NR. 245 W I S S E N DIENSTAG, 22. OKTOBER 2013 … · sagt Günther Schweier, Pilzexperte aus...

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Wie von Zau- berhand ver- wandelt sich dieser Pilz in ei- ne schwarze feuchte Masse! Dicke und dünne Schleimfäden hängen von seinem Hut herunter. „Weil der Schleim an schwarze Tinte erinnert und manchmal aussieht wie Haare, heißt dieser Pilz Schopftintling“, sagt Günther Schweier, Pilzexperte aus Friedelsheim (Kreis Bad Dürk- heim). Das schwarze Fadengewirr entsteht aber erst, wenn der Pilz al- tert. Dagegen sind junge Schopf- tintlinge noch weiß und haben ei- nen eiförmigen Hut. Du findest sie vor allem im Herbst auf Wiesen, Weiden, im Wald, manchmal auch im Garten. „Im hellen Jugendstadi- um sind sie sogar essbar“, sagt Schweier. Wegen ihres langen Stiels heißen sie auch „Spargelpil- ze“. Aber schon nach ein bis zwei Tagen breitet sich der Pilzhut aus und färbt sich immer dunkler. Dann zerfließt er am Rand und löst sich zuletzt völlig auf. Oft dauert das nur wenige Stunden. Die plötzliche Auflösung hat einen Sinn: Pilzfruchtkörper sollen ja Sporen verbreiten, damit daraus neue Pilze entstehen. „Der schwar- ze Schleim ist voll von unzähligen reifen Sporen“, erklärt Günther Schweier. „Wenn er auf den Boden tropft, fallen sie mit herab.“ Der Pilz sorgt also für seine Vermeh- rung, indem er zerfließt und ver- geht. Übrigens: Man hat früher die Flüssigkeit tatsächlich als Tinte ge- nutzt! (lad/Fotos: Ladwig) " — NR. 245 DIENSTAG, 22. OKTOBER 2013 WISSEN kai_hp13_rat-wiss.01 „Keine Angst haben, Spielraum aufzumachen“ Herr Loschelder, worauf muss man beim Verhandeln achten? Auf zwei Dinge. Das Wichtigste ist, dass man mit einem sogenannten selbstdienlichen Anker einsteigt. An- ker deswegen, weil die Zahl, die da genannt wird, das Gegenüber veran- INTERVIEW: Wer über sein Gehalt verhandeln, ein Auto kaufen oder einen Jugendstilsekretär ersteigern möchte, sollte sich sein Einstiegsangebot reiflich überlegen. Denn wer mit einem präzisen Betrag beginnt, ist beim Feilschen im Vorteil. Das hat jedenfalls die Studie eines Teams um den Sozialpsychologen David Loschelder von der Universität des Saarlandes ergeben. Wir haben uns mit dem Saarbrücker Forscher unterhalten. kern soll. Selbstdien- lich, weil ich den Preis so wähle, dass er meinen Interessen entgegenkommt. Ein Beispiel: Wenn ich eine Gehaltsver- handlung führe, stei- ge ich über meinem Ziel ein. Vielleicht mit 45.000 Euro und nicht mit 40.000 Eu- ro, damit die höhere erste Zahl mein Ge- genüber in der Ver- handlung verankert. Zum anderen gilt: Je präziser die Zahl ist, desto stärker scheint der Anker zu wirken. Der Verhand- lungseinstieg mit 44.850 Euro Jahres- gehalt beispielsweise wäre ein selbstdienlicher hoher Anker, zusätz- lich noch präzise. Warum sind ungerade Zahlen beim Verhandeln denn besser? Zum einen, weil sie unerwartet sind. Die meisten rechnen in so einer Situa- tion mit einem eher runden Preis. Wenn dann ein präzises Angebot kommt, fängt beim Empfänger ein Attributionsprozess an. Er überlegt sich: Warum sendet mir mein Gegen- über ein so präzises Angebot? Es er- weckt den Eindruck, man habe sich Gedanken über ein angebrachtes An- gebot gemacht und