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www.babyfreundliche-apotheke.de Die vorliegenden Informationen wurden mit größtmöglicher Sorgfalt nach dem derzeitigen aktuellen Stand der Wissenschaft zusammengestellt. Dennoch übernehmen Verfasser und Herausgeber keine Gewähr. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. © Verein Babyfreundliche Apotheke 2019 Newsletter März 2019 Liebe Mitglieder, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Auftrag des Vereins begrüße ich Sie herzlich zur aktuellen Ausgabe unseres Newsletters. Und das erwartet Sie heute: Interne News Neues Mitglied Neue Rezertifizierungen Termine und Orte der kommenden Schulungen Aktuelles aus Wissenschaft und Forschung Neues zum Thema Schwangerschaft Angst und Depression in der Schwangerschaft besser erkennen Gestationsdiabetes Opiatanwendung nach geplanter oder ungeplanter Sectio Passivrachen S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin Schwangerschaftserbrechen Neues zum Thema Stillzeit Lehrplan für das Immunsystem Stillen kann mehr als 30 Jahre vor Ovarialkrebs schützen Neues zum Thema Säuglingszeit Erster Schutz Falsch-positives Neugeborenen-Screening Fieberkrampf Frühkindliche Vitamin-D-Spiegel Die Artikel wurden von Fachorganisationen veröffentlicht. Sollte jemand mit den Inhalten nicht konform gehen, darf darüber gerne in unserem Forum diskutiert werden. Auch Beiträge von Mitgliedern nehme ich im Newsletter auf. Wenn jemand Mitteilungen hat, leite ich diese auf diesem Wege gerne weiter. Eine ausdruckbare Version des Newsletters finden Sie auf unserer Homepage. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen! Mit herzlichen Grüßen Claudia Pieper-Emden

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Die vorliegenden Informationen wurden mit größtmöglicher Sorgfalt nach dem derzeitigen aktuellen Stand der Wissenschaft zusammengestellt. Dennoch übernehmen Verfasser und Herausgeber keine Gewähr. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. © Verein Babyfreundliche Apotheke 2019

Newsletter März 2019 Liebe Mitglieder, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Auftrag des Vereins begrüße ich Sie herzlich zur aktuellen Ausgabe unseres Newsletters. Und das erwartet Sie heute:

Interne News • Neues Mitglied • Neue Rezertifizierungen

Termine und Orte der kommenden Schulungen

Aktuelles aus Wissenschaft und Forschung • Neues zum Thema Schwangerschaft

− Angst und Depression in der Schwangerschaft besser erkennen

− Gestationsdiabetes

− Opiatanwendung nach geplanter oder ungeplanter Sectio

− Passivrachen

− S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin

− Schwangerschaftserbrechen • Neues zum Thema Stillzeit

− Lehrplan für das Immunsystem

− Stillen kann mehr als 30 Jahre vor Ovarialkrebs schützen • Neues zum Thema Säuglingszeit

− Erster Schutz

− Falsch-positives Neugeborenen-Screening

− Fieberkrampf

− Frühkindliche Vitamin-D-Spiegel

Die Artikel wurden von Fachorganisationen veröffentlicht. Sollte jemand mit den Inhalten nicht konform gehen, darf darüber gerne in unserem Forum diskutiert werden. Auch Beiträge von Mitgliedern nehme ich im Newsletter auf. Wenn jemand Mitteilungen hat, leite ich diese auf diesem Wege gerne weiter. Eine ausdruckbare Version des Newsletters finden Sie auf unserer Homepage. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen! Mit herzlichen Grüßen Claudia Pieper-Emden

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Interne News Wir begrüßen als neues Mitglied Central Apotheke in Falkenstein Wir gratulieren den folgenden Babyfreundlichen Teams … zur erfolgreichen 1. Rezertifizierung

Apotheke am Stadtbach in Günzburg Geiß’sche Apotheke in Weinheim

… zur erfolgreichen 3. Rezertifizierung Apotheke zur Post in Ankum Süd Apotheke in Hildesheim

Grundlagenschulungen 2019

Termin Ort Veranstalter Anmeldung

01. – 03.04.2019 Düsseldorf Apothekerverband Nord-rhein

Frau Rost Tel.: 0211-4391725

17. – 19.05.2019 Stuttgart Apothekerverband Baden-Württemberg

Frau Heinkel Tel.: 0711-2233466

28. – 30.06.2019 Magdeburg Maxxipharm Apotheke Frau Nowatschek Tel.: 0391-50660210

13. – 15.09.2019 Heusen-stamm

Hessischer Apothekerver-band

Frau Dreißigacker Tel.: 069-79200517

21. – 23.10.2019 Hannover Apothekerverband Nieder-sachsen

Frau Lausch Tel.: 0511-6157321

Alle weiteren für Sie relevanten Fortbildungsangebote von Organisationen und Unternehmen sowie Tagungs-, Messe- und Kongresstermine finden Sie auf unserer Homepage. Und hier für Sie noch die kommenden Stillkongresse: ➢ BDL Kongress 04.04. – 06.04.2019 in Fulda ➢ AFS-Stillkongress 27.04. – 28.04.2019 in Köln ➢ 12. Still- und Laktationskongress 26.09. – 29.09.2019 in Berlin

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Angst und Depression in der Schwangerschaft besser erkennen Julia Bird Erstes systematisches Screening und Behandlungsprogramm für psychisch belastete Schwan-gere in Baden-Württemberg / Konsortium unter Leitung der Universitätsfrauenklinik Heidel-berg wirbt 3,4 Millionen Euro für neues Vorsorgeprogramm gegen Depressionen, Ängste und Stress in der Schwangerschaft ein Eine Schwangerschaft ist nicht immer nur eine Zeit ungetrübter Vorfreude – selbst wenn ein Wunschkind unterwegs ist. Bis zu 20 Prozent der werdenden Mütter sind Studien zufolge bei-spielsweise von einer Depression und bis zu 25 Prozent von Ängsten betroffen. Das durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) geförderte Projekt Mind:Preg-nancy will Schwangere gezielt auf Störungen der Stimmungslage untersuchen lassen und da-mit eine Versorgungslücke schließen. „Programm für mehr Achtsamkeit in der Schwangerschaft“ startet am 28. Januar 2019 „Unter Depressionen, Stress und Ängsten – darunter auch ganz konkreter Angst vor der Geburt selbst - leidet nicht nur die Schwangere selbst. Auch für Kind und Familie ist die Erkrankung eine große Belastung“, erklärt Dr. Stephanie Wallwiener, Projektleiterin und Privatdozentin an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Am 28. Januar 2019 startet das sogenannte „Pro-gramm für mehr Achtsamkeit in der Schwangerschaft“ in ganz Baden-Württemberg, rund 15.000 Frauen können im Rahmen des Projektes versorgt werden. Schwangere, die bei einer der beteiligten Krankenkassen (die Techniker Krankenkasse, die mhplus Betriebskrankenkasse, die über die GWQ ServicePlus AG teilnehmenden Betriebskrankenkassen, die AOK Baden-Württemberg und die BARMER) versichert sind, können sich auf freiwilliger Basis mit einem Fragebogen auf Anzeichen von Depressionen, Ängsten und Stress untersuchen lassen. Zeigt sich in dieser ersten Untersuchung durch den behandelnden Frauenarzt, dass eine schwangere Frau eine starke psychische Belastung hat, wird sie durch Mitarbeiter der an dem Projekt teil-nehmenden Universitätsfrauenkliniken Heidelberg und Tübingen kontaktiert und bekommt di-rekt psychologische Hilfe. Schwangere, die mildere Anzeichen von Störungen der Stimmungs-lage zeigen, werden eingeladen, an einem onlinebasierten Selbsthilfeangebot zur Achtsamkeit teilzunehmen. Ein weiterer Grund für dieses bislang in Deutschland einmalige systematische Screening: Die Zahl der Kaiserschnitte steigt seit Jahren stetig an. In Baden-Württemberg wird inzwischen fast jedes dritte Kind auf diese Weise entbunden, obwohl der Eingriff für Mutter und Kind körper-lich belastend ist, Risiken für Folgeschwangerschaften entstehen können und die Kinder später ein erhöhtes Risiko für Atemprobleme und Allergien haben. „Es hat sich gezeigt, dass Frauen, die unter Stress, Angst oder Depressionen leiden, sich eher einen Kaiserschnitt wünschen, auch wenn dieser medizinisch nicht unbedingt notwendig wäre“, sagt PD Dr. Stephanie Wall-wiener, Urheberin und Projektleitung von Mind:Pregnancy. Ein weiteres Ziel der Maßnahme ist daher, den Schwangeren die Ängste zu nehmen und mehr physiologische Geburten zu er-möglichen. Weniger Angst und Stress, mehr Selbstvertrauen und Lebensqualität „Mithilfe des Online-Angebotes werden Schwangere mit Anzeichen für eine psychische Belas-tung unter anderem im Umgang mit Ängsten und körperlichen Veränderungen geschult. Zu-dem sollen durch diese Maßnahme das Selbstvertrauen und die Lebensqualität gefördert

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werden“, sagt PD Dr. Stephanie Wallwiener. Das Angebot besteht aus acht wöchentlichen, ausschließlich digitalen Sitzungen, die sich aus verschiedenen Bestandteilen wie beispiels-weise Videos und Arbeitsblättern zusammensetzen. Die Sitzungen können via Computer, Tab-let oder über eine Smartphone-App bearbeitet werden. Am Ende jeder zweiten Sitzung senden die Teilnehmerinnen Rückmeldungen zu ihrer psychischen Belastung an die koordinierenden Stellen der Universitäts-Frauenkliniken. In dem insgesamt über dreieinhalb Jahre laufenden Projekt wird untersucht, ob die mit dem Mind:Pregnancy-Selbsthilfeangebot versorgten Schwangeren weniger depressive Symptome haben als Patientinnen, denen diese Form der Selbsthilfe nicht zur Verfügung steht und ob es möglich ist, mit Hilfe eines derartigen Angebo-tes die Kaiserschnittrate zu senken. Besonders wichtig für das Gelingen des Projekts ist die Kooperation mit den niedergelassenen Frauenärzten und hier insbesondere mit dem Berufsverband der Frauenärzte, Landesverband Baden-Württemberg. „Dieses Konzept ist besonders für die niedergelassenen Frauenärzte von Bedeutung und wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit“, erklärt Markus Haist, Vorsit-zender des Berufsverbandes der Frauenärzte Baden-Württemberg. Die baden-württembergi-schen Frauenärzte werden zurzeit gezielt über verschiedene Foren angesprochen. An einer Teilnahme interessierte Praxen können sich ab sofort unter mindpregnancy.de oder direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg registrieren lassen und erhalten im Laufe des vierten Quartals die erforderlichen Unterlagen für die Teilnahme am „Vertrag für mehr Achtsamkeit in der Schwangerschaft“. Von zu Hause aus Hilfe zur Selbsthilfe bekommen „Das Programm Mind:Pregnancy schließt eine Versorgungslücke, denn bisher erfolgt keine systematische Erhebung der psychischen Belastung von Schwangeren im Rahmen der Vorsor-geuntersuchungen“, sagt Prof. Dr. Markus Wallwiener, Geschäftsführender Oberarzt der Hei-delberger Universitäts-Frauenklinik. Im Erfolgsfall stellt das onlinebasierte Selbsthilfeangebot eine leicht zugängliche und kostengünstige Maßnahme dar, welche das Auftreten von psychi-schen Störungen und die Häufigkeit von Kaiserschnitten verringert und von Schwangeren zu Hause und ohne Wartezeiten durchgeführt werden kann. Durch das Screening und passende Maßnahmen in Abhängigkeit zum Ausmaß der psychischen Belastung lassen sich außerdem ungünstige Auswirkungen auf die geborenen Kinder deutlich verringern. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sich psychische Probleme in der Schwangerschaft negativ auf die motorische und geistige Entwicklung des Kindes auswirken können sowie mit kindlichen Verhaltensstörungen und ADHS in Verbindung stehen. „Die Da-tenlage verdeutlicht die Notwendigkeit wirksamer Screening-, Präventions- und Interventions-programme, um Hinweise auf psychische Störungen frühzeitig zu erkennen und den betroffe-nen Frauen Unterstützungs- und Therapieangebote zugänglich zu machen“, so Prof. Dr. Chris-tof Sohn, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. „Sollten die Projekt-Da-ten diese Annahmen bestätigen, wäre eine Ausweitung des Screenings im Rahmen der Regel-versorgung auf das gesamte Bundesgebiet sinnvoll.“ Konsortialpartner des Projektes sind das Institut Frauengesundheit Tübingen, die Universitäts-Frauenklinik Tübingen, die Ludwig-Maximilian-Universität München, die Universität Bielefeld, die Abteilung Psychosomatik der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen, die Techniker Krankenkasse, die mhplus Betriebskrankenkasse und die GWQ ServicePlus AG als

