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Transcript of Newsletter - Crossing Over · che gepackt. Dieses Mal flog ich nach Texas. Dort besuchte ich das...
EditorialInhalt• Editorial• CO Erfahrung• CO LIGHTHOUSE• CO Forschung• CO Revue• CO Spezial• CO Öffentlichkeit
Liebe Freunde von CrossingOver!
Die vorliegende Ausgabe unseres Newsletters
ist mit 15 Seiten eigentlich eine Doppelausgabe
geworden – so viel ist in den letzten Wochen und
Monaten geschehen.
Ein, wenn nicht sogar, das Highlight des Cros-
singOver-Jahres war die Milestone-Konferenz in
Chicago vom 24. bis 26. Oktober. Wir hoffen, Ihnen
mit den Artikeln von Mark Bersano und Bernhard
Spielberg einige Eindrücke des Kongressgesche-
hens mit seinem breiten Vortragsangebot aber
auch vielen Freiräumen für persönliche Begeg-
nungen zu verschaffen.
Die Milestone-Konferenz war einerseits ein
Abschied. INSPIRE, das mich seit den ersten
Begegnungen 2006 immer wieder als eine kluge
Form von Kirchenentwicklung zu beeindrucken
vermochte, hat das Ende seiner Projektlaufzeit
erreicht. Damit heißt es auch, Abschied von Mark
Bersano zu nehmen, der als Nachfolger von Dan
Gast mit sehr viel Herzblut und großem Engage-
ment in besonderer Weise an der Vorbereitung
der Konferenz beteiligt war.
Die Milestone-Konferenz war jedoch zugleich
ein Neustart. Mehrere Initiativen und Netzwerke
entstehen, um die bereits gewonnenen Ergebnis-
se auszuwerten und die Ziele von INSPIRE fort-
zuführen, wie Mark Bersano in seinem Beitrag
ausführlich schildert.
Auch CrossingOver ist Teil dieser entstehenden
Netzwerke, um in diesem Rahmen seine Aktivitä-
ten weiter zu entfalten.
Ein wichtiges Feld – die Forschung – konnte
seit 2012 über die Vergabe von Stipendien, die
Theologinnen und Theologen einen Aufenthalt
in den USA von etwa einem Monat ermöglichen,
ausgebaut werden. Auch 2014 können weitere
Forschungsstipendien vergeben werden.
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Newsletter03/13
Die Erträge dieser ersten Forschungsreisen
wollen wir auf einem Kolloquium zusammenfüh-
ren. Dazu möchten wir Sie ganz herzlich einladen!
Das Rahmenthema, die Rezeption des Zweiten
Vatikanischen Konzils, verspricht spannende Dis-
kussionen, führt es doch direkt in zentrale Kon-
fliktfelder unserer aktuellen Kirchensituation.
Das Kolloquium bietet allerdings nicht nur Anlass
zur Diskussion. Mit der Eröffnung des Zentrums
für angewandte Pastoralforschung, zu dem wir
Sie ebenfalls herzlich einladen möchten, gibt es
einen Grund zum Feiern. Ich hoffe daher sehr, Sie
am 20. Februar in Bochum begrüßen zu dürfen.
Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit und einen
guten Rutsch.
Andreas Henkelmann
Auf den Spuren von Augustus Tolton - Ein Pilgerbericht -
von Martin Kalff
In der Diözese Kön besteht die Möglichkeit,
nach 15 Jahren als Seelsorgerin oder Seel-
sorger für etwa einen Monat Kirche in einem
anderen Teil der Welt zu begegnen und dort in ei-
ner kirchlichen Einrichtung zu leben.
(Diese Zeit muss selbst finanziert werden, das
Gehalt wird aber weiter gezahlt)
Nach Kontaktaufnahme mit CrossingOver ergab
sich für mich die Gelegenheit diese Zeit in der
Pfarrei St. Benedict im Norden Chicagos zu ver-
bringen.
Während dieses Aufenthalts war ich auf eine
zweitägige Bustour afroamerikanischer Katho-
liken aufmerksam geworden. Es war eine Pil-
gerfahrt auf den Spuren des ersten afroameri-
kanischen Priesters in der Geschichte der USA,
Augustus Tolton (1854 - 1897). Er wurde 1886 zum
Priester geweiht und war der erste (!) schwar-
ze Priester in den USA. Die Diözese Chicago hat
inzwischen den Seligsprechungsprozess für ihn
eingeleitet.
An der Bustour nehmen 35 Personen teil, davon
30 Pilger afroamerikanischen Ursprungs.
Geleitet wird die Fahrt von
Weihbischof Perry und Dr.
Vanessa White, „Assistant
Professor of Spirituality
and Director of the Augus-
tus Tolton Pastoral Ministry
Program“.
Für mich wird die Bus-
tour einer der Höhepunkte
meiner Zeit in Chicago und
ich werde sehr freundlich
aufgenommen. Während
der Busfahrten werde ich
von der Lebensfreude der
schwarzen Katholiken an-
gesteckt, die immer wieder
Gospels singen.
Wenn gebetet wird,
spricht nicht nur einer, sondern andere antwor-
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Co Erfahrung
ten, stimmen zu oder ergänzen sich gegenseitig.
Erste Station ist Quincy am Mississippi, wo wir
am Abend das Grab von Augustus Tolton auf dem
St. Peter Cemetery besuchen und dort gemein-
sam das Abendgebet beten.
Anschließend geht es zur Übernachtung in un-
ser Hotel.
Am nächsten Morgen fahren wir zur St. Peter’s
Church in Brush Creek, wo Tolton getauft wurde.
Auf seiner Taufurkunde stehen nicht die Namen
der Eltern, sondern der Name des Sklavenbesit-
zers. Weihbischof Perry berichtet von Erinnerun-
gen seiner Großmutter, dass die Sklaven immer
eigene gesonderte Bereiche in den Kirchen hat-
ten, meist auf der Empore, damit sie nicht gese-
hen wurden.
Jetzt fahren wir an den Mississippi. Die Mutter
von Augustus Tolton flüchtete mit ihren drei klei-
nen Kindern in einem Boot von Missouri über den
Mississippi nach Illinois, weil hier die Sklaven
schon frei waren. Toltons Vater starb im Bürger-
krieg. Wie schlimm muss eine Situation sein, dass
eine Mutter mit drei kleinen Kindern in einem
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Zur Person
Martin Kalff, Pastoralreferent in der Erzdiözese Köln. Seit 2012 in der Pfarrei St. Anna, Ratingen tätig.
Info
Die Pilgergruppe vor der Taufkapelle Tolton´s. Foto: M. Kalff
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CO ERFAHRUNGBoot über einen großen Fluss flüchtet, denke ich
mir.
