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DIALOG: J.-H. HEUDTLASS »ICH BIN EHRGEIZIG« \\ Seite 2 SCHWARZES BRETT: AUSBILDUNGSFONDS: KOSTEN CHECKEN \\ Seite 5 AKTION: MEIN FREI GEHÖRT MIR! – PILOTPROJEKT NRW \\ Seite 6 drei N r. 6_September 2003 ARBEIT UND LEBEN: SEITEN- WECHSEL – EIN PROJEKT FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE \\ Seite 7 Kurz vor den Bundestagswahlen hatte Ulla Schmidt gegenüber ver.di erklärt »Wer auf Zuzahlungen setze, kapitulie- re vor den Leistungserbringern.« Es fehlte offenbar wiederum der Mut, sich mit der Pharmaindustrie und den Verbänden von Ärzten und Apothekern anzulegen. Die vorgesehenen Zuzah- lungen bei Krankenhausaufenthalten, Arztbesuchen und Arzneimitteln und die Finanzierung von Zahnersatz und Krankengeld sind sozial unausgewogen und gesundheitspolitisch gefährlich. Die CDU/CSU hatte im Vorfeld der Verhandlungen keinen Zweifel daran gelassen, dass sie gewillt war, jede Ge- sundheitssreform scheitern zu lassen, die zur Abschaffung des Vertragsmo- nopols der Kassenärztlichen Vereini- gungen für die fachärztliche Versor- gung führt. Im Ergebnis hat sich die CDU/CSU in dieser Frage genausso durchgesetzt, wie bei der Verhinderung der Positivliste. Auch die längst überfällige Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Dienstleistungen erfolgt allenfalls in ho- möopathischer Dosis. Auf wenige Indi- kationen begrenzt, können hochspezia- lisierte Leistungen des Krankenhauses in Zukunft auch für ambulante Patien- tinnen und Patienten angeboten wer- den. Die integrierte Versorgung als Regelversorgung ist nicht vorgesehen. Der Schlüssel dafür wäre eine Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Lei- stungen. Bei entsprechender Ausgestaltung könnten das die von den »Konsens- Reformern« entwickelten Medizinische Versorgungszentren leisten. Werden solche Medizinische Versorgungszen- tren im Krankenhaus eingerichtet, stel- len sie eine optimale Vernetzung zwi- schen ambulantem und stationärem Sektor dar. Somit könnten Qualität und Wirtschaftlichkeit deutlich verbessert werden. Die Zentren müssten jedoch eine gesicherte Finanzbasis haben, in- nerhalb des Versorgungsauftrags aber unabhängig von Entscheidungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, denn es ist nicht sinnvoll diejenigen an der Entscheidung zu beteiligen, die sie bekämpfen. Die vorgesehene Verbesserung der ambulanten Versorgung in unterver- sorgten Gebieten auch durch institutio- nelle Öffnung des örtlichen Kranken- hauses ist sinnvoll. Damit könnte die Versorgung der Bevölkerung verbessert werden. Es kann aber nicht sein, dass das Krankenhaus lediglich Lückenbüßer ist, so lange die Kassenärztliche Verei- nigung ihren Sicherstellungsauftrag nicht erfüllt. Die klaren finanziellen Interessen von Lobbygruppen müssen den Interes- sen der Patientinnen und Patienten nachgeordnet werden. Dann kann die solidarische und paritätische Kranken- versicherung zukunftsfest gemacht werden. Der Weg der jetzt mit den Eck- punkten erkennbar ist, ist falsch. Weniger Grundversorgung – mehr wellness? Wird es in Zukunft mehr Patienten ge- ben, die auf Kosten ihrer Gesundheit sparen müssen, und andere, die sich Zusatzleistungen erkaufen und Schön- heitsoperationen gönnen? Für diejeni- gen, die sich das leisten können, wird es eine Medizin ohne Grenzen zu Wellness und Wünsch-dir-was geben. Haben wir Pflege und Medizin gelernt, um jungen Gesunden zu größeren Brü- sten, weißeren Zähnen und einer gera- den Nase zu verhelfen? Kann Arbeit als sinnvoll empfunden werden, wenn das medizinisch Gebotene und menschlich Naheliegende aus Kostengründen ver- weigert werden muss? In einem Krankenhausbett ein Pri- vatpatient – in Seidenwäsche gebettet und von ausreichend Pflegepersonal versorgt. In dem anderen Rollbett ein Kassenpatient – vom Bettgestell, über die Bettwäsche bis hin zum Pflegeper- sonal deutlich erkennbar, dass heftigst gespart wird. Wollen wir die Zwei-Klassen-Medi- zin wirklich? Die Antwort der Bürger- Innen ist »Nein«, erfuhren die Mitstrei- terInnen des ver.di-Bettenrollkomman- dos in Dortmund. Sie standen Schlan- ge, um mit ihrer Unterschrift gegen die Reformpläne der Bundesregierung zu protestieren. Wer sich vor den Folgen schützen wollte, dem wurde am ver.di- Stand die Schluckimpfung gegen den »hartzigen Rürup« verabreicht. Gute Nachrichten aus Dortmund: In einer Zeit, in der es die Gewerkschaften so schwer wie noch nie haben, nehmen Andrea Becker und Heike Komrey fast täglich neue Mitglieder auf. Man könnte meinen, die beiden jungen Gewerkschafts- sekretärinnen, relativ neu im Fachbereich 3, hätten ein Ge- heimrezept. Das ist es natürlich nicht. »Es gab mehrere Umstände, Fakten, Möglichkeiten«, sagt Andrea Becker be- scheiden. Das scheinbar Unmögliche schaffen die Gewerkschafte- rinnen vor allem, weil sie ihre Chancen erkennen und nut- zen, aus Haupt- und Ehrenamtlichen belastbare Teams schmieden, pragmatische Lösungen finden, ihre eigene Arbeit exzellent organisiert haben und den Spaß dabei nie zu kurz kommen lassen. Die Zutaten des Dortmunder Rezepts >>> Seite 6 Die einen wollen die Flächentarifverträge durchlöchern, die anderen Lagerfeuer machen, um sie zu verbrennen: Was sich anhört wie alberne Bubenstreiche, ist in Wirklichkeit ein Generalangriff auf die Gewerkschaften. Dadurch wollen Politik und Wirtschaft negativen Einfluss auf die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Beschäftigten nehmen. Erstmals drohte ein sozialdemokratischer Kanzler mit einem Eingriff in die Tarifautonomie: »Ich erwarte, dass sich die Tarifparteien auf betriebliche Bündnisse einigen. Ge- schieht das nicht, wird der Gesetzgeber handeln« (Agenda 2010). FDP-Chef Westerwelle forderte: »Im Bereich der Lohn- findung muss der flächendeckende Tarifvertrag verschwin- den.« CDU-Fraktionsvize Merz forderte eine »Durchlöcherung des Tarifkartells« durch betriebliche Vereinbarungen unter- halb des Tarifniveaus. Und BDI-Präsident Michael Rogowski verstieg sich gar zu der Forderung: »Man müsste die ganzen Flächentarifverträge auf dem Scheiterhaufen verbrennen.« Mehr zu Flächentarif und »Leitwährung BAT« >>> Seite 3 DAS REZEPT VON DORTMUND Jede Menge neue Mitglieder! Angriff auf den Flächentarifvertrag drei Die große Koalition der Gesundheitspolitiker hat sich auf eine große Umver- teilung geeinigt. Entlastet werden die Arbeitgeber – ohne dass sie dafür eine Gegenleistung erbringen müssen – die Zeche zahlen wieder einmal die Versicherten, insbesondere wenn sie krank werden. PatientInnen finanzieren die Senkung der Lohnnebenkosten – notfalls zu Lasten ihrer Gesundheit. ver.di-Mitglieder sind empört über Konsens VER.DI FACHBEREICH3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHEN TARIFPOLITIK Zwei-Klassen-Medizin VER.DI FACHBEREICH3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHEN

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DIALOG: J.-H. HEUDTLASS

»ICH BIN EHRGEIZIG« \\ Seite 2

SCHWARZES BRETT:

AUSBILDUNGSFONDS:

KOSTEN CHECKEN \\ Seite 5

AKTION: MEIN FREI GEHÖRT

MIR! – PILOTPROJEKT NRW

\\ Seite 6

dreiNr. 6_September 2003

ARBEIT UND LEBEN: SEITEN-

WECHSEL – EIN PROJEKT FÜR

FÜHRUNGSKRÄFTE \\ Seite 7

Kurz vor den Bundestagswahlen hatteUlla Schmidt gegenüber ver.di erklärt»Wer auf Zuzahlungen setze, kapitulie-re vor den Leistungserbringern.« Es fehlte offenbar wiederum der Mut,sich mit der Pharmaindustrie und denVerbänden von Ärzten und Apothekernanzulegen. Die vorgesehenen Zuzah-lungen bei Krankenhausaufenthalten,Arztbesuchen und Arzneimitteln unddie Finanzierung von Zahnersatz undKrankengeld sind sozial unausgewogenund gesundheitspolitisch gefährlich.

Die CDU/CSU hatte im Vorfeld derVerhandlungen keinen Zweifel darangelassen, dass sie gewillt war, jede Ge-sundheitssreform scheitern zu lassen,die zur Abschaffung des Vertragsmo-nopols der Kassenärztlichen Vereini-gungen für die fachärztliche Versor-gung führt. Im Ergebnis hat sich dieCDU/CSU in dieser Frage genaussodurchgesetzt, wie bei der Verhinderungder Positivliste.

Auch die längst überfällige Öffnungder Krankenhäuser für ambulanteDienstleistungen erfolgt allenfalls in ho-möopathischer Dosis. Auf wenige Indi-kationen begrenzt, können hochspezia-lisierte Leistungen des Krankenhausesin Zukunft auch für ambulante Patien-tinnen und Patienten angeboten wer-den. Die integrierte Versorgung als Regelversorgung ist nicht vorgesehen.Der Schlüssel dafür wäre eine Öffnungder Krankenhäuser für ambulante Lei-stungen.

Bei entsprechender Ausgestaltungkönnten das die von den »Konsens-Reformern« entwickelten MedizinischeVersorgungszentren leisten. Werdensolche Medizinische Versorgungszen-tren im Krankenhaus eingerichtet, stel-len sie eine optimale Vernetzung zwi-schen ambulantem und stationäremSektor dar. Somit könnten Qualität undWirtschaftlichkeit deutlich verbessertwerden. Die Zentren müssten jedocheine gesicherte Finanzbasis haben, in-nerhalb des Versorgungsauftrags aberunabhängig von Entscheidungen derKassenärztlichen Vereinigungen, dennes ist nicht sinnvoll diejenigen an derEntscheidung zu beteiligen, die siebekämpfen.

Die vorgesehene Verbesserung derambulanten Versorgung in unterver-sorgten Gebieten auch durch institutio-nelle Öffnung des örtlichen Kranken-hauses ist sinnvoll. Damit könnte dieVersorgung der Bevölkerung verbessertwerden. Es kann aber nicht sein, dassdas Krankenhaus lediglich Lückenbüßerist, so lange die Kassenärztliche Verei-nigung ihren Sicherstellungsauftragnicht erfüllt.

Die klaren finanziellen Interessenvon Lobbygruppen müssen den Interes-sen der Patientinnen und Patientennachgeordnet werden. Dann kann diesolidarische und paritätische Kranken-versicherung zukunftsfest gemachtwerden. Der Weg der jetzt mit den Eck-punkten erkennbar ist, ist falsch.

Weniger Grundversorgung –mehr wellness?Wird es in Zukunft mehr Patienten ge-ben, die auf Kosten ihrer Gesundheitsparen müssen, und andere, die sichZusatzleistungen erkaufen und Schön-heitsoperationen gönnen? Für diejeni-gen, die sich das leisten können, wirdes eine Medizin ohne Grenzen zuWellness und Wünsch-dir-was geben.Haben wir Pflege und Medizin gelernt,um jungen Gesunden zu größeren Brü-sten, weißeren Zähnen und einer gera-den Nase zu verhelfen? Kann Arbeit alssinnvoll empfunden werden, wenn dasmedizinisch Gebotene und menschlichNaheliegende aus Kostengründen ver-weigert werden muss?

In einem Krankenhausbett ein Pri-vatpatient – in Seidenwäsche gebettetund von ausreichend Pflegepersonalversorgt. In dem anderen Rollbett einKassenpatient – vom Bettgestell, überdie Bettwäsche bis hin zum Pflegeper-sonal deutlich erkennbar, dass heftigstgespart wird.

Wollen wir die Zwei-Klassen-Medi-zin wirklich? Die Antwort der Bürger-Innen ist »Nein«, erfuhren die Mitstrei-terInnen des ver.di-Bettenrollkomman-dos in Dortmund. Sie standen Schlan-ge, um mit ihrer Unterschrift gegen die Reformpläne der Bundesregierung zuprotestieren. Wer sich vor den Folgenschützen wollte, dem wurde am ver.di-Stand die Schluckimpfung gegen den»hartzigen Rürup« verabreicht.

Gute Nachrichten aus Dortmund: In einer Zeit, in der es dieGewerkschaften so schwer wie noch nie haben, nehmen Andrea Becker und Heike Komrey fast täglich neue Mitgliederauf. Man könnte meinen, die beiden jungen Gewerkschafts-sekretärinnen, relativ neu im Fachbereich 3, hätten ein Ge-heimrezept. Das ist es natürlich nicht. »Es gab mehrere Umstände, Fakten, Möglichkeiten«, sagt Andrea Becker be-scheiden.