hat vielleicht auch eine höhere Expertise. Viel- leicht hat er sich mit dem Taschen- rechner hingesetzt und einen Preis entwickelt, der fair und plausibel ist. Das gilt sowohl für den Käufer als auch den Verkäufer? Ja. Wenn Sie als Käufer ein Angebot machen, das niedrig und präzise ist, wirkt das für Sie besser, als wenn Sie ein rundes machen. Umgekehrt gilt: Je höher und gleichzeitig präziser das Angebot ist, desto dienlicher ist das für den Verkäufer. Um wie viel besser schnitten Sie mit ei- nem präzisen Angebot in Ihrer Studie denn beim Verhandeln ab? Wir haben in einem Antiquariat als Verkäufer um einen Jugendstilsekre- tär gefeilscht. Wir haben ihn einmal für 1200 Euro und einmal für 1185 Euro angeboten. Das waren zwar nur 15 Euro weniger, die wir eingangs forderten. Am Ende führte dieser präzise Anker aber zu einem Einigungspreis, der mehr als 100 Euro höher war, als bei dem 1200- Euro-Angebot. Reagieren die Leute nicht komisch auf solch ungerade Zahlen? Nein, wir wurden in den Studien zwar von einigen darauf angesprochen, zu einem Verhandlungsabbruch hat das aber nicht geführt. Durch die Bank haben die Leute aber Gegenangebote zurückgesandt, die für uns besser wa- ren, als wenn wir einen runden Preis genannt hatten. Diese Präzision hat aber vermutlich auch ihre Grenzen, dazu machen wir gerade eine Folge- studie. Wenn der Ausgangsbetrag hoch ist – wie beim Beispiel der Ge- haltsverhandlung – wirkt eine cent- genaue Angabe, wie 47.854,37 Euro, vermutlich eher unglaubwürdig. Da- von würde ich eher abraten. In sol- chen Bereichen sollte man vielleicht auf drei, vier Ziffern genau werden, nicht auf sechs oder sieben. Worauf gilt es noch zu achten? Präzisere Zahlen führen womöglich dazu, dass eine präzisere Einheit beim Verhandeln gewählt wird. Sage ich beispielsweise 48.750 Euro, ist die Einheit, in der der Verhandlungspart- ner anpasst, auf vielleicht 50 Euro ge- nau. Schlage ich direkt 48.000 Euro vor, ist es nicht der 50-Euro-Schritt, sondern der Tausender-Schritt, in dem adjustiert wird. Die Einheit, in der ich im Kopf anpasse – für den An- ker adjustiere – ist eine andere. Sind ihre Verhandlungspartner auf die präzisen Angebote eingegangen und haben selbst präziser verhandelt? Nein, die blieben trotzdem beim run- den Preis. Es scheint bei den meisten Menschen ganz tief verankert zu sein, runde Zahlen zu verwenden und kei- ne centgenauen Beträge zu nennen. Feilschen Leute gerne? Es kommt immer auf den Kontext an. Bei unseren Studien – einmal im Anti- quariat und das andere mal bei einer Internetplattform – waren die Men- schen sehr feilschaffin. Im Antiquari- at wird noch erwartet, dass verhan- delt wird. Gleiches gilt auch für das Kleinanzeigenportal im Internet: das sind Verhandlungsbasispreise, die da reinkommen. Es ist fraglich, ob in ei- nem Kontext, in dem Verhandeln eher unüblich ist, präzise Anker ge- nauso wirken. Im Einzelhandel über Kaffee zu verhandeln, wird wahr- scheinlich nicht funktionieren, selbst bei präzisem Anker nicht. Wie groß ist beim Verhandeln denn der Spielraum? Dazu gibt es keine Prozentregel, aber es gibt zum einen sicherlich die Emp- fehlung, dass Recherche vorab immer hilft, um zu wissen, was das Objekt, auf das ich