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GANZ VORN 44 Alle reden von Inklusion. Die UN- Behindertenrechtskonvention hat den Begriff in den deutschen Sprachge- brauch eingeführt. Das Wort leitet sich vom lateinischen Verb includere ab und bedeutet beinhalten oder ein- schließen. Landauf und landab scheint es zum neuen Modewort zu werden. ver.di begrüßt den Paradigmenwechsel – weg vom staatlichen Fürsorgeprin- zip, hin zum Recht auf umfassende und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaſtlichen Leben. Menschen mit Behinderungen sollen sich nicht mehr anpassen müssen, um sich in die Gesellschaſt integrieren zu können, sondern die Gesellschaſt muss dahin- gehend verändert werden, dass alle Menschen – mit und ohne Behinde- rung – gleichberechtigt an der Gesell- schaſt teilhaben können. Ein ehrenwertes Ziel. Dazu gibt es jede Menge guter Ideen. Aber ange- sichts von Schuldenbremse und Ab- bau der öffentlichen Daseinvorsorge fragen sich viele, woher das notwendi- ge Geld dazu kommen wird. Das ist allerdings nur ein Teil des Problems. Wie, so frage ich mich, will eine Gesellschaſt, die auf Ungleichheit basiert, die auf Konkurrenz und Wett- bewerb setzt, Inklusion realisieren? Unsere einkommensungleiche Gesell- schaſt setzt auf Ausgrenzung und den Verlust sozialer Beziehungen. Diese Gesellschaſt ist gespalten. Darunter leiden nicht nur unsere Psyche und Physis. In Sonntagsreden wird von Ge- meinschaſtssinn gesprochen, am Werktag ist kein Geld dazu da. Mit prekärer Beschäſtigung soll die Soziale Arbeit bewältigt werden, Wettbewerb ist die Losung, »der Markt« wird es schon richten. Unterschiedliches an- statt Gemeinsames wird in den Mittel- punkt gestellt. Zusammenhalt wird zum Fremdwort. In einer so gespalteten Gesellschaſt gibt es keine Inklusion. Die Realität in in ihr heißt stattdessen Absonderung. Die gesellschaſtlichen und wirtschaſt- lichen Rahmenbedingungen sprechen gegen eine Inklusion. Das fängt schon in der Kindheit an, wenn Eltern ver- ständlicherweise versuchen, die besten Wettbewerbs-bedingungen für ihren Nachwuchs zu ermöglichen. Die Umverteilung von unten nach oben ist nicht nur ungerecht, ihre ideologische Verherrlichung und die Realität des kalten sozialen Alltags machen Inklusion unmöglich, prophezeit Michael Quetting Inklusion Max Mustermann ist sauer. Seit sechs- einhalb Jahren transportiert er Patien- ten im Helios Klinikum Wuppertal zuverlässig zu Untersuchungen, OPs und Blutentnahmen. »In dieser Zeit habe ich eine einzige Lohnerhöhung bekommen – sonst nichts«, sagt Mus- termann, der bei der Helios-Dienstleis- tungstochter DLK angestellt ist. Und jetzt will der Konzern – der mit seinem Wuppertaler Klinikum allein 2011 einen Gewinn von über 30 Millionen Euro eingefahren hat – ihm und seinen Kollegen auch noch die Löhne kürzen: Entweder die 223 Beschäftigten ver- zichten auf zusammen rund 400.000 Euro oder 160 von ihnen werden auf die Straße gesetzt. »Ich hätte dann 400 Euro im Mo- nat weniger, das kann ich mir schlicht nicht leisten«, sagt Mustermann. Der Vater dreier Kinder war deshalb bereit, den Erpressungsversuch der Geschäfts- leitung auf einem ver.di-Plakat öffent- lich zu kritisieren (siehe Bild). Jetzt sieht man sein Gesicht und das zwei seiner Kollegen in der ganzen Stadt. Ob ihm das Angst macht? »Warum sollte es? Ich sage ja nur, wie es ist«, meint Mustermann gelassen. Viele seiner Kollegen haben ebenfalls den Mut gefasst, sich zu wehren. 150 be- teiligten sich an einer ersten Kundge- bung während der Mittagspause. Mehr Konflikte Auch anderswo häufen sich in den Dienstleistungsbereichen der Kranken- häuser die Konflikte. Fast überall sind diese Tätigkeiten mittlerweile ausge- gliedert. Vielerorts ist das mit einer Flucht aus den Tarifverträgen und drastischen Lohnkürzungen einher gegangen. »Die zunehmenden Ausein- andersetzungen sind auch eine Folge davon, dass sich ver.di dieser lange vernachlässigten Situation angenom- men hat«, sagt Dr. Oliver Dilcher, der beim ver.di-Bundesvorstand für das vor drei Jahren eingerichtete »Servicepro- jekt« verantwortlich ist. Dieses hat beeindruckende Erfolge vorzuweisen. Zum Beispiel im Klinikum des bayeri- schen Orts Memmingen: Noch im Februar wollte die Geschäftsleitung der ausgegliederten Klinikum Service GmbH (MKS) von Tarifverhandlungen nichts wissen. Doch nachdem sich mehr als die Hälfte der 120köpfigen Belegschaft gewerkschaftlich organi- sierte und an diversen Aktionen teil- nahm, akzeptierte das Manage- ment Lohnerhöhungen von etwa zehn Prozent. Neue Stärke Daran wollen sich die Be- schäftigten der Dienstleis- tungstochter des städti- schen Klinikums in Nürnberg, KNSG, ein Beispiel nehmen. Sie haben das Ziel, mög- lichst bald einen Tarifvertrag zu errei- chen. Weil Durch- setzungsmacht dafür die Voraus- setzung ist, ha- ben sich inzwi- schen fast 200 der insgesamt gut 600 Be- schäftigten gewerkschaft- lich organisiert. Anfang vergan- genen Jahres waren es noch lediglich 30. Mit der neu gewon- nenen Stärke wollen sie nun in Aktion treten. Ähnlich vielversprechend ist die Situation bei der Logistiktochter des Leipziger Klinikums St. Georg. »Vor zwei Jahren haben wir hier mit einem Mitglied angefangen, jetzt ist über die Hälfte der rund 200 Beschäftigten organisiert«, berichtet ver.di-Sekretär Bernd Becker. »Ohne Mächtigkeit kann ver.di nichts durchsetzen, das haben die Leute erkannt.« Die Gewerkschaft agierte sehr flexibel, verschickte Streik- aufrufe erst kurzfristig per SMS. »Das machte es dem Arbeitgeber unmög- lich, die Ausfälle zu kompensieren«, sagt Becker. Die Geschäftsleitung ver- suchte daraufhin mehrfach, die Be- schäftigten per einstweiliger Verfü- gung von Arbeitsniederlegungen abzuhalten – ohne Erfolg. Schließlich gab das Management nach. Spätes- tens im Februar 2013 tritt ein Tarifver- trag in Kraft, der den Beschäftigten Gehaltsverbesserungen von durch- schnittlich rund 14 Prozent beschert. Doch nicht alle Auseinandersetzun- gen verlaufen so erfolgreich. Bei Helios Service Nord konnte auch ein mehr- wöchiger Streik die Zerschlagung des Unternehmens nicht verhindern. Ähnliches droht nun bei Helios Service Mitte-Nord, wo die gut 800 Beschäf- tigten in der Region Berlin zum Jahres- wechsel in mehrere Gesellschaften aufgeteilt werden sollen. Beim eben- falls von Helios übernommenen norddeutschen Klinikbetreiber Damp konnte ver.di mit Streiks und Großde- monstrationen zwar die Einkommen drei Nr. 44_Dezember 2012 VER.DI FACHBEREICH 3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHEN www.drei.verdi.de Service gefragt der Dienstleistungsbeschäftigten vorübergehend absichern, eine Auf- teilung in fünf separate Firmen aber nicht verhindern. Trotzdem hält Dr. Dilcher von der ver.di-Bundesverwaltung daran fest: »Der einzige Weg, in den Servicebe- trieben existenzsichernde Löhne durch- zusetzen, ist, sich zu organisieren.« Das sehen offenbar immer mehr Be- schäftigte genauso. In den von dem ver.di-Projekt betreuten Betrieben hat sich die Gewerkschaftsmitgliedschaft binnen drei Jahren von 520 auf 4.169 gesteigert. Aspekt aus dem Artikel Ich bringe Ihre Angehörigen pünktlich zu Untersuchungen im HELIOS Klinikum. Unser Geschäftsführer, Herr Berger, will, dass ich monatlich auf 400 Euro brutto verzichte. Oder er schmeißt 160 von uns raus. Urlaubsfähig Bis Ende 2012 muss der Resturlaub noch beantragt werden. Wie viele Tage stehen mir zu? Und was, wenn ich dann krank werde? Schwarzes Brett Seiten 4/5 Geheime Abrechnung? Monat für Monat gibt es unverständ- liche Entgeltzettel. Gut, dass wir ver- gleichen dürfen! Sophie und Ilka machen es vor. Sophies Alltag Seite 7 Lange Nächte Ausufernde Arbeits- und Bereitschaftszeiten machen sowohl Ärzten als auch Pflegekräften zu schaffen. Standpunkt Seite 3 Beschäftigte der Dienstleistungsbereiche in Kliniken wehren sich gegen Tarifflucht und Lohndumping Ausgliedern und zerschlagen Bei dem Versuch, in den Servicebetrieben der Krankenhäuser existenzsichern- de Löhne durchzusetzen, trifft ver.di zum Teil auf erbitterten Widerstand. Insbesondere der private Klinikbetreiber Helios geht mit großer Härte gegen gewerkschaftliche Organisierungsbemühungen vor. Die neueste Masche der Fresenius-Tochter: Sobald Beschäftigte für einen Tarifvertrag in Aktion tre- ten, wird das Unternehmen zerschlagen und in separate Kleingesellschaften aufgeteilt – so geschehen bei Damp und Helios Service Nord. »Damit wird das grundgesetzlich verbriefte Streikrecht de facto aus- gehebelt«, kritisiert Dr. Oliver Dilcher von ver.di. »Denn mit dem durch die Zerschlagung geschaffenen Chaos werden die Beschäftigten eingeschüchtert und von der Inanspruchnahme ihrer Rechte abgehalten.« Der Gewerkschafter fordert ein Einschreiten der Politik, die beispielsweise dafür sorgen könnte, dass Tochterfirmen die im Mutterkonzern geltenden Tarifverträge anwenden müssen. »Dann würde eine Ausgliederung zur Umgehung von Tarifverträgen keinen Sinn mehr machen«, so Dr. Dilcher. Soli-Homepage Wuppertal www.so-nicht-helios.de Steht das „U“ für Dich im Plan, tritt die Reise ruhig an.

