Nutzbare Prozessdaten aus der Spritzgießmaschine · Kunststoffe 2/2014 53 SPRITZGIESSEN > oder...

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52 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 2/2014 SPRITZGIESSEN FELIX HEINZLER U.A. D ie Produktion qualitativ hochwer- tiger Spritzgießprodukte erfordert eine präzise Überwachung des Herstellprozesses. Nicht selten gerät ein zunächst stabiler Prozess durch Störein- flüsse aus dem Gleichgewicht – es kommt zur Produktion von Fehlteilen.Auch ver- änderte Eingangsbedingungen erfordern ein Nachjustieren der Prozesseinstellun- gen. Dem Maschinenbediener steht eine Vielzahl von Kenngrößen zur Verfügung, mit denen der Spritzgießprozess über- wacht werden kann. Kurvenschreiber und Trendgrafiken visualisieren Änderungen und ermöglichen eine Betrachtung der Produktionshistorie. Doch um den Spritzgießprozess umfassend analysieren zu können, werden Werkzeuge benötigt, die einen tieferen Einblick in den Prozess ermöglichen. Die KraussMaffei Technologies GmbH, München, bearbeitet dieses The- mengebiet aktiv und kooperiert hier mit Forschungsinstitutionen wie dem Lehr- stuhl für Konstruktion und Kunststoff- maschinen am Institut für Produkt En- gineering (IPE) der Universität Duisburg- Essen, um den Stand der Technik zu erweitern. Im Rahmen dieser Zusam- menarbeit werden u. a. neue Ansätze für eine spritzgießspezifische Prozesskontrol- le entwickelt und praktisch getestet. Bei- spiele hierfür sind eine Inline-Detektion der Restfeuchte der hydrophilen Kunst- stoffe unter den technischen Thermoplas- ten und eine generelle Überwachung des Schmelzezustands zur Steigerung der Prozess- und Produktqualität. Kennzahlen beschreiben den Spritzgießprozess Prozessgrößen wie Kräfte am Schnecken- schaft, Werkzeuginnendruck, Tempera- turen, Schneckenposition oder Einspritz- geschwindigkeit lassen sich gut in Kur- venschreibern abbilden. Daraus abgelei- tete Kennzahlen wie maximaler Masse- Nutzbare Prozessdaten aus der Spritzgießmaschine Materialcharakterisierung. Forschung und Industrie entwickeln Hand in Hand neue Ansätze für eine spritzgießspezifische Prozesskontrolle. Werden die relevan- ten Prozessdaten an der Spritzgießmaschine entsprechend den Anforderungen er- fasst und ausgewertet, lassen sich Änderungen im Prozess online detektieren. Der Bediener erhält bei Chargen-, Farb- oder Restfeuchtigkeitsänderungen sofort In- formationen über Prozess- und Qualitätsschwankungen und kann direkt eingreifen. ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de Dokumenten-Nummer KU111601 Die Vielfalt der Anforderungen im Spritzgießen erfordert eine detaillierte Prozesscharakterisierung und präzise Prozessführung

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SPR I T ZG I E S S EN

FELIX HEINZLER U. A.

Die Produktion qualitativ hochwer-tiger Spritzgießprodukte erforderteine präzise Überwachung des

Herstellprozesses. Nicht selten gerät einzunächst stabiler Prozess durch Störein-flüsse aus dem Gleichgewicht – es kommtzur Produktion von Fehlteilen. Auch ver-änderte Eingangsbedingungen erfordernein Nachjustieren der Prozesseinstellun-gen.

Dem Maschinenbediener steht eineVielzahl von Kenngrößen zur Verfügung,mit denen der Spritzgießprozess über-

wacht werden kann.Kurvenschreiber undTrendgrafiken visualisieren Änderungenund ermöglichen eine Betrachtung derProduktionshistorie. Doch um denSpritzgießprozess umfassend analysierenzu können, werden Werkzeuge benötigt,die einen tieferen Einblick in den Prozessermöglichen.

