Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstain

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Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstain Spätmittelalterlicher Niederadel im Spannungsfeld zwischen Trient, Tirol und Brixen 1 Von Gustav Pfeifer I. Forschungsstand Die Erforschung des spätmittelalterlichen Adels Tirols steckt - mit Blick auf ver- gleichbare Territorien - noch in den Anfangen 2 . Einigkeit herrscht bislang lediglich über die entscheidende Bedeutung der Herrschaft Graf bzw. Herzog Meinhards II. (1258— 1295), gewissermaßen als der „Achsenzeit" fur die Formierung der spätmittelalterlichen Tiroler Adelsgesellschaft 3 : Sie ist gekennzeichnet durch eine mit konsequenter Härte ge- führte Territorialisierungspolitik, d. h. eine nahezu völlige Verdrängung des freien Adels und die zumindest zeitweise Ausschaltung und Ersetzung der Ministerialität durch vom Landesherrn eingesetzte abhängige Herrschafts- und Amtsträger. Ihre konkreten Aus- wirkungen und die weitere Entwicklung im 14. Jahrhundert und hier vor allem in der ' Othmar Hageneder zum 70. Geburtstag 2 Die jüngere Landesgeschichtsforschung zu den Adelslandschaften Salzburgs, Österreichs, des Mit- telrheins, Frankens, Bayerns, vor allem aber Südwestdeutschlands und der Ostschweiz hat zu bedeuten- den Ergebnissen gefuhrt. Einen Überblick hierzu bietet der Forschungsbericht von Karl-Heinz Spieß, Etat de la recherche sur la noblesse allemand au Bas Moyen Age (Xlle-XVe s.). Bulletin d'Information de la Mission Historique Fran^aise en Allemagne 18 (1989) 63-85. Von den nach 1989 erschienenen Ar- beiten sind zu nennen: Herwig We i g 1, Materialien zur Geschichte des rittermäßigen Adels im südwest- lichen Österreich unter der Enns im 13. und 14. Jahrhundert (Forschungen zur Landeskunde von Nie- derösterreich 26, 1991); Markus B i t t m a n n , Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden. Studien zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Adels im westlichen Bodenseeraum: 1300-1500 (Beihefte der VSWG 99, 1991); Karl-Heinz Spieß, Ständische Abgrenzung und soziale Differenzierung zwischen Hochadel und Ritteradel im Spätmittelalter. Rheinische Vierteljahrblätter 56 (1992) 181-205; ders., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahr- hunderts (Beihefte der VSWG 111,1993); Thomas Ζ ο t z, Adel in der Stadt des deutschen Spätmittel- alters. Erscheinungsformen und Verhaltensweisen. ZGO 141 (1993) 22-50; Christine Reinle, Die Peuschen Zum sozialen Aufstieg eines bayerischen Niederadelsgeschlechts im späten Mittelalter. ZBLG 58 (1995) 901-957. 3 Vgl. Hermann W i e s f l e c k e r , Meinhard der Zweite. Tirol, Kärnten und ihre Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts (Schlern-Schriften 124, 1955) 98ff.; Peter F e l d b a u e r , Herren und Ritter (Herrschaftsstruktur und Ständebildung. Beiträge zur Typologie der österreichischen Länder aus ihren mittelalterlichen Grundlagen 1, 1973) 230flf.; Josef R i e d mann, Das Mittelalter, in: Josef F o n t a n a (u. a. Red.), Geschichte des Landes Tirol 1 (*1990) 291-698, hier 572ff.; Eines Fürsten Traum. Mein- hard II. - Das Werden Tirols. Katalog zur Tiroler Landesausstellung 1995 (1995) passim. M1ÖG 105(1997) Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 12/9/14 2:47 AM

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Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstain

Spätmittelalterlicher Niederadel im Spannungsfeld zwischen Trient, Tirol und Brixen1

Von Gustav Pfeifer

I. For schungss tand

D i e E r f o r s c h u n g des spätmittelalterl ichen Adels Tirol s steckt - mi t Blick a u f ver-gleichbare Territorien - noch in den Anfangen 2 . Einigkeit herrscht bis lang lediglich über die entscheidende B e d e u t u n g der Herrschaf t G r a f bzw. H e r z o g Meinhards II. (1258— 1 2 9 5 ) , gewissermaßen als der „Achsenzeit " fur d ie F o r m i e r u n g der spätmittelalterlichen Tiroler Adelsgesellschaft 3 : S ie ist gekennzeichnet durch eine mit konsequenter H ä r t e ge-führ te Territorial is ierungspolit ik, d . h. eine nahezu völlige Verdrängung des freien Adels u n d die zumindes t zeitweise Ausscha l tung u n d Erse tzung der Ministerial i tät durch vom Landesherrn eingesetzte abhäng ige Herrschaft s- u n d Amtsträger . Ihre konkreten Aus-wirkungen u n d die weitere E n t w i c k l u n g im 14. J ahrhunder t u n d hier vor al lem in der

' Othmar Hageneder zum 70. Geburtstag 2 Die jüngere Landesgeschichtsforschung zu den Adelslandschaften Salzburgs, Österreichs, des Mit-

telrheins, Frankens, Bayerns, vor allem aber Südwestdeutschlands und der Ostschweiz hat zu bedeuten-den Ergebnissen gefuhrt. Einen Überblick hierzu bietet der Forschungsbericht von Karl-Heinz Sp ieß , Etat de la recherche sur la noblesse allemand au Bas Moyen Age (Xlle-XVe s.). Bulletin d'Information de la Mission Historique Fran^aise en Allemagne 18 (1989) 63-85. Von den nach 1989 erschienenen Ar-beiten sind zu nennen: Herwig We i g 1, Materialien zur Geschichte des rittermäßigen Adels im südwest-lichen Österreich unter der Enns im 13. und 14. Jahrhundert (Forschungen zur Landeskunde von Nie-derösterreich 26, 1991); Markus B i t t m a n n , Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden. Studien zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Adels im westlichen Bodenseeraum: 1300-1500 (Beihefte der VSWG 99, 1991); Karl-Heinz S p i e ß , Ständische Abgrenzung und soziale Differenzierung zwischen Hochadel und Ritteradel im Spätmittelalter. Rheinische Vierteljahrblätter 56 (1992) 181-205; ders . , Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahr-hunderts (Beihefte der VSWG 111,1993); Thomas Ζ ο t z, Adel in der Stadt des deutschen Spätmittel-alters. Erscheinungsformen und Verhaltensweisen. Z G O 141 (1993) 22-50; Christine R e i n l e , Die Peuschen Zum sozialen Aufstieg eines bayerischen Niederadelsgeschlechts im späten Mittelalter. ZBLG 58 (1995) 901-957.

3 Vgl. Hermann W i e s f l e c k e r , Meinhard der Zweite. Tirol, Kärnten und ihre Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts (Schlern-Schriften 124, 1955) 98ff.; Peter F e l d b a u e r , Herren und Ritter (Herrschaftsstruktur und Ständebildung. Beiträge zur Typologie der österreichischen Länder aus ihren mittelalterlichen Grundlagen 1, 1973) 230flf.; Josef R i e d m a n n , Das Mittelalter, in: Josef F o n t a n a (u. a. Red.), Geschichte des Landes Tirol 1 (*1990) 291-698, hier 572ff.; Eines Fürsten Traum. Mein-hard II. - Das Werden Tirols. Katalog zur Tiroler Landesausstellung 1995 (1995) passim.

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zweiten Jahrhunderthälfte, also dem Zeitraum der allmählichen Herausbildung einer landständischen Verfassung, wurden dagegen erst in Ansätzen untersucht4. Die Ergeb-nisse der Mittelalterarchäologie und Adelsforschung verbindende Arbeit von Martin Bitschnau5 bietet eine wichtige Grundlage für die Zeit bis 1300 , auch jüngere Unter-suchungen zu einzelnen Geschlechtern des freien Dynastenadels6 oder der ministeriali-schen Spitzengruppe7 überschreiten diese .Epochenschwelle' kaum. Die einschlägige Forschung für den hier gewählten Untersuchungszeitraum konzentrierte sich vor allem auf die Person Oswalds von Wolkenstein ( 1 3 7 7 - 1 4 4 5 ) und wurde - freilich mit anders gewichtetem Erkenntnisinteresse - in erster Linie von germanistischer Seite geleistet4. Dies mag einerseits mit in der tirolischen Geschichtsschreibung lange Zeit dominieren-den Schwerpunkten zusammenhängen9, andererseits aber auch mit dem fiir das 14. und

4 Bezeichnend ist etwa das Mißverhäluiis in der Darstellung der Zeit vor 1295 und der nachmein-hardinischen Entwicklung in der nach wie vor heranzuziehenden älteren Handbuchliteratur: Albert J ä -ger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols 1 (1881) 426—474 bzw. 474-478; Emil We -runsky , Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte. Ein Lehr- und Handbuch (1894ff.) 644-687. Für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts vgl.: Josef R i e d m a n n , Gottschalk von Bozen, Richter von Enn-Neumaikt (t 1334). Ein Kapitel aus der Geschichte des Unterlandes im Mittelalter, in: Das Süd-tiroler Unterland Oahrbuch des Südtiroler Kulturinscituts 9, 1980) 107-125; Rainer Loose , Die Mar-tinuzii im Vintschgau. Boni viri, landesfursdiche Richter, Grundherren und Siedlungsgründer (13./14. Jh.). Der Schiern 71 (1997) 102-120; Klaus B r a n d s t ä t t e r , Die bürgerliche Oberschicht in Bozen, künftig in: Bozen. Von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgem (Bozen 1997), wo auch fur den stadtsässigen Adel relevante Fragen angeschnitten werden (der Autor stellte mir freundlicherweise das druckfertige Manuskript zur Verfugung). Zur Situation im Hochstift Trient vgl. jetzt die umfang-reiche Arbeit von Marco B e t t o t t i , La nobiltä trentina nel medioevo (meti XII—meti XIV secolo) (masch. tesi di dottorato di ricerca, Venezia a. a. 1993/94), die sich in erster Linie mit Familien- und Be-sitzstrukturen befäßt, mit deutlichem Schwerpunkt im 13. Jahrhundert; vgl. ferner ders . , Famiglie e territori nella valle dell'Adige tra XII e XTV secolo. Geschichte und Region/Scoria e regione 4 (1995) 129-153.

5 Martin B i t s c h n a u , Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300. Grundlagen zu ihrer Erforschung (SB österr. Ak Wiss., Phil.-Hist. Kl. 403 = Mitteilungen der Kommission ftir Burgen-forschung und Mittelalter-Archäologie, Sonderband 1, 1983).

6 Erika K u s t a t s c h e r , Die Herren von Taufers (masch. phil. Diss. Innsbruck 1987). 7 Christian F o r n w a g n e r , Geschichte der Herren von Freundsberg in Tirol. Von ihren Anfängen

im 12. Jahrhunden bis 1295. Mit einem Ausblick auf die Geschichte der Freundsberger bis zur Aufgabe ihres Stammsitzes 1467 (Schlern-Schriften 288, 1992).

' Vgl. v. a. die Biographie von Anton S c h w ö b , Oswald von Wolkenstein (Schriftenreihe des Süd-tiroler Kulturinstituts 4, '1979); verschiedene Beiträge in: Gesammelte Vorträge zur 600-Jahr-Feier Os-walds von Wolkenstein. Seis am Schiern 1977 (herausg. v. H. D. Μ ü c k/U. M ü l l e r , Göppinger Arbei-ten zur Germanistik 206, 1978), und in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 1 ff. (1980/ 81 ff.); vgl. zuletzt auch die Arbeit von Karin K r a n i c h - H o f b a u e r , Der Starkenbergische Rotulus. Handschrift - Edition - Interpretation (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft - Germanistische Reihe 51, 1994) hier 46-143.

9 Die tirolische Landesgeschichtsschreibung ist noch heute wesentlich geprägt von Fragestellungen, Wissenschaftsstil und Methodenkanon der ersten Jahrhunderthälfte, darunter in erster Linie von den Werken Otto Stolz' (t 1957) und Hermann Wopfners (t 1963), die vor allem die Bedeutung der Land-standschaft der bäuerlichen Gerichtsgemeinden - nicht frei von ideologischer Färbung - überhöhten, während nicht-bäuerliche soziale Gruppen nur begrenztes Interesse fanden. Bezeichnend ftir die nach wie vor anhaltende Dominanz dieser Forschungsrichtung ist das Erscheinen des Nachdrucks des ersten bzw. des aus dem Nachlaß herausgegebenen zweiten und dritten Bandes von Wopfners „Bergbauern-buch" (1995-97; der erste Band erschien in drei Lieferungen in erster Auflage 1951-1960) und die ge-plante Herausgabe des zweiten Bandes von Stolz' „Geschichte Tirols" (Band 1 erschien 1955). Eine Kon-tinuität findet diese Forschungslinie in den Arbeiten von Franz Huter (*1899), der die Bedeutung des Adels im Sozialgefiige Tirols in einer neueren Darstellung zum 14. Jahrhundert (Tirol im 14. Jahr-

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15. Jahrhundert - trotz erheblicher Anstrengungen der letzten Jahre - nach wie vor für bestimmte Fragestellungen ungenügenden Fundus an Quelleneditionen und Regesten-werken10. Die Grundlage für solche Untersuchungen, d. h. in erster Linie die „sorgfäl-tige Sichtung des gesamten erreichbaren Urkundenmaterials" (Sablonier), muß daher nach wie vor im Archiv erarbeitet werden.

Trotz dieser ungünstigen Ausgangsbedingungen legte Peter Feldbauer bereits zu Be-ginn der siebziger Jahre im Rahmen des Projektes „Herrschaftsstruktur und Ständebil-dung. Beiträge zur Typologie der österreichischen Länder aus ihren mittelalterlichen Grundlagen" eine weitgehend auf Sekundär- und Tertiärliteratur fußende Gesamtinter-pretation zu den Entstehungsgründen ständischer Schichtung, zur Scheidung der spät-mittelalterlichen Tiroler Adelsgesellschaft in herrenmäßige und nicht herrenmäßige Ge-schlechter vor, die in ihren großen Zügen bisher weitgehend akzeptiert wurde". Danach liegen die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zur in Tirol vergleichsweise schmalen und sich anders als in anderen österreichischen Ländern nie zu einer eigenen Adelsbank

hundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Bd. 2 [herausg. v. H. Patze , Vorträge und Forschungen 14, 1971] 369-387) auf ein marginales Phänomen reduziert. Zur Tiroler Mediävistik vgl. Josef R i e d m a η η, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein in Tirol vornehmlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein Versuch. Tiroler Heimat 57 (1993) 291-304; zuletzt kritischer: Giuseppe A l b e r t o n i , Le terre del vescovo. Potere e societä nel Tirolo medievale (secoli IX-XI) (Torino 1996) 11 -56; d e r s., II Tirolo medievale alio specchio. Geschichte und Region/Storia e regione 5 (1996) 13-51; Laurence Co le , Fern von Europa? Zu den Eigentümlichkeiten Tiroler Geschichtsschreibung. Geschichte und Region/Storia e regione 5 (1996) 191-225.