Das scheinbar Unmögliche schaffen die Gewerkschafte-rinnen vor allem, weil sie ihre Chancen erkennen und nut-zen, aus Haupt- und Ehrenamtlichen belastbare Teamsschmieden, pragmatische Lösungen finden, ihre eigene Arbeit exzellent organisiert haben und den Spaß dabei nie zu kurz kommen lassen.

Die Zutaten des Dortmunder Rezepts >>> Seite 6

Die einen wollen die Flächentarifverträge durchlöchern, dieanderen Lagerfeuer machen, um sie zu verbrennen: Was sich anhört wie alberne Bubenstreiche, ist in Wirklichkeit ein Generalangriff auf die Gewerkschaften. Dadurch wollen Politik und Wirtschaft negativen Einfluss auf die Arbeits- undEinkommensbedingungen der Beschäftigten nehmen.

Erstmals drohte ein sozialdemokratischer Kanzler mit einem Eingriff in die Tarifautonomie: »Ich erwarte, dass sichdie Tarifparteien auf betriebliche Bündnisse einigen. Ge-schieht das nicht, wird der Gesetzgeber handeln« (Agenda2010). FDP-Chef Westerwelle forderte: »Im Bereich der Lohn-findung muss der flächendeckende Tarifvertrag verschwin-den.« CDU-Fraktionsvize Merz forderte eine »Durchlöcherungdes Tarifkartells« durch betriebliche Vereinbarungen unter-halb des Tarifniveaus. Und BDI-Präsident Michael Rogowskiverstieg sich gar zu der Forderung: »Man müsste die ganzenFlächentarifverträge auf dem Scheiterhaufen verbrennen.«

Mehr zu Flächentarif und »Leitwährung BAT« >>> Seite 3

DAS REZEPT VON DORTMUND

Jede Menge neue Mitglieder!

Angriff auf den Flächentarifvertrag

drei

Die große Koalition der Gesundheitspolitiker hat sich auf eine große Umver-

teilung geeinigt. Entlastet werden die Arbeitgeber – ohne dass sie dafür

eine Gegenleistung erbringen müssen – die Zeche zahlen wieder einmal die

Versicherten, insbesondere wenn sie krank werden. PatientInnen finanzieren

die Senkung der Lohnnebenkosten – notfalls zu Lasten ihrer Gesundheit.

ver.di-Mitglieder sind empört über Konsens

VER.DI FACHBEREICH 3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHEN

TARIFPOLITIK

Zwei-Klassen-Medizin

VER.DI FACHBEREICH 3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHEN

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IMPRESSUM

EDITORIAL

Vielen Dank für den Artikel »Arbeit darfnicht krank machen!« Was mir aberaufgefallen ist: Der Bereich der Behin-dertenbetreuung kam darin gar nichtvor.

Irgendwie dürfen bzw. müssen mei-ne Kolleg/-innen und ich uns immermitgemeint fühlen, wenn von Pflegeund Gesundheitsdienst berichtet wird.Zugegeben, es gibt viele Gemeinsam-keiten, wie z.B. Schichtdienst, Wochen-end- und Nachtarbeit, physische undpsychische Belastungen usw. Dochtrotz dieser Gemeinsamkeiten beste-hen auch gravierende Unterschiede:Arbeit in der Behindertenbetreuung ist

eben NICHT pflegende und medizini-sche, sondern vor allem pädagogischeArbeit (auch wenn es pflegerische An-teile gibt). Die Belastungen durch zuwenig Personal, schlechte Ausstattungder Einrichtungen, häufige Überstun-den und unbezahlte Mehrarbeit sowieausbildungsfremde Inhalte (z.B. Pflegevon älter werdenden Behinderten inWohneinrichtungen) wirken sich nurz.T. genauso aus wie in pflegerischenund medizinischen Berufen. Das »Eu-ropäische Jahr der Behinderten« fordertdoch geradezu eine umfassende Be-richterstattung über die in der Behin-dertenbetreuung Beschäftigten in einerGewerkschaftszeitung heraus. Leider

Liebe Leserinnen und Leser!

Auf unser letztes »Schwarzes Brett« mit dem Thema »Arbeit darf nicht krankmachen!« gab es zahlreiche Reaktionen: Viele schrieben uns, wie in ihren Einrichtungen diese Gefahr durch die stetig wachsende Arbeitsverdichtungwächst. Hier müssen wir ver.dianer/-innen gegenhalten, zum Beispiel mit star-ken Betriebsräten, Personalräten und Mitarbeitervertretungen, die sich vor Ortfür gesunde Arbeitsbedingungen einsetzen und die Arbeitgeber in die Pflicht zu Gesundheitsschutz und -förderung nehmen. Auch auf der politischen Ebene gilt es gegenzuhalten. Beim ersten Bundeskongress von ver.di im Herbst werden die Delegierten über den weiteren Kurs unserer Gewerkschaft beraten und ab-stimmen. Die Positionen bezüglich eines Gesundheitswesens der Zukunft sind eindeutig:ver.di tritt für eine Reform ein, die das Menschenrecht auf Gesundheit gewähr-leistet. Dazu gehört auch das jeweils mögliche Optimum an körperlichem, geistigem und sozialem Wohlbefinden. Jeder soll die individuell notwendige Leistung erhalten, frei von ökonomischer und sozialer Diskriminierung. Das bedeutet u.a.: Prävention vor Kuration und Rehabilitation vor Pflege, integrierteVersorgung, Steigerung der Versorgungsqualität, »Positivliste« für Arzneimittelund eben auch qualifizierte und humane Arbeitsplätze, die nicht krank machen. Eine Marktöffnung des Gesundheitssystems, die sich auf Konkurrenz und Ren-dite ausrichtet, wird mit ver.di nicht zu machen sein. Oberste Maxime muss derSolidargedanke sein und bleiben.Der ver.di-Bundeskongress wird diesen Forderungen Nachdruck verleihen unddie Marschrichtung unserer Gewerkschaft für die zukünftigen gesellschaftlichenAuseinandersetzungen bestimmen. IHRE REDAKTION

Beschäftigte in der Behinderten-betreuung nicht nur »mitgemeint«

drei – die Zeitung des Fachbereiches 3 in ver.di –

erscheint für die Mitglieder im Bereich Gesundheit,

Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen als Beilage

zur ver.di-Mitgliederzeitung PUBLIK.

Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

ver.di, Bundesvorstand / Fachbereich 3 Gesundheit,

Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen; Beate Eggert.

Im Zug nach Bad Honnef, um in einemSeminar Mitarbeitervertreter/-innen derkatholischen Kirche und des Caritas-verbandes zu schulen, las ich im Artikel»Sonderrolle für kirchliche Einrichtun-gen«, dass in unseren ArbeitsrechtlichenKommissionen die Seite der Arbeitneh-mer/-innen »oft unerfahren, argumen-tativ machtlos und vor allem finanziellvon der Arbeitgeberseite abhängig« sei.

Konstruktiver Kritik und Diskussionam »dritten Weg« der Kirchen will ichmich nicht verschließen. Aber mich ärgert die pauschale Kritik an den Mit-

arbeitervertreter/-innen, die sichgrundsätzlich genauso engagiert undkenntnisreich für ihre Kolleginnen undKollegen einsetzen wie jeder Betriebs-/Personalrat.

In meiner mehrjährigen Tätigkeit alsMitarbeitervertreter, aber auch alsReferent für die Fortbildung vonMitarbeitervertreter/-innen im Erzbis-tum Köln habe ich die Mitarbeiter-vertreter/-innen oft als sehr erfahren, argumentativ gut geschult und von derArbeitgeberseite grundsätzlich nichtabhängiger als jeden Betriebs-/Perso-

zu »Arbeit darf nicht krank machen!«

Leserbriefe

DIALOG drei 06_September 20032

zu »Sonderrolle für kirchliche Einrichtungen« und »Tarifabschluss für Kirche und Diakonie übernommen«

Eure Meinungen bitte an: [email protected]. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.

Keine pauschale Kritik an Mitarbeitervertreter/-innen ...

Seit vielen Jahren arbeite ich als Ge-werkschafter in unterschiedlichen Gre-mien mit und versuche zu helfen, dieArbeitsbedingungen der Beschäftigtenin der Diakonie möglichst auf dem Ni-veau des öffentlichen Dienstes zu hal-ten. Dabei wird der Druck der diakoni-schen Arbeitgeber immer stärker.Neben einer grundlegend neuen Ent-geltordnung drängen die Arbeitgeberin vielen Regionen auf betriebliche Öff-nungsklauseln zur Regelung von Ein-kommen und Arbeitszeit. Deshalb hatmich die Berichterstattung über dieo.a. Themen erstaunt und verärgert. Es wird der Eindruck erweckt, als hätteDruck von ver.di und ihren Verbünde-ten dazu geführt, dass in RWL das Tari-fergebnis des ÖD – anders als anders-wo – von der ARK übernommenworden ist. Richtig ist, dass zwar dienominellen Teile des ÖD-Abschlussesübernommen worden sind. Im Gegen-

zug wurde aber auch eine Öffnungs-klause vereinbart, die es den Arbeitge-bern ermöglicht, durch Dienstver-einbarung die Arbeitszeit zu verlängernoder das Weihnachtsgeld zu kürzen. Eshandelt sich hierbei nicht um eine Not-lagenvereinbarung, weil diese »Notla-ge« durch ganz legale Buchungstricksauch in Einrichtungen, denen es rechtgut geht, erzeugt werden kann. Es istkeine Kontrolle der Angaben des Ar-beitgebers vorgesehen, die Dienstver-einbarung bedarf nicht der Zustim-mung der ARK geschweige denn vonver.di oder ihren Verbündeten. DerDruck auf die Mitarbeitervertretungenzum Abschluss solcher Absenkungs-dienstvereinbarungen wird immens zu-nehmen.

Ich finde, es hat sich auch in dieser»Tarifrunde« in der Diakonie einmalmehr gezeigt, dass in den Regionen, in denen ver.di den geringsten Einfluss

nalrat erlebt. Und das Fortbildungspro-gramm, zumindest in unserem Bistum,kann sich sehen lassen und braucht sicherlich keinen Vergleich mit denver.di-Angeboten zu scheuen.

Lasst uns über die Vor- und Nach-teile des »dritten Weges« diskutieren,aber bitte nicht die Kompetenz unddas Engagement der Mitarbeiterver-treter/-innen anzweifeln. Das ist derfalsche Ansatz.

OLAF WITTEMANN

Vorsitzender der Mitarbeitervertreter

im Caritasverband RheinBerg

auf die Arbeit der ARK hat (Hessen-Nassau und RWL), die Abschlüsse miterheblichen »Kröten« versehen sind.Anders z.B. in Württemberg oder Nie-dersachsen, wo ver.di-Mitglieder auchin der Kommission sitzen.

Ich wünsche mir bei der Diskussiondieser Themen mehr Ehrlichkeit. Natür-lich ist der Tarifvertrag das beste Mittelzur Regelung von Arbeitsbedingungen.Allerdings ist ein Tarifvertag auch im-mer nur so gut wie die betrieblicheMacht der Gewerkschaft. Im Vorder-grund unseres Handelns muss also ste-hen, diese betriebliche Stellung vonver.di zu stärken. Denn ohne eine stär-kere Position von ver.di in diakonischenEinrichtungen werden die Arbeitsbe-dingungen weiter schlechter werdenund die Abkoppelung vom Niveau desÖD wird weitergehen.

LOTHAR GERMER

Bad Gandersheim

habe ich noch keinen einzigen Artikeldazu in ver.di-PUBLIK oder der »drei«lesen können. Existieren wir für ver.dinicht oder glaubt auch Ihr, wir wären inder Pflege tätig?

Ich wünsche mir, dass die ver.di-Medien gerade in diesem Jahr über dieArbeitssituation in der Behindertenbe-treuung informieren. Es ist wichtig!

SILKE GELAU

per E-Mail

Liebe Kollegin Gelau,vielen Dank für den Denkanstoß! Wir berichten in dieser Ausgabe überdiesen Themenbereich (Seite 8) undwerden die Behindertenbetreuungauch weiterhin im Auge behalten.

Bundesfachbereichsvorstandneu im Amt

Redaktion: Gundula Lasch (verantw.),

Ute Preuninger, Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin,

Tel.: (0 30) 69 56 -18 04, Fax: (0 30) 69 56 -34 20

E-Mail: [email protected].

Redaktionsschluss für Ausgabe 07: 26.9.2003

Design und Vorstufe: werkzwei, Bielefeld / Lage

Druck: apm AG Eppelheim, Niederlassung Frankfurt

am Main, Theodor-Heuss-Allee 90-98, 60486 Frank-

furt am Main, www.alpha-print-medien.de.

»An Alle! Terminankündi-gungen bitte an die drei-Redaktion weiterleiten!