Die KraussMaffei Technologies GmbH, München, bearbeitet dieses The-mengebiet aktiv und kooperiert hier mitForschungsinstitutionen wie dem Lehr-stuhl für Konstruktion und Kunststoff-maschinen am Institut für Produkt En-gineering (IPE) der Universität Duisburg-Essen, um den Stand der Technik zuerweitern. Im Rahmen dieser Zusam-menarbeit werden u.a. neue Ansätze für

eine spritzgießspezifische Prozesskontrol-le entwickelt und praktisch getestet. Bei-spiele hierfür sind eine Inline-Detektionder Restfeuchte der hydrophilen Kunst-stoffe unter den technischen Thermoplas-ten und eine generelle Überwachung desSchmelzezustands zur Steigerung derProzess- und Produktqualität.

Kennzahlen beschreiben denSpritzgießprozess

Prozessgrößen wie Kräfte am Schnecken-schaft, Werkzeuginnendruck, Tempera-turen, Schneckenposition oder Einspritz-geschwindigkeit lassen sich gut in Kur-venschreibern abbilden. Daraus abgelei-tete Kennzahlen wie maximaler Masse-

Nutzbare Prozessdaten aus der Spritzgießmaschine

Materialcharakterisierung. Forschung und Industrie entwickeln Hand in Hand

neue Ansätze für eine spritzgießspezifische Prozesskontrolle. Werden die relevan-

ten Prozessdaten an der Spritzgießmaschine entsprechend den Anforderungen er-

fasst und ausgewertet, lassen sich Änderungen im Prozess online detektieren. Der

Bediener erhält bei Chargen-, Farb- oder Restfeuchtigkeitsänderungen sofort In-

formationen über Prozess- und Qualitätsschwankungen und kann direkt eingreifen.

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.deDokumenten-Nummer KU111601

Die Vielfalt der Anforderungen im Spritzgießen erfordert eine detaillierte Prozesscharakterisierung

und präzise Prozessführung

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oder Werkzeuginnendruck, Plastifizier-zeit oder mittlere Zylinder- und Werk-zeugtemperaturen werden für jedenSpritzgießzyklus neu berechnet und dar-gestellt (Bild 1). Auf diese Weise lassen sichauch schleichende Änderungen über dieBetrachtung der historischen Entwick-lung der verschiedenen Parameter erfas-sen. Insbesondere der Werkzeuginnen-druck ist ein vielfach verwendeter Ansatzzur Verbesserung der Prozessführung undautomatisierten, modellbasierten Qua-litätsregelung [1–3].

Durch die zunehmende Integrationder in Spritzgießproduktionszellen ver-bauten Sensoren wird eine Vielzahl anMessdaten erfasst, die sich mit Blick aufden Prozess auswerten lässt. Standard-maschinen verfügen zum Beispiel übereine Datenanbindung zu den Frequenz-umrichtern der Antriebe, zu den La-dungsverstärkern von Temperatur- undWerkzeuginnendrucksensoren oder auchzu elektronischen Wasserbatterien. Sokönnen Drehmoment- und Druckver-läufe, aber auch Durchflussmengen undVorlauftemperaturen kontinuierlich er-fasst und mit der Prozessgüte bzw. Pro-duktqualität korreliert werden [4]. Umhier die richtigen Kennzahlen für die ver-schiedenen Anforderungen im Produk-tionsumfeld identifizieren zu können,haben KraussMaffei und das Institut fürProdukt Engineering umfangreiche Ver-suchsreihen mit diversen Werkzeugen,Rohstoffen und Maschinen durchge-führt.

Eine Parameterkombination als Kon-trollgröße, die verschiedenste Effekte ander Maschine abbildet, ist der Schmelze-zustand [5]. Dieser beschreibt die „Qua-lität“ der Kunststoffschmelze (Druck,Temperatur, Viskosität) unter den aktu-

ellen Gegebenheiten. Die Informationenwerden in den Prozessphasen Einsprit-zen und Plastifizieren gesammelt undu.a. durch Kennzahlen wie einenViskositätsindex darstellbar und bewert-bar gemacht. Der Viskositätsindex wirdähnlich wie eine Fließzahl durch Integra-tion des Massedrucks über der Einspritz-zeit gebildet. Die Integrationsgrenzenmüssen entsprechend dem Schließver-halten der Rückströmsperre angepasstwerden (Bild 2).

Für die Aufbereitung und den initia-len Schmelzezustand vor dem Einsprit-zen ist die Plastifizierphase entscheidend.Zur Bewertung des Plastifiziervorgangssteht bisher die Plastifizierzeit zur Verfü-gung. Kennzahlen wie das mittlereSchneckendrehmoment während desPlastifizierens oder die über die Schneckeeingebrachte Plastifizierenergie (als Pro-dukt aus Motordrehmoment und Dreh-zahl der Schnecke) bieten darüber hin-aus Möglichkeiten, detaillierte Informa-

tionen über den Prozess zu erhalten. Ers-te Versuche zeigen, dass hier bereits Ein-fluss auf die Fließeigenschaften in derEinspritzphase genommen werden kann(Bild 2).

Effekte durchRohstoffänderungen in derEinspritzphase

Zur Ableitung von Kennzahlen, die dieQualität des aufdosierten Rohstoffs be-schreiben, bietet sich die dynamische Ein-spritzphase an. Geht man von konstan-ten Bedingungen im Werkzeug aus, sinddie Effekte bei Rohstoffänderungen sehrgut messbar. Eine bewährte Methode zurÜberwachung ist die Berechnung einerFließzahl als Druckintegral über einemdefinierten Abschnitt des Schneckenhubs[4]. Der Einfluss der Viskosität auf dieProzessparameter in der Einspritzphasezeigt sich am Beispiel dreier unterschied-lich viskoser Polypropylentypen (Bild 3).

Bild 1. In der Steue-rung von Spritzgieß-anlagen (hier MC6,KraussMaffei) kön-nen Verlauf und aktu-elle Werte von Pro-zesskennzahlen inKurvenschreibernund Trendgrafikenabgebildet werden

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100 min-1Plastifizierdrehzahl: 175 min-1 250 min-16 g/10 minMFI: 11 g/10 min 19 g/10 min

Bild 2. Für einen Materialvergleich (Sabic PP 571, 575, 576) wird als Kennzahl der Viskositätsindex beim Einspritzen herangezogen. Auf das verwendeteMaterial haben Parameter wie Staudruck, Plastifizierdrehzahl oder Verweilzeit wenig Einfluss. Eine Änderung des MFI im sonst gleichen Material machtsich hingegen stark bemerkbar

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Häufig führen Änderungen im Roh-stoff (Chargen- oder Farbwechsel) je-doch zusätzlich zu einem abweichendenSchließverhalten der Rückströmsperre,sodass sich die Einspritzdruckkurve pa-rallel entlang des Schneckenhubs ver-schiebt [6]. Eine über einen festen Be-reich gebildete Fließzahl würde diesen Ef-fekt als Änderung der Fließfähigkeit desRohstoffs bewerten. Der Effekt von Vis-kositätsänderungen auf das Bauteilge-wicht lässt sich im Versuch mit einemRohstoff und verschiedenen beigemisch-ten Farbpigmenten anschaulich darstel-len (Bild 4).

Anforderungen bei Formteilenmit hoher Oberflächenqualität

Ändern sich während der Produktion dieUmgebungsbedingungen oder die Eigen-schaften des Rohstoffs, so ändert sichgleichzeitig (bei identischen Maschi-neneinstellungen) die Formteilqualität[7]. Die Formteile werden beispielsweiseüber- oder unterfüllt, oder es treten Ver-zugsstellen oder Oberflächenfehler auf.Bei der Bewertung der Kennzahlen ist im-mer das Gesamtsystem aus Maschine,Werkzeug und Temperiersystem zu be-trachten.Aus der prozessphasenübergrei-fenden Kombination verschiedener Kenn-zahlen lassen sich viele Effekte erklären.So wirkt sich eine Änderung der Werk-zeugtemperatur signifikant auf Kennzah-len der Einspritz-, nicht aber auf Kenn-zahlen der Plastifizierphase aus.Hingegenwerden Störeinflüsse,die beispielsweise inder Trocknung des Rohstoffs ihre Ursachehaben, sowohl in der Plastifizier- als auchEinspritzphase sichtbar.