10 Für Tirol sind u. a. zu nennen: Clemens Wenzcslaus Gf. B r and i s , Tirol unter Friedrich von Österreich (1821) hier 211 -580; Alfons Η u b e r, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich und der vorbereitenden Ereignisse (1864) hier 131-276; Justinian Ladu rne r , Regesten aus tirolischen Ur-kunden, 5 Teile. Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols 1 (1864) 333-372, 2 (1865) 379-416, 3 (1866) 369^12 , 4 (1867) 337-369 und 5 (1869) 321-352; Theodor M a i r h o f e r (Hg.), Ur-kundenbuch des Augustiner Chorherren-Stiftes Neustift in Tirol (FRA II/34, 1871); Emil von Ο t ten -t h a i (Hg.), Die ältesten Rechnungsbücher der Herren von Schiandersberg. MIÖG 2 (1881) 551-614; ders./Oswald Red l ich, Archiv-Berichte aus Tirol, 4 Bde. (Mitteilungen der dritten [Archiv-] Section der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale I, III, V und VII, 1888-1912); Ernst von Schwind/Alfons Dopsch , Ausgewählte Urkunden zur Ver-fassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter (1895); Otto S to lz , Die Aus-breitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden, 4 Bde. (1927-1934); Quellen zur Steuer-, Bevölkerungs- und Sippengeschichte des Landes Tirol im 13., 14. und 15. Jahrhundert (Schlern-Schriften 44, 1939); Otto S to lz , Die Urkunden über die Vergabung der landesfursdichen Äm-ter in Tirol im 14. und 15. Jahrhundert. AZ 50/51 (1955) 371-390; Sebastian Hölzl/Peter M o s e r (Bearb.), Innsbrucker Schatzarchiv-Urkunden in München von 1222 bis 1400 (1451) (Tiroler Ge-schichtsquellen 10, 1981); Hannes Ο b e r m a i r, Die Bozner Archive des Mittelalters bis zum Jahr 1500. Grundlegung zu ihrer mediävistischen Aufarbeitung 1 (masch. phil. Diss. Innsbruck 1986); Richard S c h o b e r (Bearb.), Die Urkunden des Landschaftlichen Archivs zu Innsbruck (Tiroler Geschichtsquel-len 29, 1990); Kranich-Hofbauer, Starkenbergischer Rotulus (wie Anm. 8) hier 274-329; Erika K u s t a t s c h e r (Bearb.), Die Urkunden des Archivs Künigl-Ehrenburg (1234-1550), 2 Bde. (Veröf-fendichungen des Südtiroler Landesarchivs 4/1-2, 1996); Christine R o i l o (Bearb.), Das Registrum Goswins von Marienberg (Veröffendichungen des Südtiroler Landesarchivs 5, 1996).

" Feldbauer, Herren und Ritter (wie Anm. 3) 197-243, bes. 230ff.; zur Rezeption vgl. Bitschnau, Burg und Adel (wie Anm. 5) 23 ff. passim, mit Richtigstellungen; Werner Kof i er, Land, Landschaft, Landtag. Geschichte der Tiroler Landtage von den Anfangen bis zur Aufhebung der landstandischen Verfassung 1808 (Veröffendichungen des Tiroler Landesarchivs 3, 1985) 56 ff; zum Teil abweichend, je-doch ohne neuen Ansatz Lukas M a d e r s b a c h e r , Die Opposition des Tiroler Adels gegen Herzog Friedrich von Österreich (masch. phil. Diplomarbeit, Innsbruck 1989) 11-13; teilweise korrigierend Fornwagner, Freundsberg (wie Anm. 7) 104 f., 135-137.

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formierenden Gruppe der späteren Landherren in der Herkunft aus hochfreiem Adel oder fürstlicher MinisteriaJität (etwa der Weifen oder der Andechs-Meranier) und im Besitz eines „qualifizierten Herreneigens", also einer mit bestimmten Pertinenzen begab-ten Allodialherrschaft'2.

Ob Feldbauers Modell auch für das 14. Jahrhunden eine heuristische Funktion zu-kommt, ist zumindest fraglich: Die einseitig verfassungsgeschichdich-typologisch und deduktiv angelegte Argumentation greift vor dem Hintergrund eines ständig fortschrei-tenden Transformations- und Differenzierungsprozesses innerhalb des Adelsgefiiges zu kurz. Auf- und Abstiegsphänomene können nicht zufriedenstellend erklärt werden, so-ziale und wirtschaftliche Faktoren sind nur am Rande berücksichtigt. Die geringe quel-lenmäßige Absicherung fuhrt zudem gerade in den kurzen Ausführungen zur Entwick-lung im 14. Jahrhundert zu Widersprüchen: Aus nicht näher erläuterten Gründen wird nun auch für solche Geschlechter „Herrenmäßigkeit denkbar", die, wie im Fall der im folgenden zu untersuchenden Liechtensteiner, nicht aus altem Dynastenadel oder fürst-licher Ministerialität hervorgehen bzw. über kein „qualifiziertes Herreneigen" verfu-gen13.

II. Fragestellung

Anhand einer vertieften Einzeluntersuchung, d. h. mit der Analyse der wirtschaft-lichen und finanziellen Lage und dem Versuch der Bestimmung der sozialen Position e i n e s Geschlechts unter Auswertung aller erreichbaren Primärquellen soll hier ein Baustein fur eine differenziertere Gesamtinterpretation gewonnen werden.

Am Beispiel der Liechtensteiner werden für den Zeitraum zwischen ca. 1370 und 1395 folgende Parameter erhoben: Amter und Dienste, Lehen und Eigen, Pfändschaf-ten, Konnubium, Titel und Reihung in Zeugenlisten, Siegel und Wappen. Der Unter-suchungsraster orientiert sich - mit der Einschränkung, daß jede Adelslandschaft ihre Spezifika aufweist, und daher jeweils regional differenzierte Kriterienbündel definiert werden müssen — vor allem an den programmatischen Arbeiten von Waltraud Hörsch und Markus Bittmann14: Hörsch erfäßt fur die österreichische Landvogtei Aargau an-hand von quantifizierten politischen und gesellschaftlichen ,Lagemerkmalen' „das Wechselspiel der Beziehungen zwischen Regionaladel und österreichischer Herrschaft" im 14. Jahrhundert, Zeithorizont ist die Schlacht bei Sempach 138615. Bittmann setzt bei seiner Untersuchung von Finanzierungsmethoden des Landadels im wesdichen Bo-denseeraum u. a. folgende Schwerpunkte: Einkunftsmöglichkeiten im landesherrlichen

12 Fcldbauer, Herren und Ritter (wie Anm. 3) 230 ff. und 244 ff. " Feldbauer, Herren und Ritter (wie Anm. 3) 239f. nennt neben den Liechtensteinern u.a. die

Thun, Völs und Wolkenstein. Zur Problematik der Arbeit Feldbauers vgl. Roger S a b 1 ο η i e r, Zur wirt-schaftlichen Situation des Adels im Spätmittelalter. In: Adelige Sachkultur des Spätmittelalters (SB Österr. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl. 400 = Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 5, 1982) 9-34, hier 24 mit Anm. 27, und grundsätzlich: Othmar H a g e n e d e r , Landesbildung, Herrschaftstruktur und Ländertypen. Zu einer neuen Studie über die mittelalterlichen Grundlagen der Ständebildung in Österreich. Unsere Heimat 45 (1974) 153—164.

14 Waltraud H ö r s c h , Adel im Bannkreis Österreichs: Strukturen der Herrschaftsnähe im Raum Aargau-Luzern, in: Guy P. M a r c h a i , Sempach 1386. Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern (1986) 353-402; Bittmann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden (wie Anm. 2).

15 Hörsch, Adel im Bannkreis (wie vorige Anm.) 354—366.

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Dienst, Anpfandung von Besitztiteln und Herrschaftsrechten und fämilieninterne Ver-mögenspolitik durch Heiraten16.

Zwei Einschränkungen sind vorab zu treffen: Vergleiche mit den Ergebnissen von Untersuchungen zu anderen Territorien sind aufgrund unterschiedlicher Ausgangssitua-tionen und der nur teilweisen Quantifizierbarkeit der Angaben im Quellenmaterial le-diglich bedingt möglich'7; die Frage, wie aussagekräftig bzw. repräsentativ das Fallbeispiel der Liechtensteiner für andere Mitglieder des Tiroler Niederadels sein kann, muß auf-grund der zu schmalen und damit einseitigen Materialbasis sowie fehlender vergleichba-rer Studien offen bleiben.

III. Liechtenstein - Niederadel zwischen Trient, Tirol und Brixen

Die seit 1162/67 mit dem von der gleichnamigen Trienter Lehensburg oberhalb von Leifers (bei Bozen) abgeleiteten Bestimmungsnamen Liechtenstein auftretenden Perso-nen gehören zunächst verschiedenen Ministerialengruppen an. Mit der 1189 erfolgten Übertragung durch den Trienter Elekten Konrad von Beseno an Adelheit von Kastelruth, ihren Sohn Heinrich und ihren Mann Otto von Weineck wird die Burghut über Liechten-stein in dieser Familie erblich. Heinrich (I.) nennt sich fortan konsequent nach der Burg, ab dem 13. Jahrhundert können wir eine überzeugende Agnatenfolge erstellen18. Die Liechtensteiner agieren in der Folge vorwiegend in Bozen, wo sie durch stadtherrlichen Dienst, möglicherweise auch über eine direkte Beteiligung am Markt im Spannungsfeld zwischen zwei konkurrierenden Mächten, dem Trienter Bischof als Lehens- und Stadt-herrn und dem Grafen von Tirol als Hochstiftsvogt, ihre Position festigen können. Die gegenüber dem Adel praktizierte Verdrängungspolitik Meinhards II. führte zur - zu-

" Bittmann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden (wie Anm. 2) 18 f., 264. 17 Die hier ausgiebig benützten Trienter Lehnbriefregister von 1363-1391 (Trento/Trient, Archivio

di Scato, Archivio Principesco Vescovile [AStTn, APV], sezione latina, capsa 22 η. 1) bzw. 1391-1405 (capsa 22 n. 3) enthalten beispielsweise Uber die Aufzählung der Lehensobjekte hinaus kaum quantifi-zierbare Wertangaben.

18 Dazu jetzt ausführlich Gustav Ρ fe i fe r, Die Liechtensteiner. Ein Beitrag zur Geschichte der Mi-nisterialitat des Hochstiftes Trient im 12. und 13. Jahrhundert. Geschichte und Region/Storia e regione 4 (1995) 155-190, hier 163 ff. bzw. 183 ff.; vgl. ferner den präzisen Aufriß von Bitschnau, Burg und Adel (wie Anm. 5) 329; die ältere Arbeit von Karl Ä u s s e r e r , Die Herren von Schloß und Gericht Castel-corno im Lagertale (Vallagarina). Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft „Adler" NF 11 (1911) 1 -82, hier 44ff., ist fiir die Zeit bis 1400 unzuverlässig. Die archivalische Überlieferungssituation ist ver-gleichsweise prekär: Wichtige Teile des liechtensteinischen Familienarchivs - etwa das Archiv des liech-tensteinischen Amtshauses am Bozner Musterplatz, wo vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 18. Jahr-hundert die Zentrale für die grundherrliche Verwaltung im Raum Bozen lag, vor allem aber das Archiv Isera (seit 1499 Sitz des später gräflichen Zweiges der Liechtensteiner als Gerichtsherren von Castel-corno) - gelten als verschollen, ein Teil, das Schloßarchiv Schenna, erliegt im Tiroler Landesarchiv. Einen gewissen Ersatz fiir diese Verluste bieten - vor allem was genealogische Angaben betrifft - die Urkunden-exzerpte des aus dem Breisgau stammenden Historiographer! Andreas Zibock, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch das Archiv Isera fiir seine genealogischen Auftragsarbeiten intensiv benützt hat: Brünn/Brno, Moravsky Zemsky Archiv (Mährisches Landesarchiv), Sbirka Cerroniho (Sammlung Cerroni) II, t. 411: Andreas Z i b o c k , Genealogia oder geburths-linien unnd stammenbaum der hoch-und wohlgebohrnen herren grafen von Liechtenstain [...] , [Innsbruck] 1668ff., Abschrift saec. XVIII/1; Stichproben zu hierin zitierten Urkunden aus noch bestehenden Fonds zeigen, daß Zibock quellenbezogen und zuverlässig arbeitete. Diese positive Einschätzung teilt auch Anna C o r e t h , österreichische Geschichtsschreibung in der Barockzeit (1620-1740) (Veröffentlichungen der Kommission fiir neuere Geschichte Österreichs 37, 1950) 160.

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mindest teilweisen — Zerstörung ihres Stammsitzes und zum Verlust wichtiger Außen-positionen, etwa der Burghut über die Trienter Lehensburg Tramin; ein Zweig der Fa-milie wird faktisch ausgekauft und .verschwindet' in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahr-hunderts. Erst ab dem letzten Jahrhundertdrittel fließen die Quellen wieder reichlicher.

Der im Zentrum dieser Untersuchung stehende Heinrich (IV.) wird als zweiter (legitimer) Sohn Wilhelms (II.) von Liechtenstein und der Wairad von Griesingen wohl Ende der zwanziger Jahre des 14. Jahrhunderts geboren'9, nach Zibock stand er in den Jahren 1334 und 1343 noch unter Vormundschaft20.

Spätestens 1348 war Heinrich von Liechtenstein geschäftsfähig, sein erstes Auftau-chen in den Urkunden fällt mit seiner Verwicklung in politische Komplikationen zu-sammen: Heinrich stand im Gefolge der oppositionellen Adelsgruppe um die Herren von Greifenstein und jene von Vilanders - ein Personenkreis, in dem er sich auch in der Folge bewegen sollte - und gehörte damit in den ausgehenden vierziger Jahren zur Partei des 1347 gegen Markgraf Ludwig von Brandenburg unterlegenen Luxemburgers Karl IV. bzw. des im selben Jahr verstorbenen Trienter Bischöfe Nikolaus von Brünn. Ende 1348 geriet er im Zuge der fortdauernden Auseinandersetzungen zusammen mit weiteren Standesgenossen nach dem Fall der greifensteinischen Feste Burgstall in die Ge-fangenschaft von Herzog Konrad von Teck, Markgraf Ludwigs Landeshauptmann von Tirol21. Zusammen mit den anderen adeligen Verteidigern mußte Hain(rich) Liehtenstei-ner am 9. Dezember 1348 vor Burgstall Ludwig den Treueid leisten und schwören fla-baz wider den höh geborn ficrsten hern Lud(wig) marggraven ze Brand(enburg), sein land noch litt in der herreschaft ze Tyrol [...] ewichlich niht [zu] tim noch [zu] dienen [...] in dhein weif2, wofür ihnen der Brandenburger im Gegenzug auf ein Jahr Sicherheit für Leib und Leben gewährte23.

" Zibock, Genealogia (wie vorige Anm.) pag. 59 f. erwähnt als ältesten Sohn Wilhelms Schweiglin von Liechtenstein. Dieser dürfte 1350 gestorben sein, zu 1350 VI 26 <25?> ist Sweikklins bestatnuss von Lichtenstam bezeugt (Innsbruck, Tiroler Landesarchiv [TLA], Urkunde II 332). Zwischen 1342 und 1349 ist ferner Dietlin, ein natürlicher Sohn Wilhelms von Liechtenstein, mehrfach als Zeuge belegt: In presencia [...] Dytlinifilii naturalis quondam domini Willehelmi de Liechtenstain (TLA, Urkunde II 835, 1342 VIII 18); in presencia Dietlini condam domini Wilhalmi de Liechtenstain (Obermair, Bozner Archive [wie Anm. 10] 294 Nr. 398, 1343 IV 20); inpresencia [...] Dietli(ni) condam domini Wilhalmi de Lieh-tenstain als civis in Bozano (Bozen, Archiv Staffier, Urkundensammlung v l03 , 1346 III 18, nach SLA, Rollfilm 60) und in presencia Dftlinifilii naturalis quondam domini WiUehalmi de Liechtenstain (Bozen, Archiv Staffier, Urkundensammlung vi 12, 1349 120, nach SLA, Rollfilm 60). Die Griesinger, ursprüng-lich Ministerialen der schwäbischen Grafen von Kirchberg, kommen in der zweiten Hälfte des 13. Jahr-hunderts mit Bruno von Kirchberg (von 1250 bis 1288 Bischof von Brixen) nach Tirol und sind in der Folge vor allem im Mittelvinschgau begütert. Heinrichs (IV.) Mutter Wairad ist eine Schwester des Brix-ner Domherrn Marquard von Griesingen. Vgl. Leo S a n t i f a l l e r , Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter (Schiern-Schriften 7, 1924) 325-327.

20 Vgl. Zibock, Genealogia (wie Anm. 18) pag. 60. 21 Vgl. Huber, Vereinigung Tirols (wie Anm. 10) 42ff. ; Albert J ä g e r , Geschichte der landständi-

schen Verfassung Tirols, Bd. 2/1 (1882) 106f.; zum Gesamtverlauf des Konfliktes vgl. Josef R i e d -m a n n , Karl IV. und die Bemühungen der Luxemburger um Tirol. B D L G 114 (1978) 775-796 , hier 793 ff. und zuletzt Ellen W i d d e r , Itinerar und Politik. Studien zur Reiseherrschaft Karls IV. südlich der Alpen (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 10, 1993) 100 ff.