bieten will, eigentlich wert ist. Je mehr Vergleichsangebote ich habe, desto mehr Expertise habe ich. Zum anderen: Man sollte keine Sorge davor haben, einen Verhandlungs- spielraum auch aufzumachen. Selbst wenn Sie – beim Beispiel Jugendstil- sekretär – wissen, der Sekretär ist nicht 1200 Euro wert, sondern viel- leicht nur 800, sollten Sie trotzdem als Käufer nicht mit 800 Euro einstei- gen, sondern ein Angebot darunter abgeben. Beim Verhandeln trifft man sich immer irgendwo in der Mitte. Wenn man also nicht die Chance hat, das erste Angebot zu machen, weil das Gegenüber das schon getan hat, sollte man zumindest ausreichend adjustieren. Wenn man sich dann ir- gendwann in der Mitte trifft, landet man vielleicht auch ohne Anker bei einem recht akzeptablen Preis. Wenn ich in die Verhandlung um den Sekre- tär mit 1100 Euro einsteige, ist die Chance, dass wir uns auf 850 Euro ei- nigen, nicht mehr gegeben. Man ei- nigt sich dann wahrscheinlich auf 1150 Euro. Wie niedrig kann ich das Gebot denn ansetzen? Man sollte unter dem Preis anfangen, den man zu zahlen bereit ist. Wenn man direkt bei seinem Zielpreis star- tet, bekommt man den nie durch. Man käme dem Gegenüber dann ja auch überhaupt nicht entgegen. Und dieses Entgegenkommen hat etwas befriedigendes für das Gegenüber. Aber: Man sollte den Bogen nicht überspannen. Es gibt eine relativ neue Studie, die zeigt, dass der Ver- handlungspartner bei einem zu dreisten Angebot verärgert reagieren kann. Hilft es, das Verhandeln zu üben? Absolut. Insbesondere sich weit ge- nug von einem Anker wegzubewegen braucht einiges an Übung und auch Überwindung. Und leider heißt es auch nicht, dass wenn man über das Verhandeln forscht, man automa- tisch gut feilschen kann. Interview: Julia Luttenberger Nils’ Bilderbuch: Ein Pilz zerfließt Gute Zeiten für den Waldkauz Sie leben unauffällig und sind we- gen ihres Appetits auf Mäuse gerne gesehen: die Eulen. Zehn von 13 eu- ropäischen Eulenarten brüten in Deutschland. Dabei ist der Uhu-Be- stand wieder gesichert. Schleiereule und Steinkauz haben Probleme mit der modernen Landwirtschaft. Insgesamt gehe es den Eulen in Deutschland recht gut, einige Arten litten allerdings unter den Umstel- lungen in der Landwirtschaft, zieht Jochen Wiesner Bilanz. Er ist Vorsit- zender der Deutschen Arbeitsge- meinschaft zum Schutz der Eulen. Die häufigste Eulenart ist nach Angaben Wiesners der Waldkauz mit mehr als 60.000 Brutpaaren, danach folgt die Waldohreule, die am stärksten von Mäuseplagen profitiere. Die Sumpf- ohreule ist vom Aussterben bedroht. „Der Uhu (Bubo bubo) ist inzwi- schen von der Roten Liste der gefähr- deten Arten verschwunden“, sagt Wiesner. Dazu habe unter anderem ein umfangreiches Aussetzungspro- gramm in Schleswig-Holstein beige- tragen, wo die größte Eulenart vor al- lem vom Kaninchenbestand profitie- re. Die Eulen-Experten schätzen, dass es bundesweit mehr als 2000 Uhu- Brutpaare gibt. „In Mecklenburg-Vorpommern sollen es nur zwei Brutpaare sein, aber das ist sicher auch gut so“, er- klärt der Fachmann. Uhus führten ein strenges Regiment: „Sie sind die Spit- zenjäger und holen auch junge Greif- vögel aus ihren Nestern.