Im Bereich von Sichtbauteilen undBauteilen,die anschließend durch Lackie-

ren oder Galvanisieren veredelt werden,spielen Oberflächeneigenschaften zuneh-mend eine entscheidende Rolle. Bei die-sen Bauteilen mit meist komplexen An-forderungen können nicht mehr nur einkonstantes Bauteilgewicht oder gleichblei-bende Bauteilabmaße als Qualitätskrite-rium herangezogen werden, was vielfach100%-Sichtkontrollen nach sich zieht.

Bereits minimale Änderungen imRestfeuchtegehalt des Rohstoffs verän-dern die Verarbeitungseigenschaften desMaterials und sind auf Hochglanzober-flächen zum Beispiel als Feuchtigkeits-schlieren zu erkennen. Bei technischenKunststoffen wie Polybutylenterephtha-lat (PBT) oder Polyamid (PA) kommenneben der Konditionierung und Trock-nung noch Effekte durch die Verarbei-tungszeit hinzu, die einen Einfluss auf dasVerarbeitungsverhalten und die Bauteil-qualität haben [8, 9].

Natürlich sind in Bezug auf die Verar-beitungszeit und maximale Restfeuchtedie Herstellervorgaben zu beachten; die-se liegen bei ca. <10 min Verweilzeit inder Plastifiziereinheit und <0,02 bis0,04 % Restfeuchte für beispielsweisePBT. Einen Rohstoff während der Pro-duktion stichprobenartig zu kontrollie-ren, würde allerdings einen hohen mess-technischen Aufwand im Labor verlan-gen. Doch nicht einmal solche Kontrol-len würden eine kontinuierliche Aussagezum Rohstoffzustand und zur Teilequa-lität erlauben. In der Regel werden Soll-Trocknungszeiten für die hydrophilenRohstoffe vorgegeben. Beziehen nundurch Pausen- und Stillstandszeiten un-terschiedlich viele ProduktionsanlagenMaterial aus einer zentralen Trocknungs-einheit, ist der Materialzustand undefi-niert – es kommt zu Prozess- und Qua-litätsschwankungen.

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weiß gold blau grün braun gelb orange rot

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NmFormteilgewichtDrehmoment PlastifizierenUmschaltmassedruck

Bild 4. In den meisten Fällen erfolgt das Umschalten von der Einspritz- in die Nachdruckphase posi-tionsabhängig. Durch Zumischen eines Masterbatches wird das Ausgangsmaterial in seinenFließeigenschaften verändert. Dadurch sinkt sowohl die mittlere Drehmomentaufnahme beim Plas-tifizieren als auch das Druckniveau zum Zeitpunkt des Umschaltens

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Zeit

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1,7 1,9 2,1 2,3 2,5 s 2,7

PP 1 PP 2 PP 3 sPP 1 PP 2 PP 3 s

Bild 3. Am Beispiel von drei getesteten Polypropylentypen mit unterschiedlichem MFI zeigt sich der Einfluss auf das Fließverhalten in der Kavität und dasSchließverhalten der Rückströmsperre. Der Temperaturverlauf (links) und der Massedruckverlauf (rechts), gemessen mit einem Temperatursensor in derFormnestwand und einem Kraftsensor hinter der Schnecke, verdeutlichen die Prozesseinflüsse

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Detektion vonRestfeuchteeinflüssen

Um schleichend auftretende Schwankun-gen zu erfassen,wurde ein Detektionsmo-dell für Materialveränderungen im lau-fenden Produktionsprozess entwickelt.Dabei werden die benötigte Plastifizier-energie und das charakteristische mittle-

re Motordrehmoment in einer konstan-ten Phase der Plastifizierung referenziertund bei Abweichungen den Prozessände-rungen zugeordnet.