22 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Urkunden Tirol Nr. 114 (1348 XII 9); Huber, Vereini-gung Tirols (wie Anm. 10) Nr. 119; Hölzl/Moser, Schatzarchiv-Urkunden (wie Anm. 10) Nr. 114; vgl. zuletzt Julia Η ö r m a η η, Das Spezialkanzleibuch Markgraf Ludwigs von Brandenburg HHStA, Codex blau 128, in diesem Band S. 74-103, hier 85 mit Anm. 58 und 97 f. Nr. 14.

23 Vgl. Huber, Vereinigung Tirols (wie Anm. 10) Nr. 120 (1348 XII 9).

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422 Gustav Pfeifer

Der junge Liechtensteiner scheint sich nach diesem frühen Scheitern kaum mehr of-fen politisch exponiert zu haben; soweit er in den folgenden beiden Jahrzehnten quellen-mäßig überhaupt faßbar ist, erscheint er vor allem in Bozen als Zeuge bei verschiedenen Rechtsgeschäften24 oder bei aktiver Lehensausgabe25.

Dokumentiert ist für diese Jahre vor allem sein Aufstieg innerhalb der Familie: Bereits 1360 wird Heinrich als senior inter dominos de Liechtenstein bezeichnet26, am 7. Dezember 1363 belehnt ihn der neue Trienter Bischof Albert (von Ottenburg) mit der Stammburg Liechtenstein und den alten Trienter Lehen, de castro Liechtenstein et de omnibus eius feodis antiquis et recti?1. Da der entsprechende Eintrag im Trienter Lehn-briefregister Heinrich und seine potentiellen ehelichen Söhne als einzige Lehensemp-fanger anfuhrt, dürfte sein Vetter Georg der Liechtensteiner zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben sein. Als Haupt der Familie und zugleich nächster männlicher Verwandter wird Heinrich am 12. Mai 1364 von Bertold von Gufidaun, haubtman der herrschafft zu Tyrol, zum bevollmächtigten Vormund der Kinder Georgs bestellt24.

Ab der Mitte der siebziger Jahre konzentrierte sich der Liechtensteiner auf eine Kar-riere in den Diensten des Trienter Bischofs.

a) Ämter und Dienste

Der landesherrliche Dienst bietet zahlreichen Adeligen vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen „Agrarkrise" und den damit verbundenen Einkommensverlusten aus grundherrlichen Quellen neue Einkunftsmöglichkeiten und eröffnet „die Möglich-keit zu herrschaftlicher Tätigkeit weit über den Rahmen des eigenen Besitzes hinaus". Die Betrauung mit Ämtern und Diensten verweist zudem auf eine besondere Vertrau-ensstellung und ist daher auch ein hervorragender Indikator von Herrschaftsnähe29.

1369 wird Heinrich von Liechtenstein zum ersten Mal als Zeuge bei einem bischöf-lichen Rechtsakt genannt30, spätestens seit 1375 bekleidet er als Hauptmann von Ste-nico und zugleich Vikar in Judikarien (wesdich von Trient) eine der wichtigsten Verwal-

24 Etwa Obermair, Bozner Archive (wie Anm. 10) 324 Nr. 458 (1356 VI 10). " Vgl. Zibock, Genealogia (wie Anm. 18) pag. 60f . zu 1349, 1358 und 1360. 24 Vgl. Zibock, Genealogia (wie Anm. 18) pag. 61. 27 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 9r. 28 Vgl. TLA, Codex 74: Liechtensteinisches Kopialbuch, saec. XVl/ex., fol. 189v; Ladurner, Rege-

sten 4 (wie Anm. 10) Nr. 916. Georg ist ein Sohn des Chaelin von Liechtenstein (t vor 1358 VIII 28; vgl. Obermair, Bozner Archive [wie Anm. 10] 330 Nr. 470: domina Katerina relicta condam domini Cha-lini de Liecbenstain), des Bruders von Heinrichs Vater Wilhelm. Er ist noch 1362 I 16 in einem Rechts-geschäft als Prokurator seiner Mutter Katerina (von Niedertor) (Bozen, Südtiroler Landesarchiv [SLA], Archiv Oberpayrsberg, Urkunde Nr. 162) und 1362 VI 26 als Zeuge belegt (Bozen, Archiv Staffier, Ur-kundensammlung ν 136, nach SLA, Rollfilm 60). Nach Zibock (Genealogia [wie Anm. 18] pag. 53) und Mayrhofen (SLA, Stephan von M a y r h o f e n , Genealogien des Tyroler Adels, saec. XVIII/ex., abschrift-liche Exzerpte von Kurt Staffier, ca. 1937, Nr. 263) hatte Georg zwei Töchter, Catherina und Barbara; zu 1364 werden sie nicht namendich angeführt.

29 Zitat: Sablonier, Wirtschaftliche Situation (wie Anm. 13) 12; vgl. ferner Rolf K ö h n , Einkom-mensquellen des Adels im ausgehenden Mittelalter, illustriert an südwestdeutschen Beispielen. Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 103 (1985) 33-62 , hier 47-49; Bitt-mann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden (wie Anm. 2) 54ff., 59ff.; Hörsch, Adel im Bann-kreis (wie Anm. 14) 359 ff.

50 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 27v (1369 III 20).

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Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstein 423

tungs- und Herrschaftsfunktionen des Hochstifts31. Der Hauptmann fungierte zugleich als Kriminalrichter und als zweite Instanz fiir Fälle der Niedergerichtsbarkeit. Zum Stab des höchsten bischöflichen Amtsträgers vor Ort gehönen unter anderem ein Asses-sor, ein Vikar, ein Richter und Kanzleibeamte, Funktionen, als deren Träger fiir die Amtszeit Heinrichs mehrfach Notare bezeugt sind32. Seit den 1363 bzw. 1365 zwischen Herzog Rudolf IV. bzw. seinen Brüdern und dem Trienter Bischof abgeschlossenen „Kompaktaten" hatten die Habsburger als neue Tiroler Landesherren entscheidenden Einfluß auf die Besetzung der Ämter und Hauptmannschaften im Hochstift - so auch auf jene über Stenico und Judikarien33.

Wie eng der Liechtensteiner damit in die Herrschaftspraxis des Hochstiftes einge-bunden war, zeigen allein fiir das erste Drittel des Jahres 1375 über fünfzehn Nennun-gen als Zeuge bei Rechtsakten des Bischöfe34, zeigt auch seine ebenfalls zu 1375 belegte Mitgliedschaft im Rat, dem wichtigsten bischöflichen Verwaltungsgremium35.

Heinrich scheint sich im landesherrlichen Dienst rasch bewährt zu haben: Bereits 1376 setzte ihn Bischof Alben - wahrscheinlich befristet auf ein Jahr — als (Vize)haupt-mann und Verweser des Hochstiftes ein36, ein weiteres Mal, am 26. Juli 1383, ist Hain(rich) der Liechtensteiner als bischöflicher Amtmann und werdlicher vicari ze Triend

31 In dieser Funktion ist Heinrich erstmals am 2. Jänner 1375 belegt: Hainrico Liechtensteiner tunc capitaneo Stenici et vicario Judicarie (AStTn, APV, sezionc larina, capsa 22 η. 1, fbl. 35v).

32 Vgl. Karl Äusserer , Schloß Stenico in Judikarien (Südtirol). Seine Herren und seine Haupdeute (1907) 41 bzw. 86; Hans von Volt el in i, Das welsche Südtirol, in: Erläuterungen zum Historischen At-las der österreichischen Alpenländer 1/3(1919) 95—261, hier 221 f. Einen Einblick in die Amtspraxis des Hauptmannes, konkret in das Zusammenspiel mit den Notaren bei der Ausstellung einer beglaubigten Abschrift eines Notariatsinstrument gewährt Franco Β i a η c h i η i (Bearb.), Le piü antiche pergamene dell'archivio di Condino (1207-1497) (Trento 1991) 13f.: [ . . . ] nobiüis et honorabiUis vir dominus Hen-ricus de Leytensta[yneri]s et im p[ubtice] reddens in dicto loco Stenici de hominibus et personis ludicarie pro venerabilli in Christo patre et d[omino domijno Alberto cfomite] de Ortemburgp, Dei et apostolice sedis pacta episcopo Tridentino, dedit et concessit mich[i notario sjubscripto verbum et licenciam exemplandi hoc infra-scriptum instrumentum autenticum [ . . .] (1386 VI 15).

33 Zur Bewertung der sogenannten „Kompaktaten" vgl. Walter G ö b e 1, Entstehung, Entwicklung und Rechtsstellung geistlicher Territorien im deutsch-italienischen Grenzraum. Dargestellt am Beispiel Trients und Aquileias (phil. Inaug.-Diss. Würzburg 1976) 136-146 und zuletzt Klaus B r a n d s t ä t t er, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient im späten Mittelalter. Studi trentini di scienze storiche 1/75 (1996) 3-30, hier 15 ff bzw. d e rs., Regime di compattate (1363-1486), in: Lia D e F in i s (Hg.), Storia del Trentino (Trento 1996) 177-192; die „Kompaktaten" von 1363 sind abgedruckt bei Schwind/ Dopsch, Urkunden zur Verfässungsgeschichte (wie Anm. 10) Nr. 112.

34 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fbl. 35v, 36r, 36v, 38r, 42r, 42v, 43r, 43v, 44r, 44v, 45r, 45v, 46v, 51v, 52r und 54r.

35 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fei. 52n der sache sint geezeugen her Jacob von Stermil chorherze Triendpharrer ze sand Mareyn chirchen ze Harlant in Krain, herrNikla von Los pharrer ze Wipp-ach paid unser chapplan, Chunradvon Tentsch, Hainr(eich) Galle von Gallenstain, Hainr(eich) Liechtenstai-ner, all unser gesworn ratt, die bei den sachen gewesen sint (1375 III 28).

36 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. l,fol. 61 r. presentibus [...] nobili Heinrico deLiechtenstain pro tunc capitaneo ecclesie Tridentine et vicario Stenici et Judicarie (1376 II 5); fei. 64r. prtsentibus nobile et respectabile comite domino Friderico de Ottenburg pro tunc generali capitaneo episcopatus Tridentini, [... ] ac Heinrico Liechtenstainerpro tunc vicecapitaneo dicti episcopatus TridenHni et vicario Judigarie (1376 VII 5); fei. 65r. prtsentibus [...] Heinrico Liechtenstainer pro tunc vicecapitaneo ecclesie Tridentine et vicario Judi-garie (1376 VII 6); fei. 68r: presentibus [...] Hainrico) Liechtenstainer)pro tuncprovisoredominiepiscopi infrascripti et ecclesie Tridentine ac vicario Judigarie (1376 XI 29); fbl. 67v: geezeugen [...] Hainrfich) Liechtenstain(er) zu den Zeiten Verweser des gotshaws ze Triende (1376 XII 5); fei. 67r: presentibus f...] Hainrico Liechtenstainer) pro tunc provisore ecclesie Tridentine et vicario Judicarie (1376 XII 12).

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424 Gustav Pfeifer

belegt37. Aufgabenfeld und Amtsbefugnisse des Trienter Hauptmannes, seit 1258 eine ständige Einrichtung, sind nicht eindeutig definiert. Seit der Mitte des 14. Jahrhundens nimmt er - abhängig von der je aktuellen Machtverteilung zwischen Bischof und Tiroler Landesherrn - , „eine eigentümliche Zwinerrolle" (Voltelini) ein: Er befehligt das bischöf-liche Aufgebot, föhn die Verwaltung der Stadt bzw. des gesamten Hochstiftes im Falle der Abwesenheit des Bischofs und steht dem Rat vor, womit er auch richterliche Befug-nisse gewinnt. Andererseits gerät er spätestens seit den „Kompaktaten" in zunehmende Abhängigkeit vom Tiroler Landesfursten, wird zeitweise sogar dessen Interessenvertreter gegenüber dem Bischof38.

Mehrfach ist der Liechtensteiner als bischöflicher Rechtsvertreter in konkreten Mis-sionen belegt: So klagt Hainrich Liechtensteiner als ein procurator dez ernwirdigenßirsten [...] pyschof Albrechts ze Tri'nde 1376 mit seinem redner vor dem adeligen Hofrecht in Bozen gegen den fehdefuhrenden Sikko von Caldonazzo39. Vor dasselbe Forum, genauer vor den Hofmeister auf Tirol, Heinrich von Ronenburg, tritt Heinrich als Sprecher des Trienter Bischofs und der hochstiftischen Lehensleute noch 10 Jahre später, am 29. April 1386, in einem Rechtsstreit zwischen Wilhelm von Enn und Marcabruno von Castel-barco40. In den Jahren ab 1382 war der Liechtensteiner in den Konflikt um die Erbnach-folge des Petrus von Madruzzo, konkret um die Rechte über die im Sprengel des capita-neus castri Stenichi gelegene Burg Madruzzo involviert. Am 15. Mai 1382 sitzt er als Rechtsvertreter der Töchter des Petrus von Madruzzo zusammen mit Anton von Arco und dem Hauptmann von Buonconsiglio und Trient in einem Schiedsgericht41. Drei Jahre später hatte Anton von Arco die Burg besetzt, um sie als Druckmittel gegen den Bischof zur Durchsetzung seiner Forderung nach der Gerichtsbarkeit in Judikarien zu verwenden. Nach einem Ubereinkommen der Streitparteien vom Mai 1385 sollte Ca-strum Madrucii in manihus et balia Heinrichs von Liechtenstein und Peters von Spaur übergehen; diese sollten die Feste bis zur Entscheidung über die jeweiligen Ansprüche des Herren von Arco und des Trienter Bischofs durch ein Schiedsgericht tenere et obser-vare, außerdem sollte Heinrich zusammen mit Anton von Castelbarco-Lizzana die Höhe des Schadenersatzes fesdegen42.

37 AStTn, APV, sezione tedesca, miscellanea η. 1; Regest bei: Klaus B r a n d s t ä t t e r , Deutsch-sprachige Aufzeichnungen im Trentino im Mittelalter, in: Literatur und Sprache in Tirol. Von den An-fängen bis zum 16. Jahrhundert (herausg. v. M. G e b h a r d t / M . S i l i e r , Schlern-Schriften 301, 1996) 359-406, hier 373.

38 Vgl. Hans von V o l t e l i n i , Immunität, grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol. AÖG 94/2 (1907) 311 -463 , hier 380f. und zuletzt Marco B e l l a b a r b a , I capitani tirolesi del princi-pal) vescovile di Trento: regole d'ufficio e di nobilti (XV-XVI sec.). Geschichte und Region/Storia e re-gione 4 (1995) 45-75, hier 47-49.

39 AStTn, APV, sezione tedesca, capsa 53, litt. III (1376 V 11); Regest bei: Stolz, Ausbreitung des Deutschtums, Bd. 3/2 (wie Anm. 10) 56 Nr. 45.

40 Darnach cham Hainr(eich) der Lyechtenstainer an meins herren stat von Trynd und dar nach alli ritter und chnecht, die von dem gotzhaws ze Trynd ze lehn waren, da salt nymant umb richten dan er [...] (SLA, Archiv Wolkenstein-Trostburg, Urkunde sub dato; Regest bei: Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte, Bd. 4 [wie Anm. 10] 402 Nr. 155).

41 TLA, Urkunde II 1140; AStTn, APV, sezione latina, capsa 40 n. 30 (1382 DC 7 und XII 18); Berthold W a l d s t e i n - W a r t e n b e r g , Geschichte der Grafen von Arco. Von der Edelfreiheit zur Reichsunmittelbarkeit (Schlern-Schriften 259, 1971) 207; vgl. auch Bettotti, Nobiltä (wie Anm. 4) 318 f.

42 AStTn, APV, sezione latina, capsa 30 n. 35 (1385 V 14); Waldstein-Wartenberg, Arco (wie vorige Anm.) 208. Das Schiedsgericht sollte sich aus folgenden Personen zusammensetzen: Ulrich von Matsch,

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Heinrich bekleidete das Amt des Hauptmanns von Stenico bis 138943, 1388 über-nahm er zusätzlich die Stadthauptmannschaft von Trient44. Als Mitglied des Rates, als domini episcopi consiliarius, ist Heinrich zwischen 1391 und 1392 noch mehrfach be-legt45, allein zu 1391 sind über vierzig Zeugenleistungen des Liechtensteiners bei Beleh-nungsakten des neuen Trienter Bischofs Georg (von Liechtenstein-Nikolsburg) überliefert46.