Der neue Bundesfachbereichsvorstandhat sich Ende Juni in Berlin konstituiert.Er hat sich neue Arbeitsorgane (Aus-schüsse) geschaffen, mit denen u.a. dieThemenfelder Tarifpolitik, Gesundheits-und Sozialpolitik, zukünftige Strukturdes Fachbereiches und Fachbereichs-haushalt bearbeitet werden sollen.Zum Bundesfachbereichsvorsitzendenwurde Jan-Hendrik Heudtlass aus Gütersloh/NRW gewählt, zu seinenStellvertreterinnen die Kolleginnen Herta Laages aus Emshorn (Landesbe-zirk Nord) und Barbara Meyer-Melzer(Berlin-Brandenburg).

Eine der vorrangigsten Aufgabendes Bundesfachbereichsvorstandeswird die Überprüfung der bisherigentarifpolitischen Strategie für das Ge-sundheits- und Sozialwesen sein. Dazuwill der Vorstand u.a. in Verbindungmit der Arbeit an der Ausgestaltungder Prozessvereinbarung zum BAT

arbeiten. Ziel ist es, Arbeitsbedingun-gen für alle Beschäftigten im Fach-bereich, egal ob sie in öffentlich-recht-lichen, freigemeinnützigen, in kirch-lichen oder in privatwirtschaftlich geführten Betrieben beschäftigt sind,tarifvertraglich abzusichern – und zwarmöglichst einheitlich, so dass Lohn-dumping-Wettbewerb ausgemerztwerden kann. Am Ende eines langenWeges könnte ein Flächentarifvertragfür die Branche Gesundheit und Soziales stehen, in dem die Arbeitsbe-dingungen und die Vergütung als Min-deststandards einheitlich geregelt sind.

Auf den Weg gebracht hat der neugewählte Bundesfachbereichsvorstanddie Mut-Mach-Aktion »Mein Freigehört mir!«, mit der in sozialen undGesundheitseinrichtungen die Gegen-wehr gegen eine unsoziale und fami-lienfeindliche Dienstplangestaltung gestützt werden soll.

Mehr Ehrlichkeit bei Diskussion um den »dritten Weg« ...

drei: Jan, du bist Gewerkschaftsfunk-tionär, Personalrat, hast einen Beruf(Sozialarbeiter und Suchttherapeut)und bist Vater zweier Söhne. In wel-cher Rolle siehst du dich am liebsten?J.-H.H.: Ich sehe da keine Trennung. Ich arbeite, um zu leben. Und setzemich als Gewerkschafter für bessereLebens- und Arbeitsbedingungen ein.Somit habe ich die verschiedenen Rollen nie als Gegensatz empfunden.Eins greift ins andere, auch wenn es imAlltag schon mal Konflikte mit der Ver-einbarkeit gibt.drei: Nun bist du auch noch Vorsitzen-der (des Bundesfachbereichsvorstan-des). Bist du so ehrgeizig? Oder hast dudich bitten lassen?J.-H.H.: Beides! Ich habe einen Gestal-tungsanspruch. Die Möglichkeiten, dieich auf Bundesebene sehe, will ich nut-zen. Und zum Ehrgeiz – das stimmt, da-zu stehe ich!drei: Welche vorrangigsten Eigen-schaften, meinst du, braucht ein Vor-sitzender?J.-H.H.: Gestaltungswillen und integrie-ren können.drei: Und was kannst du besondersgut? Was fällt dir eher schwer?J.-H.H.: Analysieren, auch unangeneh-me Widersprüche benennen und bear-beiten, konstruktiv integrieren. Was mireher schwer fällt, ist, mich mal nichteinzumischen.drei: Welche Ziele hast du für dieseAmtsperiode, also bis 2007?

J.-H.H.: Ich möchte, dass wir uns zu gesundheits- und sozialpolitischen Themen klar positionieren. Klar heißt,soziale Schieflagen für »Kunden« ver-meiden und Beschäftigteninteressen imGesundheits- und Sozialwesen einbrin-gen. Und bei Bedarf muss da auch derMut zur Gegenwehr gesucht werden,um Einfluss auf die Politik zu nehmen.In der Gesundheitspolitik gelingt unsdas schon mehr oder weniger gut. Inder Sozialpolitik haben wir einen deutli-chen Nachholbedarf. Die prägt mit So-zialdumping die Lebenslagen von Be-hinderten, Alten, Rat Suchenden undanderen sozial bedürftigen Gruppen.Und der Abbau von Sozialleistungenverschärft immer mehr auch die Ar-beitsbedingungen. In kirchlichen Ein-richtungen, in Altenheimen, in Pflege-einrichtungen spüren wir das. Und dasmacht unseren Fachbereich eben auchaus.

ver.di muss noch kräftig zulegen –das heißt für unseren Fachbereich, tarifmächtig werden (gleicher Lohn fürgleiche Arbeit) und Mitglieder dazu gewinnen. Weisse Flecken – etwa inder ambulanten Pflege – gewinnen rasant an Bedeutung. Wir arbeiten ge-rade daran, wie sich ver.di auf denStrukturwandel im Gesundheits- undSozialwesen einstellen muss, um stär-keres gewerkschaftspolitisches Ge-wicht zu entwickeln. Ziel muss dazu dieTrendwende in der Mitgliederentwick-lung sein!

»drei« hat Jan-Hendrik Heudtlass befragt

Informationen für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen

Namentlich gekennzeichneteBeiträge geben nicht in jedemFall die Meinung der Redaktionwider.

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Arbeitsmarktpolitik

Generalangriff auf dieGewerkschaften

Inhaltlich dreht sich die Kontroverse um die künftige Aus-gestaltung der Tarifverträge, vor allem um das Ausmaß anFlexibilität und Differenzierung. Gefordert werden verstärkttarifliche Optionen zur Differenzierung nach Ertragslage undzur Unterschreitung von Tarifstandards.

Damit wird klar: Wer mehr Flexibilität und Differenzie-rung in Tarifverträgen fordert, will das Niveau der Tarif-standards absenken und dadurch Personalkosten sparen.

Das Märchen vom starren FlächentarifvertragObwohl es kaum einen nennenswerten Wirtschaftszweiggibt, dessen Tarifverträge nicht eine oder häufig sogar meh-rere Öffnungsklauseln enthalten, wird nach wie vor gern dasMärchen vom starren Flächentarifvertrag erzählt. Einstiegs-tarife, Absenkung von Lohn und Arbeitszeit als Beschäfti-gungssicherung, allgemeine Härtefallklauseln und vieles an-dere mehr gehören mittlerweile zum Regelungsbestand.

Die WSI-Betriebs- und -Personalrätebefragung 2002 er-gab: In 35 Prozent der Betriebe und 22 Prozent der Dienst-stellen werden die tariflichen Öffnungsklauseln in der Praxisauch genutzt. Besonders häufig angewendet werden Rege-lungen zu variablen Arbeitszeiten, Arbeitszeitverlängerungund befristeter Arbeitszeitverkürzung. Bei Lohn und Gehaltwerden Einstiegstarife, die Kürzung/Aussetzung der Jahres-sonderzahlung und das Aussetzen von Tariferhöhungen an-gewendet.

BDA-Präsident Hundt meinte bereits vor Jahren, dass dieLösung betrieblicher Arbeitszeitprobleme auf Basis der Tarif-bestimmungen kein Problem sei. Wer anderes behaupte,

drei 06_September 2003 SCHWERPUNKT 3

beweise entweder »Unkenntnis oder Böswilligkeit«. Und dochwünschen die Unternehmen immer mehr Freiheit bei derAbweichung vom Tarifvertrag, d.h. ohne Verhandlungen mitden Gewerkschaften, allenfalls in Abstimmung mit den Be-triebsräten oder in direkter Regelung mit den Beschäftigten.

Betriebsräte: Dezentralisierung problematischLediglich 14 Prozent der Betriebsräte begrüßen die Auf-wertung betrieblicher Vereinbarungen gegenüber tariflichen Regelungen. 38 Prozent halten sie für zwiespältig und 42 Prozent beurteilen sie als generell problematisch. DiePersonalräte kommen zu einem ähnlichen Urteil.

Die Begründung für die ausgeprägte Skepsis liegt aufder Hand: Zwei Drittel der Betriebsräte befürchten, dass derArbeitgeber seine Interessen bei der Lohn- und Gehaltsfin-dung auf betrieblicher Ebene eher durchsetzen kann. Überdie Hälfte (55 Prozent) gehen davon aus, dass es zu unter-schiedlichen Arbeits- und Einkommensbedingungen im Ta-rifbereich kommt und der Wettbewerb auf dem Rücken derBeschäftigten in Form von Lohndumping ausgetragen wird.Lediglich ein Viertel (23 Prozent) glaubt, dass der Betriebsratdadurch größere Einflussmöglichkeiten gewinnt.

Was Not tut, ist die bessere tarifliche Absicherung vonwirksamen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten imBetrieb – und genau das stößt auf Widerstand. Erforderlichsind auch klar definierte Rechte der Beschäftigten selbst, etwa bei der flexiblen Arbeitszeitgestaltung, um ihnen realeChancen zur persönlichen Nutzung von Flexi-Spielräumenzu verschaffen. UP

Das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes*) hat für viele Bereiche Leitbildcharak-ter und dient zur Orientierung, so dassmindestens 7 Mio. Arbeitsverhältnissemehr oder weniger von den Tarifergeb-nissen im öffentlichen Dienst betroffensind (in unserem Fachbereich v.a. beiDiakonie und Caritas, bei den Wohl-fahrtsverbände wie AWO und DRK).

Durch eine grundlegende Neuorien-tierung der Politik seit Mitte der 80erJahre – auch begründet durch Entschei-dungen auf europäischer Ebene – ziehtsich der Staat aus der bis dahin wahrge-nommenen umfassenden Verantwor-tung im Bereich der Daseinsvorsorgeimmer mehr zurück. Die Senkung derStaatsquote hat zunehmende Privati-sierungen öffentlicher Dienstleistungenzur Folge.

Damit steht der öffentliche Dienstmit seinem Tarifrecht in direkter Kon-kurrenz zu privaten Betrieben, den Kirchen und den Trägern der freienWohlfahrtspflege. Die Finanznot der öffentlichen Hand hat zu einerDeckelung der Finanzzuweisungen geführt. Öffentliche Dienstleistungen inden Bereichen »soziale Dienste undWohlfahrtspflege«, »Gesundheitswe-sen«, »Bildung« und »Kultur« werdenzunehmend nicht mehr am Maßstabder Tarifverträge des öffentlichen

BAT-REFORM

Leitwährung BATZur Neugestaltung des Tarifrechts im öffentlichen Dienst

Vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit geht es Teilen

der Wirtschaft und breiten politischen Kreisen um eine grund-

legende Machtauseinandersetzung mit den Gewerkschaften. Das in Grundgesetz und Tarifvertragsgesetz

(Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie) verankerte Recht der Gewerkschaften, durch Tarifverträge die be-

trieblichen Arbeits- und Einkommensbedingungen zu regeln, soll gebrochen werden. Mit Forderungen,

die das Aufbrechen von Tarifvorrang und Günstigkeitsprinzip verlangen, sollen die Gewerkschaften

entmachtet werden »zugunsten einer neuen Autonomie der Betriebe« (Westerwelle).

FlächentarifvertragEin Flächentarifvertrag wird für alle Be-triebe und deren Beschäftigte eines geo-grafisch eindeutig umrissenen Gebietesabgeschlossen, die Mitglieder im Arbeit-geberverband ihrer Branche sind. Schließteine Gewerkschaft jedoch nur mit einemeinzelnen Unternehmen einen Tarifvertragab, spricht man von einem Werk- oderHaustarifvertrag.Nach dem Tarifvertragsgesetz gelten Tarif-verträge nur für Gewerkschaftsmitglieder.In der Regel werden aber in den allermeis-ten Unternehmen Tarifergebnisse allenübrigen Beschäftigten genauso gewährt.Dies ist für die Arbeitgeber reiner Selbst-zweck: Damit verhindern sie, dass alle Be-schäftigten sich in der Gewerkschaft orga-nisieren. Die so genannten Trittbrettfahrerwerden gefördert. In den vergangenen Jahren hat die Bin-dungskraft von Flächentarifverträgen ineinzelnen Branchen zum Teil erheblich ab-genommen. Dies kommt zum einen daher,dass einzelne Arbeitgeberverbände eineso genannte OT-Mitgliedschaft (Mitgliedim Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung)den Unternehmen anbieten, und zum an-deren, dass Arbeitgeber dem Irrglaubenunterliegen, sich auf diese Art und Weiseihrer tarifvertraglichen Verpflichtungenentledigen zu können.

GünstigkeitsprinzipWas in einem Tarifvertrag geregelt ist,kann nicht abweichend davon anders ge-regelt werden. Eine Betriebs-/Dienstver-einbarung zwischen Betriebs-/Personalratund dem Arbeitgeber darf ebenso weniggegen einen Tarifvertrag verstoßen wie einArbeitsvertrag eines einzelnen Arbeitneh-mers. Dies ist nach dem Tarifvertragsge-setz nur möglich, wenn es für den Arbeit-nehmer günstiger ist (§ 4 Abs.4 Tarif-vertragsG).Nur wenn die Tarifvertragsparteien zu-stimmen, können in Betrieben und Ver-waltungen Vereinbarungen abgeschlossenwerden, die den Tarifvertrag unterlaufen.Dies wird zwischenzeitlich immer dann gemacht, wenn zuvor vom Arbeitgeberglaubhaft dargelegt werden kann, dasssolche Regelungen Beschäftigte vor be-absichtigten Kündigungen dauerhaftschützten.