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Arbeitsgemeinschaft von Krankenkassen. Als Partner im Selektivvertrag nimmt der Berufsver-band der Frauenärzte teil. Kooperationspartner sind die AOK Baden-Württemberg, die Barmer Ersatzkasse und die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Geldgeber für das Pro-jekt ist der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Be-schlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Bei erfolgreicher Evaluation könnte das Projekt deutschland-weit und in Abstimmung mit allen an der Schwangerenversorgung beteiligten Akteuren Teil der von den gesetzlichen Krankenkassen übernommenen Regelversorgung werden. 22.01.2019 https://www.mindpregnancy.de

Gestationsdiabetes – mehr als ein Ernährungsproblem Die Forscher vermuten andere Mechanismen, basierend auf individuellen Risikofaktoren. Ei-nige Frauen könnten Diabetes entwickeln, weil sich ihre Bauchspeicheldrüse an den während der Schwangerschaft erhöhten Insulinbedarf nicht anpassen kann, andere, weil Muskeln und Leber resistenter gegen Insulin werden. Hintergrund • Gestationsdiabetes führt zu gesundheitlichen Problemen für Mutter und Kind, die weit über

die Schwangerschaft hinausgehen können. Laut den amerikanischen Federal Centers for Disease Control entwickeln etwa 50% der Frauen mit Gestationsdiabetes später Typ-2-Di-abetes. Babys, die einem Gestationsdiabetes ausgesetzt waren, entwickeln häufiger Typ-2-Diabetes und haben ein höheres Risiko, übergewichtig zu werden oder Fettleibigkeit zu entwickeln.

• In den letzten fünf Jahren nahmen mehr als 5.000 schwangere Frauen an klinischen Studien zur Begrenzung der Gewichtszunahme teil, um Schwangerschaftsdiabetes zu verhindern. Die werdenden Mütter verbesserten ihre Ernährungsqualität, aßen weniger und erhöhten ihre körperliche Aktivität. Sie entwickelten jedoch einen Gestationsdiabetes mit ungefähr derselben Rate wie Frauen, die ihre Ernährung oder ihr Aktivitätsniveau nicht verändert hatten.

Zielsetzung Die Forscher um Erstautor Dr. Jasper Most vom Pennington Biomedical Research Center in Louisiana, USA, untersuchten, ob bei Frauen mit Adipositas die Energiebilanz in der Schwan-gerschaft an der Ätiologie des Gestationsdiabetes beteiligt ist [1]. Dabei wendeten sie exakte wissenschaftliche Messmethoden an und verzichteten auf Selbstauskünfte der Probandinnen. Methodik • Die Forscher untersuchten in der fünfjährigen Studie 62 schwangere Frauen mit Überge-

wicht. Die Energieaufnahme wurde mithilfe von doppelt markiertem Wasser und der Än-derung der Körperenergiezusammensetzung bestimmt. Die Ermittlung der Kalorienzufuhr basierte auf einer Methode der Lebensmittelfotografie. Die körperliche Aktivität wurde mittels Kalorimetrie und der Beschleunigungsmessung gemessen.

Ergebnisse • Neun der 62 Studienteilnehmerinnen entwickelten innerhalb des Beobachtungszeitraums

von 12 Wochen (innerhalb des zweiten Trimesters) Gestationsdiabetes. Die Forscher

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beobachteten weder Unterschiede in der Energieaufnahme oder im Energieverbrauch noch in der Kalorien- oder Makro-Nährstoffzusammensetzung der Mahlzeiten der Patien-tinnen im Vergleich zu den nicht betroffenen Frauen.

• Auch die mit der Kalorimetrie und der Beschleunigungsmessung bestimmte körperliche Ak-tivität unterschied sich nicht zwischen den Schwangeren, die einen Gestationsdiabetes entwickelten, und denen, die keinen Gestationsdiabetes entwickelten. Ebenso beobachte-ten die Forscher keine Unterschiede in der Gewichtszunahme.

• Folgende Charakteristika unterschieden jedoch die Schwangeren mit Gestationsdiabetes von den gesund gebliebenen Schwangeren:

• Die Hauptrisikofaktoren für Gestationsdiabetes, wie übermäßige Fetteinlagerung und Insu-linresistenz, traten früh in der Schwangerschaft auf.

• Frauen, die einen Gestationsdiabetes entwickelten, waren tendenziell schwerer. Sie wogen 5 bis 17,5 kg mehr. Ihr Anteil an Körperfett war höher (3,5 bis 12,5 kg) und es fand sich deutlich mehr Fett um die Taille.

• Die Frauen mit Gestationsdiabetes hatten auch mehr Verwandte mit Diabetes, signifikant höhere Nüchternblutzuckerwerte und in ihrer Gruppe lag die Prävalenz von Prädiabetes höher.

Fazit • Die Autoren schließen aus ihren Daten, dass in der Schwangerschaft die Energiebilanz - die

zugeführten Kalorien im Verhältnis zu den verbrannten Kalorien - die Entwicklung des Schwangerschaftsdiabetes nicht bestimmen kann [2]. Eine Reduktion der Gewichtszu-nahme sei zur Prävention nicht ausreichend. Vielmehr müssten individualisierte Ansätze basierend auf persönlichen Risikofaktoren zum Einsatz kommen.

• In ihrer nächsten Studie hoffen die Wissenschaftler, die verschiedenen Arten von Gestati-onsdiabetes besser zu klassifizieren und die Energiebilanz zusätzlich zur Insulinsekretion zu untersuchen.

• Die Studienautoren betonen, die Ergebnisse der Studie bedeuten nicht, dass schwangere Frauen ihre Bemühungen um eine gesündere Ernährung und mehr körperliche Aktivität aufgeben sollten.

Autor: Dr. Elke Schlüssel (Medizinjournalistin) Stand: 23.01.2019 Quelle: Most et al. (2018): Is energy balance in pregnancy involved in the etiology of gestational dia-betes in women with obesity? Cell Metabolism; DOI: 10.1016/j.cmet.2018.12.002 Louisiana State University (07.01.2019): Balanced diet, exercise may not prevent gestational diabetes: New study suggests best treatments may be tied to individuals' risk factors. Science-Daily. http://www.sciencedaily.com/releases/2019/01/190107102829.htm https://www.gelbe-liste.de/diabetologie/gestationsdiabetes-ernaehrung

Opiatanwendung nach geplanter oder ungeplanter Sectio unterschiedlich? Zur Schmerzbehandlung nach einer Sectio werden auch Opiate eingesetzt. Unterscheidet sich die applizierte Menge in Abhängigkeit davon, ob die Sectio geplant oder ungeplant war?

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Für diese Untersuchung wurde der Opiatkonsum von 949 Frauen nach Sectio ausgewertet. Alle Kaiserschnitte fanden in Regionalanalgesie statt. Es wurde auch geprüft, welche Frauen einen hohen Morphinverbrauch aufwiesen. Als hoher Morphinverbrauch wurde innerhalb der ge-samten Untersuchungsgruppe ein Verbrauch definiert, der über der 75. Perzentile lag. Der mittlere tägliche Verbrauch lag bei täglich 48,6 mg bei geplanten und 44,6 mg Morphin bei ungeplanten Sectiones. Bei den Frauen mit hohem Verbrauch (>75. Perzentile) lag dieser bei 78,8 mg und 78,3 mg Morphin täglich. Damit war er sowohl in der Gruppe der geplanten als auch in der Gruppe der ungeplanten Sectiones gleich hoch. Auch die soziodemografischen und geburtshilfichen Einflussfaktoren waren in beiden Gruppen vergleichbar. Für ein Viertel der Frauen ist eine angemessene Schmerzstillung erst mit 10 Tabletten à 5 mg Oxynorm täglich erreichbar. Das stellt eine Herausforderung dar, weil die Gefahr der Abhän-gigkeit von Opiaten mit zunehmendem Konsum wächst und andererseits auch eine ausrei-chende postoperative Schmerzbehandlung notwendig ist. Der Zeitpunkt der Entscheidung zum Kaiserschnitt spielt dabei aber keine Rolle. Quelle: Prabhu M, Dolisca S et al.: Postoperative Opioid Consumption After Scheduled Com-pared With Unscheduled Cesarean Delivery. Obstetrics & Gynecology 2019. 133 (2) 354–363. https://journals.lww.com/greenjournal/Citation/2019/02000/Postoperative_Opioid_Con-sumption_After_Scheduled.17.aspx ∙ DHZ https://www.dhz-online.de/news/detail/artikel/opiatanwendung-nach-geplanter-und-unge-planter-sectio/

