes Protein von M. tuberculosis intradermal ge-spritzt. Wenn der Patient Kontakt zu Mycobacterium tuberculosis hat-te, kommt es 48–72 Stunden nach der Injektion zur Induration ander Injektionsstelle.An den zellulären Interaktionen, die zu einer verzögerten Über-

empfindlichkeitsreaktion führen, sind vorwiegend T-Helfer-1-Zellenbeteiligt, die IFN-γ, IL-2 und TNF-α produzieren. Neuerdings wirdangenommen, dass auch natürliche Killerzellen an bestimmten For-men verzögerter Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt sind, diedurch Kontakt von Immunogenen mit der Haut verursacht werden.Im ersten Schritt kommt es zu einer lokalen entzündlichen Antwortauf das Fremdantigen mit Heraufregulation von Adhäsionsmolekülenauf Endothelzellen und dadurch zu einer lokalen Akkumulation vonLymphozyten. In den Übersichtsdarstellungen Abbildung 372e-2und Abbildung 372e-3 wird dargestellt, wie Antigene von dendriti-schen Zellen prozessiert und für Antigen-spezifische T-Zellen präsen-tiert werden. Die Produktion von IL-12 durch Antigen-präsentierendeZellen führt dann zur Induktion der IFN-γ-Produktion (TH1-Zelle).Unter dem Einfluss von IFN-γ kommt es zur epitheloidenzellartigen

TABELLE 372e-15 Adhäsionsmoleküle, die an entzündlichen Erkrankungen beteiligt sind

Erkrankung Haupteffektorzelle Vermutete Rezeptoren der Leukozyten für endotheliale Migrationssignale

L-Selektin, Ligand GPCR Integrina

Akute Entzündung

Myokardinfarkt Neutrophile Granulozyten PSGL-1 CXCR1, CXCR2, PAFR, BLT1 LFA-1, Mac-1

Schlaganfall Neutrophile Granulozyten L-Selektin, PSGL-1 CXCR1, CXCR2, PAFR, BLT1 LFA-1, Mac-1

Reperfusionsschäden nach Ischämie Neutrophile Granulozyten PSGL-1 CXCR1, CXCR2, PAFR, BLT1 LFA-1, Mac-1

TH1-vermittelte Entzündung

Atherosklerose Monozyten PSGL-1 CCR1, CCR2, BLT1, CXCR2, CX3CR1 VLA-4

TH1 PSGL-1 CXCR3, CCR5 VLA-4

Multiple Sklerose TH1 PSGL-1 (?) CXCR3, CXCR6 VLA-4, LFA-1

Monozyten PSGL-1 (?) CCR2, CCR1 VLA-4, LFA-1

Rheumatoide Arthritis Monozyten PSGL-1 CCR1, CCR2 VLA-1, VLA-2, VLA-4, LFA-1

TH1 PSGL-1 CXCR3, CXCR6 VLA-1, VLA-2, VLA-4, LFA-1

Neutrophile Granulozyten L-Selektin, PSGL-1 CXCR2, BLT1 LFA-1b

Psoriasis TH1 in der Haut CLA CCR4, CCR10, CXCR3 VLA-4c, LFA-1

Crohn-Krankheit TH1 im Darm PSGL-1 CCR9, CXCR3 α4, β7, LFA-1

Typ-1-Diabetes TH1 PSGL-1 (?) CCR4, CCR5 VLA-4, LFA-1

CD8 L-Selektin (?), PSGL-1 (?) CXCR3 VLA-4, LFA-1

Transplantatabstoßung CD8 PSGL-1 CXCR3, CX3CR1, BLT1 VLA-4, LFA-1

B-Zellen L-Selektin, PSGL-1 CXCR5, CXCR4 VLA-4, LFA-1

Hepatitis CD8 PSGL-1 CXCR3, CCR5, CXCR6 VLA-4

Lupus TH1 Keine CXCR6 VLA-4d

Plasmazytoide dendritische Zelle L-Selektin, CLA CCR7, CXCR3, ChemR23 LFA-1, Mac-1