Wie Bittmann betont, muß - auch wenn sich in vielen Fällen die Gegenleistungen des Dienstherrn nicht rekonstruieren lassen - „bei der Ausübung von Verwaltungsfunk-tionen grundsätzlich von einer Besoldung des Amtsträgers ausgegangen werden"47. Auch im untersuchten Fall ist die Höhe bzw. Form der Dienstentschädigung (ob diese in Bar-geld, durch Belehnung oder über Pfandverschreibung erfolgte) nicht bekannt. Es sind weder Bestallungsbriefe, noch Dienstreverse oder Abrechnungen überliefert. Lediglich von der 1376 erfolgten Belehnung mit einem Zehnt in Altrei (s. u.) darf angenommen werden, daß sie in diesem Zusammenhang erfolgte.

b) Lehen und Eigen

Einkünfte aus verschiedenen Herrschaftsrechten über Land und Leute, etwa aus Grundherrschaft, Niedergericht, Leibherrschaft, Vogtrechten oder kirchenherrlichen Rechten zählen zu den eher traditionellen Einnahmequellen des Adels. In der Regel han-delt es sich um Geld- oder Naturalabgaben von Hintersassen, deren Höhe und Umfang v. a. im grundherrlichen Bereich im Spätmittelalter weitgehend fixiert waren. Langfristig erfahren die Einnahmen aus Zins und Gült damit einen realen Wertverlust, unter finan-ziellem Gesichtspunkt war die Grundherrschaft also nicht sehr lukrativ4'.

Von der Belehnung Heinrichs mit den Trienter Stammlehen 1363 war bereits die Rede. Dazu gehört neben der 1278 durch Meinhard II. zumindest teilweise zerstörten Höhenburg Liechtenstein die zu 1276 erwähnte untere Burg (castrum inferius), der Sitz der Burgmannen bzw. des Pflegers. Von hier aus werden die unmittelbar zur Burg gehö-renden, aus der urkundlichen Überlieferung nicht näher spezifizierbaren Lehensobjekte verwaltet, von hier aus erfolgt auch die Kontrolle über die Reif, den Stapelplatz für das am Reggelberg geschlagene, hier fur den Etschtransport bereitgestellte Holz49.

Friedrich von Greifenstein, Peter von Spaur, Anton oder Wilhelm von Castelbarco-Lizzana und Joachim von Vilanders, nicht dafür vorgesehen war - entgegen Waldstein-Wartenbergs Ausführungen - Heinrich von Liechtenstein.

43 Brixen, Hofarchiv, Chronologische Urkundenreihe 1389 X 21 (olim Nr. 13226): dem crbtrn und weisen unserm besunder lieben Hainreichen von Liechtenstein haubtman ze StinL

** Vgl. AStTn, APV, sezione latina, capsa 32 n. 10: [...] HainricideLiechtenstayn capitanei civitatis Tridentine (1338 XI 28).

45 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 48v, 50r, 51r, 53v, 56r, 57r, 71r, 73r, 77r-v, 86r und 88r, sämtliche Belege zu 1391 und 1392.

46 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 129v; capsa 22 n. 3, fol. 23v, 25r, 26r-v, 30v, 48v, 50r, 51r, 53v, 54v, 55r, 56r, 58r, 60r-v, 61v, 62r-v, 64r, 65r, 66v, 67r, 68r, 71r, 73r-v, 77r-v, 78r, 79r, 80r, 81 r-v, 84v, 85r, 86r, 88v und 90v; ferner capsa 53 n. 3 (1391), capsa 57 n. 33 (1391 III 2), capsa 36 n. 5 (1391 IV 9), capsa 60 n. 28 (1391 VI 18), TLA, Urkunde II 1307 (1391 IV 2) und Carlo Äusserer (Bearb.), Regesti castrobarcensi dell'archivio dei conti Trapp (Fond di storia Trentina. Document! e regesti, foscicolo 1, Trento 1928) Nr. 41 (1391 IV 13).

47 Bittmann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden (wie Anm. 2) 59. 41 Vgl. Köhn, Einkommensquellen (wie Anm. 29) 36 ff. 4 ' Vgl. Pfeifer, Liechtensteiner (wie Anm. 18) 171 mit Anm. 63. Noch im Steuerkataster von 1777

wird der 1758 in den Besitz der Augsburger Reichsabtei St. Ulrich und Afra gewechselte hochgraflich von

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426 Gustav Pfeifer

E b e n s o Tr ienter L e h e n d e r L iechtens te iner ist d i e Vogte i ü b e r d i e K i r c h e St . A n t o n u n d N i k o l a u s in Le i fer s . A u s e iner 1 3 8 6 anläßl ich der K i r c h e n - u n d Al t a rwe ihe v o m Tr ienter W e i h b i s c h o f G r e g o r i u s ausges te l l ten A b l a ß u r k u n d e g e h t hervor, d a ß d i e ecclesia sive capella sanctorum Sigismondi, Nicolai et Antonii de L[a]yuers plebis sancte Marie de ΒοΙςαηο diocesis Tridentine per nobilem virum dominum Henricum Lietenstang err ichtet w o r d e n ist5 0 .

W o h l als Teil se iner D i e n s t e n t s c h ä d i g u n g s i n d d i e Z e h n t e i n n a h m e n in Altrei zu be-t rachten , d i e nobilis vir Hainricus Liechtenstainer de Bozano i m F r ü h j a h r 1 3 7 6 a u s der H a n d des Tr ienter B i s c h o f s zu L e h e n erhielt 5 1 . Be i d e n W i e d e r b e l e h n u n g e n a m 2 . Apri l 1 3 9 1 5 2 u n d a m 17 . A u g u s t 1 3 9 7 5 3 w i r d der Altreier Z e h n t n e b e n d e r B u r g L iechtens te in als e inziges Tr ienter L e h e n s o b j e k t expl iz i t a n g e f ü h r t u n d er b le ib t L e h e n der L iechten-s te iner b i s 1 7 5 8 , b i s z u m V e r k a u f an d i e Re ichsab te i St . U l r i c h u n d A f r a in A u g s b u r g . D i e Z e h n t e i n n a h m e n a u s 15 H ö f e n u n d weiteren G ü t e r n be l ie fen s ich zu d i e s e m Zeit-p u n k t a u f 1 9 hl R o g g e n 5 4 .

I m F r ü h j a h r 1 3 8 5 g e l a n g d e m L iechtens te iner ein e n t s c h e i d e n d e r u n d langfr i s t ig m a ß g e b l i c h e r Z u g e w i n n : Fr iedr ich v o n G r e i f e n s t e i n verkau f te i h m f ü r 1 0 5 0 M a r k Ber-ner d i e B u i g e n K a r n e i d u n d S t e i n e g g , d a s G e r i c h t W e l s c h n o f e n u n d d e n Wasserer H o f i m V ö l s e r R i e d 5 5 . A m 14 . Apr i l e r fo lg te d ie B e l e h n u n g d u r c h H e r z o g L e o p o l d III . , w o -

Liechtensteinische Ansitz genant auf der Pfleg ob Leifers explizit als ein hochstiftisch trientnerisches Lechen be-zeichnet (SLA, Theres ianischer Grundsteuerkataster Bozen 21: Leifers Nr. 85). Vgl. hierzu Richard S t a f f 1 e r, Die Hofhamen von Zwölfrnalgreien und Leifers (Bozner Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst 1952, 1952) 124.

50 Leifers, Pfärrarchiv, Schachtel 17 Nr. 2 (1386 V 19). Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte, Bd. 1 (wie Anm. 10) Nr. 537 mit irrigem Datum und irrigem Retenstang statt Lietenstang. Daß mit dem nobilis vir dominus Henricus Lietenstang Heinrich (IV.) gemeint ist, ist aus der Erfahrung zu schließen, daß Al-mosenablässe häufig zur Finanzierung aktueller Bau- bzw. Ausstattungsvorhaben dienten. Hierbei wird man weniger an einen Neubau als vielmehr an einen Erweiterungsbau der Kapelle am älteren Turm aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert zu denken haben. Zur Kirchenvogtei vgl. Staffier, Hofnamen (wie vo-rige Anm.) 125; Wilhelm L i e b h a r t , Die Reichsabtei Sankt Ulrich und Afra zu Augsburg. Studien zu Besitz und Herrschaft 1006-1803 (Historischer Atlas von Bayern, Teil Schwaben II/2, 1982) 253; d e r s . , Die Reichsabtei St. Ulrich und Afra in Südtirol. HerTschaftsgeschichte, Verwaltungsorganisation und wirtschaftliche Bedeutung, in: Schwaben/Tirol. Historische Beziehungen zwischen Schwaben und Tirol von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Beiträge (1989) 141-146, hier 141.

51 [...] de una decima iure decimacionis cum omnibus eius honoribus etpertinentiis universis tarn in monte quam in piano, que decima ius decimacionis sita est in volle Flemarum diocesis Trid(entine), que colli-gitur etpercipitur in loco qui dicitur in Anthereo (AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 63v [1376 IV 9]), den vor ihm der ohne männliche Erben verstorbene dominus Jacobus iudex filius condam Berthotdi de villa Caualisii (Cavalese) zu Lehen gehabt hatte.

" TLA, Urkunde II 1307 (1391 IV 2); der entsprechende Eintrag ins Lehnbriefregister (AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 17v) ist dagegen mit 28. April datiert.

53 Innsbruck, Archiv der Tiroler Adelsmatrikel, ehem. Archiv Trauttmansdorff, Urkunde sub dato; AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 30r.

54 Vgl. Liebhan, St. Ulrich und Afra in Südtirol (wie Anm. 50) 141. Die zehntpflichtigen Objekte lassen sich über den Grundsteuerkataster von 1777 einfach ermitteln (SLA, Theresianischer Grundsteu-erkataster Neumarkt 5: Burgfrieden Altrei Nr. 2 8 , 4 0 , 4 9 , 59 ,80 , 81 ,82 , 1 2 4 , 1 2 5 , 1 3 0 , 1 3 5 - 1 4 5 , 152-1 5 4 , 1 5 6 , 1 9 5 , 235, 236, 251, 270-272, 281, 323, 329 und 469-470) .

" Vgl. Meran, Stadtarchiv, Notariatsimbreviaturen 11, Imbreviatur des Notars Ulrich von Eppan 1384/85, fol. 86r (21 r): Nominatim Castrum dictum Cumeit [et Castrum] de Stainegk et iurisdictionem in Welhisnouen [una cum curia dicta ze Wazzer] cum omnibus eorum iuribus etpertinenciis, [que] feoda legaüa esse dixerunt a dominio de 1yrol(1385 III 16). Dazu und zum folgenden vgl. Eduard P i c h l er/Helmut S t a m p f e r , Kameid, in: Oswald T r a p p , Tiroler Burgenbuch, Bd. 8. Raum Bozen (1989) 27-59, hier

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Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstein 427

bei in der entsprechenden Urkunde auch die Blutgerichtsbarkeit als Pertinenz der Ge-richtsherrschaft festgehalten wird56. Mit dem Kauf der beiden Burgen war die Auflage verbunden, weitere 100 Mark Berner zu verpawen an die vest ze Carneyt57, ferner wurde dem Greifensteiner und seinen direkten männlichen Erben das Rückkaufrecht für beide Burgen auf zehn Jahre eingeräumt58.

Da Friedrich von Greifenstein 1386 in der Schlacht bei Sempach fiel, gingen Burg und Gericht Karneid als landesfiirsdiche Lehen definitiv auf Heinrich von Liechtenstein über. Am 26. Jänner 1387 stellte ihm Herzog Albrecht III. darüber die Belehnungs-urkunde aus59.

Diese Erwerbung ist im Lichte einer gezielten Akquisitionspolitik zu sehen. Zusätz-lich zur Position in Leifers und Deutschnofen gewinnen die Liechtensteiner mit der Ge-richtsherrschaft Karneid-Steinegg bzw. Welschnofen die Kontrolle über die gesamte Holzwirtschaft der bewaldeten Hochfläche südösdich von Bozen. Der Besitz der im Ge-richtssprengel gelegenen Kardauner Reifstätte brachte in Bozen langfristig eine starke Marktposition fur Brenn-, Binder- und Weingartenholz60. Karneid wird im ausgehen-den 14. Jahrhundert und zu Beginn des 15. Jahrhunderts zur Hauptburg der Liechten-steiner. Heinrich begegnet in den neunziger Jahren vereinzelt mit dem Zusatz von Cor-nait, auch sein älterer Sohn Hans fuhrt dieses Prädikat gelegendich62, der von seinem jüngeren Sohn Wilhelm begründete, bis ins 17. Jahrhundert blühende Familien-

29 f.; zum Wassererhof vgl. Josef T a r n e 11er, Die Hofhamen in den alten Kirchspielen Deutschnofen-Eggental und Vels am Schiern. AÖG 106,1 (1915) Nr. 790 und Josef N ö s s i n g (Bearb.), Völs am Sehlem 888-1988. Ein Gemeindebuch (1988) 302f.

* Vgl. TLA, Codex 74, fol. 101 v: [...] und sollennt auch in dem obgenannten gericht gewalt haben, umb mallficc ze richten wie und als wen daß von alter herkhomen ist, ein Passus, der in den Belehn ungsur-kunden vom 26. Jänner 1387 (TLA, Urkunde I 106) und 31. Mai 1396 (TLA, Urkunde I 112) fehle 1387 belehnt Herzog Albtecht III. Hainr(ich) von Liechtenstein hauhtmann in Stjmimit den beiden Bur-gen Gorneit und Stainegg und dem Gericht Welschen Nofcn mit allen rechten, eren, wirden, nüczen, Zinsen, Vellen, gälten, weingerten, ackhern, wisen, holcz und mit leuten und gutem die darezugehörent. Diese Perti-nenzformel wird am 31. Mai 1396 bei der Belehnung der Söhne Heinrichs, Hans und Wilhelm, durch Herzog Leopold IV. wörtlich übernommen. Die Blutgerichtsbarkeit gehörte in Tirol durchaus zu den Pertinenzen der bedeutenderen Gerichte (vgl. Otto S to lz , Politisch-historische Landesbeschreibung von Südtirol [Schlern-Schriften 40, 1937-1939] 32f„ zum Gericht Kameid und Steineck 240-245, bes. 244), konnte aber bei Belehnungen und Verpfandungen auch ausdrücklich ausgenommen werden: So belehnen die Herzöge Leopold III. und Albrecht III. am 20. März 1370 Hans von Starkenberg und seine Frau Adelheid mit der Burg Schenna samt allen Zugehörungen bis auf die Blutgerichtsbarkeit (Kranich-Hofbauer, Starkenbergischer Rotulus [wie Anm. 8] 47); am 21. Oktober 1389 verpfändet Bischof Fried-rich von Brixen Heinrich von Liechtenstein das Gericht Fassa mit allen Rechten mit Ausnahme der Blut-gerichtsbarkeit (s. u.).

57 TLA, Urkunde I 101 (1385 IV 17). 5,1 TLA, Urkunde I 102 (1385 IV 17). 59 TLA, Urkunde I 106. 60 Vgl. Pfeifer, Liechtensteiner (wie Anm. 18) 171 Anm. 63; Christine Egger , Bozen zwischen

Stagnation und Wandel. Zur Geschichte der Verfassung, des Finanzwesens und der Wirtschaft von 1765-1795 (masch. phil. Diss. Innsbruck 1993) 105 f.

61 Etwa TLA, Urkunde I 3994 (1391 IV 13): Hainrich Liechtensteiner ah Corneit, Bozen, Staats-archiv (StABz), Bischöfliches Archiv Brixen, Lade 73 Nr. 25 litt, b (1394 IV 23, notarielle Abschrift von 1606): Hainrich Liechtensteiner von Cornait.

62 Vgl. AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 30r: Jo(hannes) Liechtensteiner de Comedo (1397 VIII17); fol. 9n Henrn Liechtensteiner von Cornait (1398IV 15); weitere Beispiele: fol. 39v (1402 VII 15); Brixen, Hofarchiv, Chronologische Urkundenreihe 1408 VIII 17 (olim Nr. 13327) und TLA, Urkunde 14452 (1410 X 27).

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zweig bezeichnet sich überhaupt nach seinem Herrschaftsmittelpunkt, Liechtenstein von Karneid63.