Passivrauchen: Vitamin C in der Schwangerschaft verbessert Lungenfunktion von Säug-lingen 10. Dezember 2018 Portland/Oregon – Eine Behandlung mit Vitamin C kann die Lungenschäden von Säuglingen, zu denen es durch das Tabakrauchen ihrer Mütter während der Schwangerschaft kommt, ab-schwächen. Dies ergab eine randomisierte kontrollierte Studie im American Journal of Respi-ratory and Critical Care (2018; doi: 10.1164/rccm.201805-1011OC). Jede zweite Raucherin schafft es während einer Schwangerschaft nicht, auf Zigaretten zu ver-zichten. Sie gefährdet dadurch die Gesundheit ihres Kindes, da das Nikotin über die Plazenta in den fetalen Kreislauf gelangt und die Entwicklung der Lungen beeinträchtigen kann. Dies konnte durch tierexperimentelle Studien belegt werden. Dort wurde auch beobachtet, dass Vitamin C möglicherweise in der Lage ist, die negativen Auswirkungen abzuschwächen. Cindy McEvoy von der Oregon State University in Portland und Mitarbeiter konnten bereits in einer früheren randomisierten Studie zeigen, dass eine Vitamin-C-Behandlung die Lungen-funktion von Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft geraucht hatten, verbessern kann. Die Untersuchungen waren damals innerhalb von 72 Stunden nach der Ge-burt durchgeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich die Lungenfunktion jedoch nicht ge-nau untersuchen. Die Forscher haben die Studie deshalb an einer zweiten Gruppe von Schwangeren wiederholt. Dieses Mal wurde die Lungenfunktion der Säuglinge im Alter von 3 Monaten untersucht. Zum Einsatz kam die RVRTC-Technik („raised volume rapid thoracic compression“). Dabei werden die Säuglinge mit Chloralhydrat sediert. Dann werden die Lungen über eine Gesichtsmaske mit

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einem bestimmten Druck belüftet. Anschließend wird die Luft durch eine kontrollierte Kom-pression des Thorax aus den Lungen herausgedrückt. Die Kompression wird über eine Weste erzeugt, die dem Säugling vor der Untersuchung angezogen wird, und die dann mit Druckluft gefüllt wird. An der aktuellen Studie nahmen 251 Schwangere teil, die nicht auf das Rauchen während der Schwangerschaft verzichten wollten. Sie wurden ab der 13. bis 23. Schwangerschaftswoche mit 500 mg/Tag Vitamin C oder Placebo behandelt – allen Frauen wurde während der Studie eine Raucherentwöhnung angeboten, doch nur etwa 10 % der Frauen gaben während der Stu-die das Rauchen auf. Primärer Endpunkt war der FEF75. Das ist der Luftstrom bei forcierter Exspiration, wenn 75 % der Luftmenge (forcierte Vitalkapazität) aus den Lungen gepresst wurden. Hier waren die Säuglinge, deren Mütter während der Schwangerschaft Vitamin C eingenommen hatten, ver-mutlich im Vorteil. Die FEF75 war mit 200,7 ml/s höher als in der Placebogruppe, wo 188,7 ml/s gemessen wurden. Die Differenz von 12 ml/s war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von minus 3,33 bis 35,64 jedoch nicht signifikant (ein Zufallsergebnis deshalb nicht ausgeschlos-sen). Signifikante Unterschiede wurden dagegen in der FEF50 (436,7 versus 408,5 ml/s; 95-%-Kon-fidenzintervall für die Differenz 6,10 bis 61,30) und in der FEF25-75 (387,4 versus 365,8 ml/s; 0,92-55,34) gemessen. Wie in der früheren Studie bestand eine Assoziation mit den genetischen Varianten „rs16969968“ im Gen für den nikotinergen Acetylcholin-Rezeptor Alpha 5. Bei Kindern mit die-ser Genvariante erzielte die Vitamin-C-Behandlung der Schwangeren eine etwas bessere Wir-kung als bei Kindern ohne die Genvariante. Dies bestätigt indirekt die Annahme, dass das Ni-kotin, das über die Plazenta den Organismus des Feten erreicht hat, dort auf den Nikotinre-zeptor einwirkt. Die Forscher bringen die Schädigung mit einem vermehrten oxidativen Stress durch das fetale Passivrauchen in Verbindung, der durch die Behandlung der Schwangeren mit Vitamin C ver-mindert wird. Dazu passt, dass die Raucherinnen vor Behandlungsbeginn niedrigere Vitamin-C-Konzentrationen im Blut hatten als Schwangere, die nicht rauchten. Die Forscher planen, die Lungenfunktion der Kinder weiter zu beobachten, um zu ermitteln, ob die Vitamin-C-Gabe langfristig die Gesundheit der Kinder beeinflusst. © rme/aerzteblatt.de

S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin 1. Februar 2019 Köln – Erstmals hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Fachgesellschaften bei der Erstellung einer interdisziplinären S3-Leitlinie unterstützt. Fachgesellschaften und IQWiG lobten die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) initiierte Zusammenarbeit. Für die neue S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ hatte die Leitliniengruppe acht Schlüs-selfragen formuliert, die das IQWiG gezielt untersuchen sollte. Diese reichten von der Gestal-tung der Geburtsumgebung über den Einsatz von Ultraschalluntersuchungen in den verschie-denen Geburtsphasen bis zur Mobilisation während der Geburt.

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Das IQWiG recherchierte die Studienlage zu diesen Aspekten, bewertete die Informationen und stellte sie anschließend in acht Evidenzberichten dar. Auf dieser Grundlage erarbeitet eine Leitliniengruppe unter Federführung der deutschen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sowie für Hebammenwissenschaft (DGHWi) derzeit Empfehlungen für die neue S3-Leitlinie. „Recherche und Bewertung von klinischen Studien können sehr aufwendig sein, weshalb die Expertise des IQWiG eine wertvolle Unterstützung bedeutet“, lobte Rainhild Schäfers (DGHWi) die hohe Qualität der IQWiG-Berichte. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) bewertete die Kooperation positiv. IQWiG-Leiter Jürgen Windeler bezeichnete sie als Paradebeispiel für das Zusammenspiel von IQWiG und Fachgesellschaften. „Die Ergebnisse unserer Nutzenbewertungen finden bislang nur selektiv und auf Umwegen Eingang in Leitlinien. Diesmal haben wir gezielt diejenigen Fra-gen bearbeitet, bei denen die Autoren der Leitlinie Klärungsbedarf sehen“, verdeutlichte der Institutschef. Während für S1-Leitlinien, die noch rund 45 Prozent aller Leitlinien ausmachen, lediglich ein „informeller Konsens“ der Autoren aus der Fachgesellschaft erforderlich ist, müssen S3-Leitli-nien „alle Elemente einer systematischen Entwicklung durchlaufen“. Das schließt unter ande-rem ein, dass wissenschaftliche Studien recherchiert und hinsichtlich ihrer methodischen Güte sowie ihrer klinischen Relevanz bewertet werden. Die neue S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ soll medizinischem Fachpersonal künftig bei natürlichen Geburten mehr Orientierung und Sicherheit in Hinblick auf ihre Entscheidungs- und Handlungsoptionen geben. © hil/sb/aerzteblatt.de https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/100845/IQWiG-und-Fachgesellschaften-erarbeiten-erstmals-gemeinsam-eine-S3-Leitlinie

Schwangerschaftserbrechen: Geringes Risiko für Kiefer-Gaumen-Spalten durch Ondanse-tron Die Einnahme von Ondansetron gegen Emesis gravidarum im ersten Trimester steigert nicht das allgemeine Risiko für embryonale Malformationen - auch nicht das für Herzfehlbildungen. Lediglich für Kiefer-Gaumen (LKG)-Spalten besteht ein geringgradig erhöhtes Risiko, so eine große epidemiologische Studie aus den USA. Den meisten Frauen bleibt es nicht erspart: morgendliche Übelkeit und Erbrechen zu Anfang der Schwangerschaft. Dagegen helfen Pyridoxin (Vitamin B6) oder das Antihistaminikum Doxylamin, die als sicher für den Embryo eingestuft werden. Auch Promethazin und Meto-clopramid werden bei heftigeren Beschwerden gelegentlich verordnet. Als am stärksten wirk-sam gilt derzeit der 5-HT3-Rezeptor-Antagonist Ondansetron – ein als Begleitmedikation bei Zytostatikatherapie bewährtes Antiemetikum. Obwohl es für den Einsatz bei Emesis gravida-rum nicht zugelassen ist, wird Ondansetron besonders in den USA häufig verordnet. Daten von 1,8 Millionen Schwangeren ausgewertet Jedoch haben sich in den letzten Jahren vereinzelt Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Herz-fehlern und Gaumenspalten ergeben, wenn Ondansetron zu Beginn der Schwangerschaft ein-genommen wurde. Wie es um die Risiken für den Fötus tatsächlich bestellt ist, hat das Team von Dr. Krista Huybrechts vom Brigham and Women’s Hospital in Boston untersucht. Dazu

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haben sie die Daten von über 1,8 Millionen Schwangeren aus der „Medicaid Analytic eXtract“ (MAX)-Datenbank ausgewertet. In die Analyse flossen als Verumgruppe die Daten von 88.467 Schwangeren (4,9%) ein, denen im ersten Trimester mindestens ein Rezept für Ondansetron ausgestellt worden war. Risiko für Kiefer-Gaumen-Spalten leicht erhöht Spaltenbildungen traten bei 124 der exponierten Kinder auf. Dies ergibt eine Häufigkeit von 14,0 auf 10.000 Geburten gegenüber 11,1 bei den nicht exponierten Kindern. Dieses Risiko blieb auch bestehen, wenn Kofaktoren ausgeschlossen wurden, also nur die Kinder mit glei-chen übrigen Eigenschaften verglichen wurden (Propensity-Analyse). Das Risiko einer Kiefer-Gaumen-Spalte hingegen lag auch nach Berücksichtigung aller Begleitumstände in der Ondan-setron-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe um etwa 20% höher (adj. RR 0,24; 95%-KI 1,03−1,48). Ondansetron steigert Herzfehler-Risiko nicht Das Risiko einer kardialen Fehlbildung betrug mit Ondansetron 94,4 pro 10.000 Schwanger-schaften und lag damit höher als in der Vergleichsgruppe mit 84,4 pro 10.000 Schwangerschaf-ten. Die Propensity-Analyse ergab dann aber ein anderes Bild: In Sachen Herzfehler ver-schwand der Unterschied zwischen den beiden Gruppen, sobald die Wissenschaftler Kofakto-ren berücksichtigten, die potenziell das Malformationsrisiko erhöhen können, wie Vorerkran-kungen der Mutter und damit verbundene Pharmakotherapien (adj. RR 0,99; 95%-KI 0,93−1,06). Insgesamt war das Risiko für Fehlbildungen unter Ondansetron nicht erhöht. In der Propensity-Analyse ergab sich ein relatives Risiko von 1,01 (95%-KI 0,98 -1,05) und einer Risikodifferenz von 5,4 auf 10.000 Kindern (95%-KI -7,3 -8,2) Fazit Die Analyse belegt, dass mit der Einnahme von Ondansetron im ersten Trimester weder das allgemeine noch das kardiale Fehlbildungsrisiko steigt. Huybrechts rät, die Frauen auf das leicht erhöhte Risiko für Kiefer-Gaumen-Spalten hinzuweisen, wenn ihnen Ondansetron zur Behandlung der Emesis gravidarum verordnet wird. Autor: Angelika Ramm-Fischer (Ärztin) Stand: 12.02.2019 Quelle: Huybrechts et al. (2018): Association of Maternal First-Trimester Ondansetron Use With Car-diac Malformations and Oral Clefts in Offspring. JAMA, DOI:10.1001/jama.2018.18307 https://www.gelbe-liste.de/gynaekologie/risiko-ondansetron-schwangerschaftserbrechen