B-Zelle CLA (?) CXCR5, CXCR4 LFA-1

TH2-vermittelte Entzündung

Asthma bronchiale TH2 PSGL-1 CCR4, CCR8, BLT1 LFA-1

Eosinophile PSGL-1 CCR3, PAFR, BLT1 VLA-4, LFA-1

Mastzellen PSGL-1 CCR2, CCR3, BLT1 VLA-4, LFA-1

Atopische Dermatitis TH2 in der Haut CLA CCR4, CCR10 VLA-4, LFA-1

a Verschiedene β1-Integrine spielen auch eine Rolle bei der Migration verschiedener Zelltypen durch Basalmembranen und interstitielles Bindegewebe unter entzündlichen Bedingungen.b Unter bestimmten Bedingungen spielt Mac-1 eine Rolle bei der Transmigration.c CD44 kann gemeinsam mit VLA-4 an bestimmten Formen des Leukozyten-Arrests beteiligt sein.d TH2-Zellen benötigen VAP-1, um in die entzündete Leber zu migrieren.Quelle: Nach AD Luster, UH von Adrian: Nature Immunol, vol. 6, 2005, mit frdl. Genehmigung.

TABELLE 372e-16 Komplementdefekte und assoziierte Erkrankungen

Komponente Assoziierte Erkrankung

Klassischer Weg

C1q, C1r, C1s, C4 Immunkomplexsyndromea, pyogene Infektionen

C2 Immunkomplexsyndromea, manchmal mit pyogener Infektion

C1-Inhibitor Seltene Immunkomplexerkrankung, manchmal mit pyogenenInfektionen

C3 und alternativer Weg C3

C3 Immunkomplexsyndromea, pyogene Infektionen

D Pyogene Infektionen

Properdin Neisseria-Infektionen

I Pyogene Infektionen

H Hämolytisch-urämisches Syndrom

Membranangriffskomplex

C5, C6, C7, C8 Rezidivierende Neisseria-Infektionen, Immunkomplexerkrankung

C9 Seltene Neisseria-Infektionen

a Immunkomplexsyndrome einschließlich systemischer Lupus erythematodes (SLE) und SLE-ähnlicher Syndrome, Glomerulonephritis und vaskulitischer Syndrome.Quelle: Nach JA Schifferli, DK Peters, Lancet 88:957, 1983, mit frdl. Genehmigung.

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Einführung in das Immunsystem 372e

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Transformation und zur Bildung von multinuklearen Riesenzellen.Dieser Typ eines Infiltrats aus mononukleären Zellen wird auch alsgranulomatöse Entzündung bezeichnet. Beispiele für Erkrankungen,bei denen verzögerte Überempfindlichkeitsreaktionen eine wichtigeRolle spielen, sind Pilzinfektionen (Histoplasmose, Kap. 236), myko-bakterielle Infektionen (Tuberkulose, Lepra; Kap. 202 und Kap. 203),Chlamydieninfektionen (Lymphogranulomum venereum; Kap. 213),Infektionen mit Helminthen (Schistosomiasis; Kap. 259), Reaktionenauf Toxine (Berylliose, Kap. 311) und Überempfindlichkeitsreaktio-nen auf organische Stäube (Hypersensitivitätspneumonie; Kap. 310).Außerdem wird angenommen, dass verzögerte Überempfindlichkeits-reaktionen eine bedeutende Rolle bei der Gewebeschädigung spielen,die bei Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis, derArteriitis temporalis und der granulomatösen Polyangiitis auftreten(Kap. 380 und Kap. 385).

UNTERSUCHUNG DER FUNKTION DES IMMUNSYSTEMSZur Einschätzung der Funktion des Immunsystems ist es notwendig,seine vier Hauptkomponenten, die an der Immunabwehr oder auchan der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen beteiligt sein kön-nen, zu untersuchen. Dazu gehören (1) die humorale Immunität (B-Zellen), (2) die zellvermittelte Immunität (T-Zellen, Monozyten),(3) phagozytierende Zellen des retikuloendothelialen Systems (Ma-krophagen und Neutrophile) und (4) das Komplementsystem. Kli-nische Probleme, die zur Untersuchung des Immunsystems veranlas-sen sollten, sind chronische, rezidivierende oder ungewöhnliche In-fektionen sowie einige Autoimmunsyndrome. Der Typ des klinischenSyndroms kann bereits Hinweise auf mögliche Immundefekte liefern(Kap. 374). Störungen der zellulären Immunität verursachen häufigvirale, mykobakterielle oder Pilzinfektionen. Ein Extrembeispiel eineszellulären Immundefektes ist AIDS (Kap. 226). Antikörpermangelführt zu rezidivierenden bakteriellen Infektionen, besonders mitStreptococcus pneumoniae oder Haemophilus influenzae (Kap. 374).Defekte von Phagozyten führen zu häufigen rezidivierenden Haut-infektionen mit Staphylococcus aureus (Kap. 80) und Defekte vonfrühen oder späten Komplementproteinen sind assoziiert mit Auto-immunphänomen und rezidivierenden Infektionen mit Neisserien(Tab. 372e-16). Für eine weiterführende Diskussion initialer Scree-ningtests für die Untersuchung des Immunsystems siehe Kapi-tel 374.