“ In Mecklen- burg-Vorpommern brüten unter an- derem die meisten See- und Fischad- ler in Deutschland. Dem früher stark verbreiteten Steinkauz und den Schleiereulen ma- che der Wegfall vieler niedrig wach- sender Feldfrüchte und der damit ver- bundene, stärkere Anbau von Mais, Raps und Getreide zu schaffen. Diese höher werdenden Pflanzen behinder- ten die Eulen bei der Jagd auf kleinere Tiere am Boden. „Ein Teil der Eulen jagte früher in der kalten Jahreszeit auch in Scheunen, wo Stroh und Heu eingelagert waren“, erklärt Wiesner. Die Scheunenwirtschaft sei aber in Häufigste Eulenart in Deutschland Ostdeutschland so gut wie einge- stellt. Die Populationen von Schleiereule und Steinkauz haben im Osten auch durch die lange geschlossenen Schneedecken der vergangenen Win- ter starke Rückgänge hinnehmen müssen, wie Ornithologe Christoph Grüneberg vom Dachverband der Avifaunisten (Vogelkundler) sagt. So ging der Schleiereulenbestand in Mecklenburg-Vorpommern um fast 90 Prozent zurück. Er könne sich aber auch schnell wieder erholen, wenn genug Nahrung – wie beispielsweise Mäuse – da sei, meint Wiesner. Die Sumpfohreule, von der es nur noch 100 Brutpaare geben soll, sei vor allem auf feuchte Wiesenbereiche und Moorränder angewiesen, die im- mer seltener werden. Helfen könnten Renaturierungsprojekte von Mooren wie in Mecklenburg-Vorpommern. „Ganz sicher ist die Sumpfohreule fast nur noch auf den Ost- und Nordfriesi- schen Inseln und auf Sylt anzutref- fen“, sagt Grüneberg. (dpa) Name: kai_hp13_rat-wiss.01 Erstellt von: luttenj PDF erstellt 22.10.2013 10:19:27 DLayName: kai_hp13_rat-wiss.01 Ausgabe rhp-kai Ressort rat-wiss () Erscheint am Dienstag, 22. Oktober 2013 Bei Preisverhandlungen ist derjenige im Vorteil, der das erste Angebot ab- gibt. Dieses sollte möglichst präzise sein, um dem Gegenüber zu suggerieren, dass man sich ausgiebig mit dem Preis beschäftigt hat und über eine gewisse Expertise verfügt. ARCHIVFOTO: DPA David Loschelder Die Studie „,14,875E?!“: Precision Boosts the Anchoring Potency of First Offers“ untersucht die Wirk- samkeit von präzisen Verkaufs- angeboten. David Loschelder (Universität des Saarlandes), Ro- man Trötschel (Leuphana Uni- versität Lüneburg) und Johannes Stuppi (Universität Trier) haben dazu zwei Experimente mit ins- gesamt 200 Versuchspersonen gemacht. Bei der ersten Studie boten die Forscher auf Artikel in einer On- lineplattform, die für 200 Euro angeboten waren, schildert Loschelder. Am erfolgreichsten waren die Forscher beim Ver- handeln dann, wenn sie centge- naue Beträge, wie 121,37 Euro nannten, so der Sozialpsycholo- ge. Bei der zweiten Studie in ei- nem Antiquariat boten die Wis- senschaftler einen Jugendstilsek- retär zum Verkauf an. Die For- scher nannten beim Feilschen vier unterschiedliche Ankerprei- se – 885 Euro, 900 Euro, 1185 Eu- ro und 1200 Euro – und vergli- chen anschließend die Verhand- lungsergebnisse. „Beim Anker von 1185 Euro lag der Endpreis bei 1046 Euro, bei dem Stargebot von 1200 Euro einigten sich Käu- fer und Verkäufer am Ende im Schnitt nur auf 930 Euro“, sagt Loschelder. Präzision scheint sich auszuzahlen. (jtt) ZUR SACHE Online und im Antiquariat geforscht Auf rund 60.000 Brutpaare schätzen Experten den Waldkauz-Bestand in Deutschland. ARCHIVFOTO: DPA