»Lehrplan« für das Immunsystem Aus der Muttermilch und durch den Hautkontakt beim Stillen bekommt der Säugling Immun-zellen von der Mutter, deren Milch sich immer den aktuellen Herausforderungen anpasst. Die Entwicklung des kindlichen Darms beeinflusst auch die Gehirnreifung und die Gesundheit fürs spätere Leben. Wie wirken diese Schutz- und Steuerungsmechanismen? Erika Nehlsen, Insa Schulz-Ruhtenberg Das unreife, unerfahrene Immunsystem des Kindes ist ab der Geburt allen gefährlichen Kei-men des Umfeldes ausgesetzt. Es bekommt Unterstützung von vielen aktiven Immunzellen

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durch das Kolostrum, das bereits ab dem zweiten Trimenon der Schwangerschaft gebildet wird. Kolostrum gibt dem Neugeborenen eine Grundimmunisierung auf alle Keime aus dem Umfeld der Mutter, mit denen diese im Verlauf der Schwangerschaft und teilweise noch davor in Kontakt gekommen ist. 70 % des gesamten Zellanteils von 10.000 bis 13 Millionen Zellen in jedem Milliliter Kolostrum sind Immunzellen (IZ). Außerdem werden über die Gedächtniszellen »Anleitungen« zur gezielten Bekämpfung schäd-licher Keime geliefert. Dieser Schutz des Kindes beginnt direkt mit dem ersten Anlegen. Gleich-zeitig werden dem Kind zusätzliche nützliche Keime über die Milch und die Haut von Mamille und Areola mitgeliefert. Verschiedene Inhaltsstoffe der Muttermilch unterstützen die Besie-delung, das Wachstum und die Ausbreitung dieser nützlichen Keime. Dadurch wird pathogenen Keimen kein Raum gelassen und der Darm des Neugeborenen vor Infektionen geschützt. Die unreife kindliche Darmbarriere wird durch Auskleidung des Darms mit mütterlichen Immunzellen, Antikörpern und Reifungsstoffen in ihrer Funktion und Reifung gefördert. Immunzellen in der Muttermilch

• Im Kolostrum kommen Immunzellen (IZ) in anderen Mengenverhältnissen vor als im Blut der Mutter – eine spezielle Auswahl der IZ geht in die Milch (Makrophagen 40–50 %, Gra-nulozyten 40–50 %), Lymphozyten 5–10 %, davon 83 % T-Zellen, 4–6 % B-Zellen).

• Bei gesunder Mutter-Kind-Dyade gelangen bei reifen Kindern nach der zweiten Woche post partum kaum noch IZ in die Muttermilch

• Ausschließlich gestillte Kinder trinken durchschnittlich 760 ml/Tag, das sind Tausende bis Millionen IZ.

• Der Basislevel der IZ/ml Milch ist höher bei ausschließlichem Kritisches Zeitfenster rund um die Geburt Die Muttermilch-vermittelte Reifung des Neugeborenen-Immunsystems wird indirekt durch den Einfluss auf die Darm-Mikrobiota-Zusammensetzung und direkt durch die Auswirkungen der Muttermilchinhaltsstoffe auf die Darmepithelzellen und die dendritischen Zellfunktionen bewirkt. Der Darm, das »zweite Gehirn«, ist wichtig für die Gesundheit. Die physiologische Entwicklung der Darmwand (Diffusionsbarriere) und die Besiedelung des Darms mit einem günstigen Mik-robiom sind sehr störungsanfällig. Mikrobielle DNA stellt über 90 % des genetischen Materials im Körper und beeinflusst die Ge-sundheit. Diese Mikroorganismen leben mit uns in Symbiose und helfen zum Beispiel, Schwer-metalle zu binden, oder hindern Parasiten daran, sich auszubreiten. Die Mikrobiota nimmt Einfluss darauf, wie sich das Immunsystem des Körpers langfristig entwickelt, mit welchen Vi-ren und Pilzen wir gesundheitsneutral in Symbiose leben, ob wir orale Toleranz für unsere Nahrungsmittel entwickeln können (Ipci 2016) und wie die Reifung des Gehirns verläuft (Hoban 2016). Stillen beeinflusst die Immunantwort noch lange nach dem Abstillen. Die Erstbesiedelung des kindlichen Körpers sollte mit Keimen aus dem mütterlichen Spektrum sein. Ein besonders kritisches Zeitfenster liegt rund um die Geburt. Eine vaginale Geburt mit ausreichend ungestörtem Bonding im Haut-zu-Haut-Kontakt und anschließendem Stillen nach Bedarf ist daher Voraussetzung für die optimale Entwicklung des kindlichen Immunsystems. Zu dieser Zeit werden die Weichen für die gesundheitliche Zukunft des Kindes gestellt.

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Es gibt ein ganzes Arsenal an Schutzmechanismen in der Muttermilch. Viele dieser Immunhel-fer schützen nicht nur, während sie aktuell im kindlichen Körper wirken, sondern sie stellen auch einen Lehrplan dar, an dem sich das Immunsystem weiterentwickelt. Die Konzentration der meisten Immunfaktoren ist am höchsten im Kolostrum. Sie nimmt ab während der etab-lierten Laktation. So sind etliche Zytokine, Chemokine, Wachstumsfaktoren und Immunglobu-line mit anti-infektiöser, entzündungshemmender und immunmodulierender Wirkung im Ko-lostrum deutlich höher als in reifer Milch. Während immunmodulierende Kaseine im Verlauf der Stillzeit zunehmen. Etliche Abwehrstoffe in der Muttermilch steigen ab dem sechsten Le-bensmonat wieder an und erreichen in der Entwöhnungsphase gegen Ende des zweiten Le-bensjahres teilweise Werte wie im Kolostrum (Lawrence 2016). Schutzmechanismen in der Muttermilch (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

• Immunzellen der Muttermilch: Übertragung von direktem Schutz und Programmierung des Immunsystems.

• Makrophagen, Monozyten, Neutrophile sowie B- und T-Lymphozyten behindern und/oder zerstören Bakterien und Viren.

• Makrophagen im Muttermilch-Milieu haben außerdem Cortison-ähnliche Wirkung und ver-hüten Entzündungsreaktionen.

• ILCs (Innate Lymphoid Cells) beeinflussen Darmreife, Immunentwicklung, Autoimmunität, Aufrechterhaltung des balancierten Funktionszustandes lebenswichtiger Organe und Ho-möostase (Klose 2014).

• a-Laktalbumin und Fragmente davon senken den Blutdruck, reifen die Lungenzellen, modu-lieren die Immunreaktion: direkter Einfluss auf die B-Lymphozytenfunktion, unterdrückt T-Zell-abhängige und T-Zell-unabhängige Reaktionen.

• HAMLET (Human a-Laktalbumin Made Lethal to Tumourcells) wirkt gegen Infektionen, ver-nichtet Krebszellen, lässt resistente Keime wieder auf gängige Antibiotika reagieren

• Lactoferrin entzieht pathogenen Bakterien und Pilzen das nötige Eisen zum Wachstum und setzt ein bakterizides Peptid frei, zudem fördert es Wachstum und Reifung von Erythrozy-ten wenn es mit Eisen gesättigt ist und von Lymphozyten, wenn es nicht mit Eisen gesättigt ist, erkennt und vernichtet Krebszellen, verhütet Metastasen (siehe Seite 14ff.).

• sIgA (sekretorisches Immunglobulin A) wirkt gegen Bakterien, Viren, Toxine, aktiviert die Komplement-Reaktion, trägt zur oralen Toleranz bei.

• Nukleotide sind erforderlich für den schnellen Aufbau des kindlichen Immunsystems direkt nach der Geburt, ausgelöst durch den Kontakt mit Mikroben unter der Geburt.

• Haptocorrin (Vitamin B12-Bindungsprotein) macht Vitamin B12 für schädliche Organismen unzugänglich.

• Lysozyme sind aktiv gegen bestimmte Gram-negative und Gram-positive Bakterien.

• Prolaktin moduliert die Reifung des Immunsystems, unterstützt die Entwicklung und Diffe-renzierung von B- und T-Lymphozyten und beeinflusst die Entwicklung des GALT (Darm-assoziiertes Lymphgewebe).

• Oxytocin wirkt als Immunmodulator für die gesunde Hirnentwicklung.

• Wachstumsfaktoren regeln die gesunde Organentwicklung, unterstützen die Regeneration nach Erkrankungen.

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• Viele weitere Molkeneiweiße und Kaseine haben antimikrobielle und immunmodulatori-sche Funktionen.

• Die Fetttröpfchen in der Muttermilch bringen eine Spezialausrüstung mit: Spezielle Human-Milchfettglobulin-Antikörper auf ihrer Oberfläche binden Rota- und andere Viren, und ver-hindern so ihre Ausbreitung.

• Die kurzkettigen Fette aus dem Inneren des Tröpfchens aktivieren die Rezeptoren der T-reg Zellen und Gene der symbiotischen Bakterien, die dann die Tight Junctions (Diffusionsbar-riere) der Darmzellen regeln und so entzündungshemmend wirken. Das ist der Mechanis-mus, der das Leaky Gut Syndrom mit all seinen Folgen verhindert.

• Viele der freien Fettsäuren in der Muttermilch sind antimikrobiell aktiv und zerstören Para-siten wie Lamblien und Viren mit Hülle.

• Micro-RNA sind reichlich in den Exosomen der Muttermilch enthalten, können kindliche RNA überschreiben, modulieren das Immunsystem.

• HMO (Human Milk Oligosaccharide) ernähren eine Auswahl gezielter Bakterien, die soge-nannte Bifidusflora für die Besiedelung des Darms und aller sekretorischen Organe (ge-sunde Funktionalität). HMO sind hochindividuell in Abhängigkeit von Blutgruppenfaktoren und Lebensumfeld der Mutter, strukturell einzigartig in ihrer Vielfalt (bis zu 200 verschie-dene). Sie bilden in Zusammenarbeit mit der »richtigen« Mikrobiota Bausteine für gesun-den Hirnaufbau und -reifung, Darm, Immunsystem (einige sind antibiotisch).

• Microbiom: Bakterien werden gezielt in den Immunzellen der Muttermilch transportiert und interagieren im Organismus des Kindes mit anderen Immunkomponenten der Milch und den Darmzellen des Kindes bei der Herstellung von Botenstoffen und der Program-mierung des Immunsystems.