Am Mississippi erzählt eine 94jährige Teilneh-
merin aus ihrem Leben. Anschließen fängt sie an
zu tanzen, singt und alle fallen mit ein.
Mich hat diese Verbindung von zum Teil schwe-
rer Lebenserfahrung, Spiritualität und Lebens-
freude sehr beeindruckt.
Nachmittags besuchen wir noch in Quincy die
St. Peter‘s Church, wo Tolton die Erstkommunion
empfing, und die Universität, an der er studierte.
Da kein Priesterseminar in den USA bereit war,
Tolton aufzunehmen, wurde er in ein Seminar in
Rom aufgenommen und am 24. April 1886 in der
Lateranbasilika zum Priester geweiht.
Die ursprüngliche Idee war gewesen, ihn dann
als Missionar nach Afrika zu senden. Einen Tag
vor der Priesterweihe erfuhr er jedoch, dass er
als Priester für afroamerikanische Katholiken in
die USA zurückkehren könne.
Von 1886 bis 1889 war er unter Schwierigkeiten
in Quincy tätig, dann bis zu seinem Tod 1897 in der
Diözese Chicago an der Kirche St. Monica, einer
Pfarrei für Afroamerikaner.
Als wir am späten Abend wieder in Chicago ein-
treffen, geht eine Fahrt mit vielen Begegnungen,
Eindrücken und Erlebnissen zu Ende. Über die
Menschen ist mir auch die Geschichte der afro-
amerikanischen Christen nahe gekommen.
Wir verabreden uns alle zu einer möglichen Feier
der Seligsprechung von Augustus Tolton in Chica-
go.
Diese Seligsprechung – das ist mir bei der Fahrt
deutlich geworden – wäre nicht nur die Würdi-
gung eines persönlichen Lebensweges. Sie wäre
auch Ausdruck der Hochachtung vor einem ganz
wichtigen Teil der Geschichte der US-amerikani-
schen Kirche.
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Durch den anderen sich selbst besser verste-hen – Pastoraltheologische Wahrnehmungen
von Philipp Müller
Bricht jemand in einen anderen Lebens-
kontext auf und lässt sich dort auf neue
Menschen ein, dann erscheint manches
bis dahin so Selbstverständliche gar nicht mehr
so selbstverständlich; sowohl die Stärken als
auch die „blinden Flecken“ des eigenen Lebens-
kontextes treten deutlicher ins Bewusstsein. Von
dieser Dynamik lebt das Projekt CrossingOver, in
dessen Rahmen ich im September 2013 für drei
Wochen die Pastoral in der Erzdiözese Chicago
kennenlernen durfte.
Untergebracht war ich im Pfarrhaus, der „rec-
tory“ von Glenview, 30 km nördlich von Chicago.
Pastor dieser Gemeinde ist Tom Hickey, der zu-
vor in Chicago, St. Clement, als Pfarrer gewirkt
hatte. Durch die Möglichkeit, dort wohnen und
von diesem „Stützpunkt“ aus viele Gespräche
mit Verantwortlichen aus Kirche und Universität
führen zu können, schärfte sich mein Blick für
die pastorale Situation in Deutschland wieder
neu. Vieles ist bei uns nicht so selbstverständlich,
wie man manchmal meinen könnte – über die
Kirchensteuer oder den Religionsunterricht an
staatlichen Schulen hinaus. Und manches, was in
Deutschland zurzeit kräftig hinterfragt wird, ist in
den USA selbstverständliche Praxis. Um nur drei
Beispiele zu nennen:
* Christliche Gemeinden werben in den
USA um Mitglieder. In Großstädten kon-
kurrieren auch katholische Gemeinden miteinan-
der. Aber Konkurrenz belebt auch das Geschäft:
Die Qualitätssicherung in der Pastoral etwa
durch Evaluierungen gehört selbst-
verständlich dazu. Wie würden
deutsche Pfarrer und ihre
Mitarbeiter reagie-
ren, wenn sie
Info
Zur Person
Dr. Philipp Müller, seit 2011 Professor für Pastoraltheologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und CO-Forschungsstipendiat im Herbst 2013.
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CO ERFAHRUNG
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„Fostering a Spirituality of Communion“ - Pastoralplanung im Erzbistum Galveston-Houston
von Thomas Stühlmeyer
Nachdem ich 2008 mit CrossingOver in Chi-
cago sein durfte, hatte mich erneut das
Interesse für die US-amerikanische Kir-
che gepackt. Dieses Mal flog ich nach Texas. Dort
besuchte ich das Seelsorgeamt der Erzdiözese
Galveston-Houston. Ein „Letter of Reference“
meines Osnabrücker Heimatbischofes Franz-
Josef Bode hatte mir die Tür geöffnet. Ich wurde
gastfreundlich aufgenommen. Insbesondere der
Leiter des Seelsorgeamtes, Jim Barrett, schaff-
te eine Atmosphäre des Willkommenseins. Er
vermittelte Gespräche mit Abteilungsleiter/in-
nen, nahm sich Zeit, war interessiert an meinen
Erfahrungen und Eindrücken. Am Ende meiner
Besuchszeit gingen wir freundschaftlich und mit
wechselseitigen Einladungen auseinander.
Was hatte mich in das Seelsorgeamt des Erz-
bistums Galveston-Houston geführt? Fragen, die
mich immer wieder beschäftigen: Pastorale Pla-
nung, Katechese, Erwachsenenkatechumenat
(RCIA), Stewardship etc. Insbesondere interes-
sierte mich der dortige diözesanweite Pastoral-
plan unter dem Leitwort „Fostering a Spirituality
of Communion“ (vgl. www.archgh.org/pastoral-
plan).
Kardinal DiNardo hatte vor wenigen Jahren
angeregt, einen Pastoralplan für das Erzbistum
zu entwickeln. Die Region, in der das Erzbistum
Galveston-Houston, liegt, wird in den nächsten
20 Jahren voraussichtlich von ca. 6 auf über 8 Mil-
lionen Einwohner anwachsen. Die Anzahl der Ka-
tholiken wird im gleichen Zeitraum von ca. 2 auf
ca. 3 Millionen ansteigen. Die Anzahl der Priester,
die in den Pfarreien Dienst tun, wird nach vorlie-
genden Schätzungen bis zum Jahr 2030 je-
doch leicht sinken (von 242 auf 223).
Wie kann ein pastoraler Plan für
die Zukunft aussehen?
Zunächst, so er-
zählte Jim
Barrett ,
Info
regelmäßig durch die Gemeindeglieder evaluiert
werden würden?