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Ganz vorn

44Alle reden von Inklusion. Die UN-Behindertenrechtskonvention hat den Begriff in den deutschen Sprachge-brauch eingeführt. Das Wort leitet sich vom lateinischen Verb includere ab und bedeutet beinhalten oder ein-schließen. Landauf und landab scheint es zum neuen Modewort zu werden. ver.di begrüßt den Paradigmenwechsel – weg vom staatlichen Fürsorgeprin-zip, hin zum Recht auf umfassende und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Menschen mit Behinderungen sollen sich nicht mehr anpassen müssen, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können, sondern die Gesellschaft muss dahin-gehend verändert werden, dass alle Menschen – mit und ohne Behinde-rung – gleichberechtigt an der Gesell-schaft teilhaben können.

Ein ehrenwertes Ziel. Dazu gibt es jede Menge guter Ideen. Aber ange-sichts von Schuldenbremse und Ab-bau der öffentlichen Daseinvorsorge fragen sich viele, woher das notwendi-ge Geld dazu kommen wird.

Das ist allerdings nur ein Teil des Problems. Wie, so frage ich mich, will eine Gesellschaft, die auf Ungleichheit basiert, die auf Konkurrenz und Wett-bewerb setzt, Inklusion realisieren? Unsere einkommensungleiche Gesell-schaft setzt auf Ausgrenzung und den Verlust sozialer Beziehungen. Diese Gesellschaft ist gespalten. Darunter leiden nicht nur unsere Psyche und Physis.

In Sonntagsreden wird von Ge-meinschaftssinn gesprochen, am Werktag ist kein Geld dazu da. Mit prekärer Beschäftigung soll die Soziale Arbeit bewältigt werden, Wettbewerb ist die Losung, »der Markt« wird es schon richten. Unterschiedliches an-statt Gemeinsames wird in den Mittel-punkt gestellt. Zusammenhalt wird zum Fremdwort.

In einer so gespalteten Gesellschaft gibt es keine Inklusion. Die Realität in in ihr heißt stattdessen Absonderung. Die gesellschaftlichen und wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen sprechen gegen eine Inklusion. Das fängt schon in der Kindheit an, wenn Eltern ver-ständlicherweise versuchen, die besten Wettbewerbs-bedingungen für ihren Nachwuchs zu ermöglichen.

Die Umverteilung von unten nach oben ist nicht nur ungerecht, ihre ideologische Verherrlichung und die Realität des kalten sozialen Alltags machen Inklusion unmöglich, prophezeit

Michael Quetting

Inklusion

Max Mustermann ist sauer. Seit sechs-einhalb Jahren transportiert er Patien-ten im Helios Klinikum Wuppertal zuverlässig zu Untersuchungen, OPs und Blutentnahmen. »In dieser Zeit habe ich eine einzige Lohnerhöhung bekommen – sonst nichts«, sagt Mus-termann, der bei der Helios-Dienstleis-tungstochter DLK angestellt ist. Und jetzt will der Konzern – der mit seinem Wuppertaler Klinikum allein 2011 einen Gewinn von über 30 Millionen Euro eingefahren hat – ihm und seinen Kollegen auch noch die Löhne kürzen: Entweder die 223 Beschäftigten ver-zichten auf zusammen rund 400.000 Euro oder 160 von ihnen werden auf die Straße gesetzt.

»Ich hätte dann 400 Euro im Mo-nat weniger, das kann ich mir schlicht nicht leisten«, sagt Mustermann. Der Vater dreier Kinder war deshalb bereit, den Erpressungsversuch der Geschäfts-leitung auf einem ver.di-Plakat öffent-lich zu kritisieren (siehe Bild). Jetzt sieht man sein Gesicht und das zwei seiner Kollegen in der ganzen Stadt. Ob ihm das Angst macht? »Warum sollte es? Ich sage ja nur, wie es ist«, meint Mustermann gelassen. Viele seiner Kollegen haben ebenfalls den Mut gefasst, sich zu wehren. 150 be-teiligten sich an einer ersten Kundge-bung während der Mittagspause.

Mehr KonflikteAuch anderswo häufen sich in den Dienstleistungsbereichen der Kranken-häuser die Konflikte. Fast überall sind diese Tätigkeiten mittlerweile ausge-gliedert. Vielerorts ist das mit einer Flucht aus den Tarifverträgen und drastischen Lohnkürzungen einher gegangen. »Die zunehmenden Ausein-andersetzungen sind auch eine Folge davon, dass sich ver.di dieser lange vernachlässigten Situation angenom-men hat«, sagt Dr. Oliver Dilcher, der beim ver.di-Bundesvorstand für das vor drei Jahren eingerichtete »Servicepro-jekt« verantwortlich ist. Dieses hat beeindruckende Erfolge vorzuweisen. Zum Beispiel im Klinikum des bayeri-schen Orts Memmingen: Noch im Februar wollte die Geschäftsleitung der ausgegliederten Klinikum Service

GmbH (MKS) von Tarifverhandlungen nichts wissen. Doch nachdem sich mehr als die Hälfte der 120köpfigen Belegschaft gewerkschaftlich organi-sierte und an diversen Aktionen teil-nahm, akzeptierte das Manage-ment Lohnerhöhungen von etwa zehn Prozent.

Neue StärkeDaran wollen sich die Be-schäftigten der Dienstleis-tungstochter des städti-schen Klinikums in Nürnberg, KNSG, ein Beispiel nehmen. Sie haben das Ziel, mög-lichst bald einen Tarifvertrag zu errei-chen. Weil Durch-setzungsmacht dafür die Voraus-setzung ist, ha-ben sich inzwi-schen fast 200 der insgesamt gut 600 Be-schäftigten gewerkschaft-lich organisiert. Anfang vergan-genen Jahres waren es noch lediglich 30. Mit der neu gewon-nenen Stärke wollen sie nun in Aktion treten.

Ähnlich vielversprechend ist die Situation bei der Logistiktochter des Leipziger Klinikums St. Georg. »Vor zwei Jahren haben wir hier mit einem Mitglied angefangen, jetzt ist über die Hälfte der rund 200 Beschäftigten organisiert«, berichtet ver.di-Sekretär Bernd Becker. »Ohne Mächtigkeit kann ver.di nichts durchsetzen, das haben die Leute erkannt.« Die Gewerkschaft agierte sehr flexibel, verschickte Streik-aufrufe erst kurzfristig per SMS. »Das machte es dem Arbeitgeber unmög-lich, die Ausfälle zu kompensieren«, sagt Becker. Die Geschäftsleitung ver-suchte daraufhin mehrfach, die Be-schäftigten per einstweiliger Verfü-gung von Arbeitsniederlegungen abzuhalten – ohne Erfolg. Schließlich

gab das Management nach. Spätes-tens im Februar 2013 tritt ein Tarifver-trag in Kraft, der den Beschäftigten Gehaltsverbesserungen von durch-schnittlich rund 14 Prozent beschert.

Doch nicht alle Auseinandersetzun-gen verlaufen so erfolgreich. Bei Helios Service Nord konnte auch ein mehr-wöchiger Streik die Zerschlagung des Unternehmens nicht verhindern. Ähnliches droht nun bei Helios Service Mitte-Nord, wo die gut 800 Beschäf-tigten in der Region Berlin zum Jahres-wechsel in mehrere Gesellschaften aufgeteilt werden sollen. Beim eben-falls von Helios übernommenen norddeutschen Klinikbetreiber Damp konnte ver.di mit Streiks und Großde-monstrationen zwar die Einkommen

dre i Nr. 44_Dezember 2012 VER.DI FACHBEREICH 3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHENwww.drei.verdi.de

Service gefragt

der Dienstleistungsbeschäftigten vorübergehend absichern, eine Auf-teilung in fünf separate Firmen aber nicht verhindern.

Trotzdem hält Dr. Dilcher von der ver.di-Bundesverwaltung daran fest: »Der einzige Weg, in den Servicebe-trieben existenzsichernde Löhne durch-zusetzen, ist, sich zu organisieren.« Das sehen offenbar immer mehr Be-schäftigte genauso. In den von dem ver.di-Projekt betreuten Betrieben hat sich die Gewerkschaftsmitgliedschaft binnen drei Jahren von 520 auf 4.169 gesteigert.

Aspekt aus dem Artikel

Ich bringe Ihre

Angehörigen pünktlich

zu Untersuchungen

im HELIOS Klinikum.

Unser Geschäftsführer, Herr Berger, will, dass ich monatlich auf 400 Euro brutto verzichte. Oder er schmeißt 160 von uns raus.

UrlaubsfähigBis Ende 2012 muss der Resturlaub noch beantragt werden. Wie viele Tage stehen mir zu? Und was, wenn ich dann krank werde?

Schwarzes BrettSeiten 4/5

Geheime Abrechnung?Monat für Monat gibt es unverständ-liche Entgeltzettel. Gut, dass wir ver-gleichen dürfen! Sophie und Ilka machen es vor.

Sophies Alltag Seite 7

Lange NächteAusufernde Arbeits- und Bereitschaftszeiten machen sowohl Ärzten als auch Pflegekräften zu schaffen.

StandpunktSeite 3

Beschäftigte der Dienstleistungsbereiche in Kliniken wehren sich gegen Tarifflucht und Lohndumping

Ausgliedern und zerschlagen

Bei dem Versuch, in den Servicebetrieben der Krankenhäuser existenzsichern-de Löhne durchzusetzen, trifft ver.di zum Teil auf erbitterten Widerstand. Insbesondere der private Klinikbetreiber Helios geht mit großer Härte gegen gewerkschaftliche Organisierungsbemühungen vor. Die neueste Masche der Fresenius-Tochter: Sobald Beschäftigte für einen Tarifvertrag in Aktion tre-ten, wird das Unternehmen zerschlagen und in separate Kleingesellschaften aufgeteilt – so geschehen bei Damp und Helios Service Nord.