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Page 1: NR. 245 W I S S E N DIENSTAG, 22. OKTOBER 2013 … · sagt Günther Schweier, Pilzexperte aus Friedelsheim (Kreis Bad Dürk-heim). Das schwarze Fadengewirr ... den man zu zahlen bereit

Wie von Zau-berhand ver-wandelt sichdieser Pilz in ei-ne schwarzefeuchte Masse!Dicke und dünne

Schleimfäden hängen von seinemHut herunter. „Weil der Schleim anschwarze Tinte erinnert undmanchmal aussieht wie Haare,heißt dieser Pilz Schopftintling“,sagt Günther Schweier, Pilzexperteaus Friedelsheim (Kreis Bad Dürk-heim). Das schwarze Fadengewirrentsteht aber erst, wenn der Pilz al-tert. Dagegen sind junge Schopf-tintlinge noch weiß und haben ei-nen eiförmigen Hut. Du findest sievor allem im Herbst auf Wiesen,Weiden, im Wald, manchmal auchim Garten. „Im hellen Jugendstadi-um sind sie sogar essbar“, sagtSchweier. Wegen ihres langenStiels heißen sie auch „Spargelpil-ze“. Aber schon nach ein bis zweiTagen breitet sich der Pilzhut ausund färbt sich immer dunkler.Dann zerfließt er am Rand und löstsich zuletzt völlig auf. Oft dauertdas nur wenige Stunden.Die plötzliche Auflösung hat einenSinn: Pilzfruchtkörper sollen jaSporen verbreiten, damit darausneue Pilze entstehen. „Der schwar-ze Schleim ist voll von unzähligenreifen Sporen“, erklärt GüntherSchweier. „Wenn er auf den Bodentropft, fallen sie mit herab.“ DerPilz sorgt also für seine Vermeh-rung, indem er zerfließt und ver-geht. Übrigens: Man hat früher dieFlüssigkeit tatsächlich als Tinte ge-nutzt! (lad/Fotos: Ladwig)

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„Keine Angst haben, Spielraum aufzumachen“

Herr Loschelder, worauf muss manbeim Verhandeln achten?Auf zwei Dinge. Das Wichtigste ist,dass man mit einem sogenanntenselbstdienlichen Anker einsteigt. An-ker deswegen, weil die Zahl, die dagenannt wird, das Gegenüber veran-

INTERVIEW: Wer über sein Gehalt verhandeln, ein Auto kaufen oder einen Jugendstilsekretär ersteigern möchte, sollte sich sein Einstiegsangebotreiflich überlegen. Denn wer mit einem präzisen Betrag beginnt, ist beim Feilschen im Vorteil. Das hat jedenfalls die Studie eines Teams um denSozialpsychologen David Loschelder von der Universität des Saarlandes ergeben. Wir haben uns mit dem Saarbrücker Forscher unterhalten.

kern soll. Selbstdien-lich, weil ich denPreis so wähle, dasser meinen Interessenentgegenkommt. EinBeispiel: Wenn icheine Gehaltsver-handlung führe, stei-ge ich über meinemZiel ein. Vielleichtmit 45.000 Euro undnicht mit 40.000 Eu-ro, damit die höhereerste Zahl mein Ge-genüber in der Ver-handlung verankert.Zum anderen gilt: Jepräziser die Zahl ist,desto stärker scheint

der Anker zu wirken. Der Verhand-lungseinstieg mit 44.850 Euro Jahres-gehalt beispielsweise wäre einselbstdienlicher hoher Anker, zusätz-lich noch präzise.

Warum sind ungerade Zahlen beimVerhandeln denn besser?Zum einen, weil sie unerwartet sind.Die meisten rechnen in so einer Situa-tion mit einem eher runden Preis.Wenn dann ein präzises Angebotkommt, fängt beim Empfänger einAttributionsprozess an. Er überlegtsich: Warum sendet mir mein Gegen-über ein so präzises Angebot? Es er-weckt den Eindruck, man habe sichGedanken über ein angebrachtes An-gebot gemacht und hat vielleichtauch eine höhere Expertise. Viel-leicht hat er sich mit dem Taschen-rechner hingesetzt und einen Preisentwickelt, der fair und plausibel ist.