* Aus pastoraltheologischer Perspektive
wird der Stellenwert der Gemeinde-
pastoral deutlich zugunsten anderer christlicher
Sozialformen relativiert. In den USA hingegen
kommt der Gemeindepastoral quasi eine Mono-
polstellung zu – und das über die Konfessions-
grenzen hinweg.
* Christliche Gemeinden in den USA tun
einiges dafür, dass sich die Mitglieder
emotio-nal mit ihrer Gemeinde identifizieren
und untereinander ein Verbundenheitsgefühl
besteht. Könnte die „Koinonia“ in der deutschen
Pastoral stärker berücksichtigt werden, ohne zu
einem aufgesetztem Miteinander oder einer Art
Vereinsmeierei kommt?
Zwar kann es nicht darum gehen, die US-ame-
rikanische Kirche idealisieren und die deutsche
Kirche amerikanisieren zu wollen. Doch hat sich
mir durch den Forschungsaufenthalt gezeigt, wie
lebendig und kraftvoll das kirchliche Leben im
Erzbistum Chicago ist. Es bietet ein rei-ches Ins-
pirations- und vielleicht auch Innovationspoten-
tial für die Kirche in Deutschland.
Zur Person
Thomas Stühlmeyer, seit 2013 Pfarrer in Spelle im Bistum Osnabrück. Teilnehmer am CO Erfah-rungsprogramm im Jahr 2008.
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CO LIGHTHOUSEAachener Gründertraining für SeelsorgerInnen
von Florian Sobetzko
„Today I met a guy who started a new
church two weeks ago“ sagte ich an
einem Abend im Herbst 2009 zu Fa-
ther Steve Bauer in St. Alphonsus Chicago, und
grinsend erwiderte er: „Cool, we did that two
thousand years ago!“ – die Begegnung jenes
Tages mit Chris Coon, dem Gründer der metho-
distischen Urban Village Church Chicago war
tatsächlich einer der stärksten Impulse meiner
CrossingOver-Erfahrung. Ich war fasziniert von
den Gesprächen mit Churchplantern, die mir von
ihren church starts (Gemeindegründungen) er-
zählten: eine urbane Dorfkirche für Menschen,
die sich „burned or bored by religion in the past“
fühlen, eine HipHop-Kirche, in der die Predigt ge-
rappt und die Lesung zu Worshipmusik getanzt
wird, eine LGBT-Gemeinde im Center on Halsted
mit Pfarrbüro im angemieteten Großraumbüro-
Cubicle – der Schreibtisch des Pastors nur durch
eine schulterhohe Wand getrennt von den Ar-
beitsplätzen von Sportvereinen, Non-Pro-
fit-Organisationen und kleinen Start-
Up-Companies.
Mit dieser Faszination
kehrte ich nach Aa-
chen zurück
und traf
Info
Zur Person
Florian Sobetzko, Referent für Innovations-prozesse und Perso-nalentwicklung in der Hauptabteilung Pasto-ralpersonal im Bistum Aachen.
wünschte sich der Erzbischof eine schnelle Vor-
bereitung und einen schnell durchgeführten Pro-
zess. Doch dafür reichten die Ressourcen selbst
in dem beachtlich großen Seelsorgeamt nicht
aus. Außerdem sollte der pastorale Plan die Pfar-
reien beteiligen. Partizipation sollte eine wesent-
liche Rolle spielen.
So wurden zunächst gründliche demographi-
schen Erkundungen durchgeführt. In wiederhol-
ten Konsultationen wurden die verschiedenen
Räte des Erzbistums involviert. Im Jahr 2011
wurden „listening sessions“ an verschiedenen
Orten des Erzbistums durchgeführt. Fragebögen
wurden in die Pfarreien gesandt und Pfarrge-
meinderäte befragt. Insgesamt beteiligten sich
rund 7.000 Menschen: junge und ältere, Men-
schen unterschiedlicher kultureller Herkunft,
Gemeindemitglieder, Priester, Diakone und pas-
torale Mitarbeiter/innen. Ein repräsentativer
Querschnitt wurde mehr als ausreichend er-
reicht. Alle Anhörungen und Befragungen wurden
mit einer wertschätzenden Haltung durchgeführt
(vgl. Susan Star und Sue Annis Hammond: Appre-
ciative Inquiry in the Catholic Church, Thin Book
Publishing 2009).
Neun Schlüsselbereiche, in denen sich das Erz-
bistum in Zukunft entwickeln soll, wurden aus
allen Rückmeldungen herausgeschält. Als Vision
für den Pastoralplan wurde in einem geistlichen
Prozess das Leitwort „Fostering a Spirituality of
Communion“ (vgl. Papst Johannes Paul II: Aposto-
lisches Schreiben Novo Millennio Ineunte, 2000,
Nr. 43) gefunden.
Anfang 2012 wurden drei „Pathways“ für die zu-
künftige Entwicklung des Erzbistums im Sinne
einer Spiritualität der Gemeinschaft formuliert:
Live our Faith, Share our Faith, Nurture our faith.
In Regionaltreffen Ende 2012 wurden die Er-
gebnisse rückgekoppelt mit den Pfarreien. Ab
dann begannen die Pfarreien eigene Ziele zu for-
mulieren, wie sie ganz konkret die Ziele der drei
„Pathways“ aufgreifen wollen. Seit dem Frühjahr
2013 beginnt eine steigende Zahl von Pfarreien
– ausgehend von ihren Stärken und Schwer-
punkten – die eigenen pastoralen Pläne mit dem
Gesamtplan des Erzbistums zu verbinden und
umzusetzen.
Mich hat bewegt, wie dieser Pastoralplan als
geistlicher, kommunikativer und partizipativer
Prozess zwischen der Ebene des Erzbistums und
der Ebene der Pfarreien entworfen wurde und
sich nun entfaltet.
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bald in Hildesheim auf ein ökumenisches Netz-
werk aufbruchbereiter Christen, die sich mit
„Fresh Expressions of Church“ in der anglika-
nischen Kirche befassten und schon längst am
Thema Gemeindepflanzung arbeiteten – was
für eine Fügung! Unvergessen die Sequenz: „Wir
brauchen mehr Verrückte“ (Volker Roschke, AMD
Berlin) „…stimmt Herr Roschke, aber wir brau-
chen auch Leute, die mit den Verückten zusam-
menarbeiten können“ (Medart Kehl SJ, St. Geor-
gen).