»Damit wird das grundgesetzlich verbriefte Streikrecht de facto aus-gehebelt«, kritisiert Dr. Oliver Dilcher von ver.di. »Denn mit dem durch die Zerschlagung geschaffenen Chaos werden die Beschäftigten eingeschüchtert und von der Inanspruchnahme ihrer Rechte abgehalten.« Der Gewerkschafter fordert ein Einschreiten der Politik, die beispielsweise dafür sorgen könnte, dass Tochterfirmen die im Mutterkonzern geltenden Tarifverträge anwenden müssen. »Dann würde eine Ausgliederung zur Umgehung von Tarifverträgen keinen Sinn mehr machen«, so Dr. Dilcher.

Soli-Homepage Wuppertal www.so-nicht-helios.de

Steht das „U“ für Dich im Plan,tritt die Reise ruhig an.

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Infoecke BetrIeBsräte

drei 44_Dezember 2012DIALOG

drei – die Zeitung des Fachbereichs 3 – erscheint für die Mitglieder im Bereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen als Beilage zur ver.di-PUBLIK viermal jährlich.Herausgeber: Ellen Paschke, ver.di-Bundesvorstandredaktion: Ute Preuninger (verantw.), Gerd Dielmann, Hilmar Ernst, Tobias Michel, Volker Mörbe, Michael Quetting, Ruth Schauder, Erich SczepanskiTel.: (030) 69 56-18 04, E-Mail: [email protected] für drei.45: 18.1.2013Design und vorstufe: werkzwei, DetmoldDruck: apm AG, Darmstadtwww.drei.verdi.de

IMPRESSUM

Informationen für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen [email protected]

UmfraGe

Qualmande Beschäftigte auf den stationen. sollten wir so etwas zeigen – zum Beispiel in einem comic? Ja, authentisch dargestellten Berufsalltag zeigen ist sinnvoll oder nein altkanzler Helmut schmidt ist der einzige, der dieses Privileg hat?

» Hör ich da eine Diskriminie-rung der Raucher? In meiner Freizeit entscheide ich selbstbe-stimmt, solange ich andere nicht gefährde oder gegen Gesetze verstoße. Die Zigarette ist für mich Stressabbau. Seit wann ist Stressabbau durch die Zigarette ein Privileg?«

Maxine Musterfrau, Kinderkrankenschwester

» Wechselschichten, hohe körper-liche und seelische Belastungen, gefährliche Keime und Arznei-stoffe, radioaktive Strahlen be-gleiten unsere Arbeit im Kranken-haus. Und dann sollen wir vor dem Bild einer rauchenden

Beschäftigten geschützt werden? Absurd.«

Maxine Musterfrau, Krankenschwester

» Ich bin eine rauchende Perso-nalrätin. Raucher sind auch Menschen. Stigmatisierte Süch-tige. Fangen wir nicht an aus-zusortieren, was für das Auge des Betrachters okay ist und was nicht! Keine Diskriminie-rung bitte!«

» Und morgen darf man keinen Fußballspieler mehr zeigen, weil das auch die Gesundheit gefähr-det? Als ehemaliger Raucher und Fußballspieler (rauche seit 1984 nicht mehr) gebe ich allen einen Tipp: Du sollst Dich nicht mit Rauchern streiten, schließe Frie-den mit den Totgeweihten.«

Max Mustermann, Mechaniker

Max Mustermann, Schwerbehindertenvertretung

»Rauchende Frauen und Männer auf Bildern?«

nacHscHLaG

zu drei.43, Seiten 4/5: »Überfordert? «Tasse her!Die neue »Buvo«-Tasse hat uns viel Post beschert. Vielen Dank für die zahlreichen Zuschriften. Einige berich-teten, dass die Tassen nur kurze Zeit im Pausenraum waren und dann alle nach Hause gewandert sind. Schade! Denn wir möchten, dass ver.di im Betrieb sichtbar wird, und nicht nur zu Hause am Küchentisch. Überlegt es euch noch mal! Viele haben gefragt, ob es diese Tasse auch zu kaufen gibt. Nein, sie ist unverkäuflich. Ihr könnt die Pausentasse aber gewinnen, wenn ihr beim Preisrätsel auf Seite 8 mit-macht. Eure drei-Redaktion

zu drei.43, Seite 3:»Profitmedizin gescheitert«Rhön setzt in hessischer Uniklinik auf FremdvergabeDas Chaos am Uniklinikum Gießen und Marburg (UKGM) setzt sich fort. Entge-gen der ursprünglichen Kaufvereinba-rung mit dem privaten Betreiber Rhön soll das Land Hessen nun doch bis zu 13 Millionen Euro pro Jahr für Investiti-onen zur Verfügung stellen.

Eine rechtliche Handhabe zur Rück-führung des UKGM in Landesbesitz – wie u.a. von ver.di gefordert – besteht dennoch nicht. Das wäre nur möglich gewesen, wenn das Uniklinikum doch vom Rhön-Konkurrenten Helios über-nommen worden wäre. Trotz der Aus-

sicht auf Staatsgelder will der Rhön-Konzern die »Sanierung« des Klinikums auf Kosten der Beschäftigten fortset-zen. So kündigte das Unternehmen an, die Wäscheversorgung für Gießen und Marburg extern zu vergeben. Im UKGM sowie bei einer zu Rhön gehö-renden Reinigungsfirma werden da-durch insgesamt 68 Arbeitsplätze ver-nichtet. Ein »ganz schlechtes Zeichen« für die Zukunft des Uniklinikums nennt ver.di-Landesfachbereichsleiter Georg Schulze-Ziehaus das. »Wir appellieren dringend auch an die Landesregierung: Wenn Steuergeld ins UKGM gesteckt werden soll, muss auch an die Be-schäftigten in den untersten Entgelt-gruppen gedacht werden.«

Pro & contra

LeserBrIefe

Zum Comic »Fernweh« in drei.43, Seite 7:Keine Raucher zeigenBitte keine rauchenden Frauen und Männer in der Zeitung zeigen, wie beim Comic in der drei.43 die qual-mende Betriebsrätin. Altkanzler Hel-mut Schmidt ist der Einzige, der die-ses Privileg hat! Ich kann ja verstehen, wenn ihr etwas realitätsnah dar- stellen wollt. Aber die Abbildung ist für mich wie eine Einladung zum Rauchen und kommt einer Ver- harmlosung gleich. Hat die Zeitung nicht auch eine Vorbildfunktion? In meiner Gegenwart soll nicht geraucht werden. Gesundheit geht immer vor! Mit freundlichen Grüßen Maxine Musterfrau, per E-Mail

Zu »Tarifvertrag gegen Stress« in drei.43, Seite 1:Charité unterstützenEs ist höchste Zeit, das Thema Perso-nalmindeststandards anzupacken. Denn die Arbeitsbelastung ist uner-träglich – nicht nur an der Charité. Es spricht doch Bände, wenn selbst die Pflegedienstleitung am Berliner Uniklinikum zugibt: »Die personelle Ausstattung in den deutschen Klini-ken ist hinsichtlich der Pflege- und Funktionsdienste unzureichend und

In Krankenhäusern mit Bindung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) wird der Topf, aus dem das Leistungsentgelt bezahlt wird, oft viel zu niedrig berechnet. Das gilt unabhängig davon, ob dazu eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgeschlossen wurde. Denn Berech-nungsgrundlage sind die ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten.

Gemäß § 1 TVöD sind das sämt-liche Beschäftigte, die in einem Ar-beitsverhältnis zu dem betreffenden Arbeitgeber stehen – inklusive der Arbeitnehmer, die als Mitglieder des Marburger Bunds keinen Anspruch auf Ausschüttungen aus dem Leis-tungsentgelttopf haben. Ohne deren Monatsentgelte vermindert sich das

mehr als verbesserungsbedürftig.« Aber wie erreichen wir Verbesse-rungen? Durch folgenlose Appelle an die Arbeitgeber und gemeinsame Kampagnen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft sicher nicht.

Ich finde es deshalb gut und mutig, dass die Kolleginnen und Kollegen der Charité versuchen, eine bessere Personalausstattung in einer Tarifauseinandersetzung zu erkämp-fen. Sie verdienen unser aller Unter-stützung. Dieser Konflikt sollte bundesweit bekannt gemacht wer-den. Denn ein Erfolg an der Charité könnte es einfacher machen, so etwas auch in anderen Betrieben zu fordern. Eine bundesweit verbind-liche Regelung zur Personalbemes-sung im TVöD muss das Ziel sein.

Ergänzend sollte auf politischer Ebene Druck für eine gesetzliche Regelung gemacht werden. Dann fiele auch das Argument der Klinik-leitungen weg, das eigene Haus werde durch die Einhaltung vernünf-tiger Personalstandards gegenüber der Konkurrenz benachteiligt.

Klar ist allerdings: Wir können uns nicht auf die Politik, sondern nur auf unsere eigene Kraft verlassen.Max Mustermann, Krankenpfleger im Klinikum Stuttgart

Volumen je nach Ärzteanteil am Gesamteinkommen um 20 bis 30 Prozent – Geld, das den TVöD-Be-schäftigten zusteht. Auch ohne Be-triebsvereinbarung müssen die Rück-stellungen für etwaige spätere Aus- schüttungen unter Einbeziehung der Ärzteeinkommen berechnet werden.

Am besten wäre es freilich, auf das Leistungsentgelt zu verzichten und die Beträge stattdessen in die Tabellenentgelte einzurechnen. Es schafft sowieso nur Unruhe. Wer leer ausgeht oder weniger als an-dere bekommt, wird demotiviert, was im Krankenhaus böse Konse-quenzen haben kann. Das Leistungs-entgelt stört den Betriebsfrieden. Dennoch sollten wir den Arbeitge-bern vorenthaltene Teile des Ge-samtvolumens nicht überlassen.

Die Praxisgebühr wird zum 1. Januar abgeschafft. Diese Entscheidung war längst überfällig. Denn dass

Kranke für Arztbesuche zehn Euro pro Quartal abdrücken müssen, ist nicht nur unsinnig, son-dern auch unsozial. Unsinnig deshalb, weil die vermeint-liche »Steuerungswirkung« nicht greift. Begründet wurde die Einführung der Zahlung 2004 nämlich vor allem mit der Vermeidung verzichtbarer Arztbesuche – als ob das Gros der Menschen ihre Zeit aus Spaß oder Langeweile in den Wartezimmern verbringt!