Im Frühjahr 1392 schließlich erhielt der Liechtensteiner vom Trienter Bischof nach Aufsagung durch Joachim von Vilanders den Pranzagerhof in Oberbozen und einen Zehnt in Jenesien zu Lehen64. Beide Lehensobjekte werden bereits 1398 durch Hein-richs Söhne wieder aufgesagt und von Bischof Georg erneut an Joachim von Vilanders als Lehen ausgegeben65.

Die grundherrlichen Positionen des Geschlechts sind großenteils nur aus einem spä-teren Horizont und selbst dann nur bruchstückhaft rekonstruierbai*6. In Leifers hatten die Liechtensteiner neben der von Trient zu Lehen gehenden Kirchenvogtei die Dorf-vogtei als Eigen. So bezeichnet sich Paul von Liechtenstein, ein Urenkel Heinrichs (IV.), 1506 als vogtherr und beschirmer [...] der nachpaurschaft an der Awe und des dorfß Ley-

fersbl. Der Urbarbesitz in und um Leifers erhellt erst aus der Überlieferung des 15. Jahr-hunderts. Der folgende Eintrag im landesfursdichen Urbar von 1406: So sullen die ze Leyffers gsessen sind des Liechtnstainers volkch und die anderen daselbs, hawe heraüffuren gen Gries oder gen Boczen und sol in von ainem fiider geben 1 gze vertrinkenzeigt, daß ein erheblicher Teil der dortigen Grundholden liechtensteinische Eigenleute waren. 1445 werden für diesen Raum an die 20 zinspflichtige Bauleute genannt und weitere 30 vor allem in Bozen und der weiteren Umgebung69. Ein genaueres Bild erhalten wir erst mit dem 18. Jahrhundert, der Aussagewert der folgenden Angaben bleibt aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstandes für die Situation im 14. Jahrhundert in methodischer

63 Vgl. Äusserer, Castelcorno (wie Anm. 18) 46. M AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 6r. ainen hofgelegen auf dem Ritten und ist gehaiz-

zen Pratzag und gilt jerlichen zehen ster waitz, xx ster rokken, χ ster habern, χ phunt gelts und weysed. Item ainen zehenten gelegen in sand Jenesi gericht, dient achtzig ster chims ( 1 3 9 2 I V 2) . Z u m Pranzagerhof vgl. Jo se fTarne l l e r , Die Hofhamen im Untern Eisacktal III. Das rechte Eisackufer von Velturns bis Wan-gen. AÖG 110,1 (1924) Nr. 3267.

" AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 9r (1398 IV 15). 66 Für das 14. und 15. Jahrhundert fehlen Urbar- und Zinsgüterverzeichnisse oder Rechnungsbü-

cher der Liechtensteiner, wie sie etwa für Oswald von Wolkenstein (vgl. Josef Ν ö s s i η g, Oswald von Wolkensteins Urbar- und Zinsgüter mit besonderer Berücksichtigung von Kastelruth, Völs und Waid-bruck, in: Gesammelte Vorträge [wie Anm. 8] 327-350), die Schlandersberger (vgl. Ottenthai, Rech-nungsbücher [wie Anm. 10]), für Parzival von Weinegg (SLA, Archiv Oberpayrsberg, Urbare 2.1.2 und 2.1.3 [1399]) oder Heinrich von dem Türen (SLA, Archiv Oberpayrsberg, Urbar 2.1.1 [1390-1392]) überliefert sind. Letzteres enthält etwa den Hinweis, daß der Stainman in dem Sissan von seinem hof, da er aufsitzet, den dritten Teil seiner Zinse dem Liechtenstainer zu entrichten hatte (fol. 17r); zum nördlich von Leifers gelegenen Steinmannhof vgl. Staffier, Hofhamen (wie Anm. 49) 117 f.

67 Zitiert nach Staffier, Hofhamen (wie Anm. 49) 116, 111 f. 68 TLA, Urbar 18/1, fol. 13v; vgl. Stolz, Ausbreitung 2 (wie Anm. 10) 192. Ein beinahe wort-

gleicher Eintrag findet sich bereits zehn Jahre früher im Grieser Gerichtsurbar von 1396. Vgl. Karl S c h a d e l b a u e r , Zwei tirolische Urbare aus dem bayrischen Hauptstaatsarchiv. Veröffendichungen des Museum Ferdinandeum 18 (1938) 465-474, hier 467.

69 TLA, Urkunde II 5571 (1445 XI 6): Helena von Lizzana, Witwe nach Wilhelm d. J. von Liech-tenstein, einem Enkel Heinrichs, erhält von den Kindern aus dieser Ehe bzw. deren Vormündern als Wit-tum, Heimsteuer, Morgengabe und Mitgift 40 Mark Berner Zinse angewiesen, und zwar u. a. in Bran-zoll, Petersberg, Bozen, Gries, Prazöll, Girlan, Frangart, St. Michael, Jenesien, am Ritten, in Nals, Völs, Gummer, Karneid und Steinegg. Zum Teil dürfte es sich um jene Zinse handeln, die Heinrich am 24. Juli 1382 von Konrad von Freundsberg und dessen Töchtern Ursula, der Ehefrau Joachims von Vilanders, und Elsbet, der Frau des Haug von Goldeck, um 150 Mark Berner erworben hatte (Ladur-ner, Regesten 5 [wie Anm. 10] Nr. 1132).

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Hinsicht freilich problematisch: Zusammen mit dem Zehnt in Altrei und den Trienter Lehen in Leifers ging auch das liechtensteinische Urbar in Leifers 1758 fur 40.000 fl in den Besitz der Augsburger Reichsabtei St. Ulrich und Afra über. 1777/80 zählt der Lehen- und Urbarbesitz in den Vierteln Leifers, Au, Seit und Breitenberg an die 30 grundzinspflichtige oder vom Stift selbst verwaltete Höfe, die Zehnteinnahmen von neun Höfen und Gütern im Viertel Leifers betragen zum Zeitpunkt der Erwerbung 14,7 hl Most und 2,85 hl Getreide70. In Deutschnofen und Petersberg, auf der unmit-telbar ösdich anschließenden Hochfläche des Reggelberges, reicht die Präsenz der Liechten-steiner als Grundherren teilweise in das letzte Viertel des 12. Jahrhunderts zurück71. Die Annahme, daß um 1385 auch die halbe Gerichtsherrschaft Deutschnofen als tirolisches Pfand oder Lehen an die Liechtensteiner kam, läßt sich aus den Quellen nicht erhärten72.

Seit den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts ist in Bozen Häuserbesitz der Liech-tensteiner nachweisbar73. Zu 1391 ist ein Haus des Heinrich Liechtensteiner ab Corneit in der niwenstat ze Pötzen belegt74, das mit einem zu 1458 genannten Liechtensteiner haws identisch sein könnte75. Weitere zwei marktrechtspflichtige Häuser der Liechtensteiner an der andern zeille·, also der südlichen Zeile der Laubengasse, nennt das landesfursdiche Urbar von 140676. Davon jeweils zu unterscheiden ist das in den Quellen zum Untersu-chungszeitraum nicht auftauchende liechtensteinische Amtshaus am Musterplatz77. Da der Liechtensteiner selbst in Bozen nach 1360 urkundlich praktisch nicht nachzuweisen ist, müssen hier eingehendere Fragen etwa zu Besitzstruktur, Betätigungsfeldern, Betei-ligung am Markt oder am Stadtregiment, kirchlichen Stiftungen usw. offen bleiben.

c) Pfandschaften

Die Anpfandung von Herrschaftsrechten und Besitztiteln diente dem spätmittel-alterlichen Adel in erster Linie der Erweiterung der Einkommensbasis, sie bot darüber hinaus eine interessante Möglichkeit der Kapitalanlage und zur Ausdehnung des herr-

70 Vgl. Liebhart, St. Ulrich und Afra in Südtirol (wie Anm. 50) 141. Von den 1777/80 unter insge-samt 179 Nummern zusammengefaßten Katastralkomplexen sind 48 dem Stift grundzinspflichtig oder werden von diesem direkt verwaltet (SLA, Theresianischer Grundsteuerkataster Bozen 21: Leifers, pas-sim).

71 Bereits am 29. Mai 1176 überträgt Vitalis servus quondam domini mei Odescalfi de Liatestagno vice et iussione domini mei einen Eigenhof in Nova (Deutschnofen) als Seelgerätstiftung an die Bauhütte des Benediktinerstiftes San Lorenzo vor Trient (Franz H u t e r [Bearb.], Tiroler Urkundenbuch 1/1 [1937] Nr. 347). Am 28. Juni 1309 verkaufen dominus Wilihalmus et dominus Kalochus, filii quondam Kalochii de Liechtenstayn, et sua mater domina Angenes den Egghof in Petersberg an Prantoch Jaudes (Deutsch-nofen, Pfärrarchiv, Urkunde sub dato). Dazu kommt der Besitz weiterer Höfe in Petersberg. Vgl. Rosa S t o c k e r - B a s s i , Deutschnofher Höfegeschichten 1. Die Nachbarschaft Petersberg (1992) 5, 14, 26; Pfeifer, Liechtensteiner (wie Anm. 18) 165, 183-185.

72 So Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung (wie Anm. 56) 237 zu 1383; erst zu 1460 sind die Liechtensteiner und die Herren von Niedertor gemeinsam als gerichtsherren aufTeutschnoffen belegt (ebda.).

73 Vgl. Pfeifer, Liechtensteiner (wie Anm. 18) 175. 74 TLA, Urkunde I 3994 (1391 IV 13); zur Lokalisierung vgl. Pfeifer, Liechtensteiner (wie

Anm. 18) 175 Anm. 81. 75 Karl Theodor Η ο e η i g e r, Ein Häuserverzeichnis der Bozner Altstadt von 1497 (Schlern-Schrif-

ten 92, 1951) 37 Nr. 118 identifiziert es mit dem Haus Mustergasse 4'. 76 TLA, Urbar 18/1, fol. 6rbzw. 7r. Hoeniger (Häuserverzeichnis [wie vorige Anm.] passim) wertet

das Urbar von 1406 zwar ebenfalls aus, erwähnt die genannten Häuser aber nicht. 77 Vgl. Josef We i η g a r t η e r, Die Kunstdenkmäler des Etschlandes, Bd. III/2 (1926) 162 f.

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schaftlichen Einflußbereichs. Es sind vor allem zwei wesentliche Elemente, die die Pfandschaft für den Adel attraktiv machten: Die Verfügungsgewalt des Pfandnehmers über und das Nutzungsrecht am Pfandobjekt bzw. die damit verbundenen Renditen78.

Für Heinrich von Liechtenstein fällt die Erwerbung von Herrschaftspfändern oder ganzen Pfandherrschaften ab dem Ende der siebziger Jahre zusammen mit der Erschlie-ßung neuer, über das Hochstift Trient hinausreichender Aktionsräume. Die nun auffal-ligen Kontakte zu den Brixner Bischöfen scheinen vor allem über die Wanderer gelau-fen zu sein79: 1379 finden wir den Liechtensteiner zusammen mit Joachim von Vilanders im Pfändbesitz der nordwesdich von Brixen gelegenen bischöflichen Burg Salern. Die beiden Pfandnehmer räumen in der Pfingstwoche jenes Jahres Bischof Friedrich das Recht ein, auf der vest ze Salern selber mit hause [zu] siezen, ohne dadurch in ihren rechten, purkhät und nuezen beeinträchtigt zu werden, ferner mit dem Vorbehalt, daz wir oder wer unser purkgraf ist, in dem Ham sein und diesen oder auch andern gemach, dez wir ze not bedürften, jederzeit nutzen zu können80. Die zeidiche Dauer der Ρ fond-schaft ist ebenso wenig bekannt wie die Höhe des Pfandschillings; einen Näherungs-wert81 dürften jene 1500 Mark Berner darstellen, fur die der Bischof Burg und Gericht Salern 1388 an Etzel von Wolkenstein verpfändete82.

1389 verpfändete derselbe Bischof Friedrich von Brixen dem erbern und weisen un-serm besunder lieben Hainreichen von Liechtenstain, haubtman ze Stini (Stenico), für ein Darlehen von 1500 Mark Berner zur Lösung der an Eczel von Wolkenstain verpfändeten Gerichte Fassa (Eueys) und Salern das Gericht Fassa mit allen Gülten, Zehnten, Steuern, Zinsen, Dienstbarkeiten und Gefallen bis zu 50 Pfund Berner sowie sämdichen dazuge-hörigen Rechten mit Ausnahme der Blutgerichtsbarkeit43. Auch in diesem Fall ist ein planvolles Vorgehen zu beobachten: Das Gericht Fassa grenzte unmittelbar ösdich an das Gericht Karneid-Steinegg. Für die Fassaner Gerichtsleute hatte die liechtensteini-sche Gerichtsherrschaft wegen der eben durch Privilegien Herzog Leopolds III. (1386) und Albrechts III. (1393) zugesicherten Rechte auf freien Viehdurchtrieb zum Verkauf oder zur Weide auf die Moser von Gries und Neuhaus eine erhebliche logistische und damit wirtschaftliche Bedeutung. Die Durchsetzung dieser Rechte führte in der Folge zu Interessenskonflikten mit den Liechtensteinern. Erst 1394 kam es diesbezüglich zwi-

78 Vgl. Bittmann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden (wie Anm. 2) 18, 111 ff., 131 (F.; G ö t z L a n d w e h r , Pfandschaft, in: HRG 3 (1984) 1688-1693.

" Diese Vermutung läßt sich durch ein weiteres Indiz erhärten: Gerade zu 1379 erwähnen die Ge-nealogen Zibock (Genealogia [wie Anm. 18] pag. 64 f.) und Mayrhofen (Genealogien [wie Anm. 28] Nr. 263) eine über die Urkunden nicht (mehr) belegbare Eheverbindung zwischen Heinrichs Tochter Dorothea und Hans, Sohn des Joachim von Vilanders.

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Archiv Wolkenstein, Urkunde 1379 (V 30—VI 04). Zum Gericht Salern vgl. Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung (wie Anm. 56) 422—427, zur Burg, die Sitz des gleichnamigen Gerichtes war, vgl. Martin B i t schnau/Oswald T r a p p , Salern, in: Oswald T r a p p , Tiroler Burgenbuch, Bd. 4. Eisacktal (21984) 16-22.

81 Köhn gibt freilich zu bedenken, daß „der Preis verpfändeter [...] Abgaben, Rechte, Güter und Herrschaften [...] selbst innerhalb weniger Jahre nicht unbeträchtlich" schwanken konnte (Einkom-mensquellen [wie Anm. 29] 58).

12 Bitschnau/Trapp, Salern (wie Anm. 80) 17. " Brixen, Hofarchiv, Chronologische Urkundenreihe 1389 X 21 (olim: Nr. 13226). Zum Gericht

Fassa vgl. Ignaz von Z inger le / Jo se f E g g e r (Hg.), Die tirolischen Weisthiimer 4/2 (Oesterreichische Weisthümer 5/4/2, 1891) 733ff.; Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung (wie Anm. 56) 385-392; Frumenzio G h e t t a , La valle di Fassa nelle Dolomiti. Preistoria, romanitä, medioevo. Contributi e document! (Collana di pubblicazioni della biblioteca dei pp. Francescani Trento 5, Trento 1974) 158 f.

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sehen Hainrich Liechtensteiner von Cornait und seinen Söhnen Hans und Wilhelm als betroffenen Gerichtsherren einerseits und Richter und Gemeinde von Fassa andererseits gegen eine Abschlagzahlung von 80 fl gueter ducaten zu einer Einigung84. Weder die Dauer der Verpfandung noch der Zeitpunkt der Pfändauslösung ist bekannt. Auch spä-terhin sind hier liechtensteinische Pfandnahmen aus dem leibherrlichen Bereich belegt: So streiten Hans und Wilhelm von Liechtenstein noch 1408 mit ettleich lewtten in Eueys, die unser saez sind von dem e(r)wirdigen gotshaws zu Brixen, von wegen etleich hew zehenf85.