In dem im Folgenden vorgestellten Bei-spiel wurde gezielt konditioniertes Mate-rial mit unterschiedlichen Restfeuchtege-halten in den Prozess eingebracht. In derPhase der Plastifizierung ist über die

Schnecke und den notwendi-gen Antrieb ein großflächigerund langer Kontakt zum Ma-terial mit direktem Bezug zuden Fließeigenschaften gege-ben. Die Drehmomente fürdas unterschiedlich konditio-nierte Material lassen tatsäch-lich eine Verbindung zumRestfeuchtegehalt erkennen(Bild 5).

Die physikalischen Effekteder eingelagerten Restfeuchtereduzieren die Viskosität imProzess, das notwendigeDrehmoment zur Plastifizie-rung sinkt demzufolge. Eincharakteristisches mittleresPlastifizierdrehmoment (oh-ne Anfahr- und Bremsmo-mente) kann direkt den Rest-

feuchtestufen zugeordnet werden. Diehohe zeitliche Auflösung ermöglicht eineklare Unterscheidung der im Mittelbenötigen Drehmomente sowie eine Dar-stellung der Schneckenrotation. Die überdas Schneckendrehmoment in den Plas-tifizierprozess eingebrachte Energie ver-deutlicht diesen Zusammenhang noch,während die über die Heizung einge-

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Plastifizierzeit

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Restfeuchte 0,01 %Restfeuchte 0,02 %Restfeuchte 0,03 %

Plastifizierzeit

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2200,4

Dreh

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Bild 5. Das Plastifizierdrehmoment am Antrieb der Schnecke kann direkt den Feuchtestufen zugeordnet werden.Je höher die Restfeuchte im Material, desto niedriger ist der Fließwiderstand

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brachte Energie kein signifikantes Verhal-ten in Bezug auf die Materialwechsel zeigt(Bild 6).

Somit lassen die referenzierte Plastifi-zierenergie und das charakteristische mitt-lere Drehmoment eine eindeutige Aussa-ge über die Materialeigenschaften zu. Fürentsprechend referenzierte Prozesse kannso eine 100 %-Kontrolle auch für mini-male,aber qualitätsbestimmende Störun-gen durch Restfeuchteschwankungenoder andere Einflüsse auf die Materialei-genschaften installiert werden.Vorteilhaftist hierbei vor allem, dass der Verarbeiterkeine zusätzliche Sensorik an der Anlageinstallieren muss, sondern auf verfügbareInformationen zurückgreifen kann.

Fazit

Die Anforderungen an die Qualität vonSpritzgussteilen müssen über intelligen-te Lösungen zur Prozesskontrolle über-wacht werden, um Kostenziele in derSpritzgießproduktion einhalten zu kön-nen. Die aktuell verfügbaren Möglichkei-ten zur Überwachung und Visualisierungvon Prozessdaten können mit entspre-chendem Know-how zur Qualitätskon-trolle und Prozessoptimierung genutztwerden. Aufgrund der Vielzahl an Qua-litätsanforderungen wird es wohl in na-her Zukunft keine allgemeingültige Lö-sung zur Kompensation von Störgrößengeben. Aber die momentanen Ansätzebieten flexible Möglichkeiten,den Prozessund die spezifischen Anforderungen zureferenzieren.

Eine gezielte Inline-Detektion vonStörungen im Prozess ist bereits heute alsUnterstützung der Qualitätskontrollemöglich. Das Ableiten sinnvoller Regel-strategien und die Implementierung in-

telligenter Steuerungskonzepte werdendie Qualität von Prozessen und Produk-ten deutlich steigern. Die zukünftige Her-ausforderung wird weiterhin darin be-stehen, immer größere Informations-mengen für den Maschinenbedienernutzbar zu machen – ein Ansatz dabeilautet, entsprechende Assistentenfunktio-nen in die Steuerung der Maschinen zuintegrieren.�

DANK

Die Lanxess Deutschland GmbH, Leverkusen, und diemouldtec Kunststoff GmbH, Kaufbeuren, haben dieseArbeit mit Material und Masterbatch unterstützt.