Das gilt sowohl für den Käufer alsauch den Verkäufer?Ja. Wenn Sie als Käufer ein Angebotmachen, das niedrig und präzise ist,wirkt das für Sie besser, als wenn Sieein rundes machen. Umgekehrt gilt:Je höher und gleichzeitig präziser dasAngebot ist, desto dienlicher ist das

für den Verkäufer.

Um wie viel besser schnitten Sie mit ei-nem präzisen Angebot in Ihrer Studiedenn beim Verhandeln ab?Wir haben in einem Antiquariat alsVerkäufer um einen Jugendstilsekre-tär gefeilscht.

Wir haben ihn einmal für 1200 Euround einmal für 1185 Euro angeboten.Das waren zwar nur 15 Euro weniger,die wir eingangs forderten. Am Endeführte dieser präzise Anker aber zueinem Einigungspreis, der mehr als100 Euro höher war, als bei dem 1200-Euro-Angebot.

Reagieren die Leute nicht komisch aufsolch ungerade Zahlen?Nein, wir wurden in den Studien zwarvon einigen darauf angesprochen, zueinem Verhandlungsabbruch hat dasaber nicht geführt. Durch die Bankhaben die Leute aber Gegenangebotezurückgesandt, die für uns besser wa-

ren, als wenn wir einen runden Preisgenannt hatten. Diese Präzision hataber vermutlich auch ihre Grenzen,dazu machen wir gerade eine Folge-studie. Wenn der Ausgangsbetraghoch ist – wie beim Beispiel der Ge-haltsverhandlung – wirkt eine cent-genaue Angabe, wie 47.854,37 Euro,vermutlich eher unglaubwürdig. Da-von würde ich eher abraten. In sol-chen Bereichen sollte man vielleichtauf drei, vier Ziffern genau werden,nicht auf sechs oder sieben.

Worauf gilt es noch zu achten?Präzisere Zahlen führen womöglichdazu, dass eine präzisere Einheitbeim Verhandeln gewählt wird. Sageich beispielsweise 48.750 Euro, ist dieEinheit, in der der Verhandlungspart-ner anpasst, auf vielleicht 50 Euro ge-nau. Schlage ich direkt 48.000 Eurovor, ist es nicht der 50-Euro-Schritt,sondern der Tausender-Schritt, indem adjustiert wird. Die Einheit, inder ich im Kopf anpasse – für den An-ker adjustiere – ist eine andere.

Sind ihre Verhandlungspartner aufdie präzisen Angebote eingegangenund haben selbst präziser verhandelt?Nein, die blieben trotzdem beim run-den Preis. Es scheint bei den meistenMenschen ganz tief verankert zu sein,runde Zahlen zu verwenden und kei-ne centgenauen Beträge zu nennen.

Feilschen Leute gerne?Es kommt immer auf den Kontext an.Bei unseren Studien – einmal im Anti-quariat und das andere mal bei einerInternetplattform – waren die Men-schen sehr feilschaffin. Im Antiquari-at wird noch erwartet, dass verhan-delt wird. Gleiches gilt auch für dasKleinanzeigenportal im Internet: dassind Verhandlungsbasispreise, die dareinkommen. Es ist fraglich, ob in ei-nem Kontext, in dem Verhandelneher unüblich ist, präzise Anker ge-nauso wirken. Im Einzelhandel überKaffee zu verhandeln, wird wahr-scheinlich nicht funktionieren, selbstbei präzisem Anker nicht.