Ende der achtziger oder zu Beginn der neunziger Jahre, jedenfalls nach 1386, dürfte Herzog Albrecht III. die südlich von Bozen und damit in der unmittelbaren Interessen-sphäre der Liechtensteiner gelegene Haselburg mit allen dazugehörigen Rechten an Heinrich verpfändet haben86. Nach dessen Ableben bestätigten Herzog Leopold IV. und Herzog Wilhelm seinen Söhnen Hans und Wilhelm von Liechtenstein am 7. Juni 1396 die bestehende phantschafft der vesten ze Haselberg, die Höhe des Pfändschillings blieb aber auch bei dieser Gelegenheit ungenannt87. Knapp 20 Jahre später, am 17. Oktober 1414, verpfändete Herzog Friedrich IV. die Burg um 950 Mark Berner an Hans von Wolkenstein88, Heinrichs eingebrachte Pfändsumme wird wohl in etwa dieser Höhe ver-anschlagt werden können.

d) Konnubium

Der tirolische Niederadel ist in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts - trotz fort-schreitender Nivellierung — kein homogenes Sozialgebilde. Rangunterschiede und so-ziale Schichtung manifestieren sich unter anderem im Heiratsverhalten und in der Höhe der Heiratsgaben89. Als ein Grundzug darf auch hier festgehalten werden, daß „Bezie-hungen [...] zu standesgemäßen und prestigeträchtigen - oder wenigstens finanzschwe-ren - Geschlechtern gesucht" wurden90. Mit der Eheschließung mit Dorothea von Tschengeis unterstreicht Heinrich von Liechtenstein seinen Anspruch auf Zugehörigkeit zur Spitzengruppe des Ritteradels: Das Einheiraten in ein höherrangiges Geschlecht und die damit verbundenen Erberwartungen bedeuteten fiir den Liechtensteiner mit Sicher-heit einen erheblichen Prestigegewinn91. Die ständische Qualität der Herren von

M StABz, Bischöfliches Archiv Brixen, Lade 73 Nr. 25 litt, b (1394 IV 23, notarielle Abschrift von 1606). Vgl. Zingerle/Egger, Weisthümer 4/2 (wie vorige Anm.) 735 undGhetta, Fassa (wie vorige Anm.) 158 f. und 384 f.

" Brixen, Hofärchiv, Chronologische Urkundenreihe 1408 VIII 17 (olim Nr. 13227). 86 Vgl. dazu Matthias Schmelzer , Haselburg, in: Trapp, Burgenbuch, Bd. 8 (wie Anm. 55) 76-

99, hier 80. 87 TLA, Urkunde II 1311 (1396 VI 7). Die Liechtensteiner können die Haselburg bis 1410 halten,

nach der Fehde gegen Herzog Friedrich IV. mußten Heinrichs Söhne Hans und Wilhelm die Feste be-dingungslos restituieren (TLA, Urkunde I 4452 [1410 X 27]).

" Vgl. Schmelzer, Haselburg (wie Anm. 86) 80. " Vgl. Bittmann, Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden (wie Anm. 2) 228 ff.; Spieß, Fami-

lie und Verwandschaft (wie Anm. 2) 398ff.; Peter Feldbauer , Rangprobleme und Konnubium öster-reichischer Landhenenfamilien. Zur sozialen Mobilität einer spätmittelalterlichen Führungsgruppe. ZBLG 35 (1972) 571-590, hier 571.

90 Zitat: Hörsch, Adel im Bannkreis (wie Anm. 14) 365. 91 Sablonier stellt fiir die Ostschweiz um 1300 fest: „Was das Konnubium angeht, so sind bei fast

allen erfolgreichen Geschlechtern [des Ritteradels] fiir das Prestige wichtige Heiraten mit hochfreien Frauen nachweisbar." (Roger Sablonier , Adel im Wandel. Eine Untersuchung zur sozialen Situation des ostschweizerischen Adels um 1300 [Veröffendichungen des Max-Planck-Instituts fiir Geschichte 66,

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Tschengels im 14. Jahrhundert ist nicht eindeutig bestimmbar: Sie stammen zunächst aus der churischen Ministerialität, wechseln vor 1239 in die familia comitis de Tyrol, seit 1271 fuhren Angehörige der Familie nachweislich den Beinamen „Freier" (Uber). Neben dem churischen Kanzleramt für den Vinschgau und das Unterengadin (seit 1330 Lehen des Tiroler Landesfiirsten) sowie der Burg Tschengeisberg verfugten die Herren von Tschengels über die Dorfvogtei in Tschengels und Prad und über einschlägige Patronats-rechte. 1286 erhalten die nobiles Gebhardus et Henricw de Schenges von Graf Mein-hard II. für kurze Zeit die comitia in Hertenberch zu Lehen92. Goswin von Marienberg spricht in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit Bezug auf das Kanzleramt von den nobiles viri ac libere condicionis domini de Schengels93, die Inschrift des 1389 gearbei-teten Wappengrabsteines der Familiengrablege in der Johanneskirche in Prad beginnt mit den Worten: Hic estsepultura dominorum etdominarum libertinorum de Tschengels94, Franz Huter schließlich bezeichnet sie explizit als Edelfreie95.

Wir dürfen also davon ausgehen, daß wir es mit einem — in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts freilich bereits absteigenden - Herrengeschlecht zu tun haben: 1352 verkauften die Tschengelser die halbe Burg Tschengeisberg an Berchtold von Leben-berg96, in der Folge zeigten sich auch generative Probleme, die innerhalb zweier Genera-tionen (1421) zum Aussterben fuhren sollten.

Der genauere Zeitpunkt der Eheschließung zwischen Dorothea von Tschengels und Heinrich von Liechtenstein läßt sich aufgrund der mehrfach angedeuteten Überliefe-rungssituation nicht ermitteln, dasselbe gilt fur die Heiratsgaben. Der Liechtensteiner wird jedenfalls erhebliche Anstrengungen unternommen haben müssen, um den Stan-desunterschied finanziell abzugleichen, was indirekt Rückschlüsse auf seine Finanzkraft zuläßt97.

Heinrichs Söhne98 aus dieser Ehe gehen durchwegs ebenbürtige Eheverbindungen mit Frauen aus der Spitzengruppe des aus der Brixner Ministerialität hervorgegangenen landsässigen Adels ein: Hans von Liechtenstein heiratet Gertraud Säbner von Reifen-stein99, Heinrichs jüngerer Sohn Wilhelm ehelicht Martha, eine Schwester Oswalds von

1979] 138). Zum Konnubium zwischen Hochadel und Niederadel vgl. auch Spieß, Familie und Ver-wandtschaft (wie Anm. 2) 400 ff.

92 Vgl. Hermann W i e s f l e c k e r/Johann R a i n e r (Bearb.), Die Regesten der Grafen von Tirol und Göre, Herzoge von Kärnten, Bd. II/1 (Publikationen des Instituts für österreichische Geschichtsfor-schung 4/1, 1952) Nr. 497 (1286 VI 3); Bitschnau, Burg und Adel (wie Anm. 5) 174f.; Franz H u t e r (Hg.), Handbuch der historischen Stätten. Österreich 2. Alpenländer mit Südtirol (21978) 631; zu Hör-tenberg vgl. Otto S t o l z , Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol 1. Nordtirol (AÖG 107 = Abhandlungen zum Historischen Adas der österreichischen Alpenländer 15, 1923-1926) 398ff.; zu Tschengeisberg vgl. Oswald T r a p p , Tiroler Burgenbuch, Bd. 1. Vinschgau (31980) 137-141.

93 Roilo, Registrum (wie Anm. 10) 74. M Zitiert nach J o s e f W e i n g a r t n e r , Die Kunstdenkmäler des Etschlandes, Bd. IV/2 (1930) 328. , 5 Huter, Handbuch (wie Anm. 92) 631. * Trapp, Burgenbuch, Bd. 1 (wie Anm. 92) 138. 97 Dazu Spieß, Familie und Verwandtschaft (wie Anm. 2) 398 ff.; ders., Ständische Abgrenzung (wie

Anm. 2) 197; ferner Feldbauer, Rangprobleme und Konnubium (wie Anm. 89) 576. " Heinrichs Tochter Dorothea ist urkundlich nicht belegt. Nach Zibock (Genealogia [wie

Anm. 18] pag. 64 f.) bzw. Mayrhofen (Genealogien [wie Anm. 28] Nr. 263) ehelicht sie nach 1379 Hans von Vilanders, Sohn Joachims von Vilanders, und stirbt kinderlos um 1400.

" Weder Zeitpunkt der Eheschließung noch Heiratsgaben sind belegt, Gertraud taucht in den Quellen überhaupt erst nach dem Tod von Hans auf: 1424 ist die Rede von der fursichtigen fraum Ge-drawtten, witiben weilannt herrn Hansens von Liechtenstein des ritters (TLA, Archiv Sehen na, Urkunde

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Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstain 433

Wolkenstein. Nach dem von Heinrich 1391 ausgestellten Ehevertrag sollte Wilhelm von seinen Schwiegereltern Friedrich von Wolkenstein und Katharina, Tochter des Eckehart von Vilanders, ze haimsüwer einen Barbetrag von driuhundert marchperner erhalten, fer-ner wird darin eine Regelung zu einer eventuellen Rechtsnachfolge auf die Feste Trost-burg mit Mannschaft und Eigenleuten getroffen'00. Die Höhe der Heimsteuer lag - wie sich aus einem Vergleich ergibt — mit 300 Mark Berner im oberen Bereich dessen, was bei Eheverbindungen des Ritteradels zu dieser Zeit im Durchschnitt üblich war101, bei den herrenmäßigen Starkenbergern dagegen finden sich durchaus Heimsteuern in der doppelten Höhe102.

e) Titel und Reihung in Zeugenlisten

Ein weiteres signifikantes Indiz für Rangunterschiede stellt die Reihung in Zeugen-listen dar, damit in engem Zusammenhang steht das Führen bestimmter Titel, in erster Linie des mit der Ritterwürde verliehenen prestigeträchtigen miles- bzw. Rittertitels103.

Nr. 147, 1424 IV 10), zu 1454-1458 verzeichnet ein Urbar des Sterzinger Deutschordenshauses: Item so zinst man uns aus dem Intaler hof gelegen in der Aw unter Pötzen, den der Lienhart pawt, 5 lb, darumb man 1 jartag peget zu dem heiligen geist frawen Gerdrawtn der Liechtenstainerinn, Virichs des Selmers tochter (Karl Schade lbaue r , Entferntere Güter des Sterzinger Deutschherren-Hauses. Der Schiern 13 [ 1935] 222-225, hier 224). Zu den Säbnern von Reifenstein vgl. Martin Bitschnau, Säben, in: Trapp, Burgen-buch, Bd. 4 (wie Anm. 80) 114-155, hier 119ff.; Hern ö t t l , Branzoll, in: Trapp, Buigenbuch, Bd. 4 (wie Anm. 80) 156-172, hier 156-158; dies., Reifenstein, in: Oswald Trapp, Tiroler Burgenbuch, Bd. 3. Wipptal (1974) 141-179, hier 144.

,co SLA, Archiv Wolkenstein-Trostburg, Urkunde sub dato (1391 II 8). Zu den von einem Zweig der Vilanderer abstammenden Wolkensteinern vgl. Schwöb, Oswald von Wolkenstein (wie Anm. 8) 9-18.

"" Jacob der Fuchs von Fttchsperch bestätigt 1375 die Einnahme von 200 Mark Berner als Heim-steuer seiner Frau Margrete, Tochter des alten Botschen von Bozen (SLA, Archiv Wolkenstein-Trostburg, Urkunde sub dato, 1375 III 23; Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte, Bd. 4 [wie Anm. 10] 399 Nr. 133). 1379 verheiratet Ewerhart von Gufedatin seine Tochter Elspettn an Hansen, Hainreiches des Mevsenrevters sunt von Welsperch, die Heimsteuer beträgt 300 Mark Berner (SLA, Archiv Welsperg-Primör I, Lade 16 Nr. 9, 1379 XII 20; Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte, Bd. 3 [wie Anm. 10] Nr. 2080); GotfriJder Le-benberger erhält fur die Heirat mit Margrete, Hansen dez Welspergers saligen tochter die Zusage Uber 300 Mark Berner Heimsteuer (SLA, Archiv Welsperg-Primör I, Lade 16 Nr. 14, 1400 V 5); Ciprian Fuchs von Fuchsperg nimmt Margarete, Tochter des Wilhalm von Blasy (Belasi) zur Frau und erhält von diesem in haimsteur weiss [...] zweihundert marckperner (SLA, Archiv Gandegg, Urkunde Nr. 49, 1402 V 16).

102 1378 erhält Sigmund, Sohn des Hans von Starkenberg, aus seiner Verbindung mit Osanna, Tochter des Rudolf von Ems, 550 Mark Berner Heimsteuer, angewiesen auf das Gericht Schlanders; laut Heiratsvertrag vom Dezember 1390 sollte Barbara von Starkenberg in ihre Ehe mit Ulrich von Freunds-berg 600 Mark Berner Heimsteuer einbringen. Vgl. Kranich-Hofbauer, Starkenbelgischer Rotulus (wie Anm. 8) 48, 51 und 53 und Ute Monika S c h w ο b, .Herrinnen' in Tiroler Quellen. Zur rechdichen und sozialen Stellung der adeligen Frau im Mittelalter, in: Literatur und bildende Kunst im Tiroler Mittel-alter (herausg. v. E. Kühebacher , Innsbrucker Beitrage zur Kulturwissenschaft - Germanistische Reihe 15, 1982) 157-182, hier 167 und 178 Anm. 79.

103 Für den Tiroler Raum liegen einschlägige Arbeiten bislang ausschließlich von germanistischer Seite, und hier in erster Linie zu Oswald von Wolkenstein vor: Anton Schwöb, Oswald von Wolken-stein - Selbstnennungen, Titel, Ämter und Würden. Der Schiern 51 (1977) 331-349; ders., Landherr und Landesherr im spätmittelalterlichen Tirol. Oswalds von Wolkenstein Ständepolitik, in: Gesammelte Vorträge (wie Anm. 8) 3-38, passim; zuletzt Max S i l i e r , Die Standesqualität der Vinder von Bozen zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Prolegomena zu einer Interpretation von Vintlers „Blumen der Tugend" (1411), künftig in: Durch aubenteuer muess man wagen vil FS Anton Schwöb (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft - Germanistische Reihe 57,1997) (der Autor stellte mir freundlicherweise das druck-fertige Manuskript zur Verfugung). Diese Arbeiten zeigen allerdings verschiedendich terminologische

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Der Liechtensteiner wird ab seinem verstärkten Auftreten in den Trienter Quellen um 1375 in den Zeugenlisten unter die honorabiles, venerabiles, honesti oder discreri viri gereiht104, also unter die nicht mit der Ritterwürde ausgezeichneten Niederadeligen.

Seit den achtziger Jahren fällt Heinrich von Liechtenstein mit einiger Regelmäßig-keit unter die nobiles viri bzw. nobiles et potentes virtw, in der Folge kommt bei solchen kollektiven Bezeichnungen ein domini hinzu106, seit ungefähr der M i n e des Jahrzehnts finden sich in Trienter Urkunden und in den Lehnbriefregistern um das persönliche Prä-dikat dominus erweiterte Nennungen1 0 7 . Wie Clavadetscher fur das benachbarte Rätien beispielhaft zeigen konnte, war das Prädikat nobilis im 12. und 13. Jahrhundert noch ständisch eindeutig besetzt: Es wurde „konsequent verwendet für eine geschlossene Adelsgruppe, welche eigene Herrschaftsrechte ausübte und im spätmittelalterlichen

Unsicherheiten: Im ausgehenden 14. Jahrhundert oder gar in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird man nicht mehr von Ministerialen sprechen. Unklar bleibt auch, was jeweils unter dem offenbar sehr dehnbaren Begriff,Landherr' verstanden wird: ein sozialer Rang? eine ständische Kategorie? ein Prädikat? das gesamte Spektrum des - auch in Tirol um 1400 - vertikal geschichteten landständischen Adels? Im klassischen Sinn - und in der Regel auch in den Quellen - werden mit .Landherren' die Mitglieder des Herrenstandes bezeichnet (Otto Brunncr , Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfas-sungsgeschichte Österreichs im Mittelalter [M 965] 405 f.). Freilich bleibt fur Tirol nach wie vor zu klären, wer in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts oder um 1400 herrenmäßig ist bzw. wer nicht. Auf jeden Fall gilt es zu differenzieren zwischen dem den titulierten Ritteradeligen bzw. den Kleriker kennzeichenden Prädikat dominus/herr und dem entsprechenden Standestitel. Der edel und vest ritter herr Oswalt von Wolkenstain ist demnach ein landsässiger titulierter Ritteradeliger, im ständischen Sinn also kein Land-herr. Vgl. Spieß, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 2) 203 mit Anm. 101.