TarifvorbehaltAuf Grundlage des Betriebsverfassungsge-setzes (BetrVG) § 77 Abs. 3 und des Bun-despersonalvertretungsgesetzes (BPersVG)§ 75 Abs. 5 kommt den Tarifparteien eineherausragende Stellung zu. In diesen Pa-ragrafen ist geregelt, dass Arbeitsentgelteund sonstige Arbeitsbedingungen, welchedurch Tarifverträge geregelt sind oder üb-licherweise geregelt werden, nicht Gegen-stand einer Betriebsvereinbarung seinkönnen. Der Tarifvorbehalt verhindert, dass Tarif-verträge etwa nur eine Richtlinienfunktionhätten und durch Betriebsvereinbarungenverdrängt werden könnten.

Dienstes refinanziert. So findet dieÜbertragung von neu vereinbartenLohn-/ Vergütungstarifverträgen in vie-len dieser Bereiche nur noch unzurei-chend statt und die »Leitwährung BAT«verliert an Bedeutung.

ProzessvereinbarungIm Rahmen der Lohn- und Gehaltstarif-runde 2002 des öffentlichen Dienstesist eine »Prozessvereinbarung« ab-geschlossen worden mit dem Ziel, biszum 31. Januar 2005 das Tarifwerk desöffentlichen Dienstes komplett zu erneuern. Gemeinsame Oberziele wur-den festgelegt, die in Projektgruppen(Fachkommissionen) ausgearbeitetwerden.

9 + 9 mal 9Die neun Projektgruppen setzen sichaus je neun VertreterInnen der Ge-werkschaft und VertreterInnen der Ar-beitgeber zusammen und haben ihreArbeit inzwischen begonnen.

In den A-Gruppen wird der allge-meine Teil (Mantel) und in den B-Grup-pen der besondere Teil (Branche) be-handelt: A1 Mantel (ohne Entgelt, Eingrup-

pierung und Arbeitszeit)A2 Arbeitszeit (inkl. Zeitzuschläge)A3 Eingruppierung A4 Entgelttabelle (einheitlich für

ArbeiterInnnen, Angestellte undKrankenpflegepersonal)

B1 VerwaltungenB2 Krankenhäuser – Einrichtungen

des Gesundheitswesens B3 Sparkassen B4 FlughäfenB5 Entsorgungsbetriebe

Literaturangabe:

Reinhard Bispinck,

Leiter des Tarifarchivs

des Wirtschafts- und

Sozialwissenschaft-

lichen Institutes (WSI)

in der Hans-Böckler-

Stiftung in Düsseldorf.

*) Tarifverträge des öffentlichen Dienstes: »Bun-

desangestelltentarifvertrag« (BAT), »Bundes-

manteltarifvertrag Gemeinden« für den Arbeite-

rInnenbereich der kommunalen Arbeitgeber

(BMT-G)

Projektgruppe B2: »Ambulante und stationäre Einrichtungen desGesundheitswesens«Zu ihrer ersten Sitzung der Projektgrup-pe »B2 Krankenhäuser« trafen sichver.di- und ArbeitgebervertreterInnenvom 11. bis 13. Juni 2003 in Frank-furt/M. Auf Bestreben von ver.di wurdeder Geltungsbereich der ProjektgruppeB2 ausgeweitet und umfasst nun alleambulanten und stationären Einrich-tungen des Gesundheitswesens.

Beide Seiten waren sich einig, dasses neuen Regelungsbedarf gibt bei derEntwicklung von Arbeitszeitmodellen,der Faktorisierung der Arbeitszeit undzur Vereinfachung von Wechselschicht-und Schichtregelungen. Beim ThemaArbeitszeit hat ver.di deutlich gemacht,dass die Umsetzung des EuGH-Urteilsvom 3. Oktober 2000 eine hohe Prio-rität für die Beschäftigten in den Kran-kenhäusern hat.

Unterschiedliche Auffassungen gibtes vor allem zum Regelungsbedarf Ent-gelttabelle und Eingruppierung. Die Ar-beitgeber möchten möglichst viel imbesonderen Teil (Branche Gesundheits-

Die nächsten Sitzungs-

termine für die Projekt-

gruppe B2 sind:

18./19.09.2003 in Berlin,

30./31.10.2003 in Köln

und 08./09.12.2003

in Wiesbaden.

wesen) geregelt haben, ver.di mög-lichst viel im allgemeinen Teil.

ver.di will zudem, dass die Bezah-lungsgrundlagen mit der Projektgruppe»A4 Eingruppierung« koordiniert wer-den. Die jetzigen Eingruppierungs-merkmale müssen auf folgende Ele-mente überprüft werden:• Integration nicht oder unzureichend

abgebildeter Berufsgruppen des Ge-sundheitswesens

• angemessene Berücksichtigung vonQualifizierung und Weiterbildung

• Bewertung von Verantwortungnicht allein an unterstellten Mitar-beiterInnen, sondern auch entspre-chend der zunehmenden verantwor-tungsvollen Einzelarbeitsplätze (z.B.im ambulanten Bereich).

Eingehende Diskussionen gab es zumThema Arbeits- und Gesundheits-schutz. ver.di hat deutlich gemacht,dass im Bereich des Gesundheits-wesens der Arbeits- und Gesundheits-schutz in allen bereits genannten Themenbereichen ein generelles Prüf-kriterium darstellt.

Leitwährung BAT seit 1961

TARIFBAUSTEINE

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Informationen für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen

ÜbernahmeEs besteht Fachkräftemangel in der Pflege – trotzdem wirdAuszubildenden mit »Nichtübernahme« gedroht. Die Arbeit-geber versuchen dann, die Arbeitsverträge durch eine Befris-tung zu beschränken, die sogar mit einer Teilzeitstelle ver-bunden sein kann.

Wird die Auszubildende weiterbeschäftigt und gibt eskeine ausdrückliche Vereinbarung hierüber, dann ist ein Ar-beitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet. Wenn dieAuszubildende nicht übernommen werden soll, muss derTräger der Ausbildung dies drei Monate vor dem Ende derAusbildungszeit schriftlich mitteilen. Im Tarifvertrag gibt eseine Absichtserklärung, die die Arbeitgeber zu demBemühen verpflichtet, zumindest eine 12-monatige Über-nahme zu gewährleisten.

Bezüglich der Übernahme von Azubis haben Jugend-und Auszubildendenvertretung (JAV) bzw. Betriebs- oderPersonalrat erzwingbare Beratungsrechte. Dabei ist es sinn-voll, die Übernahme zum Bestandteil einer Gesamtstrategiezur Sicherung von Beschäftigung, Qualifikation und Einkom-men für alle Beschäftigten zu machen, z.B. durch Aushan-deln einer »Übernahmebetriebsvereinbarung«.

AS

Indikatoren für QualitätWichtige Indikatoren für die Qualität der Ausbildung sind:• eine auf den Betrieb zugeschnittene, sachlich und zeitlich

gegliederte Ausbildung (Ausbildungsplan)• qualifizierte AusbilderInnen (PraxisanleiterInnen) in

ausreichender Anzahl• qualifizierte Ausbildung in den jeweiligen Ausbildungs-

bereichen (Stationen etc.)• Ausbildungsstandkontrolle• Bereitstellung der entsprechenden Ausbildungsmittel• Möglichkeiten der Prüfungsvorbereitung• Betriebskultur in Sachen Mitbestimmung: tatsächliche

Einbeziehung der JAV bzw. des Betriebs- und Personalrates• regelmäßige Überprüfung der Ausbildungsqualität Beratung und Unterstützung bei Mängeln in der Ausbildung bieten die JAVen, Betriebs- und Personalräte.

AS

AiP abgeschafftMit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung der Bundesärzte-ordnung und der Approbationsordnung für Ärztinnen undÄrzte (ÄAppO) vom 16. Juni 2003 macht die Bundesregie-rung mit ihrer Ankündigung Ernst, die Arzt-im-Praktikum-Phase abzuschaffen. Sie entspricht damit einer alten ge-werkschaftlichen Forderung. Die Ärztinnen und Ärzte imPraktikum waren unter dem Vorwand eingeführt worden,die praktische Ausbildung zu verbessern. Tatsächlich wur-den aber bis dahin vorhandene Assistenzarztstellen in zweibis drei AiP-Stellen aufgeteilt und entsprechend niedrigervergütet.

Die Neuregelung soll zum Wintersemester 2004/2005wirksam werden, eine Finanzierungsregelung der für dieKrankenhäuser entstehenden Mehrkosten steht jedochnoch aus. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)rechnet mit Zusatzkosten von knapp 300 Mio. € pro Jahr.Der Marburger Bund fordert eine Übergangsregelung inGestalt eines AiP mit einer Dauer von bis zu 9 Monaten fürStudienabsolvent/-innen zwischen dem 1. Januar und dem1. Oktober 2004. Es gibt aus Sicht der Fachkommission Ärz-tinnen und Ärzte der ver.di keinen Grund, das Wirksamwer-den der AiP-Abschaffung hinauszuzögern. Allerdings dürftediese sinnvolle Reform der ärztlichen Ausbildung nicht zumNulltarif zu haben sein und angesichts der Personalsituationin den Krankenhäusern auch nicht durch interne Umschich-tungen gelöst werden können. Der Gesetzgeber wird nichtumhinkommen, für eine gesicherte Finanzierung der neueinzurichtenden Stellen für Ärztinnen und Ärzte zu tariflichangemessenen Vergütungen Sorge zu tragen.

GD

Aktuell

OTA-Ausbildung nach BBIGDa der Bundesgesetzgeber sich beharrlich weigert, die Be-rufsausbildung zur Operationstechnischen Assistentin/zumOperationstechnischen Assistenten (OTA) auf gesetzlicherGrundlage zu regeln und damit die Vereinsrichtlinien derDeutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) überflüssig zumachen, haben zwei Bundesländer (Saarland und Schles-wig-Holstein) die Initiative ergriffen, mit Unterstützung desBundesinstituts für Berufsbildung eine Ausbildungsordnungauf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBIG) zu erar-beiten. Die Bemühungen der Sozialpartner, hier zu rechts-verbindlichen Ausbildungsregelungen zu kommen, werdenvon der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft durch Mit-wirkung von Sachverständigen unterstützt. GD

Rettungsassistenten:Ausbildung wird reformiertDie Schwachpunkte der bisherigen Ausbildung der Ret-tungsassistenten als zweijährige Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz von 1989 sind:• kurze Ausbildungsdauer (zwei Jahre)• Ausbildung nicht nach Berufsbildungsgesetz (BBIG)• Qualität der Ausbildung und der Ausbilder nicht

gesichert• mangelnde berufliche Aufstiegs- und Umstiegsmöglich-

keiten• Ausbildung muss selbst bezahlt werden.Das Rettungsassistentengesetz soll in Kürze novelliert wer-den. ver.di setzt sich für eine dreijährige Ausbildung nachBerufsbildungsgesetz mit Übergangsregelungen für die jet-zigen Rettungsassistenten ein. Damit wären auch Fragender Ausbilderqualifikation und Qualität der Ausbildung, derbetrieblichen Interessenvertretung der Auszubildenden(JAV), Ausbildungsvergütung und stärkeren Verzahnungvon Theorie und Praxis weitaus besser im Interesse der Be-schäftigten lösbar. ML

Pflegelehrkräfte: zur ProfessionalisierungAnfang Juni trafen sich in Fulda ca. 50 PflegelehrerInnen zueiner Fachtagung, die dem Thema Professionalisierung derPflege und Pflegeausbildung gewidmet war. Eingeladenhatte der ver.di-Bundesfachausschuss der Pflegelehrer/-innen. Anknüpfend an die staatlichen Reforminitiativen zupflegerischen Bildungsgängen hatten die auf Bundesebenein ver.di organisierten Lehrkräfte der Pflege eine grund-sätzliche Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten derWeiterentwicklung von Arbeits- und Ausbildungspraxis im Blick.

In ihrer Begrüßung betonte FB3-Leiterin Beate Eggertdie gewachsene Notwendigkeit verbindlich geregelter Vor-gaben, um eine professionelle Ausbildung der Beschäftig-ten im Pflegebereich zu sichern. Gerd Dielmann, Leiter derFachgruppe Gesundheitsberufe, verwies darauf, dass derBegriff Professionalisierung im Pflegediskurs sehr unter-schiedlichen Vorstellungen Raum öffne.

Kann sich pflegerische Berufsarbeit zu einer Professionim klassischen Verständnis weiterentwickeln? Angesichtsder restriktiven Sparpolitik im Gesundheitswesen und derVerteilungskämpfe der Leistungsanbieter untereinanderprognostizierte Renate Stemmer, Professorin für Pflegewis-senschaft der Katholischen Fachhochschule Mainz, dassvon dem Prozess der Verwissenschaftlichung nicht allegleichwertig profitieren werden. Sie erwartet eine zuneh-mende Differenzierung und Hierarchisierung des Berufsfel-des mit Gewinnern und Verlierern. Offen bleibe auch, obdie Qualität beruflicher Arbeit besser wird, wenn zukünftigwenige hoch qualifizierte und akademisch ausgebildeteFachkräfte, aber auch eine wachsende Zahl von heterogenund gering ausgebildeten HelferInnen zum Einsatz kämen.