Die Zahl der »Bagatellbehandlungen« hat die Praxis-gebühr erwiesenermaßen nicht reduziert. Stattdessen hat sie eine unbekannte Anzahl von Geringverdienern davon abgehalten, sich bei Beschwerden medizinische Hilfezu holen. Leider sind weder die gesundheitlichen Auswir-kungen noch die Folgekosten nicht rechtzeitig erfolgter Behandlungen bezifferbar. Zählbar ist hingegen der Ver-waltungsaufwand von mehr als 300 Millionen Euro bei Ärzten und Krankenkassen. Das zentrale Argument ge-gen die Praxisgebühr ist aber: sie ist durch und durch unsozial. Mit ihr wurde die paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens durch Arbeitgeber und Beschäftigte weiter aufgebrochen. Hinzu kommt: Minijobber und Niedriglöhner zahlen genauso viel wie Millionäre.

Es ist also höchste Zeit, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Schade nur, dass das nicht durch den Protest der Betroffenen, sondern durch einen Kuhhandel in der schwächelnden Regierungskoalition erreicht wurde. Die FDP hatte dabei sicher nicht das Wohl der Patienten, sondern nur ihrer Ärzteklientel im Blick. Nichtsdestotrotz ist die Maßnahme an sich begrüßenswert – was schon die empörten Reaktionen von Konzernvertretern undneoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern zeigen.

Praxisgebühr wird abgeschafft

Ende gut, alles gut?Außer dem Präsidenten der Bundes-vereinigung der Deutschen Arbeitge-berverbände (BDA), Dieter Hundt, der den Koalitionsbeschluss einen »Rückschritt« und »schweren Fehler« nannte, wird sich kaum jemand über die Abschaffung der unseligen Praxis-gebühr beklagen. Dennoch ist Euphorie fehl am Platz. Denn die Versicherten werden diese lebensverlängernde Maßnahme für die um ihren Wiedereinzug in den Bun-destag zitternde FDP bezahlen müssen. Ab 2013 werden dem Gesundheitsfonds, aus dem die Krankenkassen ihre Gelder beziehen, durch die Abschaffung der Praxisge-bühr rund zwei Milliarden Euro entzogen. Zugleich wird der Bundeszuschuss von aktuell 14 Milliarden Euro pro Jahr zunächst um 500 Millionen (2013) und dann um zwei Milliarden Euro (2014) reduziert. Zwar hat sich bei den Kassen wegen des Aufschwungs ein Finanzpolster von gut 20 Milliarden Euro angesammelt. Das dürfte angesichts der Kürzungen und zu erwartender Ausga-ben-steigerungen sowie einer Abschwächung der Kon-junktur aber bald »schmelzen, wie Schnee in der Sonne«, wie es Doris Pfeiffer vom Spitzenverband der gesetzli-chen Krankenkassen formulierte.

Über kurz oder lang sind Beitragssteigerungen zur gesetzlichen Krankenversicherung also wahrscheinlich, falls nicht – wie von ver.di gefordert – stattdessen der Bundeszuschuss erhöht wird. Wegen des von Ex-Bundes-gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) verfügten Ein-frierens der Arbeitgeberbeiträge würden Beitragserhö-hungen allein den Versicherten aufgebürdet – die unabhängig von ihrem Einkommen über eine »Kopfpau-schale« in Form von Zusatzbeiträgen zur Kasse gebeten werden. Das dicke Ende kommt also noch. Wenn auch erst nach der Bundestagswahl.

Berechnung Leistungsentgelt

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3drei 44_Dezember 2012 StAnDpunkt 3

Stück arbeiten und sich danach für weitere kurzfristige Einsätze bereithal-ten müssen. »Wenn man in der Nacht drei, vier Stunden Schlaf bekommt, ist man froh«, sagt Mustermann. Von Tiefschlaf könne in den hellhörigen Bereitschaftszimmern und wegen der vielen Unterbrechungen ohnehin keine Rede sein.

Ähnliches berichtet Maxine Mus-terfrau, die als Fachärztin für Anästhe-sie in den Düsseldorfer Sana-Kliniken arbeitet. »Die Bereitschaftsdienste, in denen man vor allem schläft, gibt es nicht mehr«, sagt sie. »Wir haben jede Nacht mindestens eine OP.« Die 49Jäh-rige beklagt auch die zunehmende Häufigkeit der Einsätze. »Wegen des Personalmangels haben wir in der Regel jedes zweite Wochenende Dienst.« In Kombination mit der massi-ven Arbeitsverdichtung habe das auch negative Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten. Zudem bleibe das sozia-le Leben auf der Strecke.

Regelmäßige ÜberstundenBestätigt werden solche Berichte durch Umfragen und Studien. So stellt jede zweite der 535 vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) befragten Leitungskräfte von Intensiv-stationen eine Zunahme ernsthafter und längerfristiger Erkrankungen bei den Beschäftigten fest. Die Mehrheit gibt zudem an, innerhalb der letzten sieben Arbeitstage gravierende Fehler nicht ausschließen zu können – beson-ders dort, wo eine Pflegekraft drei statt zwei Patienten zu versorgen hat. Dem jüngsten »DGB-Index Gute Ar-beit« zufolge ergeben sich insbesonde-re aus der Länge und Verteilung der Arbeitszeiten hohe Belastungen. Dazu gehören regelmäßige Überstunden, von denen mehr als zwei Drittel der Krankenhausbeschäftigten betroffen sind. Durchschnittlich wird demnach 4,26 Wochenstunden über die vertrag-

lich fixierte Arbeitszeit hinaus gearbei-tet. Jeder Sechste ist gar mehr als zehn Stunden zusätzlich im Einsatz.

Das betrifft auch und gerade den ärztlichen Dienst. Laut einer Umfrage des Marburger Bundes leisten 36 Pro-zent der Mediziner wöchentlich zehn oder mehr Überstunden. Bezahlt wird davon nur etwa die Hälfte. Durch-schnittlich arbeiten Ärzte in Vollzeit demnach 55 Wochenstunden. 94 Pro- zent der Befragten geben aber an, nicht länger als 50 Stunden pro Woche arbeiten zu wollen.

Weniger »Opt-out«»Auch die Ärzte sind nicht mehr bereit, sich kaputt zu arbeiten«, sagt der in ver.di organisierte Radiologe Dr. Chris-tian Tödt vom Gemeinschaftskranken-haus Herdecke. Viel weniger Kollegen als früher seien bereit, von »Opt-out«-Regelungen Gebrauch zu machen, mit denen die Arbeitszeiten über die ei-gentliche Höchstgrenze von 48 Wo-chenstunden hinaus verlängert werden können. Tödt sieht dafür zwei Ursa-chen: Zum einen sei die Angst um den Arbeitsplatz infolge des Fachkräfte-mangels geringer geworden. Zum anderen blieben Ärzte häufiger dauer-haft im Krankenhaus. In der Vergan-genheit hätten Mediziner ihre Zeit in der Klinik oft nur als Übergangsphase bis zur Eröffnung einer eigenen Praxis verstanden.

Auch Intensivpfleger Mustermann möchte seine eigene Gesundheit nicht länger aufs Spiel setzen. »Es ist mehr qualifiziertes Personal nötig – das gilt für alle Berufsgruppen im Kranken-haus«, meint er. »Dann wären auch kürzere Arbeitszeiten möglich.« Schon jetzt haben Beschäftigte und Interes-senvertreter allerdings einige Möglich-keiten, Pausen und freie Tage als Aus-gleich für die Belastung durch Bereitschaftsdienste durchzusetzen (Siehe Kasten). DANIEl BEhRUzI

»Rauchende Frauen und Männer auf Bildern?«

drei: Die Ärzteorganisation Marburger Bund will in der aktuellen Tarifrunde für Mediziner an kommunalen Kliniken gegen die hohe Arbeitsbelastung vorgehen. Was hältst Du davon?Dr. Renate Demharter: Es wird höchs-te Zeit, das bei tariflichen Auseinan-dersetzungen zum Thema zu machen. Im Moment richten sich die Arbeitszei-ten fast ausschließlich nach dem Ar-beitsanfall. Die vielen Überstunden werden zwar bezahlt, aber die eigene Gesundheit und das eigene soziale Leben fallen dabei hinten runter.

drei: Was ist für Dich persönlich die größte Belastung?Dr. Renate Demharter: Es fehlt die Zeit für Regeneration, aber auch für soziale Beziehungen. Ich bin jetzt seit 25 Jahren am Augsburger Klinikum. Anfangs hat man noch seinen alten Freundeskreis, aber der löst sich irgendwann auf, wenn man sich we-gen der Nacht- und Wochenendarbeit fast nie verabreden kann. Auch mit den Arbeitskollegen sind private Tref-fen schwierig, da diese ja ebenfalls im Schichtdienst sind.

drei: Was müsste sich ändern?Dr. Renate Demharter: Die Arbeitszei-ten müssen verlässlicher werden. Dienstpläne werden nur allzu oft kurz-fristig über den Haufen geworfen, weil irgendjemand ausfällt. De facto arbei-tet man fast auf Zuruf.

drei: Warum ist das so?Dr. Renate Demharter: Ganz klar: Es gibt zu wenig Personal. Als ich ange-fangen habe, konnte man Ausfälle noch einigermaßen kompensieren, ohne eine Kollegin oder einen Kolle-gen aus dem Frei zu rufen. Das ist schon lange nicht mehr so. Wir arbei-ten immer am Limit.

drei: In der Vergangenheit hatte man den Eindruck, dass es der Ärzteschaft vor allem darum ging, mehr Geld zu verdienen. Dr. Renate Demharter: Es gibt ein paar, die gerne zusätzliche Dienste

machen, weil sie ein Haus bauen oder ein Auto finanzieren wollen. Aber die meisten meiner Kollegen hätten lieber mehr und vor allem besser planbare Freizeit.

drei: Wären sie bereit, dafür auf die Straße zu gehen?Dr. Renate Demharter: Die meisten nicht. Das hat aber auch mit der schwierigen Situation der Assistenz-ärzte zu tun. Wer sich zum Facharzt qualifizieren will, ist extrem vom Wohlwollen seines Chefarztes abhän-gig. Denn wenn dieser ihn nicht zu weiterbildungsrelevanten Untersu-chungen einteilt, kann er nicht in der vorgesehenen Zeit fertig werden. Auch hier wäre eine Tarifforderung sinnvoll. Bei Weiterbildungsverträgen müsste im Arbeitsvertrag eine ver-bindliche Rotation festgeschrieben werden, die eine Abarbeitung des Weiterbildungskatalogs ermöglicht.

drei: Von unregelmäßigen und nicht planbaren Arbeitszeiten sind auch andere Beschäftigtengruppen im Krankenhaus betroffen. Wäre es da nicht sinnvoll, das Problem gemein-sam anzugehen?Dr. Renate Demharter: Auf jeden Fall. Wir sitzen mit der Pflege in ei-nem Boot. Es macht keinen Sinn, wenn jeder für sich alleine kämpft.