Dynamischer Schutz Dynamischer Schutz bedeutet: Anpassung an die aktuelle Gesundheitssituation von Mutter und Kind. Stillen verlängert den Nestschutz und bietet zusätzlich einen Vorteil, der vielleicht noch nicht so bekannt ist: In der Realität des Lebens bleibt es nicht aus, dass Mutter und Kind auch mal getrennt sind, etwa wenn ein Frühgeborenes auf die Neonatologie muss oder ein reifes Stillkind in die Kita. In dem Fall kommt das unreife Abwehrsystem des Kindes zwangs-läufig mit einem fremden Keimspektrum in Kontakt. Wenn Mutter und Kind sich zum Stillen wiedertreffen (auch ohne Milchübertragung bei Frühgeborenen!), »impft« das Kind seine Mutter mit den ihr fremden Keimen. Die Keime gelangen direkt in die Brust. Das mütterliche

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System reagiert schneller und erfahrener als das kindliche und gibt mit der Milch die Reaktion in Form von gezielten Immunzellen und Abwehrstoffen weiter. Dabei steigt die Menge an IZ in der Milch rapide an, auch Makrophagen, TNF, Lactoferrin, sIgA. Voraussetzung für diesen Vor-gang ist direkter Mund-Brust-Kontakt! Mechanische Barrieren wie Stillhütchen oder aus-schließliches Pumpen ohne Mund-Brust-Kontakt verhindern den Keimaustausch. Die Mutter-Kind-Interaktion des Stillens steuert die Zusammensetzung der Muttermilch in An-passung an die aktuelle Situation. Wenn ein Kind erkrankt ist, wird es von der Mutter vermehrt gestillt, um es zu trösten, zur Schmerzlinderung und bei Fieber auch, um den Durst zu stillen. Dabei überträgt es die Flora, Körpertemperatur und wahrscheinlich auch chemische Boten-stoffe aus dem Mund-Nasen-Rachenraum auf die Brust, die als aktives immunologisches Organ bei den nächsten Stillmahlzeiten vermehrt Abwehrstoffe mit der Milch an das Kind abgibt. Wenn die Mutter krank wird, erhöhen sich ebenfalls die Abwehrstoffe der Milch, um das stil-lende Kind zu schützen. Der aktuelle Forschungsstand geht davon aus, dass die Inhaltsstoffe der Muttermilch mit den kindlichen Zellen in Interaktion treten und so langfristig die Gesundheit beeinflussen. Die Aus-prägung des genetischen Potenzials des Kindes hängt davon ab, dass bestimmte Triggerfakto-ren eine Entwicklung anstoßen. Die Inhaltsstoffe der Muttermilch lenken die Entwicklung in physiologische Bahnen. Fehlfunktionen und Autoimmungeschehen, auch im späteren Leben, nehmen hier ihren Anfang. Für einige Immunsystem-abhängige Erkrankungen ist bekannt, dass die initiale, durch Stillen unterstützte, physiologische Mikrobiota epigenetisch die Krankheitsentstehung unterdrückt. Das gilt etwa für Allergien, Asthma, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes mel-litus I und Adipositas. Dieser Prozess ist Dosis-abhängig. Längeres und möglichst ausschließli-ches Stillen reduziert das Risiko der Erkrankungen. Die Gesundheit des ganzen späteren Lebens wird also durch die initiale Manifestation der Immunreaktion mitbestimmt. Krebs im Kindesalter ist bei gestillten Kindern seltener, besonders Leukämien und Lymphome. Das hat auch mit den Inhaltsstoffen der Muttermilch zu tun. Zum einen sind in der Milch pluri-potente Stammzellen enthalten, die die richtige Entwicklung der Gewebe steuern und mögli-che Verletzungen reparieren. Zum anderen gibt es Mechanismen, die Krebszellen direkt be-kämpfen. Der Darm mit Mikrobiota und das Gehirn stehen in ständigem Austausch. Mit der gesunden Entwicklung des Gehirns eng verbunden sind der spätere IQ und auch die neurologischen Re-gelkreise, das persönliche Temperament und soziale Fähigkeiten. Durch nützliche Bakterien im Gehirn und vermehrte Oxytocin-Freisetzung beim Kind durch Stillen können Erkrankungen wie Depressionen, Autismus, Schizophrenie und ADHS reduziert werden. Einige dieser Effekte können sogar epigenetisch an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Das Immunsystem des Neugeborenen funktioniert nur dann richtig, wenn es mit den durch Stillen gesteuerten Komponenten der Muttermilch interagieren kann und komplettiert wird. Immunmodulierende Faktoren, diätetische Komponenten und Immunglobuline der Mutter-milch stimulieren die Reifung des kindlichen Immunsystems, das dann nach dem Abstillen au-tonom funktionieren kann.

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Wie ein Schutzanstrich Der Darm ist das empfindlichste Organ des Neugeborenen, er ist für Mikroorganismen und Fremdeiweiße leicht durchdringlich. In der Zeit ungenügender eigenständiger Immunreaktion geben IZ und weitere Inhaltsstoffe der Muttermilch direkten Schutz vor Infektionen. Kolostrum und Muttermilch kleiden den Darm aus wie eine Tapete oder ein Schutzanstrich. Wachstums- und Reifungsfaktoren sowie sIgA in Zusammenarbeit mit der Mikrobiota »erziehen« den Darm. Sie steuern die Nährstoffaufnahme, induzieren die orale Toleranz, unterstützen das Wachstum des Bürstensaumes und festigen die Darmbarriere. So lernt der Darm, nützliche Bakterien und Fremdstoffe entzündungsfrei zu tolerieren und schädliche Erreger und Stoffe abzuwehren Muttermilch stellt nicht nur einen individuell angepassten Akut-Infektionsschutz, sondern auch eine Entwicklungssteuerung dar: Alle Inhaltstoffe haben spezielle Funktionen zur Unter-stützung oder Reifung der Organentwicklung des Kindes. Geburt und frühe Ernährung sind wichtige Zeitfenster genetischer und funktionaler Entwicklung der menschlichen Evolution. Durch Eingriffe provozieren wir epigenetische Entwicklungsänderungen. Veränderte Gen-Ex-pressionen erhöhen das Risiko für die Kinder, an Infektionen, metabolischen, neurologischen, psychischen und/oder Autoimmunerkrankungen zu leiden.

Abbildung 3: Die Mutter-Kind-Interaktion des Stillens steuert die Zusammensetzung der Mut-termilch und umgekehrt. Preterm-Milch Besonderheiten der Milch von Frauen, deren Baby vor der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen ist:

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• Immunstoffe sind überproportional vorhanden: Lactoferrin, IL-6, TGFb1, TGFb2.

• Der Eiweißanteil wandelt sich nach rund vier Wochen langsam in reife Muttermilch und ist mit fünf bis sieben Wochen post partum erreicht.

• Lymphozyten bleiben vermehrt für einige Zeit darüber hinaus.

• Kolostrum nach extremer Frühgeburt hat noch höhere Konzentrationen relevanter Im-munstoffe wie IgA, IL-6, TNF-a, IL-4, IL-17, MCP-1, MIP-1b, IL-5, IL-7, G-CSF (Moles 2015).

• Stammzellen der Muttermilch, Lactoferrin, Nervenwachstumsfaktoren sowie Erythro-poietin unterstützen die Regeneration des kindlichen Gehirns nach Hirnblutungen (Kel-ler 2019).

Rubrik: 1. Lebensjahr | DHZ 03/2019 Literatur Allen-Blevins CR, Sela DA, Hinde K: Milk bioactives may manipulate microbes to mediate par-ent-offspring conflict. Evol Med Public Health 2015. Apr 2; (1): 106–21. doi: 10.1093/emph/eov007 Bode L: Human milk oligosaccharides: Every baby needs a sugar mama. Glycobiology 2012. Sep; 22(9): 1147–1162. Published online 2012 Apr 18. doi: 10.1093/glycob/cws074 Borre YE, O'Keeffe GW, Clarke G, Stanton C, Dinan TG, Cryan JF: Microbiota and neurodevel-opmental windows: implications for brain disorders. Trends Mol Med 2014. Sep;20(9):509–18. doi: 10.1016/j.molmed.2014.05.002. Epub 2014 Jun 20 https://www.dhz-online.de/no_cache/das-heft/aktuelles-heft/heft-detail-lese-probe/artikel/ein-arsenal-der-abwehrkraft/

Stillen kann mehr als 30 Jahre vor Ovarialkrebs schützen Erkenntnis

• Stillen ist mit einer Senkung des Risikos für epithelialen Ovarialkrebs (EOC) von 30 % asso-ziiert; dieser Zusammenhang blieb mehr als 30 Jahre bestehen.

• Stillen für 3 Monate war mit einer statistisch signifikanten Reduktion des Risikos assoziiert.

• Eine längere Stilldauer und häufigere Stillzeiten waren mit einem höheren Schutz assoziiert. Warum das wichtig ist • Maßnahmen zur Ermutigung und Unterstützung von Frauen zum Stillen könnten das EOC-

Risiko reduzieren. Studiendesign • Die Studie umfasste 689 EOC-Inzidenzfälle und 1.572 gesunde Frauen. Finanzierung: National Cancer Institute Wesentliche Ergebnisse

• Frauen, die eines ihrer Kinder stillten, wiesen ein signifikant geringeres Risiko für EOC auf (OR: 0,70; 95 %-KI: 0,58–0,85) als Frauen, die nie stillten.

• Erst kürzlich erfolgtes Stillen ist mit einer Risikoreduktion von 44 % assoziiert (OR: 0,56; [95 %-KI: 0,32–0,95] für die Dauer seit der letzten Stillzeit innerhalb der letzten 10 Jahre).

• Der Zusammenhang nahm ab, blieb aber für > 30 Jahre seit der letzten Stillzeit signifikant (OR: 0,69; 95 %-KI: 0,53–0,88)

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• Eine Stillzeit von durchschnittlich 3 Monaten war mit einem reduzierten Risiko assoziiert (OR: 0,73; 95 %-KI: 0,58–0,80).

• Eine längere Stilldauer war ebenfalls mit einem reduzierten Risiko assoziiert (verglichen mit gar keiner Stillzeit; ORs für < 1 und > 1 Jahr: 0,75 [95 %-KI: 0,61–0,94] und 0,62 [95 %-KI: 0,47–0,80]).

• Eine höhere Anzahl von Stillzeiten war mit einer höheren Risikoreduktion assoziiert (p-Ten-

denz = 0,01). Modugno F, Goughnour SL, Wallack D, Edwards RP, Odunsi K, Kelley JL, Moysich K, Ness RB, Brooks MM. Breastfeeding factors and risk of epithelial ovarian cancer. Gynecol Oncol. 2019. Jan 25 [Epub ahead of print]. doi: 10.1016/j.ygyno.2019.01.017. https://www.univadis.de/viewarticle/stillen-kann-mehr-als-30-jahre-vor-ovarialkrebs-schuetzen-653825

Erster Schutz: Bei Neugeborenen dominieren natürliche Killerzellen das Immunsystem des Darms Nicola Siegmund Schultze Kernbotschaften Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) bilden neuen Studienergebnissen zufolge die größte Popu-lation der Immunzellen im Darm von Kindern kurz nach der Geburt. Diese NK-Zellen sind ein erster Schutz gegen Virusinfektionen, dieser hat aber durchaus Lücken. NK-Zellen werden im Verlauf des ersten Lebensjahrs sukzessive durch zytotoxische T-Lymphozyten ersetzt. Hintergrund Neugeborene haben zwar Immunfunktionen, aber diese laufen auf Sparflamme. Die Reaktivi-tät auf inflammatorische Stimuli ist im Vergleich zu einem voll ausgebildeten Immunsystem schwach, auch deshalb, um bei der großen Zahl neuer, exogener Stimuli nach der Geburt keine überschießenden Immunreaktionen auszulösen. Die adaptive Immunität entwickelt sich erst im weiteren Verlauf nach der Geburt. Bislang war die Reifung des Immunsystems hauptsäch-lich auf Basis von Blutuntersuchungen, nicht aber auf Basis von Gewebe untersucht worden. Ein Wissenschaftsteam des Heinrich-Pette-Instituts in Hamburg hat nun die Populationen der Immunzellen im Darmgewebe von Kindern innerhalb des ersten Lebensjahres quantitativ und qualitativ charakterisiert. Design

• molekularbiologische und immunhistochemische Analyse der Immunzellen in Dünndarm-gewebe und im peripheren Blut von Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres (median: 5,5 Monate) und von Erwachsenen (median: 57 Jahre)

• Gewinnung des Gewebes nach Zustimmung der Spender oder der Erziehungsberechtigten bei operativer Korrektur angeborener gastrointestinaler Fehlbildungen oder Ileostomie.