Die Kernfragen der Workshops am Nachmittag waren:Welche Anforderungen und Professionalisierungschancenentwickeln sich in der Pflegepraxis? Welcher Reformbedarfund welche Reformkonzepte gibt es für die Pflegeausbil-dung? Wie sollen die LehrerInnen der Pflege qualifiziertwerden? Wie wird die Arbeit zwischen unterschiedlich vor-gebildeten Pflegefachkräften sinnvoll eingeteilt, wenn dieErstausbildung zukünftig auch an Hochschulen angebotenwird?

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde deut-lich, dass es begründete Arbeitsteilungskonzepte zwischenunterschiedlich Vorgebildeten bisher nicht gibt. Wichtig seies – so verdeutlichten die engagierten Stellungnahmen derTeilnehmerInnen –, dass nicht elitäre Einzelinteressen dieWeiterentwicklung bestimmen dürfen. Insbesondere gilt eszu verhindern, dass das Denken zukünftig einer akademi-schen Elite vorbehalten bleibt und die Handelnden, die dieArbeit mit dem pflegebedürftigen Menschen gestalten sol-len, vom Prozess der Verwissenschaftlichung und demmöglichen Zugewinn an eigenverantwortlicher Handlungs-fähigkeit weitgehend ausgeschlossen werden. ebg

Psychotherapeuten: Reform notwendig Die Bundesfachkommission Psychologische Psychothera-peutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn-nen (FK PP/KJP) der ver.di hat eine Arbeitsgruppe zur Ausbil-dung nach dem Psychotherapeutengesetz gebildet, um einPositionspapier zur Ausbildungsreform zu erarbeiten.

Der Reformbedarf betrifft den Zugang, die Struktur derAusbildung, die Praxisphasen, das Prüfungsverfahren undallgemeine Qualitätsanforderungen an die Ausbildungsstät-ten. Zusätzlich zur praktischen Ausbildung gibt es eine Pha-se »praktischer Tätigkeit«, die besonders kritisch zu sehenist. Qualifizierte HochschulabsolventInnen werden zumeistunentgeltlich entweder mit Routinearbeiten betraut oder zutherapeutischer Arbeit herangezogen, ohne entsprechendvergütet zu werden. Die praktische Tätigkeit bedarf drin-gend der Strukturierung, sie ist tarifvertraglich zu regeln undauf solide Finanzierungsgrundlagen zu stellen – so die er-sten Ergebnisse der Arbeitsgruppe. Die Fachkommissionwird in ihrer Herbstsitzung eine erste Positionsbestimmungzur Ausbildungsreform vornehmen. GD

Ausbildungsabbau Über hundert zum großen Teil aufgebrachte Auszubildendeaus verschiedenen Ausbildungsgängen und Kliniken des Vivantes-Konzerns, Berlins größtem Krankenhausträger,protestierten am 4. Juli 2003 bei einer Versammlung gegenden weitere Stellen- und Ausbildungsplatzabbau. Die Aus-sicht, dass zukünftig noch weniger Pflegekräfte die prakti-sche Ausbildung durchführen können, brachte die jungenLeute auf die Palme. Ungläubige Verwunderung breitetesich aus, als zur Begründung neben dem allgemeinen wirt-schaftlichen Druck der Wegzug vieler Berliner/-innen insUmland angegeben wurde. Schuld seien auch die Krankenkassen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nichtnachkämen.

Die Azubis kritisierten vor allem die Ausbildungsbe-dingungen in der praktischen Ausbildung, forderten Beur-teilungsbögen für die Stationen und monierten Unterbeset-zung und lange Anfahrtswege. Lautstark meldeten sichauch die Schüler/-innen der neu gegründeten Schule fürOperationstechnische AssistentInnen (OTA) zu Wort undbeklagten die Bedingungen der praktischen Ausbildungund die fehlende staatliche Anerkennung ihrer Ausbildung.Die OTA-Schüler/-innen werden in einem staatlich nicht anerkannten Beruf ausgebildet, weil das billiger ist, als OP-Pflegekräfte zu qualifizieren. Die Ergotherapieschule wurdean einen anderen Träger abgegeben, Diätassistenten- undMTA-Schule werden ebenfalls feilgeboten und hunderteAusbildungsplätze für Pflegeberufe stehen zur Disposition.

GD

Alamierend

Berufe im Gesu

SCHWARZES BRETT drei 06_September 20034

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Jetzt Ausbildungskostenchecken!

Checkl i s te

Die Ausbildungsfinanzierung erfolgt künftig über Ausbil-dungsfonds, die auf Landesebene gebildet werden. Ab 1. Januar 2004 (nach dem noch im Gesetzgebungsverfahrenbefindlichen Fallpauschalenänderungsgesetz ab 1. Januar2005) sollen Zuschläge zu den Fallpauschalen von allenKrankenhäusern erhoben werden, d.h. unabhängig davon,ob sie selbst ausbilden oder nicht. Den Finanzierungsbedarffür Ausbildungsplätze und Ausbildungsvergütungen ermit-teln die Vertragsparteien, Krankenhäuser und Krankenkas-sen und legen die Höhe des Ausbildungszuschlags fest. DerAusgleichsfonds wird von der jeweiligen Landeskrankenh-ausgesellschaft verwaltet, die auch die pauschalen Beträgezur Finanzierung der Ausbildung an die ausbildenden Kran-kenhäuser auszahlt.

Die Krankenhäuser haben vom Gesetzgeber eine Ver-schiebung auf 2005 verlangt, weil sie sich vorher nicht in derLage sehen, die Ausbildungskosten zu ermitteln. Das istschon kurios, wenn man bedenkt, dass allerorten über zuhohe Ausbildungskosten geklagt und damit der seit Jahrenverfolgte Ausbildungsplatzabbau begründet wird. »Diegrundlegende Umstellung der Ausbildungsfinanzierung wirdvom Jahr 2004 auf das Jahr 2005 mit dem Ziel verschoben,die Selbstverwaltungspartner zu entlasten. Die Arbeitskraftkann damit auf die Weiterentwicklung des DRG-Fallpau-schalenkatalogs und die flächendeckende Einführung zum1. Januar 2004 konzentriert werden«, heißt es so schön inder Presseerklärung des BMGS vom 22.Mai.2003.

Damit die neue Finanzierung im Jahre 2005 sicherge-stellt wird und die Datenerhebung auf einer realistischenGrundlage erfolgen kann, haben wir eine Checkliste zusam-mengestellt, die den Krankenhausverwaltungen, Schullei-tungen und betrieblichen Interessenvertretungen hilfreichsein mag, um zu korrekten Ergebnissen zu kommen. AuchKrankenhausgesellschaften und Krankenkassen müssten aneiner exakten Erfassung interessiert sein, damit der gesetz-liche Auftrag erfüllt werden kann. Die Orientierung amDurchschnitt der Ausbildungskosten, ohne über einheitlicheQualitätsstandards für die Ausbildungsstätten zu verfügen,ist problematisch genug. Deshalb sollte zumindest die Datenerhebung möglichst genau und umfassend erfolgen.

Schulleitungen und betrieblichen Interessenvertretungenwird empfohlen, bei der Datenerhebung eng mit der Ver-waltung zusammenzuarbeiten und die gemeldeten Datenauf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.

Ausbildungskosten

1. Personalkosten

Schulleitung

hauptberufliche Lehrkräfte

Bibliothekarin

Sekretärin

Ausbilder/-innen, Praxisanleiter/-innen,

Mentoren/Mentorinnen (ggf. Teilfreistellung)

Hausmeister/-in

Auszubildende (Ausbildungsvergütungen)

Gehälter, Lohnnebenkosten, tarifliche

Zulagen, Zuwendung, Urlaubsgeld und

ggf. Aufwand für Zusatzversorgung

2. Nebenberufliche Lehrkräfte

Honorare

Reisekosten

Arbeitsausfallkosten (z.B. für ärztlichen

Unterricht)

Konzeptentwicklung (ggf. Werkverträge)

3. Fortbildung

Supervision

Bildungsurlaub

Fachbücher, Fachzeitschriften

Fachaufwand

4. Arbeitsmedizinische Untersuchungen

Diagnostik

Impfkosten

5. Raumkosten

Miete für Schulgebäude (Unterrichtsräume,

Demonstrationsräume, Gruppenarbeitsräume,

Büros, Labors, Medienraum, Übungsräume,

Besprechungsräume, Bibliothek, ggf. JAV-Büro,

Konferenzraum, Sanitärräume, Archiv)

Mietnebenkosten (Strom, Wasser, Heizung etc.)

Gebäudereinigung, Müllabfuhr

Versicherungen

Reparaturen

6. Verwaltungskosten

Anteiliger Personalaufwand der

zentralen Verwaltung

PCs, Drucker, Diktiergeräte etc.

Schulverwaltungssoftware

Büromaterial

Kopien

Porto

Telefon, Fax, Internet

Kopierer, Papier

Versicherungen (Gebäude-, Haftpflicht-, Kasko-,

Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung usw.)

Beiträge an Organisationen

Repräsentationsaufwand (Bewirtung von

Gästen)

7. Lehrmaterial

Krankenbetten, Decken, Kissen (inkl. Reinigung)

Demo-Puppen, Modelle, Karten

Demomaterial (z.B.: Spritzen, Katheter,

Filme, CDs, DVD, Video)

Medienausstattung (z.B. OHP, Flipchart,

Buchprojektor, Medienkoffer, TV, Video,

Diaprojektor, Videokamera, Laptop, Beamer,

Fotokamera, Aufbewahrungsmöglichkeiten für

Dias, Filme )

Radio- und Fernsehgebühren

Personalcomputer, Hard- und Software

8. Prüfungskosten

Honorare/Reisekosten Prüfungsausschuss

Honorare Klausurkorrekturen (nebenberufliche

Lehrkräfte)

9. Reisekosten

Praxisbetreuung

Fortbildung, Arbeitstagungen

Familienheimfahrten (Azubis)

Fahrten zu externen Einsatzfeldern

10. Lernmittel

Fachbücher für Auszubildende

Fachzeitschriften

Arbeitsmittel

11. Studienfahrten, Seminare

Fahrtkosten, Übernachtung, Verpflegung,

12. Berufskleidung

Anschaffung

Reinigung

13. Öffentlichkeitsarbeit/ Werbung

anteilige Personal- und Sachkosten

14. Sonstiges

Steuern, Zinsen

Bearbeitung: Gerd Dielmann

ver.di-Bundesverwaltung

Fachbereich 3

Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin

Kontakt: [email protected]

Tel.: 030 / 69 56 - 18 30

Die Checkliste erhebt keinen

Anspruch auf Vollständigkeit.

Sie dient lediglich als Anregung

und muss an die konkreten

Bedingungen der

Ausbildungsstätten

angepasst werden.

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Anvisiert

undheitswesen

Die Finanzierung der Ausbildung der Gesundheitsfachberufe, so-

weit sie in Ausbildungsstätten an Krankenhäusern erfolgt, wurde

mit dem Fallpauschalengesetz vom 22. April 2002 neu geregelt.

Mit diesem Gesetz wurden sowohl das Krankenhausfinanzie-

rungsgesetz als auch die Bundespflegesatzverordnung an das

DRG-System angepasst.

drei 06_September 2003 SCHWARZES BRETT 5

Gewerkschaften werden in der Öffentlichkeit oft nur als Tarifpartner wahrgenommen.

Dass sie sich auch als kompetente Partner in der Berufsbildungspolitik einbringen, ist

weniger bekannt. ver.di widmet sich dieser Aufgabe und hat sie in ihrer Satzung verankert:

als berufliche Interessenvertretung und Vertretung in der Berufspolitik tätig zu werden.

Sag mal, Berta,hast du amSonntag schonwas vor?

Nö, wieso?

Ich muss mich doch aufmeine Krankenpflegeprüfungvorbereiten. Da könnte ich gut Hilfe gebrauchen.

Alles klar, ich komme vorbei.

Sonntags: Hi! Super, dass dukommst! Klo und Wanne sind schon sauber, aber für die Fenster brauch’ ich echt noch ein paarheiße Expertentipps!

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AKTION

MITGLIEDERWERBUNG

Mein Frei gehört mir!

AKTIONEN drei 06_September 20036

Das Dortmunder RezeptSchwierige Lage als Heraus-forderung begriffenHoch motiviert stiegen Andrea Becker(36) und Heike Kromrey (37) zum Jah-resbeginn 2002 im Fachbereich 3 ein.Von anderen KollegInnen ernteten siezum Teil Reaktionen wie: »Wieso gehstdu denn freiwillig in den FB 3?« DerWechsel aus anderen Fachbereichen inden FB 3 schien also eher ungewöhn-lich. Die beiden ehemaligen ÖTV-Jugendsekretärinnen aber wollten dieHerausforderung annehmen: »Wir ha-ben uns bewusst für den FB 3 ent-schieden – im Wissen, wie komplex,anspruchsvoll und voller weißerFlecken dieser Fachbereich ist.«

Grundlegender Konsens des Ge-spanns: Neben all den schwierigenThemen und politischen Herausforde-rungen darf der Spaß an der Gewerk-schaftsarbeit nicht zu kurz kommen.Sie waren sich sicher – was im Jugend-bereich richtig war, kann im Erwach-senenbereich nicht ganz falsch sein.Dies hat sich bei der betrieblichen und Gremienarbeit als absolut richtig her-ausgestellt.