INtERvIEW: DANIEl BEhRUzI

Lange NächteMax Mustermann ist gerne Kranken-pfleger. Seit neun Jahren arbeitet er in der Anästhesieabteilung eines Frank-furter Klinikums. »Ich mag meine Kol-legen, ich mag die Arbeit. Etwas ande-res möchte ich gar nicht machen«, sagt der 30Jährige. Und trotzdem ist er unzufrieden – mit den Bedingungen, insbesondere den Arbeits- zeiten. Es sind die langen Bereit-schaftsdienste und die hohe Arbeits-intensität, die Mustermann zu schaffen machen. So wie ihm geht es fast allen seiner Kollegen, nicht nur in Frankfurt, sondern in den Kliniken quer durch die Republik.

»Bis vor zwei Jahren hatten wir 24-Stunden-Dienste«, berichtet Mus-termann. Wie in vielen Häusern schlos-sen sich an die reguläre Schicht 16 weitere Stunden Bereitschaftsdienst an. »Das war zu hart. Immer mehr Kollegen sind ausgefallen. Es ging einfach nicht mehr.« Auf Drängen des Betriebsrats wurde die Schichtlänge inklusive Bereitschaft auf 18 Stunden verkürzt. Zudem wurden die Wochen-endschichten von 24 auf 12 Stunden reduziert. »Das ist freiwillig, aber bei uns machen inzwischen 29 von 30 Kol-legen die verkürzte Schicht, auch wenn sie dann öfter reinkommen müs-sen«, erzählt Mustermann.

OPs bis MitternachtHintergrund ist, dass erfahrungsgemäß in weiten Teilen der Bereitschaftsdiens-te die Zeiten mit »Arbeitsleistung« überwiegen, weshalb Tarifverträge und die für Arbeitsschutz zuständigen Aufsichtsbehörden sie für unzulässig erklären. »Eigentlich sollen zwei OP-Säle bis 18 Uhr laufen, tatsächlich geht es aber immer darüber hinaus«, berich-tet Mustermann. »Inklusive der Notfäl-le finden beinahe täglich bis Mitter-nacht oder noch länger Operationen statt.« Die Folge ist, dass Ärzte und Pfleger oftmals elf, zwölf Stunden am

Ausufernde Arbeits- und Bereitschaftszeiten belasten Ärzte und Pflegekräfte

Keine Zeit fürs PrivatlebenInterview mit Dr. renate Demharter

Foto: peter klein

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Dr. Renate Demharter ist Oberärztin in der Notaufnahme am Klinikum Augsburg, Personal-ratsmitglied und stellvertretende Sprecherin der ver.di-Bundesfachkommission Ärzte

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Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit

• Arbeitszeit, auch in Form von Bereitschaft, ist spätestens alle sechs Stun-den durch Pausen zu unterbrechen (BAG, Urteil vom 16.12.2009 - 5 AZR 157/09).

• Wer mit Bereitschaftsdienst an Sonn- oder Feiertagen beschäftigt wird, verdient einen Ersatzruhetag (ArbZG §11 Abs. 3).

• Bereitschaftsdienst in der Nacht? Dafür gibt es Extrafrei oder einen Zeitzu-schlag (ArbZG §6 Abs. 5).

• Gibt es für Bereitschaftsdienst nur »Freizeit« statt Geld, so fließt dies den-noch in die Entgeltfortzahlung im Urlaub und im Krankheitsfall ein (LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.11.2006 - 12 Sa 773/06).

• Noch wird der zusätzliche Bereitschaftsdienst schlechter bezahlt. Ändern wir das, lohnt er sich auch für Kolleginnen in Teilzeit.

• Keine Arbeitspflicht ohne Gesundheitsschutz (ArbStättV §3 Abs. 3)

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44 SchWARzeS BRett drei 44_Dezember 2012

Urlaubsreif und urlaubsfähig!Urlaubsreif und urlaubsfähig!

Gesetzlicher MindesturlaubDas Bundesurlaubsgesetz garantiert Dir 20 Ur-laubstage bezogen auf eine Fünftagewoche.Teilurlaub: Wer nur Teile eines Jahres beschäftigt ist, erhält vielleicht nur einen entsprechenden Teil der 20 Tage. Schau nach in §5 BurlG!

Gesetzlicher ZusatzurlaubWem ein Grad der Behinderung von 50 Prozent amtlich bestätigt ist, stehen – bei einer Fünftage-woche – fünf zusätzliche Urlaubstage zu (SGB IX §125).

Vertraglicher MehrurlaubIn den allermeisten Tarif- oder Arbeitsverträgen werden ein bis zwei weitere Urlaubswochen vereinbart.

GrundurlaubDie gesetzlichen und vertraglichen Urlaubstage bilden zusammen den Grundurlaub.

Vertraglicher Zusatzurlaub Tarif- oder Arbeitsverträge begründen für Belastungen durch Nachtarbeit (§6 Abs.5 ArbZG) oder durch Schichtwechsel noch weitere Urlaubstage.

Gesamturlaub Die gesamten Urlaubs- und Zusatzurlaubstage werden regelmäßig im Kalenderjahr fällig. Eine Ausnahme: Die ersten sechs Monate nach Einstellung.

Deine Rück- trittsversicherungDu hast den Urlaubsantrag frühzeitig gestellt. Er ist genehmigt oder steht fest im Schichtplan.Doch manchmal kommt es eben anders. Viel-leicht kannst Du nicht mehr so wie geplant, vielleicht möchtest Du Deinen Urlaub verschie-ben. Einige Vorgesetzte bestehen dennoch auf die ursprüngliche Planung. Doch: Urlaub kann der Arbeitgeber nur Arbeitsfähigen gewähren.Vielleicht wirst Du bereits vor Antritt des fest-gelegten Urlaubs krank und damit arbeitsun-fähig. Vielleicht kannst Du nicht damit rechnen, bis zum Urlausbeginn wieder auf dem Damm zu sein. Dann kannst Du die Verlegung verlan-gen. Es kommt nicht darauf an, ob Du reisefä-hig bist oder ob Deine Krankheit den Erho-lungszweck vereitelt.

Die Bundesarbeitsrichter sind da sehr deut-lich: »Hat der Arbeitgeber den Urlaubszeitpunkt bestimmt und erkrankt der Arbeitnehmer vor Urlaubsantritt oder während des Urlaubs arbeitsunfähig, so entfällt dadurch nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Urlaub zu erteilen, wenn der Arbeitnehmer wieder zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht in der Lage und der Urlaubsanspruch noch nicht durch Frist-ablauf erloschen ist.« (BAG, am 9. Juni 1988 - 8 AZR 755/85)

Aus dem Krank – in den Flieger?Manche werden vor einem Urlaub krank und wollen dennoch wie geplant mit der Familie verreisen. Einige Vorgesetzte verlangen: »Vor einem Urlaub müssen Sie zumindest ein paar Tage arbeiten!« Oder sie fordern ein Attest über unsere Gesundung.

Unsinn. Wer nach einer Krankheit wie-der arbeitsfähig ist, darf den geneh-migten Urlaub antreten.

Unser behandelnde Arzt stellt uns zwar eine »AU« aus. Ob wir aber arbeitsfähig sind, ist Sache der Fachärzte für Arbeitsmedizin. Nur diese bekommen solche Gutachten von der Versicherung oder vom Arbeitgeber vergütet.

Allerdings kann der Chef aus sol-chem Anlass von uns verlangen, dass wir uns beim Betriebsarzt vorstellen. Der Arbeits-mediziner soll ihm dann bestätigen, dass wir zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Und damit sind wir auch: Urlaubs fähig!

Steht das „U“ für Dich im Plan,tritt die Reise ruhig an.

Urlaub tut gleich doppelt gut. Du kannst Dich von den Mühen der Arbeit erholen.

Und Du hast Zeit für ein bisschen Leben. Diesen zweiten Zweck erfüllt unser Urlaub auch,

wenn er erst verspätet gewährt werden kann. Das sagen wir.

Und genau so urteilte der Europäische Gerichtshof am 22.11.2011 (C-214/10).

Schwere Koffer.

»Autsch – verhoben!«

Dein Urlaub

ist zunächst

verschoben.

Email von: [email protected]: 5. Dezember 2012An: [email protected]: [email protected]

Sophie Kunz, zurzeit: Hotel Mai-Tai, Nai Yang Beach, Phuket 83110, Thailand

An die Personalabteilung

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mitteilung gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz §5 (2):Ich bin zur Erholung verreist. Leider bin ich hier arbeitsunfähig erkrankt – voraussichtlich für insgesamt zehn Tage. Ich habe Ihnen das bereits gestern telefonisch mitgeteilt. Kehre ich arbeitsunfähig zurück, werde ich Sie unterrichten.

Mitteilung gemäß Bundesurlaubsgesetz §9:Ich habe einem hier ansässigen Arzt meine Arbeitstätigkeit geschildert. Er hat meine Krankheitsbeschwerden untersucht. Sein ärztliches Zeugnis bestätig: Ich bin arbeitsunfähig. Er teilt zudem meiner Krankenkasse seine Diagnose mit. Ich werde Ihnen das Dokument vorlegen, sobald ich meine Arbeit bei Ihnen wieder aufnehme.Bitte berücksichtigen Sie die so nachgewiesenen Tage bei meinem Resturlaub.

Mit freundlichem Gruß

S. Kunz

§9 BurlG: Ein Anruf

mit dem Handy genügt.

Der Ausdruck einer Email

ist ein besserer Beleg.

§5 (2) EntGF verlangt Deine Meldung bei der Krankenversicherung.

§5 (2) EntGF verlangt:

Auslandsadresse angeben!

Achtung: Dein Arzt soll Dir nicht bloß die Krankheit attestieren. Erklär ihm, dass es auf Deine Arbeits-unfähigkeit ankommt!

Nur Tage, die Du attestie-

ren kannst, werden später

nachgewährt.