LITERATUR

1 Gruber, J.: Prozessführung beim Thermoplast-spritzgießen auf Basis des Werkzeuginnendrucks.Dissertation, RWTH Aachen 2005

2 Michaeli, W.; Schreiber, A.; Lettowski, C.: Opti-mierung der Prozessführung beim Thermoplast-spritzgießen durch Online-Regelung auf Basis vonProzessgrößen. Zeitschrift Kunststofftechnik, 04(2008), S. 1–17

3 Mustafa, M. A.: Modellbasierte Ansätze zurQualitätsregelung beim Kunststoffspritzgießen.Dissertation, Universität Essen 2000

4 Schiffers, R.: Verbesserung der Prozessfähigkeitbeim Spritzgießen durch Nutzung von Prozessda-ten und eine neuartige Schneckenhubführung.Dissertation, Universität Duisburg-Essen 2009

5 Cavic, A.: Kontinuierliche Prozessüberwachungbeim Spritzgießen unter Einbeziehung von Kon-zepten zur Verbesserung der Schmelzequalität.Dissertation, Universität Stuttgart 2005

6 Kazmer, D. O.; Velusamy, S.; Westerdale, S.: Acomparison of seven filling to packing switchovermethods for injection molding. Polymer Enginee-ring and Science, 50 (2010), S. 2031–2043

7 Boss, M.; Wodke, T.: Kapillarrheometer perfektio-niert Spritzgießprozess. Kunststoffe 97 (2007) 11,S. 139–141

8 Pongratz, S.: Alterung von Kunststoffen währendder Verarbeitung und im Gebrauch. Dissertation,Universität Erlangen-Nürnberg 2000

9 Ehrenstein, G.; Pongratz, S.: Beständigkeit vonKunststoffen. Carl Hanser Verlag, München 2007

DIE AUTOREN

FELIX A. HEINZLER, geb. 1984, ist seit 2010 alswissenschaftlicher Mitarbeiter und seit 2012 alsGruppenleiter Spritzgießen am Institut für Produkt En-gineering (IPE) der Universität Duisburg-Essen tätig;[email protected]

M. SC. STEFAN KRUPPA, geb. 1983, ist seit 2010als Entwicklungsingenieur im Bereich Maschinen-technologie und Test der KraussMaffei TechnologiesGmbH, München, tätig.

DR.-ING. REINHARD SCHIFFERS, geb. 1977, istseit 2012 als Leiter Maschinentechnologie & Test fürdie KraussMaffei Technologies GmbH, München,tätig.

PROF. DR.-ING. JOHANNES WORTBERG, geb.1951, ist seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Kons-truktion und Kunststoffmaschinen am Institut für Produkt Engineering der Universität Duisburg-Essen.

SUMMARY

USEFUL PROCESS DATA FROM THE INJECTION MOLDINGMACHINEMATERIAL CHARACTERIZATION. Hand-in-hand, re-search and industry are developing new avenues for in-jection molding-specific process control. If the relevantprocess data are collected and evaluated at the injec-tion molding machine according to the requirements,changes in the process can be detected online. The in-jection molding machine can thus characterize theprocessed raw material and thus provide possible ex-planations for fluctuations in process and quality.

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Zyklus

5,0kWs4,84,74,64,54,44,34,24,14,03,93,83,7

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Plas

tifiz

iere

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ie

35025 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 325

Restfeuchtegehalt < 0,03 % Restfeuchtegehalt 0,1 % Restfeuchtegehalt 0,12 %

Bild 6. Das sich ergebendeEnergieniveau der Plastifi-zierung zeigt ein signifi-kantes Verhalten zu denWechseln der Material-konditionierungsstufen(Zyklus 100 und 240) an ei-nem Beispielprozess mitPolyamid 6. Die benötigteAntriebsenergie zeigt inder Plastifizierung, ent-sprechend der Feuchtig-keitsstufen, dass eine Detektion an den Grenzendes Verarbeitungsbe-reichs bei großer Daten-basis sehr genau umge-setzt werden kann (Bilder: IPE, KraussMaffei)

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