IMMUNTHERAPIEDie meisten derzeitigen Therapien für autoimmune und entzündlicheErkrankungen beruhen auf der Behandlung mit unspezifischen Im-munmodulatoren oder Immunsuppressiva, wie Glukokortikoidenoder zytotoxischen Substanzen. Das Ziel der Entwicklung neuer im-munmodulatorischer Therapien ist es, pathologische Immunreaktio-nen gezielt zu unterdrücken, während gleichzeitig normale Immun-reaktionen intakt bleiben. Neue Ansätze sind hierbei unter anderemdie Verwendung antiinflammatorischer Zytokine oder spezifischerZytokin-Inhibitoren als antientzündliche Strategien, gegen T- oder B-Zellen gerichtete monoklonale Antikörper sowie die Verwendung in-travenöser Immunglobuline für die Behandlung von Infektionen undImmunkomplex-vermittelten Erkrankungen. Weitere Behandlungs-strategien beruhen auf der Verwendung spezifischer Zytokine, um be-stimmte Zellen des Immunsystems zu rekonstituieren, und die Kno-chenmarktransplantation, mit der ein erkranktes Immunsystem miteinem normal funktionierenden ersetzt werden kann (Kap. 80, 374und Kap. 226). Ein monoklonaler Antikörper, der gegen ein Mem-branprotein von B-Lymphozyten gerichtet ist (Rituximab, Anti-CD20MAb) und schon länger zur Behandlung des Non-Hodgkin-Lym-phoms zugelassen (Kap. 134) ist, ist inzwischen auch zur BehandlungErwachsener mit schwerer rheumatoider Arthritis zugelassen(Kap. 380). Die US-amerikanische Food and Drug Administration(FDA) hatte im Jahr 2010 CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab) als Im-muntherapie bei Malignomen zugelassen, um die Hemmung der Ak-tivierung von T-Zellen verhindern. Es war das erste Mittel, das Über-lebensvorteile bei fortgeschrittenen malignen Melanomen aufzeigenkonnte. Neuere Studienergebnisse zeigten ferner, dass PD-1-Inhibito-ren eine T-Zell-Erschöpfung verhindern und so eine Tumorregressionbewirken können.Zelluläre Therapien wurden bereits seit Jahren untersucht, darunter

Ex-vivo-Aktivierung und Reinfusion von NK-Zellen bei malignen Er-

krankungen und Ex-vivo Priming und Reinfusion von dendritischenZellen mit Priming auf Antigene maligner Erkrankungen. LetztereMethode wurde bereits von der FDA bei der Behandlung des höher-gradigen Prostatakarzinoms zugelassen.

& ZYTOKINE UND ZYTOKININHIBITORENVerschiedene TNF-Inhibitoren werden zur Therapie der rheumatoi-den Arthritis angewandt. Dazu gehören monoklonale Antikörper,TNF-R-Fc-Fusionsproteine und Fab-Fragmente. Die Verwendungvon Anti-TNF-α-Antikörpern wie Adalimumab, Infliximab, Certoli-zumab oder Golimumab führte zur Verbesserung des klinischenKrankheitsbildes bei dieser Erkrankung und darüber hinaus wird die-ses Therapieprinzip auch bei anderen schweren autoimmunen oderentzündlichen Erkrankungen eingesetzt wird. Die Blockade vonTNF-α ist wirksam bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis, Crohn-Krankheit und ankylosierender Spondylitis. Anti-TNF-α MAb (Inflixi-mab) wurde von der FDA zur Behandlung der rheumatoiden Arthri-tis zugelassen.Weitere Zytokininhibitoren sind ein Fusionsprotein aus einem re-

kombinanten löslichen TNF-α-Rezeptor (R) und humanem Immun-globulin sowie Anakinra (löslicher IL-1-Rezeptorantagonist oder IL-1Ra). Die Behandlung autoentzündlicher Syndrome (Tab. 372e-6)mit rekombinantem IL-1-Rezeptorantagonisten kann die Symptomeunterdrücken, da die Überproduktion von IL-1β Leitsymptom dieserKrankheiten ist.Das TNF-αR-Fc Protein (Etanercept) und IL-1Ra hemmen die pa-

thogenen Zytokine bei rheumatoider Arthritis, d. h., TNF-α bzw. IL-1. Auch Anti-IL-6, IFN-β und IL-11 hemmen pathogene proinflam-matorische Zytokine. Anti-IL-6 (Tocilizumab) hemmt die IL-6-Akti-vität, während IFN-β und IL-11 die Produktion von IL-1 und TNF-αreduzieren.Besonders bemerkenswert ist der erfolgreiche Einsatz von Interfe-

ron γ bei der Behandlung der chronischen Granulomatose (ChronicGranulomatous Disease), einem Syndrom, das infolge verminderterPhagozytenfunktion auftritt (Kap. 80).

& MONOKLONALE ANTIKÖRPER GEGEN T- ODER B-LYMPHOZYTENDer gegen humane T-Zellen gerichtete monoklonale AntikörperOKT3 wird seit vielen Jahren als T-Zell-spezifisches Immunsuppressi-vum bei der Transplantation solider Organe verwendet. OKT3 ist eineAlternative zu polyklonalem Antithymozytenglobulin (ATG), das ausdem Serum von Kaninchen oder Pferden aufgereinigt wird, weil esweniger allergische Reaktionen verursacht. Allerdings führt es häufigzur Bildung von Human-anti-Maus-Antikörpern, die den Einsatz desMedikamentes limitieren. Anti-CD4-Antikörper wurden in Studienmit Patienten mit rheumatoider Arthritis untersucht. Diese Antikör-per verursachen eine starke Immunsuppression und steigern dadurchdie Suszeptibilität für schwere Infektionen. Die Blockade von CD40-CD40-Ligand-Interaktionen durch monoklonale Antikörper gegenCD40L ist im Tiermodell zwar Erfolg versprechend, klinische Studienruhen jedoch zur Zeit wegen prothrombotischer Effekte, die in Phase-I/II-Studien aufgetreten waren. Monoklonale Antikörper gegen CD25(IL-2-Rezeptor-α-Kette; Basiliximab) werden zur Behandlung derGraft-versus-Host-Krankheit nach Knochenmarktransplantationeneingesetzt und Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) zur Therapie vonhämatologischen Neoplasmen, Autoimmunkrankheiten der Absto-ßungsreaktion nach Nierentransplantation. Ein monoklonaler Anti-IgE-Antikörper (Omalizumab) wird zur Blockade von IgE-Antikör-pern verwendet, die Heuschnupfen und allergische Rhinitis verursa-chen (Kap. 376). Allerdings ist ein erhöhtes Anaphylaxierisiko eineder Nebenwirkungen von Anti-IgE. Studien haben gezeigt, dassTH17-Zellen, ebenso wie TH1, bei der Crohn-Krankheit als Entzün-dungsmediatoren fungieren; die Therapie mit Anti-IL-12/IL-23p40-Antikörper wurde untersucht.Wichtig sind die potenziellen Risiken dieser immunsuppressiven

monoklonalen Antikörper. Natalizumab ist ein humanisierter IgG-Antikörper gegen ein α4-Integrin, das die Leukozytenmigration in dieGewebe hemmt, und ist unter bestimmten Bedingungen zur Behand-lung der Multiplen Sklerose zugelassen. Sowohl Natalizumab als auchder Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) wurden mit der Auslösungeiner progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) in Ver-bindung gebracht, einer schweren und für gewöhnlich tödlich verlau-fenden ZNS-Infektion mit dem JC-Polyomavirus. Efalizumab, ein hu-manisierter monoklonaler IgG-Antikörper, der zur Behandlung der

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Erkrankungen des Immunsystems, des Bindegewebes und der GelenkeTeil 15

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Plaque-Psoriasis zugelassen war, wurde inzwischen wegen der Reakti-vierung des JC-Virus mit letaler PML vom Markt genommen. Dahersollten alle derzeit zugelassenen immunsuppressiven Immuntherapiengemäß Leitlinien, mit Vorsicht und unter sorgfältiger Überwachungerfolgen.