104 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 35v, 36r, 44v, 45v: presentibus honorabilibus viris (alle zu 1375); fol. 51v: presentibus discretis viris dominis (zu 1375); fol. 81v, 96r: presentibus venerabilibus viris (dominis) (zu 1382 bzw. 1385); fol. 135v bzw. capsa 22 n. 3, fol. 26v: presentibus [...] honestis viris (1393); fol. 23v, 26r: presentibus venerabilibus et discretis viris (zu 1391); fol. 25v, 28v: presentibus honora-bilibus et discretis viris (zu 1392).

105 TLA, Urkunde II 1140: coram nobilibus etpotentibus viris dominis Antonio milite de Archo, [...] Hen-riche dicto Lietestainerio de Lietstain, capitaneo castri Stenichi etJudicariis [...] (1382 III 15); AStTn, APV, sezione latina, capsa 40 n. 30: presentibus nobilibus viris dominis [...] Henrico Lietenstaynerio de Lietenstayn [...] (1382 DC 7); capsa 30 n. 35: inter nobiles viros dominum Petrum militem de Sporo et Henricum de Lie-testain( 1385 V 14); capsa 58 n. 42: nobili viro Henrico de Lietestain vicario in Judicariis (1386V 31); capsa 36 n. 5: presentibus nobilibus et potentibus viris [...] Henrico Lietestainerio de Lietestain (1391 IV 9); ver-einzelte Beispiele finden sich auch schon früher, so capsa 22 η. 1, fol. 9r: investivimus nobilem virum Hain-ricum de Liechtenstain (1363 XII 7); fol. 63v: nobilis vir Hainricus Liechtenstainer de Bozano (1376 IV 9).

106 Wobei von Fall zu Fall zu prüfen wäre, wie weit sich das bei der Zeugenaufzählung der ganzen Gruppe oft vorangestellte höchste Prädikat auf alle Genannten bezieht. Vgl. Otto P. C lavadet scher , Nobilis, edel, fry. Jetzt in: ders., Rätien im Mittelalter. Verfassung, Verkehr, Recht, Notariat. Ausge-wählte Aufeitze (herausg. v. U. Brunold/L. Deplazes , 1994) 344-353, hier 349f.

107 Vgl. AStTn APV, sezione latina, capsa 40 n. 30: presentibus nobilibus viris domino Petro milite de Sporo, domino Henrico Lietenstayn(erio) [...] (1382 XII 18); capsa 62 n. 103: presentibus [...] nobili viro domino Henrico de Lietestain (1386); Pfarrarchiv Leifers, Schachtel 17Nr. 2: per nobilem virum dominum Henricum Lietenstang (1386 V 19); Bianchini, Condino (wie Anm. 32) 13f.: nobiliis et honorabillis vir dominus Henricus de Leytensta[yneri]s bzw. coram nobilli et potenti viro domino Henrico de Lietenstain[er]o (1386 VI 15/26); AStTn APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 117r: presentibus nobilibus et potentibus viris [...] domino Hainricho de Liechtenstain (1390 IV 20); capsa 57 n. 33: nobili viro domino Henrico de Lietestayn(\y)\ III 2); Äusserer, Regesti castrobarcensi (wie Anm. 46) n. 41: nobilis mr dominus Henricus deLietesstain (1391 IV 13); Hannes Obermair , Nonsberger Regesten. Das Archiv Unterweg-Perger in Proveis (1274-1777). Der Schiern 66 (1992) 593 Nr. 9: pres. nobiliis viris dno Petro millite de Castro Spu-rii, dno Henricho dco Litenstagno [...] (1393 I 2). An die dreißig weitere Beispiele finden sich im Trienter Lehnbriefregister (capsa 22 n. 3) zu den Jahren 1391-1394.

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Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstein 435

Sinn als reichsunmittelbar angesprochen werden darf , d. h. für die Edelfreien108. Im 14. Jahrhundert stimmt diese Gleichung nicht mehr, nobilis wird nun auch dem Nieder-adel zugebilligt, es wird zunehmend zur Bezeichnung für einen höheren sozialen Rang, eben den Adel, gegenüber nachdrängenden Schichten109. Nach Spieß bezeichnet nobilis im 14. Jahrhundert „keinen juristisch faßbaren Tatbestand, sondern eine soziale Verhal-tensform. Als die fuhrenden Ministerialen und Ritter einen adeligen Lebensstil annah-men, wurden sie gelegendich als .nobiles' bezeichnet oder nannten sich selbst so"110.

Der persönliche dominus!herr- Titel dagegen, der noch zu Beginn des 14. Jahrhun-derts beinahe inflationär und auch in der städtischen Oberschicht verwendet wird1", er-fährt in der zweiten Jahrhunderthälfte eine Verengung: Seit dem ausgehenden 13. Jahr-hundert auch auf Kleriker ausgedehnt"2, bezeichnet das am Namen haftende Prädikat dominus/herr nun - wie Herwig Weigl anhand einer breiten Untersuchung fur Öster-reich unter der Enns zeigen konnte - in erster Linie den titulierten Ritter"3. Dieser Be-fund trifft im wesentlichen auch auf die Praxis der deutschsprachigen Urkunden des Un-tersuchungsraumes zu"4, während die Trienter Notare dem Liechtensteiner den domi-Kiu-Titel offenbar willkürlich beimessen oder vorenthalten, so daß es schwerfallt, hier Regelmäßigkeiten und damit Zusammenhänge zu erkennen. Das Prädikat fehlt in den siebziger Jahren noch fast durchgehend, es taucht um die Mitte der achtziger Jahre zu-nächst fällweise auf, um 1390 betiteln einige Notare Heinrich konsequent mit nobilis vir dominusJ", andere dagegen belassen es beim nobilis, discretus oder honestus vir1*6. Inwie-weit hier vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen auch terminologische

l0* Clavadetscher, Nobilis (wie Anm. 106) 347. Hierzu auch Spieß, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 2) 200-202 und Weigl, Materialien (wie Anm. 2) 236.

109 Clavadetscher, Nobilis (wie Anm. 106) 351 f.; vgl. auch Volker Rödel , Reichslehenswesen, Mi-nisterialität, Burgmannschaft und Niederadel. Studien zur Rechts- und Sozialgeschichte des Adels in den Mittel- und Oberrheinlanden während des 13. und 14. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 38, 1979) 501.

110 Spieß, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 2) 199. '" Brandstätter, Bürgerliche Oberschicht (wie Anm. 4) zeigt beispielsweise, daß zu Beginn des

14. Jahrhunderts die Spitzengruppe der Bozner Bürgerschaft (äst ausnahmslos den dominus-Τκά fuhrt. Eine parallele Enwicklung stellte Roger Sablonier für ostschweizerische Städte fest: „Städtische Kanzleien beginnen, in Zürich schon kurz nach 1250, andernorts etwas später, die Ratsmicgtieder und bald auch andere Angehörige der bürgerlichen Oberschicht mit dem persönlichen Herrentitel auszuzeichnen." (Adel im Wandel [wie Anm. 91] 183). Vgl. auch Rödel, Reichslehenswesen (wie Anm. 109) 501.

112 Vgl. Weigl, Materialien (wie Anm. 2) 236; Spieß, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 2) 204. '13 Vgl. Weigl, Materialien (wie Anm. 2) 238; Spieß, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 2) 203. 114 Vgl. AStTn, APV, sezione latina capsa 22 η. 1, fol. 67v: geczeugen her Hainr(eich) der Ghzler

chammerrrutyster des obgenannten durchleuchtigen fursten, her Peter von Arberch, her Waker von Stadigen und Hainr(eich) Liechtemtain(er) zu den Zeiten Verweser desgotsbaws ze Triende (1376X11 5); fol. 70v: ge-czeugen die edelen her Aldriget von Kastebarch [!], her Symon der Rstbeiner, her Chünrat der Pranger, her Parcziual von Weinek, her Caspar von Firmian, Hainr(eich) Liechtenst(ainer) und ander vil edel und erber leut (1378 VI 16); TLA, Urkunde I 4206: gezeugen her Parcziual von Weinekk, her Hillprant auz Passeir, her Jörg von Gufidaum, her Sygmund von Starkchenberg, her Peter von Spawr, her Hans von PradeU, her Da-niel von Lyechtenberg, her Jorg von Twingenstain all ritter, darnach Hainrich Lyechtenstainer, Hans Shnders-perger\...\ und ander erber läwt genueg{l387 IV21).

"5 Siehe oben Anm. 106. Vgl. AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 1 l4v: prtsentibus [...] nobili viro Hainrico

Liechtenstainario de Liechtenstain (1390 V 30); capsa 22 n. 3, fol. 28v: presentibus honorabilibus et discretis viris [...] Henrico Liechtenstainer (1392 III 16); fol. 26v: presentibus venerabili domino Johanne Rewter Ra-tisponensis et Tridentine ecclesiarum canonico, Johanne plebano in Persino ac honestis viris Henrico Liechten-stainer(\ 393 VI 8).

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Unsicherheiten eine Rolle spielen oder einfach irrtümliche Titulierungen vorliegen, wird im Einzelfall schwer zu entscheiden sein.

Trotz dieser schwankenden Praxis erkennt man in der Reihung der Zeugen selbst eine weitgehende Konsequenz: Der Liechtensteiner wird regelmäßig solchen Personen nachgereiht, die den mileslntter- Titel fuhren, womit Mitglieder des Niederadels gemeint sind, die die persönliche Ritterwürde erlangt hatten117. Die Nennung der „Ritter" vor den „Nichtrittern", genauer: die Berücksichtigung der Ritterwürde für die Reihung und Unterscheidung der Zeugen zeigt auch noch fiir die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts die wesentliche Bedeutung von Rang und Prestige"8. Das Prädikat miles!ritter wird also nicht ständisch verstanden (auch der nichttitulierte Rittermäßige gehört ständisch zu den Rittern), sondern noch weitgehend als Funktionstitel angesehen und bezeichnet le-diglich einen sozialen Rang"9. Indirekt verweist die Rinerwürde auf die ökonomische Lage ihres Trägers, da die Finanzierung der mit der ritterlichen Lebensweise verbunde-nen Aufwendungen „eines Mindestmaßes an materieller Ausstattung" bedurfte120.

Meinhard II. ( t 1295) hatte im Sinne seiner Entfeudalisierungspolitik durch konse-quentes Versagen des Ritterschlages auch das Führen des persönlichen Rittertitels weit-gehend unterbunden. Erst nach seinem Tod empfingen — wie Johann von Viktring be-richtet - 500 Tiroler, Kärntner und Krainer Ritter auf dem Tag zu St. Veit 1298 aus der Hand Graf Alberts von Görz den Rittergürtel121. Der Erwerb des Rittertitels war in Tirol

117 Vgl. AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 66r: [...] presentibus illustrissimo principe et domino nostra gratioso duce Leupoldo Austrie, Stirie, Karinthie et Karniole, comite Tyrolis, nobili comitt Fri-derico de Ortenburch nepote nostro, domino Petra milite de Torberch, Hainrico dicto Gaezzler, domino Josio milite de Gerhut, Hainrico de Liechtenstein [...] (1376 XI 9); AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 70': des sint geczeugen her Hans probst ze sand Michel pei Chünigsperch, her Jacob von Stermol, chorher ze Trient, pharrer ze Harlant in Krain, her Parczival von Weinek, her Walther von Stadigin ritter, Hainrich Liechtenstainer, Nikel Reyfer (...) (1378 IV 11); TLA, Urkunde I 4206: Da pey sind gewesen die das ertailt habent und auch gezeugen her Parcziual von Weinekk, her Hillprant auz Passeir, her Jörg von Gufidaum, her Sygmund von Starkchenberg, her Peter von Spawr, her Hans von Pradell, her Daniel von Lyechtenberg, her Jorg von Twingenstain all ritter, darnach Hainrich Lyechtenstainer, Hans Slandersperger [... ] und ander erber lätvtgenueg(1387IV 21); AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 111 r: presentibus nobili et egregio viro domino Odorico advocato de Amacia, nobili milite domino Petro de Spauro, domino Gualterio de Sta-ding, nobilibus viris dominis Antonio olim nobilis militis domini Azonis de Castrobarco, Henrico de Lieten-stain [...] (1390 IV 20); capsa 22 n. 3, fol. 68r: presentibus nobilibus et potentibus viris dominis Henrico de Rotenburg capitaneo comitatus Tirolis et episcopatus Tridentini, Bolfingo de Stubenberg milite Salcenburgfen-sis) diocesis, Petro milite de Spuro et Henrico de Litenstayn Trid(entine) diocesis [...] (1391 IV 10); fol. 27v: presentibus venerabili domino Johanne Rewter decretorum doctore prothonotario infrascripti reverendi patris domini episcopi Tridentini ac strenuis militibus Petro et Matheo fratribus de Sporo et honestis viris Henrico Liechtenstainer, Pretlino de Caldesio vallis Armn(ie) et Vlrico Prey habitatore Triden(ti) testibus [...] (1393 XI 19). Wir kennen aber auch drei Gegenbeispiele, wo Heinrich entweder irrtümlich oder nach seinem ständischen Rang vor einem Träger der Rinerwürde gereiht wird: AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 64r: presentibus nobilibus et potentibus viris dominis Henrico de Rotenburg honorabili capitaneo co-mitatus Tirolis et episcopatus Tridenti, Bolfingo de Stubenberg milite Salcenb(u)r(gensis) diocesis, Henrico de Lietenstayn Trident(ine) diocesis et Petro milite de Spuro vallis Ananie dicte diocesis (1391 IV 10); fol. 78r: presenttbus nobilibus viris dominis Henrico de Rotenburg, honorabili capitaneo comitatus Tirolis et episcopa-tus Tridenti, Johanne de Landesperg milite, Gaspario milite eius filio, Henrico de Lietenstayn, Janesso milite de Pradelo et Cristoforo dicto Voches de Epiano testibus (1391 VI 18); im wesendichen gleichlautend ist die Zeugenliste auf fol. 84v vom selben Tag.

Vgl. Weigl, Materialien (wie Anm. 2) 231; Sablonier, Adel im Wandel (wie Anm. 91) 171 f. " ' Vgl. Weigl, Materialien (wie Anm. 2) 231 f.; Spieß, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 2) 199. 120 Rödel, Reichslehenswesen (wie Anm. 109) 504 f. 121 Wiesflecker, Meinhard (wie Anm. 3) 155 f.; Iohannis abbatis Victoriensis liber certarum historia-

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noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht unbedingt an die Ritterbürtigkeit gebunden. Dies zeigt etwa die Karriere des aus der Unfreiheit aufgestiegenen Gottschalk von Bozen, Richter von Enn-Neumarkt, der 1323 als nobilis et potens miles bezeichnet wird122.

0 Siegel und Wappen

Für den Untersuchungszeitraum stellt die Siegelfuhrung durch Rittermäßige ge-meinhin „weder ein rechdiches noch ein fiir den Stand spezifisches Problem" dar123. Auch in Tirol, vor allem aber im Hochstift Brixen begegnen wir ab den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts Inhabern von Wappensiegeln aus den Reihen der Ministerialität124. Auffällend ist dagegen der nicht unerhebliche zeidiche Rückstand der Trienter Ministe-rialität bzw. des späteren Niederadels, der in erster Linie auf ein Überlieferungsproblem zurückgeht: Das Notariatsinstrument als im Hochstift Trient vorherrschende Urkun-denform erübrigte in den meisten Fällen den Besitz eines Siegels zur Beglaubigung von Rechtsgeschäften125. Siegelfuhrung kann daher in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun-derts auch hier kein brauchbarer Parameter für die soziale Schichtung oder ständische Zuordnung mehr sein. Sie stellt allenfalls ein Indiz fiir die verstärkte Ausrichtung und die intensiveren Kontakte zum Rechtsbereich der Siegelurkunde dar.

Das älteste erhaltene Siegel der Liechtensteiner überhaupt ist bezeichnenderweise ein Wappensiegel Heinrichs (IV.). Es hängt an einer Urkunde vom April 13771 2 6 , als Mitsiegler ist der Liechtensteiner bereits zu 1375 bezeugt127. Ein Wappen fuhrt das Ge-

rum, com. 1 (herausg. v. F. Schne ider , MGH SSrG, 1909) 324. Zur Situation im Hochstift Trient vgl. Hans von Vol te l in i , Die gefälschten Kaiserurkunden der Grafen von Arco. MIÖG 38 (1920) 241-281, hier 249 f.