Hauptergebnisse Bei der Geburt dominieren NK-Zellen das Immunsystem im Darm. Die Expression des Tran-skriptionsfaktors Eomesodermin (Eomes) ist hoch. Eomes gilt als einer der wichtigsten Regu-latoren der Entwicklung, Reifung und Funktion von NK-Zellen und anderen Lymphozyten. Die NK-Zellen des Neugeborenen degranulieren bei Stimulation stärker als die von Erwachsenen, sie bilden außerdem mehr Perforine und Granzyme. Nach der Geburt werden die Eomes+ NK-

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Zellen sukzessive durch Eomes+ T-zytotoxische Zellen ersetzt. Diese sind Teil des adaptiven Immunsystems und werden antigenspezifisch aktiviert. Klinische Relevanz Das Darmimmunsystem des Neugeborenen machen vor allem NK-Zellen als Teil der angebo-renen Immunität aus. Trotz einer im Vergleich zu Erwachsenen stärkeren Degranulationsfunk-tion von NK-Zellen des Neugeborenen bestehen häufig Lücken im Immunschutz gegen virale und bakterielle Infektionen, vor allem in der Phase, in der die passive Immunität durch die Antikörper der Mutter nachlässt und die Kinder noch zu jung sind für eine Impfung. Es werde nun untersucht, wie man die NK-Zellen dazu nutzen kann, um die Kontrolle über Virusinfekti-onen bei Kindern zu verbessern, so die Autoren. Finanzierung: öffentliche Mittel Sagebiel AF, Steinert F, Lunemann S, et al.: Tissue-resident Eomes+ NK cells are the major in-nate lymphoid cell population in human infant intestine. Nature Communications 2019; https://doi.org/10.1038/s41467-018-08267-7 https://www.univadis.de/viewarticle/erster-schutz-bei-neugeborenen-dominieren-natuerli-che-killerzellen-das-immunsystem-des-darms-660208

Falsch-positives Neugeborenen-Screening auf Isovalerianazidämie nach Anwendung von Pivmecillinam in der Schwangerschaft („Aus der UAW-Datenbank“) Deutsches Ärzteblatt, Jg. 116, Heft 9, 01.03.2019 Das Antibiotikum Pivmecillinam ist ein Prodrug des Betalaktamantibiotikums Mecillinam. Es wirkt vor allem gegen gramnegative Bakterien bakterizid, indem es die Biosynthese der Bak-terienzellwand stört (1;2). Je nach Präparat und Dosierung ist es bei Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren zugelassen zur Behandlung der akuten unkomplizierten Zystitis und anderer unkomplizierter Infektionen des unteren Harntrakts, die durch Mecillinam-empfindliche Bak-terien hervorgerufen wurden (1;2). Es wird auch zur Behandlung der akuten unkomplizierten Zystitis in der Schwangerschaft angewendet (1–3). Der AkdÄ wurde der Fall eines klinisch gesunden neugeborenen Jungen gemeldet, bei dem im Rahmen des Neugeborenen-Screenings eine erhöhte Konzentration von C5-Acylcarnitin auf-gefallen war (C5: 3,5 µmol/l [Referenzwert < 0,51], C5/C8 Ratio: 71,6 [< 9,26]), weswegen er notfallmäßig aufgrund des Verdachts einer Isovalerianazidämie stationär aufgenommen wurde. Die Ernährung mit Muttermilch wurde unterbrochen und neben Glukoseinfusionen auf eine eiweißfreie Spezialnahrung umgestellt. Das freie Carnitin lag an der unteren Grenze des Normbereichs (14,7 µmol/l [7,01–55]), sodass eine Substitution mit Carnitin (3 × 100 mg/d) begonnen wurde. In Kontrollen nach der stationären Aufnahme bestätigten sich zunächst die auffälligen Werte. Die Aminosäurenanalytik ergab keinen auffälligen Befund. Isovalerylcarnitin im Urin war mit 16,9 µmol/mol Kreatinin [< 3] zwar erhöht, Isovalerylglycin war aber nicht nachweisbar. Somit wurde die Verdachtsdiagnose auf Isovalerianazidämie bei dem Jungen nicht bestätigt. Im Verlauf normalisierten sich die auffälligen Stoffwechselwerte und die stationäre Behand-lung konnte beendet werden. Das Kind konnte mit Muttermilch ernährt und die Substitution mit Carnitin abgesetzt werden.

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Als mögliche Ursache für den falsch-positiven Screening-Befund wird eine antibiotische Be-handlung der Mutter mit Pivmecillinam (2 × 400 mg/d) wegen einer Harntransportstörung kurz vor der Geburt genannt. Die Isovalerianazidämie (IVA) ist eine seltene angeborene Störung des Leucinstoffwechsels, verursacht durch einen Defekt des Enzyms Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase. Der Defekt führt zu einer Akkumulation von Isovaleryl-CoA und dessen Metaboliten (z. B. Isovalerylcarnitin) im Blut und zu erhöhter Ausscheidung von Isovalerylglycin im Urin (4–6). Die Neugeborenen sind bei Geburt häufig klinisch unauffällig. (Unspezifische) Symptome wie Fütterungsstörungen, Erbrechen, muskuläre Hypotonie sowie Lethargie bis hin zum Koma treten aber häufig inner-halb der ersten zwei Lebenswochen bei nicht diagnostizierten, unbehandelten Neugeborenen auf (5;7). Gefährdet sind die Kinder insbesondere durch rezidivierende Episoden der metabo-lischen Dekompensation mit schweren Azidosen (5). Die langfristige Therapie besteht vor al-lem in einer Leucin-reduzierten Diät und der Gabe von L-Carnitin, ggf. ergänzt durch Glycin (4;5). Um die IVA bereits vor Auftreten von Symptomen zu detektieren und ggf. durch eine entsprechende Diät spätere Komplikationen zu vermeiden, ist in Deutschland das Screening auf IVA im erweiterten Neugeborenen-Screening enthalten (8). Pivmecillinam ist der Pivaloyloxymethylester von Mecillinam. Es wird nach oraler Applikation gut resorbiert und anschließend im Körper zum aktiven Wirkstoff Mecillinam sowie zu Pivalin-säure hydrolysiert. Pivalinsäure wird teilweise als Konjugat mit Carnitin ausgeschieden (1;2). Pivaloylcarnitin ist in der Massenspektrometrie, die im Neugeborenen-Screening eingesetzt wird, isobar zu Isovalerylcarnitin, wodurch es zu einer Peaküberlagerung kommen kann, die eine Isovalerianazidämie vermuten lässt (9–11). Durch geeignete ergänzende Testverfahren können Isovalerylcarnitin und Pivaloylcarnitin unterschieden und so falsch-positive Ergebnisse beim Neugeborenen-Screening durch Peaküberlagerung vermieden werden (7;10–12). Zusammenfassung und Empfehlung der AkdÄ: Die mütterliche Einnahme von Pivmecillinam kurz vor der Geburt kann zu falsch-positiven Screening-Befunden mit Verdacht auf IVA beim Neugeborenen führen. Bei Verdacht auf IVA sollten die Neugeborenen umgehend in einem Zentrum mit Erfahrung in der Diagnostik und Therapie von angeborenen Stoffwechselstörungen weiter untersucht und behandelt werden. Ärzte sollten die Möglichkeit falsch-positiver Screening-Befunde kennen und bei der Anam-nese gezielt nach einer Behandlung der Mutter mit Pivmecillinam in den Tagen vor der Geburt fragen. Da Pivalinsäurederivate (als Neopentanoat) auch als Weichmacher z. B. in Salben zur Pflege der Brustwarzen enthalten sein können, sollte gezielt auch danach gefragt werden (7;13). Wenn ein Pivmecillinam-bedingter falsch-positiver Befund vermutet wird, sollte mit einem ge-eigneten Zweitverfahren die Diagnose verifiziert werden. Die Screening-Protokolle sollten so modifiziert werden, dass bei Verdacht auf IVA immer ein Bestätigungstest vom Labor durch-geführt wird, um den Anteil an falsch-positiven Befunden zu minimieren. Schließlich sollte ein Hinweis auf mögliche falsch-positive Screening-Befunde bei Anwendung Pivmecillinam-haltiger Arzneimittel kurz vor der Geburt in die Fachinformationen aufgenom-men werden. Literatur LEO Pharma A/S: Fachinformation „X-Systo® 400 mg Filmtabletten“. Stand: März 2017.

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Apogepha Arzneimittel GmbH: Fachinformation „Pivmelam® 200 mg/400 mg Filmtabletten“. Stand: September 2017. Leitlinienprogramm DGU, AWMF: Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, The-rapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harn-wegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Version 1.1.-2: https://www.awmf.org/uplo-ads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf (letzter Zugriff: 17. Dezember 2018). AWMF Registernummer: 043/044, 2017. Pinto A, Daly A, Evans S et al.: Dietary practices in isovaleric acidemia: A European survey. Mol Genet Metab Rep 2017; 12: 16–22. El-Hattab AW: Inborn errors of metabolism. Clin Perinatol 2015; 42: 413–439. Schlune A, Riederer A, Mayatepek E, Ensenauer R: Aspects of newborn screening in isovaleric acidemia. Int J Neonatal Screen 2018; 4: 7. Bonham JR, Carling RS, Lindner M et al.: Raising awareness of false positive newborn screening results arising from pivalate-containing creams and antibiotics in Europe when screening for isovaleric acidaemia. Int J Neonatal Screen 2018; 4: 8. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Richtlinie über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern (Kinder-Richtlinie: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1537/RL_Kin-der_2017-10-19_iK-2018-03-16.pdf (letzter Zugriff: 4. November 2018). In Kraft getreten am 16. März 2018. Abdenur JE, Chamoles NA, Guinle AE et al.: Diagnosis of isovaleric acidaemia by tandem mass spectrometry: false positive result due to pivaloylcarnitine in a newborn screening pro-gramme. J Inherit Metab Dis 1998; 21: 624–630. Carling RS, Burden D, Hutton I et al.: Introduction of a simple second tier screening test for C5 isobars in dried blood spots: Reducing the false positive rate for isovaleric acidaemia in ex-panded newborn screening. JIMD Rep 2018; 38: 75–80. Poggiali S, Ombrone D, Forni G et al.: Reducing the false-positive rate for isovalerylcarnitine in expanded newborn screening: the application of a second-tier test. J Inborn Errors Metab Screen 2016; 4: 1–7. Minkler PE, Stoll MSK, Ingalls ST, Hoppel CL: Selective and accurate C5 acylcarnitine quantita-tion by UHPLC-MS/MS: Distinguishing true isovaleric acidemia from pivalate derived interfer-ence. J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci 2017; 1061–1062: 128–133. Boemer F, Schoos R, de Halleux V et al.: Surprising causes of C5-carnitine false positive results in newborn screening. Mol Genet Metab 2014; 111: 52–54. Verwandte Dokumente zu diesem Thema: Falsch-positives Neugeborenen-Screening auf Isovalerianazidämie nach Anwendung von Piv-mecillinam in der Schwangerschaft („Aus der UAW-Datenbank“) Deutsches Ärzteblatt, Jg. 116, Heft 9, 01.03.2019 Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und Medikationsfehlern Hier können Sie über unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Medikationsfehler (auch Ver-dachtsfälle) an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gemäß der Be-rufsordnung für Ärzte berichten.