Gebucht von Tobias MichelGebucht von Tobias Michel

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55drei 44_Dezember 2012 SchWARzeS BRett

Froh schlägt das Herz im Campingzelt,

vorausgesetzt, man hat das Geld.

Was tut Dein Chef Dich täglich ätzen. Bist Du weit weg,

lernt er Dich schätzen.

Nachtschichten gelten als zwei ArbeitstageArbeitstage sind alle Tage, an denen der Arbeitnehmer zu arbei-ten hat. Der Kläger hatte nach den Schichtplänen jährlich 147 Arbeitsschichten von 8 bis 8 Uhr am Folgetag zu leisten. Das sind bei den kalendertagübergreifen-den Schichten 294 Arbeitstage im Jahr.

Verteilt sich die Arbeitszeit auf mehr oder weniger Tage, ist die Anzahl der Urlaubstage mit dem Ziel einer gleichwertigen Urlaubs-dauer durch »Umrechnung« zu ermitteln. Ist die regelmäßige Arbeitszeit nicht auf eine Kalen-derwoche verteilt, muss für die Umrechnung eines nach Arbeits-tagen bemessenen Urlaubs auf den längeren Zeitabschnitt abge-stellt werden, in dem im Durch-schnitt die regelmäßige wöchent-liche Arbeitszeit erreicht ist.BAG, Urteil zu § 26 Abs. 1 TVöD vom 15.3.2011 – 9 AZR 799/09Dies gilt ebenso im TV-L, TV AWO, TV-Ärzte, TV AWO nrw, TV AWO BW, DRK Reform TV, TV VBGK, TV-L, TV Hessen, TV Helios, BAT-KF, AVR Baden, AVR-Württem-berg, AVR Bayern. Nicht jedoch: AVR DW EKD, AVR der Caritas, AVR-K (Nieder-sachsen).

Arbeitsunfähigkeit und ZeitrenteEin Arbeitnehmer erwirbt auch dann einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, wenn er ganzjährig erwerbsunfähig ist oder Rente auf Zeit erhält. Der Anspruch verfällt erst am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres. Diese Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ist die Konse-quenz der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2011, wonach der Verfall des Urlaubs arbeitsun-fähig erkrankter Arbeitnehmer 15 Monate nach Ablauf des Urlaubs-jahres nicht zu beanstanden ist.BAG, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10

Urlaub festlegenDie Freistellung des Arbeitneh-mers zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub erfolgt durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitge-bers. Die Erklärung muss für den Arbeitnehmer hinreichend deut-lich erkennen lassen, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Ur-laubsansprüche des Arbeitneh-mers erfüllen will. Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Denn als Erklärender hat er es in der Hand, den Umfang der Freistel-lung eindeutig festzulegen.BAG, Urteil vom 17.05.2011 - 9 AZR 189/10

Schwerbehinderten- ZusatzurlaubDer Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 125 Abs.1 Satz 1 1. Halb-satz SGB IX tritt dem Urlaubsan-spruch hinzu, den der Beschäftig-te ohne Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung beanspru-chen kann.BAG, Urteil vom 24.10.2006 - 9 AZR 669/05

recHt GesProcHenUrlaubsreif und urlaubsfähig!Urlaubsreif und urlaubsfähig!

Du hast ihn Dir verdient!Je mehr Arbeitstage pro Woche, umso mehr Urlaubstage!Dem vertraglichen Urlaub ist im Zweifel eine Fünftagewoche zugrunde gelegt. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Ar-beitstage in der Woche, erhöht oder vermindert sich die Urlaubsdauer entspre-chend. (BAG, am 20.06.2000 - 9 AZR 309/99)

tatsächliche tagewoche

1 2 3 4 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,8 5 5,1 5,3 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 6

vertragliche Urlaubstage in der fünftagewoche

5 11 16 22 22 23 23 24 24 25 26 27 28 29 30 30 31 31 32 32

6 11 17 22 23 24 24 25 25 26 27 28 29 30 31 31 32 32 33 34

6 12 17 23 24 24 25 26 26 27 28 291 30 31 32 32 33 34 34 35

6 12 18 24 25 25 26 26 27 28 29 302 31 32 33 34 34 35 35 36

1 29 tage urlaub haben ab 2013 alle mit tVöD, tV-L, aber auch viele in der AWO.2 30 tage urlaub bleiben zum Beispiel im tVöD allen, die bis 31.12.1972 geboren und am 31.12.2012 beschäftigt waren oder im Jahr 1958 bzw. früher geboren wurden.

AzubisÖffentlicher Dienst im Urlaubsjahr 2012

Urlaubstage 2012

Im kalenderjahr liegt … alle übrigen in der Pflege mit »schichtdienst«

1. Ausbildungsjahr ab April 23 23

1. Ausbildungsjahr ab September 10 10

1. bis 2. Ausbildungsjahr 30 31

2. bis 3. Ausbildungsjahr 30 31

»Keine altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer«: Die BAG-Entscheidung vom 20.3.2012 (9 AZR 529/10) verhalf den Auszubildenden im öffentlichen Dienst – und bei etlichen anderen Arbeitgebern – zu zusätzlichen Urlaubstagen.

Öffentlicher Dienst (Kommunen) Auszubildende (TVAöD) ab Urlaubsjahr 2013

Urlaubstage 2012

Im kalenderjahr liegt … alle übrigen in der Pflege mit »schichtdienst«

1. Ausbildungsjahr ab April 20 20

1. Ausbildungsjahr ab September 91 91

1. bis 2. Ausbildungsjahr 27 28

2. bis 3. Ausbildungsjahr 27 28

3. Ausbildungsjahr bis März 5 5

3. Ausbildungsjahr bis September 202 202

1 §5 (2) BurlG: »Bruchteile von urlaubstagen, die mindestens einen halben tag ergeben, sind auf volle urlaubstage aufzurunden.«

2 Gemäß §3 BurlG voller gesetzlicher Jahresurlaub. §5 BurlG greift nicht.

27 Tage Urlaub im ganzen Jahr haben ab dem Jahr 2013 die meisten Aus- zubildenden. Ein 28ster Tag kommt ab dem zweiten Ausbildungsjahr bei den Auszubildenden in der Krankenpflege hinzu, falls sie dann in Plänen mit wechselnden Schichten eingeteilt werden.

Ist Deine wöchentliche Ausbildungszeit nicht auf durchschnittlich fünf Tage in der Kalenderwoche verteilt? Dann rechne den Urlaubsanspruch entsprechend um.

Dass kein einziger Tag Dir fehlt wird Dein Urlaub abgezählt.

Urlaub tut gleich doppelt gut. Du kannst Dich von den Mühen der Arbeit erholen.

Und Du hast Zeit für ein bisschen Leben. Diesen zweiten Zweck erfüllt unser Urlaub auch,

wenn er erst verspätet gewährt werden kann. Das sagen wir.

Und genau so urteilte der Europäische Gerichtshof am 22.11.2011 (C-214/10).

Gebucht von Tobias MichelGebucht von Tobias Michel

Illustriert: Matthias Berghahn

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drei 44_Dezember 2012

meLDUnGen

Bundesweiter PiA-ProtestBerlin | Am 14. November sind Psy-chotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung (PiA) in zehn Städten für eine bessere Bezahlung auf die Straße gegangen. Obwohl PiAs ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen können und wichtige Leis-tungen direkt am Patienten erbringen, erhalten sie meist keine oder eine sehr geringe Vergütung. Stattdessen müs-sen sie ihre drei- bis fünfjährige Ausbil-dung an Instituten selbst finanzieren, was bis zu 600 Euro im Monat kostet.Zum Protest aufgerufen hatte ver.di gemeinsam mit 13 psychotherapeuti-schen Verbänden. Mit dabei auch der Verband psychologischer Psychothe-rapeut/innen (VPP) im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psy-chologen (BDP). Ver.di und BDP haben ihre Zusammenarbeit kürzlich mit einer Kooperationsvereinbarung bekräftigt.

Länder-Tarifrunde beginnt Berlin | Die ver.di-Bundestarifkommis-sion hat die Kündigung der Entgeltta-belle des Tarifvertrags der Länder (TV-L) zum Jahresende beschlossen. Die Forderungen sollen am 11. Dezember aufgestellt werden. Gewerkschafts-mitglieder sind aufgerufen, in den Betrieben über Vorschläge und Durch-setzungsmöglichkeiten zu diskutieren.

Offenbach wird privatisiertOffenbach | Das Klinikum Offenbach soll an einen privaten Investor verkauft werden. Das haben die Stadtverord-neten am 8. November beschlossen, nachdem die Kommunalaufsicht ihre Zustimmung zu einem 30-Millionen-Euro-Kredit der Stadt an das defizitäre Krankenhaus verweigert hatte. »Das Dilemma ist, dass die Kommunen für die Daseinsvorsorge zuständig sind, wegen der Schuldenbremse aber über-haupt keinen Spielraum mehr haben«, kritisierte ver.di-Landesfachbereichs-leiter Georg Schulze-Ziehaus. »Der demokratische Entscheidungsprozess wird so ausgehebelt.«

Vollkasko-Pflege möglich Berlin | Eine Umstellung der Pflege-versicherung von Teil- auf Vollkasko ist finanzierbar. Das ergibt ein von ver.di in Auftrag gegebenes Gutachten des Osnabrücker Gesundheitsökonomen Markus Lüngen. Der Professor hat errechnet, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um lediglich 1,3 Prozent steigen müsste, um Pflege- leistungen vollständig abzudecken. Rechnet man Entlastungen bei Kran-kenkassen und Kommunen gegen, liegt die nötige Beitragserhöhung bei deutlich unter einem Prozent. »Eine Pflegevollversicherung dient der Verwirklichung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit. Nicht der Geldbeu-tel darf über Umfang und Qualität der Pflege entscheiden«, betonte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bei Vorstellung der Studie in Berlin.

Teilerfolg bei WickerBad Wildungen | Die Beschäftigten der Neurologischen Klinik Westend in Bad Wildungen haben nach langem Kampf einen Tarifvertrag durchgesetzt. In den anderen Häusern des Wicker-Konzerns gelang dies zwar noch nicht, das Unternehmen musste aber per Be-triebsvereinbarung deutliche Einkom-mensverbesserungen zugestehen. Die ver.di-Aktivisten wollen jetzt »ein wenig verschnaufen« und sich auf die nächste Auseinandersetzung vorbereiten.