Die Ausgangssituation: viele Betrie-be, die keine Anbindung an ver.di hat-ten, wenige Großbetriebe mit gewach-senen Strukturen, viele Klein- undMittelbetriebe und kirchliche Einrich-tungen mit ihren Besonderheiten, nurwenige Betriebsräte (BR) und Mitarbei-tervertretungen (MAVèn). Die Haupt-themen: Betriebsübergänge und Insol-venzen, ein enormer Bedarf anBeratungsfällen von psychisch undphysisch erkrankten Mitgliedern, diedem steigenden Arbeitsdruck nicht

mehr standhalten können, sowie Ver-folgung von BR durch Arbeitgeber, diesich so ihre »betriebsratsfreie Zone«zurückerobern wollten. PolitischerSchwerpunkt von ver.di: Gesundheits-wesen mit Aktionen und Demos, diezu organisieren sind, und Durch-führung von BR/MAV-Wahlen.

Klare ArbeitsorganisationDen Konflikt, im Büro ständig erreich-bar und gleichzeitig in den Betriebenpräsent sein zu müssen, lösten die bei-den gemeinsam mit der Verwaltungs-angestellten Jutta Köhler so: Jeweilsfreitags legen sie für die folgende Wo-che den Telefonberatungsdienst (9.00-12.30 oder 13.00-16.30 Uhr) fest.Während dieser Zeit beraten beide Ge-werkschafterinnen alle Mitglieder desFB 3 aus allen Betrieben ungeachtetder sonstigen Zuständigkeiten. Außer-halb der Telefonberatungszeit gilt dasPrinzip: »Wir rufen zurück«. Das er-möglicht die ungestörte Bearbeitungvon Schriftverkehr oder Vorbereitungvon Sitzungen: »Die Mitglieder wissenab Montagmorgen, wann wir in derfolgenden Woche verbindlich zu errei-chen sind.«

Aufbruch im Klinikum Gleich zu Anfang erwartete das Frau-enduo eine schwierige Aufgabe: Imlandesweit größten Klinikum, Dort-mund, mussten aufgrund der Privati-sierung des städtischen Krankenhau-ses zur GmbH im Januar 2002Betriebsrats- und Aufsichtsratswahlendurchgeführt werden. Während ver.diim bis dahin bestehenden Personalrat

keine Mehrheiten und keine Freistel-lungen hatte, konnten bei der Wahlgute Erfolge erzielt werden: Von denvier angetretenen Listen erhielt ver.dimit Abstand die meisten Stimmen –nun sind drei ver.di-BR freigestellt. DieWahlergebnisse und die engagiertepolitische und inhaltliche Arbeit sorg-ten für Aufbruchstimmung; ver.diwurde für viele Beschäftigte wiederattraktiv.

Starke Betriebsräte sind heutemehr denn je nötig: In vielen Einrich-tungen sollen weniger Beschäftigtemehr Arbeit für möglichst niedrigerenLohn leisten. »Für BR heißt das, ab derersten Stunde nach der Wahl die Pro-bleme anzupacken. Und das in einemKlima, wo manche Arbeitgeber die BR am liebsten sofort wieder raus-schmeißen würden«, erklärt Becker.An der Tagesordnung sei auch die Er-pressung von Beschäftigten und BRmit dem Argument, dass durch Lohn-verzicht Arbeitsplätze gerettet würden– ebenso Dienstpläne, die gegen jegli-che Regeln des Arbeitszeitgesetzesverstoßen.

Becker und Kromrey unterstrei-chen: »Lohnverzicht sichert keine Ar-beitsplätze! Es ist Zeit, den Druck indie richtige Richtung aufzubauen unddie politischen Rahmenbedingungenzu ändern. Solange die Personalnotauf dem Rücken der Beschäftigtenausgetragen wird, werden wir massivdagegenhalten.« ver.di unterstützt dagegen Umstrukturierungen durchVeränderung von Abläufen sowie Kooperationen von Einrichtungen zurMinimierung von Kosten.

Über Betriebsratswahlen und an-schließende Schulungsmaßnahmenwurden vielerorts Kontakte herge-stellt, wiederbelebt und gepflegt. Es gibt eine Kooperation mit einerDortmunder Fachanwältin für Arbeits-recht, die einmal monatlich die ver.di-BR schult – kostenlos. Als »Nebenpro-dukt« entsteht ein BR-Netzwerk, daseine dauerhafte, gute Zusammenar-beit in Dortmund und Umgebung ver-spricht.

Weitere Zutaten des Erfolgsrezeptes ...• Die wohl wichtigste: Teamarbeit

ist eine Selbstverständlichkeit. Be-lastbare Säulen ihrer politischenund betrieblichen Arbeit sindTeams aus Haupt- und Ehrenamtli-chen, die kontinuierlich arbeitenund in denen die Chemie stimmt.

• Klartext in Betrieben mit vereinzel-ten Mitgliedern: Klärung der Zielein Gesprächen und Vermittlungder Tatsache, dass Druck nur durchMitglieder ausgeübt werden kann.Kurz: erst organisieren, dannstrukturieren, dann verhandeln.

• Beteiligung an den Warnstreiks imRahmen der Tarifrunde: »Wer guteTarifverträge haben will, mussdafür auch aktiv werden.«

… eine GeschmacklosigkeitNur eine unerwünschte Zutat wird jetztvon oben in das Rezept von AndreaBecker und ihrem Team gestreut: »We-der unsere Mitglieder noch wir könnennachvollziehen, wieso bei uns trotz eines Nettozuwachses von 336 Mit-gliedern im Jahr 2002 eine halbe Stellegestrichen werden soll« (Januar 2002: 4.686, März 2003 5.022 Mit-glieder, d.R.)

Weitere Informationen: E-Mail: [email protected]

Die meisten neuen Mitglieder in Dortmund warb ein Ehrenamt-licher: Durch Heinz Schulte ka-men allein im letzten Jahr 59Neue zu ver.di. Der engagierteVertrauensleutesprecher schafftees z.B. am 15. Juli bei einer Info-Aktion zum Urlaubsgeld, inner-halb von zwei Stunden zehn Mit-glieder zu werben. Er und seineKollegin Silke Scheele-Drüke ha-ben maßgeblich dazu beigetra-gen, die betriebliche Gewerk-schaftsarbeit wieder zum Lebenzu erwecken. Aber das ist schonwieder ein anderes Rezept ... Wir werden in der nächstenAusgabe von »drei« den »Super-werber« näher vorstellen.

Pilot NRWNordrhein-Westfalen startet mit derAktion bereits Mitte August. »drei« hatDr. Christian Tödt, Mitinitiator dieserAktion befragt. Christian Tödt ist Leiterder Neuroradiologie im Gemeinschafts-krankenhaus Herdecke und in der Gewerkschaft ver.di aktiv, u.a. in derBundesfachkommission Ärztinnen undÄrzte.

drei: Christian, welche Rolle spielt das»Holen aus dem Frei« in eurem Kran-kenhaus?C.T.: Das steht bei uns auf der Tages-ordnung. Seitdem im Pflegebereichmassiv Stellen abgebaut wurden, wer-den MitarbeiterInnen unter Druck ge-setzt, kurzfristig einzuspringen.drei: Du bist zugleich auch im Be-triebsrat. Was macht der Betriebsrat?C.T.: Zunächst einmal verwenden wirviel Zeit damit zu informieren – wirklären die KollegInnen über ihre Rechteauf und machen ihnen Mut, ihre Rech-te auch wahrzunehmen. Das tun wirauf Betriebsversammlungen, in unsererBetriebszeitung und auf Station – fürdie verschiedenen Bereiche gibt es je-weils einen Ansprechpartner im Be-triebsrat. Wir nehmen natürlich auch

unsere Mitbestimmungsrechte wahrund überprüfen Dienstpläne.drei: Hat sich seither schon etwasgeändert?C.T.: Ja, natürlich. Die Bereitschaft,Personalmangel durch Überstundenauszugleichen, ist deutlich gesunken.Die KollegInnen haben verstanden,dass sie die Station durch ihren »Kno-cheneinsatz« nicht retten können. Sie haben gelernt, Verantwortungdort zurückzugeben, wo sie hingehört(Pflegedienstleitung). Das hat leiderauch dazu geführt, dass eine Stationvorübergehend (oder ganz?) geschlos-sen werden musste. drei: Das ist heftig. Steht ihr da nichtkräftig unter Beschuss, der Betriebsratals Blockierer?C.T.: Lieber Blockierer als kein Rück-grat. Nein, im Ernst: Es geht nicht dar-um, etwas Sinnvolles zu blockieren,es geht darum, Grenzen, nämlichGrenzen der Belastbarkeit, aufzu-zeigen. Wir möchten, dass derArbeitsplatz Krankenhaus wiederattraktiver wird. Wir setzen uns fürbessere Arbeitsbedingungen ein. Undganz besonders auch dafür, dass dieBeschäftigten im Krankenhaus eineplanbare Freizeit haben wie überall

sonst auch.drei: Vorletzte Frage: Wie kamst dudazu, dich nun auch noch NRW-weitfür die Aktion »Mein Frei gehört mir!«zu engagieren?C.T.: Das ist ganz nahe liegend. Ich binauch landesweit in ver.di-Gremien delegiert. Und daher weiß ich, dass das»Holen aus dem Frei« kein Problem vonHerdecke ist und auch kein kranken-hausspezifisches Problem. Das gibt esauch in Altenheimen und ambulantenPflegediensten, ganz egal ob sie inkirchlicher oder privater Hand sind oderzu einem der Wohlfahrtsverbändegehören. Denn überall wird Personaleingespart, um Kosten zu drücken. drei: Ganz kurz: Was erhoffst du dirvon der Aktion, die ja nun auch bun-desweit angeboten wird?C.T.: Wenn viele Betriebe mitmachen,

stärkt das ver.di auf der politischenEbene. Denn die reine Kosten-dämpfung in der »Gesundheitsre-form« geht weiterhin zu Lasten vonArbeitsplätzen im Gesundheitswe-

sen. Wir brauchen dagegen eine rich-tige Strukturreform.

ver.di startet im Herbst bundesweit miteiner Aktion für planbare Freizeit – ge-gen die Unsitte, MitarbeiterInnen ausdem Urlaub oder aus dienstfreien Ta-gen zu holen, weil »gerade jemandausgefallen ist«.

Zur Unterstützung der betrieblichenAkteure werden Materialien angebo-ten, z.B. für die Kitteltasche »Eine klei-ne Rechtshilfe für ein klares Nein zuÜberstunden« (Pocket-Fibel) oder Flug-

blätter mit Textbausteinen zur Anpas-sung an die jeweilige Situation im Be-trieb. Alle Materialien sind im Internetunter www.mein-frei.verdi.de abrufbar.

ver.di will mit dieser Aktion vor al-lem Mut machen. Zum einen wird überdie rechtliche Seite informiert – darf ichNein sagen? Zum anderen geht es dar-um, sich nicht auseinander dividierenzu lassen und gemeinsam für bessereArbeitsbedingungen einzutreten.

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Page 7: Nr.6 2003 drei - Landesbezirk Niedersachsen-Bremen+file++526648ad890e9b3f180002e8/download... · ärgert die pauschale Kritik an den Mit-arbeitervertreter/-innen, die sich grundsätzlich

Arbeitsbedingungen und angemesseneEntlohnung für diese Beschäftigten.Die mäßigen Verdienstmöglichkeiten,hoher Arbeitsdruck und große Verant-wortung, Schicht- und Wochenend-dienste führen dazu, dass viele gut aus-gebildete Leute nach ein paar stressi-gen Jahren einfach ausgebrannt sindund sich dann einen Job in einer ande-ren Branche suchen. Der Personal-notstand ist programmiert, wenn sich hier nichts ändert.

Was hat sich seit Ihrem Seiten-wechsel verändert?Trumpfheller: Die Tage dort waren imVergleich zum oft hektischen Berufs-alltag sehr lang, geprägt von Stille undFrieden. Manchmal hatte ich das Ge-fühl, die Uhr läuft rückwärts. Seitdemhat Zeit für mich eine ganz andere Be-deutung gewonnen. Das eigene Lebensehe ich mehr als Geschenk,sehe dieWelt mit anderen Augen, genieße bei-spielsweise die Natur aus einem ganzanderen Blickwinkel. Und ich lebe.

bewusster, gesünder und begreife Zeitals geschenkte Zeit. Kurz: Ich setze andere Prioritäten in meinem Leben.

Was bedeutet das konkret im Job?Trumpfheller: Ich hatte schon vorhersoziale Aspekte im Einklang und Wech-selspiel von Unternehmens- und Mit-arbeiterinteressen im Blick. Dennochdenke ich, dass ich meine soziale Kom-petenz weiter stärken konnte: Ich habemehr Verständnis für Schwächen undEinblick in Krankheitsbilder. Ich kannmich besser in andere Lebenssituatio-nen hineinversetzen und suche zusätz-liche Parameter für Entscheidungen. In meinem Zeitmanagement unter-scheide ich heute deutlicher zwischenwichtig und weniger wichtig.

Sind das nicht genau die Erwartun-gen, die Betriebsräte und Gewerk-schafter an Arbeitgeber stellen?Schaub: Ja, aber nicht nur: Es geht unsdarum, dass auch die Arbeitgeber bzw.ihre Vertreter hinterfragen, ob alleindie Rendite zählt. Soziale Kompetenzheißt auch, dass sie sich ihre Verantwor-tung für die ArbeitnehmerInnen be-wusst machen. Natürlich ist es ihr Job,ihr Unternehmen so zu führen, dass es überlebensfähig ist und Gewinneabwirft. Das ist ja auch im Interesse derBeschäftigten. Uns geht es darum, beiUnternehmensentscheidungen harteund weiche Faktoren gleichermaßen zuberücksichtigen – und dass aufgehörtwird, nur mit Zahlen zu argumentieren.≠Es geht um einen Ausgleich der Inter-essen. Damit das möglich wird, brau-chen wir eine Wertediskussion auf bei-den Seiten und miteinander.Trumpfheller: Auch wenn ich das Vor-gehen und die Politik der Gewerkschaf-ten nicht grundsätzlich teile, bin ich zudieser Wertediskussion bereit und vieleandere Unternehmer, Geschäftsführer,Manager sicher auch. Wir sollten alsoim Gespräch bleiben. Schaub: Dieses Angebot nehme ichgern an! DAS GESPRÄCH LEITETE GUNDULA LASCH

Herr Trumpfheller, wie kamen siezum Projekt SeitenWechsel?Trumpfheller: In der Info-Broschüredes Arbeitgeberverbandes Hessen-Metall fand ich einen Hinweis auf Sei-tenWechsel. Das hat mich interessiertund ich habe mich mit der Kontaktstel-le in Verbindung gesetzt. In einem aus-führlichen Beratungsgespräch mit FrauSeitz vom Bildungswerk der HessischenWirtschaft kristallisierte sich heraus,dass ein Praktikum in der Palliativmedi-zin eine besonders große Anforderungan mich stellt. Bis dahin hatte ich nichteinmal gewusst, was der Begriff »pal-liativ« bedeutet. Ich habe schon sehrgezweifelt, ob ich in der Lage sein wür-de, auf Menschen mit so schlimmenKrankheitsbildern zuzugehen. Abernachdem ich mich mit meiner Familieund Freunden beraten hatte, stellte ichmich dieser Aufgabe. Zugegebener-maßen nicht ohne Angst.

Herr Schaub, würde für Sie ein solches Praktikum auch in Fragekommen?Schaub: Nein, eher nicht. Allerdingshabe ich einen Pflegefall im unmittel-baren privaten Bereich. Da kann ich

den Seitenwechsel nachvollziehen. Fürmich und sicher auch andere haupt-amtliche Gewerkschafter wäre es wohlinteressanter, für ein Praktikum in diePrivatwirtschaft zu wechseln und dortEinblicke zu gewinnen. Bislang warenwir ja oft noch nicht einmal bereit, unsere »Gegenspieler« und ihre Inten-tionen kennen zu lernen. Es wäre ander Zeit, in einen fairen Dialog einzutre-ten. Auch im Bereich des Erwerbs vonFremdsprachen haben wir Nachholbe-darf. Die internationale Zusammenar-beit steckt noch in den Kinderschuhen.

Welche Erfahrungen konnten Sie während ihres Einsatzes in demkleinen Krankenhaus mit 20 Bettensammeln?Trumpfheller: Sehr viele und wertvol-le, die mein Leben verändert haben. Ichkann das hier nur andeuten: das tiefeEmpfinden des bisher nicht erlebtenund gekannten Leids; das Wissen, wiewichtig die noch nicht sehr verbreitetepalliative Medizin für ein menschen-würdigeres Leben bis zum Tod ist; dieHochachtung vor den Beschäftigten, dieden PatientInnen so viel Zuwendungund Respekt entgegenbringen und de-nen täglich durch die Konfrontationmit dem Tod sehr viel abverlangt wird;der umfassende Einblick in die Alltags-sorgen des Pflegepersonals: von dernach meinem Dafürhalten unzureichen-den Entlohnung bis hin zu den Auswir-kungen der Gesundheitsreform in derPraxis; die Befriedigung, die Hemm-schwelle übersprungen zu haben; dieErinnerung an viele tolle Begegnungenund Gespräche und schließlich das Gefühl, etwas wirklich Nützliches getanzu haben. Bleibende Bilder aus derSchattenseite des Lebens.Schaub: Ich glaube, Ihr Praktikum warder beste Weg, ein realistisches Bildüber die Situation in einem anderen Be-rufsfeld zu bekommen. Sie sagen jaselbst, dass die Beschäftigten in diesemKrankenhaus zu wenig Geld für ihreaufopferungsvolle Arbeit bekommen.Wir kämpfen seit Jahren um bessere

DIALOG ZWISCHEN EINEM INDUSTRIEMANAGER UND EINEM GEWERKSCHAFTER

PROJEKT FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE

Durch den Kontakt mit Menschen auseinem gänzlich anderen sozialen Um-feld können Manager vor allem ihre so-ziale Kompetenz und Kommunikations-fähigkeiten erweitern und stärken.

Das Projekt SeitenWechsel® ist inder Schweiz entstanden und wird vonder Schweizerischen Gemeinnützigen

Gesellschaft (SGG) getragen, einerSchwestergesellschaft der PatriotischenGesellschaft von 1765. Die PatriotischeGesellschaft von 1765 – auch Ham-burgische Gesellschaft zur Beförderungder Künste und nützlichen Gewerbegenannt – ist eine Bürgervereinigung,die seit ihrer Gründung gemäß denWerten der Aufklärungszeit – Humanis-mus, Toleranz, Völkerverständigung –für das Gemeinwohl wirkt. Sie ist eineintermediäre und überparteiliche Orga-nisation, deren Mitglieder sowohl Un-ternehmen als auch natürliche Perso-nen sind. Die Patriotische Gesellschaftvon 1765 ist Vertragspartner fürDeutschland, die regionalen Bildungs-werke der Wirtschaft übernehmen die konkrete Vermittlung der Praktika.

Seit 1995 wechselten 1.000 Füh-rungskräfte in der Schweiz die Seiten,in Deutschland waren es seit Ende Oktober 2000 mehr als 230. Vermittelt

von SeitenWechsel verbrachte z.B.Thomas Magold, Geschäftsführer derBMW Group Niederlassung Hamburg,eine Woche bei Kodrobs, einer Drogen-beratungsstelle in Altona von »jugend-hilft.jugend e.V.«; Henning Christian-sen, Leiter der Niederlassung Hamburgfür Unternehmenskunden bei der Ver-eins- und Westbank AG, arbeitete imHospiz Sinus; Dr. Carl Heinz Daube, Di-rektor bei der Hamburgischen Landes-bank, wechselte von seinem Schreib-tisch in die Drogenentzugsstation desKlinikums Nord Ochsenzoll. Weitere Informationen:Cornelia Seitz, Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. Emil-von-Behring-Strasse 4 60439 Frankfurt/Main Telefon 0 69.95 80 82-85Fax 0 69.95 80 82-59E-Mail: [email protected] Internet: www.seitenwechsel.org

… heißt das Projekt, in dem Führungskräfte aus der Wirtschaft von

der Welt der Zahlen und des Profits in den Alltag von sozialen Insti-

tutionen wechseln können. Der Schwerpunkt des einwöchigen Prak-

tikums liegt im direkten Kontakt mit den Klienten. »Sozialarbeit

auf Zeit« ist das Motto für die Teilnehmer. Nach eingehenden Vorge-

sprächen und sorgfältiger Auswahl der Einsatzstelle werden die

»Praktikanten« in den Tagesablauf der entsprechenden Institution

eingebunden. So pflegen sie beispielsweise Alte und Kranke, be-

gleiten Klienten zu Ämtern, nehmen an therapeutischen Gruppensit-

zungen teil oder arbeiten mit Drogensüchtigen.

SeitenWechsel …

Wir brauchen eine Wertediskussionauf beiden Seiten»Das Leid hat mir die Beine weggezogen«, hatte Roland Trumpfheller

in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, nach-

dem er im Rahmen des Projektes SeitenWechsel (siehe nebenstehen-

den Text) im November 2002 eine Woche im Evangelischen Hospi-

tal für palliative Medizin in Frankfurt/Main gearbeitet hatte (zur

Erläuterung: Die Palliativmedizin stellt die Lebensqualität von

unheilbar kranken, im Schwerpunkt sterbenden Menschen und deren

schmerztherapeutische Behandlung in den Mittelpunkt).

Wir wollten wissen, warum sich der Siemens-Manager freiwillig auf

die Begegnung mit unheilbar kranken Patienten einließ und ob die-

ses Praktikum sein privates und berufliches Leben verändert hat. Im

Dialog mit dem hauptamtlichen ver.dianer Gerold Schaub entstand

ein lebhafter Dialog über soziale Kompetenz, Werte, Unterschiede

und Gemeinsamkeiten von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen.

drei 06_September 2003 ARBEIT UND LEBEN

Roland Trumpfheller (47), Geschäftsführer der

Siemens Gebäudetechnik Rhein Main (ca. 700 Be-

schäftigte), verheiratet, drei Kinder, ehrenamt-

licher Jugendleiter eines Schachklubs, katholisch.

Gerold Schaub (51), Stellv. Landesbezirksleiter

ver.di Hessen (ca. 250 Beschäftigte), ledig,

Hobbys: Skifahren, Wandern.

Der Weg zur Normalisierung Das gegenwärtige Bemühen der Politik langfristig ca. 50 % der Psychiatrie anHäusern der Maximalversorgung anzuglie-dern ist ein sinnvoller Schritt. Damit wirddie Psychiatrie als alltäglicher Teil einesKrankenhauses angesehen.

Als zeitgemäß gilt die Offene Psychia-trie. Dieses Konzept hat inzwischen in empirischen Untersuchungen seine Über-legenheit gegenüber dem »Wegsperren«beweisen können. Das Personal muss sich auf Veränderungen einstellen. Dafür wird die Arbeit in der Offenen Psychiatriejedoch auch als weniger belastendwahrgenommen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist, dieTrennung zwischen Ambulanz, Tagesklinikund stationärer Aufnahme aufzuheben.Ein Arzt ist dann für alle drei Bereiche ver-antwortlich: das vermeidet den ständigenTherapeutenwechsel.

Gespräche mit Polizei, Presse und denGerichten konnten diese davon überzeu-gen, den Weg der Offenen Psychiatrie mit-zugehen. Ein großer Erfolg war der Tagder Offenen Tür. Zahlreiche Besucher hat-ten dieses Angebot wahrgenommen unddamit zur »Normalisierung« beigetragen.

HEINRICH BANGERT,

ERGEBNISSE EINER FACHTAGUNG

IN FRIEDBERG

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PSYCHIATRIE

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Informationen für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen

SEMINARE

AUSBLICK8

Medizinisch-Technische AssistentInnen8. bis 12. September 2003 in Bielefeld

Themen sind u.a.: Strukturen des Gesund-heitswesen, politische Veränderungen undderen Einfluss auf die Arbeitsbedingungender MTA, Arbeitszeit, Arbeitszeitrecht und Arbeitszeitmodelle, Bereitschafts-dienst etc.

Anmeldung und weitere Informationenüber Anke Schmitt, Tel.: 030/69 56–1832, E-Mail: [email protected]

drei 06_September 2003

Psychiatrische Versorgungim Wandel 7. bis 12. September 2003

Personalräte, Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen im Spagat zwischen Reformdruck und Sozialabbau

Themen sind u.a.: DRGs in der Psychiatrie,Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die psychiatrische Versorgung, Arbeitszeitgesetz und BAT-Reform.

Anmeldung und weitere Informationen über: Enriqueta Fobbe, Tel.: 030/69 56–18 80, E-Mail: [email protected]

Personal- und Sozialabbauim Behindertenbereich1. bis 4. Februar 2004,Bildungsstätte Gladenbach, Hessen

Durch stets neue Sparwellen im Sozial-bereich werden die Refinanzierungsbedin-gungen im Behindertenbereich immerschwieriger. Die spürbaren Auswirkungenin den Einrichtungen sind Personalabbau,Leistungsverdichtung bis hin zurSchließung von Einrichtungen. Worin lie-gen die Ursachen hierfür und was könnenBetriebs-, Personalräte und Mitarbeiter-vertretungen tun, um gegenzusteuern?

Informationen:Renate Richter, Tel.: 030 6956-1842, E-Mail: [email protected]

Ausbildungsplan und Nach-weisheft für die praktischeAltenpflegeausbildungHenke, FriedhelmDieses Heft ist die rechtlich erforderlicheDokumentation für alle Auszubildenden in der ambulanten und stationären Alten-pflege nach dem bundeseinheitlichen AltPflG in der Bundesrepublik Deutsch-land. Vor diesem Hintergrund beinhaltetdiese Zusammenstellung aus Ausbil-dungsrahmenplan und Nachweisheft dieDokumentation der praktischen Alten-pflegeausbildung. Sie dient insbesondereder wünschenswerten Verzahnung vonTheorie und Praxis mittels einer praktika-blen, wirkungsvollen und systematischerDokumentation.