Wie groß ist beim Verhandeln dennder Spielraum?Dazu gibt es keine Prozentregel, aber

es gibt zum einen sicherlich die Emp-fehlung, dass Recherche vorab immerhilft, um zu wissen, was das Objekt,auf das ich bieten will, eigentlich wertist. Je mehr Vergleichsangebote ichhabe, desto mehr Expertise habe ich.Zum anderen: Man sollte keine Sorgedavor haben, einen Verhandlungs-spielraum auch aufzumachen. Selbstwenn Sie – beim Beispiel Jugendstil-sekretär – wissen, der Sekretär istnicht 1200 Euro wert, sondern viel-leicht nur 800, sollten Sie trotzdemals Käufer nicht mit 800 Euro einstei-gen, sondern ein Angebot darunterabgeben. Beim Verhandeln trifft mansich immer irgendwo in der Mitte.Wenn man also nicht die Chance hat,das erste Angebot zu machen, weildas Gegenüber das schon getan hat,sollte man zumindest ausreichendadjustieren. Wenn man sich dann ir-gendwann in der Mitte trifft, landetman vielleicht auch ohne Anker beieinem recht akzeptablen Preis. Wennich in die Verhandlung um den Sekre-tär mit 1100 Euro einsteige, ist dieChance, dass wir uns auf 850 Euro ei-nigen, nicht mehr gegeben. Man ei-nigt sich dann wahrscheinlich auf1150 Euro.

Wie niedrig kann ich das Gebot dennansetzen?Man sollte unter dem Preis anfangen,den man zu zahlen bereit ist. Wennman direkt bei seinem Zielpreis star-tet, bekommt man den nie durch.Man käme dem Gegenüber dann jaauch überhaupt nicht entgegen. Unddieses Entgegenkommen hat etwasbefriedigendes für das Gegenüber.Aber: Man sollte den Bogen nichtüberspannen. Es gibt eine relativneue Studie, die zeigt, dass der Ver-handlungspartner bei einem zudreisten Angebot verärgert reagierenkann.

Hilft es, das Verhandeln zu üben?Absolut. Insbesondere sich weit ge-nug von einem Anker wegzubewegenbraucht einiges an Übung und auchÜberwindung. Und leider heißt esauch nicht, dass wenn man über dasVerhandeln forscht, man automa-tisch gut feilschen kann.

Interview: Julia Luttenberger

Nils’ Bilderbuch: Ein Pilz zerfließt Gute Zeiten fürden WaldkauzSie leben unauffällig und sind we-gen ihres Appetits auf Mäuse gernegesehen: die Eulen. Zehn von 13 eu-ropäischen Eulenarten brüten inDeutschland. Dabei ist der Uhu-Be-stand wieder gesichert. Schleiereuleund Steinkauz haben Probleme mitder modernen Landwirtschaft.

Insgesamt gehe es den Eulen inDeutschland recht gut, einige Artenlitten allerdings unter den Umstel-lungen in der Landwirtschaft, ziehtJochen Wiesner Bilanz. Er ist Vorsit-zender der Deutschen Arbeitsge-meinschaft zum Schutz der Eulen. Diehäufigste Eulenart ist nach AngabenWiesners der Waldkauz mit mehr als60.000 Brutpaaren, danach folgt dieWaldohreule, die am stärksten vonMäuseplagen profitiere. Die Sumpf-ohreule ist vom Aussterben bedroht.

„Der Uhu (Bubo bubo) ist inzwi-schen von der Roten Liste der gefähr-deten Arten verschwunden“, sagtWiesner. Dazu habe unter anderemein umfangreiches Aussetzungspro-gramm in Schleswig-Holstein beige-tragen, wo die größte Eulenart vor al-lem vom Kaninchenbestand profitie-re. Die Eulen-Experten schätzen, dasses bundesweit mehr als 2000 Uhu-Brutpaare gibt.

„In Mecklenburg-Vorpommernsollen es nur zwei Brutpaare sein,aber das ist sicher auch gut so“, er-klärt der Fachmann. Uhus führten einstrenges Regiment: „Sie sind die Spit-zenjäger und holen auch junge Greif-vögel aus ihren Nestern.“ In Mecklen-burg-Vorpommern brüten unter an-derem die meisten See- und Fischad-ler in Deutschland.