Mutterschaft und ZVKBerlin | Mutterschaftszeiten müssen einer neuen Tarifregelung zufolge in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berücksichtigt werden. Für vor dem 1. Januar 2012 liegende Zei-ten muss die Einbeziehung allerdings schriftlich beantragt werden.

6 AktIV

AWO hält AnschlussLohnerhöhungen in nrW orientieren sich am öffentlichen Dienst

Auszubildende in den Pflegeberufen är-gern sich oft, dass ihr Urlaub durch den Ausbildungsträger komplett verplant wird und sie selbst die Lage und Dauer der einzelnen Urlaubsabschnitte nicht beeinflussen können. Dabei stehen die rechtlichen Bestimmungen einer freien Urlaubswahl nicht entgegen. Das Altenpflege- und das Krankenpfle-gegesetz legen lediglich fest, dass der Urlaub auf die Ausbildungszeit ange-rechnet wird. Weitergehende Aussagen enthalten sie nicht.

Laut Bundesurlaubsgesetz sind »bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitneh-mers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswün-sche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen« (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Das gilt auch für Auszubil-dende. In einzelnen Krankenhäusern funktioniert das problemlos, üblich ist jedoch, dass der Urlaub vollständig kursweise verplant wird.

In einigen Kliniken haben Jugend- und Auszubildendenvertretungen daher die Initiative ergriffen, eine stärkere Ein-flussnahme auf die Urlaubsgestaltung zu ermöglichen. Im Geltungsbereich der Tarifverträge für Auszubildende des öffentlichen Dienstes soll der Urlaub möglichst in der unterrichtsfreien Zeit genommen werden. Im Tarifvertrag für die Auszubildenden der Universitäts-kliniken Baden-Württembergs wurde festgelegt, dass »die Urlaubswünsche der Auszubildenden bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zu berücksich-tigen sind«.

Besonders während der prakti-schen Ausbildung ist es ohne weiteres möglich, die Azubis in die Urlaubs- planung einzubeziehen und ihre Wünsche ebenso zu berücksichtigen wie die des anderen Pflegepersonals. Im Klinikum Stuttgart wird zurzeit eine betriebliche Vereinbarung vorbereitet, die es den Auszubildenden erlaubt, zumindest einen Teil des Urlaubsan-spruchs individuell zu verplanen.

GERD DIElMANN

Erfolg durch NichtstunBeschäftigte im saarland erreichen zugeständnisse per Ultimatum 30 Cent pro Kilometer bei Dienstfahr-ten im privaten PKW – das ist zu we-nig. Die Beschäftigten des Fachdiens-tes Selbstbestimmtes Wohnen beim Saarländischen Schwesternverband (SSV) in Schwemlingen, die psychisch kranke Menschen in ihrem Zuhause unterstützen, stellten deshalb ein Ulti-matum: Entweder es gibt mehr Geld oder wir setzen unsere Autos nicht mehr ein! Das wirkte. 1.000 Euro extra gibt es für Vollzeitbeschäftigte ab jetzt jedes Jahr. Auch in anderen Fällen hatten Beschäftigte an der Saar schon Erfolg damit, mit einer Fristsetzung anzudrohen, etwas nicht mehr zu tun.Schon seit fünf Jahren fordern die 14 Heilerziehungspfleger, Erzieherinnen, Sozialarbeiter, Ergotherapeuten und Krankenschwestern des Schwemlinger Fachdienstes mehr Kilometergeld für die Nutzung privater Pkw. Es gab Bera-tungen mit der Unternehmensführung, der Betriebsrat schaltete sich ein und ver.di schrieb lange Begründungen in freundlichen Briefen. All das führte zu nichts. Währenddessen wurde Auto-fahren immer teurer. Nicht selten kam es bei den Behindertentransporten zur Verunreinigung der Fahrzeuge, die die Beschäftigten selbst beseitigen muss-ten. Ihre Verärgerung wuchs. Was tun?Gemeinsam setzte man sich zusammen und überlegte. Die Kontrolle der Ar-

beitsverträge ergab, dass die Beschäf-tigten nicht verpflichtet sind, eigene PKW einzusetzen. Daraufhin verspra-chen sich die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig, dass niemand mehr sein Privatauto nutzen würde, und setzten dem Verband eine Frist – ein Ultimatum. Verlangt wurden 200 Euro pro Monat extra. Flug-blätter wurden gedruckt, Öffent-lichkeit hergestellt, ver.di stellte sich schützend vor die Beschäftig-ten, ein Notdienst wurde geplant. Die Gewerkschaft kündigte an, am Stichtag mit dem ver.di-Feuerwehrau-to vor Ort zu sein, eine »aktive Mit-tagspause« der übrigen Kolleginnen und Kollegen wurde vorbereitet.

»Fremdwort Ultimatum«Drei Tage vor dem gesetzten Datum, dem 15. Oktober, kam es zum Show-down. Der Vorstand des Schwestern-verbands und die Beschäftigten trafen aufeinander. Zunächst setzte SSV-Chef Thomas Dane – der über das Ultima-tum sagte, er »kenne dieses Fremd-wort nicht« – auf Drohungen. Doch die Kolleginnen und Kollegen, ge-schützt durch die Anwesenheit des Gewerkschaftssekretärs und des Be-triebsratsvorsitzenden, ließen sich nicht einschüchtern. Schließlich kam es doch noch zum Kompromiss: Die An-

Diakonie braucht Tarif Bundesarbeitsgericht erlaubt streiks in kirchlichen einrichtungen

Freie UrlaubswahlJugendvertretungen fordern Berücksichtigung der Wünsche

von auszubildenden bei der Urlaubsplanung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20. November bestätigt, dass das Grundrecht auf Streik auch in kirchli-chen Einrichtungen gilt. Zuvor hatten Beschäftigte verschiedener diakoni-scher Werke mit Aktionen und Arbeits-niederlegungen den Druck erhöht. Ihr Ziel: Auch für die insgesamt rund 1,3 Millionen Kirchenbeschäftigten sollen künftig reguläre Tarifverträge gelten.

»Die kircheninternen Verhandlun-gen in den Arbeitsrechtlichen Kommis-sionen bringen uns gar nichts, denn die Arbeitgeber können deren Be-schlüsse einfach ignorieren – deshalb brauchen wir einen Tarifvertrag«, be-tont Max Muster von der ver.di-Be-triebsgruppe im evangelischen Kran-kenhaus Bethel. Seit Anfang des Jahres ist die Bückeburger Klinik eine Hoch-burg der gewerkschaftlichen Tarifbe-wegung. »Als wir im Januar zum ers-ten Mal die Arbeit niederlegten, wussten wir nicht, was auf uns zu-kommt«, erinnert sich Muster. »Doch dann kamen mehr als 70 Leute – eine positive Überraschung.«

Mittlerweile sind Aktionen auch während der Arbeitszeit im niedersäch-sischen Bückeburg nichts Ungewöhnli-ches mehr. »Die Kolleginnen und Kolle-gen haben nicht so große Angst wie zu Anfang«, sagt Muster. Die Kliniklei-tung hatte die Beschäftigten mehrfach angeschrieben und auf das angebliche Streikverbot in kirchlichen Einrichtun-gen verwiesen – ohne Erfolg. Durch das BAG-Urteil fühlen sich Muster und

seine Kollegen nun bestätigt.Das Erfurter Gericht hat ein gene-

relles Streikverbot, wie es die Kir-chenoberen für die von ihnen geführ-ten Unternehmen reklamieren, nämlich zurückgewiesen. Zwar erklärte BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt, dass sich das grundgesetzlich verbriefte Selbst-bestimmungsrecht der Kirchen auch auf die Regelung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen ihrer Beschäf-tigten erstreckt. Zugleich betonte sie aber: »Die Beeinträchtigung des kirch-lichen Selbstbestimmungsrechts durch einen Arbeitskampf ist nicht aus-nahmslos rechtswidrig.«

»Die Revision ist abgewiesen, Streiks sind möglich«, beschrieb der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirkse den Kern des Urteils unmittelbar nach des-sen Verkündung. »Das ist ein klarer Erfolg für die Gewerkschaften.« Bsirske zeigte sich zuversichtlich, in nächster Zeit mit weiteren diakonischen Einrich-tungen Tarifverträge abschließen zu können. »Im Bereich der Diakonie gibt es eine ganze Reihe verantwortungs-bewusster Geschäftsführer, die diesen Fundamentalstreit nicht weiterführen wollen.« In anderen Fällen, »in denen sich die Arbeitgeberseite eingräbt, um sich durch die Verweigerung von Tarif-verträgen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen«, werde ver.di auch in Zukunft zu Arbeitsniederlegungen aufrufen. DANIEl BEhRUzI

Weitere Infos: www.streikrecht-ist-grundrecht.de

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gestellten des Fach-dienstes erhalten ab November eine Prämie in Höhe von

1.000 Euro pro Jahr und verpflichten sich im Gegenzug, auf ihren Autos eine entfernbare Werbung für den Schwesternverband anzubringen. Ab Dezember wird ein drittes Dienstfahr-zeug angeschafft, ein weiteres soll folgen. Zudem wird der SSV die Be-schäftigten beim Neukauf eines Autos im Bedarfsfall mit kostengünstigen Darlehen unterstützen. Nach interner Beratung haben die Kolleginnen und Kollegen diesen Kompromiss einstim-mig akzeptiert.

ver.di bietet SchutzEs war nicht das erste Mal, dass Beleg-schaften im Südwesten mit dieser

Methode Erfolg hatten. So erkämpften die Pflegenden der DRK-Klinik Mett-lach mit Hilfe eines Ultimatums zusätz-liche Stellen sowie eine personelle Mindestbesetzung. Die OP-Pfleger im

Klinikum Saarbrücken konnten die Verkürzung überlanger Schichten durchsetzen. Und die Kranken-schwestern in der SHG-Klinik Völk-lingen drohten, im Pyjama zur Arbeit zu kommen, wenn man ihre

Umkleidezeiten nicht als Arbeitszeit anrechnet. Die öffentliche Erheiterung veranlasste die Unternehmensleitung schnell dazu, nachzugeben.