122 Vgl. Riedmann, Gottschalk von Bozen (wie Anm. 4) 114 und 122 Anm. 41. Zur Problematik allgemein vgl. Rödel, Reichslehenswesen (wie Anm. 109) 305 f.

123 Zitat: Weigl, Materialien (wie Anm. 2) 217; vgl. dazu Wilhelm Ewald, Siegelkunde (Hand-buch der mittelalterlichen und neueren Geschichte IV, 1914) 39; Erich Ki t te l , Siegel (Bibliothek fiir Kunst- und AntiquitätenfTeunde 11, 1970) 284 ff.

,M Vgl. Leo San ti fal ler , Document! inediti per la storia del Capitolo della Cattedrale di Bressa-none 1227-1500. Archivio per l'Alto Adige 16 (1921) 31-225, Siegeltafeln 7-11, 15-19; ders. (Hg.), Die Urkunden der Brixner Hochstifts-Archive 845-1295 (Schlern-Schriften 15, 1929) Tafeln XXXIII-XXXIX, 28-47; Franz H u t e r (Bearb.), Tiroler Uikundenbuch, Bd. 1/3 (1957) Siegeltafel VI, 12-14; Georg Johannes K u g l e r (Bearb.), Die Urkunden des Augusriner-Choiherienstiftes Neustift bei Brixen von 1143 bis 1299 (FRA 11/77, 1965) 274-280; Trapp, Burgenbuch, Bd. 3 (wie Anm. 99) 11 f.; ders., Burgenbuch, Bd. 4 (wie Anm. 80) 11-13; ders., Tiroler Butgenbuch, Bd. 6. Mittleres Inncal (1982) 12-14; ders., Tiroler Burgenbuch, Bd. 7. Oberinntal und Ausserfern (1986) 11-14; Fornwagner, Freundsberg (wie Anm. 7) 195-198.

125 Vgl. dazu Richard Heuberger , Das deutschtiroler Notariat. Umrisse seiner mittelalterlichen Entwicklung. Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 6 (1927) 27-122, passim.

126 TLA, Urkunde 14260 (1377IV 10): Heinrich siegelt hier neben dem Aussteller Rudolf von Ems als einziger von sechs Schiedsleuten in einem Erbschaftsstreit zwischen Rudolf von Ems und seiner Frau Wandelburch einerseits und Wilhelm von Enn andererseits. Das Siegelbild seines runden Wappensiegels ( 0 24 mm) ist auf einem mit Ranken damaszierten Hintergrund ein Dreieckschild, dieser zeigt eine gestürzte Spitze bis zur Schildmitte, das liechtensteinische Stammwappen. Die leicht verballhornte Umschrift zwischen Perllinien in gotischer Majuskel lautet: + hAINREICh-VON LIEThTENST(AIN). Die heraldische Tinktur des Wappenschildes - in Blau eine silberne gestürzte Spitze - ist uns erst aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert überliefert, so etwa im Gewölbeschlußstein der Burgkapelle von Karneid. Vgl. Konrad F i schnaler , Tirolisch-Vorarlberg'scher Wappenschlüssel, 2. Teil, Folge 3 und 4 (Ausgewählte Schriften 5, 1940) 121.

127 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 η. 1, fol. 52r: Chuncz von Zufenczan (Civezzano), öbrister

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schlecht dagegen nachweislich seit mindestens der Jahrhundertmitte: Auf einem 1913 beim Abbruch eines Meraner Laubenhauses aufgedeckten und abgenommenen Fresko-fragment findet sich u. a. das Oberwappen, also Helm und Helmzier, von Heinrichs Vetter, dem um 1363/64 verstorbenen loerge von Liechtensta(in)'28.

Der Liechtensteiner siegelte in erster Linie von ihm selbst ausgestellte Urkunden: So die beiden Urkunden vom 17. Mai 1385, mit denen er seine mit dem Kauf der Burgen Karneid und Steinegg gegenüber Friedrich von Greifenstein eingegangenen Pflichten bestätigt129, am 8. Februar 1391 den ebenfalls selbst ausgestellten Heiratsvertrag seines Sohnes Wilhelm mit Martha von Wolkenstein130 und schließlich den Vergleich mit den Gerichtsleuten von Fassa im April 1394131, die beiden letzteren wurden jeweils auf Initiative des Ausstellers vom edlen machtigen herrn Hainr(eichen) von Röttenburch mit-gesiegelt. 1388 siegelte Hainreich von Liechtenstain von Amts wegen als Gerichtsherr eine Urkunde in einem Rechtsstreit um den Zins des Paßhofes in Steinegg132. Als Mitsieg-ler finden wir ihn neben den oben erwähnten Fällen von 1375 und 1377 ein letztes Mal schließlich im Juni 1394 beim Dienstrevers Heinrichs von Rottenburg für die Funktion des Trienter Hochstiftshauptmannes133.

Heinrich von Liechtenstein ist im Dezember 1394 das letzte Mal urkundlich be-legt134 und dürfte im Laufe des folgenden Jahres gestorben sein. Andreas Zibock berich-tet zu seinem heute nicht mehr erhaltenen Grabmal: liegt begraben auf dem freuthoffder pfarrkhirchen zue Bötzen, neben der matter der alten St. Nicolaipfarrkhirchen undter einem mausolaeo oder grabstein, darauf das alte liechtenstainische wappen sambt dem heim einge-hauen, undt in den enden herumb nachfolgende grabschriefft: Anno domini miüesimo tre-centesimo LXXXXVstarb herr Heinrich von Liechtenstein, [...]135.

schench des gotshaus ze Triend, sagt Bischof Albert seine Hochstiftslehen auf mit der Bitte, sie an Heinrich (?) von Greifenstein zu verleihen, siegelt selbst unddaczuzü ainerpezzern geczeugnuzz derselben sache han ich gepeten den erbern vesten ritter herrtn Chunraten den Pranger und Hainreichen den Liechtenstainer daz si irpaide(r) insigel zu dem meinen durch meiner vleizzigen pett willen an disen prief gehengt haben (1375 III 28).

124 Vgl. Gustav P f e i f e r , Wappenfresken aus einem Meraner Laubenhaus, Mitte 14. Jh., in: Eines Fürsten Traum (wie Anm. 3) 189. Für ältere Darstellungen des Wappens - nach Stephan von Mayrhofen (Genealogien [wie Anm. 28] Nr. 263) etwa bereits zu 1222 - gibt es keinen Beleg. Auch der konkrete Hinweis Ausserers: „Das älteste mir bekannt gewordene Wappen derselben [seil, der Liechtensteiner] be-findet sich an einem Kapitale des Kuppelfensters am romanischen Kirchturme von Leifers, das aus dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts stammt." (Castelcorno [wie Anm. 18] 51) konnte bei einem Augenschein nicht verifiziert werden.

,M TLA, Urkunden I 101 und 102. SLA, Archiv Wolkenstein-Trostburg, Urkunde sub dato.

131 StABz, Bischöfliches Archiv Brixen, Lade 73 Nr. 25 litt, b (1394 IV 23, notarielle Abschrift von 1606).

132 Mairhofer, Urkundenbuch Neustift (wie Anm. 10) 408 ff. Nr. 640: Also gib ich Egenanter Hain-reich von Liechtenstain von gerichtswegen zu Staineck, als volg, frag und recht pracht hat, disen offen brief, versigelten mit meinem aygen anhangendem Insigel zu urkunt ainer warhait.

133 AStTn, APV, sezione tedesca, capsa 49 litt, ο (1394 VI 24). Es siegeln ferner der Aussteller Hein-rich von Rottenburg und Peter von Spaur.

134 AStTn, APV, sezione latina, capsa 22 n. 3, fol. 8v und 29r (jeweils 1394 XII 7). 135 Zibock, Genealogia (wie Anm. 18) pag. 64.

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IV. Ergebnisse

Heinrich (IV.) von Liechtenstein kommt in der Entwicklung seines Geschlechts eine Axt Scharnierfunktion zu, in seinem Werdegang spiegeln sich zugleich wichtige Aspekte des allgemeinen Wandlungsprozesses in der Struktur des Tiroler Adels in der zweiten Hälfte des in dieser Hinsicht noch kaum erforschten 14. Jahrhunderts wider: Ahnlich wie in Bayern und Österreich „starben" auch in Tirol im ausgehenden 13. bzw. in der er-sten Hälfte des 14. Jahrhunderts die edelfreien Geschlechter bis auf wenige Ausnahmen „aus". Die damit freiwerdenden Positionen und Besitzungen wurden sukzessive von der Fiihrungsschicht des aus der Ministerialität hervorgegangenen Niederadels und von in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in den Adel nachgerückten Aufsteigern besetzt.

Ausgangsbasis fiir den Aufstieg Heinrichs (IV.) von Liechtenstein ist eine solide wirt-schaftliche Grundlage. Der frühe Tod seines Bruders Schweiglin und der seines Vetters Georg setzen ihn bald an die Spitze des Geschlechts und ermöglichen den vollen Zugriff auf grund-, leib- und kirchenherrliche Einkünfte aus Urbar und Lehen, die aufgrund der diffusen Überlieferungssituation in ihrem Umfang nur fragmentarisch erfaßt werden können. Die Bekleidung hervorragender Ämter in den Diensten des Trienter Bischofs bietet, über das damit verbundene Sozialprestige und die mit herrschaftlicher Tätigkeit verbundenen Möglichkeiten hinaus, eine mehr oder weniger sichere Einnahmequelle und Bereicherungschancen. Der Liechtensteiner verfugt sehr bald über größere Sum-men Bargeld und legt sie gezielt in Pfändherrschaften (Burg Salern, Gericht Fassa, Burg Haselburg) an, erwirbt weitere grundherrliche Zinse und Lehen, darunter eine be-deutende Gerichtsherrschaft mit hochgerichdichen Befugnissen (Karneid-Steinegg). In-wieweit Heinrich in Bozen über den Besitz von Häusern und grundherrlichen Zinsen hinaus in die städtisch-kommunale Sphäre eingebunden ist, läßt sich - wiederum über-lieferungsbedingt - schwer beurteilen.

Die Frage nach seiner sozialen Einordnung ist zugleich die Frage nach der Schich-tung des Tiroler Adels im Untersuchungszeitraum. Heinrichs Konnubium mit einer Frau aus einem höherrangigen Geschlecht ist wahrscheinlich das Ergebnis erheblicher fi-nanzieller Anstrengungen. Es ist zugleich ein klarer Hinweis fur die Zugehörigkeit zur Spitzengruppe des rittermäßigen Adels. Seine „schwache" Position in Zeugenreihen hängt in erster Linie mit dem fehlenden Rittertitel zusammen, ist also weniger eine Frage der ständischen oder rechdichen Position Heinrichs, sondern eine Frage des So-zialprestiges.

Die mangelnde Präsenz bei zentralen landesherrlichen oder landschaftlichen Rechts-akten - etwa 1363 bei der Übergabe Tirols an die Habsburger - verweist auf eine erst spät vollzogene herrschaftliche Verankerung im Kernbereich des Tiroler Landesherrn. Auch die nun nachweisbare Siegelfuhrung ist ein Indiz für die ab den siebziger Jahren eingeleitete Neuorientierung. Dem entspricht in dieser Zeit die zunehmende herrschaft-liche Festigung der Habsburger als territorialpolitisch dominante Macht in Tirol und deren direkte Einflußnahme auf das politische Gefuge im Hochstift Trient. Der Liech-tensteiner knüpft — nicht zuletzt über das Konnubium seiner Kinder - im Kräfteparalle-logramm zwischen Trient, Tirol und Brixen ein reiches Beziehungsnetz und kann die für die eigene wirtschaftliche und soziale Situation ausschlaggebenden Chancen von Herr-schaftsnähe136 aktiv nutzen.

136 Vgl. Sablonicr, Wirtschaftliche Situation (wie Anm. 13) 28.

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Heinrich legt damit entscheidende Weichenstellungen, die den weiteren Aufstieg seiner Söhne und Nachfahren nicht unwesendich erleichterten. Der ältere Sohn Hans (t 1410/11) fuhrt - möglicherweise aufgrund einer Teilnahme an einer Preußenfahrt137

- seit 1402 den Rittertitel138 und zählt in der Folge zur Führungsschicht der Adelsoppo-sition gegen Herzog Friedrich IV.139. Zwischen 1403 und 1421 kommt es in mehreren Etappen zum Anfeil des Tschengelser Erbes, d. h. in erster Linie der Burg Tschengels-berg mit der dazugehörigen manschafi, Uhenschaft undfreyschaft als landesfursdiche Le-hen140. Das 15. Jahrhundert ist gekennzeichnet von einer intensiven Einbindung in Ver-waltungsdienst und Hofamter des Tiroler Landesfilrsten und des Bischöfe von Brixen. Eine außergewöhnliche Karriere gelingt Bartholomäus (t 1493), dem zweiten Sohn Wilhelms, der als Hofmeister Maximilians I. 1478 erstes erbländisches und zugleich er-stes aus dem Ritteradel stammendes Mitglied des Ordens vom Goldenen Vlies wird14'. Sein Neffe Ulrich wählt die geisdiche Laufbahn und wird 1493/96 Bischof von Trient (t 1505)142. Paul von Liechtenstein (t 1513), ein Urenkel Heinrichs (IV.) und Enkel Hans' von Liechtenstein, erreicht als Maximilians Hofmarschall 1506 die Erhebung in den erblichen Freiherrenstand mit dem Prädikat Castelcorno143, sein Sohn Christoph Philipp erlangt von Kaiser Karl V. am 21. August 1530 die erbliche Grafenwürde144. Da-mit war eine für die weitere Geschichte des Geschlechtes entscheidende Etappe erreicht.

137 Vgl. Werner P a r a v i c i n i , Die Preußenreisen des europäischen Adels 2 (Beihefte der Francia 17/2, 1995) 216, 218, 220 zu 1398, 1400 und 1402.

118 Der älteste mir bekannte Beleg ist die Zeugennennung im Ehevertrag zwischen Cyprian Fuchs von Fuchsperg und der Margareth von Belasi (SLA, Archiv Gandegg, Urkunde Nr. 49, 1402 V 22): her Lienhart von Lebenberg, her Hans der Liechtenstainer, her Kaspar Reifer alle drey ritter, Wtlhalm von Liech-tenst(ain), Erasem von Tunne, Ludeweig und Parzifall gepruder von Sparrenbergk, Hans Goldecker [...].

139 Zusammen mit seinem Bruder Wilhelm findet sich Hans etwa an hervorragender Stelle in den Reihen des von Heinrich von Rottenburg 1407 initiierten Ständebündnisses (Schwind/Dopsch, Urkun-den zur Verfassungsgeschichte [wie Anm. 10] Nr. 161, 1407 III 28).

140 TLA, Urkunde II 7029 (1403 I 10); TLA, C o d a 74, fol. 97r-99v (1403 I 10), fol. 260r (1403 IV 28), fol. 89v-90r (1411 III 28) und fol. 90r (1415 X 27); Trapp, Burgenbuch, Bd. 1 (wie Anm. 92) 138 und Huter, Handbuch (wie Anm. 92) 631.

141 Vgl. Gustav P f e i f e r , Bertremi von Liechtenstein-Karneid, in: Les Chevaliers de l'Ordre de la Toison d'or au XVe sifecle. Notices bio-bibliographiques (herausg. v. R. de S m e d t , Kieler Werkstücke D/3, 1994) 170 f.

142 Vgl. Severino V a r e s c h i , Lichtenstein-Karneid (Cornedo), Ulrich von (t 1505), in: Erwin G a t z (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon (1996) 423-425.

143 TLA, Codex 74, fol. l r -2v (1506 VI 28); vgl. Inge F r i e d h u b e r , Liechtenstein, Paul v., in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 14 (1985) 464 f.; Äusserer, Castelcorno (wie Anm. 18) 46-55; Hermann W i e s f l e c k e r , Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 5 (1986) 248-251; künftig auch: Heinz N o f l a t s c h e r , Politische Führungsgruppen in den öster-reichischen Ländern 1480-1530 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 161, 1998) passim.

144 TLA, Codex 74, fol. 4r-5v; vgl. Äusserer, Castelcorno (wie Anm. 18) 55-60.

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