Dem früher stark verbreitetenSteinkauz und den Schleiereulen ma-che der Wegfall vieler niedrig wach-sender Feldfrüchte und der damit ver-bundene, stärkere Anbau von Mais,Raps und Getreide zu schaffen. Diesehöher werdenden Pflanzen behinder-ten die Eulen bei der Jagd auf kleinereTiere am Boden. „Ein Teil der Eulenjagte früher in der kalten Jahreszeitauch in Scheunen, wo Stroh und Heueingelagert waren“, erklärt Wiesner.Die Scheunenwirtschaft sei aber in

Häufigste Eulenart in DeutschlandOstdeutschland so gut wie einge-stellt.

Die Populationen von Schleiereuleund Steinkauz haben im Osten auchdurch die lange geschlossenenSchneedecken der vergangenen Win-ter starke Rückgänge hinnehmenmüssen, wie Ornithologe ChristophGrüneberg vom Dachverband derAvifaunisten (Vogelkundler) sagt. Soging der Schleiereulenbestand inMecklenburg-Vorpommern um fast90 Prozent zurück. Er könne sich aberauch schnell wieder erholen, wenngenug Nahrung – wie beispielsweiseMäuse – da sei, meint Wiesner.

Die Sumpfohreule, von der es nurnoch 100 Brutpaare geben soll, sei vorallem auf feuchte Wiesenbereicheund Moorränder angewiesen, die im-mer seltener werden. Helfen könntenRenaturierungsprojekte von Moorenwie in Mecklenburg-Vorpommern.„Ganz sicher ist die Sumpfohreule fastnur noch auf den Ost- und Nordfriesi-schen Inseln und auf Sylt anzutref-fen“, sagt Grüneberg. (dpa)

Name: kai_hp13_rat-wiss.01 Erstellt von: luttenj PDF erstellt 22.10.2013 10:19:27 DLayName: kai_hp13_rat-wiss.01Ausgabe rhp-kai Ressort rat-wiss () Erscheint am Dienstag, 22. Oktober 2013

Bei Preisverhandlungen ist derjenige im Vorteil, der das erste Angebot ab-gibt. Dieses sollte möglichst präzise sein, um dem Gegenüber zu suggerieren,dass man sich ausgiebig mit dem Preis beschäftigt hat und über eine gewisseExpertise verfügt. ARCHIVFOTO: DPA

DavidLoschelder

Die Studie „,14,875E?!“: PrecisionBoosts the Anchoring Potency ofFirst Offers“ untersucht die Wirk-samkeit von präzisen Verkaufs-angeboten. David Loschelder(Universität des Saarlandes), Ro-man Trötschel (Leuphana Uni-versität Lüneburg) und JohannesStuppi (Universität Trier) habendazu zwei Experimente mit ins-gesamt 200 Versuchspersonengemacht.

Bei der ersten Studie boten dieForscher auf Artikel in einer On-lineplattform, die für 200 Euroangeboten waren, schildertLoschelder. Am erfolgreichstenwaren die Forscher beim Ver-handeln dann, wenn sie centge-naue Beträge, wie 121,37 Euronannten, so der Sozialpsycholo-ge. Bei der zweiten Studie in ei-nem Antiquariat boten die Wis-senschaftler einen Jugendstilsek-retär zum Verkauf an. Die For-scher nannten beim Feilschenvier unterschiedliche Ankerprei-se – 885 Euro, 900 Euro, 1185 Eu-ro und 1200 Euro – und vergli-chen anschließend die Verhand-lungsergebnisse. „Beim Ankervon 1185 Euro lag der Endpreisbei 1046 Euro, bei dem Stargebotvon 1200 Euro einigten sich Käu-fer und Verkäufer am Ende imSchnitt nur auf 930 Euro“, sagtLoschelder. Präzision scheint sichauszuzahlen. (jtt)

ZUR SACHE

Online und imAntiquariat geforscht

Auf rund 60.000 Brutpaare schätzenExperten den Waldkauz-Bestand inDeutschland. ARCHIVFOTO: DPA