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Fieberkrampf: Eltern grundsätzlich stationäre Aufnahme vorschlagen Autor: Dr. Alexandra Bischoff Das Kind verliert das Bewusstsein und fängt an zu zucken – ein Fieberkrampf, der Albtraum aller Eltern. Der Anfall klingt meist ohne weitere Komplikationen ab. Trotzdem sollten Sie be-sonders empathisch vorgehen. Ein Fieberkrampf wird von den Eltern als „maximal beängstigend“ empfunden. Deshalb ist es essenziell, dass der behandelnde Arzt einfühlsam und kompetent auftritt. Dazu gehört auch, genug Zeit für die Aufklärung der Eltern einzuplanen, um sie falls nötig in die individuelle Not-fallmedikation einzuweisen, schreiben Dr. Michaela V. Bonfert von der Kinderklinik und Kin-derpoliklinik im Dr. Hauner’schen Kinderspital München und Kollegen. Die Fieberreaktion ist ein Syndrom aus der Gruppe der epileptischen Gelegenheitsanfälle – keine Epilepsie. Die Krämpfe treten bei etwa 2–6 % der Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jah-ren auf. Oft steckt hinter dem Fieber ein einfacher viraler Infekt (s. Kasten). Bei akuten Infek-tionen des ZNS (Meningitis oder Enzephalitis) spricht man definitionsgemäß nicht von einem Fieberkrampf. Häufige Begleiter

• Atemwegsinfekt (38 %)

• Otitis media (23 %)

• Pneumonie (15 %)

• Gastroenteritis (7 %)

• Exanthema subitum (5 %)

• Nicht-infektiös (12 %; z.B. nach Impfungen) Der Anfall entsteht durch eine herabgesetzte Erregbarkeitsschwelle des Kortex bei erhöhter Körpertemperatur. Häufig krampfen die Kinder während des ersten raschen Temperaturan-stiegs, es kann aber auch bei Abklingen des Fiebers passieren. In 70 % der Fälle ist es ein einfacher Fieberkrampf, der weniger als 15 Minuten dauert. Die Reaktion verläuft generalisiert (hypomotorisch) und ohne weitere Komplikationen oder Lang-zeitfolgen für die sechs Monate bis fünf Jahre alten Patienten. Meist ist keine umfangreiche Diagnostik nötig. Zwei Anfälle an einem Tag sind bereits kompliziert Komplizierte Fieberkrämpfe sind seltener (30 %). Sie haben entweder einen fokalen Verlauf (meist motorisch), überschreiten die 15 Minuten oder betreffen Kinder unter sechs Monaten bzw. über fünf Jahre. Von kompliziert spricht man außerdem, wenn es innerhalb von 24 Stun-den zu weiteren Anfällen kommt oder wenn die Betroffenen postiktal neurologische Defizite aufweisen. Rezidive werden durch eine Fiebersenkung nicht verhindert, was die Eltern unbe-dingt wissen sollten. Diagnostik • Kinder unter 18 Monaten sollten nach einem ersten einfachen Fieberkrampf immer statio-

när überwacht werden. Ist der Auslöser eines einfachen Krampfes unklar, helfen Blutbild, CRP, U-Stix etc. weiter.

• Eine zusätzliche Liquordiagnostik ist indiziert, wenn mindestens eines der folgenden Krite-rien erfüllt ist:

o Alter < 12, ggf. < 18 Monate

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o Hinweise auf eine intrakranielle Infektion/Meningitis; Risikofaktoren für eine Me-ningitis (z.B. unklarer Impfstatus bzgl. Haemophilus influenzae Typ b, Streptococcus pneumoniae oder Cochleaimplantate)

o klinische Meningismus-Zeichen (z.B. Nackensteife, Kernig-Zeichen, Brudzinski-Zei-chen)

Sind die Kinder älter und in einem Zustand, der keine stationäre Diagnostik oder Therapie er-fordert, kann auf die stationäre Aufnahme verzichtet werden. Voraussetzung dafür ist, dass Sie die Angehörigen über das weitere Vorgehen aufgeklärt haben. Um die Eltern nicht zu über-fordern, sollte dennoch grundsätzlich eine Aufnahme angeboten werden, raten Dr. Bonfert et al. Befindet sich der kleine Patient in einem schlechten klinischen Zustand ist die stationäre Auf-nahme indiziert. Auch Kinder nach einem komplizierten Fieberkrampf sollten stationär über-wacht werden. Benzos nur bei hoher Frequenz oder ab dreiminütigem Krampf Bei ihnen werden zudem ein Routinelabor (inkl. Elektrolyte und Serumglukosespiegel), ein EEG, eine zerebrale Bildgebung (Sonographie, cCT) sowie eine Lumbalpunktion empfohlen. Besteht der Verdacht auf eine ZNS-Infektion, ist eine sofortige antibiotische oder antivirale Therapie indiziert. Hierbei gilt es zu beachten, dass bei Kindern unter 18 Monaten die klinisch eindeutigen Zeichen einer ZNS-Infektion häufig fehlen oder nur schwach ausgeprägt sind. Da-her empfehlen die Experten in diesen Fällen, sich gegebenenfalls über die Lumbalpunktion abzusichern. Therapie • In der Regel klingen die Anfälle von selbst schnell ab. Ab einer Dauer von fünf Minuten

erhöht sich das Risiko eines Status epilepticus (> 30 min). Hält ein wiederkehrender Anfall länger als drei Minuten an, empfehlen Dr. Bonfert und Kollegen den Eltern, ein Benzodia-zepin zu verabreichen, zum Beispiel rektales Diazepam oder bukkales Midazolam (off la-bel). Krampft das Kind weiter, wird die Gabe nach zehn Minuten in der gleichen Dosierung wiederholt oder, falls der Notarzt vorher eintrifft, möglichst intravenös gegeben.

• Die intermittierende Therapie mit Benzodiazepinen sollte aufgrund der Nebenwirkungen nur in Ausnahmen (hohe Frequenz in kurzer Zeit oder prolongierte Dauer) erfolgen. Von einer Dauertherapie raten die Experten ab. In diesen Fällen sollte erst die Diagnose kritisch geprüft werden.

Quelle: Bonfert MV et al. Kinder- und Jugendarzt 2018; 49: 694-696 23.01.2019 https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/fieberkrampf-eltern-grund-saetzlich-stationaere-aufnahme-vorschlagen/

Frühkindliche Vitamin-D-Spiegel bestimmen das Risiko für Typ-1-Diabetes Es ist bekannt, dass neu manifestierte Typ-1-Diabetes-Patienten niedrigere Vitamin-D-Spiegel aufweisen als gesunde Kontrollpersonen [Baumgartl 1991]. Ein Vitamin-D-Mangel wird seit langem als möglicher Risikofaktor für den Typ-1-Diabetes diskutiert. Niedrige Vitamin-D-Spiegel sind ein häufiges Begleitphänomen bei Typ-1-Diabetes

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Vitamin D ist ein potenter Modulator der angeborenen und erworbenen Immunität und ein Vitamin-D-Mangel wird mit einem höheren Typ-1-Diabetes-Risiko in Verbindung gebracht. Cal-citriol (1,25(OH)2D), die biologisch aktive Form des Vitamin D, moduliert das Immunsystem auf verschiedenen Wegen: zum einen durch Reduktion der Antigenpräsentation und MHC-Klasse-II-Expression und zum anderen durch eine Inhibition von Interleukin-2 (IL-2) und Inter-feron (IFN)-γ-Produktion der Typ-1-T-Helferzellen (Th1-Zellen) mit einer gleichzeitigen Zytoki-nerhöhung der Th2-Zellen [Mathieu 2005]. Dies führt zu einer Immunbalance zwischen Th1- und Th2-Zellen zugunsten der Th2-Zellen, denen eine protektive Wirkung in der Pathogenese des Typ-1-Diabetes zugeschrieben wird. Somit scheint Vitamin D die Autoimmuntoleranz zu regulieren. Neben den immunmodulatorischen Eigenschaften werden Vitamin D auch positive Effekte auf Insulinsekretion und Insulinresistenz zugesprochen. Dies konnte hauptsächlich in epidemiolo-gischen Studien mit Patienten mit Typ-2-Diabetes als auch in tierexperimentellen Studien [Al-varez 2010] gezeigt werden. Jedoch konnte eine Gabe der aktiven Form des Vitamin D (Calci-triol) den Verlust der β-Zellrestfunktion bei neu manifestierten Patienten mit Typ-1-Diabetes nicht verhindern [Walter 2010]. Vitamin-D-Mangel tritt bereits in einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes auf Wenige Daten existieren bisher jedoch über die Rolle von Vitamin D in der Phase des Frühsta-diums des Typ-1-Diabetes (definiert durch das Vorhandensein von multiplen Inselautoantikör-pern) und, ob ein präklinischer Mangel den Krankheitsverlauf beeinflusst. Deshalb wurden an-hand der großen deutschen prospektiven Studien BABYDIAB, BABYDIÄT und TEENDIAB die Plasmagehalte an 25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D), der biologisch inaktiven Form des Vitamin D, als Marker für den Vitamin-D-Versorgungsstatus von insgesamt 514 Kindern (108 Kinder mit multiplen Inselautoantikörpern, 406 Kinder ohne Inselautoimmunität) mit einem erstgradigen Verwandten mit Typ-1-Diabetes und von 244 Kindern mit neu manifestiertem Typ-1-Diabetes aus der DiMelli-Studie (Diabetesregister in Bayern) analysiert. In dieser Querschnittsanalyse konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass der Vitamin-D-Spiegel im Blut bereits bei Kindern mit einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes (mit multiplen Inselautoantikörpern) niedriger ist als bei Kindern ohne Inselautoantikörper. Fast 40 % der Kinder mit einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes hatten einen Vitamin-D-Mangel. Interessanterweise zeigten sich die Unter-schiede in den Vitamin-D-Spiegeln vorzugsweise in den Sommermonaten. Jedoch hatte ein Vitamin-D-Mangel keinen Einfluss auf die Progressionsrate von Inselautoimmunität zum Typ-1-Diabetes [Raab 2014]. Diese Ergebnisse zeigen, dass ein Vitamin-D-Mangel bereits vor der Manifestation eines Typ-1-Diabetes vorliegt. Möglicherweise ist der Vitamin-D-Mangel bereits eine Folge des Autoimmunprozesses. Schützt Vitamin D vor Typ-1-Diabetes? Verschiedene Studien, bei denen Vitamin-D-Supplemente während der Schwangerschaft oder in der Kindheit eingenommen wurden, führten jedoch zu kontroversen Ergebnissen im Hin-blick auf die protektive Wirkung von Vitamin D auf das Entstehen von Inselautoimmunität und Typ-1-Diabetes [EURODIAB Substudy 2 Study Group 1999, Brekke 2007, Hyppönen 2001, Mar-jamäki 2010]. Die unterschiedlichen Studienergebnisse sind z. T. auf das Studiendesign und die geringe Fallzahl zurückzuführen, aber auch auf das Nichtberücksichtigen der mit dem Vitamin-D-Metabolismus assoziierten Gene. Eine Reihe von Genen spielt eine Rolle beim Transport des