& TOLERANZINDUKTIONGroße Hoffnung wird bei der spezifischen Immuntherapie auf dieBlockade der Kostimulation von T-Zellen durch lösliches CTLA-4-Protein gesetzt. Bislang zugelassen für die Therapie der rheumatoidenArthritis, zeigen tierexperiementelle und frühe klinische Studien beider Transplantation von Knochenmark oder soliden Organe vielver-sprechende Ergebnisse. Die Behandlung des zu transplantierendenKnochenmarkes mit löslichem CTLA-4 verringert die Abstoßung desTransplantates bei HLA-inkompatiblen Spender/Empfänger-Kom-binationen. Auch bei anderen Autoimmunerkrankungen, wie Psoria-sis und systemischem Lupus erythematodes (Kap. 378), wird löslichesCTLA-4 im Rahmen von Studien eingesetzt.

& INTRAVENÖSE IMMUNGLOBULINE (IVIG)Intravenöse Immunglobuline werden erfolgreich zur Blockade des re-tikuloendothelialen Systems und des Abbaus von Immunkomplexenbei verschiedenen immunologisch vermittelten Zytopenien (wie deridiopathischen thrombozytopenischen Purpura; Kap. 140) eingesetzt.IVIG können zudem Gewebeschäden bei verschiedenen entzündli-chen Erkrankungen, wie dem Kawasaki-Syndrom (Kap. 385), verhin-dern und werden zur Aufrechterhaltung des IgG-Spiegels bei ver-schiedenen Antikörpermangelsyndromen eingesetzt (Kap. 374). Kli-nische Studien zeigen, dass IVIG auch bei bestimmten Patienten mitGraft-versus-Host-Disease, Multipler Sklerose, Myasthenia gravis,Guillain-Barré-Syndrom und chronischer demyelinisierender Poly-neuropathie erfolgreich eingesetzt werden können.

& STAMMZELLTRANSPLANTATIONDie Transplantation hämatopoetischer Stammzellen wird (im Rah-men von Studien) nun umfassend auf ihr Potenzial zur Behandlungverschiedener Autoimmunerkrankungen, wie systemischem Lupuserythematodes (SLE), Multipler Sklerose und Sklerodermie, unter-sucht. Das Ziel dieser Behandlung bei Autoimmunerkrankungen istdie Rekonstitution des dysfunktionalen Immunsystems durch ein Im-munsystem mit einem normalen, wenig autoreaktiven Immunzell-Re-pertoire. Die bisherigen Daten bei Patienten mit SLE zeigen vielver-sprechende Ergebnisse. Zurzeit werden kontrollierte Studien zu SLE,Sklerodermie und Multipler Sklerose in den USA und Europa durch-geführt, um die Toxizität und Wirksamkeit konventioneller Immun-suppression mit der myeloablativen autologen Stammzelltransplanta-tion zu vergleichen.Insgesamt hat ein verbessertes Verständnis der Funktionen des Im-

munsystems zur Einführung einer ganzen Reihe neuer interventionel-ler Immuntherapien geführt, die langfristig in der Entwicklung spezi-fischer und nicht toxischer Therapieoptionen für entzündliche Er-krankungen münden werden. Kürzlich wurde eine Stammzelltrans-plantation bei einem Patienten mit HIV-1-Infektion durchgeführt.Diese Infektion der CD4+-T-Zellen ist vom Vorhandensein des CD4-Oberflächenrezeptors und dem Korezeptor Chemokinrezeptor 5(CCR5) abhängig. Studien konnten demonstrieren, dass Patientenmit einer homozygoten 32-bp-Deletion des CCR5 auf ihren CD4+-T-Zellen keine CCR5-Korezeptoren besitzen und sie deshalb eine Resis-tenz gegenüber jenen HIV-1-Infektionen haben, deren Stämme diesenKorezeptor benötigen. Stammzellen eines für CCR5-delta32 homozy-goten Patienten wurden einem Patienten mit HIV-1-Infektion nachStandardkonditionierung transplantiert. Der Patient konnte in einerLangzeitbeobachtung ohne Verabreichung antiretroviraler Medika-mente die Infektion in Remission halten. Das schnell wachsende Ver-ständnis für die Funktionen des Immunsystems eröffnet ein neuesFeld an Möglichkeiten für Immuntherapien und ermöglicht viele We-ge zur Entwicklung spezifischerer, aber nebenwirkungsärmerer The-rapien für immunologische und entzündliche Therapien.

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Einführung in das Immunsystem 372e

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.