Fügung muss es auch gewesen sein, dass in Aa-
chen gerade die Wiederaufnahme der durch die
Bistumskrise gestoppten Berufseinführung von
Pastoral- und GemeindereferentInnen vorbe-
reitet wurde: der Vorschlag, nachhaltig daran zu
arbeiten, dass die SeelsorgerInnen der Zukunft
nicht nur bestehendes verwalten können, son-
dern Gründerkompetenzen brauchen, um neues
aufzubauen, dieser Vorschlag wurde sogleich
umgesetzt: unter gemeinsamer Federführung
mit Michael Richardy (Crossingover 2006) ent-
wickelten wir das „Aachener Gründertraining für
SeelsorgerInnen“, das 20012/13 erstmals durch-
geführt wurde:
Eröffnet in einer großen Tagung mit Präsentati-
onen von Christian Hennecke („Gott gründet Kir-
che“), Christian Coon („Die Gründung der Urban
Village Church“) und Matthias Sellmann („Ler-
nen von der Kirche in den USA“) startete gleich
anschließend die kleinere interdiözesane Kurs-
gruppe aus PastoralassistentInnen, Priestern
und einer Referentin für Schulseelsorge in ein
insgesamt neutägiges Kursprogramm mit Ele-
menten wie Spiritualität und Theologie des Grün-
dens, Projektbesuchen bei Gründungsprojekten,
Businessplanerstellung für TheologInnen, Open
Innovation, Leadership und Innovationskultur,
Teamarbeit in der Cloud, Persönlichkeitstypen-
tests, Qualitätsmanagement, Kundenpfadanaly-
se, Grundlagen des Marketing, Logoentwicklung
und Zusammenarbeit mit Werbeagenturen.
Mit Hilfe von Lighthouse war es uns möglich,
das ganze nicht nur theoretisch und in Plan-
spielen zu unterrichten, sondern Anreize für
Projektgründungen zu geben: Ein Pastoralassis-
tent etablierte unter einem großen Marktschirm
auf dem Wochenmarkt seiner niederrheinischen
Kleinstadt einen Begegnungsort, an dem seit-
her regelmäßig zur besten Marktzeit unter-
schiedlichste Kirchenvertreter mit Kunden und
Marktbestellern auf einen Kaffee ins Gespräch
kommen. Eine Pastoralassistentin ging mit Eh-
renamtlichen auf die Reise nach Finnland und
sammelte wahrhaft exotische (bzw. nordische)
Lernerfahrungen mit Kirche für Heavy Metal Fans
(„Metallimessu“): hier werden Melodien aus dem
Gotteslob mit schwerer E-Gitarren-Bewaffnung
dargeboten, der tätowierte Pastor tanzt, die Lek-
toren und Kirchenmusiker „headbangen“ mit lan-
gen Mähnen. Die aufstrebende Kollegin begann
mit Lighthouse-Hilfe, ihre klassische Gitarren-
ausbildung zur Heavy-Metal-Gitarristin umzu-
biegen – seit Herbst 2013 engagiert sie sich als
Jugendseelsorgerin, im Krefelder Osten das Feld
für die Metalseelsorge zu entwickeln.
Das Aachener Gründertraining für Seelsorger
und Seelsorgerinnen wird nach seinem ersten
Durchlauf derzeit analysiert und soll als modu-
larisiertes Kursprogramm für Berufseinsteiger
und Profis zum festen Bestandteil von Personal-
formierung und -entwicklung in Aachen werden
– am liebsten auch weiterhin ökumenisch, inter-
national und interdiözesan: es gibt so vieles, das
wir von einander lernen können.
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CO ForschungWie funktioniert eigentlich Bistumsleitung in
den USA?
von Rosel Oehmen-Vieregge
Mit dieser Frage im Gepäck habe ich das
CrossingOver-Team zur >> MILESTONE
Conference (24.-26. Oktober 2013)
nach Chicago begleitet. Viele Informationen, Do-
kumente und wissenschaftliche Beiträge lassen
sich über das Internet gewinnen, aber meine
Reise in die USA hat einmal mehr gezeigt, dass
der persönliche Kontakt und der fachliche Aus-
tausch im Gespräch von ganz besonderem Wert
und weiterführend sind. Es war ein gelungener
Auftakt zu meinem international vergleichenden
Forschungsprojekt, das sich mit diözesanen Lei-
tungsstrukturen aus kirchenhistorischer und kir-
chenrechtlicher Perspektive befasst.
Wie zentral die Frage der Bistumsleitung in der
katholischen Kirche in den USA ist, geht aus den
Forschungsberichten hervor, die ich nach der
Konferenz von Mary L. Gautier von CARA (Center
for Applied Research in the Apostolate an der
Georgetown University) und Michael J. Brough
von der Institution National Leadership Round-
table on Church Management (Washington DC)
erhalten habe. Bereits seit den 1950er Jahren
werden hohe Erwartungen an eine effektiv arbei-
tende und gut funktionierende Diözesanleitung
gestellt, die vor allem mit pastoral service pro-
grams den pastoralen Dienst in den Gemeinden
und in anderen Seelsorgefeldern unterstützen
soll. Francis K. Scheets führt diese Erwartungs-
haltung auf das nach dem Zweiten Weltkrieg
steigende Bildungsniveau und das entsprechend
wachsende Einkommen in der katholischen Be-
völkerung zurück (Francis K. Scheets, A Sketch of
American Diocesan Organization 1900-1978, Wa-
shington DC 1980).
Von Weihbischof Francis J. Kane, dem amtie-
renden Generalvikar des Erzbistums Chicago,
erfahre ich, dass auch das Zweite Vatikanische
Konzil einen großen Einfluss auf die Ausweitung
der Diözesanadministrationen in den USA ge-
nommen hat. Er zeigt mir das aktuelle Organi-
gramm, das die diözesanen Leitungsstrukturen
des Erzbistums Chicago abbildet und deutet auf
das Department Financial Services, das von ei-
ner Frau geleitet wird. Eine der wichtigsten Per-
sonen in der Diözesanverwaltung, sagt er mit ei-
nem Lächeln. Es ist schon erstaunlich, wie viele
Frauen – women religious und ‚lay‘ women – in
US-amerikanischen Diözesen als chancellor, vi-
car religious, tribunal judge, tribunal director, fi-
nance director und director of Catholic Charities
tätig sind. Eine von der Leadership Conference of
Women Religious (LCWR) in Auftrag gegebene und
2001 publizierte Studie (Women and Jurisdiction.
An Unfolding Reality) hat sich mit dieser Per-
sonalentwicklung eingehend befasst.
Aber auch hier wird mit Blick
auf die Theologien und
Ekklesiologien des
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GOVER.