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Vitamin D (GC, welches das Vitamin-Bindungsprotein kodiert) sowie bei der Umwandlung von der biologisch inaktiven Form 25(OH)D in die biologisch aktive Form Calcitriol 1,25(OH)2D (CYP27B1), beim Abbau von 1,25(OH)2D (CYP24A1) und bei der Bildung des Vitamin-D-Rezep-tors (VDR) [Baumgartl 1991]. Die biologische Aktivität der aktiven Form des Vitamin D (Calci-triol, 1,25(OH)2D) wird erst nach Bindung an den Vitamin-D-Rezeptor wirksam, der auf fast allen Zellen des Immunsystems exprimiert wird. Variationen in den Genen des Vitamin-D-Me-tabolismus könnten somit die Wirksamkeit des Vitamin D verändern. In einer aktuellen Ana-lyse im Rahmen der Studie The Environmental Determinants of Diabetes in the Young (TEDDY) wurde nun untersucht, ob die Plasma-Vitamin-D-Spiegel im Säuglings- und Kindesalter mit der Entwicklung von Inselautoimmunität verbunden sind [Norris 2018]. Außerdem wurde unter-sucht, ob ein möglicher Zusammenhang zwischen der Vitamin-D-Konzentration im Blut und Inselautoimmunität durch genetische Varianten im Vitamin-D-Metabolismus beeinflusst wird. Die TEDDY-Studie ist eine internationale prospektive Studie von Kindern mit einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes mit Studienzentren in den USA (Seattle, Washington; Denver, Colo-rado; August, Georgia) und Europa (Turku, Finnland; Malmö, Schweden; München, Deutsch-land) mit dem Ziel, Umweltfaktoren zu identifizieren, die zur Inselautoimmunität und Typ-1-Diabetes führen oder davor schützen. In TEDDY wurden zwischen 2004 und 2010 weltweit 8 676 Neugeborene mit Typ-1-Diabetes-assoziierten HLA-Genotypen aufgenommen. Alle Kinder werden alle 3 Monate bis zum 4. Lebensjahr und anschließend alle 6 Monate bis zum Alter von 15 Jahren nachuntersucht [TEDDY Study Group 2007]. Für die aktuelle Untersuchung, ob ein Zusammenhang zwischen Vitamin D und Inselautoimmunität besteht, wurde ein Nested-Fall-Kontroll-Studienansatz gewählt. Hierzu wurden 376 Kinder mit Inselautoimmunität (definiert durch mindestens einen positiven Inselautoantikörper in zwei oder mehreren Blutproben) und 1 041 Kontrollkinder ohne Inselautoimmunität aus der TEDDY-Studie ausgewählt. Die Plasma-Vitamin-D-Konzentrationen wurden in allen Proben vor und in der ersten positiven Inselauto-antikörperprobe gemessen. Neun Single-Nucleotid-Polymorphismen (SNPs) der mit dem Vita-min-D-Metabolismus assoziierten Gene (VDR, CYP24A, CYP27B1, GC und RXRA) wurden als Ef-fektmodifikatoren von Vitamin D ebenfalls analysiert. Die Analysen zeigten anschließend, dass höhere Plasma-Vitamin-D-Konzentrationen im Säug-lings- und Kindesalter mit einem geringeren Inselautoimmunitätsrisiko verbunden sind. Dar-über hinaus war eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D im Säuglings- und Kindesalter (definiert als Plasma-Vitamin-D-Konzentration ≥ 50 nmol/l) mit einem bis zu 40 % geringeren Risiko für Inselautoimmunität verbunden, verglichen mit denen, die unzureichend versorgt waren (< 50 nmol/l). Diese Befunde bestätigten sich auch, wenn nur Kinder mit multiplen In-selautoantiköpern untersucht wurden. Auch hier zeigte sich eine statistisch signifikante in-verse Assoziation zwischen den Vitamin-D-Spiegeln und dem Auftreten von multiplen Inselau-toantikörpern. Außerdem wurde eine Wechselwirkung zwischen dem Vitamin-D-Rezeptor (VDR)-Gen SNP rs7975232 und der Plasma-Vitamin-D-Konzentration gezeigt. Die Assoziation zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und Inselautoimmunität wurde durch den SNP rs7975232 so modifiziert, dass für jedes vorhandene weitere Minor-Allel höhere Vitamin-D-Konzentrationen mit einem stärker verringerten Inselautoimmunitätsrisiko verbunden waren. Die umgekehrte Assoziation zwischen einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung und Inselautoimmunität fehlte bei denen ohne Minor-Allel und wurde mit jedem zusätzlichen Minor-Allel stärker. Bei

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Kindern mit 2 Minor-Allelen war die Tatsache, dass sie im Säuglings- und Kindesalter ausrei-chend mit Vitamin D versorgt waren, mit einem bis zu 67 % geringeren Risiko für Inselautoim-munität assoziiert im Vergleich zu denen, die unzureichend mit Vitamin D versorgt waren. Die-ser Zusammenhang konnte auch beobachtet werden, wenn nur Kinder mit multiplen Inselau-toantikörpern und deren dazugehörigen negativen Kontrollkindern analysiert wurden. Zusammenfassend deuten die Ergebnisse der TEDDY-Studie darauf hin, dass die Vitamin-D-Spiegel und das VDR-Gen eine gemeinsame Rolle spielen in der Risikoübertragung für die Ent-wicklung von Inselautoimmunität. Somit lässt sich vermuten, dass die zugrundeliegende Sus-zeptibilität mit der Fähigkeit zusammenhängt, das Vitamin D adäquat nutzen zu können. Wei-tere Studien sind nun nötig, um zu untersuchen, ob eine Therapie mit Vitamin D tatsächlich das Entstehen von Inselautoimmunität und Typ-1-Diabetes verhindern könnte. Fazit Es gibt zahlreiche Evidenzen für einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und Typ-1-Diabe-tes. Eine aktuelle Auswertung im Rahmen der TEDDY-Studie zeigte, dass eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung im Säuglings- und Kindesalter mit einem verringerten Risiko für Insel-autoimmunität verbunden ist. Kinder, die bereits ein Frühstadium des Typ-1-Diabetes entwi-ckelt haben, haben häufig einen Vitamin-D-Mangel. Jedoch hatte ein Vitamin-D-Mangel kei-nen Einfluss auf die Progressionsrate von Inselautoimmunität zum Typ-1-Diabetes. Bisher konnte aber in keiner Studie gezeigt werden, dass durch eine Supplementation von Vitamin D der Typ-1-Diabetes verhindert werden konnte. Dennoch ist ein Vitamin-D-Mangel ein ver-meidbares Gesundheitsrisiko. Deshalb müssen ggf. Supplementationsempfehlungen über-dacht werden und Kinder mit einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes in die "Risikogruppe für Vitamin-D-Mangel" mit aufgenommen werden. Literatur Alvarez JA, Ashraf A: Role of vitamin D in insulin secretion and insulin sensitivity for glucose homeostasis. Int J Endocrinol 2010; 2010: 351385 Baumgartl HJ, Standl E, Schmidt-Gayk H, Kolb HJ, Janka HU, Ziegler AG: Changes of vitamin D3 serum concentrations at the onset of immune-mediated type 1 (insulin-dependent) diabetes mellitus. Diabetes Res 1991; 16: 145-148 Brekke HK, Ludvigsson J: Vitamin D supplementation and diabetes-related autoimmunity in the ABIS study. Pediatr Diabetes 2007; 8: 11-14 EURODIAB Substudy 2 Study Group: Vitamin D supplement in early childhood and risk for type I (insulin-dependent) diabetes mellitus. The EURODIAB Substudy 2 Study Group. Diabetologia 1999; 42: 51-54 Hyppönen E, Läärä E, Reunanen A, Järvelin MR, Virtanen SM: Intake of vitamin D and risk of type 1 diabetes: a birth-cohort study. Lancet 2001; 358: 1500-1503 Marjamäki L, Niinistö S, Kenward MG, Uusitalo L, Uusitalo U, Ovaskainen ML, Kronberg-Kippilä C, Simell O, Veijola R, Ilonen J, Knip M, Virtanen SM: Maternal intake of vitamin D during preg-nancy and risk of advanced beta cell autoimmunity and type 1 diabetes in offspring. Diabeto-logia 2010; 53: 1599-1607 Mathieu C, Badenhoop K: Vitamin D and type 1 diabetes mellitus: state of the art. Trends En-docrinol Metab 2005; 16: 261-266

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Norris JM, Lee HS, Frederiksen B, Erlund I, Uusitalo U, Yang J, Lernmark Å, Simell O, Toppari J, Rewers M, Ziegler AG, She JX, Onengut-Gumuscu S, Chen WM, Rich SS, Sundvall J, Akolkar B, Krischer J, Virtanen SM, Hagopian W; TEDDY Study Group: Plasma 25-hydroxyvitamin D con-centration and risk of islet autoimmunity. Diabetes 2018; 67: 146-154 Raab J, Giannopoulou EZ, Schneider S, Warncke K, Krasmann M, Winkler C, Ziegler AG: Preva-lence of vitamin D deficiency in pre-type 1 diabetes and its association with disease progres-sion. Diabetologia 2014; 57: 902-908 TEDDY Study Group: The Environmental Determinants of Diabetes in the Young (TEDDY) study: study design. Pediatr Diabetes 2007; 8: 286-298 Walter M, Kaupper T, Adler K, Försch J, Bonifacio E, Ziegler AG: No effect of the 1alpha,25-dihydroxyvitamin D3 on beta-cell residual function and insulin requirement in adults with new-onset type 1 diabetes. Diabetes Care 2010; 33: 1443-1448 Autorin: Dr. rer. biol. hum. Christiane Winkler Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2019; 28 (1) Seite 33-35