Verlag, W. Kohlhammer, Stuttgart, 200399 Seiten, ISBN 3-17-017883-0, ca. 9 €

Gesundheit als Preis der Arbeit? Joseph Kuhn und Eberhard Göbel (Hrsg.)Gesundheit und Wirtschaftlichkeit geltenheute in der betrieblichen Gesundheits-förderung häufig als zwei Seiten derselbenMedaille: Gesunde MitarbeiterInnen sindleistungsfähiger und leistungsfähige Betriebe brauchen gesunde MitarbeiterIn-nen. In der betrieblichen Wirklichkeit gehen gesundheitliche und wirtschaftlicheInteressen weit auseinander. Die vor-liegende Dokumentation liefert interes-santes Material für eine historische Rela-tivierung der momentan stattfindendenPräventionsdebatte.

Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main2003. 234 S., 12 farbige AbbildungenISBN 3-935964-07-2, 19,80 Eurowww.mabuse-verlag.de

Aktionsbündnis gegen PflegenotstandGegen den Personalnotstand in der Alten-pflege wurde im Kreis Recklinghausen Ende Mai das bundesweit noch einmalige»Aktionsbündnis zur Sofortmaßnahme inder Altenhilfe« ins Leben gerufen. In demBündnis wollen Träger der Altenhilfe, Mit-arbeiterInnen, Ausbildungsstätten und die Gewerkschaft ver.di an einem Strangziehen, um der weiteren Zuspitzung derschwierigen personellen Situation in Alten- und Pflegeheimen entgegenzuwir-ken. Sie haben sich die Entlastung der Beschäftigten und damit die bessere Ver-sorgung alter Menschen auf die Fahnengeschrieben. Mit gemeinsamen Aktionenund inhaltlicher Auseinandersetzung willdas Bündnis Politik und Öffentlichkeit fürdie akute Personal- und Finanzmisere inder Altenpflege sensibilisieren. Bei der Gründungsversammlung wurden ein Akti-onsteam gewählt sowie ein erster Maß-nahmenkatalog erstellt. Darin werden u.a.die Erhöhung des Ausbildungsplatzkon-tingentes auf 5.000 Plätze in NRW, eineRegelung zur Finanzierung bei besonderspflegebedürftigen Personen, die Festle-gung eines verbindlichen Pflegeschlüsselsund die Finanzierung der erforderlichenStellen durch die Kostenträger gefordert.

Infos: [email protected]

Behindertenhilfe

BGW-BetriebsbarometerFür die Geschäftsführungen der Werk-stätten bietet die BGW ein kostengün-stiges Befragungsinstrument an: dasBGW-Betriebsbarometer. Dieses BGW-Barometer beinhaltet die Befragungdes Personals. Die Befragung wird vondem Berliner Institut für Gesundheits-und Sozialforschung (IGES) professio-nell begleitet und ausgewertet. Die Fragen zielen u.a. auf arbeitsbedingteBelastungen, Arbeitsorganisation, Be-urteilung von Organisationsstrukturen,allgemeinen Gesundheitszustand sowieArbeitssicherheit und Unfallverhütung.Die Bereitschaft der Belegschaft, an einer Befragung teilzunehmen, ist nurdann gewährleistet, wenn diese aufbreite Akzeptanz stößt. Die Einbindungder Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen erhöht die Akzeptanz.

www.bgw-online.de

ver.di-Bundesarbeitskreis Die Situation der Beschäftigten in Ein-richtungen der Behindertenhilfe ist geprägt von Strukturveränderungen,Personalabbau und einer stetig zu-nehmenden Arbeitsbelastung durch Erhöhung der Gruppengrößen. Die Pro-blemstellungen sind bei allen Trägern

gleich, ob bei Lebenshilfe, Rotes Kreuz,Diakonie, Caritas oder Kommunen.Überall gibt es Arbeitsverdichtung undPersonalabbau, so dass die individuelleFörderung behinderter Menschen aufder Strecke bleibt.

Um dem Trend auf Kosten der Be-schäftigten einzusparen, z.B. um durchLohn-dumping kurzfristig Wettbe-werbsvorteile zu erzielen, hat sich imFebruar 2003 in Berlin ein ver.di Ar-beitskreis Behindertenhilfe gegründet.Die Gründungsmitglieder sehen ihre erste Aufgabe darin, die Betriebs- undPersonalräte sowie Mitarbeiterver-tretungen miteinander zu vernetzen.Ziele sind, zu einheitlichen Vergütungs-und Arbeitsbedingungen auf BAT-Niveau zu kommen bzw. zu erhalten;die Refinanzierungsbedingungen durch die Sozialhilfeträger zu sichernund auszubauen. Auf ihrer 2. Arbeits-tagung am 30. Juni in Kassel wurde mitder Planung eines Seminars für betrieb-liche Interessenvertretungen begonnen(siehe Seminarankündigung). Die näch-ste Tagung wird am 30. September in Kassel sein. Der Arbeitskreis ist offenfür weitere interessierte ver.di-Mitglie-der aus Behinderteneinrichtungen.

Kontakt: [email protected] Fax: 030-6956-3420

Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)ist zuständig für die Herausgabe amtlicherKlassifikationen im Auftrag des Bundesmi-nisteriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Seit 1994 gibt DIMDI den Ope-rationenschlüssel (OPS) nach Paragraph301 Sozialgesetzbuch V heraus. Er wird inder stationären Versorgung eingesetzt zurVerschlüsselung der medizinischen Proze-duren für die Abrechnung von Kranken-hausleistungen nach den Sonderentgeltenund Fallpauschalen sowie nach dem kom-menden System der Diagnosis RelatedGroups (DRG). Ein optionaler Katalog vonOPS-Ziffern wurde inzwischen von DIMDIveröffentlicht.

www.dimdi.de

Kongress für Arbeitsschutzund Arbeitsmedizin27. – 30. Oktober 2003 in Düsseldorf – MessegeländeTageskarte: 70 €, Dauerkarte: 120 €

Thema: »Neue Qualität der Arbeit – men-schengerecht und wirtschaftlich«Die Inhalte des Kongresses erfüllen dieVoraussetzungen für die Freistellung derBetriebs- und Personalräte. ver.di wird mit einem Info-Stand auf der Messe präsent sein.

www.messe-duesseldorf.de, www.AplusA-online.de

VERANSTALTUNG

Altenpflege: Umlage istverfassungskonformDas Bundesverfassungsgericht hat in ei-nem Normenkontrollverfahren am 17. Juli2003 entschieden, dass die von den Bun-desländern NRW, Rheinland-Pfalz, Nieder-sachsen, Thüringen eingeführten Umlagenzur Finanzierung der Ausbildungsvergü-tungen in der Altenpflege verfassungskon-form sind. Damit ist der Weg frei für dieLänder, die bisher im Hinblick auf dasnoch laufende Verfahren mit der Umset-zung des Bundesaltenpflegegesetzes indieser Frage gezögert haben. Sicher ist essinnvoll und in einigen Ländern auch not-wendig, die Landesregierungen zu drän-gen, nun endlich von der Verordnungser-mächtigung des § 25 AltPflG Gebrauch zumachen und auch diejenigen Betriebe zurFinanzierung der Ausbildungskosten her-anzuziehen, bei denen selbst keine Ab-schnitte der praktischen Ausbildungdurchgeführt werden. Die Einschränkungder Ermächtigung auf das Erfordernis, ei-nen Mangel an Ausbildungsplätzen zu ver-hindern oder zu beseitigen, ist jeweils zuprüfen.

Pressemeldung und Beschluss desBVerfG unter www.bverfg.de

Ankündigung: »Kirchen-Info« kommtFür die Beschäftigten in kirchlichen Ein-richtungen wird es künftig eine eigene,regelmäßig erscheinende ver.di-Publika-tion geben. Bei der Konzeption des 16-seitigen Magazins orientiert sich dasRedaktionsteam am »Infodienst Kran-kenhäuser«. Geplant sind 3 bis 4 Aus-gaben jährlich. Die 0-Nummer erscheintam 30. September 2003 und ist über diever.di-Bezirke erhältlich.

Ärzte erstreiten Geld fürÜberstundenDie Städtischen Kliniken in Holweide müs-sen neun Assistenzärzten nachträglichrund 15.000 Euro für Überstunden bezah-len. Das hat das Landesarbeitsgericht Kölnentschieden (Az.: 8 SA 220-28 / 03). Ge-klagt hatten insgesamt 18 Ärzte, die zwi-schen Dezember 2000 und September2001 fast 2000 Überstunden geleistet hat-ten, ohne dafür finanziell entschädigt zuwerden. Die Stadt berief sich vor Gerichtauf eine frühere Anordnung, wonachgrundsätzlich keine Überstunden angeord-net werden sollen. Vor dem ArbeitsgerichtKöln waren neun Ärzte zunächst geschei-tert, weil die Überstunden nur unzurei-chend belegt worden waren. Leitende Ärz-te haben vor dem LandesarbeitsgerichtKöln nun aber glaubhaft geltend gemacht,dass die Überstunden zwar nicht angeord-net, aber zur Patientenversorgung not-wendig gewesen seien.

BereitschaftsdienstDas Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sicham 18. Februar 2003 erstmalig mit den arbeitsschutzrechtlichen Auswirkungender Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 03. Oktober2000 befasst. In der schriftlichen Begrün-dung wurde die Anwendbarkeit der Ar-beitszeitrichtlinie ausdrücklich bestätigt.

Auch wurde festgehalten, dass der Be-reitschaftsdienst, wie der EuGH feststellte, als Arbeitszeit zu werten ist. Allerdingshat das BAG die Anwendung der Arbeits-zeitrichtlinie auf private Arbeitgeber ver-neint. Gegen diese Entscheidung hat ver.diVerfassungsbeschwerde wegen der Nicht-vorlage an den EuGH erhoben.

Dem EuGH liegen bereits weitere Ent-scheidungen in Sachen »Bereitschafts-dienst ist Arbeitszeit« vor, in denen derdeutsche Gesetzgeber in Kürze aller Wahrscheinlichkeit nach wohl wiederumauf die bestehenden Mängel des derzeitgültigen Arbeitszeitgesetzes hingewiesenwerden wird. Weviel Urteile sind ich nochnotwendig, bis auch der deutsche Ge-setzgeber erkennt, dass eine zwingende Novellierung des Arbeitszeitgesetzes unumgänglich ist?

Infos: [email protected]

MELDUNGEN

Auswirkungen von Vergütungsformen auf die Qualität der stationären VersorgungBernard Braun, Rolf Müller(2003):. Sankt Augustin: Asgard-Verlag Hippe. GEK-Edition Bd.XXVI; ISBN 3-537-44026-X, 269 S.Die ersten Ergebnisse der Bremer Studie(Zentrum für Sozialpolitik und Zentrum Publik Health) um die Auswirkungen vonVergütungsreformen auf die Arbeits- undVersorgungsqualität im Krankenhaus lie-gen jetzt in Buchform vor und belegenFallpauschalen allein sind keine Lösung.Ohne erhebliche zusätzliche Bemühungendie Kosten abzubremsen und die Qualitätzu sichern werden die Krankenhauskostennicht sinken und die Versorgungsqualitätder Patienten nicht verbessert.

Jahrbuch Kritische Medizin Seit mehr als 30 Jahren begleitet das zwei-mal jährlich im Argument Verlag erschei-nende »Jahrbuch Kritische Medizin« (JKM)die Gesundheitspolitik, analysiert Ge-sundheitssysteme, dokumentiert Entwick-lungen und denkt voraus. Hohes wissen-schaftliches Niveau, ausgeprägt kritischerSachverstand und Denken im gesell-schaftspolitischen Kontext kennzeichnendie Reihe. Für an Medizin, Pflege und Gesundheitspolitik Interessierte eine un-entbehrliche Lektüre. Mit den diesjährigenSchwerpunktthemen: Qualifizierung undProfessionalisierung (JKM 37) und Gesund-heitsreformen – Internationale Erfahrun-gen (JKM 38) werden brandaktuelle The-men aufgegriffen und kritisch diskutiert.Jeder Band kostet 15,50 € und ist im Fach-buchhandel zu beziehen oder direkt unterwww.argument-verlag.de

Freie Stellen auf einen KlickUnter www.sanojobs.de gibt es eine bemerkenswerte neue Stellenbörse ex-klusiv für das Gesundheitswesen: ArbeitSuchende finden die Angebote in ihrer Berufsgruppe und der gewünschten Regi-on sofort auf Knopfdruck. Durch Zusam-menarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit und anderen Institutionen ist eineumfangreiche Datenbasis von über 20.000freien Stellen garantiert. Ziel ist es, allefreien Stellen in Kliniken, Medizintechnik-Unternehmen und dem übrigen Gesund-heitsbereich zusammenzutragen. Die Nutzung der Stellensuche ist kostenlos.

Berufsverbände und Patientenorganisa-tionen haben sich zur Sicherung der psy-chosozialen Therapien in der Akutmedizin zusammengeschlossen und werden inIhren Interessen von ver.di unterstützt. DieBundesarbeitsgemeinschaft PsychosozialeVersorgung im Akutkrankenhaus koordi-niert die Bemühungen um die Leistungs-erfassung per OPS sowie um die angemes-sene Vergütung psychosozialer Leistun-gen. Sie fordert dazu auf, den optionalenKatalog anzuwenden, um damit zu einemrepräsentativen Ergebnis beizutragen.

Kontakt: barbara.griessmeier@ [email protected]: www.bdp-verband.orgwww.musictherapyworld.netwww.fb3.verdi.de

Psychosoziale Therapien sichern