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Zur Person
Dr. Rosel Oehmen-Vieregge,Wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenge-schichte des Mittelalters und der Neuzeit, Ruhr-Universität Bochum; Foto: Carolin Hanke
Info
Street Art „Cultural diversity“Foto: R. Oehmen-Vieregge
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CO Forschung
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Zweiten Vatikanischen Konzils festgestellt, dass
die vor allem im Kirchenrecht so kontrovers dis-
kutierte Frage, in welcher Weise Laien an der
kirchlichen Leitungsvollmacht teilhaben können,
nach wie vor ungelöst ist.
Einen Tag vor meiner Abreise habe ich die Ge-
legenheit, mit einer der Pionierinnen zu spre-
chen, die ihren Weg an die Spitze der Personal-
abteilung der Erzdiözese Chicago gemacht hat.
Bei einem üppigen amerikanischen Frühstück
erzählt mir Carol Fowler, ehemalige Direktorin
des Department Personnel Services, welche Auf-
gabengebiete ihr anvertraut waren, welche Ent-
wicklungen die Bistumsverwaltung in den letzten
Jahrzehnten genommen und welche guten bzw.
weniger guten Erfahrungen sie in dieser verant-
wortungsvollen Position gemacht hat. Wir disku-
tieren über verschiedene Verwaltungsmodelle,
und ich frage Carol, ob sich lay ecclesial ministry
auch auf Dienste in der Diözesanverwaltung be-
zieht. Sie erklärt mir, dass im Erzbistum Chicago
mit lay ecclesial ministry ausschließlich Diens-
te in der Gemeinde gemeint seien. Diese klare
Unterscheidung träfe jedoch auf andere US-
amerikanischen Diözesen nicht zu. Lay ecclesial
ministry kann also auch mit dem Dienst in der
Diözesanverwaltung identifiziert werden. Diese
Unterschiede im Sprachgebrauch zeigen einmal
mehr wie vielgestaltig das System ‚Bistumslei-
tung‘ sein kann.
Als ich Carol frage, welche Diözese sie mir als
zweiten „Forschungsgegenstand“ in den USA
empfehlen könnte, will sie mich am liebsten auf
der Stelle nach Texas, in das Erzbistum St. An-
tonio senden, damit ich die kulturelle Vielfalt
erlebe, die sich auch in Verwaltungsstilen wider-
spiegelt. Ich bringe vorsichtig das Erzbistum Se-
attle ins Spiel, das auf meiner Auswahlliste ganz
oben steht. Sie bestätigt, dass sich die histori-
sche Entwicklung dieses Bistums sehr von der
Geschichte des Erzbistums Chicago unterschei-
det und Seattle in der Vergangenheit Vorbild für
Chicago gewesen sei. Nach unserem ausgedehn-
ten Frühstück stehen wir vor dem Café, schau-
en in den strahlend blauen Herbsthimmel über
Chicago und Carol verabschiedet sich mit einem
Augenzwinkern: „If you go to Seattle, don`t forget
your umbrella!“
Generalvikariat der Erzdiözese Chicago.Foto: Oehmen-Vieregge
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CO REVUE | MILESTONE CONFERENCE
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INSPIRE Happenings:
Milestone Conference and New Horizons
by Mark Bersano
INSPIRE: Identify, Nurture, and Sustain Pas-
toral Imagination through Resources for Ex-
cellence. In its ten-year history, INSPIRE has
endeavored to do just that. Through providing
supportive people and financial resources for
collaborative expressions of team on the staffs
of Catholic parishes, INSPIRE has worked to
advance the imagination of pastoral ministers.
These ministers grew to appreciate thatteams
comprised of ordained and laypersonsworking
together are powerfully transformational when it
comes to defining and carrying outpastoral mis-
sion. This work is infinitely important in today’s
world, where strained Church resources neces-
sitate that ordained and lay pastoral ministers
work closely together to help realize a common
vision of the Kingdom of God on earth.
October 24-26, 2013, INSPIRE hosted an inter-
national Milestone Conference which brought
together academic leaders from university, pas-
toral studies, and seminary settings as well as
ordained and lay ministers who participated in
INSPIRE in parishes and archdiocesan pastoral
centers. The event marked the culmination of a
remarkable partnership among the Lilly Endow-
ment Inc., the Archdiocese of Chicago, and Loyo-
la University Chicago. The partnership focused
on building excellent, mission-focused parish
Pastoral Leadership Teams that, in many cases,
continue to profoundlyand positively impacttheir
parish communities to this day.
“Milestone” marks a new phase of the work in
which the values and learning of INSPIRE are sus-
tained and developed through a variety of ongo-
ing projects and networks. A major research pro-
ject was designed to assess INSPIRE’s methods,
achievements, and limitations, and the results
were presented at the Milestone Conference.
Local, national, and international speakers and
panelists dialogued with participants to focus at-
tention on future initiatives in parish leadership
and mission, consultation, and social and theolo-
gical research.
The conference, which was attended by nearly
100 people, included participants from cities ac-
ross the United States from Los Angeles to Bos-
ton. CrossingOver and the Center for Applied Pas-
toral Theology (ZAP) at Ruhr University Bochum
were also well represented by leaders Prof. Dr.
WimDamberg, Prof. Dr. Matthias Sellmann, Dr. An-
dreas Henkelmann, and Graciela Sonntag, Dipl.-
Theol. Eight academic pastoral practitioners and
practical theologians sponsored by CrossingOver
and ZAP joined them to jump-start their individu-
al research projects focusing on aspects of the
U.S. Church. Dr. Bernhard Spielberg from the
University of Würzburg, who had previ-
ously conducted research in Chica-
go, rounded out the group. The
German participants
led panel dis-
c u s s i o n s ,
Info
Zur Person
Mark Bersano,Director of INSPIRE (2012-2013)
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breakout sessions, and participated in full-con-
ference dialogues. The German perspective, if I
may paraphrase, ran along these lines: “INSIP-
RE has been a great thing. Collaborative teams
of ordained and lay pastoral ministers are key to
the Church of the future. The American Church
needs it now more than ever—more than it can
currently understand. We see major similarities
in the current American situation to the German
situation of the past decade.” The weight of the-
se ideas was noted by all—especially in light of
financial struggles at the Archdiocese of Chicago
that became critical in 2013.
Topics undertaken at the conference were: 1)
the unique form of parish consultation deve-
loped by INSPIRE; 2) the characteristics and
practices that made INSPIRE parishes thrive; 3)
comparisons of parish merger and closure me-
thodologies through an INSPIRE lens; 4) INSPIRE
insights on multi-cultural, shared parishes; and
5) implications for the future of the Church and
lay ministry derived from INSPIRE’s research and
learning. A series of three INSPIRE-sponsored
guides on Navigating Pastoral Transitions, pub-
lished by Liturgical Press in Collegeville, Minne-
sota, were also highlighted.
Though INSPIRE as an independent grant pro-
ject will come to an end in 2014, several initiati-
ves will live on. At Loyola University Chicago, the
position of Coordinator of Parish Leadership and
Management Programs has been created at the
Institute of Pastoral Studies (IPS). This role will
better assess the needs of parishes and dioces-
es so that IPS can offer more effective, targeted
course work and training to meet the changing
needs of pastoral ministers. At the Archdiocese
of Chicago, work will continue in several areas.
Further effort will be put toward helping parishes
traverse the critical transition of a pastor, and
the INSPIRE-funded Catholics for Nonviolence
Network will continue to aggregate talent and re-
sources to make parishes model teaching centers
on nonviolence in society and the home. Additio-
nally, a new initiative is taking shape that will en-
deavor to create Pastoral Peer Mentoring groups
to help ordained and lay ministers share the joys
and burdens of their work in safe, facilitated, and
confidential small group settings. Finally, an in-
ternational network of engaged individuals and
institutions is emerging to continue and advance
INSPIRE’s work on parish research and consulta-
tion beyond the tenure of the INSPIRE grant pro-
ject itself.
In all of this, ties between the Church of Germa-
ny and the Church of the U.S. remain strong. Plans
are developing to have many more years of co-
operation between persons, institutions, and di-
oceses brought together by the carefully stewar-
ded partnership between Bochum and Chicago.
We have yet so much to learn from one another!
MILESTONE-Konferenz vom 24.-26. Oktober 2013 in Chicago. Fotos: T. Reinke.
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CO REVUE | MILESTONE CONFERENCEMitbringsel von der Milestone-Conference
von Bernhard Spielberg
Was ich aus Chicago mitgebracht habe?
Natürlich ein paar Packungen der in
Europa seltenen Brezel-M&M’s für
meine Frau, einen Minnie-Mouse Schlafanzug für
meine Tochter und ein Lightning McQueen-Mo-
dell (das ist dieses Auto mit Augen) für meinen
Sohn. Und natürlich einige wirklich horizonter-
öffnende Entdeckungen. Zwei will ich hier gern
vorstellen.
Die erste stammt von Brett C. Hoover aus Los
Angeles, der vor vier Jahren als Visiting Professor
für INSPIRE in Chicago Leitungsteams in Pfar-
reien untersuchte. Seine erste Erkenntnis war,
dass es einen Satz gibt, den Seelsorgerinnen und
Seelsorgern – unabhängig von ihrem kulturellen
Hintergrund – sehr oft sagen: „I’m busy.“ – „Ich
habe zu tun.“ Die scheinbar selbstverständliche
Arbeitsbelastung von Seelsorgern nahm Hoover
aber nicht als selbstverständlich hin, sondern
fragte, was dahintersteckt. Dabei stellte er fest,
dass Leitungsteams in Pfarreien so stark vom ge-
sellschaftlich dominierenden Arbeitsverständnis
geprägt waren, dass sie sich nicht einmal Gedan-
ken über eine andere Art des Arbeitens machten.
Kulturen geben schließlich, so der New Yorker
Soziologe Steve Derné, einen Rahmen vor, in dem
sich manche Dinge denken lassen – und andere
eben nicht. In der US-amerikanischen Kultur (und
ich glaube, dass wir in Deutschland den Amerika-
nern da in nichts nachstehen,) gilt Arbeit eben als
die erfolgreiche Erledigung von Aufgaben in einer
bestimmten Zeit. Genauso funktional verstehen
auch viele Seelsorgerinnen und Seelsorger ihre
Arbeit. In der Praxis führt das aber nicht nur zu
jener Auslastung mit Aufgaben, sondern auf die
Dauer auch dazu, dass die spirituellen und mo-
tivationalen Grundlagen des eigenen Handelns
aus dem Blick geraten. Man macht unheimlich
viel, kann aber selbst kaum mehr begründen, wa-
rum eigentlich. In diesem Hamsterrad mehr oder
weniger heiliger Pflichten ist pastorale Entwick-
lung aber nicht möglich. Der erste Schritt pasto-
raler Innovation ist daher: aussteigen.
Die zweite Entdeckung steckte in einem Alumi-
niumcontainer im Chicago Cultural Center. Das
Ding war eine „StoryBooth“, eine Geschichten-
Kabine von StoryCorps. Seit 2003 verfolgt die-
se Organisation das Ziel, Geschichten aus dem
Leben von Menschen aus dem ganzen Land zu
sammeln, zu erzählen und zu archivieren. Unter
anderem soll so auch für jedes Opfer des 11. Sep-
tember 2001 mindestens eine Geschichte festge-
halten werden. Was war der glücklichste Moment
Deines Lebens? Was der traurigste? Was hast Du
vom Leben gelernt? Was wolltest Du immer schon
wissen, hast Du aber nie gefragt? Als was für ein
Mensch möchtest Du in Erinnerung bleiben? Sol-
che und andere Fragen stellen Ekelkinder ihren
Großmüttern oder Söhne ihren Vätern unter dem
Dach des Projekts. Andere erzählen von verstor-
benen Menschen, die ihnen etwas bedeutet ha-
ben. Dafür sind die StoryBooths da. Mittlerweile
sind es 50.000 Geschichten, die in der Library of
Congress lagern. Auf der Homepage storycorps.
org kann man einige davon auch anhören und als
Animation ansehen. Die Weisheiten des Lebens
in den Geschichten der kleinen Leute zu sam-
meln und zu teilen – ist das nicht Seelsorge?
CROSSINGOVER.
KIRCHE DER USA
ERFAHREN, KIRCHE
HIER NEU DENKEN.
Zur Person
Dr. Bernhard Spielberg,Akademischer Rat am Lehrstuhl für Pastoral-theologie der Universität Würzburg.
Info
Fragen über Fragen ... an das Leben. Foto: B. Spielberg.
StoryCorps:
Weitere Infos zu dieser Or-ganisation mit gewöhnli-chen und ungewöhnlichen Geschichten gibt es auf der Webseite:
http://storycorps.org/
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KIRCHE DER USA
ERFAHREN, KIRCHE
HIER NEU DENKEN.
ZAP on TOUR
mit Marius Stelzer und Katharina Tautz
Für eine Woche war das ZAP in Chicago un-
terwegs ... zu Studientagen und anschl.
Teilnahme an der Milestone-Conference
2013. Nach dieser Auftaktreise der ersten Mitglie-
der des neu gegründeten Zentrums für Angewand-
te Pastoralforschung stellen sich hier nun zwei
ZAP-Mitglieder vor.
Warum sie beim ZAP sind, was sie in Chicago be-
sonders beindruckt hat und welche Inspiration sie
für ihr eigenes Projekt mit zurück nehmen, können
Sie im Folgenden lesen ...
ZAP on the move - ich bin dabei! ...
„Szeneforscher“ – diesen Begriff haben ein Kolle-
ge und ich vor einiger Zeit auf ein T-Shirt geflockt.
Ausgehend von der Idee, in diesem Outfit und mit
Kamera und Mikrofon ausgerüstet in den münstera-
ner Locations die Menschen zu befragen, was ihnen
im Leben wichtig ist, ergibt der Begriff ein gegen-
wärtig relevantes Arbeitsmotto:
In den vergangenen sieben Jahren konnte ich im
Rahmen eines Promotionsprojektes (Zweitgutach-
ten: Prof. Dr. M. Sellmann) erforschen, wie das pas-
torale Personal im Bistum Münster milieumäßig und
weiterbildungsmäßig „tickt“. Es entstand deutsch-
landweit die erste Seelsorger-Milieustudie mit dem
Focus „pastorale Weiterbildung“. Mit diesem Know-
How bin ich seit September am ZAP dabei. In Ko-
operation mit dem Bistum Münster geht es um die
Frage: Wie müssen Priester und Pastoral-/Gemein-
dereferentinnen ausgebildet sein/werden, damit sie
in der modernen Lebenskultur ihre Arbeit gut und
professionell tun können? Es geht also wiederum in
die pastorale Szene: Woher kommen unsere Leute?
Welche individuellen Ressourcen /Charismen brin-
gen sie mit? Woraufhin möchten sie Seelsorgerin/
Seelsorger werden? Welche Stellschrauben müssen
(neu) justiert werden, damit die Milieuverengung
in den pastoralen Diensten signifikant entschärft
wird? Wie sieht die pastorale Personalszene in zehn
Jahren aus – und was können SeelsorgerInnen?
ZAP and God’s own country - Mein eindrücklichs-
tes (Kirchen-)Erlebnis
Vor diesem Hintergrund war es höchst ertragreich,
die Movements in den Vereinigten Staaten kennen zu
lernen. Auch aus dem Grund, weil es dort in jüngerer
Zeit eine lebendige sozialwissenschaftliche „Sze-
neforschung“ mit Blick auf Dienst und Leben von
Seelsorgern gibt. Beeindruckt hat mich das redliche
Interesse und die produktive Neugierde der Akteure
beider Länder, voneinander zu lernen: Was können
wir hinsichtlich „Collaboration“ in pastoralen Teams
aus den USA an Haltung und Methoden überneh-
men? Und zugleich: wie wird in der kommenden Zeit
die hierzulande prominente Lebensweltforschung in
die USA ausstrahlen?
ZAP inspired - oder: fresh impressions für mein
Projekt
In den vergangenen zwei Jahren war ich als Pas-
toralreferent in der Pfarreiseelsorge am Niederrhein
eingesetzt und habe dort (ohne das Format „INS-
PIRE“ überhaupt zu kennen) im Team nach den
Grundzügen des INSPIRE-Projektes Team-
arbeit kennen und schätzen gelernt:
No Silos, no Elephants but
sharing the informa-
tions and indivi-
dual res-
sour-
Zur Person
Marius Stelzer, Pastoralreferent im Bis-tum Münster und wissen-schaftlicher Mitarbeiter am ZAP mit dem Schwer-punkt Professionsfor-schung.
Kontakt:[email protected]
Info
ZAP- und CrossingOver-Mitglieder on the road. Foto: T. Reinke.
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KIRCHE DER USA
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ces. (Natürlich ist INSPIRE mehr als nur dies – aber
alles aufzuzählen würde den Rahmen dieses news-
letters sprengen). In meinem gedanklichen Zu-
kunftsszenario spielt der Begriff „Collaboration“
eine nicht unerhebliche Rolle. Und – der Inspiration
nicht genug – frage ich mich, ob wir uns in Deutsch-
land / Europa wirklich bemühen, zeitgemäße For-
men von Liturgie zu entwickeln. Ich habe den Ein-
druck, dass es vor allem in den christlichen Kirchen
„How can we help?“ - Foyer der Willow Creek Church. Foto: T. Reinke
ße Leinwände, eine Bühne, eine überzeugend gute
Worship-Band und Menschen, die uns mit einem
Gefühl der Gastfreundschaft begegnen, sich erkun-
digen, wo wir herkommen und uns bereitwillig alles
erklären, was wir wissen möchten.
Bevor man sich selbst vor lauter Eindrücken sortie-
ren kann, geht es los. Nach einigen Liedern kommt
Bill Hybels auf die Bühne, Gründer von Willow Creek
und seitdem als Pastor in South Barrington. Er legt
eine Stelle aus dem Buch Kohelet aus, es geht um
Zufriedenheit mit sich selbst, seinem Job, seinem
Leben. Rhetorisch ist er wirklich ein Profi, versteht
es die Zuhörer zu fesseln, bringt einen durch seine
Fragen immer wieder zum Nachdenken und man be-
ginnt zu verstehen, weshalb die Menschen ihn
dort so mögen. Dieser so schlicht auftre-
tende Mensch geht mit offenen Au-
gen durchs Leben, er erzählt
ganz persönlich von
seinem Glauben,
von sei-
n e n
Zur Person
Katharina Tautz, Mitarbeiterin am Zent-rum für angewandte Pas-toralforschung Bochum, Kooperationsprojekt mit dem Bistum Speyer zum Thema Ehrenamtsma-nagement.
Kontakt: [email protected]
und Initiativen der USA besser gelingt, Liturgie und
das Leben der Menschen miteinander zu verbinden:
Call and Response, Singing and Praising. Just being
welcome! Es lohnt sich, in Bezug auf Personal- und
Professionsentwicklung die Prozesse in den Blick zu
nehmen, die die innere Freiheit der pastoralen Mit-
arbeiter grundlegend fördern, um pastorale Innova-
tionen zu ermöglichen.
ZAP on the move - ich bin dabei! ...
Als Teil des ZAP-Teams ist man Aufregung eigent-
lich gewohnt. Alles ist neu, unheimlich spannend
und gefühlt gucken gerade sehr viele Menschen auf
uns und unsere Entwicklung.
Und doch pocht ab und zu das Herz noch ein biss-
chen schneller, wenn ich realisiere, wie groß mein
Kooperationsprojekt ist. Es trägt die Überschrift
„Ehrenamtsmanagement im Bistum Speyer“. Fra-
gen, die mich in den nächsten zwei Jahren begleiten
und herausfordern werden, sind zum Beispiel: Was
motiviert Ehrenamtliche, sich für das Volk Gottes
zu engagieren? Warum bringen sie sich ein und was
braucht es, damit sie es weiterhin gerne und gut
tun? Wie können sie in der Kirche Begleitung und
Stärkung für ihr freiwilliges Engagement erfahren
und welche Formen kann ein solches Angebot an-
nehmen? Und vor allem: Auf welcher theologischen
Basis steht ihr Einsatz und wie kann man ihnen hel-
fen, sich darüber zu vergewissern?
ZAP and God’s own country - Mein eindrücklichs-
tes (Kirchen-)Erlebnis
Abenteuer Megachurch. Wir besuchen die Wil-
low Creek Community Church in South Barrington.
3500 Parkplätze draußen, 7095 Plätze drinnen im
Auditorium. Der Gebäudekomplex gleicht eher ei-
nem Kongresszentrum als einer Kirche: Eine Kaf-
feebar, Infostände, gastfreundliche und herzliche
Freiwillige, ein Buchladen, Rolltreppen, Räume für
Kinderbetreuung, Rollstühle für ältere Leute. Alles
wirkt wahnsinnig professionell organisiert und ser-
viceorientiert. Drinnen dann Kinosessel statt Kir-
chenbänke, eine aufwändige Lichtinstallation, gro-
Info
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KIRCHE DER USA
ERFAHREN, KIRCHE
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Begegnungen, von einem Interview mit Bill Gates,
der ihm erzählt hat, dass er sich trotz seines schier
unbegrenzten Vermögens doch häufiger fragt, ob
seine Millionen wirklich das sind, was ihn glücklich
macht. Alles Windhauch?
Nach knapp zwei Stunden Liedern, Predigt und
kurzen Gebeten ist die Feier vorbei und wir schwan-
ken zwischen Begeisterung und Ratlosigkeit. War
das ein „echter“ Gottesdienst? Ich muss kurz an
meinen Liturgieprofessor denken: Was würde er
wohl dazu sagen?
Egal zu welchem Ergebnis man am Ende kommt:
von der Gastfreundschaft und dem Selbstbewusst-
sein dieser Gemeinde und vor allem von der Fähig-
keit so lebendig über seinen eigenen Glauben und
die frohe Botschaft zu erzählen, können wir nur ler-
nen.
ZAP inspired - oder: fresh impressions für mein
Projekt
Mit Saint Clement in Chicago besuchten wir eine
der Leuchtturmgemeinden zum Thema Steward-
ship. Am Anfang stand dort ein Hirtenbrief des Bi-
schofs (übrigens als gut designte und angenehm zu
lesende Broschüre gestaltet), der biblisch fundiert
das Konzept des Stewardship als Antwort der Jün-
ger auf den Ruf Gottes erläutert. Unter dem Motto
‚Putting faith into action‘ hat die Saint Clement Ge-
meinde in den letzten Jahren die Stewardship-Idee
umgesetzt. Stewardship ist eine Lebenseinstellung,
gelebter Glaube, gelebte Nachfolge aus der Taufe
heraus: „Pray.Serve.Give.Learn.Belong.“ Zu Gott be-
ten, den Anderen dienen, einen Teil seines Einkom-
mens für andere geben, seinen Glauben in einem
ständigen Lernprozess vertiefen und festigen und
das alles in dem festen Wissen zu einer Gemein-
schaft zu gehören, die einen trägt. Und bei allem
steht immer im Hintergrund die Frage: „Can we make
a difference in peoples‘ life?“
Dabei ist es nicht wichtig, möglichst viele Ämter zu
übernehmen. Jeder soll das tun, was ihm aufgrund
seiner Talente und Gaben leicht fällt und Spaß bringt
und zwar nur sooft und solange er möchte. Damit
das gelingt, gibt es in Saint Clement eine hauptamt-
liche Mitarbeiterin, die sich nur um die Verteilung
und den Einsatz der freiwillig Engagierten kümmert,
ihre Stärken und Schwächen herausfindet und mit
ihnen gemeinsam nach Engagementmöglichkeiten
sucht.
Für mein Projekt in Speyer war dieser Besuch in
Saint Clement eine tolle Inspiration. Wenn Christen
realisiert haben, dass sie alle, mit verschiedenen
Charismen gestärkt, Verantwortung für die Gestal-
tung ihrer Kirche übernehmen dürfen und sollen,
kann dies eine unvorstellbare Dynamik hervorrufen
und Potenziale freisetzen. Mir ist auch klar gewor-
den, wie wichtig dabei eine gelebte und gefestigte
Spiritualität ist.
Neben vielen konkreten Ideen und Anregungen,
habe ich auch eine große Portion Pragma-tismus mit
nach Deutschland zurückgenommen. So sagte uns
in Saint Clement ein Mitarbei-ter, dass das Team der
Gemeinde zu Beginn des Stewardship-Projekts
vor allem nach dem Motto „Shoot, Ready,
Aim – and look what happened“
arbeiteten. Von diesem Mut
wünsche ich uns allen
auch ein wenig.
Volunteers finden in der Willow Creek Church immer Platz! Foto: T. Reinke
Stewardship in St. Clemen, Chicago. Foto: T. Reinke
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CO Öffentlichkeit
Prof. Dr. Wim Damberg
Prof. Dr. Matthias Sellmann
Dr. Andreas Henkelmann
Graciela Sonntag
Lehrstuhl für Kirchengeschichte
des Mittelalters und der Neuzeit
Kath.-Theol. Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
D-44780 Bochum
www.rub.de/mnkg
Herausgeber
CROSSINGOVER.
KIRCHE DER USA
ERFAHREN, KIRCHE
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Hier gibt es den >> Flyer des Kolloquiums als pdf
mit weiteren Infos zum Programm, zu Zeiten und
Orten.
Herzliche Einladung zur Teilnahme!
Erstes CO-Forschungskolloquium 2014
Seit 2012 haben wir Forschungsstipen-
dien vergeben, die Theologinnen und
Theologen einen Aufenthalt in den USA
von etwa einem Monat ermöglichen.
Die ersten Erträge dieser Forschungsreisen tra-
gen wir nun im ersten CrossingOver-Forschungs-
kolloquium zusammen:
Modernisierungspfade des Katholizismus nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil –
Deutschland und die USA im Vergleich
20.-21. Februar 2014
Wir verbinden dieses Kolloquium mit der feier-
lichen Eröffnung des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (ZAP) am 20. Februar 2014.