Gegenseitig verpflichteten sich die Kollegen in diesen Betrieben, etwas nicht mehr zu tun, wenn die andere Seite nicht einlenkt. Stets waren das kollektive Aktionen. ver.di stellte Logis-tik, Knowhow, Öffentlichkeitsarbeit und Schutz. Nicht Stellvertreterpolitik, sondern selbstständige solidarische Aktionen führten zum Erfolg. In all diesen Fällen war der Arbeitgeber im Unrecht und konnte die Beschäftigten nicht zu einem bestimmten Verhalten zwingen. So ist es im Grunde überall: Das System der Gesundheitsversor-gung und der sozialen Arbeit funktio-niert nur deshalb, weil die Beschäftig-ten es ungeachtet der Illegalität von Unternehmenspraktiken am Leben erhalten. Diese Tatsache wird mit der Methode des Ultimatums genutzt. Sie ist eine effektive Kampfform unterhalb des regulären Streiks, die durchaus noch öfter eingesetzt werden könnte. MIchAEl QUEttING

Zahlreiche kreative Aktionen haben den rund 30.000 Beschäftigten der Arbeiter-wohlfahrt NRW – hier beim Warnstreiktag am 16. Oktober in Recklinghausen – stufenweise Lohnerhöhungen von insgesamt 6,3 Prozent in 25 Monaten beschert.

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Über 1.500 Beschäftigte nahmen am 4. November an einer Demonstration in Magdeburg teil.

Die Drohung reichte:

Die Krankenschwestern

der ShG-Klinik völklingen

mussten nicht im Pyjama

zur Arbeit kommen

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Packen sie’sgleich weg.

Vorsicht! Sie habenunterschrieben: "Über

alle den Vertrag betreffendenAngelegenheiten werden Sie strengstes Stillschweigen

bewahren.”rrtsch

Bleibt bei Ilka auch so wenig von der Jahressonderzahlung?

Nein, Frau Meise,nicht mein Zuschlag

… die Zulage.

Das wird richtig sein. Kein Grund, unserer

Personalbuchhaltungzu misstrauen,

Frau Kunz!

Das klären wir.Aber nicht wir beide alleine!

Verpacken

Montags

Und so

Bei mir sind’s auch nicht 46 Euro 2 Cent. Ich blick

das nicht …

Unsere Bruttobeträge sollten doch wenigstens dieselben

sein!

Nee, ich bin doch nur Teilzeit.Du bekommst Deine Mehrarbeit bezahlt?

Von wegen ”3,0 St Nachtarbeit“!Ich bin 3 Nächte eingesprungen. * 1967 Schlange Kaa in Disneys

Dschungelbuch, Text: Riethmüller

Hör auf mich,glaube mir, Augen zu, vertraue mir!

7drei 44_Dezember 2012 SOphIeS ALLtAG

Freie UrlaubswahlJugendvertretungen fordern Berücksichtigung der Wünsche

von auszubildenden bei der Urlaubsplanung

VergleicheVergleiche

Huiiiauaah

Vergleiche

Guten Morgen, Frau Meise.

Lassen Sievertrauliche Aktennicht so offen …

Die hat wohl nichtSteuerklasse V.

Über Geld redengibt doch bloß Neid.

Hier, Ihre Entgelt-abrechnungen. Diesmal mit Weihnachtsgeld.

Nur zu!Ich sag, wenn halt.

Kein Maulkorb Die vertragliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit gegenüber Arbeitskolleginnen ist unwirksam. Denn sie hindert, Ungleichheit zu erkennen, Ansprüche geltend zu machen und gewerkschaftliche Arbeitskämpfe zu führen. (LAG Mecklenburg - Vorpommern, Urteil 21.10.2009, 2 Sa 183/09)

Autor: Tobias MichelZeichner: Matthias Berghahn

Ihre Zulagen müssten doch wie

bei mir sein.

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8 drei 44_Dezember 2012AuSBLIck

auf den ersten Blick sind beide Bilder gleich. Doch wer genau hinschaut, wird im rechten Bild zehn fehler erkennen. Unter den Einsender/innen verlosen wir:1. teampreis: 200 Euro für die Gemein-schaftskasse2. Preis: eine ver.di-Armbanduhr mit Datumsanzeige3.–5. Preis: die neue ver.di-Pausentasse, limitierte Auflage

mitmachen und GewinnenAn unserem Suchbild können alle ver.di-Mit-glieder mitmachen. Den teampreis können allerdings nur Kolleginnen und Kollegen gewinnen, die zusammen arbeiten und mindestens zu dritt sind. Die Gewinnchancen steigen, wenn wir gleich ein gutes Foto von Eurem Team bekommen und eine Telefonnum-mer, unter der Ihr gut erreichbar seid. Was nicht geht sind Kopien von Fotos auf Papier, wir brauchen für den Druck echte Fotoabzüge oder ein digitales Bild als jpg-Datei mit mindestens 1 MB.

Die Lösung schickt bitte

1| ver.di-Bundesverwaltung fachbereich 3: »Preisrätsel« Paula-thiede-Ufer 10, 10179 Berlin

2| oder als E-Mail an: [email protected]

3| oder löst das Rätsel gleich online: http://drei.verdi.de/preisraetsel

HInseHen

rUnDUm

Das Verhältnis: Pflegekräfte zu Ärzten

Das Knappschaftskrankenhaus im saarländischen Sulzbach feierte Geburtstag. Vor 150 Jahren als »Heil-Anstalt« für Bergleute mit 80 Betten gegründet, die Pflegekräfte waren Männer und hießen Wärter. Nach dem Ersten Weltkrieg öffnete sich das Krankenhaus der Behandlung von Frauen und Kindern. Heute verfügt das moderne Haus über 300 Betten. Älter ist keine Klinik im Saarland. Aus diesem Anlass wurde in alten Fotografien gekramt. Unser Bild zeigt den Schweinestall des Krankenhauses. Das Datum ist nicht

UnverGessen

Habt Ihr noch fotos, die eure arbeitsplätze

vor 40, 60 oder 100 Jahren zeigen?

Wir freuen uns über jede einsendung!

Informationen für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen [email protected]

Erster Versuch, gleich gewonnenMaxine Musterfrau (vorne rechts mit Ente) arbeitet seit 15 Jahren in der Marcus-Klinik Bad Driburg im Nacht-dienst. Es ist eine von vier Rehaklini-ken der Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen-Sierstorpff. Typisch für den gesamten Rehabereich ist die Zunahme der Zahl pflegebedürftiger Patienten, die immer früher aus den Akutkliniken zur Rehabilitation ge-schickt werden. Dass sich dadurch

die Arbeit der Beschäftigten ständig verdichtet, ist klar. Das Team der Nachtwachen kennt sich schon länger und trifft sich auch außer-halb des Dienstes. Beim Preisrätsel haben sie zum ersten Mal mitge-macht und nicht damit gerechnet, gleich zu gewinnen. »Das Preisgeld können wir gut für unsere Weih-nachtsfeier gebrauchen«, meinte Maxine spontan.

Viele Augen sehen mehr …

GeWInnerteam

Dr. med. Mabuse – die Zeitschrift für alle Gesundheitsberufe – feiert mit der Ausgabe November/Dezember 2012 ihr zweihundertstes Heft. Hervorgegangen aus einer Fach-schaftszeitschrift für Studierende der Medizin, gemacht von Studierenden der »undogmatischen Linken«, hat Mabuse sich in den 36 Jahren ihres Bestehens zu einer beachtlichen Fachzeitschrift für Gesundheitsberufe entwickelt.

Seit einigen Jahren sorgt eine eigene Pflegeredaktion dafür, dass pflegerische Themen aufgegriffen werden, auch für Hebammen finden sich immer wieder thematische Schwerpunkte. Hinsichtlich der weiteren Gesundheitsfachberufe ist Mabuse allerdings durchaus noch entwicklungsfähig.

Unverkennbare Markenzeichen der alle zwei Monate erscheinenden

Herzlichen Glückwunsch zum Zweihundertsten

reInLesen

Zeitschrift sind die kritische Begleitung der Gesundheitspolitik und der phar-mazeutischen Industrie. Darüber hin-aus erscheinen Beiträge zu aktuellen Entwicklungen in den verschiedenen Gesundheitsberufen sowie zu laufen-den Diskussionen in der Kranken- und Altenpflege, Psychiatrie, Ausbildung und Studium, Public Health, Ethik, Pharmapolitik oder Gesundheit in der »Dritten Welt«.

Die Redaktion der »drei« gratuliert ganz herzlich zur zweihundertsten Ausgabe und wünscht sich, dass die Zeitschrift ihr kritisches Profil erhalten kann und nicht im Mainstream wirt-schaftsliberalen und auf soziale Un-gleichheit setzenden Denkens unter-geht. Im Einsatz für ein solidarisches Gesundheitswesen wissen wir uns verbunden.

Für die RedaktionGerd Dielmann

mehr genau feststellbar. Nicht nur der »Schweineeimer« auf den Stationen war Bestandteil des Hauses. Daran erinnert sich die eine oder andere von uns vielleicht noch. Auch ein Bauernhof war speziell für die Versorgung zu-ständig. Und damals kannte man Outsourcing noch nicht. Die Landarbeiter des Hofes bekamen eine Bezahlung entsprechend des Lohnes der Bergleute über Tage.Wir danken dem Knappschaftsklinikum Saar für die Überlassung des Fotos.

www.mabuse-verlag.de

Die Gewinner des Preisrätsels in drei.43:1. Preis Maxine Musterfrau, 33034 Brakel (Nachtwachen-Team der Marcus-Klinik Bad Driburg, Teampreis: 200 Euro)2. Preis Maxine Musterfrau, 22339 Hamburg (eine winky-Armbanduhr)3.–5. Preis Maxine Musterfrau, 02827 Görlitz; Maxine Muster, 16816 Neuruppin; Max Mustermann, 42287 Wuppertal.

einsendeschluss: 10. Januar 2013

0 1 2 3 4 5

Russland

Ungarn

Tschechoslowakei

Polen

Frankreich

Schweden

Deutschland

Belgien

Slowenien

Groß Britannien

Niederland

Schweiz

Dänemark

Irland 5,0

4,3

4,0

3,9

3,6

3,3

3,1

3,0

3,0

2,5

2,4

2,3

2,1

1,9

Quelle: „Health at a Glance 2011: OECD Indicators, © OECD 2011“, Jahr 2009, http://dx.doi.org/10.1787/888932524298

Ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt: Die Aufgaben in der Gesundheitsver-sorgung können recht unterschiedlich verteilt werden. So viele Kranken-schwestern und -pfleger kommen dort auf einen Arzt: