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Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2016/2017 Herrler/Hertel/Prof. Dr. Kesseler Inhaltsübersicht Seite A) Grundstückskauf 1 I. Erklärung des Notars als Bedingung für Erlöschen der Eigentumsverschaffungsvormerkung (SH) 1 II. Zahlung vor erfolgter Lastenfreistellung ist keine AGB-widrige Vorleistung (K) 10 III. Gestaltung von Belastungsvollmachten (K) 19 IV. AGB-rechtliche Beschränkung von Formklauseln (CH) 48 V. Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss (SH) 53 VI. Aktuelle Entscheidungen zur Arglist (SH) 76 VII. Nachfristsetzung bei Sachmängeln des Kaufobjekts (SH) 82 VIII. Übergang des Mietverhältnisses auf den Grundstückskäufer (CH) 83 IX. Wieder einmal Mietervorkaufsrecht (SH) 96 X. Vorsorge für die Ausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte (SH) 113 XI. Betreuungsgerichtliche Genehmigung - Verwendung der Doppelvollmacht (K) 119 B) Bauträgervertrag 126 I. Sachmängel am Gemeinschaftseigentum bei Nachzüglern (CH) 126 II. Abnahme im Bauträgervertrag (CH) 144 III. Gewährleistungsfrist bei Photovoltaikanlagen (K) 148 IV. Abtretungsverbot (im Bauvertrag) steht umwandlungsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung nicht entgegen (BGH, 22.09.2016 - VII ZR 298/14) (CH) 154 C) Überlassungsvertrag 157 I. Fristlauf für Pflichtteil bei vorbehaltenem Wohnungsrecht (SH) 157 II. Pflegegrade statt Pflegestufen (CH) 166 III. Rücktritt vom Hofübergabevertrag (CH) 172 IV. Ausgleichsansprüche bei Ausbau der Immobilie der Eltern der Lebensgefährtin (K) 180 D) Wohnungseigentum und Erbbaurecht 186

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Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung

im Immobilienrecht 2016/2017 Herrler/Hertel/Prof. Dr. Kesseler

Inhaltsübersicht Seite

A) Grundstückskauf 1

I. Erklärung des Notars als Bedingung für Erlöschen der Eigentumsverschaffungsvormerkung (SH) 1

II. Zahlung vor erfolgter Lastenfreistellung ist keine AGB-widrige Vorleistung (K) 10

III. Gestaltung von Belastungsvollmachten (K) 19

IV. AGB-rechtliche Beschränkung von Formklauseln (CH) 48

V. Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss (SH) 53

VI. Aktuelle Entscheidungen zur Arglist (SH) 76

VII. Nachfristsetzung bei Sachmängeln des Kaufobjekts (SH) 82

VIII. Übergang des Mietverhältnisses auf den Grundstückskäufer (CH) 83

IX. Wieder einmal Mietervorkaufsrecht (SH) 96

X. Vorsorge für die Ausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte (SH) 113

XI. Betreuungsgerichtliche Genehmigung - Verwendung der Doppelvollmacht (K) 119

B) Bauträgervertrag 126

I. Sachmängel am Gemeinschaftseigentum bei Nachzüglern (CH) 126

II. Abnahme im Bauträgervertrag (CH) 144

III. Gewährleistungsfrist bei Photovoltaikanlagen (K) 148

IV. Abtretungsverbot (im Bauvertrag) steht umwandlungsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung nicht entgegen (BGH, 22.09.2016 - VII ZR 298/14) (CH) 154

C) Überlassungsvertrag 157

I. Fristlauf für Pflichtteil bei vorbehaltenem Wohnungsrecht (SH) 157

II. Pflegegrade statt Pflegestufen (CH) 166

III. Rücktritt vom Hofübergabevertrag (CH) 172

IV. Ausgleichsansprüche bei Ausbau der Immobilie der Eltern der Lebensgefährtin (K) 180

D) Wohnungseigentum und Erbbaurecht 186

Inhaltsübersicht Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

I. Probleme bei der WEG-Aufteilung (CH) 186

II. Sondereigentumsfähigkeit von Heizungsraum und Innenhof? (CH) 189

III. Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Grundstück erwerben (K) 193

IV. Anwendbarkeit von § 878 BGB bei Erhaltungssatzungen nach § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB (SH) 202

V. Änderungsanspruch der Wohnungseigentümer wird nicht durch Belastungsverbot begrenzt (CH) 215

VI. Erhöhung des Erbbauzinses (K) 219

VII. Heimfallanspruch hat keine dingliche Wirkung (K) 229

VIII. Zustimmung zur Veräußerung des Erbbaurechts kann widerrufen werden (K) 239

E) Beschränkte dingliche Grundstücksrechte und Grundbuchrecht 243

I. Vorkaufsrecht (SH/CH) 243

II. Vormerkungen bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (K) 270

III. Vormerkungsfähigkeit eines künftigen Anspruchs (SH) 284

IV. Erlöschen der Grunddienstbarkeit mit Untergang des berechtigten Wohnungseigentums (SH) 288

V. Verweisung genügt für Zwangsvollstreckungsunterwerfung (CH) 298

VI. Eigentümerzustimmung zu Grundpfandrechtslöschung ist unpfändbar (SH) 299

VII. Löschung einer in der Zwangsversteigerung bestehen gebliebenen Grundschuld (K) 302

F) Grundbuchrecht 309

I. Vollmachtsnachweis im Grundbuchverfahren (CH) 309

II. Grenzen des Erbnachweises durch notarielles Testament (CH) 320

III. Neues zur GbR im Grundbuch (SH) 327

IV. Wertlosigkeit von trans- bzw. postmortalen Vollmacht für den Alleinerben? (SH)330

V. Bewilligungsbefugnis nach Löschung des Insolvenzvermerks (K) 352

G) Öffentliches Recht und Steuerrecht 357

I. Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach bayerischem Kommunalrecht (CH) 357

II. Kommunalaufsichtliche Genehmigungspflicht (CH) 366

III. Grundstücksverkehrsgesetz (CH) 383

IV. Instandhaltungsrücklage bei Grunderwerbsteuer (K) 395

V. Erbschaftsteuerliches Steuerprivileg für Eigenheim (CH) 398

H) Verfahrensrecht 407

Inhaltsübersicht Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

I. Materiell-rechtliche Erklärungen in notarieller Eigenurkunde möglich (CH) 407

II. Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde (SH) 410

I) Exkurs: Internationales Gesellschaftsrecht (SH) 415

I. Kollisionsrechtliche Behandlung von Auslandsgesellschaften 415

II. BREXIT 416

Inhaltsverzeichnis Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Inhaltsverzeichnis Seite

A) Grundstückskauf 1

I. Erklärung des Notars als Bedingung für Erlöschen der Eigentumsverschaffungsvormerkung (SH) 1 1. Ausgangssituation 1

a) § 117 InsO; fehlende Bewilligungsbefugnis 1 b) Nachweis der Bewilligungsbefugnis 2 c) Fazit 2 d) Details der Ausgestaltung 2 e) Auflösend bedingte Vormerkung als Standardgestaltung? 3

2. Störfeuer 4 a) OLG Schleswig, Beschl. v. 27.7.2016 - 2 Wx 55/16 6 b) KG, Beschl. v. 11.10.2016 - 1 W 337/16 7

3. Formulierungsvorschlag 8

II. Zahlung vor erfolgter Lastenfreistellung ist keine AGB-widrige Vorleistung (K) 10 1. Rückschau 10 2. Korrektur durch das OLG 11 3. Beschaffung der Löschungsunterlagen des widerspenstigen Gläubigers 11

a) Verantwortung für die Beschaffung der Unterlagen 11 b) Zeitdauer der Beschaffung 12

4. Rechtliche Risiken für den Käufer 13 5. Bewertung des Urteils 13

a) Zeitpunkt 14 b) Schadenersatz 15

6. Gestaltungsnotwendigkeit? 15 a) Leistungszeit 15 b) Risikozurechnung 16

7. Fälligkeitsmitteilung nur an den Käufer 17

III. Gestaltung von Belastungsvollmachten (K) 19 1. Ausgangsfall: BGH zur Prüfungspflicht des Grundbuchamtes bei

Belastungsvollmacht 19 a) Der Sachverhalt 19 b) Entscheidungsbegründung 20 c) Fehler des Notars? 21

2. Sicherungsinteressen bei der Kaufpreisfinanzierung 22 a) Grundschuldeintragung nach Eigentumsumschreibung 23 b) Belastungsvollmacht im Kaufvertrag 23

3. Bestätigung der gängigen Formulierungsmuster 24 4. Kritik an der Entscheidung 26

a) Vermiedene eingehendere Auseinandersetzung mit der Frage nach der Person des Sicherungsgebers 26

b) Einigungsangebot als ausreichender Nachweis der Vollmacht 29

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c) Grundschuldbestellung als Einigungsangebot? 30 d) Zwischenfazit 31

5. Die Elemente der Finanzierungsvollmacht 31 a) Die Mitwirkungsverpflichtung 31 b) Vertragskonformität der Belastung 33 c) Dingliche Grundpfandrechtsbestellung 33 d) Belastungshöhe 36 e) Ausschluss persönlicher Haftung 37 f) Sicherungsinstrument Einschränkung der Zweckabrede 37 g) Überleitung des Sicherungsvertrages 43

6. Flankierende Probleme 43 a) Abtretung der Auszahlungsansprüche 43 b) Zustellung der Vollmacht – Ausfertigung zur Grundschuld 45

7. Ein einfaches Muster 46

IV. AGB-rechtliche Beschränkung von Formklauseln (CH) 48 1. Änderung des § 309 Nr. 13 BGB 48

a) Vor dem 1. 10. 2016 geltende Fassung 48 b) Seit dem 1. 10. 2016 geltende Fassung 48

2. Gesetzesanalyse 49 a) Anwendungsbereich 49 b) Vertrag unterliegt gesetzlichem Beurkundungserfordernis 49 c) Vertrag ist nicht beurkundungsbedürftig 50

3. Beispielsfälle 50 a) Mängelrügen oder Kündigung 50 b) Geltendmachung von Rechten durch den Arbeitnehmer 50 c) VOB/B-Vertrag 51 d) Genehmigung eines bei Beurkundung vollmachtlos Vertretenen 51 e) Ausübung eines rechtsgeschäftlichen An- oder Vorkaufsrechts 52

V. Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss (SH) 53 1. Gewährleistungsausschluss erfasst auch zuvor öffentlich erklärte

Eigenschaften 53 a) Ausgangslage 53 b) Sonderfall: Vorvertragliche öffentliche Äußerungen des Verkäufers im

Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 BGB 62 c) Zwischenergebnis Haftungsrisiken des Verkäufers für unzutreffende

vorvertragliche Eigenschaftsangaben 68 d) Konsequenzen für die Gestaltungspraxis 69

2. Herstellergarantie als Beschaffenheitsmerkmal 72 a) Begriff der Beschaffenheit im Sinne von § 434 BGB 72 a) BGH, Urt. v. 15.06.2016 - VIII ZR 134/15 (Herstellergarantie) 73 b) Folgerungen 74

VI. Aktuelle Entscheidungen zur Arglist (SH) 76 1. Grundlagen 76

a) Offenbarungspflicht 76

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b) Arglist 77 2. Aktuelle Rechtsprechung 77

a) Offenbarungspflicht bei Verdacht einer Mangels 77 b) Arglist eines Verkäufers geht zu Lasten aller Verkäufer 80

VII. Nachfristsetzung bei Sachmängeln des Kaufobjekts (SH) 82

VIII. Übergang des Mietverhältnisses auf den Grundstückskäufer (CH) 83 1. Mietverhältnis erlischt, wenn auch nur ein Mieter Eigentum erwirbt (BGH,

27.4.2016 - VIII ZR 323/14) 83 a) Sachverhalt 83 b) Mietverhältnis erlischt, wenn auch nur ein Mieter Eigentum erwirbt 84 c) Mietervorkaufsrecht bei Abweichungen zwischen Mietvertrag und

Aufteilung 85 2. Mietverhältnis geht nur bei tatsächlichem Besitz des Mieters über (BGH,

5.4.2016 - VIII ZR 31/15) 85 3. Ankaufsrecht wirkt ohne Vormerkung nicht gegen Erwerber (BGH,

12.10.2016 - XII ZR 9/15) 86 4. § 566 BGB gilt auch für Nießbrauch, aber nicht für Wohnungsrecht 88

a) Nießbrauch: Nach § 1056 BGB gilt Mietvertrag weiter, aber Kündigungsrecht des Eigentümers 88

b) Alleinerbe kann nicht nach § 1056 Abs. 2 BGB kündigen 89 c) Eigenbedarf für Kündigung bei Wohnraummiete erforderlich 92 d) Haftet der Nachlass? 93 e) Ggf. Regelungsbedarf bei Nießbrauch an Geschäftsräumen (mit

Formulierungsbeispiel) 94 e) Vertragliche Regelung bei Wohnungsrecht – mit Formulierungsbeispiel 94

IX. Wieder einmal Mietervorkaufsrecht (SH) 96 1. Dauerbrenner Mietervorkaufsrecht 96 2. Kein Mietervorkaufsrecht bei Aufteilung vor Überlassung an Mieter 98

a) Sachverhalt 98 b) Entscheidung 99 c) Bewertung 101

3. Mietervorkaufsrecht bei beabsichtigter Realteilung 105 a) Sachverhalt (vereinfacht) 106 b) Entscheidung 107 c) Bewertung 109

4. Mietervorkaufsrecht bei beabsichtigter Aufteilung in WEG 109 a) Entscheidung 110 b) Bewertung 111

X. Vorsorge für die Ausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte (SH) 113 1. Situation bei Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts 113 2. Sonderfall: Nur teilweise Ausübung des Vorkaufsrechts 114

a) Kein Rücktrittsrecht bei lediglich teilweiser Vorkaufsrechtsausübung? 115 b) De-Minimis-Grenze 115

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c) Beschränkung des Rücktrittsrechts des Verkäufers 116 d) Kein Rücktrittsrecht bei teilweiser Ausübung; Berechnungsmodus für

Restkaufpreis 117 e) Fazit 117

XI. Betreuungsgerichtliche Genehmigung - Verwendung der Doppelvollmacht (K) 119 1. Problemeinordnung 119 2. Fall des BGH 120 3. Die Doppelvollmacht 120

a) Zulässigkeit 121 b) Umsetzung 121

4. Die Zustellung an den Betreuten und das Rechtskraftzeugnis – Prüfungsnotwendigkeit des Notars? 123

5. Eine Lehre aus dem Verfahren 123 6. Am Rande: Die Genehmigung zu einer Grundpfandrechtsbestellung 124

a) Genehmigung der Belastungsvollmacht 124 b) Doppelvollmacht bei der Grundschuldbestellung 125

B) Bauträgervertrag 126

I. Sachmängel am Gemeinschaftseigentum bei Nachzüglern (CH) 126 1. Bindung von Nachzüglern an Abnahme durch frühere Erwerber ist AGB-

widrig (BGH, 25.02.2016 - VII ZR 49/15) 126 a) Sachverhalt 126 b) Werkvertrag, weil umfassendere Sonderwünsche 127 c) Unwirksamkeit der Bindung an bereits erfolgte Abnahme 127 d) Konkludente Abnahme? 128 e) Mängelansprüche vor Abnahme? 128 f) Keine Abnahme, keine Verjährung 128

2. Werkvertragsrecht gilt, auch wenn Bau bei Verkauf schon fertiggestellt ist (aber noch neu ist) (BGH, 12.5.2016 - VII ZR 171/15,) 129 a) Sachverhalt 130 b) Werkvertragsrecht gilt, auch wenn Bau bei Vertragsschluss schon

fertiggestellt ist 130 c) Keine Bindung an Abnahme durch Wohnungseigentümergemeinschaft 133 d) Keine vertragliche Bindung an erfolgte Abnahme 136 e) Keine Verkürzung der Verjährung für Nachzügler durch AGB-Klausel 136 f) Keine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme 136 g) Mängelansprüche bereits nach „Scheinabnahme“ 137 h) Keine Abnahme, keine Verjährung 137

3. Bei Veräußerung vermieteter Wohnungen drei Jahre nach dem Bau gilt Kaufrecht für Sachmängel (BGH, 25.2.2016 - VII ZR 156/13) 138 a) Sachverhalt 138 b) Kaufrecht gilt, wenn vermietete Wohnung drei Jahre nach Bau veräußert

wird 139 c) Verjährungsverkürzung wegen Intransparenz unwirksam 139

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d) Ergebnis 140 4. Welche vertraglichen Regelungen sind noch zulässig? 140

a) Keine AGB-Regelung möglich für neu errichtete Wohnungen, für die der BGH Werkvertragsrecht anwendet 140

b) Beschränkung von Sachmängelansprüchen bei „nicht mehr neu errichteten“ Bauwerken, für die Kaufrecht gilt 141

c) Strategie des Bauträgers: Schnell verkaufen oder mindestens drei Jahre halten 143

II. Abnahme im Bauträgervertrag (CH) 144 1. Bauträger kann nicht selbst Gemeinschaftseigentum abnehmen 144

a) Keine Abnahme durch Bauträger selbst (BGH, 30.6.2016 - VII ZR 188/13) 144

b) Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter AGB-rechtlich unzulässig (BGH, 12.09.2013 - VII ZR 308/12) 144

c) Zum Anspruch 145 2. Bei wirtschaftlicher Realteilung kann Erwerber seinem Sondernutzungsrecht

unterliegendes Gemeinschaftseigentum mit Wirkung für andere Erwerber abnehmen (OLG Stuttgart, 12.5.2015 - 10 U 114/14) 145 a) Sachverhalt 146 b) Zulässige Abnahmevollmacht 146 c) Ergebnis: Unterschiedliche Verjährung 146

III. Gewährleistungsfrist bei Photovoltaikanlagen (K) 148 1. Rückblick 148

a) Bestandteile 148 b) Scheinbestandteil 149 c) Zubehör 149 d) Eigenständige bewegliche Sache 150

2. BGH, Urteil vom 9.10.2013 – VIII ZR 318/12 150 3. BGH, Urt. v. 2.6.2016 – VII ZR 348/13 151 4. Auseinandersetzung 152 5. Auswirkungen für die Praxis 152 6. Konsequenzen für die Bestandteilseigenschaft? 153

IV. Abtretungsverbot (im Bauvertrag) steht umwandlungsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung nicht entgegen (BGH, 22.09.2016 - VII ZR 298/14) (CH) 154

C) Überlassungsvertrag 157

I. Fristlauf für Pflichtteil bei vorbehaltenem Wohnungsrecht (SH) 157 1. Ausgangspunkt: Nießbrauchsentscheidung des BGH 157

a) Wirtschaftliche Ausgliederung 157 b) Anlauf der 10-Jahresfrist bei vorbehaltenem Wohnungsrecht? 158

2. BGH, Beschl. v. 29.6.2016 - IV ZR 474/15 160

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a) Sachverhalt 160 b) Entscheidung 161 c) Bewertung 162

3. Gestaltungsempfehlung 165

II. Pflegegrade statt Pflegestufen (CH) 166 1. Gesetzesänderung 166

a) § 15 SGB XI i.d.F. bis 31.12.2016 166 b) § 15 SGB XI i.d.F. seit 1.1.2017 167 c) „Umrechnung“: Pflegestufe + 1 + nochmals 1 bei Verwirrtheit =

Pflegegrad 168 2. Vertragsgestaltung 169

a) Musterklauseln überprüfen 169 b) Alte Verträge mit statischer Verweisung 169 c) Alte Verträge mit dynamischer Verweisung 169

3. Formulierungsbeispiel 170

III. Rücktritt vom Hofübergabevertrag (CH) 172 1. BGH, 08.12.2015 - X ZR 98/13, BGHZ 208, 154 172

a) Sachverhalt 172 b) Altenteilervertrag oder Leibgeding (Art. 96 EGBGB) 173 c) Landesrecht Baden-Württemberg 173 d) Rücktritt auch vom Hofübergabevertrag möglich 175

2. Rechtsgeschäftliches Rücktrittsrecht 176 a) Rückforderungsrecht nur bei Vorversterben und Scheidung - keine

Vormerkung im Grundbuch 176 b) Rückübertragung nur im Zustand bei Rückübertragungsverlangen 177 c) Formulierungsbeispiel 178

IV. Ausgleichsansprüche bei Ausbau der Immobilie der Eltern der Lebensgefährtin (K) 180 1. Einleitung 180 2. Investition ins Haus der Eltern des Partners 181

a) Schenkung 181 b) Kooperationsvertrag 182 c) Leihvertrag 183 d) Aufwendungsersatz durch GoA im Rahmen der Leihe 183 e) Bereicherungsrecht 183

3. Bewertung 184 4. Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis 185

D) Wohnungseigentum und Erbbaurecht 186

I. Probleme bei der WEG-Aufteilung (CH) 186 1. Abweichende Bauausführung steht Kaufvertrag nicht entgegen (OLG

Düsseldorf, 17.6.2016 - 3 Wx 282/15) 186 2. Überbau hindert WEG-Aufteilung nicht (KG, 19.08.2015 - 1 W 765/15) 187

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II. Sondereigentumsfähigkeit von Heizungsraum und Innenhof? (CH) 189 1. Sondereigentumsfähigkeit eines Heizungsraums (OLG Bremen, 28.4.2016 - 3

W 28/15) 189 a) Allgemein 189 b) OLG Bremen, Beschl. v. 28.4.2016 - 3 W 28/15 189 c) Vereinbarkeit mit der BGH-Rechtsprechung? 191 d) Hauswasseranschluss in Kellerraum als Mangel des Sondereigentums 191

2. Sondereigentumsfähigkeit eines nicht überdachten Innenhofs (OLG Hamm, 5.1.2016 - 15 W 398/15) 192

III. Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Grundstück erwerben (K) 193 1. Einleitung 193 2. Stellt der Erwerb von Grundbesitz eine Änderung der sachenrechtlichen

Grundlagen dar? 194 3. Trägt die Rechtsfähigkeit des Verbands der Wohnungseigentümer die

Möglichkeit, Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte für den Verband zu erwerben? 194

4. Beurkundungsbedürftigkeit des Beschlusses 196 5. Entspricht der Beschluss zum Erwerb der Fläche ordnungsmäßiger

Verwaltung 197 6. Wie erfolgt eine wirksame rechtsgeschäftliche Betätigung? 198

a) Handeln durch den Verwalter 198 b) Nachweis der durch Beschluss erteilten Vertretungsmacht 199

IV. Anwendbarkeit von § 878 BGB bei Erhaltungssatzungen nach § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB (SH) 202 1. Funktion des § 878 BGB 202 2. Anwendungsbereich 202

a) Unmittelbarer Anwendungsbereich 202 b) Entsprechende Anwendung von § 878 BGB 203 c) Keine entsprechende Anwendung von § 878 BGB 204 d) Verfügungen „besonderer Personen“ 206

3. Entscheidung des BGH vom 12.10.2016 (V ZB 198/15) 207 a) Sachverhalt 208 b) Entscheidung 208 c) Bewertung 212

V. Änderungsanspruch der Wohnungseigentümer wird nicht durch Belastungsverbot begrenzt (CH) 215 1. Was ist das Belastungsverbot? (10.10.2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346) 215 2. Kein Ausschluss des Änderungsanspruchs der Wohnungseigentümer durch

Belastungsverbot (BGH 13.5.2016 - V ZR 152/15) 216

VI. Erhöhung des Erbbauzinses (K) 219 1. Einleitung 219 2. Die Entscheidung des BGH – die wesentlichen Erwägungen 220

a) Inhaltsänderungen sind auch bei der Vormerkung zulässig 220

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b) Zustimmung nachrangiger Berechtigter nach § 877 BGB iVm § 876 BGB 220 3. § 877 BGB und die Vormerkung 221

a) Begründung der Analogie durch den BGH 221 b) Ist § 877 BGB überhaupt auf die Vormerkung anwendbar? 223 c) Ist doch etwas richtig? 224

4. Entscheidung der Zustimmungsbedürftigkeit der Inhaltsänderung der Reallast225 5. Am Rande: Zwangslöschung der Vormerkung bei Eintragung des Rechts?

(Rz. 11 und 19) 227

VII. Heimfallanspruch hat keine dingliche Wirkung (K) 229 1. Einleitung 229 2. Die Rechtsfragen 229 3. Kann der Heimfallanspruch gegen den Rechtsnachfolger durchgesetzt

werden? 230 a) Heimfallanspruch ist vormerkungsgleich geschützt 230 b) Heimfallanspruch wirkt nicht gegenüber dem Rechtsnachfolger 231 c) Die Begründung des BGH 231

4. Löst die unterbliebene Übernahme der Zahlungspflichten den Heimfall aus? 232 5. Kritik an der Entscheidung 234

a) Die Schwächen in der Argumentation des BGH zur mangelnden Durchsetzbarkeit des Heimfallanspruchs gegen den Rechtsnachfolger 234

b) Versagung der Berufung auf den Heimfallgrund des Nichteintritts 236 c) Fazit 237

6. Sicherung des Heimfallanspruchs 237

VIII. Zustimmung zur Veräußerung des Erbbaurechts kann widerrufen werden (K) 239 1. Rückblick 239 2. Entscheidung 239 3. Praktischer Umgang mit dem Problem 241

E) Beschränkte dingliche Grundstücksrechte und Grundbuch-recht 243

I. Vorkaufsrecht (SH/CH) 243 1. Einigung für Vorkaufsrecht auch ohne Beurkundung formwirksam (SH) 243

a) Einführung 243 b) Anforderungen an die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts 244 c) Heilung des Formmangels 246 d) Zusammenfassung 255

2. Löschung eines für den ersten Verkaufsfall bestellten Vorkaufsrechts (SH) 256 a) Einführung 256 b) BGH, Beschl. v. 21.1.2016 - V ZB 43/15: Jew. subj.-persönl.

Vorkaufsrechte für den Miteigentümer 256 c) OLG München, Beschl. v. 11.5.2016 - 34 Wx 61/16 261

3. Gleichrangig eingetragene Vorkaufsrechte sind alle unwirksam (OLG München, 15.3.2016 - 34 Wx 3/16) (CH) 262

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a) Sachverhalt 262 b) Auslegung der Grundbucheintragung: Mehrere Vorkaufsrechte 263 c) Mehrere gleichrangige Vorkaufsrechte sind unzulässig und unwirksam 264 d) Stimmt die Entscheidung des OLG München? 265

4. Überhöhte Maklerprovision bindet Vorkaufsberechtigten nicht (BGH, 12.5.2016 - I ZR 5/15) (CH) 266 a) Sachverhalt 266 b) Überhöhte Maklerprovision bindet den Vorkaufsberechtigten nicht 266 c) Keine Herabsetzung auf den üblichen Maklerlohn 268

II. Vormerkungen bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (K) 270 1. Anwendungsbereich 270 2. OLG Nürnberg zur Abtretbarkeit – Vormerkung auch bei noch unbestimmtem

Berechtigten? 270 a) Verfahrensgegenstand 270 b) Rechtliche Ausgangslage 271 c) Rechtsfrage 1: Ist der Anspruch abtretbar? 271 d) Rechtsfrage 2: Eine Vormerkung oder mehrere? 274 e) Rechtsfrage 3: Ist eine Vormerkung bei noch zu benennendem

Berechtigten überhaupt zulässig? 275 3. OLG München zur Sukzessivberechtigung 278

a) Rechtliche und tatsächliche Einordnung 278 b) Sukzessivberechtigung an einem Daueranspruch versus Sicherung

mehrerer Ansprüche 279 - Sukzessivberechtigung 279 - Vielfaches Anspruchsziel 280 c) Bewertung - Gewohnheitsrechtlich begründete Zulässigkeit 282 d) Praktischer Umgang 283

III. Vormerkungsfähigkeit eines künftigen Anspruchs (SH) 284 1. Grundlagen 284 2. OLG München, Beschl. v. 16.12.2015 – 34 Wx 283/15 285

a) Sachverhalt 285 b) Entscheidung 285 c) Stellungnahme 287

IV. Erlöschen der Grunddienstbarkeit mit Untergang des berechtigten Wohnungseigentums (SH) 288 1. Einführung 288

a) Nachträglicher dauerhafter Wegfall des Vorteils für das herrschende Grundstück 289

2. Nachträglicher „Untergang“ des berechtigten Grundstücks? 290 a) Berechtigter einer Grunddienstbarkeit 290 b) Veränderungen beim herrschenden Grundstück 291 c) OLG Hamm, Beschl. v. 22.3.2016 - 15 W 357/15 292

3. Folgerungen 296 a) Nachsorgende Gestaltung 296

Inhaltsverzeichnis Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Vorsorgende Gestaltung 297

V. Verweisung genügt für Zwangsvollstreckungsunterwerfung (CH) 298

VI. Eigentümerzustimmung zu Grundpfandrechtslöschung ist unpfändbar (SH) 299 1. Ausgangssituation 299 2. Zustimmungsrecht seitens des Gläubigers isoliert pfändbar? 299

a) 1. A.: Isolierte Pfändbarkeit 299 b) OLG München, Beschl. v. 31.8.2016 – 34 Wx 18/16 300 c) Stellungnahme 300

VII. Löschung einer in der Zwangsversteigerung bestehen gebliebenen Grundschuld (K) 302 1. Sachverhalt 302 2. Das Problem 303 3. Die Auffassung des BGH 303 4. Pflichten aus dem Sicherungsvertrag – ein Rückblick 304 5. Risiko aus gescheiterter Versteigerungsvereinbarung 305 6. Allgemeines zur Sicherungsgrundschuld 305

a) Abstraktheit der Grundschuld 305 b) Grundschuld ist Sicherungsgegenstand 306 c) Zuschlag im ZV Verfahren als Fall des Auseinanderfallens von

Sicherungsgeberstellung und Eigentum 306 7. Die Grundschuldzinsen 307

F) Grundbuchrecht 309

I. Vollmachtsnachweis im Grundbuchverfahren (CH) 309 1. Bei notarieller Vollmachtsbescheinigung (§ 21 Abs. 3 BNotO) muss Notar die

ganze Vertretungskette darstellen, nicht nur deren Ergebnis (OLG Hamm, 10.3.2016 - 15 W 45/16) 309 a) Sachverhalt 309 b) Vollmachtsbescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO 309 c) Grundbuchamt kann nicht Vorlage der Vollmachtsurkunden verlangen 310 d) Notar muss Vertretungskette darstellen, nicht nur deren Ergebnis 311 e) Hinweise zur Formulierung 312

2. Grundbuchamt muss Befreiung von § 181 BGB auch bei einseitiger Löschungsbewilligung infolge Aufhebung prüfen (OLG Nürnberg, 26.11.2015 - 15 W 1757/15) 312 a) Sachverhalt 313 b) OLG Nürnberg: Grundbuchamt muss Befreiung von § 181 BGB auch bei

einseitiger Löschungsbewilligung prüfen, wenn materiell Aufhebung zugrunde liegt 313

c) Meinungsstand 315 3. Von Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht ist

grundbuchtauglich 317 a) § 6 Abs. 2 BtBG (Betreuungsbehördengesetz) 317

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b) Transmortale Vorsorgevollmacht (OLG Karlsruhe, 14.09.2015 - 11 Wx 71/15) 317

c) Auslegung eines Vollmachtsformulars (OLG Düsseldorf, 19.8.2015 - 3 Wx 148/15) 318

II. Grenzen des Erbnachweises durch notarielles Testament (CH) 320 1. Allgemeine Verwirkungsklausel entwertet notarielles Testament als

Grundbuchnachweis 320 a) Sachverhalt 320 b) Erbschein bei allgemein gehaltener Verwirkungsklausel erforderlich 321 c) Unrichtigkeit für Amtswiderspruch nicht glaubhaft gemacht 322

2. Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag – kein Erbschein erforderlich (OLG München, 28.10.2015 - 34 Wx 92/14) 323

3. Testamentarischer Erbe schlägt aus – Erbschein für Ersatzerben erforderlich (OLG München, 24.8.2016 - 34 Wx 216/16) 325

III. Neues zur GbR im Grundbuch (SH) 327 1. Eintragung eines GbR-Gesellschafterwechsels aufgrund Erbfolge 327

a) Einführung 327 b) Gesellschafterwechsel aufgrund Erbfolge 327

2. Verpfändung eines GbR-Anteils kann nicht im Grundbuch eingetragen werden 329

IV. Wertlosigkeit von trans- bzw. postmortalen Vollmacht für den Alleinerben? (SH)330 1. Vorteile einer trans- bzw. postmortalen Vollmacht 330 2. Problem: Bevollmächtigung des späteren Alleinerben 331 3. Aktuelle Rechtsprechung des OLG München 331

a) OLG München, Beschl. v. 4.8.2016 - 34 Wx 110/16 332 b) OLG München, Beschl. v. 31.8.2016 - 34 Wx 273/16 334

4. Fehlanreize durch die obergerichtliche Rechtsprechung 338 a) Verschweigen des Erbfalls? 338 b) Keine näheren Ausführungen zur Erbfolge 339 c) Vorsorgliches Handeln auch im eigenen Namen? 340

5. Würdigung der Rechtslage 340 a) Materiell-rechtliche Situation 341 b) Grundbuchverfahren 346

6. Ergebnisse; Folgen für die Gestaltungspraxis 350

V. Bewilligungsbefugnis nach Löschung des Insolvenzvermerks (K) 352 1. Ein typischer Sachverhalt 352 2. Entscheidung 352 3. Worin gehen die abweichenden Beschlüsse fehl? 353

a) § 891 BGB im Grundbuchverfahren 353 b) Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes 353

4. Praktischer Umgang 355 5. Freigabe als Gestaltungsinstrument 355

G) Öffentliches Recht und Steuerrecht 357

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I. Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach bayerischem Kommunalrecht (CH) 357 1. Bisherige Rechtslage in Bayern 357 2. Rechtslage in den anderen Bundesländern 358 3. Änderung durch BGH-Rechtsprechung 358

a) BGH, Beschl. v. 18.03.2016 - V ZR 266/14: Anfrage beim BAG 358 b) BAG gab den Weg frei 359 c) BGH, 18.11.2016 - V ZR 266/14: Rechtsprechungsänderung des BGH 359 d) Begründung des BGH 360 e) Föderales Bauchgrummeln 363

4. Gesetzesänderung zur Wiederherstellung des bisherigen Rechtszustandes 364

II. Kommunalaufsichtliche Genehmigungspflicht (CH) 366 1. Verpflichtung der Gemeinde zur Zahlung von Erbbauzins bedarf der

Genehmigung der Kommunalaufsicht (BGH, 22.01.2016 - V ZR 27/14) 366 a) Sachverhalt 366 b) Unwirksame, aber abtrennbare Verpflichtung zur Bauleitplanung 367 c) Genehmigungserfordernis für Verpflichtung zur Zahlung von Erbbauzins 369 d) Ersitzung des Erbbaurechts ist bereicherungsfest 371

2. Stimmt die BGH-Entscheidung? 374 a) Unbehagen am Ergebnis 374 b) Genehmigungserfordernis 375 c) Bereicherungsanspruch trotz Ersitzung? 376 d) Wann beginnt die Ersitzungsfrist? 376 e) Kann die Ersitzung besser sein als ein wirksamer Erwerb? 377

3. Beauftragung eines Maklers durch eine Gemeinde (OLG Frankfurt, 30.9.2015 - 19 U 19/15) 379 a) Kommunalrechtliches Schriftformerfordernis beschränkt die

Vertretungsmacht des Gemeindeorgans (und ist kein Formerfordernis) 379 b) Maklerauftrag bedarf der Schriftform nach § 71 HessGemO (OLG

Frankfurt, 30.9.2015 - 19 U 19/15) 380

III. Grundstücksverkehrsgesetz (CH) 383 1. Grundstücksverkehrsgenehmigung verstößt nicht gegen europarechtliches

Beihilfeverbot (EuGH, 16.7.2015 - C-39/14) 383 a) Sachverhalt 383 b) Staatliche Beihilfe? 384

2. Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften über Unzulässigkeit staat-licher Beihilfen bei Auslegung des GrdstVG (BGH, 29.4.2016 - BLw 2/12) 386 a) Maßgebend ist künftig der Marktwert, nicht mehr der

innerlandwirtschaftliche Verkehrswert 387 b) Gebote in Bietverfahren zeigen grundsätzlich den Marktwert 387 c) Anmerkung 389

3. Verpachtung an den Käufer vom Landwirtschaftsgericht aufzuheben, weil sie das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht vereitelt (BGH, 29.4.2016 - BLw 2/15)390 a) Sachverhalt 390

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b) Landpachtverkehrsgesetz 391 c) BGH, 29.4.2016 - BLw 2/15 392 d) Aufhebung trotz möglicher Nichtigkeit 393

IV. Instandhaltungsrücklage bei Grunderwerbsteuer (K) 395 1. Manchmal liegt man falsch...... 395 2. Der BFH 395 3. Folgen für den Grundstückskaufvertrag 396

V. Erbschaftsteuerliches Steuerprivileg für Eigenheim (CH) 398 1. Zur Wiederholung 398

a) Gesetzestatbestand 398 b) BFH-Entscheidungen aus dem Jahr 2015 399

2. Nachversteuerung bei Weiterübertragung des geerbten, selbstgenutzten Familienheims trotz Nutzungsvorbehalts (FG Hessen, 15.02.2016) 401 a) Sachverhalt 402 b) Steuerliche Privilegierung entfällt rückwirkend, wenn Eigentum und

Nutzung binnen zehn Jahren auseinanderfallen 402 c) Revisionsentscheidung des BFH zu erwarten (II R 38/16) 403 d) Keine Rechtsbelehrungspflicht des Notars, allenfalls Warnpflicht 403

3. Nutzung (nur) durch nahe Angehörige ist keine Eigennutzung 404 a) Nutzung nur durch nahe Angehörige genügt nicht als Selbstnutzung für

Erbschaftsteuerprivileg (BFH, 05.10.2016) 404 b) Zweitwohnung ist keine Eigennutzung zu Wohnzwecken (BFH,

18.07.2013) 405

H) Verfahrensrecht 407

I. Materiell-rechtliche Erklärungen in notarieller Eigenurkunde möglich (CH) 407 1. Allgemein 407 2. OLG Zweibrücken, 9.11.2015 408

II. Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde (SH) 410 1. Sachverhalt 410 2. Entscheidung 411 3. Würdigung 413

I) Exkurs: Internationales Gesellschaftsrecht (SH) 415

I. Kollisionsrechtliche Behandlung von Auslandsgesellschaften 415 1. Sitztheorie 415 2. Gründungstheorie 415

II. BREXIT 416 1. Asset Deal. 416 2. Grenzüberschreitender Formwechsel 417 3. Grenzüberschreitende Verschmelzung 417

S. 1 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

A) Grundstückskauf

I. Erklärung des Notars als Bedingung für Erlöschen der Eigentumsverschaffungsvormerkung (SH)

1. Ausgangssituation

Schon im Jahr 2003 hat der Kollege Hagenbucher vorgeschlagen, Vorsorge für eine später ggf. erforderlich werdende Löschung der Eigentumsverschaffungsvormerkung des Käufers nicht im Wege einer Löschungsvollmacht oder einer bereits erteilten Bewilligung unter Treuhandauflage, sondern im Wege einer auflösenden Bedingung des Sicherungsrechts selbst zu treffen.1 Damit war er seiner Zeit weit voraus und seinem Vorschlag war zunächst – zu Unrecht – nicht der gebührende Erfolg vergönnt.2

Nachdem sich ein wortgewaltiger Doktor aus dem linksrheinischen Rheinland, der sich nicht zuletzt (aber nicht nur!) wegen seiner Wortgewalt seit letztem Jahr auch Professor nennen darf, im Jahr 2013 dieses Vorschlags angenommen und ihn propagiert hatte,3 setzte sich – anfangs lediglich in der notariellen Gestaltungspraxis, dann aber auch immer mehr in der Anwaltschaft – die Erkenntnis durch, dass die auflösend bedingte Vormerkung gegenüber den beiden anderen Gestaltungsoptionen lediglich Vorteile und keinerlei Nachteile aufweist.4

a) § 117 InsO; fehlende Bewilligungsbefugnis

Die Löschungsvollmacht leidet unter dem Nachteil, dass sie in der Insolvenz des Käufers wegen § 117 InsO erlischt und damit wertlos ist. Sofern der Käufer nicht zur Aufbringung des Kaufpreises in der Lage ist, liegt eine Insolvenz jedenfalls nicht gänzlich fern.

Wenngleich § 117 InsO auf verfahrensrechtliche Erklärungen keine Anwendung findet, fehlt es dem Käufer im Falle der Insolvenz im maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung an der erforderlichen Verfügungs- bzw. Bewilligungsbefugnis (§ 19 GBO). Der auf die Aufgabeerklärung direkt und auf die Bewilligung entsprechend

1 Hagenbucher, MittBayNot 2003, 249, 255 f. 2 In dieser Veranstaltung wurde das Thema – noch zu meinen Studien(end)zeiten und daher ohne

Fundstelle – selbstredend bereits vom Kollegen Amann behandelt (dem Vernehmen nach in den Aktuellen Problemen der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2003/2004).

3 Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2012/2013, DAI-Tagungsskript Feb./März 2013, S. 60 ff.

4 Vgl. aus der Gestaltungsliteratur exemplarisch: Basty, in: Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 32 Rn. 113; Everts, in: Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, A I Rn. 424 ff.; Hagenbucher, MittBayNot 2003, 249, 255 f.; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2 Kap. 2 Rn. 360 ff.; Kesseler, MittBayNot 2015, 505, 506; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Aufl. 2014, Rn. 1065; Langenfeld/Herrler, in: Münchener Vertragshandbuch, Band 5 Bürgerliches Recht I, 7. Aufl. 2013, Muster I.15a Anm. 10; Weber, RNotZ 2015, 195 ff.

S. 2 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

anwendbare § 878 BGB hilft nicht weiter, wenn der Löschungsantrag erst nach Eröffnung des Verfahrens gestellt wird.

Die auflösend bedingte Vormerkung samt korrespondierender Treuhandanweisung ist demgegenüber insolvenzfest.5

b) Nachweis der Bewilligungsbefugnis

Im Übrigen haben beide Gestaltungsvarianten den Nachteil, dass es – anders als für die Eintragung der Vormerkung selbst, die auf bloße Bewilligung des Verkäufers hin geschieht – nunmehr eines Nachweises der Existenz, der Vertretungs- bzw. Verfügungsbefugnis bzw. Bewilligungsbefugnis des Käufers bedarf, was unter anderem bei ausländischen Gesellschaften, nicht existenten Personen etc. für Schwierigkeiten sorgen kann.

c) Fazit

Sofern der Käufer daher nicht dazu bereit (oder nicht dazu in der Lage)6 ist, den Kaufpreis vor Eintragung der Vormerkung (bzw. einen relevanten Teil des Kaufpreises) auf Notaranderkonto zu hinterlegen – wodurch dem Verkäufer die maximale Sicherheit verschafft würde –, sollte bei Bedarf für eine Vorsorgegestaltung zur Löschung der Käufervormerkung stets auf die aufschiebend bedingte Vormerkung zurückgegriffen werden.

d) Details der Ausgestaltung

aa) Auswahl der auflösenden Bedingung

Als auflösende Bedingung kann die Einreichung einer (vom Grundbuchamt inhaltlich nicht zu überprüfende) Erklärung des amtierenden Notars beim Grundbuchamt bestimmt werden, dass der gesicherte Anspruch nicht besteht. Alternativ kann die auflösende Bedingung auch darin liegen, dass der Notar die Löschung der Vormerkung in einer Eigenurkunde beim Grundbuchamt beantragt.7

In jedem Fall erfolgt die Löschung der Vormerkung unabhängig von der späteren Mitwirkung des Berechtigten aufgrund eines Unrichtigkeitsnachweises im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 GBO in Gestalt der notariellen Eigenurkunde.

5 Vgl. Weber, RNotZ 2015, 195, 202 f. 6 Eine grundpfandrechtlich gesicherte Fremdfinanzierung des Kaufpreises dürfte insoweit

ausgeschlossen sein. 7 So Krauß, notar 2014, 289, 293.

S. 3 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Verteidigungsmöglichkeiten des Käufers

Meines Erachtens sollte der Käufer zur Verhinderung der Löschung der Vormerkung nicht durch die Verwendungsanweisung gezwungen werden, entweder die Kaufpreiszahlung oder die Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens (Klagelösung) nachzuweisen (anders ggf. bei einem Unternehmer als Käufer). Umgekehrt dürfte die auflösend bedingte Vormerkung einen Großteil ihrer Funktion einbüßen, wenn der Käufer die Löschung der Vormerkung durch einen bloßen Widerspruch verhindern kann (Widerspruchslösung).

Vorzugswürdig ist daher meines Erachtens in aller Regel eine vermittelnde Vorlageanweisung, wonach der Notar die Eigenurkunde nicht erstellen darf, wenn der Käufer den Nachweis der Kaufpreiszahlung oder der Erhebung einer Klage erbracht oder substantiiert dargelegt hat, dass der Kaufpreis nicht fällig ist bzw. ein Zurückbehaltungsrecht besteht (Darlegungslösung). Zwar mag eine derartige Treuhandanweisung für den Notar unbequemer sein, doch wird dadurch den berechtigten Interessen beider Beteiligten bestmöglich Rechnung getragen. Durch Erlass eines Vorbescheids kann der Notar sein bei dieser Entscheidung bestehendes Haftungsrisiko (jedenfalls weitgehend) ausschließen bei dieser Entscheidung bestehendes.

e) Auflösend bedingte Vormerkung als Standardgestaltung?

Angesichts der Seltenheit des tatsächlichen Bedarfs für eine Löschung der Käufervormerkung ist es meines Erachtens nicht geboten, im Standardfall eine auflösend bedingte Vormerkung zu bestellen, auch wenn sich der Verkäufer bei fehlender Kaufpreiszahlung durch den Käufer in der konkreten Situation erheblichen Schwierigkeiten bei der Bereinigung des Grundbuchs zwecks erneuten Verkaufs ausgesetzt sieht.8

Denn nach (umstrittener) Auffassung des BGH handelt es sich bei der Bewilligung und Eintragung einer Eigentumsverschaffungsvormerkung nicht um eine ungesicherte Vorleistung des Verkäufers, auf welche der Notar in Erfüllung seiner Rechtsbelehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG hinzuweisen hätte.9 Vielmehr dürfte es sich aus Sicht des Verkäufers empfehlen, nicht übereilt zu beurkunden, sondern sich zunächst Gewissheit von der Leistungsfähigkeit des Käufers zu verschaffen.10 Dies gilt insbesondere für gewerbliche Verkäufer.

Nicht übersehen werden sollte bei Aufnahme einer auflösend bedingten Vormerkung in den Kaufvertrag, dass dadurch unter Umständen zu hohe Erwartungen des

8 So jüngst auch Grüner, notar 2016, 428. 9 BGH NJW 1993, 2744, 2745. 10 Grziwotz, MietRB 2016, 359, 360.

S. 4 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Verkäufers geweckt werden. Denn der Notar kann keine Gewähr für die unkomplizierte Löschbarkeit der Vormerkung übernehmen, da er zumindest bei substantiierten Einwänden des Käufers, die sich nicht mit Gewissheit als bloße Schutzbehauptungen qualifizieren lassen, von der Erstellung der Eigenurkunde absehen (und im eigenen Interesse muss) und die Beteiligten auf das Gerichtsverfahren verweisen wird.

Sofern im Einzelfall allerdings bei typisierender Betrachtung Anhaltspunkte für ein eine erhöhte Gefahr des Scheiterns des Kaufvertrags bestehen, sollte die Aufnahme einer auflösend bedingten Vormerkung erwogen werden, so insbesondere bei

- Erwerb durch eine in Gründung befindliche Kapitalgesellschaft,

- Erwerb durch eine ausländische Gesellschaft,

- erkennbar nicht gesicherter Finanzierung.11

2. Störfeuer

Ganz überwiegend verlief die Umstellung hin zum Modell der auflösend bedingten Vormerkung reibungslos. Einige Grundbuchämter verweigerten jedoch die Eintragung einer derartigen auflösenden Bedingung. Stellvertretend hierfür seien die Argumente Jurksch zusammenfassend referiert:

Bei der auflösend bedingten Vormerkung handele es sich im Ergebnis um den „Versuch, die für eine Löschung im Grundbuch gemäß § 19 GBO notwendige Bewilligung des Berechtigten und das Verbot der Vereinbarung von Beweiserleichterungen zu umgehen, um damit das Grundbuchamt als Prüfungsinstanz weitgehend ‚auszuschalten‘.“

Da die Vormerkung den Berechtigten vor nachteiligen Verfügungen des Grundstückseigentümers schützen soll, sei es mit deren Sinn und Zweck unvereinbar, den Schutz soweit aufzuweichen, dass ein einfacher Löschungsantrag eines Dritten und sei es des Notars zur Vernichtung der Vormerkung genügen soll. Auf diese Weise werde das Risiko bei Vertragsstörungen einseitig auf den Käufer verlagert, was nicht sachgerecht sei, da der Verkäufer die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Käufer freiwillig eingegangen sei (pacta sunt servanda) und daher sein Interesse, im Streitfall möglichst schnell anderweitig über das Grundstück verfügen zu können, zurückstehen müsse.

11 BGH NJW 1993, 2744. Vgl. auch Grüner, notar 2016, 428 f.; Hertel, in: Würzburger

Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2 Kap. 2 Rn. 362.

S. 5 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Schließlich müsse eine Bedingung im Sinne von § 158 BGB stets der Eintritt eines künftigen, ungewissen Ereignisses sein, woran es vorliegend fehle.12

Man höre und staune!

Im ersten Moment mag man vielleicht geneigt sein, auf dieses Störfeuer ungehalten zu reagieren. Die vorgebrachten dogmatischen Argumente vermögen allesamt nicht zu überzeugen:

Bei der auflösenden Bedingung egal in welcher der vorstehend geschilderten Ausgestaltungen handelt es sich aufgrund der Verteidigungsmöglichkeiten des Käufers und der vom Notar strikt zu beachtenden Verwendungsanweisung um ge, deren Eintritt allein im Belieben des Verkäufers steht.

Ebenso wenig tritt das die auflösende Bedingung darstellende Ereignis mit Gewissheit ein (und wäre damit als Bedingung unzulässig), da im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststeht, ob später überhaupt ein entsprechendes Löschungsverfahren vom Verkäufer eingeleitet wird, ob sich der Käufer hiergegen verteidigt und welche Entscheidung der beurkundende Notar im Hinblick auf die Erstellung der Eigenurkunde über das Erlöschen des Anspruchs bzw. die Stellung des Löschungsantrags trifft. Ob die auflösende Bedingung eintritt, ist daher ungewiss.

Schließlich ist nicht ersichtlich, weshalb in einer materiell-rechtlich zulässigen, hinreichend bestimmten Ausgestaltung eines bedingten Rechts eine unzulässige Umgehung des Formprinzips des § 29 GBO liegen sollte. Letzteres ordnet lediglich an, in welcher Form eine Eintragungsbewilligung, eine sonstige zur Eintragung erforderliche Erklärung oder eine andere Voraussetzungen der Eintragung nachzuweisen ist. Ein materieller Gehalt kommt § 29 GBO indes nicht zu. Das Grundbuchamt hat daher lediglich zu prüfen, ob die vom Besteller bzw. von den Parteien privatautonom bestimmte Bedingung eingetreten und deren Eintritt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist, sei es in Gestalt einer notariellen Eigenurkunde, der Erklärung einer Partei oder eines sonstigen Nachweises in der Form des § 29 GBO.13

Bei näherer Betrachtung ist indes zu konstatieren, dass Jurksch durchaus mit einigem Recht auf die Achillesverse dieser Gestaltung – wie auch aller anderen Schubladenlöschungen – hinweist, die Anweisung an den beurkundenden Notar hinsichtlich der Anforderungen an die Ausübung.

12 Jurksch, Rpfleger 2016, 131, 132. 13 Vgl. Gutachten DNotI-Report 2016, 61 ff.; Weber, Rpfleger 2016, 460 ff., mit Erwiderung von

Jurksch, Rpfleger 2016, 464.

S. 6 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Zum einen müssen die Voraussetzungen für die Erstellung der die auflösende Bedingung darstellenden Eigenurkunde präzise formuliert werden und zum anderen müssen die Bedingungen einen hinreichenden Schutz des Käufers vor unberechtigtem Verlust seiner zentralen Sicherheit vermitteln. Die Weisungen in dem der Entscheidung des OLG Schleswig (siehe unten) zugrunde liegenden Sachverhalt erfüllten diese Anforderungen nicht.14

Vgl. hierzu oben zu den Verteidigungsmöglichkeiten des Käufers sowie die im Beschluss des BGH vom 1.10.2015 – V ZB 171/14, DNotZ 16, 151 ff. aufgestellten Anforderungen und das nachfolgende Formulierungsbeispiel.15

Die Diskussion um die Zulässigkeit einer auflösend bedingten Vormerkung und eine Bedingung in Gestalt einer notariellen Eigenurkunde dürfte sich mittlerweile mit zwei Entscheidungen des OLG Schleswig und des Kammergerichts erledigt haben, die das widerspenstige Grundbuchamt jeweils – unabhängig von den konkreten Anweisungen an den Notar im Einzelfall – zur Eintragung der auflösend bedingten Vormerkung verpflichteten.

a) OLG Schleswig, Beschl. v. 27.7.2016 - 2 Wx 55/16 1. Eine Auflassungsvormerkung kann unter der auflösenden Bedingung bestellt werden, dass der Notar durch Eigenurkunde eine Erklärung über das Vorliegen der Löschungsvoraussetzungen abgibt bzw. einen Löschungsantrag stellt.

2. Es ist nicht erforderlich, dass der Vertrag konkrete Weisungen an den Notar enthält, wie dieser im Falle der vom Verkäufer angezeigten Nichtzahlung des Kaufpreises vorzugehen hat. (Leitsätze der DNotI-Redaktion) OLG Schleswig DNotI-Report 2016, 121 = notar 2016, 427 m. Anm. Grüner = NotBZ 2017, 76.

Tz. 14 juris: „Es trifft zunächst nicht zu, dass mit dieser Gestaltung in unzulässiger Weise eine Beweiserleichterung für das Grundbuchverfahren vereinbart würde. Die Vertragsparteien haben es zwar selbstverständlich nicht in der Hand, abweichend von § 29 GBO Nachweiserleichterungen zu vereinbaren und damit das Grundbuchamt zu binden[…]. Sie haben aber […] die Möglichkeit, die Bedingung so auszugestalten, dass sie in der Abgabe einer bestimmten Erklärung als solcher liegt und der Eintritt damit dem Grundbuchamt nach Maßgabe des § 29 GBO durch Vorlage einer entsprechenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde nachgewiesen werden kann.“

Tz. 15 juris: „Nicht richtig ist ferner die von Jurksch aufgestellte Annahme, die Einreichung eines Löschungsantrages sei kein ungewisses (sondern ein gewisses) Ereignis und damit als Bedingung im Sinne des § 158 BGB ungeeignet. Zwar kann die Löschung einer Vormerkung nach § 13 GBO nur auf Antrag erfolgen. Bei der Bestellung des Rechts ist jedoch nicht sicher, ob die Löschung zu einem späteren Zeitpunkt überhaupt betrieben wird, und erst recht nicht, ob dies gerade mit einem gesiegelten Löschungsantrag des beurkundenden Notars geschieht, weil der Kaufvertrag nicht

14 Vgl. OLG Schleswig DNotI-Report 2016, 121, 123. 15 Hierzu auch Kesseler, in: Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im

Immobilienrecht 2015/2016, S. 83 ff.

S. 7 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

abgewickelt werden kann […]. Es ist sogar viel wahrscheinlicher, dass der Vertrag wie geplant durchgeführt und die Vormerkung mit der Eigentumsumschreibung auf formlosen Antrag des Notars aufgrund der vom Käufer für diesen Fall vorab erklärten Löschungsbewilligung gelöscht wird.“

Tz. 16 juris: „Insbesondere ist es nicht in der von Jurksch vertretenen allgemeinen Form zutreffend, dass ein "simpler Löschungsantrag" nur eine "Pseudo-Bedingung" und daher mit dem Sicherungszweck der Vormerkung unvereinbar sei. Der Notar ist nach § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten. Er hat nach § 14 Abs. 2 BNotO seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, und ist dem Haftungsrisiko nach § 19 BNotO ausgesetzt. Ob der beurkundende Notar den gesiegelten Löschungsantrag stellt, ist keine "simple" Formsache, sondern durch den Notar unter Bindung an seine Amtspflichten zu entscheiden.“

Tz. 17 juris: „Es trifft zwar zu, dass ein dingliches Recht nicht unter einer reinen Wollensbedingung bestellt werden kann, die den Bestand des Rechts allein vom Willen einer der an einer sachenrechtlichen Verfügung beteiligten Personen abhängig macht […]. Eine Vormerkung kann nicht unter der auflösenden Bedingung bestellt werden, dass der Veräußerer selbst einseitig erklärt, das Recht solle gelöscht werden. Wenn die auflösende Bedingung hingegen darin besteht, dass der beurkundende Notar einen gesiegelten Löschungsantrag stellt, handelt es sich nicht um eine derartige Wollensbedingung […]. Es stimmt nicht, dass der Satz "die Löschung wird beantragt" nichts anderes heißt als "der Eigentümer will, dass die Vormerkung gelöscht wird" (so aber Jurksch, a. a. O., S. 132). Der Eigentümer ist zwar in der Regel derjenige, der ein Interesse an der Löschung der Vormerkung hat und den Notar auffordert, den Löschungsantrag zu stellen. Ob der Notar dem aber tatsächlich nachkommt, hängt nicht allein vom Willen des Eigentümers ab, sondern ist von dem Notar unter Wahrung seiner Amtspflichten und der ihm wirksam erteilten Weisungen der Urkundsbeteiligten zu entscheiden.“

b) KG, Beschl. v. 11.10.2016 - 1 W 337/16

Es ist rechtlich möglich, eine Vormerkung unter die auflösende Bedingung zu stellen, dass beim Grundbuchamt eine Erklärung des Urkundsnotars eingereicht wird, der gesicherte Anspruch bestehe nicht.

KG FGPrax 2016, 250 m. Anm. Milzer = MietRB 2016, 359 (Grziwotz).

„Vorliegend steht das Erlöschen der Vormerkung […] nicht nur im bloßen Wollen des Verpflichteten. Erforderlich ist eine Erklärung des Urkundsnotars, also die Handlung eines Dritten. In der Erklärung des Notars ist auch nicht deshalb eine Wollensbedingung zu sehen, weil der Verkäufer ihn nach seinem Belieben zur Abgabe anweisen könnte. Vielmehr haben die Parteien des Kaufvertrags dem Notar übereinstimmend die einseitig nicht widerrufbare Weisung erteilt, die Erklärung nur unter bestimmten Voraussetzungen abzugeben.“

„Die Anweisung […] gilt nach dem Gesamtzusammenhang auch für die Abgabe der Erklärung, dass der gesicherte Anspruch nicht bestehe. Danach bedarf es neben der Rücktrittserklärung und dem Löschungsverlangen des Verkäufers auch eines Verhaltens des Käufers: Der Notar darf die Erklärung nur abgeben, wenn der Käufer den Nachweis der Kaufpreiszahlung oder Klageeinreichung unterlässt. Eine solche Potestativbedingung ist zulässig.“

„Aus den gleichen Gründen widerspricht die bewilligte Eintragung auch nicht dem Sicherungszweck einer Vormerkung. Ob die Regelungen des Kaufvertrags ausgewogen oder sinnvoll erscheinen, ist vom Grundbuchamt nicht zu prüfen. Weiter ist es unerheblich, dass die Löschung der Vormerkung ggf. ohne verfahrensrechtliche Erklärung des Käufers erfolgen kann.

S. 8 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die Vormerkung wird auf Grund einseitiger Bewilligung des Verkäufers eingetragen, der befugt ist, das Sicherungsmittel zu befristen oder unter eine auflösende Bedingung zu stellen. Ist – wie hier – nur die Vormerkung, nicht auch der gesicherte Anspruch auflösend bedingt, erlischt (nur) die Vormerkung mit dem Eintritt der Bedingung entsprechend § 158 Abs. 2 BGB; die Löschung kann gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 GBO […], wenn der Unrichtigkeitsnachweis in der Form des § 29 Abs. 1 GBO möglich ist. Das ist hier der Fall, da die auflösende Bedingung nicht in dem Erlöschen des gesicherten Anspruchs, sondern in der Vorlage einer bloßen Erklärung des Notars besteht. Für diese ist § 29 Abs. 1 GBO durch eine notarielle Beurkundung oder (im Rahmen des § 24 Abs. 1 BNotO) durch eine unterschriebene und gesiegelte Eigenurkunde des Notars gewahrt.“

3. Formulierungsvorschlag

Eine auflösende Bedingung samt der zugehörigen, einen hinreichenden Schutz des Käufers gewährleistenden Anweisungen an den beurkundenden Notar könnte beispielsweise wie folgt aussehen:

(Zur Vormerkung)

Die Beteiligten bewilligen und der Käufer beantragt die Eintragung einer den Eigentumsverschaffungsanspruch des Käufers sichernden Vormerkung. Die Vormerkung steht unter der auflösenden Bedingung der Einreichung einer vom Grundbuchamt inhaltlich nicht zu überprüfenden Erklärung des amtierenden Notars beim Grundbuchamt, dass der gesicherte Anspruch nicht besteht.

(Verwendungsanweisung)

Der Notar wird angewiesen, die Erklärung, wonach der durch die Eigentums-vormerkung des Käufers gesicherte Anspruch nicht besteht, dann zu erstellen und dem Grundbuchamt einzureichen, wenn

- er die Kaufpreisfälligkeitsmitteilung an den Käufer versandt hat,

- der Verkäufer dem Notar gegenüber schriftlich erklärt hat, wegen Zahlungsverzugs vom Vertrag zurückgetreten zu sein,

- der Notar dem Käufer an dessen dem Notar zuletzt bekannt gemachte Adresse schriftlich und unter Übersendung einer Kopie der Erklärung des Verkäufers mitgeteilt hat, dass er nach Ablauf einer Frist von vier Wochen ab dem Datum der Mitteilung die die auflösende Bedingung darstellende Erklärung erstellen und dem Grundbuchamt einreichen werde, und

- der Käufer innerhalb der 4-Wochen-Frist dem Notar weder den Nachweis der Kaufpreiszahlung und/oder der Erhebung einer Klage auf Feststellung erbracht hat, den Kaufpreis nicht oder nur in der bereits entrichteten Höhe zu schulden, und auch nicht substantiiert Gründe dargelegt hat, wonach der Kaufpreis nicht fällig ist oder ein Zurückbehaltungsrecht besteht.

Soweit der Käufer durch Bankbestätigung Teilzahlungen auf den Kaufpreis nachgewiesen hat, darf der Notar die vorstehende Erklärung nur abgeben, wenn dem Notar die Rückzahlung durch Bankbestätigung nachgewiesen oder der Betrag auf ein

S. 9 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Notaranderkonto mit der unwiderruflichen Anweisung eingezahlt ist, diesen nach Löschung der Vormerkung an den Käufer zurückzuzahlen.

Der Notar hat darüber belehrt, dass er nicht nachprüfen kann, ob der Verkäufer materiell-rechtlich zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt war. Sofern der Notar hieran begründete Zweifel hat, wird er die Erstellung der die auflösende Bedingung darstellenden Eigenurkunde aussetzen und den Beteiligten im Wege eines Vorbescheids Gelegenheit geben, die Berechtigung des Rücktritts gerichtlich überprüfen zu lassen.

Damit sind meines Erachtens die vom BGH im Beschluss vom 1.10.2015 – V ZB 171/14, DNotZ 16, 151 ff. aufgestellten Anforderungen – auch in einer AGB-Konstellation – gewahrt.16

16 Ähnlich Kesseler, in: Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht

2015/2016, S. 94.

S. 10 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Zahlung vor erfolgter Lastenfreistellung ist keine AGB-widrige Vorleistung (K)

OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.7.2016 - I-21 U 126/15, RNotZ 2016, 513 (m. zust. Anm. Böttcher)

1. Rückschau

Im vergangenen Jahr hatten wir an dieser Stelle das für die Praxis sehr beunruhigende Urteil des LG Düsseldorf besprochen.

Das in dem Fall verzögernde Element war die Weigerung eines Privatgläubigers gewesen, die Löschungsunterlagen für ein längst bezahltes Zwangssicherungsrecht zu erteilen.

Zwischen V und K wurde am 10. Januar ein Grundstückskaufvertrag beurkundet. Das Grundbuch wies eine valutierende Grundschuld für die Commerzbank und eine nicht valutierende Zwangssicherungshypothek für einen Privatgläubiger aus. Löschungsunterlagen bzw. grundbuchtaugliche Zahlungsnachweise lagen dem Verkäufer nicht vor. Der Notar wurde angewiesen, diese im Rahmen der Abwicklung des Kaufvertrages für alle Beteiligten zu treuen Händen einzuholen. Der Privatgläubiger erteilte trotz zweifelsfrei erfolgter Befriedigung die Löschungsbewilligung auf Anforderung des Notars nicht, woraufhin dieser verklagt werden musste. Erst Anfang Juli lag dem Notar schließlich die Löschungsbewilligung zur Privatgrundschuld vor. Der Käufer hatte schon im März den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, nachdem er dem Verkäufer mit anwaltlichem Schreiben am 22.2. eine Frist bis zum 7.3. zur Beschaffung der Löschungsunterlagen gesetzt hatte.

Nach dem Urteil sollte es zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen ungesicherten Vorleistung führen, wenn bei Kaufpreiszahlung Löschungsunterlagen zu nicht übernommenen Grundpfandrechten nicht auflagenfrei, sondern nur verbunden mit Treuhandauflagen zur Zahlung bestimmter Beträge aus dem Kaufpreis vorliegen.

Wir hatten im vergangenen Jahr festgehalten, dass diese Auffassung das gesamte Abwicklungssystem notarieller Kaufverträge zum Erliegen bringt.17

17 Siehe dazu auch Kesseler, RNotZ 2015, 432ff.

S. 11 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Korrektur durch das OLG

Das Berufungsgericht in Person des OLG Düsseldorf stellte nun fest, dass den Verkäufer selbstverständlich keine Pflicht trifft, die Löschungsunterlagen auflagenfrei zu beschaffen oder den Kaufgegenstand schon vor Vertragsabschluss lastenfrei zu stellen.

Die Vereinbarung, dass der Käufer bis maximal zur Höhe des Kaufpreises an den Grundschuldgläubiger leisten solle, sobald die Vormerkung ihn hinsichtlich des Eigentums sichere, führe nicht zu einer unzulässigen Vorleistungspflicht.

Dieses Ergebnis war zu erwarten. Es war kaum wahrscheinlich, dass die Rechtsprechung des LG, die zu einer vollständigen Umstellung aller Kaufverträge hätte führen müssen, der Prüfung des Berufungsgerichts standgehalten hätte.

3. Beschaffung der Löschungsunterlagen des widerspenstigen Gläubigers

Interessant sind die Ausführungen des OLG zu den Pflichten des Verkäufers in Bezug auf die Beschaffung der Löschungsunterlagen des widerspenstigen Privatgläubigers.

Wie schon prognostiziert,18 zwang die Aufhebung des Urteils des LG das Berufungsgericht zu der Frage Stellung zu nehmen, wie lange ein Erwerber dann, wenn keine festen Terminvorgaben im Kaufvertrag gemacht werden, darauf warten muss, dass es dem Verkäufer gelingt, die Löschungsunterlagen abzulösender Belastungen zu beschaffen.

Das OLG beschäftigt sich in zwei Schritten mit der Zuordnung der Verantwortung für die Verzögerung des Vorliegens der Löschungsunterlagen.

a) Verantwortung für die Beschaffung der Unterlagen

Das OLG sieht im ersten Schritt keine Beschaffungsverantwortung für die Löschungsunterlagen in der Person des Verkäufers, denn:

„Die Beklagten mussten auch nicht damit rechnen, dass die Gläubigerin des Rechts unter Nr. 8 angesichts der bereits vor längerer Zeit unstreitig eingetretenen Erfüllung des gesicherten Anspruchs die Bewilligung der Löschung verweigern würde. Jede am Rechtsverkehr beteiligte Person darf

18 Kesseler, RNotZ 2015, 432, 434.

S. 12 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich der andere rechtstreu verhalten wird.“19

Danach war es allein Sache des Verkäufers dafür zu sorgen, dass alle notwendigen Schritte unternommen werden, um die Löschungsunterlagen zu beschaffen.

b) Zeitdauer der Beschaffung

§ 271 Abs. 1 BGB bestimmt für die Fälligkeit ein dreistufiges Ermittlungssystem:

Danach bestimmt sich die Fälligkeit einer Leistung zunächst nach den vertraglichen Abreden. Ist im Kaufvertrag dazu ausdrücklich geregelt, bis zu welchem Zeitpunkt Löschungsunterlagen vorliegen müssen, greift selbstredend diese Leistungszeit.

Ist eine ausdrückliche vertragliche Abrede nicht gegeben, so kann sich die Fälligkeit aus den Umständen ergeben.

Sind auch solche Anhaltspunkte nicht gegeben, ist die Leistung im Zweifel sofort fällig.

Im vorliegenden Fall waren vertragliche Abreden nicht getroffen und schon aufgrund der Anweisungen an den Notar zum Vollzug der Urkunde klargestellt, dass die Beschaffung der Löschungsunterlagen erst noch herbeigeführt werden muss. Entsprechend kam die Ermittlung der Leistungszeit nur aus den Umständen in Frage.

Dazu bemerkt das OLG unter Rz. 30:

„Mithin schuldeten die Kläger, wie jeder andere Grundstücksverkäufer auch, nach Vertragsschluss alles zu tun, um eine möglichst zeitnahe Lastenfreistellung des Grundstücks zu gewährleisten. Der Notarvertrag enthält an keiner Stelle eine Regelung, dass die Lastenfreistellung „sofort“ zu erfolgen hat, wie die Kläger meinen. Solches ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus § 271 Absatz 1 BGB, da sich die Leistungszeit danach „aus den Umständen“ ergibt. Bei der Lastenfreistellung des veräußerten Grundstücks ist aus den Umständen zu entnehmen, dass der Verkäufer alles tun muss, um eine solche möglichst zeitnah – unverzüglich – herbeizuführen. Ein schuldhaftes Zögern der Beklagten vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Mit den zur Abwicklung des Vertrages erforderlichen Arbeiten war der Notar ausdrücklich beauftragt und hat diese auch durchgeführt, wie ein Blick auf die Zeitabläufe zeigt. Zudem haben sich die Beklagten über ihren damaligen Rechtsanwalt (und dieser in Rücksprache mit dem Anwalt der Gläubigerin) um eine schnelle Lösung des Problems bezüglich der Löschung des Rechts unter Nr. 8 bemüht. Im Übrigen hat

19 OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.7.2016 - I-21 U 126/15, RNotZ 2016, 513 unter I. 1. a).

S. 13 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der Notar alle sonstigen erforderlichen Unterlagen zeitnah eingeholt. Die Abläufe zur geschuldeten Lastenfreistellung rechtfertigen daher keinen Rücktritt.“

Es soll danach ausreichen, dass sich der Verkäufer nur ausreichend um die Lastenfreistellung bemüht. Hindernisse und Erschwernisse auf dem Weg dorthin hat in zeitlicher Hinsicht der Käufer zu tragen.

Hat der Verkäufer also getan, was er zur Beschaffung der Unterlagen tun konnte, muss der Käufer warten. Ein Recht zum Rücktritt besteht nicht.

Anderes wird sicher dann zu gelten haben, wenn der Verkäufer aus vorangegangenen Verhalten des Löschungsschuldners hat ablesen können, dass es zu Schwierigkeiten kommen würde. Daraus ließen sich sicherlich Beschaffungs- zumindest aber Warnpflichten ableiten. Wo dies aber nicht der Fall ist, beschränkt sich das Pflichtenheft des Verkäufers auf die Beschaffungsbemühungen.

4. Rechtliche Risiken für den Käufer

Die rechtlichen Risiken, die sich aus dem Urteil des OLG Düsseldorf für den Käufer einer derart belasteten Immobilie ergeben, liegen auf der Hand:

Die Zeitdauer des Löschungsverfahrens liegt vollständig im Risikobereich des Käufers.

Erlischt das Leistungsinteresse des Käufers wegen Zeitablaufs sind Schadenersatzansprüche gegen den Verkäufer nicht gegeben.

Beide Gesichtspunkte stellen für den Käufer ein erhebliches Risiko dar. Kann er sich von einem Vertrag nicht lösen, dessen Abwicklung zeitlich aus den Fugen gerät, ist seine Planungsmöglichkeit vollständig eingeschränkt. Hinzu kommt, dass der ihm aus der Nichtabnahme der Finanzierungsdarlehen entstehende Schaden erhebliche Ausmaße annehmen kann.

5. Bewertung des Urteils

Kernthese des OLG Düsseldorf ist, dass es sich bei der im Sinne des § 271 Abs. 1 BGB geschuldeten Leistung des Schuldners um die Beschaffung der Löschungsunterlagen handelt und dass mangels anderer Anhaltspunkt aus den vertraglichen Vereinbarungen die vom Gesetz genannten Umstände den Verkäufer nur dazu verpflichten, unverzüglich die Beschaffungsmaßnahmen einzuleiten, nicht jedoch, diese innerhalb bestimmter Zeit auch vorlegen zu können.

S. 14 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Reales (Horror-)Beispiel:

Ein Grundstück ist belastet mit einer Grundschuld zu Gunsten der griechischen Alpha Bank, die ihre ehemalige Zweigniederlassung in Deutschland mittlerweile geschlossen hat. Der Kaufvertrag zu dem Grundstück wurde 2014 beurkundet. Bislang liegen noch keine Löschungsunterlagen der griechischen Bank vor – der Käufer wartet weiter.

Leistungsverpflichtung des Verkäufers ist aber nicht die Beschaffung von Löschungsunterlagen, sondern einer rechtsmangelfreien Sache.

a) Zeitpunkt

Die Fälligkeit dieser Verpflichtung kann nicht allein an der Beschaffung der Lastenfreistellungsunterlagen festgemacht werden. Leistungshandlung ist damit nicht die Anforderung von Unterlagen, sondern die Übereignungsleistung und zwar rechtsmangelfrei.

Dies wird an einem einfachen Beispiel deutlich:

Hätte im Fall des OLG Düsseldorf der Käufer den Kaufpreis einfach geleistet, wäre die Übereignungsverpflichtung fällig geworden. Die Herstellung der Lastenfreiheit wäre dann zwingende Folge der ansonsten rechtsmangelbehaftet gelieferten Sache gewesen.

Für die Frage der Fälligkeit der Leistung des Verkäufers kann es nicht auf die ungewisse Zeitdauer der Beschaffung der Lastenfreistellungsunterlagen ankommen. Vielmehr bedeutet die in § 271 Abs. 1 BGB definierte Fälligkeit nach den „Umständen“ diejenige Zeitdauer, die nach allgemeinen Maßstäben für die Beschaffung der Unterlagen erwartet werden darf.

Leistungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, zu dem diese erbracht werden muss, nicht zu der die Beschaffungsmaßnahmen begonnen werden.

Ohne besondere Anhaltspunkte ist ein Zeitraum von vier bis sechs Wochen sicher angemessen, wenn es sich bei den eingetragenen Berechtigten um Profis (Banken, Gebietskörperschaften, Großunternehmen) handelt. Natürlich kann der Verkäufer auf den Zeitraum dadurch Einfluss nehmen, dass er bereits im Vorfeld des Kaufvertrages Kontakt mit den Berechtigten aufnimmt und so zumindest die Recherchezeit verkürzt. Sind private Berechtigte involviert, ist auch dies angemessen zu berücksichtigen.

S. 15 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Das OLG Düsseldorf definiert dies nun ausdrücklich anders und für den Käufer problematisch.

b) Schadenersatz

Das zweite durch das OLG Düsseldorf uns vor Augen geführte Problem besteht darin, dass dem Verkäufer grundsätzlich, so er keine Kenntnis von der Kooperationsunwilligkeit des Löschungsverpflichteten hat, kein Verschulden für das Steckenbleiben der Bemühungen um die Lastenfreistellungsunterlagen trifft.

Wenn der Vertrag aufgrund des Zeitablaufs für den Käufer uninteressant oder unzumutbar wird, bleibt er regelmäßig nicht schadlos zurück. Selbst wenn man Aspekte eines etwaigen positiven Interesses ausblendet, fallen sofort Notar- und Gerichtskosten und vor allem etwaige Schäden aus der Nichtabnahme von Darlehen ins Auge. Etwa sonst getroffene Dispositionen wie der Verkauf des eigenen Hauses vergrößern das Risiko zusätzlich.

Ist dem Verkäufer die Blockade eines der dinglich Berechtigten nicht zuzurechnen, bleibt der Käufer auf solchen Schäden sitzen.

6. Gestaltungsnotwendigkeit?

Idealerweise werden Belastungen, deren Beseitigung im Zuge der Abwicklung des Kaufvertrages zum Problem werden können, im Vorhinein identifiziert und die Vertragsgestaltung entsprechend angepasst.

Das Problem sind die Belastungen, die sich später als Problemfälle erweisen.

Im Grunde geht es um zweierlei:

1. Ist es im Interesse des Käufers erforderlich, vertraglich einen Zeitpunkt zu definieren, ab dessen Verstreichen der Rücktritt vom Kaufvertrag möglich ist, wenn bis dahin die Durchführung des Vertrages nicht möglich ist?

2. Wem ist das finanzielle Risiko des Scheiterns des Vertrages zuzuweisen?

a) Leistungszeit

Die erste Frage hatten wir an dieser Stelle im vergangenen Jahr verneint, und zwar deshalb, weil die Bestimmung des Leistungszeitpunktes aus den Umständen vermeintlich zu überschaubaren Leistungszeiträumen führt. Wer nun aber die

S. 16 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

vertragliche Leistungszeit mit dem OLG Düsseldorf danach bestimmt sieht, „dass der Verkäufer alles tun muss, um eine solche möglichst zeitnah – unverzüglich – herbeizuführen“, der wird nicht umhinkommen, ausdrücklich die Frage anzusprechen, ab welchem Zeitpunkt des Zuwartens es dem Käufer denn unzumutbar wird.

Formulierungsvorschlag:

„Die zur Lastenfreistellung des Kaufgegenstandes erforderlichen Unterlagen sind dem Notar innerhalb von 3 Monaten ab heute vorzulegen.“

b) Risikozurechnung

Bei der zweiten Frage handelt es sich um eine schlichte der Risikoverteilung für von keiner Seite zu vertretende Leistungsstörungen. Wie das OLG Düsseldorf im konkreten Fall festgestellt hat, konnte der Verkäufer gerade nicht absehen, dass sich der noch eingetragene dinglich Berechtigte entgegen seiner Verpflichtungen verhalten würde.

Das Problem dieser Risikozurechnung besteht nun darin, dass in all den Fällen, in denen der Verkäufer Probleme auf der Ebene der Lastenfreistellung vorhersehen kann oder jedenfalls können müsste, ihn ohnehin das Pflichtverletzungsrisiko trifft. Es geht damit tatsächlich nur um die Fälle, in denen auch der Verkäufer von den Problemen überrascht wird.

Bleibt die Frage ungeregelt, liegt das Risiko beim Käufer.

Sieht man die Notwendigkeit einer Verschiebung dieses Zufallsrisikos zur Person des Verkäufers, muss dies im Wege der ausdrücklich verschuldensunabhängigen Zuweisung geschehen.

Formulierungsvorschlag:

„Für deren Beschaffung trifft den Verkäufer die verschuldensunabhängige Haftung.“

S. 17 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

7. Fälligkeitsmitteilung nur an den Käufer

Im vergangenen Jahr20 hatte ich noch darüber geklagt, dass sich das Landgericht um die interessante Frage herumgedrückt habe, an wen die Fälligkeitsmitteilung verbindlich zuzustellen sei.

Ich hatte dazu darauf verwiesen, dass es sich bei der Fälligkeitsmitteilung um eine sonstige Betreuungstätigkeit nach § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO handele. Ausdrückliche Regelungen dazu, an wen Zustellungen in einem solchen Betreuungsverfahren zu erfolgen haben, trifft weder die BNotO noch das BeurkG. Da es sich auch bei dieser betreuenden Tätigkeit letztlich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, dürften auch die dortigen Verfahrensgrundsätze Anwendung finden.

Erläuterungen dazu, ob sich aus der Bestellung eines Rechtsanwaltes im Verfahren der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages eine verdrängende Empfangszuständigkeit auch für die Fälligkeitsmitteilung ergibt, konnte ich nicht finden. Es besteht allerdings durchaus die Möglichkeit, dass für die Empfangnahme dieser Mitteilung21 § 15 Abs. 3 FamFG anzuwenden ist. Danach sind Mitteilungen grundsätzlich an alle Beteiligten zuzustellen. Ist ein Verfahrensbevollmächtigter nach § 10 Abs. 2 FamFG bestellt worden, so muss nach den Bestimmungen des FamFG an diesen mitgeteilt werden (§ 172 ZPO).22

=> Voraussetzung ist natürlich, dass die Bestellung des Anwalts dem Notar angezeigt wurde, §§ 80 ZPO und 11 FamFG.

Das OLG Düsseldorf sieht den Fall nicht so komplex. Es verneint eindeutig eine Notwendigkeit zur Herstellung der vertraglich vereinbarten Fälligkeit, die Fälligkeitsmitteilung verbindlich dem Anwalt des Käufers zuzustellen. Dazu heißt es unter Rz. 34:

Angesichts der auch insoweit eindeutigen Regelungen im Vertrag, durfte bzw. musste die Fälligkeitsmitteilung auch an die Beklagten persönlich erfolgen, gerade angesichts der kurzen Zahlungsfrist. Davon wurde der Notar durch die Anzeige der anwaltlichen Vertretung nicht entbunden oder gar verpflichtet, diese nur an den Rechtsanwalt zu erteilen.

20 Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, DAI- Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2015/2016, S. 16.ff. 21 Zu den empfehlenswerten Methoden des Versands (einfacher Brief, Einschreiben, Gerichtsvollzieher, etc) siehe DNotI-Report 2007, 84. 22 BGH BeckRS 2010, 15618 (zur Zustellung); MünchKommFamFG/Pabst, 2. Aufl. 2013, § 15 Rn. 4; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, FamFG, 4. Aufl. 2013, § 15 Rn. 27; einschränkend Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2013, § 15 Rn. 23 ff.

S. 18 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bei nochmaligem Nachdenken ist diese kurze Abhandlung des OLG auch die einzig richtige Bewertung. Zwar bestimmen sich die Pflichten des Notars möglicherweise nach den vorgenannten Verfahrensregeln. Was aber die Fälligkeit des Kaufpreises angeht, liegt dieser in der Dispositionsbefugnis der Beteiligten und ist nicht verfahrensrechtlich vorgeprägt. An welche Voraussetzungen materiell die Fälligkeit geknüpft wird, hat nichts mit der verfahrensrechtlichen Wirksamkeit von Verfahrensmaßnahmen zu tun.

Gleichwohl möchte ich an der Empfehlung aus dem vergangenen Jahr23 festhalten, wonach bei Beteiligung eines Anwaltes zumindest auch an diesen zuzustellen ist, auch wenn dies für die materiellen Wirkungen der Fälligkeitsmitteilung irrelevant sein mag.

23 Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, DAI- Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2015/2016, S. 16, 27.

S. 19 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

III. Gestaltung von Belastungsvollmachten (K)

1. Ausgangsfall: BGH zur Prüfungspflicht des Grundbuchamtes bei Belastungsvollmacht

BGH, Beschl. v. 21.4.2016 - V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853 = FGPrax 2016, 145 = NJW-RR 2016, 1295 = NotBZ 2016, 386 m. Anm. Reithmann = Rpfleger 2016, 537 = ZfIR 2016, 676 m. Anm. Salzig = ZNotP 2016, 151.

a) Der Sachverhalt In einem Grundstückskaufvertrag finden sich folgende Vereinbarungen:

Die Urkunde enthält einen § 9 mit der Überschrift Kaufpreisfinanzierung sowie eine

Finanzierungsvollmacht in § 13. In § 9 Ziffer 1 wird der Umfang der Mitwirkung der

Eigentümerin bei der Finanzierung festgehalten, in Ziffer 2 die Einschränkung

dahingehend, dass diese vor dem den Kaufvertrag beurkundenden Notar zu erfolgen

hat. In Ziffer 3 des § 9 wird eine Zweckbestimmung getroffen und in Ziffer 4 werden

die den Grundschulden zugrundeliegenden Valutierungsansprüche in voller Höhe an

den Verkäufer abgetreten und die Zahlungsanweisung wird detailliert geregelt.

Die Finanzierungsvollmacht in § 13 lautet dahingehend, dass jedem Käufer einzeln

Vollmacht erteilt wird, alle Beteiligten zu vertreten, und zwar „bei der Bestellung von

Grundpfandrechten zur Finanzierung des Kaufpreises nach Maßgabe der vereinbarten

Kaufpreisfinanzierung“. Die Bevollmächtigten sind demnach berechtigt, alle

Beteiligten bei der Bestellung von Grundpfandrechten zur Finanzierung des

Kaufpreises nach Maßgabe der vereinbarten Kaufpreisfinanzierung zu vertreten und

die Unterwerfung nach § 800 ZPO zu erklären.24

In der Grundschuldbestellungsurkunde wird nur allgemein auf die Vollmacht

verwiesen, eine Wiedergabe der Einschränkung der Sicherungsvereinbarung findet

sich im Text ebenso wenig wie die Abtretung der „Valutierungsansprüche“.

Grundbuchamt, Beschwerdegericht und BGH weisen den Eintragungsantrag zurück.

24 Text entnommen dem Sachverhalt der Ausgangsentscheidung des AG Hanau, Beschluss vom 13.6.2014 - KA-3696-26, BeckRS 2016, 11617, und dem Beschluss des BGH v. 21.4.2016 - V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853 = FGPrax 2016, 145 = NJW-RR 2016, 1295 = NotBZ 2016, 386 m. Anm. Reithmann = Rpfleger 2016, 537 = ZfIR 2016, 676 m. Anm. Salzig = ZNotP 2016, 151.

S. 20 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Entscheidungsbegründung

Die Entscheidung des BGH gliedert sich in drei Schritte:

Schritt 1: Die Bewilligungsvollmacht des Käufers ist im Außenverhältnis im Rahmen der Finanzierungsmitwirkungspflichten des Verkäufers beschränkt.

Schritt 2: Diese Beschränkungen sind vom Grundbuchamt zu prüfen.

Schritt 3: Der Nachweis kann grundbuchverfahrensrechtlich durch Aufnahme der Sicherungsabrede, der Abtretung und der Auszahlungsanweisung in die Bestellungsurkunde geführt werden.

Der BGH sieht im vorliegenden Fall die dem Käufer erteilte Belastungsvollmacht als auch im Außenverhältnis beschränkt an. Das Gericht führt dazu unter Rz. 5 der Entscheidung aus:

„1. Im Ausgangspunkt zutreffend und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet nimmt das Beschwerdegericht an, dass die in dem Kaufvertrag vereinbarten Begrenzungen der Vollmacht auch im Außenverhältnis Wirkung entfalten. Eine Belastungsvollmacht wie die hier zu beurteilende erlaubt es dem Käufer, das noch im Eigentum des Verkäufers stehende Grundstück als dingliche Sicherheit für die Finanzierung des Kaufpreises zu verwenden, indem er als Vertreter des Verkäufers die dingliche Einigung über die Bestellung einer Grundschuld erklärt und deren Eintragung bewilligt. Dafür, dass die Käufer hier lediglich im Innenverhältnis darauf beschränkt werden sollten, Grundpfandrechte nur nach Maßgabe der vereinbarten Kaufpreisfinanzierung zu bestellen, besteht kein Anhaltspunkt.“

Dass eine solche Beschränkung im Außenverhältnis dann auch vom Grundbuchamt zu beachten und zu prüfen ist, ist im Grundsatz selbstverständlich und wird vom BGH so unter Rz. 6 festgehalten.

Das echte grundbuchverfahrensrechtliche Problem besteht nach den Denkschritten 1 und 2 darin, dass die Voraussetzungen des Bestehens der Vollmacht grundbuchverfahrensrechtlich eben in der Form des § 29 GBO zu führen sind. Damit, so logisch folgerichtig der BGH, muss hier sowohl das Zustandekommen der eingeschränkten Sicherungsabrede als auch die Abtretung und die Auszahlungsanweisung nachgewiesen werden. Das Problem besteht nun darin, dass

S. 21 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der Nachweis des Zustandekommens des Sicherungsvertrages nur möglich ist, wenn auch die Erklärungen der Gläubigerin in der Form des § 29 GBO vorliegen. Hier hilft der BGH der Praxis, indem er sich die Überlegungen aus der notarrechtlichen Literatur dazu, dass der Grundpfandrechtsgläubiger die Einigung über das Entstehen des Grundpfandrechts nur erklären könne, wenn er gleichzeitig ein in der Bestellungsurkunde enthaltenes Angebot auf Abschluss des Sicherungsvertrages annehme.25 Dazu führt er unter Rz. 15 aus:

„(4) Gehen die vertraglich vereinbarten Einschränkungen der Vollmacht aus der Grundschuldbestellungsurkunde (bzw. deren Anlagen) hervor, darf das Grundbuchamt davon ausgehen, dass eine dem Kaufvertrag entsprechende Sicherungsabrede zustande kommen wird. Es ist nicht erforderlich, dass ihm auch die Annahmeerklärung des Grundpfandgläubigers in der Form des § 29 GBO nachgewiesen wird. Praktisch gesehen wird der Grundpfandgläubiger nämlich stets Kenntnis von der Grundschuldbestellungsurkunde erlangen. Hier ergibt sich dies sogar ausdrücklich daraus, dass der Notar beauftragt wird, der Gläubigerin sofort eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu erteilen. Aber auch ohne eine solche Regelung muss das Grundbuchamt von dem praktischen Normalfall ausgehen, in dem der Gläubiger die Urkunde erhält.“

c) Fehler des Notars?

Der BGH erkennt einen klaren Gestaltungsfehler des Notars.

aa) Dinglicher Fehler

Dieser bestehe darin, die im Außenverhältnis die Vollmacht beschränkenden Voraussetzungen nicht in das Formular der Grundschuld übernommen zu haben. Entgegen der angeblich einhelligen26 Empfehlungen in der notarrechtlichen Literatur seien die Beschränkungen nicht in die Bestellungsurkunde aufgenommen worden.

Aufhänger der Entscheidung ist letztlich ein Satz im Kaufvertrag. Der Notar hatte die Verpflichtung zur Mitwirkung des Verkäufers an der Kaufpreisfinanzierung in einem eigenen Paragraphen des Kaufvertrages geregelt, in einem anderen die entsprechende Vollmacht vorgesehen. Der Absatz zur Vollmacht enthielt folgenden Satz zur

25 So unter ausdrücklicher Zitierung von Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 274, 282; Behmer, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 6 II, 7. Auflage 2016, VIII Nr. 30; Albrecht, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Auflage 2001, Rn. 586; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 427, 435; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3159; BeckOK GBO/Reetz [Stand 1. Februar 2016] Vertretungsmacht Rn. 103; Ertl, MittBayNot 1989, 53, 63; Reithmann, DNotZ 1995, 896 f.; Schramm, ZNotP 1998, 363, 364. 26 Strukturell vollständig anders Kesseler, ZNotP 2004, 433.

S. 22 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Erteilung der Vertretungsmacht: „bei der Bestellung von Grundpfandrechten zur Finanzierung des Kaufpreises nach Maßgabe der vereinbarten Kaufpreisfinanzierung“. Der V. Senat sah darin nicht nur eine erläuternde Passage zur Vollmacht, sondern eine im Außenverhältnis wirkende Beschränkung.

Diese Auffassung kann man vertreten und es war durchaus unglücklich, die vertragliche Bezugnahme auf die beschränkten Mitwirkungspflichten des Verkäufers in die Regelungen zur Vollmacht aufzunehmen. Allerdings sollte nicht verkannt werden, dass entsprechende Formulierungen nicht selten sind und der Notar durchaus von der Entscheidung des Grundbuchamtes überrascht gewesen sein dürfte.

bb) Sicherungsdefizit

Schwerer wiegt aber der - nicht entscheidungserhebliche, gleichwohl vom Senat herausgearbeitete – Vorwurf, der Notar habe die Absicherung des Verkäufers nicht lege artis konzipiert, da er entgegen der einhelligen Empfehlungen in der Literatur die Sicherungsabrede nicht in die Grundschuldbestellungsformulare aufgenommen habe.

Soweit im Außenverhältnis tatsächlich eine unbeschränkte Vollmacht erteilt wird, dürfte die Sicherstellung des Zustandekommens der nur eingeschränkten Sicherungsabrede Pflicht des Notars sein. Wie dies erreicht werden kann, soll nachstehend erörtert werden.

2. Sicherungsinteressen bei der Kaufpreisfinanzierung

Hat der Käufer ausreichend finanzielle Mittel, den Kaufpreis ohne Finanzierung durch ein Kreditinstitut zu leisten, stellt sich die Frage der Finanzierungssicherung nicht.

Bedarf es dagegen der Zurverfügungstellung von Mitteln eines Darlehensgebers, stellt sich automatisch die Frage der Absicherung. Stellen kann der Käufer diese durch Eintragung eines Grundpfandrechtes erst, wenn er selbst Eigentümer geworden ist. Zur Eigentumsumschreibung ist der Verkäufer aber ohne Kaufpreiszahlung nicht bereit.

Damit steckt der Kaufvertrag im Grundsatz in einem nicht lösbaren Zirkel:

ohne Kaufpreiszahlung kein Eigentum

ohne Eigentum keine Grundpfandrechtsbestellung

ohne Grundpfandrechtsbestellung keine Finanzierungsmittel des Gläubigers

S. 23 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

ohne Finanzierungsmittel keine Kaufpreiszahlung

ohne Kaufpreiszahlung kein Eigentum

Ohne Mitwirkung des Verkäufers lässt sich das Problem überhaupt nicht lösen.

a) Grundschuldeintragung nach Eigentumsumschreibung

Vor Verbreitung der Finanzierungsvollmacht heutiger Form wurden Gestaltungen praktiziert, bei denen der Kaufpreis treuhänderisch durch einen Dritten für Verkäufer, Käufer und vor allem den Finanzierungsgläubiger verwahrt wurde, alsdann die Eigentumsumschreibung und in der Folge die Grundpfandrechtseintragung und schließlich die Auszahlung erfolgte. Diese Methode findet auch heute noch Verwendung in den Fällen, in denen der Verkäufer keine Vollmacht erteilen will oder kann (bspw. bei Kommunen wegen kommunalrechtlicher Belastungsverbote).

Echte Risiken ergeben sich aus dieser Gestaltung bei sachgerechter Konzeption nicht. Der in der Literatur zu findende Hinweis27 auf die Möglichkeit der Gefährdung des Ranges der Grundschuld durch Pfändung des Übereignungsanspruchs des Käufers28 hat nur dann Bedeutung, wenn vertraglich und grundbuchverfahrensrechtlich nicht sichergestellt wird, dass die Eigentumsumschreibung nicht ohne die Grundschuldeintragung erfolgt. Unabweisbare Nachteile bestehen allerdings darin, dass bei dieser Methode der Zahlungszeitpunkt zwingend nach hinten verschoben wird und die Kosten des Treuhänders, regelmäßig also des Notaranderkontos, entstehen.

b) Belastungsvollmacht im Kaufvertrag

Die dem Käufer vom Verkäufer erteilte Belastungsvollmacht löst das Problem elegant, weil diese die Eintragung des Grundpfandrechts bereits zu einer Zeit ermöglicht, zu der der Verkäufer noch Eigentümer ist.

Natürlich ist auch diese Gestaltung nicht ohne Risiken.

Der Verkäufer sieht sich mit einer Grundschuld belastet, obschon er den Kaufpreis noch nicht erhalten hat.

Der Verkäufer haftet eventuell für Kosten der Geldbeschaffung des Käufers.

27 So bspw. Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 266. 28 Siehe dazu BGH Beschluss v. 18.12.1967 - V ZB 6/67, BGHZ 49, 197, NJW 1968, 493; BayObLG Beschluss v. 17. 2. 1972 - BReg. 2 Z 88/71, BayObLGZ 1972, 46 = Rpfleger 1972, 182.

S. 24 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Diese Risiken sind allerdings beherrschbar, wenn der Kreis der Grundschuldgläubiger auf verlässliche Partner beschränkt bleibt.

3. Bestätigung der gängigen Formulierungsmuster

Die hier besprochene Entscheidung ist aus rechtspraktischen Gründen sehr zu begrüßen. Ihr wesentlicher Vorzug ist es nämlich, das gängige Model der Finanzierungsvollmacht in seinen Rechtswirkungen ausdrücklich bestätigt zu haben.

Wer also entsprechend der Vorschläge in der Literatur formuliert, dürfte mit seiner Vollmacht keine Probleme haben.29

Sicher ist namentlich die dem Beck’schen Notarhandbuch entnommene folgende Formulierung:

1. Der Verkäufer verpflichtet sich, bei der Bestellung vollstreckbarer (§ 800 ZPO) Grundschulden zugunsten deutscher Kreditinstitute als derzeitiger Eigentümer mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht besteht nur, wenn in der Grundschuldbestellungsurkunde folgende von den Beteiligten bereits jetzt getroffenen Bestimmungen wiedergegeben werden:

a) Sicherungsabrede

Die Grundschuldgläubigerin darf die Grundschuld nur insoweit als Sicherheit verwerten oder behalten, als sie tatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung auf die Kaufpreisschuld des Käufers geleistet hat. Alle weiteren Zweckerklärungen, Sicherungs- und Verwertungsvereinbarungen innerhalb oder außerhalb dieser Urkunde gelten erst, nachdem der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, in jedem Fall ab Eigentumsumschreibung. Ab dann gelten sie für und gegen den Käufer als neuen Sicherungsgeber.

b) Zahlungsanweisung

29 Siehe dazu auch die Anmerkung von Salzig, ZfIR 2016, 676, 678f.

S. 25 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Soweit der Kaufpreis nicht anderweitig zur Freistellung des verkauften Grundbesitzes von eingetragenen Belastungen zu verwenden ist, sind Zahlungen gemäß a) zu leisten auf das Konto des Verkäufers …

c) Persönliche Zahlungspflichten, Kosten

Der Verkäufer übernimmt im Zusammenhang mit der Grundschuldbestellung keine persönlichen Zahlungspflichten. Der Käufer hat den Verkäufer von allen Kosten und sonstigen Folgen der Grundschuldbestellung freizustellen.

d) Fortbestand der Grundschuld

Die bestellte Grundschuld darf auch nach Eigentumsumschreibung auf den Käufer bestehen bleiben. Alle Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche, die mit ihr zu tun haben, werden hiermit mit Wirkung ab Bezahlung des Kaufpreises, in jedem Fall ab Eigentumsumschreibung, auf den Käufer übertragen. Entsprechende Grundbucheintragung wird bewilligt.

2. Der Verkäufer erteilt dem Käufer Vollmacht, ihn bei allen vorstehenden Rechtshandlungen zu vertreten. Diese

Vollmacht

gilt nur dann, wenn die Grundschuldbestellungsurkunde bei der Notarstelle … beurkundet oder entworfen wird und in der Bestellungsurkunde die vorstehend unter a), b), c) und d) getroffenen Bestimmungen wiedergegeben werden. Die Vollmacht kann ausgeübt werden, bevor erforderliche behördliche Genehmigungen (bei Wohnungs- und Teileigentum: die erforderliche Verwalterzustimmung) erteilt sind.30

Nicht verkannt werden darf allerdings das technische Risiko des Übertragungsfehlers. Da das Muster die Wiedergabe verlangt, muss peinlichst darauf geachtet werden, per copy/paste die Bedingungen wortidentisch in die Grundschuldbestellungsurkunde aufzunehmen. Geschieht dies nicht, ist die Vollmacht, so jedenfalls auch31 das Verständnis des BGH, sowohl grundbuchverfahrensrechtlich

30 Muster von Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 271. 31 Ebenso Salzig, ZfIR 2016, 676, 678f.

S. 26 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

wie auch – schwerwiegender – materiellrechtlich nicht wirksam genutzt. Selbst wenn es also zu einer Eintragung des Grundpfandrechts kommt, besteht das Risiko, dass die Grundschuld mangels Einigung mit dem Verkäufer nicht entsteht und ggfls. sogar mangels Einigungsbewusstseins des Käufers auch nach Eigentumswechsels nicht mehr entstehen wird.

4. Kritik an der Entscheidung

Die Entscheidung des BGH betraf allein die grundbuchverfahrensrechtliche Behandlung der Finanzierungsvollmacht in den Fällen, in denen die Vollmacht im Außenverhältnis beschränkt ist. Ob die Auslegung der vom Notar beurkundeten Vollmacht insoweit richtig war, die Bezugnahme auf die Mitwirkungspflichten im Text der Vollmacht also zur Beschränkung der Vollmacht führte, kann man bezweifeln. Die Literatur hat das Problem bislang kaum als solches gesehen oder besprochen bzw. erklärt die Beschränkung als ausdrücklich immer nur im Innenverhältnis gewollt.32 Diese Überlegungen basierten im Wesentlichen wohl auf dem vorstehend bezeichneten Risiko des Übertragungsfehlers wie auch darauf, dass das Grundbuchamt kaum das Zustandekommen des Sicherungsvertrages prüfen kann. Insoweit liegt das Auslegungsrecht aber bei den Gerichten und das Risiko bei den Beteiligten bzw. dem Notar.

Der V. Senat hat aber weitere wesentliche Überlegungen zur Finanzierungsvollmacht angestellt, die zwar in den Begründungstext des Beschlusses eingebettet sind, faktisch aber obiter dicta darstellen.

a) Vermiedene eingehendere Auseinandersetzung mit der Frage nach der Person des Sicherungsgebers

In der notarrechtlichen Literatur zur Finanzierungsvollmacht wird ein Gestaltungsproblem meist33 stiefmütterlich bzw. überhaupt nicht behandelt. Auch die Entscheidung des BGH geht nur versteckt, aus der Perspektive der ständigen Rechtsprechung des BGH aber möglicherweise verständlich kurz auf die Frage ein.

Es geht nämlich darum, wer überhaupt aus Sicht des Finanzierungsgläubigers als Sicherungsgeber anzusehen ist, der Verkäufer als zur Zeit der Bestellung auftretender Eigentümer und Besteller der Grundschuld oder der Käufer als Darlehensnehmer.

In der Entscheidung heißt es dazu:

32 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3159. 33 Anders Kesseler, ZNotP 2004, 433, da die dort angestellten Überlegungen das Zustandekommen des Sicherungsvertrages mit dem Gläubiger in das Gestaltungszentrum stellen.

S. 27 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

„Diese inhaltlichen Beschränkungen der Vollmacht müssen schuldrechtlich umgesetzt werden, weil die Grundschuld sachenrechtlich die dingliche Haftung des Grundstücks unabhängig von einer etwa gesicherten persönlichen Forderung begründet. Hierzu muss zwischen dem Grundpfandgläubiger und dem Verkäufer eine (erste) schuldrechtliche Sicherungsabrede zustande kommen, die eine dem Kaufvertrag entsprechende Verwendung der Grundschuld in der Phase der Vertragsabwicklung regelt und insoweit nicht den Käufer als Darlehensnehmer, sondern den Verkäufer zum Sicherungsgeber macht.“34

Der BGH geht erkennbar auch für die Finanzierungsvollmacht35 davon aus, dass es einer ausdrücklichen Festlegung des Verkäufers als Sicherungsgeber gegenüber dem Finanzierungsgläubiger bedarf, da ansonsten der Käufer als Darlehensnehmer Sicherungsgeber ist. Diese Wertung mag überraschen, befindet sich aber auf der Linie der ständigen Rechtsprechung des BGH.36

„Dabei ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Schuldner der zu sichernden Forderung auch dann Sicherungsgeber sein soll, wenn die Grundschuld - ganz oder teilweise - auf einem Grundstück lastet, das einem Dritten gehört. Da er dem Gläubiger die Grundschuld durch entsprechende schuldrechtliche Abreden mit dem Dritten beschafft, soll er (der Schuldner) sie nach Tilgung der Darlehensschuld auch wiederbekommen.“

(BGH Urteil v. 20.11.2009 - V ZR 68/09, DNotZ 2010, 375)

Ausdrücklich entscheidet sich der BGH in ständiger Rechtsprechung für die rein schuldrechtliche Bestimmung des Sicherungsgebers und zwar ausdrücklich aus Sicht des Sicherungsnehmers! Ohne Auseinandersetzung mit der gegenteiligen, Literaturauffassung37 will der BGH in der Regel davon ausgehen, dass derjenige Sicherungsgeber ist, der nach den schuldrechtlichen Vereinbarungen diese stellt, auch wenn die dingliche Einräumung des Sicherungsrechts durch einen Dritten, bspw. im

34 BGH Beschl. v. 21.4.2016 – V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853, 854 (Rz. 7). 35 Siehe dazu auch schon meine entsprechende Vermutung im Tagungsband, Albrecht/Hertel/Kesseler, DAI- Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2010/2011, S. 181.ff.

36 BGH, 25.11.1968 - III ZR 134/66, WM 1969, 209; BGH, Urteil v. 8.12.1988 - III ZR 107/87, NJW

1989, 1732; BGH, Urteil v. 28.10.1988 - V ZR 14/87, BGHZ 106, 1; BGH, Urteil v. 9. 2.1990 - V ZR

200/88, BGHZ 110, 241; BGH, Urteil v. 5.2.1991 - XI ZR 45/90, NJW 1991, 1821; BGH, Urteil v. 11.10.1995 - XII ZR 62/94, NJW-RR 1996, 234; BGH Urteil v. 20.11.2009 - V ZR 68/09, DNotZ

2010, 375. 37 Lieder, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2016, § 1191 Rn.31ff.; Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, 9. Aufl. 2011, Rn. 646; Palandt/Herrler, 76. Aufl. 2017, § 1191 Rn. 18; grundlegend Reinicke/Tiedtke, WM 1991, Beilage 5 S. 3ff; dieselben, Kreditsicherung 5. Auflage 2006, Rn. 976ff.

S. 28 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Fall der Grundschuld am fremden Grundstück, erfolgt. Da ohne besondere Vereinbarung aus Sicht des Sicherungsnehmers die Grundschuld demjenigen zuzurechnen sei, der ihm diese aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen verschafft, sei auch dieser allein Partner des Sicherungsvertrages. In der Regel wird damit allein der Darlehensnehmer auch als Sicherungsgeber angesehen. Wie im Fall der Bestellung von Drittsicherheiten der Vertragspartner des Sicherungsnehmers den Dritten dazu bewegt hat, dem Sicherungsnehmer das Sicherungsgut zu übertragen, ist nach Auffassung des V. Senats für den Sicherungsnehmer irrelevant.

Dass dies wohl auch für die kaufvertragliche Finanzierungsgrundschuld gilt, scheint der Entscheidung entnommen werden zu müssen. Auch wenn dies regelmäßig den Interessen der Beteiligten widerspricht und nach meiner Kenntnis auch von keinem Kreditinstitut, die im Übrigen teilweise auch ohne Anforderung rein vorsorglich die Einhaltung enger Sicherungsvereinbarungen bestätigen, so gesehen wird, hat der BGH dadurch, dass er sich nicht ausdrücklich mit seiner ständigen Rechtsprechung auseinandersetzt und betont, dass nur die Sicherungsabrede mit dem Verkäufer „nicht den Käufer als Darlehensnehmer, sondern den Verkäufer zum Sicherungsgeber macht.“

Ist aus Sicht der Bank die Bestellung der Grundschuld ein Rechtsgeschäft, dessen Rechtsgrundlage im Darlehensvertrag mit ihr liegt, dann kann sie - so nicht weitere Elemente hinzutreten – mit dem BGH davon ausgehen, dass sich der Darlehensschuldner aufgrund der zwischen ihm und dem Eigentümer getroffenen Vereinbarungen, berechtigterweise der Grundschuld bedient und es deshalb keiner eigenen Vereinbarung zwischen Bank und Grundstückseigentümer bedarf. Der Rechtsgrund der Nutzung wird insoweit dann im Kaufvertrag vermutet, wobei dies allerdings für das Verhältnis zum Darlehensschuldner keine Rolle spielt. Es ist damit im Grundsatz alleine der Darlehensschuldner, mit dem die Bank über den Inhalt der Sicherungsabrede verhandelt und an den die Grundschuld im Nichtvalutierungsfall zurück zu gewähren ist.

In diesem Lichte wird auch die nachstehend noch zu beleuchtende Entscheidung zur Auswirkung eines unwirksamen Darlehensvertrages38 im Falle erfolgter Abtretung der Auszahlungsansprüche an den Verkäufer verständlicher. Hat sich der Verkäufer keine besonderen Rechte im Verhältnis zum Darlehensgeber des Käufers vorbehalten, hat er also insbesondere nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, selbst sicherungsvertragliche Vereinbarungen mit dem Darlehensgeber zu schließen bzw. auf deren Inhalt Einfluss zu nehmen, dann darf die Bank zu Recht davon ausgehen, dass aufgrund der rein schuldrechtlichen Bestimmung des Sicherungsgebers, der Verkäufer

38 BGH v. 27.6.2008 - V ZR 83/07 - DNotZ 2008, 923 (dazu die Anm. von Keim, DNotZ 2009,

245).

S. 29 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

die Grundschuld in Erfüllung der Verpflichtung des Darlehensnehmers/Käufers aus der Sicherungsabrede stellt.

Der Kardinalfehler bei Finanzierungsgrundschulden ist es deshalb, und dies macht die Entscheidung noch einmal klar, von Seiten des Verkäufers nicht auf die Sicherungsabrede selbst einzuwirken. Im Verhältnis zum Sicherungsnehmer muss klargestellt sein, dass die Grundschuld als vom Verkäufer als Sicherungsgeber gestellt gilt und die Stellung der Sicherheit nur unter Einhaltung bestimmter Regeln für den Sicherungsvertrag mitgetragen wird.

b) Einigungsangebot als ausreichender Nachweis der Vollmacht

Für die Praxis von großer Bedeutung sind die Ausführungen des V. Senats dazu, dass der grundbuchverfahrensrechtliche Nachweis des Zustandekommens der eingeschränkten Sicherungsabrede zwischen Verkäufer und Käufer dadurch geführt werden können soll, dass in die Grundschuldbestellungsurkunde die eingeschränkte Sicherungsabrede aufgenommen wird.

Das überrascht. Die im Schöner/Stöber, immerhin dem Leitfaden der Grundbuchämter, vertretene Auffassung, die Vollmachten seien im Außenverhältnis praktisch nie beschränkt, gründet sich gerade darauf, dass der Nachweis der Voraussetzungen der Vollmacht praktisch nie in der Form des § 29 GBO zu führen ist.

Auch der V. Senat sieht den Nachweis der Bedingungen nicht als gegeben an. Er löst das Problem aber damit, dass er die Aufnahme der eingeschränkten Sicherungsabrede in die Bestellungsurkunde für ausreichend erachtet. Dazu heißt es unter Rz. 10 und weiter unter Rz. 15:

(Rz. 10) „In der Rechtsliteratur wird einhellig angeraten, die vertraglichen Beschränkungen zum Schutz des Verkäufers ausdrücklich in die Grundschuldbestellungsurkunde aufzunehmen. Hierin liege ein an den Grundpfandgläubiger gerichtetes Angebot des (durch die Käufer vertretenen) Verkäufers auf Abschluss einer Sicherungsabrede nach den vereinbarten Vorgaben. Der Grundpfandgläubiger könne die zugleich angebotene dingliche Einigung nur erklären, wenn er auch das Angebot auf Abschluss der Sicherungsvereinbarung annehme.“

(Rz. 15) „Gehen die vertraglich vereinbarten Einschränkungen der Vollmacht aus der Grundschuldbestellungsurkunde (bzw. deren Anlagen) hervor, darf das GBA davon ausgehen, dass eine dem Kaufvertrag entsprechende Sicherungsabrede zustande kommen wird. Es ist nicht erforderlich, dass ihm auch die Annahmeerklärung des Grundpfandgläubigers in der Form des § 29

S. 30 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

GBO nachgewiesen wird. Praktisch gesehen wird der Grundpfandgläubiger nämlich stets Kenntnis von der Grundschuldbestellungsurkunde erlangen.“

Diese vereinfachte Nachweisführung war Voraussetzung der Annahme der Beschränkung der Vollmacht des Käufers im Außenverhältnis. Ohne diese vereinfachte Nachweisführung wäre es notwendig geworden, (mindestens) öffentlich-beglaubigte Erklärungen der Grundpfandrechtsgläubiger für das Grundbuchverfahren beizubringen.

So praktisch nützlich die Überlegungen des BGH sind, so sehr darf doch an ihrer Folgerichtigkeit gezweifelt werden.

Da die Eintragung des Grundpfandrechts in nicht seltenen Fällen der Übersendung der Bestellungsurkunde zeitlich vorangeht, ist die Annahme eine Spekulation.

Fast jeder Notar kennt den Fall, dass ein Grundpfandrecht zur Eintragung gelangt und später doch ein anderer Finanzierer zum Zuge kommt.

Schließlich kommt es auf die Wirksamkeit der dinglichen Einigung für das Grundbuchverfahren nicht an. Das Grundbuchrecht will schon die Eintragung einer Belastung ohne wirksame Bewilligung des Belasteten vermeiden. Dass die dingliche Einigung nur zusammen mit der Annahme des Sicherungsvertrages erfolgen kann, nutzt dem Eigentümer also nichts, wenn schon die bloße Eintragung des Grundpfandrechts das Risiko der gutgläubigen Weiterverfügung nach sich zieht. Besteht also grundbuchverfahrensrechtlich eine Beschränkung der Vollmacht, kann die Eintragung nicht durch das bloße Wissen um die Unwirksamkeit der dinglichen Einigung ohne Sicherungsvertrag legitimiert werden.

c) Grundschuldbestellung als Einigungsangebot?

Der BGH erkennt zumindest in den Bestellungsurkunden zu Finanzierungsgrundschulden nach der Begründung des Beschlusses in den bereits vorstehend wörtlich zitierten Rzn. 10 und 15 jeweils sowohl das Angebot auf Abschluss der Einigung über die Grundschuldentstehung wie auch des zwischen Verkäufer und Gläubiger entstehenden Sicherungsvertrages.

Das mag man so sehen und wird wohl auch von den entsprechenden Stellen in der Literatur gestützt.39 Der BGH hat dies an anderer Stelle zu einer kostenrechtlichen

39 Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 274, 282; Behmer, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 6 II, 7. Auflage 2016, VIII Nr. 30; Albrecht, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Auflage 2001, Rn. 586; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 427, 435; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3159; BeckOK GBO/Reetz [Stand 1. Februar 2016] Vertretungsmacht Rn. 103; Ertl, MittBayNot 1989, 53, 63; Reithmann, DNotZ 1995, 896 f.; Schramm, ZNotP 1998, 363, 364.

S. 31 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Frage auch schon einmal so entschieden.40 Völlig übersehen wird dabei allerdings zu welchem Preis diese Sicherheit erkauft wird. Enthält die Grundschuldbestellungsurkunde nämlich tatsächlich diese Angebote, führt dies zwingend zur kostenrechtlich für den Notar angenehmen, für die Beteiligten aber eher unangenehmen Folge, dass nicht die Kostenziffer 21200 für die verfahrensrechtliche Vollstreckungsunterwerfungserklärung mit einer 1.0 Gebühr, sondern die Kostenziffer 21100 für das Angebot zum Abschluss des dinglichen Vertrages oder alternativ des wohl gegenstandsgleichen Sicherungsvertrages zur Anwendung kommen muss.

Die Notarkosten der Finanzierungsgrundschuld über € 200.000,-- steigen nach der Auffassung des BGH so in der Hauptgebühr von netto 435,-- auf 870,--.

Das kann nicht richtig sein und ist so sicher nicht vom BGH bedacht worden! Eine kostenrechtliche Behandlung der Grundschuldbestellung nach dieser Maßgabe ist falsch.

d) Zwischenfazit

Wirklich überzeugen können die Überlegungen des BGH zum Umgang mit der Finanzierungsvollmacht nicht.

Nicht nur um das doppelte Verlesen der eingeschränkten Sicherungsabreden zu vermeiden, sondern auch, um die nur wackeligen Überlegungen zum bloßen Angebot des Sicherungsvertrages als Absicherung des Verkäufers und die Verdopplung der Notarkosten zu vermeiden, lohnt es, die Finanzierungsgrundschuld noch einmal in ihrer Struktur zu überdenken und anzupassen.41

5. Die Elemente der Finanzierungsvollmacht

Um zu einer sachgerechten Gestaltung der Finanzierungsvollmacht zu gelangen, sollen kurz deren wesentliche Elemente beleuchtet werden.

a) Die Mitwirkungsverpflichtung

Praktisch alle Muster von Finanzierungsvollmachten beginnen mit der Verpflichtung des Verkäufers, an der Bestellung von Finanzierungsgrundpfandrechten mitzuwirken.

40 BGH, Beschluss v. 13.7.2006 - V ZB 87/05, DNotZ 2006, 954 = RNotZ 2006, 621 (m. abl. Anm

Klein) = ZNotP 2007, 23 (m. abl. Anm. Kesseler). 41 So schon Kesseler, ZNotP 2004, 433.

S. 32 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bsp: „Der Veräußerer verpflichtet sich zum Zweck der Kaufpreisfinanzierung bei der Bestellung von Grundpfandrechten mitzuwirken.“

Zweck der vertraglichen Vereinbarung ist es, das Risiko des Widerrufs oder des Wegfalls der im Anschluss erteilten Vollmacht zu einem beide Seiten treffenden Vertragsrisiko zu machen.42

Beispiel:

Das Insolvenzverfahren wird über das Vermögen des Verkäufers eröffnet. Die erteilte Finanzierungsvollmacht erlischt nach § 117 InsO. Der Insolvenzverwalter verlangt Zahlung vom Käufer.

Bestünde die Mitwirkungsverpflichtung nicht, würde der Wegfall der Vollmacht dem Risikobereich des Käufers zufallen, der so seiner vertraglichen Zahlungsverpflichtung nicht mehr nachkommen könnte. Die Aufnahme der Mitwirkungspflicht des Verkäufers beseitigt dieses Risiko für den Käufer, da er einem etwaigen Leistungsverlangen des Verkäufers bzw. der an dessen Stelle getretenen Personen die Verletzung der Mitwirkungspflicht entgegenhalten kann.

Am Rande bemerkt sei allerdings, dass diese Verpflichtung nicht dazu führt, dass ein aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. des Eintritts entsprechender Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren in Abwicklungsschwierigkeiten geratener Kaufvertrag noch ohne Mitwirkung des (ggfls. vorläufigen) Insolvenzverwalters abwickelbar wäre. Die Mitwirkungsverpflichtung hat nur schuldrechtlichen Charakter, sie ist nicht selbst dergestalt insolvenzfest, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet wäre, die Finanzierungsmitwirkung durch Grundpfandrechtsbestellung zu erfüllen. Eine solche Verpflichtung wäre nur dann insolvenzfest, wenn diese durch eine eigene Vormerkung gesichert würde (Belastungsvormerkung).43 Die Eigentumsvormerkung sichert nach § 106 InsO nämlich nicht alle kaufvertraglichen Verpflichtungen, sondern nur den reinen Übereignungsanspruch.44

42 Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 424. 43 Nur scheinbar anders Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 424, der zwar anmerkt, der Insolvenzverwalter müsste eine inhaltsgleiche Vollmacht erteilen, dies aber wohl nur insoweit meint, als er andernfalls nicht den Kaufpreis fordern könne. 44 Siehe dazu Wegener, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 106 Rn. 27. Zur Lastenfreistellung ausdrücklich BGH Urteil v. 22.9.1994 – V ZR 236/93, ZIP 1994, 1705 = NJW 1994, 3231; OLG München Urteil v. 3.9.2003 – 3 Z BR 113/03, NZI 2004, 499.

S. 33 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Vertragskonformität der Belastung

Gegenstück der Mitwirkungsverpflichtung des Verkäufers ist auf schuldrechtlicher Ebene die Feststellung, dass es sich bei der so vorgenommenen Belastung des Grundstücks um eine vertragskonforme Belastung, also eine solche handelt, die vom Käufer zu übernehmen ist. Da der Verkäufer grundsätzlich die Übereignung des Kaufgegenstandes frei von Belastungen schuldet, wird so kaufvertraglich festgestellt, dass es sich bei der Finanzierungsgrundschuld um eine zu übernehmende Belastung handelt.

In der Kautelarpraxis hat es sich eingeschliffen, diese Vertragskonformität durch einen Satz in den Regelungen zur Finanzierungsvollmacht zu vermerken, so bspw. in dem Muster des Beck’schen Notarhandbuchs:

d) Fortbestand der Grundschuld

Die bestellte Grundschuld darf auch nach Eigentumsumschreibung auf den Käufer bestehen bleiben.45

Ich halte diesen Satz zwar selbstverständlich für nicht schädlich, meine aber, dies sei derart selbstverständlich, dass eine ausdrückliche Aufnahme in den Vertragstext entbehrlich ist. Wie sollte sich der Käufer ernsthaft gegen diese Belastung gegenüber dem Verkäufer, der diese nur für Zwecke des Käufers bestellt, verteidigen?

Mit der nachstehend noch zu behandelnden Abtretung der Rechte aus dem Sicherungsvertrag hat dieser Satz nichts zu tun.46

c) Dingliche Grundpfandrechtsbestellung

Erste Pflicht des Notars bei der Formulierung einer geeigneten Belastungsvollmacht ist es sicherzustellen, dass das zu bestellende Grundpfandrecht auch im Grundbuch eingetragen wird und der Käufer in die Lage versetzt wird, diese wirksam zur Entstehung gelangen zu lassen.

Dazu muss zweierlei im Rahmen der Vollmacht geregelt werden:

Es muss

eine grundbuchverfahrensrechtliche Bewilligungsvollmacht und eine materiell-rechtliche Einigungsvollmacht

45 Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 271. 46 Insoweit nicht ganz eindeutig Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 279.

S. 34 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bestehen.

Einige Formulare sind zwar eindeutig hinsichtlich der Bevollmächtigung zur Abgabe der grundbuchverfahrensrechtlichen Erklärungen, sie lassen aber die Abgabe der dinglichen Einigungserklärung außen vor. Da diese – entgegen der Auffassung des BGH – nicht in der Grundschuldbestellungsurkunde enthalten ist, sondern im Konsens zwischen Gläubiger und vom Käufer vertretenen Verkäufer zustande kommen muss, muss die Vollmacht dies auch hergeben, insoweit also nicht an die Notarstelle geknüpft oder sonst in einer Form beschränkt sein, die nicht mit dem Gläubiger hergestellt werden kann.

Die hier besprochene Entscheidung des BGH zeigt, was bei der Gestaltung der Vollmacht weiter im Hinblick auf Bedingungen schiefgehen kann. Beschränkungen der Vollmacht im Außenverhältnis müssen so gestaltet werden, dass diese sowohl bei der dinglichen Einigung bestehen können wie auch dem Grundbuchamt im Verfahren nachweisbar sind. Handelt es sich um Bedingungen, die im Verhältnis zum Grundschuldgläubiger herbeigeführt werden können, namentlich also die Sicherungsvereinbarung, sind diese für die Einigungsvollmacht unproblematisch. Ein Thema ist allerdings immer der Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt. Auch wenn der BGH mit seiner aktuellen Entscheidung den Weg für einen vereinfachten Nachweis abseits der engen Grenzen des § 29 GBO geöffnet hat, sollte die Praxis gleichwohl Vorsicht mit entsprechenden Gestaltungen walten lassen. Ob nämlich ein Grundbuchamt auch bereit sein wird, in den Fällen, in denen nicht die wörtliche Wiedergabe der Beschränkungen in der Bestellungsurkunde, sondern nur die vom BGH (Rz. 14 des Beschlusses) angedeutete Möglichkeit der bloß inhaltlichen Übereinstimmung gewählt wurde, selbst die Übereinstimmung zu prüfen, darf bezweifelt werden.

Entgegen der überwiegenden Auffassung im notarrechtlichen Schrifttum halte ich es nicht für erforderlich und auch nicht für sinnvoll, die Herstellung der eingeschränkten Sicherungsabrede der landläufig als Grundschuldbestellungs- richtiger aber als Bewilligungsformular zu bezeichnenden Urkunde zu überlassen. Für den Verkäufer ist es von entscheidender Bedeutung, dass überhaupt keine Erklärungen in seinem Namen abgegeben werden können, ohne dass die Sicherungsabrede zwischen ihm und dem Gläubiger zustande gekommen ist. Schon die Möglichkeit der wirksamen (gerade nicht formgebundenen) Einigung ohne Sicherungsvertrag muss ausgeschlossen sein.

Beschränkt werden sollte die Möglichkeit der Grundpfandrechtsbestellung in jedem Fall auf solche Gläubiger, bei denen die Umsetzung der Bindungen aus der beschränkten Sicherungsvereinbarung für den Verkäufer auch sinnvoll möglich ist. In

S. 35 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der Praxis hat sich die Beschränkung auf deutsche Kreditinstitute etabliert.47 Auch wenn gelegentlich überlegt wird, dies auch auf andere, jedenfalls auf europäische Institute zu erweitern, wird jeder, der schon einmal im Ausland gegen ein Kreditinstitut vorgegangen ist, die Beschränkung schnell verstehen. Sollte im Einzelfall eine Finanzierung über andere Gläubiger geplant sein, kann dies besonders abgestimmt und vorgesehen werden, wenn diese aus Sicht des Verkäufers als zuverlässig einzustufen sind (bspw. Arbeitgeberdarlehen eines zuverlässigen Unternehmens). Ansonsten besteht immer die Möglichkeit, die Eintragung der Grundschuld an die vorherige Hinterlegung des Kaufpreises auf Anderkonto zu knüpfen.

Ob es angezeigt ist, die Ausübung dieser Vollmacht an eine bestimmte Notarstelle zu knüpfen,48 hängt davon ab, inwieweit Ausübungsbedingungen durch Anweisungen an den Notar konzipiert werden sollen.

Beispiel:

Soll der Notar vor Nutzung der Eintragungsbewilligung die Bestätigung des Kreditinstitutes über die Einhaltung der Sicherungsvereinbarungen einholen, ist die Bindung angezeigt, da insoweit das Vertrauen in den konkreten Notar gesetzt wird.

Gleiches gilt, wenn die Nutzung der Vollmacht nur unter bestimmten Voraussetzungen bspw. nur zugunsten bestimmter Kreditinstitute möglich sein soll.

Die Vollmacht sollte ausdrücklich auch die Abgabe der dinglichen Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklarung nach § 800 Abs. 1 ZPO erfassen. Die Rechtsprechung49 will allein aus der Kompetenz, Zwangsvollstreckungs-unterwerfungen hinsichtlich der Grundschuld zu erklären nicht gleichzeitig auch die zur Perpetuierung gegenüber dem Rechtsnachfolger im Eigentum ableiten. Diese Auffassung ist zwar inhaltlich deshalb kaum nachvollziehbar, weil die Belastung

47 Siehe bspw. Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 426; Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 273; Albrecht, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Auflage 2001, Rn. 581. 48 Zur standesrechtlichen Zulässigkeit Amann, MittBayNot 1996, 420; Wilke, MittBayNot 1996, 260; Ertl, MittBayNot 1989, 63; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 426; Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 282; Albrecht, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Auflage 2001, Rn. 585. 49 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 24.5.1989 - 3 Wx 217/89, MittRhNotK 1989, 193 = Rpfleger 1989, 499; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.8.1992 - 3 Wx 162/92, MittRhNotK 1992, 268; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2007 – 5 Wx 9/07, BeckRS 2008, 01268.

S. 36 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

durch die Unterwerfung auch des Rechtsnachfolgers nicht größer wird, diese vielmehr nur eine Nachfolgeerleichterung darstellt.

d) Belastungshöhe

In vielen Formularen findet sich die Beschränkung der Belastungsmöglichkeit auf die Höhe des Kaufpreises oder einen bestimmten, darüber hinaus gehenden Prozentsatz, bspw. 120% des Kaufpreises.

Hintergrund dieser Beschränkungen sind wahrscheinlich zwei Überlegungen, zum einen die fehlende Notwendigkeit einer höheren Belastung aus Sicht des Verkäufers, zum anderen das Risiko der Belastung des Verkäufers mit Notar- und Gerichtskosten. Während der erste Gedanke mehr psychologische Gründe als reale Risiken abbildet, da die Absicherung des Verkäufers ohnehin über die Sicherungsabrede gewährleistet werden muss, hat der zweite eine handfeste Grundlage. Ein böswilliger Käufer könnte den Verkäufer durch Bestellung eines weit überhöhten Grundpfandrechts mit immensen Notar- und Grundbuchkosten belasten. Auch insoweit bietet die Bindung der Vollmacht an eine bestimmte Notarstelle eine Sicherheit, da selbst bei einer unbeschränkten Vollmacht so eine faktische Kontrolle gewährleistet ist.

Da es im Übrigen keinen echten Grund für die Beschränkung der Vollmacht gibt, der Käufer aber erhebliche Vorteile aus einer weitgehenden Belastungsmöglichkeit, insbesondere wegen der Möglichkeit der Finanzierung von weiteren Investitionen, hat, spricht vieles dafür die unbeschränkte Belastungsmöglichkeit zuzulassen.50

Eine Beschränkung ist wegen des Schutzes des Verkäufers über die Sicherungsabrede auch im Falle von betreuungs- bzw. familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren nicht erforderlich.51

Es empfiehlt sich, ausdrücklich in den Text aufzunehmen, dass die Vollmacht für der Höhe nach unbeschränkte Grundpfandrechte gilt. Die Rechtsprechung hat nämlich allein schon aus dem Zweck der Vollmacht, der Kaufpreisfinanzierung zu dienen, den Schluss gezogen, dass damit konkludent eine Beschränkung der Höhe der zu bestellenden Grundpfandrechte verbunden ist. So hatte das OLG München52 in folgendem Fall die Eintragung eines Grundpfandrechts in Höhe von 150% des Kaufpreises verwehrt:

50 So auch Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 426; Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 272. 51 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 28.08.2006 – 13 T 4282/06, MittBayNot 2007, 218 m. Anm. Fahl. 52 OLG München, Beschl. v. 21.10.2010 - 34 Wx 133/10, DNotZ 2011, 379.

S. 37 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

„Der Verkäufer verpflichtet sich, bei der Bestellung von Grundpfandrechten, die zur Kaufpreisfinanzierung dienen, vor erfolgter Eigentumsumschreibung mitzuwirken. …

- Einschränkung Sicherungszweckabrede -

Der Verkäufer bevollmächtigt den Käufer – und zwar jeden einzeln –, das Kaufobjekt vor Eigentumsumschreibung mit Grundpfandrechten und mit beliebigen Zinsen und Nebenleistungen für Kreditinstitute ..... zu belasten und die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in dinglicher Weise für ihn zu erklären.

Mehrere Käufer bevollmächtigen sich gegenseitig, ein abstraktes Schuldanerkenntnis in Grundschuldhöhe abzugeben sowie die Zwangsvollstreckung in persönlicher Hinsicht zu erklären und weiter alle Erklärungen abzugeben, die zur Durchführung der Finanzierung des Kaufpreises erforderlich oder zweckdienlich sind.”

Begründung war die mangelnde Bevollmächtigung der Käufer untereinander in entsprechender Höhe trotz klar anderweitiger Bevollmächtigung durch den Verkäufer. Dass die Bevollmächtigung der Käufer untereinander nichts mit der Eintragung der Grundschuld zu tun hatte, störte das Gericht dabei nicht.

e) Ausschluss persönlicher Haftung

In vielen Formularen findet sich noch ein Hinweis darauf, dass „eine persönliche Haftung des Verkäufers ausgeschlossen ist.“ Diese Klausel hat wohl mehr psychologische als reale Bedeutung, da die sachgerecht ausformulierte Vollmacht schon keine persönliche Haftungsübernahme des Verkäufers begründet.

Nicht nur wegen ihrer Irrelevanz, sondern auch wegen ihrer aufgrund der in jedem Fall bestehenden Kostenhaftung des Verkäufers inhaltlichen Unrichtigkeit sollte dieser Satz vermieden werden.

f) Sicherungsinstrument Einschränkung der Zweckabrede

Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Finanzierungsvollmacht ist der Schutz des Verkäufers durch die Sicherstellung der nur eingeschränkten Verwendbarkeit des Grundpfandrechts bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung bzw. der Eigentumsumschreibung.

Alle publizierten Formulare der Finanzierungsvollmachten verwenden dazu als Standardinstrument der Absicherung des Verkäufers die Einwirkung auf die Sicherungsabrede. Handelt es sich um einen vertrauenswürdigen Gläubiger, ist dies sicher der Königsweg.

S. 38 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

aa) Sicherungsumfang

Die leichteste Aufgabe ist es dabei, zu definieren, was durch das Grundpfandrecht gesichert werden soll. Der Verkäufer will mit seinem Grundstück nur dafür einstehen, was er tatsächlich auch vom Gläubiger erhalten hat.

In den meisten Formularen findet sich deshalb eine dem folgenden Satz ähnliche Beschränkung:

„Der Gläubiger darf das Grundpfandrecht nur insoweit als Sicherheit verwerten und/oder behalten, als er tatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung für die Kaufpreisschuld des Käufers geleistet hat.“53

Der Verkäufer ist damit sicher, gegen Rückzahlung der ihm tatsächlich geleisteten Beträge die Löschung des Grundpfandrechts im Falle des Scheiterns des Vertrages erreichen zu können.

Übersehen wird bei dieser weitgehend praktizierten Lösung aber, dass dem Verkäufer schon durch diese Regelung Schäden erwachsen können.54 Exemplarisch soll dafür der leicht abgewandelte55 Tatbestand eines BGH-Urteils aus dem Jahr 2008 herangezogen werden.56

Bsp: Ein 70-jähriger Rentner verkauft sein Hausgrundstück zu einem Kaufpreis von € 300.000,--. Es ist noch mit € 180.000,-- belastet, wozu allerdings noch eine Vorfälligkeitsentschädigung von € 20.000,-- kommen. Der Erwerber will den Kaufpreis mit € 200.000,-- finanzieren, der Rest soll über Eigenkapital geleistet werden. Die Grundschuld wird eingetragen und die Bank leistet ihren Kaufpreisanteil, der sofort auf die noch bestehende Schuld des Verkäufers verrechnet wird. Der Eigenkapitalanteil fließt nicht.

Die Bank will die Löschung der Grundschuld nur gegen Rückerstattung des geleisteten Betrages vornehmen.

53 So wörtlich bspw. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3159; Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 274, 282, inhaltlich ähnlich praktisch alle anderen Muster. 54 Siehe dazu Reymann MittBayNot 2008, 272; Hertel, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, DAI- Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2008/2009, S. 30ff.; derselbe, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 426. 55 Im Fall des BGH war das Problem die Grunderwerbssteuer. 56 BGH, Urteil v. 10.10.2008 - V ZR 131/07, DNotZ 2009, 210.

S. 39 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Neben dem Schaden aus der Vorfälligkeitsentschädigung besteht weiter das Risiko, dass der Verkäufer wegen seines Alters überhaupt keinen neuen Kredit mehr bekommt und so die Versteigerung hinnehmen muss.

Letztlich geht es bei der Frage um die Zuweisung des Leistungsfähigkeitsrisikos des Käufers zwischen Bank und Verkäufer. Die Standartformulierung platziert dieses beim Verkäufer, die nachstehend vorgeschlagene Formulierung bei der Bank. Dieser die Kontrollpflicht hinsichtlich des Eigenkapitals zuzuweisen erscheint entgegen der üblichen Formulierungen sachgerechter. Dem Verkäufer stehen außerhalb der Kaufpreisabwicklung über Anderkonto praktisch keine Möglichkeiten zur Verfügung, die Leistung des Eigenkapitals neben dem finanzierten Kaufpreis sicher zu stellen. Selbst wenn er sich nämlich einen Eigenkapitalnachweis vorlegen lässt, heißt das nicht, dass dieses auch Wochen später bei Kaufpreisfälligkeit noch vorhanden ist oder fließen wird. Der finanzierenden Bank des Käufers dagegen ist die Absicherung sehr viel leichter möglich. Zum einen lassen sich die Kreditinstitute regelmäßig das Eigenkapital nachweisen und wissen über die Leistungsfähigkeit ihres Kreditnehmers sehr viel besser Bescheid. Zum anderen ist es ihnen auch ein leichtes, durch Anforderung der Einzahlung des Eigenkapitals auf eines ihrer Konten und Gesamtüberweisung des vollständigen Kaufpreises sicher zu stellen, dass die Voraussetzungen zur Nutzung des Grundpfandrechts gegeben sind.

Das rechtspraktische Argument gegen die hier vorgeschlagene Vorgehensweise, die Banken seien nicht bereit, dies mitzutragen, verfängt nicht. Ich nutze die entsprechende Formulierung seit fast einem Jahrzehnt und habe diese noch in keinem einzigen Fall zurückgewiesen bekommen.

bb) Sicherungsgeber

In dem vorstehend abgedruckten Muster aus dem Beck`schen Notarhandbuch ist die Person des Sicherungsgebers an etwas versteckter Stelle definiert:

„Die Grundschuldgläubigerin darf die Grundschuld nur insoweit als Sicherheit verwerten oder behalten, als sie tatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung auf die Kaufpreisschuld des Käufers geleistet hat. Alle weiteren Zweckerklärungen, Sicherungs- und Verwertungsvereinbarungen innerhalb oder außerhalb dieser Urkunde gelten erst, nachdem der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, in jedem Fall ab Eigentumsumschreibung. Ab dann gelten sie für und gegen den Käufer als neuen Sicherungsgeber.“

Es ist der letzte Satz, der klarstellt, dass bis zum Vorliegen der Voraussetzungen Kaufpreiszahlung bzw. Eigentumsumschreibung als Sicherungsgeber der Verkäufer und gerade nicht der Käufer ist.

S. 40 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Soll der Schutz der Sicherungsabrede dem Verkäufer erhalten bleiben, muss sichergestellt werden, dass er auch als Sicherungsgeber die Kontrolle über die Abrede behält. Sollte Sicherungsgeber dagegen der Käufer sein, stünde in jedem Fall die Frage im Raum, welche Auswirkungen der praktisch immer zwischen Käufer und seiner Bank geschlossene Sicherungsvertrag hat. Ist der Käufer Sicherungsgeber, dann kommt der Verkäuferschutz praktisch nur dann in Betracht, wenn sich parallel der Grundpfandrechtsgläubiger im Sinne der eingeschränkten Sicherungsabrede ihm gegenüber parallel verpflichtet. Dies wäre dann aber kein Sicherungsvertrag, sondern eine parallele Abrede über eine Verwendungsbindung, also ein separates Schuldverhältnis.57 Für diese Gestaltungen empfiehlt es sich nach meinem Dafürhalten dringend, vor Eintragung der Grundschuld die Bestätigung des Gläubigers einzuholen, dass er sich an die Einschränkungen hält.

Es empfiehlt sich, von vornherein den Verkäufer so lange als Sicherungseber dem Gläubiger gegenüber auftreten zu lassen, wie dieser das Risiko der Belastung mit der Grundschuld wirtschaftlich zu tragen hat, d.h. bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung bzw. dem Eigentumsübergang.

cc) Methode des Zustandekommens des Sicherungsvertrages

Für den Verkäufer von entscheidender Bedeutung ist, dass diese beschränkte Sicherungsvereinbarung zwischen ihm und dem Grundpfandrechtsgläubiger nicht nur im Kaufvertrag steht, sondern tatsächlich auch wirksam zustande kommt.

Die meisten Empfehlungen gehen heute immer noch dahin, es zur Bedingung der Nutzung der Vollmacht zu machen, dass bestimmte, die Sicherungsabrede einschränkende Erklärungen in die Grundpfandrechtsbestellungsurkunde aufgenommen werden. Der BGH58 erklärt dies sogar zur praktisch einhelligen Auffassung.59

Es dürfte seit dem hier besprochenen Beschluss des BGH nicht mehr zu empfehlen sein, die beschränkte Abrede nur in den Kaufvertrag bzw. die Vollmacht aufzunehmen

57 So wohl das Verständnis von Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 427. 58 Siehe dazu Rz. 10 des Beschlusses des BGH v. 21.4.2016 - V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853; dem Beschluss zustimmend Salzig, ZfIR 2016, 676. Meine abweidende Auffassung (Kesseler, ZNotP 2004, 433) wird ausgeblendet. 59 Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 274, 282; Behmer, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 6 II, 7. Auflage 2016, VIII Nr. 30; Albrecht, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Auflage 2001, Rn. 586; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 427, 435; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3159.

S. 41 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

und auf diese zu verweisen. Der BGH lässt dies zwar materiell ausreichen, wenn er ausdrücklich die Entscheidung des LG Karlsruhe60 über das konkludente Zustandekommen der Sicherungsabrede durch Bezugnahme auf die Belastungsvollmacht zitiert.

Materiell-rechtlich gesehen kommt allerdings in Betracht, dass die erforderliche Sicherungsabrede zwischen dem Verkäufer und dem Grundschuldgläubiger konkludent zustande kommt. Dies kann anzunehmen sein, wenn für den Grundschuldgläubiger erkennbar ist, dass sich die Mitwirkung des Verkäufers auf die Finanzierung beschränkt, etwa weil der Käufer ihm gegenüber erklärt, die Grundschuld aufgrund einer Belastungsvollmacht zu bestellen.61

Allerdings heißt es im vorangegangenen Absatz in einer durchaus wertend zu verstehenden Passage des Urteils:

„Hier ist der beurkundende Notar diesen Empfehlungen der einhelligen Auffassung in der rechts Literatur, der Verfasser nicht gefolgt. Er hat sich darauf beschränkt, in den Eingang der Grundschuldbestellungsurkunde aufzunehmen, dass die Käufer „im Rahmen und gemäß der Vollmacht vom 7. 4. 2014 … des amtierenden Notars“ handelten.62

Umgekehrt halte ich die Praxis der Aufnahme der Sicherungsabrede zum einen für umständlich, da das doppelte Verlesen der Erklärungen weder für den Notar noch für die Beteiligten sinnstiftend ist, zum anderen die Abrede aber auch für rechtsdogmatisch in der Bewilligungsurkunde entgegen der Auffassung des BGH und der herrschenden Literaturauffassung fehlplatziert.

Die Eintragungsbewilligung zur Grundschuld ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das strukturell schlecht geeignet ist, vertragliche Abreden zu treffen. Zwar erklärt der BGH, dass entsprechend der herrschenden Auffassung durch die Aufnahme des Angebotes der eingeschränkten Abrede in die Bestellungsurkunde dazu führt, dass der Gläubiger die dingliche Einigung nur bei gleichzeitiger Annahme des Sicherungsvertrages annehmen könne.

Rechtsstrukturell setzt dieser Gedanke aber voraus, dass der Käufer grundsätzlich eine Vollmacht zu dinglichen Erklärungen im Namen des Verkäufers besitzt, die inhaltlich nicht den gleichzeitigen Abschluss des Sicherungsvertrages voraussetzt, denn ansonsten bedürfte es erst gar nicht der Aufnahme in die Bestellungsurkunde. Damit ergibt sich das immanente Risiko, dass sich der Käufer im Namen des Verkäufers über das Entstehen der Grundschuld mit dem Gläubiger formlos einigt und die Grundschuld auch dann aufgrund Eintragung zustande kommt, wenn der Gläubiger die Bestellungsurkunde nie erhält. Der BGH löst dies nicht

60 LG Karlsruhe, Urteil vom 13. 1. 1994 - 2 O 250/93, DNotZ 1995, 892 (m. Anm. Reithmann). 61 Siehe dazu Rz. 12 des Beschlusses des BGH v. 21.4.2016 - V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853. 62 Rz. 11 des Beschlusses des BGH v. 21.4.2016 - V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853.

S. 42 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

rechtsdogmatisch, sondern nur unter Verweis auf praktische Wahrscheinlichkeiten: „Praktisch gesehen wird der Grundpfandgläubiger nämlich stets Kenntnis von der Grundschuldbestellungsurkunde erlangen. Hier ergibt sich dies sogar ausdrücklich daraus, dass der Notar beauftragt wird, der Gläubigerin sofort eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu erteilen. Aber auch ohne eine solche Regelung muss das GBA von dem praktischen Normalfall ausgehen, in dem der Gläubiger die Urkunde erhält.“63

Wie vorstehend bereits festgestellt hat die Annahme der Aufnahme eines Angebotes zu einer eingeschränkten Sicherungsvereinbarung in die Grundschuldbestellungsurkunde erhebliche kostenrechtliche Folgen, die die Praxis derzeit wohl nicht beachtet, die aber logische Konsequenz der Überlegungen des BGH sind.

Der Sicherungsvertrag über die Grundschuld wird, soweit der Käufer keine eingeschränkte Vollmacht hat, an anderer Stelle mit der Bank vereinbart.

Die bloße Einschränkung der Abrede allein lässt es im Unklaren, wer Sicherungsgeber der Grundschuld ist. Da der BGH in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung davon ausgeht, dass aus Sicht des Kreditinstitutes im Zweifel der Darlehensnehmer auch der Sicherungsgeber ist,64 ist dies nicht ungefährlich.

Ich halte es deshalb für sachgerechter, von vornherein durch die Struktur der Finanzierungsvollmacht klarzustellen, dass, solange der Kaufpreis noch nicht gezahlt ist, als Sicherungsgeber nur und ausschließlich der Verkäufer anzusehen ist.

Dementsprechend halte ich es weiter für sinnvoll, klarzustellen, dass der Käufer zunächst nur als Bevollmächtigter des Verkäufers auch die Sicherungsabrede mit der Bank trifft. Insoweit reicht es dann völlig aus, wenn die Beschränkungen der Abrede zum Inhalt der Vollmacht des Käufers gemacht werden. Der Käufer wird nur bevollmächtigt inhaltlich beschränkte Abreden zu treffen. Ganz gleich, ob der Kreditgeber dies nun wahrnimmt oder nicht, ist die Abrede immer derart beschränkt, wie dies die Vollmacht des Käufers eben zulässt. Alle anderen Vereinbarungen wirken - mangels Vollmacht - eben nicht gegen den Verkäufer.

Damit der Kreditgeber sich nicht darauf berufen kann, die Beschränkung seien gegen ihn nicht durchsetzbar, wird

63 BGH Beschluss v. 21.4.2016 - V ZB 13/15, DNotZ 2016, 853 (dort Rz. 15). 64 BGH v. 8.12.1988 - III ZR 107/87, NJW 1989, 1732, 1733; BGH v. 20.11.2009 - V ZR 68/09, DNotZ 2010, 375 = NJW 2010, 935 = ZfIR 2010, 93 m. Anm. Clemente; siehe dazu auch Schmidt-Räntsch, ZNotP 2011, 1. So im Begründungsansatz auch BGH v. 27.6.2008 - V ZR 83/07 - DNotZ 2008, 923 (dazu die Anm. von Keim, DNotZ 2009, 245). Aktuell auch BGH v. 27.10.2011 - V ZR 64/11, abzurufen über den Server des BGH.

S. 43 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

entweder die Nutzung der Vollmacht auch hinsichtlich der dinglichen Erklärungen an die Vorlage einer Ausfertigung der Vollmacht geknüpft, aus der die Beschränkungen der rechtsmacht des Käufers ersichtlich sind,

oder die Vollmacht zur Abgabe der dinglichen Einigungserklärung von vornherein an den Abschluss einer eingeschränkten Sicherungsabrede gebunden.

Die Gestaltung mit Beschränkung der dinglichen Einigungsmacht hat allerdings den Nachteil des Risikos, dass das Grundbuchamt die Beschränkung der materiellen Einigungsmacht wiederum als Beschränkung auch der verfahrensrechtlichen Bewilligungsmacht begreift. Hinzu kommt, dass diese Beschränkung der Vollmacht die Grundschuld insgesamt als dingliches Rechtsinstrument in ihrem Bestand gefährdet. Wenn der Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt wird, aber eben ein Fehler bei der Beschränkung der Sicherungsabrede gemacht wurde, ist die Vollmacht unwirksam und wird möglicherweise auch nach Eigentumsumschreibung nicht mehr wirksam, da dem Käufer das Bewusstsein für die Einigungsnotwendigkeit fehlen dürfte.

g) Überleitung des Sicherungsvertrages

Ist der Sicherungsvertrag entsprechend der vorstehend angestellten Überlegungen mit dem Verkäufer zustande gekommen ist es alsdann erforderlich noch dafür Sorge zu tragen, das die Berechtigung aus dem Sicherungsvertrag nicht bei diesem verbleibt und so seiner Verfügungsmacht und der seiner Gläubiger ausgesetzt ist. Die meisten65 Formulare sehen dazu die Abtretung der Rückgewähransprüche an den Käufer vor.66

6. Flankierende Probleme

Am Rande sollen weiter zwei Probleme des Umgangs mit der Finanzierungsvollmacht beleuchtet werden, die hinsichtlich des ersten Gesichtspunktes zum Weglassen einladen und des zweiten zum (vollstreckungs-)praktisch brauchbaren Umgang aufrufen.

a) Abtretung der Auszahlungsansprüche

In vielen Mustern findet sich noch die hergebrachte Formulierung, dass die Auszahlungsansprüche aus dem gesicherten Darlehen an den Verkäufer abgetreten

65 Beispielhaft dazu nur Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 271, 279; Behmer, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 6 II, 7. Auflage 2016, VIII Nr. 30; Salzig, in: Beck'sche Online-Formulare Vertrag, 38. Edition 2016 (Stand: 1.9.2016), Muster 8.1.1 dort § 8 und Anmerkung 20. 66 Strukturell anders die Überlegungen von Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 427, der den Käufer von vornherein als Sicherungsgeber ansieht und deshalb eine Abtretung nicht benötigt.

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werden. Diese Formulierung ist nicht nur überflüssig,67 sondern in bestimmten Konstellationen sogar gefährlich.68

Anschaulich ist dafür eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008.69

Fallgestaltung (vereinfacht):

A verkauft an B seine Eigentumswohnung. Im Kaufvertrag ist für B eine Belastungsvollmacht vorgesehen. Voraussetzung der Nutzung der Belastungsvollmacht ist die Abtretung des Darlehensauszahlungsanspruchs des Käufers gegen seine finanzierende Bank an den Verkäufer. Die finanzierende Bank zahlt den Kaufpreis an A aus. B gerät in wirtschaftliche Schwierigkeiten und lässt die Eigentumswohnung verkommen. Als er auch die Zahlungen auf das Darlehen einstellt, ergibt eine Prüfung der Bank, dass der Darlehensvertrag unwirksam ist, und zwar da B bei dessen Abschluss nicht wirksam vertreten war (Geschäftsbesorgungsmodell).

Die Nichtigkeit des Darlehensvertrages führte nach den Überlegungen des V. Zivilsenats dazu, dass die Bank die aus ihrer Sicht rechtsgrundlos an den Verkäufer ausgezahlten Darlehensmittel von diesem zurückverlangen kann. Dies soll sogar dann gelten, wenn der Kaufvertrag im Übrigen bereits vollständig durchgeführt und namentlich das Eigentum vom Verkäufer auf den Käufer übergegangen ist. Mängel im Darlehensvertrag können so voll auf den Verkäufer durchschlagen.

Der V. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung strikt die Leistungsbeziehungen zwischen den Beteiligten geprüft und auf Mängel untersucht. Was die Zahlung der Bank an den Verkäufer angeht, beruht diese nach Auffassung des V. Senats auf zwei möglichen Rechtsgrundlagen:70

- die Bank leistet aufgrund einer eigenen Tilgungsbestimmung als Dritte im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB oder,

- die Bank leistet als Hilfsperson des Käufers unter Übermittlung dessen Tilgungsbestimmung.

67 Everts, in: Beck´sches Notar-Handbuch 6. Auflage 2015, A I Rn. 277; Reymann MittBayNot 2008, 272; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3158. 68 Siehe dazu Kesseler, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, DAI- Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2011/2012, S. 27ff.; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Auflage 2015, Teil 2 Kap. 2, Rn. 428. 69 BGH v. 27.6.2008 - V ZR 83/07 - DNotZ 2008, 923 (dazu die Anm. von Keim, DNotZ 2009, 245) = ZNotP 2008, 362; dazu auch Schilling ZNotP 2009, 138. 70 So auch Keim, DNotZ 2009, 245.

S. 45 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die Überraschung präsentierte der Senat darin, dass er die Zahlung von Seiten der Bank an den Verkäufer nicht als solche eines Dritten im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB ansah. Der Senat stellte allein darauf ab, dass angesichts der erfolgten Abtretung des Darlehensauszahlungsanspruchs die Bank eindeutig an den Verkäufer als Inhaber dieses Anspruchs zahlen wollte. Damit war die Frage der Zahlung als Dritter im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits ad acta gelegt. Aufgrund der Abtretung habe der BGH genau auf diese abgetretene Forderung des Verkäufers an sie selbst geleistet.

Die Bedeutung der Abtretung der Auszahlungsansprüche für das Sicherungssystem des Verkäufers ist dabei denkbar gering. Der manchmal angeführte Schutz vor Pfändungszugriffen Dritter auf die Auszahlungsansprüche ist tatsächlich kein Problem des Verkäufers. Soweit dieser in der von ihm vorzugebenden Sicherungszweckerklärung ausdrücklich festhält, dass eine Nutzung des Grundpfand-rechts als Kreditsicherheit nur dann in Betracht kommt, wenn auf den Kaufpreis-anspruch hin gezahlt wird, kann es ihm letztlich gleichgültig sein, ob von dritter Seite Pfändungen in den Anspruch ausgebracht werden. Entweder leistet die Bank nämlich an ihn, dann hat sie die Grundschuld als Sicherungsgegenstand. Oder sie leistet nicht an ihn, dann ist die Bank einem Kondiktionsanspruch ausgesetzt. Es besteht damit kein Anlass, diese kritische Formulierung überhaupt in die Muster der Belastungsvollmacht aufzunehmen.

b) Zustellung der Vollmacht – Ausfertigung zur Grundschuld

Es hat sich in der Praxis etabliert, dass bei der Bestellung von Finanzierungs-grundschulden keine beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Finanzierungs-vollmacht der Grundschuldbestellungsurkunde beigefügt wird.

Aus Sicht des Gläubigers ist der – in der Praxis ebenso regelmäßige - Verzicht auf die Vorlage einer Ausfertigung des Kaufvertrages mit der Finanzierungsvollmacht eindeutig gefährlich und von mangelndem Risikobewusstsein geprägt. Nur die Vorlage der Ausfertigung gewährt die Schutzwirkungen des § 172 BGB.

Es entspricht herrschenden Auffassung, dass der Notar bei der Beurkundung der Grundschuld nicht nach § 12 BeurkG verpflichtet ist, die Vollmacht beizufügen, da die Norm die Amtspflicht zur Beifügung "vorgelegter" Vollmachten enthält, nicht aber für in einer anderen Urkunde desselben Notars enthaltene und diesem daher vorliegende Vollmachten.71 Der Nachweis der Vollmacht erübrigt sich, wenn dem Bevollmächtigten ein Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung zusteht und die

71 So Bolkart MittBayNot 2007, 338, 339 f.

S. 46 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Urschrift in der Urkundssammlung des Notars vorliegt, der auch die Erklärung des Bevollmächtigten beurkundet.72

Das Problem dieser Vorgehensweise besteht nun aber nicht allein darin, dass die Gläubigerin sich des Schutzes des § 172 BGB begibt, sondern wesentlich auch in dem dadurch erschwerten Vollstreckungsverfahren aus der Grundschuld. Für das Grundbuchverfahren reicht das Vorgehen mittels Bestätigung des nicht erfolgten Widerrufs aus.

Der BGH geht aber in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einer aufgrund einer Finanzierungsvollmacht bestellten vollstreckbaren Grundschuld auch die Vollmacht als Dokument im Sinne des § 750 ZPO zuzustellen ist.73

Es empfiehlt sich deshalb aus vollstreckungsrechtlichen Gründen die Vollmacht in (auszugsweiser) Ausfertigung des Kaufvertrages der Bestellungsurkunde beizufügen.

Das nachstehende Muster beruht auf dieser Gestaltung.

7. Ein einfaches Muster

Aus dem Vorgesagten kann folgendes einfache Muster abgeleitet werden, das sowohl den vom BGH gemachten Vorgaben für das Grundbuchverfahren und die Verkäufersicherung genügt als auch die verfahrens- und kostenrechtlichen Nachteile der bisherigen Verfahren vermeidet.

Der Veräußerer verpflichtet sich zum Zweck der Kaufpreisfinanzierung bei der Bestellung von Grundpfandrechten mitzuwirken.

Dazu erteilt er dem Erwerber Vollmacht, alle im Zusammenhang mit der Bestellung und rangrichtigen Eintragung von Grundpfandrechten am Kaufgrundbesitz sowie von Sicherungsverträgen mit dem Gläubiger zweckmäßigen Erklärungen abzugeben, wobei klargestellt wird, dass die

72 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3585.

73 BGH, Beschluss v. 6.6.2013 - V ZB 117/12, BeckRS 2013, 11008; v. 21.9.2006 - V ZB 76/06, WM 2006, 2266; v. 10.4.2008 - V ZB 114/07, ZfIR 2008, 468.

S. 47 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Grundpfandrechte durch den Veräußerer nur im Rahmen von Sicherungsvereinbarungen mit diesem gestellt werden.

Hinsichtlich der dinglichen Grundpfandrechtsbestellung gilt diese Vollmacht ausdrücklich auch der Höhe und der Nebenleistungen nach unbeschränkt und mit der Befugnis Vollstreckungsunterwerfungen nach § 800 ZPO zu erklären. Allerdings kann von der Vollmacht nur unter Vorlage einer Ausfertigung dieser Vollmachtsurkunde sowie hinsichtlich aller grundbuchverfahrensrechtlich zu verwendenden Erklärungen nur vor dem amtierenden Notar Gebrauch gemacht werden. Der beurkundende Notar wird angewiesen, solche Erklärungen nur zugunsten deutscher Kreditinstitute oder Versicherungen entgegen zu nehmen.

Hinsichtlich der Sicherungsvereinbarungen gilt die Vollmacht mit der ausdrücklichen Einschränkung, dass bis zur vollständigen, mit Tilgungsbestimmung auf die Kaufpreisschuld geleisteten Zahlung des Kaufpreisbetrages nebst Grunderwerbsteuer das Grundpfandrecht nicht als Sicherheit genutzt werden darf, es sei denn, der Kaufvertrag würde aus vom Veräußerer zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt.

Der Veräußerer ist vom Erwerber von allen im Zusammenhang mit der Grundpfandrechtsbestellung entstehenden Kosten freizustellen.

Alle Eigentümerrechte und übertragbaren Rechtspositionen aus dem Sicherungsvertrag werden hiermit mit Wirkung ab vollständiger Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übertragen.

Für Verträge mit plangemäß erfolgender ratierlicher Zahlungsweise im Interesse des Verkäufers, namentlich also Bauträgerkaufverträge, muss die Erklärung zur Sicherungszweckvereinbarung etwas abgeändert werden:

Hinsichtlich der Sicherungsvereinbarungen gilt die Vollmacht mit der ausdrücklichen Einschränkung, dass das Grundpfandrecht nur als Sicherheit für solche Beträge genutzt werden darf, die mit Tilgungswirkung auf die Kaufpreisschuld geleistet wurden, es sei denn, der Kaufvertrag würde aus vom Veräußerer zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt.

S. 48 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. AGB-rechtliche Beschränkung von Formklauseln (CH)

Als Notare leben wir von Formerfordernissen – und erleben auch deren Nutzen und Schutz für die Beteiligten in unserer täglichen Praxis. Von daher wird uns wenig begeistern, wenn unter den Klauselverboten des § 309 sich auch ein Verbot gewillkürter Formerfordernisse findet.

Kann denn Form auch Sünde sein?, fragt sich da der überzeugte Notar.

1. Änderung des § 309 Nr. 13 BGB

a) Vor dem 1. 10. 2016 geltende Fassung

Das Klauselverbot ist nicht neu. Es wurde aber verschärft. Bisher lautete es:

§ 309 BGB aF - Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (idF vor dem seit 1.10.2016)

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

1. ...

13. (Form von Anzeigen und Erklärungen)

eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden;

b) Seit dem 1. 10. 2016 geltende Fassung

Das „Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucher-schützenden Vorschriften des Datenschutzrechts“ vom 17.2.2016“74 verschärfte das Klauselverbot. Nun differenziert es nach der gesetzlichen Form des Vertrages, in dem das rechtsgeschäftliche Formerfordernis gestellt wird.

§ 309 BGB - Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (idF seit 1. 10. 2016)

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

1. ...

13. (Form von Anzeigen und Erklärungen)

eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden

a) an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder

74 BGBl 2016 I 233, in Kraft seit 1.10.2016.

S. 49 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder

c) an besondere Zugangserfordernisse.

2. Gesetzesanalyse

a) Anwendungsbereich

§ 309 Nr. 13 BGB gilt für Anzeigen und Erklärungen des Verbrauchers (= Vertrags-partners des AGB-Verwenders), also insbes. für Mängelrügen, Rücktritt vom Vertrag oder Kündigung u.ä.

§ 309 Nr. 13 BGB gilt nicht für eine Vertragsänderung, die beiderseitige Erklärun-gen (Angebot und Annahme) erfordert. Schriftformklauseln für spätere vertragliche Nebenabreden und Abreden über Vertragsänderungen sind vielmehr an § 305b BGB (Vorrang der Individualabrede) und § 307 BGB (Unangemessenheit) zu prüfen.

b) Vertrag unterliegt gesetzlichem Beurkundungserfordernis

Unterliegt der Vertrag hingegen einem gesetzlichen Beurkundungserfordernis, so kann rechtsgeschäftlich auch für Anzeigen und Erklärungen des Verbrauchers Schrift-form verlangt werden (§ 309 Nr. 13 lit. a).

– Dies betrifft v.a. Immobilienkaufverträge (einschließlich Bauträgerverträge), bei denen auf einer Seite ein Verbraucher beteiligt ist.

– Der Rechtsausschuss des Bundestages, auf dessen Vorschlag die Differenzierung aufgenommen wurde, führte als Beispiele die Bestätigung der Kaufpreiszahlung (beim Verkauf durch einen Verbraucher) an sowie vertragliche Rücktrittsrechte.

Auf Grund der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die Verträge, für die notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist, in der Regel für die Vertragsparteien haben, wiege das Interesse des Erklärungsempfängers, Rechtssicherheit zu erhalten, ob eine Erklä-rung tatsächlich vom Abgebenden stammt oder nicht, dort schwerer als das Interesse des Erklärenden an einer möglichst einfachen Ausübung seiner Rechte.75

Als Voraussetzung genügt aber nicht, dass der Vertrag tatsächlich beurkundet wird, sondern er muss gesetzlich beurkundungsbedürftig sein. Auch darf in AGB kein höheres als das Schriftformerfordernis vereinbart werden.

(M.E. muss man nicht darauf hinweisen, dass das Gesetz dann auch die elektro-nische Form zulässt, § 126 Abs 3, da dies praktisch ohnehin nicht vorkommt und den Verbraucher nur verwirrt, weil er dann meint, dass auch ein bloßes E-Mail

75 BT-Drucks 18/6916, 8.

S. 50 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

genügt, wenn er den Vertrag später nochmals durchliest und die Belehrung des Notars zwischenzeitlich vergessen hat). Jedoch kann die AGB die elektronische Form nicht ausschließen, soweit sie gesetzlich zulässig ist.

c) Vertrag ist nicht beurkundungsbedürftig

Ist der Vertrag nicht beurkundungsbedürftig, kann für Anzeigen und Erklärungen des Verbrauchers nur Textform (§ 126b) verlangt werden, nicht mehr Schriftform.

– Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass dies bisher bereits nach der Aus-legungsregel des § 127 Abs 2 galt, aber von den Verbrauchern häufig missverstanden werde.76 (M.E. irrt die Gesetzesbegründung hier, da m.E. § 127 Abs 2 mehr als die bloße Textform verlangt und etwa bei einem Brief doch eine Unterschrift, bei einem Fax doch eine Unterschrift auf dem Ausgangsfax verlangt.)

– Auch sei die Textform sachgerecht; zum Schutz des Verbrauchers sei die strenge Schriftform für die durch § 309 Nr. 13 erfassten Erklärungen nicht erforderlich – und ebenso wenig als Beweismittel für den AGB-Verwender, weil im Streitfall die Beweislast für Erklärung und Zugang ohnehin beim erklärenden Verbraucher liege.77

3. Beispielsfälle

a) Mängelrügen oder Kündigung

Als Anwendungsfall des § 309 Nr. 13 hatte der Gesetzgeber wohl v.a. Mängelrügen oder Kündigung des Verbrauchers bei Kaufverträgen oder Dauerschuldverhältnissen im Auge; hier erleichtert die Neuregelung dem Verbraucher, seine Rechte geltend zu machen oder von einem nicht mehr gewollten Vertrag loszukommen. § 309 Nr. 13 hat aber einen wesentlich weiteren Anwendungsbereich.

b) Geltendmachung von Rechten durch den Arbeitnehmer

So sind etwa in Arbeitsverträgen bisher Ausschlussfristen üblich, wonach der Arbeitnehmer seine Rechte binnen bestimmter Fristen schriftlich geltend machen muss, andernfalls verfallen sie.

– Jedenfalls das Schriftformerfordernis ist in neuen, ab dem 1.10.2016 abgeschlos-senen AGB-Arbeitsverträgen unwirksam; AGB können nur mehr eine Geltend-machung in Textform verlangen.

76 BT-Drucks 18/4631, 13. 77 BT-Drucks 18/4631, 13.

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– Allerdings ist bei einem Verstoß m.E. isoliert nur das Formerfordernis unwirksam, während die Ausschlussfrist i.ü. wirksam vereinbart wurde. Denn das Wörtchen „schriftlich“ kann man streichen, ohne dass der Rest der Klausel unsinnig würde.78

c) VOB/B-Vertrag

Auch im VOB/B-Vertrag finden sich diverse Schriftformerfordernisse.

– Dies sind rechtsgeschäftliche Formerfordernisse (keine gesetzlichen Formerforder-nisse), da die VOB/B Allgemeine Geschäftsbedingungen sind (auch wenn sie unter Beteiligung von Spitzenverbänden der Besteller- und der der Unternehmerseite erarbeitet werden).79

– Anzeigen und Erklärungen iSd § 309 Nr. 13, für die die VOB/B Schriftform verlangt, sind insbes. die Kündigung (§ 8 Abs. 6 VOB/B Kündigung durch den Auftraggeber, § 9 Abs. 2 S. 1 VOB/B Kündigung durch den Auftragnehmer) sowie die Geltendmachung von Mängelansprüchen (§ 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B). Ggf. könnte man auch die Schriftform des Abnahmeprotokolls (§ 12 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B) darunter fassen, soweit damit die Mängelrüge gegenüber dem AGB-Verwender dokumentiert wird.

– Jedenfalls nicht in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 13 fällt die Schriftform für die Bürgschaft, die der Auftragnehmer stellen muss (§ 17 Abs. 4 S. 2 VOB/B).

– Diese Verstöße gegen § 309 Nr. 13 sind also weitere Punkte, warum die VOB/B im Verbrauchervertrag nicht wirksam vereinbart werden kann (neben der Verjährungs-verkürzung in § 13 Abs. 4 VOB/B).

– In Verträgen zwischen zwei Unternehmern (oder einem Unternehmer und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts) ist jedoch das Klauselverbot des § 309 Nr. 13 nicht anwendbar (§ 310 Abs. 1 S. 1) – und ist bei Einbeziehung der VOB/B im Ganzen auch keine Angemessenheitsprüfung einzelner VOB/B-Klauseln durch-zuführen (§ 310 Abs 1 S 3).

d) Genehmigung eines bei Beurkundung vollmachtlos Vertretenen

Unproblematisch ist, soweit in notariell beurkundeten Verträgen für die Genehmigung eines vollmachtlos vertretenen Beteiligten (§§ 177, 179 BGB) eine Unterschrifts-beglaubigung verlangt wird.

– Dies ist ein rechtsgeschäftliches Formerfordernis, da die Genehmigung auch bei einem beurkundungsbedürftigen Vertrag gesetzlich formfrei möglich wäre. Es fällt

78 Lingemann/Otte, Der neue § 309 Nr. 13 BGB – Das Ende des schriftlichen Geltendmachens

arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen, NZA 2016, 519; Seidler/Lunk, Neue Formvorschriften für Anzeigen und Erklärungen – (ungewollte?) Auswirkungen im Arbeitsrecht, NJW 2016, 2153.

79 Staudinger/Peters/Jacoby, BGB (2013) Vorbem. zu §§ 631 ff BGB Rn. 94.

S. 52 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

als Erklärung zum Vertragsschluss aber nicht in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 13 BGB.

– Es ist auch nicht unangemessen i.S.d. § 307, da es für den Vertragsvollzug erfor-derlich ist (§ 29 GBO) und der Rechtssicherheit aller Vertragsbeteiligten dient.

e) Ausübung eines rechtsgeschäftlichen An- oder Vorkaufsrechts

Bei der Ausübung von rechtsgeschäftlichen An- oder Vorkaufsrechten sehen nota-rielle Vertragsmuster häufiger eine Ausübung durch Unterschriftsbeglaubigung vor.

– Eine AGB-Kontrolle ist eröffnet, wenn ein Vertragsteil Unternehmer und der andere Verbraucher ist sowie die Erklärung des Verbrauchers dem rechtsgeschäft-lichen Formerfordernis unterstellt wird.

– Man könnte die Ausübung des rechtsgeschäftlichen An- oder Vorkaufsrechts als Erklärung innerhalb eines bestehenden Vertragsverhältnisses i.S.d. § 309 Nr. 13 BGB ansehen, da sie aufgrund der Vereinbarung über das An- oder Vorkaufsrecht erfolgt. Die Ausübungserklärung begründet aber einen neuen Kaufvertrag. Damit fällt sie m.E. nicht in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 13 BGB – ebenso-wenig wie Formklauseln für Vertragsabschluss oder -änderung.

– Damit ist die Klausel, sofern sie AGB ist, an der Generalklausel des § 307 BGB zu messen. Das rechtsgeschäftliche Formerfordernis dient zum dazu, den Nachweis der Ausübung gegenüber dem Grundbuchamt führen zu können (§ 29 GBO) und auch zum Schutz vor einer unbedachten Ausübung des An- oder Vorkaufsberechtigten. Das Formerfordernis ist daher nicht unangemessen.

S. 53 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

V. Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss (SH)

1. Gewährleistungsausschluss erfasst auch zuvor öffentlich erklärte Eigenschaften

a) Ausgangslage

Nicht einmal ein halbes Jahr nach der letzten Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH (Urteil vom 6.11.2015 – V ZR 78/14) hatte sich dieser im Urteil vom 22.4.2016 (V ZR 23/15) erneut mit der Relevanz vorvertraglicher, im beurkundeten Kaufvertrag nicht enthaltener Angaben des Verkäufers zu den Eigenschaften eines Grundstücks bzw. eines aufstehenden Gebäudes zu befassen. Diese Häufung illustriert zweierlei: Zum einen scheinen nicht wenige Käufer im derzeitigen Immobilienmarkt Abschlüsse sehr zeitnah und ohne nähere Überprüfung des Kaufobjekts vorzunehmen. Zum anderen besteht – jedenfalls auf der Ebene der Instanzgerichte – ein gewisses Unbehagen, Kaufpreis relevante Falschangaben des Verkäufers im Vorfeld des Vertragsschlusses auch jenseits von Arglist und Vorsatz für gänzlich irrelevant zu erachten.

aa) BGH, Urt. v. 6.11.2015

Bis zum Urteil des BGH vom 6.11.201580 herrschte in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur Unsicherheit darüber, unter welchen Voraussetzungen eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB allein durch vorvertragliche Eigenschaftsangaben des Verkäufers anzunehmen ist.

In dem der Entscheidung vom 6.11.2015 zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte der Verkäufer über die ungefähren Flächenangaben der Wohnung im Exposé hinaus auf Nachfrage des Käufers präzisere Angaben durch Aushändigung von Grundrisszeichnungen mit Angaben der Flächenmaße gemacht, welche zwar die tatsächliche Fläche, nicht hingegen die unter Zugrundelegung der Wohnflächenverordnung maßgebliche Wohnfläche auswiesen.

Angesichts der im Exposé lediglich enthaltenen ungefähren Flächenangaben, kam die Anwendung von § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB von vornherein nicht in Betracht, ebenso wenig war ein etwaiger Vorrang eines allgemeinen Haftungsausschlusses gegenüber der so ermittelten Normalbeschaffenheit der Sache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB von Relevanz. Vielmehr war zu klären, ob in den konkreten Angaben des Verkäufers gegenüber dem Käufer eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zu sehen sei. Eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung in diesem Sinne würde sich nach ständiger Rechtsprechung gegen den im Vertrag enthaltenen pauschalen Haftungsausschlusses durchsetzen.

80 BGH NotBZ 2016, 137 (Herrler) = NJW 2016, 1815.

S. 54 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Diese Frage hat der BGH klar verneint und auch eine Aufklärungspflicht eines privaten Verkäufers im Hinblick auf die Grundlagen der Flächenberechnung abgelehnt.

Zur Erinnerung der damalige Leitsatz:

Eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss durch den Verkäufer, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, führt in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.81

Entscheidend hierfür waren aus Sicht des Senats die folgenden, hier nur schlagwortartig wieder zu gebenden Erwägungen:

(1) Beurkundungserfordernis – Vollständigkeitsgrundsatz

Da auch dem Käufer das Beurkundungserfordernis bekannt sei, sei für außerhalb der Urkunde gegebene Informationen bei interessengerechter Vertragsauslegung nicht von beurkundungsbedürftigen Beschaffenheitsvereinbarungen, sondern lediglich von nicht beurkundungsbedürftigen bloßen Beschaffenheitsinformationen auszugehen.

(2) „In dubio pro Wirksamkeit“

Zudem gebührt im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug, welche die Nichtigkeit des Vertrags (§ 125 S. 1 BGB) vermeidet. Trotz der Heilungsmöglichkeit nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB fehle es zunächst an der Schutzwirkung der Vormerkung.

(3) Formzwecke vs. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 1999/44/EG

Die mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 1999/44/EG82 beim Verbrauchsgüterkauf gebotene weite Auslegung von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB sei nicht auf Kaufverträge über Immobilien übertragbar, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Hier sei eine den Zwecken des gesetzlichen Formzwangs Rechnung tragende, engere Auslegung geboten.

Der gesetzliche Formzwang „soll die Vertragsparteien vor übereilten Verträgen bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen die Möglichkeit zu rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen […]. Die Warn- und Schutzfunktion der Beurkundung wäre entscheidend infrage gestellt, wenn schon die vorvertragliche Beschreibung bestimmter Eigenschaften des Grundstücks oder Gebäudes zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führte, ohne dass in dem notariellen

81 BGH, Urt. 06.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815 = NotBZ 2016, 137 Leitsatz. 82 Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 1999/44/EG: Es wird vermutet, dass Verbrauchsgüter

vertragsgemäß sind, wenn sie mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen …

S. 55 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Vertrag dazu etwas erklärt ist. Auch der mit dem Beurkundungszwang verfolgte weitere Zweck, den Parteien eine rechtskundige Beratung und Belehrung zukommen zu lassen, würde verfehlt werden, wenn schon Äußerungen des Verkäufers im Vorfeld des Vertragsschlusses zu Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB führten. Dies ist nämlich Gegenstand der Verhandlung vor dem Notar. Bei dieser hat der Notar gem. § 17 Abs. 1 BeurkG den Willen der Parteien zu ermitteln. Dazu gehört auch die Feststellung, ob Beschaffenheitsvereinbarungen, auf deren rechtliche Tragweite hinzuweisen ist, getroffen werden sollen.“83

(4) Hinreichender Käuferschutz durch c.i.c.-Haftung

Durch ein derartiges restriktives Verständnis der Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB werde der Käufer nicht rechtlos gestellt, da der Verkäufer für vorsätzlich falsche Angaben wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung (culpa in contrahendo) hafte.

Allerdings sei jedenfalls ein nicht unternehmerisch tätiger Verkäufer nicht zur Aufklärung darüber verpflichtet, auf welcher Grundlage eine Wohnflächenangabe beruhe. Eine c.i.c.-Haftung kommt somit nur bei positiver Kenntnis von den abweichenden tatsächlichen Eigenschaften oder bei Angaben ins Blaue hinein in Betracht.

Nach Ansicht des V. Zivilsenats des BGH sind vorvertragliche Eigenschaftsangaben daher in aller Regel lediglich Beschaffenheitsinformationen, die vom Verkäufer ohne Rechtsbindungswillen abgegeben werden.84 Sie unterliegen daher nicht dem Beurkundungserfordernis.

Gestaltungshinweis: Im Interesse beider Parteien mag es gleichwohl – in Abkehr von der bisherigen Praxis jedenfalls bei Verträgen zwischen Verbrauchern – erwägenswert sein, derartige Beschaffenheitsinformationen zu Beweiszwecken in die Urkunde aufzunehmen.85 Aus Sicht des Verkäufers wird hierdurch sein fehlender Rechtsbindungswille hinsichtlich dieser Informationen nochmals dokumentiert. Der Käufer kann auf diese Weise unschwer nachweisen, welche (ggf. unzutreffenden) Informationen er vom Verkäufer erhalten hat bzw. welche Informationen beispielsweise des Maklers diesem zurechenbar sind. Bei einem derartigen Vorgehen wird dem Käufer (nochmals) vor Augen geführt, dass diese Angaben nicht zum vertraglichen Leistungspflichtenprogramm des Verkäufers gehören.

83 BGH, Urt. 06.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815 Rn. 19. 84 Ausführlich zur Abgrenzung von bloßen Beschaffenheitsinformationen gegenüber rechtlich

verbind-lichen Beschaffenheitsvereinbarungen siehe Cziupka/Hübner, DNotZ 2016, 323, 325 ff., insbesondere 329 ff.

85 In diesem Sinne Cziupka/Hübner, DNotZ 2016, 323, 327.

S. 56 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Bewertung

Im Ergebnis ist der restriktiven Linie des V. Zivilsenats gegenüber der Annahme nicht formgerecht getroffener Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zuzustimmen. Mit dem Beurkundungserfordernis im Allgemeinen und den Zwecken des Formgebots, der Warn- und Schutzfunktion, insbesondere dem Schutz vor Übereilung, der Gewährleistung einer rechtskundigen Beratung und Belehrung (vgl. § 17 BeurkG) sowie der Schaffung einer klaren und verlässlichen Grundlage der vertraglichen Beziehungen der Parteien in Gestalt der notariellen Urkunde ist die großzügige Annahme von außerurkundlichen Beschaffenheitsvereinbarungen nicht in Einklang zu bringen.86 Manch einer mag sich eine noch deutlichere Aussage des BGH gewünscht haben, der lediglich eine Regelvermutung („in aller Regel keine Beschaffenheitsvereinbarung“) aufstellt hat und damit im Einzelfall stets Raum für Auslegung lässt.

Wie bereits im letzten Jahr angesprochen,87 ist umgekehrt die grundsätzliche Irrelevanz von fehlerhaften Angaben zu erkennbar erheblichen Eigenschaften der Kaufsache aber aus Sicht des Käufers nicht ganz befriedigend. Hierauf wird noch zurückzukommen sein.

Wenngleich die Entscheidung des BGH im Ergebnis überzeugt, sind nicht alle Argumentationsstränge gleichermaßen überzeugend. Auch einige weitere Annahmen des BGH sind jedenfalls diskussionswürdig.

(1) Relevanz des Haftungsausschlusses

Einige Stimmen in der Literatur verneinen eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB schon unter Hinweis auf den vertraglich vereinbarten umfassenden Haftungsausschluss.88 Bei idealtypischer Betrachtung – Verkäufer und Käufer setzen sich zusammen und formulieren gemeinsam den Vertragstext – mag das richtig sein; denn es wäre aus Sicht des Käufers einigermaßen schizophren, zunächst eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Verkäufer zu treffen, um dann im Vertrag sogleich nahezu sämtliche hieraus resultierenden Rechte im Wege des Haftungsausschlusses wieder aufzugeben.

Abgesehen vom „Rangverhältnis“ von konkreter Beschaffenheitsvereinbarung und (pauschalem) Haftungsausschluss (dazu sogleich unter Ziffer (2)) findet in der Praxis eine derartige gemeinsame Erstellung des Vertragstextes bei einem herkömmlichen Immobilienkaufvertrag aber nicht statt. Vielmehr entwirft der involvierte Notar den

86 Ebenso Cziupka/Hübner, DNotZ 2016, 323, 336; Damm, BWNotZ 2016, 58, 59; Faust, JZ 2016,

1012, 1016; Gutzeit, JuS 2016, 841; Herrler, NJW 2016, 1767, 1769; Scheibengruber, notar 2016, 266; Schmidt, ZfIR 2016, 231, 232; Weber, RNotZ 2016, 650, 651; tendenziell auch Derleder, EWiR 2016, 305, 306; kritisch Jaensch, JM 2016, 185 ff.

87 Herrler, in: in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2015/2016, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 70 f.

88 Cziupka/Hübner, DNotZ 2016, 323, 329, 334 f; tendenziell auch Faust, JZ 2016, 1012, 1013.

S. 57 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Vertrag und wird sich hierzu in aller Regel seines Vertragsmusters bedienen, in welchem aufgrund der typischerweise bestehenden Interessenlage – ähnlich wie beim Verkauf gebrauchter Autos – standardmäßig ein umfassender Haftungsausschluss enthalten ist. Auch wenn es sich hierbei im Regelfall mangels mehrfacher Verwendungsabsicht einer der Vertragsparteien nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist gleichwohl zu konstatieren, dass sich eine konkret-individuelle, (nicht formgerechte) konkludente Vereinbarung der Parteien und eine von einem Dritten eingeführte Standardklausel gegenüberstehen. Ob sich in diesem speziellen Fall bei verständiger Auslegung tatsächlich stets der Haftungsausschluss durchsetzt, erscheint mir mit Blick auf den juristisch nicht vorgebildeten Käufer zweifelhaft. Allein der Haftungsausschluss ist daher kein hinreichend starkes Indiz gegen die Annahme einer vorvertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung.89

Bezieht man hingegen die notarielle Beratung und Belehrung in die Betrachtung ein, ist eine andere Bewertung geboten. Der Notar wird den Beteiligten die Bedeutung des Haftungsausschlusses und dessen Reichweite erläutern. Die Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung ist daher in aller Regel nicht gerechtfertigt, allerdings nicht in erster Linie aufgrund des Haftungsausschlusses, sondern aufgrund der nach § 17 BeurkG gebotenen Erläuterungen des Notars, auch zum Umfang des Beurkundungserfordernisses.

Bei einem lediglich privatschriftlich geschlossenen Vertrag unter Zuhilfenahme eines Standard-Vertragsmusters, etwa über ein gebrauchtes Auto, kann meines Erachtens jedoch nicht vom Haftungsausschluss auf eine fehlende konkludente Beschaffenheitsvereinbarung geschlossen.

(2) Exkurs: Vorrang einer individuellen Beschaffenheitsvereinbarung vor einem pauschalen Haftungsausschluss?

Der BGH geht mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom grundsätzlichen Vorrang einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vor einem pauschalen Haftungsausschluss aus, da nur auf diese Weise beide Regelungen (die Beschaffenheitsvereinbarung als pflichtenbegründende Regelung und im Übrigen der Ausschluss der Mängelgewährleistung) nebeneinander zur Geltung kommen können.90 Dies gilt nach Auffassung des V. Zivilsenats auch für konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen.91 Unter dieser Prämisse ist es auch unproblematisch, von einem (noch dazu pauschalen) Haftungsausschluss nicht notwendig auf das Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung zu schließen. Sofern es indes an einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung fehlt und sich die Sollbeschaffenheit lediglich aus § 434

89 Vgl. bereits Herrler, NJW 2016, 1767, 1768. 90 BGH NJW 2011, 1217 Tz. 18; NJW 2007, 1346 Leitsatz 3. 91 BGH NJW 2016, 1815 Tz. 9 m.w.N.

S. 58 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 (ggf. in Gründung mit S. 3 HS 1) BGB ergibt, soll (auch) der (pauschale) Haftungsausschluss stets vorrangig sein.92

In der Literatur wird diese Differenzierung vielfach abgelehnt.

(a) Fehlende Schutzwürdigkeit des Käufers

Teilweise wird darauf verwiesen, dass ein Käufer, der einen Haftungsausschluss vereinbare, – jenseits der Arglist – in seinem Vertrauen auf Angaben des Verkäufers nicht schutzwürdig sei.93 Bei einem Haftungsausschluss in einem Formulartext ist dies aus den oben dargestellten Gründen (vgl. Ziffer (1) aber grundsätzlich nicht zutreffend, sofern nicht – etwa aufgrund der Vorgaben des Beurkundungsgesetzes (§ 17 BeurkG) – sichergestellt ist, dass sich der Käufer der Rechtsfolgen seiner Erklärungen bewusst ist.

(b) Abgrenzungsproblematik § 434 Abs. 1 S. 1 und § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB

Ferner wird der Differenzierung des BGH entgegen gehalten, konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ließen sich nicht mit der erforderlichen Genauigkeit von der Normalbeschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB abgrenzen.94 Es ist sicherlich zutreffend, dass im Einzelfall die Feststellung schwierig sein mag, ob bestimmte, vom Käufer geäußerte Erwartungen bzw. vom Verkäufer gemachte Angaben als konkludente Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zu qualifizieren sind oder – mangels relevanter Abweichung vom Regelfall – unter § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB fallen.

Die beiden Kategorien der geschuldeten Sollbeschaffenheit sind aber bei Kaufverträgen, die ein Unikat zum Gegenstand haben – wie das regelmäßig beim Immobilienkaufvertrag der Fall ist –, in aller Regel nicht gänzlich deckungsgleich. Wie die vorliegende Entscheidung des BGH illustriert, geht es, wenn eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB aufgrund vorvertraglicher Angaben des Verkäufers bei einem Immobilienkauf in Rede steht, vielfach nicht um die Normalbeschaffenheit des Kaufgegenstands (z.B. Bewohnbarkeit der Immobilie: funktionierende Heizung, Warm- und Kaltwasserzufuhr etc.),95 sondern vielmehr um konkret-individuelle Eigenschaften des Kaufobjekts (etwa eine bestimmte Größe, ein bestimmter Renovierungszustand o.Ä.). Insoweit ist § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB nicht einschlägig.

Da sich die ins Feld geführte Abgrenzungsproblematik bei Immobilienkaufverträgen in aller Regel nicht stellt und es sich daher nicht lediglich um eine Stilfrage handelt, ob

92 Vgl. nur BGH NJW 2007, 1346 Leitsatz 3 93 Jaensch, JM 2016, 185, 187. 94 Faust, JZ 2016, 1012, 1013. 95 Insoweit mag die Abgrenzung der Sollbeschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB und nach § 434

Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auch beim Immobilienkaufvertrag schwierig sein.

S. 59 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

man die geschuldete Sollbeschaffenheit auf § 434 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB stützt, führt die Differenzierung des BGH insoweit nicht zu willkürlichen Ergebnissen. Jedenfalls soweit keine derartige Abgrenzungsproblematik besteht, überzeugt die Differenzierung des BGH.

(3) Auslegung und Form; § 139 BGB und „in dubio pro Wirksamkeit“

Kritisiert werden schließlich die Ausführungen des BGH zur drohenden Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrags wegen Verstoßes gegen das Formgebot des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB und die daraus resultierende Folgerung der Verneinung einer formunwirksamen Beschaffenheitsvereinbarung.96

(a) Insoweit weist Faust zutreffend darauf hin, dass bei formbedürftigen Rechtsgeschäften in einem ersten Schritt der maßgebliche Erklärungsinhalt ohne Berücksichtigung der Formanforderungen zu ermitteln ist und erst in einem weiteren Schritt zu prüfen ist, ob dem Formgebot Rechnung getragen wurde oder das Rechtsgeschäft gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig ist.97 Die Nichtbeachtung der Form ist somit kein Argument gegen eine fehlende Vereinbarung, sondern zieht lediglich die Frage der teilweisen oder vollständigen Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich. Nur sofern man auf der ersten Ebene zum Ergebnis gelangt, dass die Vertragsparteien eine konkludente und damit formunwirksame Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben,98 ist in einem zweiten Schritt zu fragen, ob sich der Formmangel lediglich auf die konkrete Vereinbarung oder gemäß § 139 BGB im Zweifel auf das gesamte Rechtsgeschäft erstreckt.

Der V. Zivilsenat zäumt das Pferd von hinten auf: Da eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrags gemäß § 139 BGB führen würde und dies letztlich den berechtigten Interessen beider Vertragsparteien zuwiderliefe, sei im Interesse der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von vornherein eine formunwirksame Vereinbarung abzulehnen. Hierdurch werde die Regelung des § 139 BGB in ihr Gegenteil verkehrt.99

(b) Die Problematik einer möglichen Gesamtunwirksamkeit des Kaufvertrags stellt sich aber von vornherein nicht, wenn – nähere Sachverhaltsangaben fehlen in der Entscheidung – der Kaufvertrag eine salvatorische Klausel enthielt. Auch ohne eine derartige Klausel ist die Prämisse des BGH, dass die Teilunwirksamkeit in Gestalt einer formunwirksamen Beschaffenheitsvereinbarung nach § 139 BGB vorliegend zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrags führen würde, aber zumindest zweifelhaft. Denn die Parteien hätten eine derartige Vereinbarung in Kenntnis des Beurkundungserfordernisses und damit bewusst nicht in die notarielle Urkunde

96 Cziupka/Hübner, DNotZ 2016, 323, 331, 336 f.; Faust, JZ 2016, 1012, 1013 f.; Jaensch, JM 2016,

185, 186 f. 97 Faust, JZ 2016, 1012, 1013. 98 Zu den Anforderungen an eine derartige gleichzeitig mit dem beurkundeten Kaufvertrag

abgeschlossene, konkludente Beschaffenheitsvereinbarung vgl. Faust, JZ 2016, 1012, 1014. 99 So Jaensch, JM 2016, 185, 186 f.

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aufgenommen, was bereits gegen einen Rechtsbindungswillen insoweit, jedenfalls aber dagegen spricht, dass das gesamte Rechtsgeschäft nach dem Willen der Parteien mit der Wirksamkeit dieser Abrede stehen und fallen soll.100

(c) Schließlich ist im Hinblick auf den Auslegungsgrundsatz „in dubio pro Wirksamkeit“ zu berücksichtigen, dass die vom V. Zivilsenat angeführten Präjudizien zu Auslegungsergebnissen gelangen, die jedenfalls aus der ex-ante Perspektive den berechtigten Interessen aller Vertragsparteien dienen.101 Vorliegend ist das aus Sicht des Käufers nur eingeschränkt der Fall: Einerseits wird durch die Verneinung einer Beschaffenheitsvereinbarung gewährleistet, dass die Vormerkung ihre Schutzwirkungen entfaltet; andererseits werden seine (ggf. berechtigten) Erwartungen enttäuscht, einen Kaufgegenstand mit bestimmten Eigenschaften zu erwerben.

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass man auf den Auslegungsgrundsatz „in dubio pro Wirksamkeit“ zur Verneinung der Annahme einer konkludenten Beschaffenheit richtigerweise allenfalls nachrangig zurückgreifen sollte (vgl. auch lit. cc) (3) unten).

(4) Voraussetzungen der Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung neben der Sachmängelgewährleistung

Legt man die Ausführungen des BGH zu Grunde, bleiben vorvertragliche Falschangaben des Verkäufers weitgehend folgenlos. Ein Schadensersatzanspruch des Käufers wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB), der auf den Ersatz desjenigen Betrages gerichtet ist, um den der Käufer den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat, kommt nur bei vorsätzlichem Verhalten des Verkäufers in Betracht. Nur insoweit sei ein Anspruch aus culpa in contrahendo nicht durch das Gewährleistungsrecht verdrängt.102

Zwingend ist die hiermit verbundene Einschränkung des Anwendungsbereichs der culpa in contrahendo aber keineswegs. Sofern sich eine vorvertragliche Pflichtverletzung auf einen Umstand bezieht, der einen Sachmangel begründet und damit Ansprüche nach § 434 BGB auslöst, ist der Vorrang der Sachmängelgewährleistung unbestritten. Sofern die vorvertragliche Pflichtverletzung zwar eine mögliche Beschaffenheit der Kaufsache betrifft, ein Anspruch aus § 434 BGB aber – wie vorliegend – mangels konkludenter Beschaffenheitsvereinbarung ausscheidet, spricht mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen der

100 Cziupka/Hübner, DNotZ 2016, 323, 331, 336 f.; Weber, RNotZ 2016, 650, 651. 101 Vgl. BGH NJW 2000, 1333, 1335. Hier ging es um die Wirksamkeit eines auf eine

Rechtsbesorgung gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrages, welcher nach Ansicht des BGH im Zweifel nur mit den Rechtsanwälten, nicht mit den Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern einer Sozietät zu Stande kommt, der Personen aus verschiedenen Berufen angehören, weil andernfalls die Gefahr der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags bestünde. Ähnlich BGH NJW 2003, 819, 820.

102 BGH NJW 2016, 1815 Tz. 24 m.w.N.

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Sachmängelgewährleistung einerseits und der Haftung für vorvertragliche Pflichtverletzungen andererseits vieles gegen einen auch insoweit bestehenden Vorrang des Gewährleistungsrechts.103

Gerade mit Blick auf die berechtigten Interessen des Käufers, dessen Vertrauen in vorvertragliche Eigenschaftsangaben des Verkäufers – ungeachtet der Kenntnis des Beurkundungserfordernisses – in gewissem Umfang gleichwohl schutzwürdig ist, wäre an dieser Stelle seitens des BGH eine nähere Auseinandersetzung mit dem Postulat des Vorrangs der Sachmängelgewährleistung und vor allem dessen Reichweite wünschenswert gewesen.

cc) Offene Fragen

(1) Übertragbarkeit auf B2C-Konstellationen

Die Entscheidung des BGH betraf eine C2C-Konstellation. Ob die Ausführungen in gleicher Weise auf fachkundige bzw. gewerbliche Verkäufer bei im Übrigen identischen Rahmenbedingungen übertragen werden können, ist damit noch nicht geklärt. Konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dürften aber auch insoweit aus den oben genannten Gründen allenfalls im Ausnahmefall anzunehmen sein.104

Allerdings liegt es nahe, bei vorvertraglichen Falschangaben von professionellen Verkäufern einen strengeren Maßstab anzulegen. Dies ist einerseits durch die Annahme von Aufklärungspflichten etwa hinsichtlich der Berechnungsgrundlage einer Flächenangabe möglich.105 Darüber hinaus ist es jedenfalls erwägenswert, mit Blick auf die Fachkunde des Verkäufers auch bei nur fahrlässigen Falschangaben durch Unternehmer keine Sperrwirkung des Sachmängelgewährleistungsrechts anzunehmen und somit bereits bei fahrlässigen vorvertraglichen Pflichtverletzungen eine Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zu bejahen.106

(2) Relevanz von öffentlichen Äußerungen im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB

In seiner Entscheidung vom 6.11.2015 konnte der V. Zivilsenat noch die Frage offenlassen, ob die vorstehenden Ausführungen in gleicher Weise für öffentliche Äußerungen des Verkäufers oder anderer in § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB genannter Personen hinsichtlich bestimmter Eigenschaften des Kaufgegenstands gelten, welche die Normalbeschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB konkretisieren, da im Exposé nur ungefähre Angaben zur tatsächlichen Wohnfläche gemacht wurden,

103 So Faust, JZ 2016, 1012, 1013; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, 1997, S. 228;

Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 126; Mertens, AcP 203 (2003), 818, 839 f.; H. Roth, JZ 2009, 1174 f.; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 59.

104 Herrler, NJW 2016, 1767, 1769 f.; Weber, RNotZ 2016, 650, 655. 105 Herrler, NJW 2016, 1767, 1769 f. 106 So Weber, RNotZ 2016, 650, 655.

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so dass eine Abweichung von der berechtigten Käufererwartung nicht im Raum stand. Diese Frage stand im Zentrum der Entscheidung vom 22.4.2016 (hierzu unten Ziffer 2).

(3) Folge der Nichtbeurkundung sonstiger beurkundungsbedürftiger Nebenabreden

Nimmt man den BGH beim Wort, könnte der Auslegungsgrundsatz „in dubio pro Wirksamkeit“ in gleicher Weise für beurkundungsbedürftige Nebenabreden gelten, da auch in diesem Fall die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags droht und der Käufer somit Gefahr läuft, seine zentrale Sicherheit in Gestalt der Eigentumsvormerkung zu verlieren bzw. niemals zu erhalten.107 Selbst wenn man diesem Auslegungsgrundsatz entgegen der hier vertretenen Auffassung eine maßgebliche Bedeutung beimisst, dürfte die Entscheidung des BGH nicht auf sonstige, mit dem Immobilienkaufvertrag stehende und fallende Nebenabreden übertragbar (etwa der gleichzeitige Abschluss eines Werk- oder Mietvertrags), sondern auf Informationen über Eigenschaften der Kaufsache beschränkt sein.

b) Sonderfall: Vorvertragliche öffentliche Äußerungen des Verkäufers im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 BGB

Anders als noch im Urteil vom 6.11.2015 war in der Entscheidung des V. Zivilsenats vom 22.4.2016 nunmehr die Frage relevant, ob öffentliche Äußerungen des Verkäufers – außerhalb von konkret-individuellen Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB – die Normalbeschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB zu definieren vermögen – wenn man so will, eine Beschaffenheitsvereinbarung „durch die Hintertür“. Diese hat der BGH im Ergebnis bejaht und damit die Tür zu einem potentiellen Gewährleistungsanspruch des Käufers geöffnet, im Ergebnis aber eine Haftung aufgrund des vereinbarten umfassenden Haftungsausschlusses verneint.

BGH, Urt. v. 22.4.2016 - V ZR 23/15,

DNotI-Report 2016, 145 = DNotZ 2016, 921 = NJW 2017, 150 m. Anm. Herrler = RNotZ

2016, 675 = ZfIR 2016, 785 m. Anm. Bickert = ZNotP 2016, 237.

Der in einem Grundstückskaufvertrag vereinbarte umfassende Haftungsausschluss für Sachmängel erfasst auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks oder des aufstehenden Gebäudes.

107 So (wohl überspitzt) Jaensch, JM 2016, 185, 187.

S. 63 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Hierzu Cramer, EWiR 2016, 729; Friedrich, DB 2016, 2772; Grziwotz, IMR 2016, 478;

Weber, RNotZ 2016, 650. Vgl. zur Problematik allgemein auch Cziupka/Hübner, DNotZ

2016, 331; Faust, JZ 2016, 1012.

aa) Sachverhalt

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte der Kläger mit notariellem Vertrag vom 21.10.2008 ein bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung gekauft. Das Gebäude war im Jahr 1999/2000 am Standort einer ehemaligen Scheune errichtet worden. Dabei wurde eine vor 1999 in die Scheune eingebaute Rückwand integriert.

In einem Internetportal wurde das Objekt vom Verkäufer unter anderem wie folgt beschrieben:

„Das massive Architektenhaus wurde 1909 90/2000 errichtet, bis 2005 ausgebaut.“

Wegen der einbezogenen Altbausubstanz und der daraus bei den Umbauarbeiten resultierenden Mehrkosten verlangt der Kläger vom Verkäufer unter anderem Schadenersatz i.H.v. 18.000 €.

Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, sprach das Oberlandesgericht Dresden dem Kläger einen Schadensersatzanspruch unter Verweis auf die unzutreffenden öffentlichen Äußerungen über eine Eigenschaft der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB zu.

bb) Entscheidung

(1) Kein Sachmängelgewährleistungsanspruch

Im Gegensatz zum Berufungsgericht verneint der V. Zivilsenat des BGH einen Schadensersatzanspruch des Käufers aus §§ 437 Abs. 1 Nr. 3, 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB.

Zunächst stellt der Senat aber heraus, dass die Äußerungen des Verkäufers in der Internetanzeige die Sollbeschaffenheit der Kaufsache gemäß § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB zu definieren vermögen. Konkret gehöre auch das Baujahr eines Gebäudes zu den Eigenschaften eines bebauten Grundstücks, die dessen Wert in aller Regel beeinflussen.108

Ob im konkreten Fall die berechtigten Erwartungen des Käufers aufgrund der Integration der Rückwand der Scheune in die Außenwand des Wohnhauses in relevanter Weise verletzt wurden und daher eine einen Gewährleistungsanspruch begründende Abweichung von der Normalbeschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 HS 1 BGB zu bejahen sei, könne vorliegend aufgrund des umfassenden Haftungsausschlusses für Sachmängel jedoch dahinstehen.

108 BGH NJW 2017, 150 Tz. 7 f.

S. 64 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der Vorrang des umfassenden Haftungsausschlusses für Sachmängel vor der durch öffentliche Äußerungen des Verkäufers definierten Normalbeschaffenheit verstehe sich allerdings nicht von selbst. Sodann rekurriert der Senat auf die oben bereits dargestellten Grundsätze zum Verhältnis von Sollbeschaffenheit und einem pauschalen Haftungsausschluss, der sich insbesondere auch gegen die Normalbeschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 HS 1 BGB durchsetzt.

Tz. 15: „Zweifelhaft ist aber, ob sich ein allgemeiner Haftungsausschluss aus der Sicht des Käufers auf die Haftung wegen Fehlens solcher Eigenschaften bezieht. Die öffentliche Äußerung des Verkäufers könnte nämlich nicht nur die Erwartungen des Käufers an die Beschaffenheit der Sache prägen, sondern auch zu den Begleitumständen gehören, die den Sinngehalt des Haftungsausschlusses erhellen können und in diesem Rahmen bei der Auslegung zu berücksichtigen wären (vgl. Senat, NZM 2016, 640 = GE 2016, 968 Rn. 15 mwN). Nicht ausgeschlossen ist, dass ein objektiver Betrachter in der Lage des Käufers im Hinblick auf die öffentliche Äußerung des Verkäufers annimmt, der allgemeine Haftungsausschluss beziehe sich nicht auch auf die Haftung für das Fehlen der darin „zugesagten“ Eigenschaften. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Erwartung für die Auslegung des Haftungsausschlusses relevant sein kann, bedarf hier aber keiner Entscheidung.“

Sodann stellt der BGH aber klar, dass es zu derartigen Erwartungen des Käufers bei einem Grundstücksvertrag aufgrund der Beurkundungsbedürftigkeit nicht kommen könne.

Tz. 17: „Grundstückskaufverträge müssen nach § 311 b I 1 BGB notariell beurkundet werden. Die Parteien können einen solchen Vertrag wirksam nur zustande bringen, wenn sie in die zu errichtende Vertragsurkunde alle Erklärungen aufnehmen lassen, die Inhalt der vertraglichen Regelungen werden sollen […]. Dieser Umstand prägt seine Auslegung. Die Parteien wollen im Zweifel keinen Vertrag schließen, der wegen Nichtbeurkundung von Regelungen, die zu seinem Inhalt werden sollen, nichtig ist, zumal sie sich nicht darauf verlassen können, dass die nach § 311 b I 2 BGB an sich mögliche Heilung des Formmangels eintritt […].“

Tz. 18: „Der in der Verhandlung vor dem Notar zu beurkundende Entwurf des Kaufvertrags bildet damit eine Zäsur. Die Parteien können nicht davon ausgehen, dass im Vorfeld des Vertrags, etwa bei einer Besichtigung, erteilte Informationen über das Grundstück oder das auf ihm stehende Gebäude zum Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen werden, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird […]. Bei Eigenschaften, die der Käufer an sich nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könnte, gilt nichts anderes. Der Verkäufer haftete zwar für Sachmängel, die auf dem Fehlen solcher Eigenschaften beruhen, weil die Regelung in § 434 I 2 und 3 BGB auch für den Grundstückskaufvertrag gilt […]. Sie gilt aber auch dort nur unter dem Vorbehalt, dass nichts anderes vereinbart ist. Maßgeblich ist deshalb auch insoweit, was in der notariellen Urkunde vereinbart wird. Erst sie ergibt, wofür der Verkäufer letztlich einstehen will. Enthält sie einen uneingeschränkten Haftungsausschluss, bedeutet das deshalb in aller Regel, dass der Verkäufer es gerade nicht bei der Haftung für die Eigenschaften belassen will, die der Käufer nach § 434 I 2 und 3 BGB erwarten könnte, sondern von der Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung Gebrauch machen und die Haftung für das Fehlen solcher Eigenschaften vollständig ausschließen will.

(2) Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung?

Anschließend erörtert der BGH, ob vorliegend eine Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung in Betracht kommt.

S. 65 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(a) Aufklärungspflicht

Die Pflicht zur Offenbarung der Einbeziehung des älteren Bauteils resultiert schon daraus, dass die Fehlvorstellung des Käufers durch eine unrichtige Angabe über das Kaufobjekt seitens des Verkäufers hervorgerufen wurde.

(b) Arglist

Hinzukommen müsse jedoch ein arglistiges Verschweigen jedenfalls in Form des Eventualvorsatzes, welches nur dann gegeben ist,

„wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.“109

Tz. 21: „Erforderlich ist die Kenntnis der den Mangel begründenden Umstände zumindest in der Form des Eventualvorsatzes. Diese Kenntnis muss festgestellt werden; sie kann nicht durch wertende Überlegungen ersetzt werden.“

Tz. 22: „Arglist der Bekl. kann danach nur bejaht werden, wenn sie Kenntnis von der Einbeziehung der älteren Wand in das Wohnhaus gehabt und wenn sie gewusst oder für möglich gehalten haben, dass dadurch ein durchschnittlicher Käufer die Angabe, dass das Haus 1999/2000 errichtet wurde, für unzutreffend hält. Feststellungen hierzu sind bislang nicht getroffen worden.“

cc) Bewertung

Im Ergebnis ist dem BGH uneingeschränkt zuzustimmen. Bei einem (auch pauschalen) Haftungsausschluss in einer notariellen Urkunde kommt ein Gewährleistungsanspruch des Käufers bei einer Abweichung der Kaufsache von der nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 HS 1 BGB ermittelten Normalbeschaffenheit letztlich nicht in Betracht.

(1) Relevanz des Haftungsausschlusses

(a) Man könnte zwar auch insoweit als Gegenargument die ggf. fließende Grenze zwischen einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung und der über öffentliche Äußerungen des Verkäufers definierten Normalbeschaffenheit erwägen (vgl. oben Ziffer 1 b) (2)).110 Hier ist eine Abgrenzung aber in aller Regel unschwer möglich, da es bei § 434 Abs. 1 S. 1 BGB um eine individuelle Vereinbarung von Verkäufer und Käufer geht, während im Anwendungsbereich von § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB

109 BGH NJW 2017, 150 Tz. 21. 110 So Weber, RNotZ 2016, 650, 653.

S. 66 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

öffentliche Äußerungen des Verkäufers oder ihm zurechenbare Personen in Rede stehen.

(b) Auf einer vorgelagerten Stufe könnte man mit Blick auf die vom BGH ins Feld geführte Zäsurwirkung der notariellen Beurkundung – ähnlich wie bei einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. oben Ziffer 1 b) (1)) – aus dem vereinbarten Haftungsausschluss bzw. der fehlenden Wiederholung der öffentlich geäußerten Eigenschaftsangabe in der Urkunde darauf schließen, dass die im Exposé geschilderten Eigenschaften nicht zur Sollbeschaffenheit des Kaufgegenstands gehören.111

Ebenso wie bei der im Raum stehenden konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung überzeugt eine derartige Argumentation indes nicht. Unbeschadet des Formular-charakters des Haftungsausschlusses gilt dies vorliegend umso mehr, als die geschuldete Sollbeschaffenheit nicht aus einer konkret-individuellen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Parteien, sondern aus nicht notwendig mit Rechtsbindungswillen abgegebenen Äußerungen des Verkäufers abgeleitet wird. Nach dem Gesetz definieren derartige Äußerungen des Verkäufers die geschuldete Sollbeschaffenheit nur dann nicht, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt wurden oder sie die Kaufentscheidung im konkreten Fall nicht beeinflussen konnten (vgl. § 434 Abs. 1 S. 3 HS 2 Var. 2 und 3 BGB). Den Haftungsausschluss könnte man allenfalls unter die letztgenannte Fallgruppe subsumieren. Welche Anforderungen an § 434 Abs. 1 S. 3 HS 2 Variante 3 BGB zu stellen sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Sofern man hierfür fordert, dass ein Einfluss auf die Kaufentscheidung ausgeschlossen ist,112 greift dieser Ausschlusstatbestand vorliegend nicht ein. Nach der Gegenansicht genügt es mangels Schutzwürdigkeit des Käufers, dass die Kaufentscheidung nachweislich nicht beeinflusst wurde, auch wenn die Äußerung geeignet war, sie zu beeinflussen.113 Selbst bei Betonung der nach § 17 BeurkG gebotenen Beratung und Belehrung dürfte ein derartiger Nachweis schon aufgrund des Formularcharakters des Haftungsausschlusses schwer zu führen sein, sofern sich keine eindeutigen Hinweise in der Urkunde finden, dass der Notar auf die Unbeachtlichkeit jeglicher vorvertraglicher Äußerungen des Verkäufers für die Gewährleistungsrechte des Käufers hingewiesen hat.

(2) Teleologische Reduktion von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB beim formbedürftigen Grundstückskaufvertrag

Wenngleich der vereinbarte Haftungsausschluss nicht geeignet ist, eine Präzisierung der geschuldeten Sollbeschaffenheit über vorvertragliche öffentliche Äußerungen des Verkäufers zu verneinen, ist – wiederum gedanklich vorgelagert – zu fragen, ob man

111 In diesem Sinne Weber, RNotZ 2016, 650, 654. 112 So Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. 2017, § 434 Rn. 39 m.w.N. 113 So BeckOK/Faust, BGB, Stand 01.08.2014, § 434 Rn. 87; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233

238; Weiler, WM 2002, 1784, 1792 f.

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öffentlichen Äußerungen im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB bei einem nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB formbedürftigen Kaufvertrag überhaupt Einfluss auf die geschuldete Sollbeschaffenheit zugestehen sollte. Ein Formerfordernis steht dem nicht entgegen, da das Beurkundungserfordernis für derartige Äußerungen, denen als bloßes Auslegungsmaterial kein rechtsgeschäftlicher, sondern lediglich tatsächlicher Charakter zukommt, nicht eingreift somit keine Unwirksamkeit des Kaufvertrags, insbesondere der den Käufer schützenden Vormerkung droht.

Gleichwohl ist zu konstatieren, dass der BGH in seinen beiden Entscheidungen vom 6.11.2015 und vom 22.4.2016 allgemeinen öffentlichen Äußerungen ein höheres Gewicht beimisst als einer konkret-individuellen Festlegung der geschuldeten Sollbeschaffenheit der Kaufsache, etwa in Beantwortung einer konkreten Frage des Kaufinteressenten im Vorfeld des Vertragsschlusses.

Öffentliche Äußerungen des Verkäufers im Vorfeld des Vertragsschlusses werden somit vom BGH letztlich strenger behandelt als individuelle Auskünfte gegenüber dem späteren Käufer!

Nach dem Gesetzeswortlaut von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB scheint dieses Ergebnis unvermeidlich zu sein. Die Gesetzesauslegung hat jedoch den systematischen Zusammenhang und – wertend – das berechtigte Vertrauen des jeweiligen Käufers berücksichtigen. Bei normativer Betrachtung nimmt der Verkäufer bei einer direkten und individuellen Kommunikation mit dem Käufer ein höheres Maß an Vertrauen in Anspruch als bei einer an die Öffentlichkeit gerichteten allgemeinen Werbeaussage. Es wäre wertungswidersprüchlich, dem Vertrauen in allgemeine Werbeaussagen einen höheren Schutz (allgemeine Sachmängelgewährleistung, Schadensersatz bereits für fahrlässige Falschangaben) zuzumessen.114

Man mag dem entgegenhalten, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 22.4.2016 eine Haftung des Verkäufers wegen eines Sachmangels im Ergebnis verneint hat. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Senat eine Abweichung von der geschuldeten Sollbeschaffenheit der Kaufsache aufgrund der vorvertraglichen Äußerungen im Grundsatz bejahte und damit möglichen Schadenersatzansprüchen des Käufers den Weg bereitet hat (vgl. hierzu lit. c) bb)).

In der notariellen Urkunde nicht einmal andeutungsweise enthaltene vorvertragliche, öffentliche Äußerungen zu Eigenschaften der Kaufsache i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB sind deshalb beim formbedürftigen Immobilienkaufvertrag aufgrund der Systematik entgegen der Auffassung des V. Zivilsenats des BGH nicht geeignet, die Normalbeschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB zu konkretisieren.115

114 Herrler, NJW 2017, 152 f. Ebenso Weber, RNotZ 2016, 650, 653. 115 Weber, RNotZ 2016, 650, 653 f.

S. 68 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Derartige Beschaffenheitsvereinbarung „durch die Hintertür“ des § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB sind abzulehnen.

Sofern Bedarf für eine Erweiterung der Verantwortlichkeit des Verkäufers gesehen wird, sollte vielmehr der Grundsatz des Vorrangs der Sachmängelhaftung beschränkt und die Haftung für vorvertragliche Pflichtverletzungen mit ihren eingeschränkten Rechtsfolgen in weiterem Umfang zugelassen werden.116

c) Zwischenergebnis Haftungsrisiken des Verkäufers für unzutreffende vorvertragliche Eigenschaftsangaben

aa) Konkret-individuelle Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB

Vorvertragliche Angaben des Verkäufers oder einer ihm zurechenbaren Person gegenüber dem Käufer, die in der Urkunde selbst keinen Niederschlag finden, sind nur ganz ausnahmsweise als Vereinbarung der Sollbeschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zu qualifizieren.

bb) Normalbeschaffenheit, § 434 Abs. 1 S. 3 BGB

Demgegenüber konkretisieren vorvertragliche öffentliche Äußerungen des Verkäufers im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB grundsätzlich die Normalbeschaffenheit der Kaufsache gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, so dass im Falle ihrer Unrichtigkeit grundsätzlich ein Sachmängelgewährleistungsanspruch besteht. In aller Regel hat dies jedoch aufgrund des standardmäßig vereinbarten umfassenden Haftungsausschlusses keine Konsequenzen. Etwas anderes gilt indes bei Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses. Diese kann daraus resultieren, dass der Haftungsausschluss wegen der Unternehmereigenschaft des Verkäufers (§ 310 Abs. 3 BGB) oder wegen mehrfachen Verkaufs durch denselben Verkäufer und demzufolge mehrmaliger Verwendung der inhaltlich im Wesentlichen identischen Haftungsausschlussklausel einer Inhaltskontrolle nach §§ 307-309 BGB unterliegt und den gesetzlichen Vorgaben nicht standhält.117

cc) §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB

Schließlich kann sich eine Haftung des Verkäufers aus vorsätzlichen Falschangaben im Vorfeld des Vertragsschlusses oder der vorsätzlichen Verletzung einer Aufklärungspflicht ergeben. An unternehmerische Verkäufer dürften insoweit strengere Anforderungen zu stellen sein. Eine lediglich fahrlässige Pflichtverletzung

116 Vgl. bereits oben lit. a) bb) (4). 117 Herrler, NJW 2017, 153.

S. 69 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

ist nach ständiger Rechtsprechung wegen des Postulats des Vorrangs der Sachmängelgewährleistung nicht ausreichen.

Für den erforderlichen Vorsatz genügen nach ständiger Rechtsprechung allerdings „Angaben ins Blaue“. Umgekehrt darf sich ein Immobilienverkäufer, der eine Fachfirma mit der Beseitigung eines Mangels beauftragt hat, grundsätzlich auf die Ordnungsgemäßheit der Mangelbeseitigungsarbeiten verlassen und muss die frühere Existenz eines Mangels nicht generell offenlegen; etwas anderes gilt jedoch, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Mangelbeseitigung nicht erfolgreich verlaufen ist.118

BGH, Urt. v. 19.2.2016 - V ZR 216/14, DNotZ 2016, 473 = NJW 2016, 2315.

1. Hatte der Verkäufer eines Hausgrundstücks in der Vergangenheit ein Fachunternehmen mit der umfassenden Beseitigung eines Mangels (hier: Befall eines Blockhauses mit Holzbock) beauftragt, muss er sich nicht Kenntnis vom Erfolg der Sanierungsbemühungen verschaffen. Mit dem Absehen von einer Erfolgskontrolle nach Ausführung der Arbeiten nimmt er ein späteres Wiederauftreten des Mangels nicht billigend in Kauf. Kennt der Verkäufer dagegen konkrete Umstände, die den Verdacht begründen, die Mangelbeseitigung habe keinen Erfolg gehabt, und teilt er diese Umstände dem Käufer nicht mit, nimmt er das Vorliegen eines Mangels in Kauf und handelt arglistig.

2. Der Verkäufer ist im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast gehalten, die Einzelheiten der von ihm ergriffenen Mangelbeseitigungsmaßnahmen näher zu erläutern.

d) Konsequenzen für die Gestaltungspraxis

Mit Blick auf die Vorgaben von § 17 BeurkG ist das Beurkundungsverfahren so zu gestalten, dass etwaige Fehlvorstellungen der Parteien, insbesondere des Käufers, über die Relevanz individueller oder öffentlicher vorvertraglicher Eigenschaftsangaben des Verkäufers nach Möglichkeit vermieden werden. Eine Pflicht des Notars zu Nachfragen oder gar Nachforschungen ohne konkrete Anhaltspunkte für etwaige vorvertragliche Abreden oder öffentliche Eigenschaftsangaben folgt hieraus jedoch nicht, da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass jede Partei die für sie wesentlichen Aspekte vorträgt.119

118 119 Ebenso Cramer, EWiR 2016, 729, 730.

S. 70 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Um etwaigen Fehlvorstellungen der Parteien general-präventiv vorzubeugen und für klare Verhältnisse bei Vertragsschluss zu sorgen, empfiehlt sich meines Erachtens das folgende Vorgehen:

aa) Anschreiben

Zunächst empfiehlt es sich, Verkäufer und Käufer im Anschreiben darauf hinzuweisen, dass vorvertragliche, nicht in der Urkunde niedergelegte Eigenschaftsangaben des Verkäufers gegenüber dem Käufer grundsätzlich ohne Relevanz sind und dass öffentliche Äußerungen des Verkäufers im Hinblick auf Eigenschaften der Kaufsache zwar grundsätzlich die geschuldete Beschaffenheit zu definieren vermögen, jedenfalls aufgrund des umfassenden Haftungsausschlusses aber in aller Regel ebenfalls keine Rechte des Käufers begründen.

Hierdurch wird insbesondere dem Käufer die Möglichkeit eröffnet, rechtzeitig anderweitige Erkundigungen betreffend die aus seiner Sicht bedeutsamen Eigenschaften der Kaufsache einzuholen120 bzw. zu erwägen, ob eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Urkunde selbst wünschenswert oder erforderlich ist.

Erlauben Sie mir zu dem Vertragsentwurf noch folgende Hinweise:

1. Bei Gebrauchtimmobilien ist üblicherweise keine bestimmte Beschaffenheit des Vertragsobjekts, unter anderem keine bestimmte Wohnfläche und kein bestimmter Renovierungszustand, vereinbart. Angaben in einer Annonce oder einem Exposé dienen im Zweifel ebenfalls nur Informationszwecken und begründen keine Rechte des Käufers. Üblicherweise sind etwaige Gewährleistungsrechte des Käufers wegen Sachmängeln zudem in weitem Umfang ausgeschlossen. [Sofern die Richtigkeit bestimmter Angaben für den Käufer besonders wichtig ist, sollte er diese im Zweifel selbst überprüfen oder überprüfen lassen.]

2. Der Verkäufer hat jedoch ihm bekannte verborgene Mängel unaufgefordert zu offenbaren. Der Vertragsentwurf enthält eine Erklärung, dass dem Verkäufer keine verborgenen Mängel bekannt sind. Sollte dies entgegen der vorgesehenen Erklärung der Fall sein, bitte ich um Mitteilung dieser verborgenen Mängel an den Käufer und an mich, damit sie zur Dokumentation in den Vertrag aufgenommen werden können.

120 Im aktuelle Marktumfeld, in dem sehr zeitnahe Vertragsabschlüsse eher die Regel denn die

Ausnahme sind, ist eine sorgfältige Due Diligence aber vielfach kaum zu realisieren.

S. 71 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Man mag hierauf auf mit dem Argument verzichten, diese Informationen seien dem Urkundstext, den die Parteien ebenfalls im Vorfeld vom Notar erhalten, unschwer zu entnehmen. Die Erfahrung zeigt aber, dass nicht jeder Beteiligte einen längeren Vertragstext vor der Beurkundung aufmerksam durchliest. Ein pointiertes Anschreiben hat insoweit unter Umständen bessere Chancen, Beachtung zu finden.

bb) Urkundsgestaltung

In der Urkunde selbst sollte im Regelfall niedergelegt sein, dass

a) keine Beschaffenheit der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbart wurde, insbesondere kein bestimmtes Flächenmaß, keine bestimmte Bebaubarkeit und keine bestimmte Verwendbarkeit, und vorvertragliche Angaben des Verkäufers gegenüber dem Käufer unverbindlich und nicht Inhalt des Vertrags sind;

b) etwaige öffentliche Äußerungen des Verkäufers oder Dritter im Hinblick auf Eigenschaften der Kaufsache, etwa in einem Exposé oder einer Annonce, ebenfalls bloße Beschaffenheitsinformationen und keine verbindlichen Auskünfte über die Eigenschaften der Kaufsache darstellen.

Hierin ist eine individualvertraglich zulässige Abbedingung von § 434 Abs. 1 S. 3 HS 1 BGB zusehen. Im Übrigen dürfte bei rechtzeitiger Klarstellung der Ausschlusstatbestand des § 434 Abs. 1 S. 3 HS 2 Var. 3 BGB einschlägig sein.

c) der Verkäufer in Ermangelung einer in der Urkunde getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung nicht für Sachmängel der Kaufsache haftet, insbesondere nicht für ein bestimmtes Flächenmaß, eine bestimmte Bebaubarkeit und eine bestimmte Verwendbarkeit der Kaufsache.

d) Zudem sollte in der Urkunde klargestellt werden, dass die Parteien außer den beurkundeten Vereinbarungen weder mündlich noch schriftlich weitere Abreden getroffen haben.121

e) Der Verkäufer sollte schließlich darauf hingewiesen werden, dass er für vorsätzlich falsche vorvertragliche Eigenschaftsangaben einschließlich „Angaben ins Blaue“ haftet und verborgene Mängel bzw. einen konkreten Verdacht insoweit zu offenbaren hat.

121 Vgl. Formulierungsvorschlag bei Weber, RNotZ 2016, 650, 657.

S. 72 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Herstellergarantie als Beschaffenheitsmerkmal

a) Begriff der Beschaffenheit im Sinne von § 434 BGB

Der Verkäufer hat dem Käufer den Kaufgegenstand gem. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB frei von Sach- und Rechtsmängeln i.S.d. §§ 434, 435 BGB zu verschaffen. Für die Freiheit von Sachmängeln ist demnach entscheidend, ob die tatsächliche Beschaffenheit der Kaufsache (sog. Ist-Beschaffenheit) im Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Soll-Beschaffenheit entspricht.

Mangels gesetzlicher Definition des Begriffs „Beschaffenheit“ in § 434 BGB ist noch nicht abschließend geklärt, was hierunter zu verstehen ist.

Fest steht allerdings, dass das frühere enge Verständnis der kaufrechtlichen Beschaffenheit mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) vom 26.11.2001 am 1.1.2002 nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

Tz. 9: „Denn der an die Stelle des § 459 BGB aF getretene § 434 BGB geht von einem wesentlich weiteren Sachmangelbegriff aus, so dass auf diese Vorschrift die enge Beschaffenheitsdefinition des § 459 I BGB aF […] nicht mehr angewendet werden kann.“

Eine Beschaffenheit im Sinne von § 434 BGB können daher nicht nur der Sache nach unmittelbar physisch anhaftende Eigenschaften, sondern auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt darstellen, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn die Umweltbeziehungen ihren Ursprung im Kaufgegenstand selbst haben, also mit dessen physischen Eigenschaften zusammenhängen.122

Für dieses Verständnis sprechen sowohl der der Schuldrechtsmodernisierung zugrunde liegende subjektive Fehlerbegriff wie auch der Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie:

Tz. 11: „Nach der Gesetzesbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sollte der Begriff der „Beschaffenheit“ zwar nicht definiert und insbesondere nicht entschieden werden, ob er nur Eigenschaften umfasst, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften, oder ob auch Umstände heranzuziehen sind, die außerhalb der Sache selbst liegen (BT-Drs. 14/6040, 213). Der Gesetzgeber hat aber ausdrücklich den subjektiven Fehlerbegriff zu Grunde gelegt und betont, dass für die Umschreibung des Sachmangels auf eine Unterscheidung zwischen Fehlern und dem Fehlen zugesicherter Eigenschaften – unter der die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bis dahin in nur schwer erträglichem Maße gelitten habe – verzichtet werden könne, wenn maßgeblich auf die Vereinbarung der Parteien und nicht auf außerhalb des Willens der Parteien liegende „objektive“ Merkmale abgestellt werde (BT-Drs. 14/6040, 211 f.).“

122 BGH NJW 2013, 1948 Tz. 15; NJW 2013, 1671; BeckRS 2014, 17609; OLG Koblenz MDR 2012,

507, 508 = BeckRS 2012, 06811; ähnlich Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 434 Rn. 54; MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl., § 434 Rn. 10.

S. 73 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Tz. 12: „Hinzu kommt, dass ein enges Verständnis des Beschaffenheitsbegriffs dem Wortlaut des Art. 2 I der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkauf-RL, ABl. 1999 L 171, 12) widerspricht, welcher für den Verbrauchsgüterkauf den Verkäufer ohne Einschränkung auf physische Eigenschaften verpflichtet, „dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern“. Die Umsetzung dieser Richtlinie war eines der Hauptanliegen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.“

Derzeit ist daher lediglich ungeklärt, ob der Beschaffenheitsbegriff mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen noch weiter zu fassen ist, etwa dahingehend, dass nicht nur Beziehungen der Sache zur Umwelt, die ihren Ursprung im Kaufgegenstand haben, sondern umfasst sind, sondern sogar jeder tatsächliche Bezug zum Kaufgegenstand ausreicht.123

a) BGH, Urt. v. 15.06.2016 - VIII ZR 134/15 (Herstellergarantie)

1. Der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz an die Stelle des § 459 BGB aF getretene § 434 BGB geht von einem wesentlich weiteren Sachmangelbegriff aus, so dass auf diese Vorschrift die enge Beschaffenheitsdefinition des § 459 I BGB aF nicht mehr angewendet werden kann.

2. Als Beschaffenheit einer Kaufsache im Sinne von § 434 I BGB sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben […].

3. Das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug stellt in der Regel ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach § 434 I BGB dar, so dass dessen Fehlen – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift – einen Sachmangel begründet (Abgrenzung zu Senat, BGHZ 132, 320 [324 ff.] = NJW 1996, 2025).

BGH, Urt. v. 15.06.2016 - VIII ZR 134/15,

BB 2016, 2698 m. Anm. Ayad = EWiR 2016, 699 (Lindacher) = JuS 2016, 1122 (Gutzeit)

= NJW 2016, 2874 m. Anm. Müller = zfs 2016, 566 m. Anm. Diehl; dazu Ball, DAR

2016, 497.

aa) Sachverhalt

In dem der vorstehenden BGH-Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt begehrt der Kläger die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Audi TT RS Coupé, welchen der Beklagte im Internet mit der Beschreibung „inklusive Audi-Garantie bis 11/2014“ zum Verkauf angeboten hatte.

123 In diesem Sinne u.a. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rn. 303 ff.; Schmidt-Räntsch, AnwBl

2009, 260, 261; Redeker, NJW 2012, 2471, 2474.

S. 74 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Als Getriebeprobleme auftraten und der Käufer die Herstellergarantie in Anspruch nehmen wollte, stellte sich heraus, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs manipuliert worden war. Daraufhin verweigerte Audi weitere Garantieleistungen.

Der Käufer erklärte sodann den Rücktritt und verlangt Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass es sich bei einer Herstellergarantie nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB handele.

bb) Entscheidung

Der VIII. Zivilsenat des BGH bejaht demgegenüber das Vorliegen eines Sachmangels, da das Bestehen einer Herstellergarantie in der Regel ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB darstelle und bei Verneinung einer Beschaffenheitsvereinbarung § 434 Abs. 1 S. 2 BGB (Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung) einschlägig sein dürfte.

Tz. 14: „Denn bereits auf der Grundlage der […]neueren Rechtsprechung des BGH stellt das Bestehen einer Herstellergarantie in der Regel ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach § 434 I BGB dar, dessen Fehlen – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift – einen Sachmangel begründet (so iErg auch OLG Schleswig, DAR 2012, 581 = BeckRS 2012, 21210 Rn. 22; OLG Stuttgart, ZGS 2008, 479 Rn. 21 = BeckRS 2008, 05167; aA OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.11.2011 – I-1 U 141/07, BeckRS 2012, 03693).“

Tz. 15: „Das Bestehen einer Herstellergarantie bei einem Kraftfahrzeug stellt ein auf das Fahrzeug bezogenes rechtliches Verhältnis zwischen Fahrzeughalter und Fahrzeughersteller dar, in dessen Rahmen in der Regel gemäß den Garantiebedingungen Ersatz für die Kosten bestimmter Reparaturen geleistet wird. Damit handelt es sich um eine Beziehung der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache hat. Insbesondere kann das (Nicht-)Bestehen einer Herstellergarantie im Einzelfall von großem wirtschaftlichen Gewicht sein und entsprechend bedeutenden Einfluss auf den Wert eines Kraftfahrzeugs haben […].“

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind damit jedenfalls die Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 BGB gegeben.

b) Folgerungen

Das vom BGH in dieser Entscheidung erneut bestätigte weite Verständnis der Beschaffenheit der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB entspricht den Vorstellungen des Reformgesetzgebers.

Die Ausführungen des VIII. Zivilsenats deuten darauf hin, dass er den Beschaffenheitsbegriff letztlich noch weiter fassen und hierzu auch solche

S. 75 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Umweltbeziehungen zählen wird, die keinen Ursprung im Kaufgegenstand, sondern lediglich einen – wie auch immer gearteten – tatsächlichen Bezug zu ihm haben.124

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der weite Begriff der Beschaffenheit nicht nur beim Verbrauchsgüterkauf gilt, sondern sich im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Rechts und des zentralen Arguments des BGH, der vom Reformgesetzgeber intendierten Umsetzung des subjektiven Fehlerbegriffs, auf jegliche Kaufverträge über bewegliche wie auch unbewegliche Sachen erstreckt.125

124 Vgl. Gutzeit, JuS 2016, 1122, 1124. 125 So tendenziell auch Lindacher, EWiR 2016, 699, 700.

S. 76 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VI. Aktuelle Entscheidungen zur Arglist (SH)

Bereits in der letztjährigen Veranstaltung haben wir uns mit einigen Entscheidungen zu arglistigem Verhalten des Verkäufers im Vorfeld des Vertragsschlusses beschäftigt.126 Auch im vergangenen Jahr ergingen zahlreiche, überwiegend höchstrichterliche Entscheidungen zu diesem Thema, die im Folgenden knapp dargestellt werden sollen.

1. Grundlagen

Vorsätzliche falsche Angaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache, die nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung geworden sind, begründen ebenso wie ein arglistiges Verschweigen von Sachmängeln einen Anspruch des Käufers auf Schadensersatz aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB). Dieser Anspruch wird auch nach Gefahrübergang nicht durch die Vorschriften über die Haftung des Verkäufers wegen eines Sachmangels nach §§ 434 BGB ff. ausgeschlossen.

Zudem greift in diesen Konstellationen der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss nach § 444 Var. 1 BGB nicht und auch grobfahrlässige Unkenntnis des Käufers vom Mangel ist nach § 442 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schädlich, so dass dem Käufer die gesetzlichen Mängelgewährleistungsrechte in vollem Umfang zustehen.

a) Offenbarungspflicht

Ein Verschweigen ist allerdings – im Gegensatz zu aktiven Falschangaben – nur dann tatbestandsmäßig, wenn eine Offenbarungspflicht besteht. Grundsätzlich darf jede Partei bei den Vertragsverhandlungen allein ihre eigenen Interessen verfolgen. Allerdings ist jeder Vertragspartner verpflichtet,

„den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte.“127

Nach der Verkehrsauffassung kann der Käufer nur die Mitteilung solcher Mängel erwarten, die einer Besichtigung nicht zugänglich und daher nicht ohne weiteres erkennbar sind.

126 Vgl. Herrler, in: in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung

im Immobilienrecht 2015/2016, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 75 ff. 127 St. RSpr., vgl. BGH NJW-RR 1988, 348, 350 mwN.

S. 77 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die betreffenden Mängel dürfen auch nicht nur unerheblich sein. Verallgemeinerungsfähige Aussagen lassen sich insoweit nur schwer treffen, da vieles von den Einzelfallumständen abhängig ist.128

b) Arglist

„Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer

(1) einen Fehler mindestens für möglich hält

und

(2) gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte […].“129

Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines “Fürmöglichhaltens und Inkaufnehmens” reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss.

2. Aktuelle Rechtsprechung

a) Offenbarungspflicht bei Verdacht einer Mangels

aa) Erfolglose Mängelbeseitigung offenbarungspflichtig

Im vergangenen Jahr hatte das OLG Koblenz ein arglistiges Verhalten des veräußernden Insolvenzverwalters bejaht, der den Käufer trotz konkreter Hinweise auf eine nicht vollständig erfolgreiche Mangelbeseitigung nicht auf diesen Umstand hingewiesen hatte.130

Mit Urteil vom 19.2.2016 hat der V. Zivilsenat des BGH diesen Grundsatz bestätigt.

Der erste Leitsatz fasst die in der Praxis zu beachtenden Kriterien des Senats pointiert zusammen:

a) Hatte der Verkäufer eines Hausgrundstücks in der Vergangenheit ein Fachunternehmen mit der umfassenden Beseitigung eines Mangels (hier: Befall eines Blockhauses mit Holzbock) beauftragt, muss er sich nicht Kenntnis vom Erfolg der Sanierungsbemühungen verschaffen. Mit dem Absehen von einer Erfolgskontrolle nach Ausführung der Arbeiten nimmt er ein späteres

128 Vgl. Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 10. Aufl. 2012, Rn. 993 ff. 129 St. RSpr., vgl. BGH NJW 2013, 2182 Rn. 12; NJW 1995, 1549, 1550, jew. mwN. 130 OLG Koblenz ZfIR 2015, 502.

S. 78 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Wiederauftreten des Mangels nicht billigend in Kauf. Kennt der Verkäufer dagegen konkrete Umstände, die den Verdacht begründen, die Mangelbeseitigung habe keinen Erfolg gehabt und teilt er diese Umstände dem Käufer nicht mit, nimmt er das Vorliegen eines Mangels in Kauf und handelt arglistig.

b) Der Verkäufer ist im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast gehalten, die Einzelheiten der von ihm ergriffenen Mangelbeseitigungsmaßnahmen näher zu erläutern.

BGH, Urt. v. 19.02.2016 - V ZR 216/14,

DNotZ 2016, 473 = NJW 2016, 2315 = ZNotP 2016, 70.

bb) Gefahr erheblicher Schadstoffbelastung offenbarungspflichtig

In einer weiteren Entscheidung vom 8.7.2016 hat der BGH festgehalten, dass schon die durch die frühere Nutzung des verkauften Grundstücks begründete Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen jedenfalls zu einem Sachmangel aufgrund Abweichung von der üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB führt.

Begründet die frühere Nutzung des verkauften Grundstücks die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen, weist es unabhängig von dem mit dem Kauf verfolgten Zweck in aller Regel nicht die übliche Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf.

BGH, Urt. v. 8.7.2016 - V ZR 35/15,

ZfBR 2016, 779 = ZfIR 2016, 783 m. Anm. Bickert.

Tz. 8: „Im Ausgangspunkt kann - was auch das Berufungsgericht nicht verkennt - die frühere Nutzung eines Grundstücks als solche einen offenbarungspflichtigen Sachmangel darstellen. Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen […]. Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet. Ein darauf beruhender Sachmangel ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt worden für die frühere Nutzung als wilde Müllkippe […], als Deponie […], als Werksdeponie in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts […] oder als Tankstelle.“

Tz. 9: „Ob hier das Grundstück in der Vergangenheit auf eine solche Weise genutzt worden ist oder nicht, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen. Hinsichtlich der Nutzung als Schrottplatz nimmt das Berufungsgericht zwar vertretbar an, dass diese für sich genommen keinen Altlastenverdacht begründe, da die Klägerin besondere, gefahrenträchtige Formen der Schrottlagerung, wie etwa eine Altautoverwertung, nicht behauptet habe. Anders liegt es aber im Hinblick auf den früheren Bahnbetrieb. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, dass aufgrund eines über Jahrzehnte hinweg erfolgten intensiven Fahr-, Abstell- und Verladebetriebs auf den Bahngleisen die Gefahr einer erheblichen Schadstoffbelastung des Grundstücks - insbesondere durch Schmiermittelverluste, Unkrautbekämpfung und Bahnschwellenimprägnierung entstanden sei, was der Beklagten, namentlich dem fachkundigen BEV, bekannt gewesen sei.“

S. 79 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

cc) Wasserbäche im Keller sind auch bei älterem Haus offenbarungspflichtig

Es ist allgemein bekannt, dass die baulichen Standards älterer Häuser nicht den heutigen entsprechen. Wird eine ältere Immobilie verkauft, ist die geschuldete Sollbeschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB entsprechend dem erkennbaren Alter der Immobilie zu definieren (sofern überhaupt relevant, weil kein umfassender Haftungsausschluss vorliegt oder dieser nicht greift).

Konkret ging es in der Entscheidung des OLG Hamm vom 18.7.2016 um die Frage, in welchem Umfang Feuchtigkeit im Keller eines älteren Hauses einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB begründet und unter welchen Voraussetzungen hieraus sogar eine Aufklärungspflicht des Verkäufers der Immobilie resultiert. Die Ausführungen des Senats überzeugen allesamt.

Zur Frage des Sachmangels Leitsatz 1:

Bei Gebäuden, die zu einer Zeit errichtet wurden, als Abdichtungsmaßnahmen der Kelleraußenwände noch nicht üblich waren, begründet anders als bei Bauwerken mit neuzeitlichem Standard nicht jede Feuchtigkeit in dem Kellermauerwerk einen Sachmangel […]. Es entspricht allerdings der berechtigten Erwartung des Käufers einer älteren Immobilie, deren Keller im Jahr 1938 errichtet wurde, dass in diesen nicht, und zwar mehr oder weniger regelmäßig bei stärkerem Regen, Wasser in flüssiger Form breitflächig eindringt. Ein derartiger Keller ist mit einem Sachmangel behaftet (§ 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB).

Zur Frage der Aufklärungspflicht Leitsatz 2:

Das regelmäßige breitflächige Eindringen flüssigen Wassers in den Keller eines Wohnhauses stellt eine Tatsache dar, die der Verkäufer einer Immobilie grundsätzlich ungefragt, erst recht aber auf die Frage des Kaufinteressenten nach der Möglichkeit der Nutzung der Kellerräume zu Lagerzwecken, zu offenbaren hat.

Zur Relevanz der Erkennbarkeit des Mangels für den Käufer Leitsatz 3:

Wird eine ausdrückliche Frage des Kaufinteressenten zum Zustand der Kaufsache vom Verkäufer (bewusst) falsch beantwortet, kann sich dieser anschließend nicht mit Erfolg darauf berufen, dass für den Käufer das Gegenteil erkennbar gewesen sei.

OLG Hamm, Urt. v. 18.7.2016 - 22 U 161/15,

BauR 2016, 2133 = MDR 2016, 1082.

Revision anhängig unter V ZR 187/16.

S. 80 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

dd) Keine gesteigerte Offenbarungspflicht aufgrund oberflächlicher Besichtigung seitens des Käufers

Das OLG Köln hat indes in einem Urteil vom 27.10.2015 (22 U 93/14)131 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Käufer eines Hauses eine Aufklärung über Mängel, die eine Besichtigung ohne weiteres bei einer Besichtigung ohne weiteres erkennbar sind, nicht erwarten kann, weil er unschwer in der Lage ist, solche Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrzunehmen.

Konkret ging es in dem zugrunde liegenden Sachverhalt um bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags vorhandene, sichtbare Feuchtigkeitserscheinungen. Mangels Schutzbedürfnisses des Käufers verneinte das OLG eine Offenbarungspflicht des Verkäufers.

An diesem Befund ändert auch eine lediglich oberflächliche Besichtigung des Kaufobjekts durch den Käufer nichts.

Denn ein Käufer, der vor Kaufvertragsabschluss auf eine vollständige Besichtigung des Kaufobjekts verzichtet und im Vertrag erklärt, er kenne den Zustand des Kaufobjekts, insbesondere gegenüber dem Verkäufer eine unterlassene vollständige Besichtigung nicht offenbart, ist grundsätzlich nicht schutzbedürftig.

Richtigerweise sollte es dem Käufer – darüber hinausgehend – nicht möglich sein, durch Missachtung der im eigenen Interesse gebotenen Untersuchungen und der Offenbarung dieses Versäumnisses gegenüber dem Verkäufer dessen Pflichten zu erweitern.

b) Arglist eines Verkäufers geht zu Lasten aller Verkäufer

Im vergangenen Jahr haben wir uns mit der Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 17.6.2015 (2 U 84/13) beschäftigt, in welcher der Senat eine Zurechnung von arglistigen Verhalten eines von mehreren Verkäufern – konkret ging es um den Verkauf durch in Trennung befindliche Ehegatten – an den anderen Verkäufer nicht bejahte und es diesem daher gestattete, sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss zu berufen.

Diese Entscheidung hat der BGH nunmehr zurecht mit Versäumnisurteil vom 8.4.2016 (V ZR 150/15) kassiert:

Verschweigt einer von mehreren Verkäufern einen Mangel der Kaufsache arglistig, können sich sämtliche Verkäufer gemäß § 444 Alt. 1 BGB nicht auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen.

131 OLG Köln BeckRS 2015, 20707 = OLG-Report NRW 5/2016 Anm. 8.

S. 81 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

BGH, Versäumnisurteil v. 8.4.2016 - V ZR 150/15,

DNotZ 2016, 918 = MDR 2016, 870 = MittBayNot 2017, 42 = NotBZ 2016, 414

(Krauß) = ZfIR 2016, 577 m. Anm. Hahn = ZNotP 2016, 148.

Hierzu Grziwotz, IMR 2016, 342; Thelen/Ungerer, ZIP 2016, 1953; Westermann,

EWiR 2016, 665.

Nach dem Sphärengedanken ist eine Zurechnung der Arglist eines Mitverkäufers überzeugend, da der andere Verkäufer jedenfalls „näher dran“ als der Käufer ist und es die Verkäufer sonst in der Hand hätten, durch arbeitsteiliges Vorgehen Haftungsrisiken zu minimieren.

Eine Verkäufermehrheit tut daher gut daran, dass vorhandene Wissen aller Mitglieder dem Verhandlungsführer zur Verfügung zu stellen damit ein Haftungsausschluss nicht unerwartet aufgrund arglistigen Verhaltens eines Verkäufers, welches die andere nicht erkennen können, scheitert.132

Zur Beweislast für die Arglist vergleiche zudem

BGH, Beschl. v. 02.06.2016 - V ZR 223/15 (Beweislast für Kenntnis einer unzureichenden Heizung für ein nachträglich ausgebautes Dachgeschoss).133

132 Krauß, NotBZ 2016, 414, 416. 133 BGH BeckRS 2016, 12967; hierzu Metzger, IMR 2016, 398.

S. 82 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VII. Nachfristsetzung bei Sachmängeln des Kaufobjekts (SH)

BGH, Urt. v. 13.7.2016 - VIII ZR 49/15,

GWR 2016, 338 m. Anm. Singbartl/Frank = JuS 2017, 67 m. Anm. Schwab = NJW 2016,

3654; hierzu Ball, DAR 2016, 497, 498 f. Hierzu auch Höpfner, NJW 2016, 3633.

1. Bei der Beurteilung, ob eine vom Käufer zur Nacherfüllung bestimmte Frist angemessen ist, ist – in den Grenzen des § 475 I BGB – in erster Linie eine Vereinbarung der Parteien maßgeblich (Fortführung von BGHZ 12, 267 [269 f.] = NJW 1954, 794). Dabei darf der Käufer eine vom Verkäufer selbst angegebene Frist als angemessen ansehen, auch wenn sie objektiv zu kurz ist.

2. Für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. §§ 323 I, 281 I BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen – hier ein Verlangen nach schneller Behebung gerügter Mängel – deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht (Fortführung von BGH, NJW 2009, 3153; NJW 2015, 2564). Ergibt sich dabei aus den Gesamtumständen, dass ein ernsthaftes Nacherfüllungsverlangen vorliegt, schadet es nicht, dass dieses in höfliche Form einer „Bitte“ gekleidet ist.

3. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist (Bestätigung von BGH, NJW 2015, 1669).

S. 83 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VIII. Übergang des Mietverhältnisses auf den Grundstückskäufer (CH)

1. Mietverhältnis erlischt, wenn auch nur ein Mieter Eigentum erwirbt (BGH, 27.4.2016 - VIII ZR 323/14)

In der ersten Entscheidung entschied der BGH, dass ein (einheitliches) Mietverhältnis mit mehreren Mietern auch dann erlischt, wenn nur einer von ihnen Eigentum an der Mietsache erwirbt.

BGH, Urt. v. 27.4.2016 - VIII ZR 323/14,

NJW-RR 2016, 784 = NZM 2016, 467 = ZMR 2016, 771

Mietverhältnis erlischt, wenn auch nur ein Mieter Eigentum erwirbt

1. Ein Mietverhältnis kann nicht wirksam entstehen, wenn auf Gebrauchs-nutzerseite eine Person beteiligt ist, die zugleich Vermieterstellung einnimmt, und es erlischt durch Konfusion, wenn der Mieter nachträglich das mit dem Recht zur Gebrauchsnutzung verbundene Eigentum an der Mietsache erwirbt.

2. Eine vom Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmende Gebrauchsüberlassung erfordert in Fällen, in denen - wie bei der Raummiete - der Gebrauch der Mietsache notwendig deren Besitz voraussetzt, über die Gestattung/ Duldung eines (Mit-)Gebrauchs oder die bloße Einräumung der Möglichkeit zum (Mit-)Gebrauch hinaus die Verschaffung des ungestörten alleinigen Besitzes an den Mieter, damit dieser die Mietsache ausschließlich, und zwar auch unter Ausschluss des Vermieters, benutzen kann.

3. Einem Mieter, der seine in Wohnungseigentum umgewandelte Mietwohnung durch Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 577 BGB) erwirbt, wird dadurch unter Ersetzung der bisherigen mietvertraglichen Nutzungsrechte eine nunmehr dem Inhalt des Kaufvertrags entsprechende Rechtsposition verschafft. Demgemäß kann sich der Wohnungserwerber gegenüber den anderen Wohnungseigentümern grund-sätzlich nicht auf fortbestehende Nutzungsbefugnisse aus dem erloschenen Miet-verhältnis berufen, die mit der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung nicht in Deckung zu bringen sind.

a) Sachverhalt

Der Sachverhalt ist etwas verwirrend, weil die Mieter erst nicht kaufen wollten und dann doch einer kaufte.

– Ehegatten hatten die Dachgeschoßwohnung eines Dreifamilienhauses gemietet. Nach dem Mietvertrag stand ihnen auch die Mitnutzung des Gartens zu.

– Im Jahr 2010 verkaufte der Eigentümer an einen Bauträger. Dieser teilte das Grundstück in drei Eigentumswohnungen auf. Der Garten wurde insgesamt als Sondernutzungsrecht der Erdgeschoßwohnung zugewiesen. Der Bauträger behielt sich aber das Recht vor, die Sondernutzungsrechte zu ändern.

S. 84 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Der Bauträger vereinbarte mit den Dachgeschoß-Mietern, dass sie weiterhin einen abgegrenzten Teil des Gartens nutzen könnten. Ferner vereinbarten sie: „Weiterhin wird dem Mieter bei einem Kauf seiner Mietwohnung dieser Teil des Gartens als Sondernutzungsrecht für die Wohnung mit verkauft.“ Als der Bauträger ihnen die Wohnung zum Kauf anbot, wollten sie sie aber nicht kaufen.

– Im April 2013 verkaufte der Bauträger die Erdgeschoßwohnung. Dabei wurde vereinbarte: „Dem Käufer ist bekannt, dass der vordere Teil des Gartens, welcher als Sondernutzungsrecht dem hier verkauften Wohnungseigentum zugeordnet ist, vom Mieter im Dachgeschoss genutzt wird, und gestattet diese Nutzung, solange das Mietverhältnis mit dem Verkäufer besteht.“

– Im März 2013 verkaufte der Bauträger auch die Dachgeschoßwohnung – aber ohne ein Sondernutzungsrecht am Garten. Zugleich verzichtete er auf sein Recht zur Abänderung der Sondernutzungsrechte am Garten.

– Der Ehemann des Mieterehepaares übte sein Mietervorkaufsrecht aus, die Ehefrau nicht. Die Ehefrau zahlte daraufhin an den Ehemann eine „Miete“ für die Dach-geschoßwohnung.

– Auch nutzten die Ehegatten weiterhin den Gartenteil. Der Eigentümer der Erd-geschoßwohnung verlangte diesen nun heraus. Er gewann in allen drei Instanzen.

b) Mietverhältnis erlischt, wenn auch nur ein Mieter Eigentum erwirbt

Der BGH entschied, dass mit Eigentumsübergang auch nur auf einen von mehreren Mietern der Mietvertrag insgesamt erlosch.

Zunächst (im Jahr 2011) wurde mit der Erdgeschoßwohnung ein Teil der Mietsache (nämlich der Gartenteil) verkauft. Dadurch das Mietverhältnis nicht etwa aufgespalten, sondern es bestand weiterhin ein einheitliches Mietverhältnis – ggf. mit mehreren Vermietern. Der BGH verwies auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2005:

BGH, Urt. v. 28.09.2005 - VIII ZR 399/03,

MDR 2006, 380 = NJW 2005, 3781 = NZM 2005, 941 = ZMR 2006, 30

Bei Verkauf einheitlich vermieteter Mietsachen an verschiedene Erwerber besteht einheitlicher Mietvertrag mit Erwerbern fort

Der über eine Wohnung und eine Garage geschlossene einheitliche Mietvertrag wird durch die Veräußerung der Wohnung und der Garage an verschiedene Erwer-ber nicht in mehrere Mietverhältnisse aufgespalten; vielmehr treten die Erwerber in den einheitlichen Mietvertrag ein. Ihr Verhältnis bestimmt sich nach den Regelun-gen über die Bruchteilsgemeinschaft.

Dieses einheitliche Mietverhältnis endete insgesamt mit Eigentumserwerb durch den Ehemann infolge Konfusion.

S. 85 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Ohne weiteres ersichtlich ist, dass der Ehemann nicht selbst zugleich Mieter und Vermieter sein konnte. Insoweit erlischt das Mietverhältnis durch Konfusion.

Wegen der Konfusion „kann ein Mietverhältnis nicht wirksam entstehen, wenn auf Gebrauchs-nutzerseite eine Person beteiligt ist, die zugleich Vermieterstellung einnimmt (BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - III ZR 101/90, aaO; BFH, Urteil vom 7. Juni 2006 - IX R 14/04, aaO), und ein Miet-verhältnis erlischt, wenn der Mieter - wie hier der Beklagte zu 2 - nachträglich das Eigentum mit dem daraus fließenden Gebrauchsrecht an der Mietsache erwirbt (Senatsurteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 189/09, WuM 2010, 518 Rn. 18 mwN; ebenso schon RGZ 49, 285, 286).“

– Etwas Überlegung braucht man schon für die Frage, ob dann auch das Mietverhält-nis mit der Ehefrau erlischt. Aus dem ursprünglichen Mietverhältnis war aber gemeinschaftlicher Gebrauch für beide Ehegatten geschuldet. Der Ehemann als Erwerber könnte also höchstens verpflichtet sein, seiner Ehefrau Mitgebrauch zu gestatten – nicht aber alleinigen Gebrauch. Dies ist aber kein Mietverhältnis mehr. Daher muss das Mietverhältnis insgesamt erlöschen.

Da ein einheitlicher Mietvertrag für Wohnung und Gartenfläche bestand, erlosch der Mietvertrag insgesamt, also auch für die Gartenfläche. Der Eigentümer der Erd-geschoßwohnung konnte Räumung und Herausgabe verlangen.

c) Mietervorkaufsrecht bei Abweichungen zwischen Mietvertrag und Aufteilung

Der BGH diskutiert leider nicht, ob das Mietervorkaufsrecht auch hinsichtlich des mitgemieteten Gartenteils bestanden hätte.

– Es war nicht entscheidungsrelevant, da die Eheleute nicht geltend machten, dass sie (oder einer von ihnen) auch den Gartenanteil hätten kaufen wollen, hätte man sie beim Verkauf der Erdgeschoßwohnung von ihrem Vorkaufsrecht unterrichtet. (Dass sie zuvor nicht kaufen wollten, würde noch nicht zum Verlust ihres Mieter-vorkaufsrechts führen.)

– Der Schutzzweck des Mietervorkaufsrechts spräche dafür, das Vorkaufsrecht auch dafür zu gewähren. Sonst könnte ggf. eine Wohnung bewusst zerstückelt werden, um die Vorkaufsrechtsausübung zu verhindern.

– Das Hauptgegenargument ist, dass der Eigentümer nicht zu einer bestimmten Art der Aufteilung gezwungen werden kann. Dies ist im konkreten Fall allerdings nicht allzu stark, da sich der Eigentümer ja sogar die Möglichkeit einer Änderung der Sondernutzungsrechte vorbehalten hatte.

2. Mietverhältnis geht nur bei tatsächlichem Besitz des Mieters über (BGH, 5.4.2016 - VIII ZR 31/15)

Es ist nur ein knapper Hinweisbeschluss des BGH ohne Sachverhalt. Der Sachverhalt könnte aber etwa wie folgt gewesen sein:

S. 86 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Der Erwerber kaufte eine Wohnungseigentumseinheit und erhielt auch den Besitz an der Wohnung samt zugehörigem Gartensondernutzungsrecht übertragen.

– Später meldeten sich die Mieter einer anderen Wohnung bei ihm. Sie trugen vor, sie hätten den Garten eigentlich mitgemietet. Der Vermieter hätte ihn ihnen aber entzogen, weshalb sie schon seit längerem in Streit mit dem Vermieter lägen.

Der BGH entschied: Das mag so sein. Aber der Erwerber wäre nur an den Mietvertrag gebunden, wenn die Mieter beim Eigentumsübergang bereits Besitz an der Mietsache gehabt hätten.

BGH, Beschl. v. 5.4.2016 - VIII ZR 31/15,

MDR 2016, 1198 = NJW-RR 2016, 982 = ZNotP 2016, 93,

Mietverhältnis geht nach § 566 BGB nur über, wenn der Mieter zur Zeit des Eigen-tumsübergangs tatsächlichem Besitz hatte

(Rn. 4) „Nach § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber anstelle des Vermieters nur dann in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Wohnraum nach Über-lassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert wird, also das Eigentum auf den Erwerber übergeht. Der Erwerber tritt dagegen nicht schon dann in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn die Wohnung zwar vermietet, aber zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs noch nicht an den Mieter überlassen war; gleiches gilt, wenn der Mieter einen ihm überlassenen Mietbesitz zum genannten Zeitpunkt - aus welchem Grunde auch immer - nicht mehr ausgeübt hat (BGH, Urteile vom 11. Dezember 2014 - IX ZR 87/14, BGHZ 204, 1 Rn. 26; vom 16. Dezember 2009 - VIII ZR 313/08, NJW 2010, 1068 Rn. 21).“

Eigentumsübergang meint wohl Auflassung + Eintragung, da auch der Übergang des Mietverhältnisses nach § 566 BGB an den Eigentumsübergang anknüpft (ebenfalls erst mit Umschreibung).

3. Ankaufsrecht wirkt ohne Vormerkung nicht gegen Erwerber (BGH, 12.10.2016 - XII ZR 9/15)

Eine weitere aktuelle BGH-Entscheidung bekräftigt, dass nach § 566 BGB nur mietvertragliche Pflichten übergehen, nicht weitere im Zusammenhang mit dem Mietvertrag getroffene Vereinbarungen – im konkreten Sachverhalt nicht ein Ankaufsrecht für das Grundstück.

BGH, Urt. v. 12.10.2016 - XII ZR 9/15 (Stadtarchiv Dresden)

NJW 2017, 254 = NZM 2017, 35 = ZNotP 2016, 363

S. 87 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Erwerber ist trotz gesetzlicher Überleitung des Mietvertrages nicht aus im Mietvertrag vereinbarten Ankaufsrecht verpflichtet

Der Erwerber eines gewerblich vermieteten Grundstücks tritt nicht kraft Gesetzes in ein zwischen dem Veräußerer und dem Mieter vereinbartes Ankaufsrecht ein (im Anschluss an Senatsurteil vom 25. Juli 2012, XII ZR 22/11, NJW 2012, 3032).

Sachverhalt:

– Die Voreigentümerin hatte der Stadt Dresden Räume als Stadtarchiv vermietet. Im Mietvertrag war der Stadt ein Ankaufsrecht (Optionsrecht) über eine noch zu vermessende Teilfläche mit dem Stadtarchiv eingeräumt.

– Optionsrecht und Mietvertrag wurden notariell beurkundet. Die Voreigentümerin hatte sich zur Weitergabe der Verpflichtung an (Einzel-)Rechtsnachfolger im Grundstückseigentum verpflichtet. Das Ankaufsrecht wurde aber nicht durch eine Vormerkung abgesichert.

– Später wurde das Grundstück erst an die Sparkasse und dann an die jetzige Eigentümerin weiterverkauft. Eine ausdrückliche Übernahme des Ankaufsrechts erfolgte nicht.

– Die jetzige Eigentümerin erhob Feststellungsklage gegen die Stadt, dass ihr gegen-über kein Ankaufsrecht bestünde.

Entscheidung:

Nach der Entscheidung des BGH bestand kein Ankaufsrecht gegenüber der jetzigen Eigentümerin:

– Die jetzige Eigentümerin hatte das Ankaufsrecht in ihrem Kaufvertrag nicht rechtsgeschäftlich übernommen. Offensichtlich hatte entweder die ursprüngliche Grundstückseigentümerin oder die Sparkasse als zwischenzeitliche Eigentümerin trotz schuldrechtlicher Weitergabeverpflichtung verabsäumt, die Verpflichtung an den Erwerber weiterzugeben.

– Die Stadt argumentierte, das Ankaufsrecht sei Bestandteil des Mietvertrages und gelte daher über § 566 BGB auch gegenüber der jetzigen Grundstücks-eigentümerin. Dies verneinte der BGH: § 566 BGB erfasst nur mietrechtliche Rechte und Pflichten.

(Rn. 18) „aa) Von § 566 BGB erfasst werden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats allerdings nur solche Rechte und Pflichten, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen. Der Erwerber tritt deshalb nicht in Rechte und Pflichten ein, die außerhalb des Mietverhältnisses liegen, selbst wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag geregelt sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - XII ZR 22/11 - NJW 2012, 3032 Rn. 26 mwN; so auch Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 12. Aufl. § 566 Rn. 90 ff.; Erman/Lützenkirchen BGB 14. Aufl. § 566 Rn. 14; Lammel Wohnraummietrecht 3. Aufl. § 566 Rn. 57 f.; Prütting/Wegen/Weinreich/Riecke BGB 11. Aufl. § 566 Rn. 1; Sternel Mietrecht aktuell 4. Aufl. Rn. I 193 f.; Blank/Börstinghaus/Blank 4. Aufl. § 566 Rn. 54 f.). Für die

S. 88 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Frage, welche Rechte und Pflichten § 566 BGB unterfallen, ist daher auf den materiellen Gehalt der jeweiligen Vertragsbestimmung abzustellen (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - XII ZR 22/11 - NJW 2012, 3032 Rn. 27). Der Bundesgerichtshof hat demgemäß als von § 566 Abs. 1 BGB bzw. § 571 Abs. 1 BGB aF erfasst angesehen das Vermieterpfandrecht (Senatsurteil BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 Rn. 23), die Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen durch den Vermieter (BGH Urteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13 - NJW-RR 2015, 264 Rn. 41), den Anspruch des Veräußerers auf Leistung der Kaution (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - XII ZR 22/11 - NJW 2012, 3032 Rn. 24 ff.), eine Schiedsvereinbarung (Senatsurteil vom 3. Mai 2000 - XII ZR 42/98 - NJW 2000, 2346) und die Übernahme des Inventars durch den Verpächter (BGH Urteil vom 21. September 1965 - V ZR 65/63 - NJW 1965, 2198, 2199). Als von § 566 Abs. 1 BGB bzw. § 571 Abs. 1 BGB aF nicht erfasst angesehen hat der Bundesgerichtshof dagegen den Eintritt des Erwerbers in die mietvertraglich getroffene Regelung, wonach der Mietgegenstand nach Eigenkapitalersatzregeln unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen ist (BGH Urteil vom 2. Februar 2006 - IX ZR 67/02 - NJW 2006, 1800, 1801), die Rückgabe der vom Mieter geleisteten Sicherheit (Senatsurteil BGHZ 141, 160 = NJW 1999, 1857, 1858 f.), die Einräumung eines dinglichen Dauerwohnrechts (BGH Urteil vom 26. März 1976 - V ZR 152/74 - NJW 1976, 2264, 2265) und ein Belegungsrecht, das in einem Mietvertrag zugunsten des Arbeitgebers des Mieters begründet worden ist (BGHZ 48, 244 = NJW 1967, 2258).

– Was der BGH nicht prüft (da es nicht entscheidungserheblich war): Die ursprüng-liche Eigentümerin ist zwar weiterhin schuldrechtlich verpflichtet. Dies ist aber mangels Absicherung durch Vormerkung nicht gegenüber der jetzigen Eigen-tümerin durchsetzbar.

4. § 566 BGB gilt auch für Nießbrauch, aber nicht für Wohnungsrecht

Bei dieser Gelegenheit noch eine Anmerkung zum Anwendungsbereich des § 566 BGB:

a) Nießbrauch: Nach § 1056 BGB gilt Mietvertrag weiter, aber Kündigungs-recht des Eigentümers

Sachverhalt: Die Übergeber behalten sich ein Nießbrauchsrecht an der übergebenen Eigentumswohnung vor. Sie vermieten die Wohnung neu. Was passiert mit dem Miet-vertrag, wenn der Nießbrauch endet (etwa weil die Übergeber ihn aufgeben)?

Für den Eigentümer ordnet § 1056 BGB an, dass § 566 BGB (= Übergang des Miet-verhältnisses) bei Beendigung des Nießbrauchs entsprechend gilt.

§ 1056 BGB - Miet- und Pachtverhältnisse bei Beendigung des Nießbrauchs

(1) Hat der Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet oder verpachtet, so finden nach der Beendigung des Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung von vermietetem Wohnraum geltenden Vorschriften der §§ 566, 566a, 566b Abs. 1 und der §§ 566c bis 566e, 567b entsprechende Anwendung.

(2) Der Eigentümer ist berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetz-lichen Kündigungsfrist zu kündigen. Verzichtet der Nießbraucher auf den Nießbrauch, so ist die Kündigung erst von der Zeit an zulässig, zu welcher der Nießbrauch ohne den Verzicht erlöschen würde.

S. 89 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(3) Der Mieter oder der Pächter ist berechtigt, den Eigentümer unter Bestimmung einer angemes-senen Frist zur Erklärung darüber aufzufordern, ob er von dem Kündigungsrecht Gebrauch mache. Die Kündigung kann nur bis zum Ablauf der Frist erfolgen.

– Dies gilt nicht nur für Wohnraum, sondern für jede Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken. Es wird lediglich auf die nach § 566 BGB bei Veräußerung von vermietetem Wohnraum“ geltenden Vorschriften als Rechtsfolgenverweisung verwiesen (ähnlich wie § 578 BGB eine entsprechende Anwendung der §§ 566 ff BGB für Mietverhältnisse über andere Grundstücke anordnet).

– Der Eigentümer kann mit der gesetzlichen Frist kündigen (§ 1056 Abs. 2 BGB).

b) Alleinerbe kann nicht nach § 1056 Abs. 2 BGB kündigen

Das Kündigungsrecht steht dem Nießbraucher nicht zu, wenn er Alleinerbe des Nießbrauchers geworden ist. Denn dann ist er Alleinerbe an den Mietvertrag gebunden.134 Allerdings ist dies umstritten und nehmen Teile von Literatur und Recht-sprechung an, § 1056 BGB verdränge als Spezialregelung die Universalsukzession.135

Aber so hat der BGH bereits mehrfach entschieden – und zu recht.

BGH, Urt. v. 12.10.2011 - VIII ZR 50/11,

FamRZ 2011, 1941 = NZM 2012, 558 = ZEV 2012, 160

Sonderkündigungsrecht bei Nießbrauchsende besteht nicht, wenn Grundstückseigen-tümer Alleinerbe des Nießbrauchsberechtigten ist

(Rn. 13) „Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, ist dem Eigentümer jedoch nach Treu und Glauben eine Kündigung nach § 1056 Abs. 2 BGB verwehrt, wenn er unabhängig von § 1056 Abs. 1 BGB persönlich an den Mietvertrag gebunden ist, beispielsweise, wenn er ihn vor der Bewilligung des Nießbrauchs noch als Eigentümer selbst abgeschlossen hatte, wenn er dem Mietvertrag beigetreten oder wenn er Alleinerbe des Vermieters geworden ist (BGH, Urteile vom 20. Oktober 1989 - V ZR 341/87, BGHZ 109, 111, 117 f., sowie vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 25/09, NJW 2011, 61 Rn. 16 f.). In einem solchen Fall muss sich der Eigentümer an einer vereinbarten bestimmten Laufzeit des Mietvertrages oder einer sonstigen Erschwerung der ordentlichen Kündigung festhalten lassen, denn anderenfalls würde die den Schutz des Mieters bezweckende Vorschrift des § 1056 BGB in ihr Gegenteil verkehrt (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1989 - V ZR 341/87, aaO S. 118).“

Dem BGH ist zuzustimmen: § 1056 BGB will den Mieter schützen. § 1056 BGB ist so zu lesen: Ist der Eigentümer nicht ohnehin schon als Erbe gebunden, so geht der Mietvertrag nach §§ 566 BGB auf ihn über … Ist der Eigentümer ohnehin schon der Erbe, braucht der Mieter diesen Schutz nicht. Wollte man dann trotzdem dem Erben

134 BGHZ 109, 111 = DNotZ 1990, 502 = NJW 1990, 443; BGH, Urt. v. 12.10.2011 - VIII ZR 50/11,

FamRZ 2011, 1941 = NZM 2012, 558 = ZEV 2012, 160 (s.u.); MünchKommBGB/Pohlmann, 7. Aufl. 2017, § 1056 BGB Rn. 18 (anders noch Vorauflage); Staudinger/Heinze (2016) § 1056 BGB Rn. 22.

135 OLG Schleswig ZEV 2009, 634, 637; BGB-RGRK/Rothe, 12. Aufl., § 1056 BGB Rn 3.

S. 90 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

das Kündigungsrecht des § 1056 Abs. 2 BGB zugestehen, würde man aus einer Mieterschutzvorschrift eine Erbenschutzvorschrift machen.

Gibt es hingegen eine Erbengemeinschaft und sind neben dem Eigentümer noch wei-tere Personen Miterben, so lässt der BGH eine Kündigung nach § 1056 Abs. 2 BGB zu:

BGH, Urt. v. 20.10.2010 - XII ZR 25/09,

FamRZ 2011, 95 = MittBayNot 2011, 131 = NJW 2011, 61 = ZEV 2010, 639 = ZfIR 2011, 103

Eigentümer kann vom Nießbraucher abgeschlossenen Mietvertrag kündigen, auch wenn er Miterbe ist

1. Die Eigentümer eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstücks sind nach dem Tode des Nießbrauchers auch dann gemäß § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB zur vor-zeitigen Kündigung eines von dem Nießbraucher abgeschlossenen Mietvertrages berechtigt, wenn sie neben weiteren Personen Miterben des Nießbrauchers sind.

2. Bruchteilseigentümer können ein Mietverhältnis über das gemeinschaftliche Grundstück wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt (im Anschluss an Senatsurteil, 11. November 2009, XII ZR 210/05, BGHZ 183, 131 = FamRZ 2010, 119 ff.).

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Mutter im Jahr 1968 ein Geschäfts-haus auf ihre vier Kinder unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen.

– Später übertrug eines der Kinder seinen Miteigentumsanteil weiter auf eines der anderen drei Kinder.

– 1991 schloss die Nießbraucherin unbefristete Mietverträge über die Geschäfts-räume ab. Darin wurde das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters ausge-schlossen, solange dort ein Café, eine Konditorei oder eine Gaststätte betrieben wurde.

– 2004 verstarb die Mutter. Zwei der drei Kinder, denen das Hausgrundstück gehörte und die zusammen die Mehrheit der Miteigentumsanteile hatten, kündigten das Mietverhältnis (weil die Miete mittlerweile deutlich unter der anderweitig erzielbaren Miete lag).

– Erben waren alle vier Kinder.

Eigenartigerweise hielt der BGH die Eigentümer hier für berechtigt, nach § 1056 Abs. 2 BGB zu kündigen.

(Rn. 16) aa) Der Zweck des § 1056 Abs. 2 BGB rechtfertigt es, dem Grundstückseigentümer das außerordentliche Kündigungsrecht jedenfalls dann zu verwehren, wenn er nicht nur im Wege des

S. 91 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

gesetzlichen Vertragsübergangs nach §§ 1056 Abs. 1, 566 BGB in den Mietvertrag eingetreten, sondern darüber hinaus an dem Mietverhältnis persönlich beteiligt ist, weil er selbst vor Bestel-lung des Nießbrauchs das Mietverhältnis eingegangen (vgl. §§ 567 Satz 1, 566 BGB) oder er dem Mietvertrag zu einem späteren Zeitpunkt beigetreten ist (MünchKommBGB/Pohlmann 4. Aufl. § 1056 Rn. 15). In diesen Fällen wird der Grundstückseigentümer nicht ohne sein Einverständnis in einen zwischen dritten Personen abgeschlossenen Mietvertrag hineingedrängt. Er hat vielmehr durch seine eigene schuldrechtliche Beteiligung an dem Mietvertrag gegenüber dem Mieter den Eindruck erweckt, dass das Mietverhältnis unabhängig vom Bestand des Nießbrauchs fortbesteht.

(Rn. 17) bb) Eine vergleichbare Situation ergibt sich, wenn der alleinige Grundstückseigentümer Alleinerbe des Nießbrauchers ist. Zwar ist dieser dem Mieter weder bei Abschluss des Mietvertrages noch zu einem anderen Zeitpunkt während des laufenden Mietverhältnisses als Vertragspartner begegnet, so dass der Mieter nicht darauf vertrauen konnte, dass nach dem Tode des Nießbrauchers das Mietverhältnis bis zu dem vereinbarten Ende fortbestehen bleibt. Ist der Erbe des Nießbrauchers allerdings - ausnahmsweise - tatsächlich in der Lage, die Gebrauchs-überlassungspflicht des § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erfüllen, weil er unabhängig von seiner erbrechtlichen Stellung Eigentümer des Mietgrundstücks ist, ist es gerechtfertigt, ihm das außerordentliche Kündigungsrecht aus § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB zu verwehren. Dafür spricht zwar nicht eine besondere Schutzwürdigkeit des Mieters. Für ihn dürfte es meist ein bloßer Zufall sein, dass sein Vertragspartner gerade von dem oder den Eigentümern des Mietgrundstücks beerbt wurde. Vereinigen sich jedoch die mietrechtlichen Verpflichtungen mit der tatsächlichen Möglichkeit, diese zu erfüllen, in einer Person, wie es der Fall ist, wenn der Grundstücks-eigentümer Alleinerbe des Nießbrauchers ist, wäre es treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sich der Grundstückseigentümer auf die formalen Rechtspositionen berufen und das Mietverhältnis gemäß § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB kündigen könnte. Dafür spricht auch der Rechtsgedanke des § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 BGB, wonach die Verfügung eines Nichtberechtigten wirksam wird, wenn er von dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet (vgl. Wacke in Festschrift Gernhuber 1993, 489, 524 f.).

(Rn. 18) e) Im vorliegenden Fall konnten die Beklagten daher die Mietverträge gemäß § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB kündigen. Die Nießbraucherin wurde nicht von den Beklagten allein, sondern auch von ihrem weiteren Sohn F. beerbt. Die Beklagten bilden daher zusammen mit F. eine Miterbengemeinschaft (§ 2032 Abs. 1 BGB), die für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten, zu denen auch die Verpflichtungen aus dem Mietvertrag, soweit sie nach dem Erlöschen des Nießbrauchs auf die Erben übergegangen sind, gehören, gemäß § 2058 BGB als Gesamtschuldner haftet. Allerdings ist das Mietgrundstück nicht in den Nachlass gefallen, weil es bereits zuvor von der Nießbraucherin an ihre Söhne übereignet worden war. Die aus den Beklagten und F. bestehende Miterbengemeinschaft könnte daher die Gebrauchsgewährungspflicht aus § 535 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht erfüllen. Sind jedoch die Beklagten aufgrund ihrer erbrecht-lichen Stellung nicht verpflichtet, den Klägerinnen den Gebrauch der Mietsache zu gewähren, besteht kein Grund, ihnen als Miteigentümer des Mietgrundstücks die Kündigungsmöglichkeit nach § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB zu verwehren.“

Das Ergebnis erstaunt mich. Den Wertungsunterschied verstehe ich nicht.

– Als Miterben haften die Eigentümer für sämtliche Verpflichtungen der Erblasserin gesamtschuldnerisch.

– Nachdem alle Miteigentümer auch Miterben sind, können die Erben die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks auch erfüllen.

– Hinzu kommt, dass Eigentümer und Erben hier eher zufällig auseinanderfielen, weil ein Kind den ihm übergebenen Miteigentumsanteil bereits vor dem Erbfall auf ein anderes Kind übertragen hatte.

S. 92 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) Eigenbedarf für Kündigung bei Wohnraummiete erforderlich

Im dem eben besprochenen Fall war das Kündigungsrecht relevant, weil Geschäfts-räume vermietet waren.

Bei Wohnraummiete stellt das Kündigungsrecht meist kein praktisches Problem dar. Der Mieter ist ausreichend geschützt, da der Eigentümer nur bei Eigenbedarf (oder einem sonstigen berechtigten Interesse) kündigen kann. Dies ergibt sich aus § 573d Abs. 1 BGB i.V.m. § 573 BGB:

§ 573d BGB - Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist

(1) Kann ein Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden, so gelten mit Ausnahme der Kündigung gegenüber Erben des Mieters nach § 564 die §§ 573 und 573a ent-sprechend.

(2) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig, bei Wohnraum nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats (gesetzliche Frist). § 573a Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung.

(3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Der BGH entschied dies jüngst im Jahr 2015 zum Kündigungsrecht des Nacherben für einen vom Vorerben abgeschlossenen Mietvertrag. Hier verweist § 2135 BGB auf die zwischen Nießbraucher und Eigentümer geltende Regelung des § 1056 BGB (und damit indirekt auf §§ 566 ff BGB).

BGH, Urt. v. 01.07.2015 - VIII ZR 278/13,

FamRZ 2015, 1712 = NJW 2015, 2650 = NZM 2015, 658 = ZEV 2015, 701

Nacherbe kann vom Vorerben abgeschlossenen Wohnraummietvertrag nur bei Eigenbedarf kündigen

1. Das Recht des Nacherben, ein vom Vorerben über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück abgeschlossenes und bei Eintritt der Nacherbfolge noch bestehendes Wohnraummietverhältnis außerordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündi-gungsfrist nach §§ 2135, 1056 Abs. 2 BGB zu kündigen, setzt ein berechtigtes Interesse des Nacherben an der Beendigung des Mietverhältnisses voraus (§ 573d Abs. 1, § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB).

2. Dem vorgenannten Kündigungsrecht des Nacherben steht ein im Wohnraum-mietvertrag zwischen dem Vorerben und dem Mieter vereinbarter Ausschluss des Rechts des Vermieters zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses grund-sätzlich nicht entgegen.

3. Dem Nacherben ist nach Treu und Glauben eine Kündigung nach §§ 2135, 1056 Abs. 2 BGB allerdings verwehrt, wenn er entweder unabhängig von §§ 2135, 1056 Abs. 1 BGB persönlich an den Mietvertrag gebunden ist oder er dem Abschluss des Mietvertrags durch den Vorerben zugestimmt hat oder der Abschluss eines für den Vermieter unkündbaren Mietvertrags über den Nacherbfall hinaus einer ordnungs-gemäßen Verwaltung des Nachlasses entsprochen hat, so dass der Nacherbe gegen-

S. 93 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

über dem Vorerben verpflichtet gewesen wäre, dem Mietvertrag zuzustimmen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 12. Oktober 2011, VIII ZR 50/11, NZM 2012, 558 Rn. 13 mwN).

Der letzte Leitsatz verweist auch auf eine weitere Möglichkeit, wie sich der Nießbraucher und/oder der Mieter schützen können: Indem sie den Eigentümer bei Abschluss des Mietvertrages um dessen Zustimmung bitten.

– Eine gesetzliche Zustimmungspflicht dürfte aber nur im Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben bestehen; hier ist sie zumindest teilweise in § 2120 BGB geregelt. Zwischen Nießbraucher und Eigentümer könnte man eine Zustimmungspflicht allenfalls aus Treu und Glauben ableiten.

– Beim Nießbrauch könnte man vertraglich eine Zustimmungspflicht regeln.

d) Haftet der Nachlass?

Unklar ist, inwieweit der Nachlass haftet, wenn der Nießbraucher gemäß § 1059 Abs. 2 BGB (berechtigt) kündigt:

– Einerseits könnte man argumentieren, dass das Mietverhältnis ja nach §§ 1059 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB auf den Eigentümer übergegangen ist – und wenn dieser berechtigt kündigt, beendet ist, so dass keine Schadensersatzansprüche wegen der berechtigten Beendigung bestehen können – und schon gar nicht gegen dritte Personen.

– Andererseits könnte man argumentieren, dass §§ 1095, 566 BGB nur dem Schutz des Mieters dienen sollen, ihm aber nicht weitergehende Rechte gegen seinen ursprünglichen Vertragspartner nehmen sollen.136

Aus den einschlägigen BGH-Entscheidungen konnte ich dazu leider nichts Eindeutiges entnehmen.

– In BGHZ 109, 111137 hatte der BGH zwar ausgeführt: „Unabhängig davon, ob es hiernach zu einem Eintritt des Grundstückseigentümers kommt, wird eine Rechts-nachfolge in den Mietvertrag kraft Erbrechts nicht ausgeschlossen.“

– Der BGH hatte dann aber sehr wohl geprüft, ob das Mietverhältnis nicht durch eine Kündigung nach § 1059 Abs. 2 BGB beendet wurde – dies aber im konkreten Fall ausgeschlossen, weil der Eigentümer zugleich Alleinerbe der Nießbraucherin war.

136 So Staudinger/Heinze (2016) § 1056 BGB Rn. 13. 137 BGHZ 109, 111 = DNotZ 1990, 502 = NJW 1990, 443.

S. 94 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

e) Ggf. Regelungsbedarf bei Nießbrauch an Geschäftsräumen (mit Formulierungsbeispiel)

§ 573d Abs. 1 BGB gilt nur bei Wohnraummiete, nicht bei der Miete von Gewerbe- oder Büroräumen etc. Hier könnte man eine Zustimmungs- und Übernahmepflicht des Eigentümers (schuld-)vertraglich bei Nießbrauchsbestellung regeln.

– Schutzbedürftig ist der Nießbrauchsberechtigte, damit er (bzw. seine Erben) sich nicht nach Erlöschen des Nießbrauchs möglichen Schadensersatzansprüchen des Mieters ausgesetzt sehen, falls der Eigentümer das Mietverhältnis nicht (zu den bisherigen Bedingungen) übernimmt.

– Theoretisch könnte der Nießbrauchsberechtigte mit dem Eigentümer vereinbaren, dass das Mietverhältnis mit Ende des Nießbrauchs erlischt (jedenfalls bei Tod des Nießbrauchers). Darauf wird sich der Mieter aber nicht oder nur bei entsprechendem Mietabschlag einlassen, läuft er dann doch das Risiko, die Gewerbeimmobilie plötzlich kurzfristig räumen zu müssen.

– Eine Regelung könnte ähnlich aussehen wie nachstehendes Beispiel zum Woh-nungsrecht (wobei sie aber sicher stärker dem jeweiligen Einzelfall anzupassen ist, da Gewerbeimmobilien teilweise nur ein eng begrenztes Nutzungsspektrum zulassen).

d) Schuldrechtlich vereinbaren die Beteiligten:

- Der Übernehmer muss den heute bestehenden Mietvertrag nach Erlöschen des Nießbrauchs übernehmen, sofern er dann noch besteht.

- Ebenso muss er dem Abschluss eines neuen Mietvertrages zustimmen und diesen nach Erlöschen des Nießbrauchs übernehmen, sofern er höchstens für eine Ver-tragslaufzeit von zehn Jahren fest (oder mit einseitigen Verlängerungsmöglich-keiten des Mieters auf bis zu zehn Jahren ab Vertragsschluss) abgeschlossen ist, die Miete bei Abschluss mindestens 85% der ortsüblichen Miete entspricht und er sonst zu ortsüblichen Bedingungen abgeschlossen ist.

e) Vertragliche Regelung bei Wohnungsrecht – mit Formulierungsbeispiel

Ein Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) kann mit dinglicher Wirkung so gestaltet werden, dass der Berechtigte die Wohnung auch vermieten kann – abweichend von der gesetzlichen Regelung. Betrifft das Nutzungsrecht die gesamte Immobilie, wird man dann eher einen Nießbrauch wählen. Wenn das Nutzungsrecht aber nur eine von mehreren Wohnungen in einem einheitlichen Gebäude betrifft und das Nutzungsrecht auch durch Vermietung ausübbar sein soll, geht nur ein Wohnungsrecht.

S. 95 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Für das Wohnungsrecht fehlt eine § 1056 BGB entsprechende gesetzliche Regelung. Die Beteiligten können aber (schuld-)vertraglich vereinbaren, dass der Eigentümer zur Übernahme des Mietverhältnisses verpflichtet ist.

– Ansonsten könnten sich die Erben des Wohnungsberechtigten Schadensersatz-ansprüchen des Mieters ausgesetzt sehen, wenn der Eigentümer nicht zu einer Übernahme des Mietverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen bereit ist. Denn der Mietvertrag besteht weiter mit den Erben; diese können aber nicht erfüllen, wenn sie nicht auch Eigentümer sind.

– Kein Problem ist dies natürlich, wenn der Eigentümer auch Erbe des Wohnungs-berechtigten wird. Wenn mehrere Kinder da sind, gibt es aber i.d.R. zumindest Miterben – und vielleicht erbt doch ein anderes Kind alleine. Und auch bei nur einem Kind könnten es sich die Übergeber ja später noch anders überlegen.

Bei einem Vermietungsrecht ergänze ich daher mein Muster zum Wohnungsrecht:

d) Abweichend von der gesetzlichen Regelung ist der Wohnungsberechtigte befugt, die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten zu vermieten oder sonst die Ausübung des Wohnungsrechts anderen Personen zu überlassen.

Schuldrechtlich vereinbaren die Beteiligten:

- Im Mietvertrag ist eine Miete von mindestens 85% der ortsüblichen Miete zu vereinbaren.

- Außerdem ist vorzusehen, dass der Mieter sämtliche Neben- bzw. Betriebskosten i.S.d. § 556 BGB und der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. 2003 I, S. 2346) direkt an den Eigentümer zahlt und die Schönheitsreparaturen übernimmt.

- Es darf keine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart werden. Auch darf - ohne Zustimmung des Eigentümers - keine Mindestdauer der Miete und kein sonstiger Ausschluss der Kündigungsrechte des Vermieters von mehr als drei Jahren vereinbart werden.

- Einem solchen Mietvertrag muss der Übernehmer zustimmen und ihn nach Erlöschen des Wohnungsrechts übernehmen.

Wenn der Übernehmer im selben Haus/ebenfalls im Vertragsobjekt wohnt, muss der Wohnungsberechtigte vor Abschluss eines Mietvertrages den von ihm ausgesuchten Mieter dem Eigentümer vorstellen; der Übernehmer kann dann bis zu drei Mietinteressenten ohne Grund ablehnen.

S. 96 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IX. Wieder einmal Mietervorkaufsrecht (SH)

1. Dauerbrenner Mietervorkaufsrecht

Auch wenn der Kollege Kesseler nicht müde wird zu betonen, dass es sich bei der Ausübung von Mietervorkaufsrechten und deren Voraussetzungen eher um akademische Glasperlenspiele handelt, sprechen die nicht geringe Anzahl höchstrichterlicher Entscheidungen zu diesem Thema in den vergangenen Jahren und die jedenfalls im zwei Jahres Turnus erfolgenden Behandlungen des Mietervorkaufsrechts in dieser Veranstaltung eine andere Sprache. Die nicht geringer praktische Relevanz des Mietervorkaufsrechts entspricht auch meiner eigenen (mitunter leidvollen) Erfahrung.

Da das Mietervorkaufsrecht lediglich schuldrechtliche Wirkung hat, ist das Rrrisiko, es zu übersehen, groß, unmittelbar für den Verkäufer/Vermieter, mittelbar aber natürlich auch für den beteiligten Notar.

Wie die Entscheidung des BGH vom 31.1.2015 (VIII ZR 51/14)138 zeigt, besteht – gerade bei Paketverkäufen – ein nicht zu unterschätzen des Schadenspotenzial, da der VIII. Zivilsenat des BGH dem Mieter bei Nichtbeachtung des Mietervorkaufsrechts einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen einem tatsächlichen späteren Ankaufspreis und dem Angebotspreis, welche dem Mietervorkaufsrecht zugrunde gelegen hätte, nach §§ 280 Abs. 1, 577 Abs. 1 S. 3, 469 Abs. 1, 577 Abs. 2, 249 BGB zuspricht.

Kurzer Rückblick auf die Entwicklung in den vergangenen Jahren zur Reichweite des Mietervorkaufsrechts:

Mietervorkaufsrecht auch bei Realteilung von Grundstücken

BGH, Urteil vom 28. 5. 2008 - VIII ZR 126/07

Die für die Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnräumen geltenden Bestimmungen der §§ 577, 577a BGB (Vorkaufsrecht des Mieters, Kündigungsbeschränkungen zulasten des Erwerbers) finden auf die Realteilung eines mit zu Wohnzwecken vermieteten Einfamilienhäusern bebauten Grundstücks entsprechende Anwendung.139

138 BGH NJW 2015, 1516; vgl. hierzu Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der

Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2015/206, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 120 ff. 139 BGH DNotZ 2008, 771; vgl. hierzu Albrecht, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der

Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2008/2009, DAI-Tagungsskript Feb./März 2009, S. 148 ff.

S. 97 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Mietervorkaufsrecht auch bei Aufteilung von Zweifamilienhäusern

BGH, Urteil vom 23. 6. 2010 - VIII ZR 325/09

1. Die für die Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnräumen geltenden Bestimmungen der §§ 577, 577a BGB finden auch auf die Realteilung eines mit zu Wohnzwecken vermieteten Zweifamilienhäusern bebauten Grundstücks entsprechende Anwendung (Fortführung von BGH, NJW 2008, 2257 = NZM 2008, 569).

2. Eine analoge Anwendung der Kündigungssperrfrist des § 577a BGB auf eine auf § 573a BGB gestützte Kündigung kommt mangels Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.140

Grundsätzlich kein Mietervorkaufsrecht beim so genannten „Erwerbermodell“

BGH, Urteil vom 22. 11. 2013 - V ZR 96/12

Das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB entsteht bei dem Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten Grundstücks im Grundsatz nur dann, wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.

Es entsteht in der Regel nicht, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen, und zwar auch dann nicht, wenn diese beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen („Erwerbermodell”).141

Den Entscheidungen des VIII. Zivilsenats des BGH liegt tendenziell ein eher weites Verständnis des Mietervorkaufsrechts zu Grunde, wohingegen die Handhabung durch den V. Zivilsenat restriktiver ausfiel.

Im vergangenen Jahr ergingen gleich drei Entscheidungen zum Mietervorkaufsrecht, allesamt durch den VIII. Zivilsenat.

Zur Vergegenwärtigung hier nochmals der Wortlaut der einschlägigen Gesetzespassagen:

§ 577 Vorkaufsrecht des Mieters

(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. …

140 BGH NJW 2010, 3571; vgl. hierzu Albrecht, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der

Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2010/2011, DAI-Tagungsskript Feb./März 2011, S. 26 ff. 141 BGH DNotZ 2014, 218; vgl. hierzu Herrler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der

Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2013/2014, DAI-Tagungsskript Feb./März 2014, S. 51 ff.

S. 98 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Kein Mietervorkaufsrecht bei Aufteilung vor Überlassung an Mieter

BGH, Beschl. v. 6.4.2016 - VIII ZR 143/15,

DNotI-Report 2016, 83 = DNotZ 2016, 847 = NotBZ 2016, 387 (Baer) = NJW 2017, 156

= NZM 2016, 540 = ZNotP 2016, 279.

Vgl. hierzu Elzer, IMR 2016, 267; Klühs NZM 2016, 812; Niedenführ, LMK 2016,

379660; Toussaint, FD-ZVR 2016, 378609; Weber, ZNotP 2016, 275.

1. …

2. Ein Vorkaufsrecht des Mieters entsteht nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, wenn nach

der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet

worden ist und dieses dann an einen Dritten verkauft wird […]. Dass vor der Überlassung

der Mietsache an den Mieter die für die Aufteilung in Wohnungseigentum erforderliche

Teilungserklärung (§ 8 WEG) bereits notariell beurkundet worden ist, hindert das

Entstehen des Vorkaufsrechts nach dieser Alternative nicht, weil die Teilung erst mit der

Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam wird.

3. Die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ist davon

abhängig, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter

Wohnungseigentum begründet werden soll und das zukünftige Wohnungseigentum an einen

Dritten verkauft wird. Ein Vorkaufsrecht besteht daher nach dieser Alternative nicht, wenn

die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, schon vor der Überlassung der vermieteten

Wohnräume an den Mieter gefasst worden ist und sich nach außen hinreichend manifestiert

hat, etwa durch die notarielle Beurkundung einer Teilungserklärung (§ 8 WEG).

a) Sachverhalt

Die Kläger sind Mieter einer im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegenen Vier-Zimmer-Wohnung der Beklagten.

Am 28.9.2010, vor Abschluss des Mietvertrags und vor Überlassung der Räumlichkeiten an die Kläger, ließ die Beklagte eine Teilungserklärung bezüglich des Mehrfamilienhauses notariell beurkunden.

Die Kläger bewohnen die Mieträume aufgrund eines mit der Beklagten am 17.11.2010 abgeschlossenen Mietvertrags.

Die Wohnung wurde ihnen zum 15.12.2010 überlassen.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16.12.2010 veräußerte die Beklagte die von den Klägern angemietete Wohnung an die EhefraÜu des Geschäftsführers der Beklagte.

Wenige Tage später, am 23.12.2010, erfolgte die Eintragung der Teilungserklärung vom 28.9.2010 in das Grundbuch.

S. 99 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die Eigentumsumschreibung erfolgte am 18.10.2011.

Also: (Beurkundung Teilungserklärung) → Mietvertragsschluss → Überlassung der Mieträume → Veräußerung an Dritten → Anlegung der Wohnungsgrundbücher

Als die Kläger im November 2013 Kenntnis vom Abschluss des Kaufvertrags erlangten, waren sie der Auffassung, dass ihnen ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Kaufpreis und dem objektiven Verkehrswert der Wohnung zustehe.

Sie begehrten daher von der Beklagten Auskunft über den Inhalt des Kaufvertrags sowie Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen oder noch entstehenden Schadens.

Während das Amtsgericht die Klage noch abgewiesen hatte, gab das Landgericht der nunmehr angepassten Klage (Stufenklage) in der ersten Stufe statt.

b) Entscheidung

Auf die Revision der Beklagten hin weist der VIII. Zivilsenat des BGH die Klage ab, da vorliegend die Voraussetzungen für das Entstehen eines Mietervorkaufsrechts nicht vorlägen.

Zunächst stellt der Senat indes klar, dass dem vorkaufsrechtsberechtigten Mieter bei Vereitelung des Vorkaufsrechts ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem vom Vermieter erzielten Kaufpreis (abzüglich im Falle des Erwerbs angefallener Kosten) als Erfüllungsschaden zustehen kann. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn sich der Erfüllungsanspruch des Mieters wegen Verletzung der Mitteilungspflicht des Vermieters gemäß § 577 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 469 Abs. 1 S. 1 BGB nicht mehr realisieren lasse. Die Aufklärungspflicht des Vermieters über den Inhalt des Drittkaufvertrages bleibt hiervon unberührt.

Allerdings stehe den Klägern vorliegend weder ein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB noch nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB zu.

aa) Kein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB

Voraussetzung eines Vorkaufsrechts nach Var. 1 ist, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter → Wohnungseigentum begründet worden ist und dieses → dann an einen Dritten verkauft wird.142

142 BGH DNotZ 2016, 847 Tz. 23.

S. 100 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Tz. 26: „Dem BerGer. ist zwar darin beizupflichten, dass die Entstehung des Vorkaufsrechts bei dieser Alternative nicht daran scheitert, dass die Bekl. schon vor Überlassung der Mietsache an die Kl. (und sogar schon vor Abschluss des Mietvertrags) die für die Aufteilung in Wohnungseigentum erforderliche Teilungserklärung (§ 8 WEG) hat notariell beurkunden lassen. Denn dies ändert nichts daran, dass Wohnungseigentum erst nach der Überlassung der Wohnräume an die Kl. begründet worden ist. Die Teilung wird gem. § 8 II 2 WEG erst mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam. Entscheidend ist also der dingliche Vollzug, der hier mit der am 28.12.2010 erfolgten Eintragung der Teilungserklärung in das Grundbuch bewirkt worden ist.“

Tz. 27: „Da § 577 I 1 Alt. 1 BGB allein auf die Begründung von Wohnungseigentum abstellt, steht […] die bei Mietvertragsabschluss bestehende Kenntnis des Mieters von einer Umwandlungsabsicht der Anwendung dieser Alternative nicht entgegen.“

Allerdings sei es für die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB nicht ausreichend, „wenn nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Abschluss des Kaufvertrags mit dem Dritten der Begründung von Wohnungseigentum zeitlich nachfolgt.“

Werde Wohnungseigentum erst nach dem Verkauf rechtswirksam durch Anlegung der Wohnungsgrundbücher begründet, scheide ein Vorkaufsrecht nach Variante 1 BGB aus.

bb) Kein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB

Voraussetzung eines Vorkaufsrechts nach Var. 2 ist, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter → Wohnungseigentum begründet werden soll und dieses → sodann an einen Dritten verkauft wird.

Tz. 24: „Nach der zweiten Alternative ist die Entstehung eines Vorkaufsrechts davon abhängig, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet werden soll und das zukünftige Wohnungseigentum an einen Dritten verkauft wird […]. Gegenstand des Vorkaufsrechts ist in diesem Fall ein sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum […]. Das Vorkaufsrecht des Mieters entsteht in einem solchen Fall nur dann, wenn sich der Veräußerer beim Verkauf des noch ungeteilten Grundeigentums gegenüber dem Dritten vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gem. § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohneinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist.“

Nach Ansicht des Senats scheidet ein Vorkaufsrecht nach Var. 2 bereits deshalb aus, weil die „Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, nicht erst nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter gefasst und dokumentiert“ wurde.143

Tz. 33: „Entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung […] ist es für die Anwendung des § 577 I 1 Alt. 2 BGB erforderlich, dass das Tatbestandsmerkmal

143 BGH DNotZ 2016, 847 Tz. 32.

S. 101 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

„Wohnungseigentum soll begründet werden“ zeitlich erst nach der Überlassung der Mietsache an den Mieter erfüllt wird […]. Denn das Gesetz [Wortlaut] spricht ausdrücklich von „vermieteten Wohnräumen, an denen nach Überlassung an den Mieter (…) Wohnungseigentum begründet werden soll“. Das Gesetz legt damit eine bestimmte zeitliche Reihenfolge der einzelnen Vorgänge fest […].“

Tz. 34: „Dass die Vorkaufsberechtigung nach § 577 I 1 Alt. 2 BGB auch dann eingreifen soll, wenn die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, schon vor der Überlassung der Wohnräume an den Mieter gefasst und dokumentiert worden ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.“

Tz. 35: „Nach § 577 I 1 Alt. 1 BGB ist […] ein Vorkaufsrecht des Mieters ausgeschlossen, wenn das Wohnungseigentum schon vor der Überlassung der Wohnräume an den Mieter begründet worden ist […]. Angesichts des im Gesetz angeordneten Gleichlaufs der gleichberechtigt nebeneinander stehenden Alternativen des § 577 I 1 BGB gelten auch bezüglich der zweiten Alternative dieser Bestimmung die gleichen Grundsätze wie bei der ersten Alternative, allerdings bezogen darauf, dass an die Stelle eines begründeten Wohnungseigentums die – nach außen hinreichend manifestierte […] – Absicht tritt, solches zu begründen […].“

Tz. 36: „Denn § 577 I 1 Alt. 2 BGB unterscheidet sich von der ersten Alternative dieser Vorschrift allein dadurch, dass nicht an ein bereits entstandenes Wohnungseigentum, sondern an die Absicht angeknüpft wird, Wohnungseigentum zu begründen. Hieraus ergibt sich, dass dann, wenn die Überlassung der Mieträume an den Mieter erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem das Tatbestandsmerkmal „Wohnungseigentum soll begründet werden“ bereits vorlag, ein Vorkaufsrecht nach § 577 I 1 Alt. 2 BGB nicht entstehen kann, sondern allenfalls – infolge einer später vollzogenen Umwandlung in Wohnungseigentum – ein Vorkaufsrecht nach § 577 I 1 Alt. 1 BGB, sofern die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.“

Für dieses Verständnis sprächen auch die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck von § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB. Das Vorkaufsrecht knüpfe ausweislich der Gesetzesmaterialien ausdrücklich daran an, dass für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags und nach Überlassung der Wohnräume die Gefahr einer Verdrängung aus der Mietwohnung entstehe. Ansonsten hätte es nahegelegen, die im Gesetz normierte zeitliche Abfolge nur für die erste Variante vorzusehen.144

Abschließend stellt der BGH jedoch klar, dass für eine Begründungsabsicht im Sinne von § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB eine rein innerlich bestehende Absicht nicht ausreicht – andernfalls könnte der Eigentümer das Mietervorkaufsrecht nach Var. 2 stets mit dieser (Schutz-)Behauptung aushebeln –, sondern es einer hinreichenden Manifestation nach außen bedarf.

Tz. 42: „Denn ansonsten ließe sich nicht mit der für die Beteiligten erforderlichen Gewissheit feststellen, ob und ab welchem Zeitpunkt die gem. § 577 I 1 Alt. 2 BGB erforderliche Voraussetzung „Wohnungseigentum soll begründet werden“ erfüllt ist.“

c) Bewertung

Die sorgfältig begründete Entscheidung des VIII. Zivilsenats ist im Schrifttum ganz überwiegend auf Zustimmung gestoßen.

144 BGH DNotZ 2016, 847 Tz. 40.

S. 102 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

aa) Unwägbarkeiten im Grundbuchverfahren bei Var. 1 zulasten des Mieters (?)

Jedenfalls bei unbefangener Betrachtung erscheint das Ergebnis eher zufällig zu sein.145 Hätte das Grundbuchamt die Wohnungsgrundbücher schneller angelegt, wäre die Begründung des Wohnungseigentums dem Verkauf an den Dritten vorangegangen. Nur aufgrund der langen Bearbeitungsdauer des Grundbuchamts (oder aufgrund ggf. strategischer Verzögerung des Verfahrens durch den Eigentümer) entging dem Mieter sein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.

→ Ein Ergebnis, das durchaus in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Wertung des § 878 BGB steht.

Vorliegend ist dieses Ergebnis auch aus Sicht des Mieters aber letztlich akzeptabel, da die Überlassung der Mietsache am 15.12. und der Verkauf an den Dritten bereits einen Tag später am 16.12. erfolgte.

Liegt zwischen der Überlassung der Mietsache und dem Kaufvertragsabschluss ein längerer Zeitraum, ist es aber etwas unbefriedigend, wenn ein Mieter Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB nur an einer (ggf. über-) langen Bearbeitungsdauer des Grundbuchamts scheitert.

Dies gilt umso mehr, als ein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var.2 BGB bei einer vor Überlassung der Mietsache beurkundeten Teilungserklärung wohl auch mit Blick darauf abgelehnt wird, dass unterschiedlich lange Bearbeitungszeiten der Grundbuchämter nicht für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts maßgeblich sein sollten.146

Dem Vermieter/Eigentümer, der Mieträume nach Beurkundung der Teilungserklärung überlässt, ist im Interesse des Ausschlusses des Mietervorkaufsrechts (bei diesem Verkauf!) zu raten, den Vollzug der Teilungserklärung so lange nicht zu betreiben, bis die betreffenden Kaufverträge unterzeichnet wurden.147

ABER ABER ABER:

Das Nichtbestehen des Mietervorkaufsrechts in diesem Verkaufsfall führt indes nicht zum gänzlichen Erlöschen desselben, sondern dazu, dass es bei einem späteren

145 Ebenso Weber, ZNotP 2016, 275, 277. 146 Vgl. Klühs, NZM 2016, 812, 815 m.w.N. 147 Weber, ZNotP 2016, 275, 277.

S. 103 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Verkauf nunmehr erstmalig ausgeübt werden kann und daher der Erwerber, falls der ursprüngliche Mietvertrag noch fortbesteht, gemäß § 577 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 469 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet ist, den Mieter über sein Vorkaufsrecht zu unterrichten.148 Denn nun stimmt die gesetzlich vorgesehene Reihenfolge:

Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter → Begründung von Wohnungseigentum → Verkauf des Wohnungseigentums an einen Dritten.

Dass ein Mietervorkaufsrechts bereits im vorangehenden Verkauf beinahe eingegriffen hätte, ändert daran nichts.

Im Übrigen kann – trotz der dem Abschluss des Kaufvertrags nachfolgenden Anlegung der Wohnungsgrundbücher – die Kündigungsbeschränkung gemäß § 577a BGB zur Anwendung gelangen, wenn – wie vorliegend – zwar der Kaufvertrag vor Anlegung der Wohnungsgrundbücher geschlossen wird, der Vollzug der Eigentumsumschreibung (= Veräußerung im Sinne von § 577a BGB) aber erst nachher erfolgt.149

bb) Absichtsvariante, § 577 Abs. 1 S. 1 Var.2 BGB

(1) Gewisse Schutzlücken für Mieter

Nicht zu verkennen ist ferner, dass bei dem vom BGH zugrunde gelegten Verständnis der Absichtsalternative eine gewisse Schutzlücke für den Mieter besteht. Während dieser durch Grundbucheinsicht – ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 12 Abs. 1 S. 1 GBO dürfte zu bejahen sein – vor Abschluss des Mietvertrags klären kann, ob bereits eine Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgt ist und damit ein Mietervorkaufsrecht in der Zukunft ausscheidet, besteht diese Möglichkeit bei der Absichtsalternative nicht in gleicher Weise. Von einer lediglich beurkundeten Teilungserklärung wird der Mieter aber keine Kenntnis erlangen.

Zwar wird teilweise geltend gemacht, nach Stellung des Antrags auf Anlegung der Wohnungsgrundbücher könne der Mieter durch Einsicht in die Markentabelle oder die Grundakten die Manifestation der Aufteilungsabsicht, die ein künftiges Vorkaufsrecht ausschließt, feststellen.150 Hierbei wird aber verkannt, dass der BGH eine manifestierte Aufteilungsabsicht – jedenfalls nach dem Wortlaut der Entscheidung – gerade nicht an eine entsprechende Antragstellung beim Grundbuchamt, sondern lediglich an die Beurkundung der Teilungserklärung knüpft.151 Je nach Verhalten des aufteilenden Eigentümers hat der Mieter daher keine effektive Informationsmöglichkeit.

148 Weber, ZNotP 2016, 275, 277. 149 Vgl. Weber, ZNotP 2016, 275, 278. 150 So Klühs, NZM 2016, 812, 816. 151 BGH DNotZ 2016, 847 Tz. 43.

S. 104 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Sofern ein Antrag auf Anlegung der Wohnungsgrundbücher nicht zeitnah gestellt wird, könnte man freilich erwägen, ob man hierin eine Widerlegung der zunächst manifestierten Aufteilungsabsicht sieht. Aus diesem Grund dürfte auch die Befürchtung weit hergeholt sein, Eigentümer würden zwecks Vereitelung des Mietervorkaufsrechts vorsorglich eine Aufteilung in Wohnungseigentum beurkunden lassen.

Erhebliche Schutzlücken drohen in keinem Fall, da die Reihenfolge der Ereignisse: „dokumentierte Umwandlungsabsicht → Vermietung und Überlassung an den Mieter → Verkauf → Anlegung der Wohnungsgrundbücher“ eher die Ausnahme darstellen wird. Für vermietete Wohnräume wird in aller Regel ein Preisabschlag vorgenommen, weshalb ein strategisches Vorgehen des Vermieters/Eigentümers insoweit wohl ausgeschlossen ist.152

(2) Bloße Beurkundung der Teilungserklärung für Manifestation der Aufteilungsabsicht ausreichend?

Ob das Abstellen auf die bloße Beurkundung der Teilungserklärung indes überhaupt zutreffend ist oder der Leitsatz bzw. die weiteren Ausführungen des BGH die Anforderungen nicht lediglich verkürzt wiedergeben, ist meines Erachtens zudem unklar.

Teilweise wird geltend gemacht, die Annahme des VIII. Zivilsenats, eine manifestierte Aufteilungsabsicht liege bereits in der Beurkundung der Teilungserklärung, stehe in Widerspruch zur Entscheidung des V. Zivilsenats vom 20.11.2013, da jener zusätzlich eine vertragliche Verpflichtung zur Aufteilung verlangt hat.153 Diese Anforderung hat der VIII. Senat in seiner Entscheidung vom 27.4.2016 bestätigt (Tz. 22).

Ein derartiger Widerspruch ist den beiden Entscheidungen meines Erachtens aber nicht zu entnehmen, da vorliegend nicht nur die Teilungserklärung beurkundet wurde, sondern auch eine konkrete Wohnung verkauft wurde, woraus sich notwendig der Anspruch auf Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum ergibt. Jedenfalls die verkaufte Wohnung muss genau diejenige Gestalt haben, die ihr aufgrund des Kaufertrags in Verbindung mit der in Bezug genommenen Teilungserklärung zukommt. Damit besteht eine entsprechende Verpflichtung des Eigentümers zur Aufteilung. In seiner vorgenannten Entscheidung vom 27.4.2016 hat der Senat denn auch festgestellt, dass sich eine derartige Verpflichtung aus der Bezugnahme auf eine beurkundete Teilungserklärung ergeben könne.154

152 Vgl. Niedenführ, LMK 2016, 379660. 153 So Weber, ZNotP 2016, 275, 277. 154 BGH DNotZ 2014, 218 Tz. 23.

S. 105 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

→ Im Übrigen scheint der VIII. Zivilsenat des BGH einen unterschiedlichen Begriff der Aufteilungsabsicht zu Grunde zu legen, je nachdem, ob es um den Ausschluss des Mietervorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB wegen Manifestation der Aufteilungsabsicht vor Überlassung der Mietsache oder um die Begründung eines Mietervorkaufsrechts aufgrund manifestierte Aufteilungsabsicht nach Überlassung der Mietsache und vor Verkauf der vermieteten Eigentumswohnung geht (siehe hierzu unten Ziffer 4 lit. b).

cc) Bloßer Hinweis auf die Aufteilungsabsicht bei Mietvertragsabschluss irrelevant

Als kleiner Wermutstropfen für den Vermieter/Eigentümer ist festzuhalten, dass das Vorkaufsrecht nach Var. 2 nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Vermieter seinen Mieter bei Abschluss des Mietvertrags auf seine Aufteilungsabsicht hingewiesen hat. In dem bloßen Hinweis liegt nach Ansicht des BGH keine ausreichende Manifestation der Aufteilungsabsicht nach außen.

3. Mietervorkaufsrecht bei beabsichtigter Realteilung

BGH, Urt. v. 27.4.2016 – VIII ZR 61/15,

DNotI-Report 2016, 105 = NJW-RR 2016, 910 = NotBZ 2016, 460 (Hueber) = ZNotP

2016, 189. Hierzu: Klühs NZM 2016, 812; Lehmann-Richter, IMR 2016, 312.

1. Ein Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 I 1 Alt. 2 BGB analog wird bei Veräußerung eines noch ungeteilten Gesamtgrundstücks und beabsichtigter Realteilung nur dann begründet, wenn der Verkäufer als Vorkaufsverpflichteter in dem mit dem Erwerber abgeschlossenen Kaufvertrag die Verpflichtung zur Aufteilung übernommen hat. Ob dies der Fall ist, ist dem Kaufvertrag im Weg der Auslegung zu entnehmen. Weiter setzt die Entstehung eines solchen Vorkaufsrechts voraus, dass die vom Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Einzelfläche in dem Kaufvertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist (Fortführung von BGHZ 199, 136 = NJW 2014, 850 Rn. 17, 22 ff.).

2. § 467 S. 1 BGB sichert das Interesse des Vorkaufsberechtigten an der Ausübung seines Rechts beim Verkauf mehrerer Gegenstände, die nur zum Teil dem Vorkaufsrecht unterliegen, und schränkt damit den in § 464 II BGB enthaltenen Grundsatz der Vertragsidentität ein. Damit bestimmt das Vorkaufsrecht und nicht der den Vorkaufsfall auslösende Kaufvertrag, welche Gegenstände der Vorkaufsberechtigte in Ausübung seines Rechts erwerben kann (im Anschluss an BGHZ 168, 152 = NJW-RR 2006, 1449 Rn. 21 ff.).

S. 106 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. § 467 S. 1 BGB ist auf den Fall des Verkaufs eines nur teilweise mit einem Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks entsprechend anzuwenden (im Anschluss an BGH, NJW 1970, 187 Ls. = LM § 508 BGB aF Nr. 1)

4. Der Vorkaufsverpflichtete kann jedoch gem. § 467 S. 2 BGB (analog) verlangen, dass der Vorkauf auf alle Gegenstände beziehungsweise auf das gesamte Grundstück erstreckt wird, wenn nach Abtrennung der vorkaufsbelasteten Gegenstände lediglich ein isoliert nicht sinnvoll nutzbarer Gegenstand verbliebe, für den sich kein adäquater Preis erzielen ließe (Fortführung von BGH, NJW 2012, 1354 Rn. 18).

a) Sachverhalt (vereinfacht)

Die Klägerin ist Mieterin eines zu Wohnzwecken genutzten Einfamilienreihenhauses, welches Teil einer Reihenhaussiedlung auf einem ungeteilten Grundstück ist (drei Einfamilienhäuser und ein Zweifamiliendoppelhaus).

Am 14.12.2012 wurde das Gesamtgrundstück, welches in einem dem Kaufvertrag beigefügten Lageplan in noch zu vermessenden Teilflächen dargestellt wurde, zum Gesamtkaufpreis von gut 1,2 Millionen € an fünf Ehepaare und eine Einzelperson veräußert. Über den Gegenstand des Mietvertrags hinaus war Gegenstand des Kaufvertrags noch eine mit einer Garage bebaute Gemeinschaftsfläche.

Im Kaufvertrag wurden sowohl das Gesamtgrundstück als auch die Grundstücksteilflächen als Kaufgegenstand bezeichnet, jeweils mit einer ungefähren Größenangabe versehen und im beigefügten Lageplan farblich gekennzeichnet. Die Teilflächen wurden bestimmten Käufern entweder insgesamt oder nach Bruchteilen zugeordnet.

Zur Berechnung der Grunderwerbsteuer und der anfallenden Kosten wurde im Vertrag klargestellt, in welchen Anteilen die einzelnen Erwerber Gruppen den Kaufpreis an die Verkäuferin zu zahlen hatten – auf eine gesamtschuldnerische Haftung aller Erwerber wollte der Verkäufer offenbar nicht verzichten.

Nach Anzeige des Verkaufs übte die Mieterin ihr Vorkaufsrecht innerhalb der gesetzlichen Frist aus.

Die Beklagte Eigentümerin ist zunächst mit der Vorkaufsrechtsausübung einverstanden, vertritt allerdings sodann die Auffassung, dass der Mieterin kein Vorkaufsrecht zustehe, da

Gegenstand des Kaufvertrags nicht die vermietete Reihenhausparzelle, sondern das Gesamtgrundstück sei und

es im Übrigen an einer Identität zwischen dem Gegenstand des Mietvertrags (= Vorkaufsrechts) und dem Gegenstand des Kaufertrags fehle.

Dieser Ansicht hat sich das Landgericht – entgegen der vom Amtsgericht zunächst vertretenen Auffassung – angeschlossen.

S. 107 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Entscheidung

Die Revision der Mieterin hat Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des BGH bejaht vorliegend das Bestehen eines Mietervorkaufsrechts analog § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB.

Im Ausgangspunkt bestätigt der Senat seine bisherige Rechtsprechung, dass § 577 BGB auf die Realteilung eines Grundstücks, das mit zu Wohnzwecken vermieteten Räumen bebaut ist, entsprechend anzuwenden ist, und zwar sowohl bei Verkauf nach erfolgter Realteilung (Var. 1) als auch bei Verkauf bei lediglich vorliegender Realteilungsabsicht (Var. 2).

Ein Mietervorkaufsrecht nach der Absichtsalternative bestehe jedoch auch in entsprechender Anwendung von § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 bei einer beabsichtigten Realteilung – wie das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen hat – nur dann, wenn

1. der Mieter einen Anspruch auf reale Teilung des Grundstücks erwirbt, also der Vorkaufsverpflichtete im Kaufvertrag eine Verpflichtung zur realen Teilung übernommen hat,

und

2. die vom Vorkaufsrecht erfasste Teilfläche im Kaufvertrag mit dem Dritten bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.

Tz. 24: „Es reicht also nicht aus, dass der Vermieter das ungeteilte Grundstück an einen Dritten veräußert und dieser nach dem Erwerb die Realteilung durchführt. Vielmehr muss sich dem Kaufvertrag unter Anwendung der Auslegungsregeln nach §§ 133, 157 BGB entnehmen lassen, dass der Veräußerer auch den Vollzug der Realteilung schuldet und damit der Erwerber gegen den Veräußerer einen Anspruch auf die Begründung eines bestimmten oder wenigstens bestimmbaren Einzelgrundstücks erwirbt, das mit dem angemieteten Wohnhaus bebaut ist. Nur in diesem Fall ist gewährleistet, dass sich die mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bewirkte Rechtsstellung des Mieters nicht darin erschöpft, einen sachenrechtlich noch nicht existierenden Gegenstand käuflich zu erwerben, sondern der Mieter die (künftige) Entstehung dieses Kaufgegenstands auch durchsetzen kann, weil ihm gegen den Veräußerer zugleich ein schuldrechtlicher Anspruch auf die Schaffung eines mit dem von ihm genutzten Wohnhaus bebauten Einzelgrundstücks zusteht.“

Ungeachtet dessen, dass die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den Tatrichter vom Revisionsgericht nur beschränkt darauf überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht, halte die Auslegung des Berufungsgerichts einer Kontrolle an diesem Maßstab nicht stand.

Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats des BGH ergibt sich eine Verpflichtung des Verkäufers gegenüber den Käufern zur Realteilung aus folgenden Gesichtspunkten, wobei der Senat ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung und dem diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen auch die Interessenlage, die sonstigen

S. 108 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Begleitumstände, den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen und auch das nachträgliche Verhalten der Parteien berücksichtigt:

Verkauft wird nach dem Wortlaut des Vertrags nicht in erster Linie das gesamte Grundstück, sondern insbesondere die Grundstücksteilflächen, die jeweils verschiedenen Käufergruppen zugeordnet, mit ungefährer Größe bezeichnet und im beigefügten Lageplan farblich gekennzeichnet sind. Über die Abgrenzung der Teilflächen in der Natur sind sich die Parteien einig.

Bei objektivem Verständnis lasse dies nur die Auslegung zu, dass Gegenstand des Kaufvertrags bereits die Teilflächen als Einzelgrundstücke sind. Aufgrund der präzisen Kennzeichnung derselben bleibt die Realteilung nicht den Erwerbern untereinander überlassen, sondern erfolgt bereits im Kaufvertrag unter Mitwirkung der Verkäuferin.

Die gesamtschuldnerische Haftung aller Erwerber spreche ebenfalls nicht notwendig für den Verkauf nur des Gesamtgrundstücks, da die Einzelpreise im Kaufvertrag aufgeschlüsselt sind (für die Zwecke der Grunderwerbsteuer) und sich die gesamtschuldnerische Haftung aus dem Sicherheitsbedürfnis der Verkäuferin erklären lasse.

→ Wie die 32 Randnummern umfassende Begründung der hier vorgenommenen Auslegung durch den BGH – sicherlich auch veranlasst durch das abweichende Ergebnis der Vorinstanz – illustriert, handelt es sich hierbei stets um eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände, sodass verallgemeinerungsfähige Schlussfolgerungen nur bedingt getroffen werden können. Die vorstehenden Aspekte stellen aber die wesentlichen Gesichtspunkte für die Bejahung einer Teilungsverpflichtung dar.

Fehlende Vertragsidentität unschädlich

Aus § 467 S. 1 i.V.m. § 577 Abs. 1 S. 3 BGB folgt, dass das Mietervorkaufsrecht schließlich auch nicht daran scheitere, dass eine nicht in den Mietvertrag einbezogene Teilfläche mitverkauft und veräußert wurde. § 467 S. 1 BGB sei auf den Verkauf eines Grundstücks, das nur teilweise mit einem Vorkaufsrecht belastet sei, entsprechend anzuwenden. Das Mietervorkaufsrecht erstrecke sich demnach nicht auf die bisher nicht gemieteten Nebenräume bzw. – hier – die nicht gemieteten Teilflächen.

Dem Vorkaufsverpflichteten steht jedoch analog § 467 S. 2 BGB auch im Falle eines Mietervorkaufsrechts das Recht zu, eine Erstreckung des Vorkaufs auf Teilflächen zu verlangen, die nicht ohne Nachteil für ihn getrennt werden können – wie hier der isoliert nicht sinnvoll nutzbarer Miteigentumsanteil an der Garage.

S. 109 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) Bewertung

Aus notarieller Sicht ist zunächst bedauerlich, dass der BGH die Rechtsprechung betreffend das Bestehen eines Mietervorkaufsrechts bei Realteilung von Grundstücken – trotz in der Literatur vielfach geäußerter Bedenken – bestätigt.

Im Übrigen überzeugen die Ausführungen des VIII. Zivilsenats aber insbesondere insoweit, als er die Anforderungen der Absichtsalternative betreffend die Aufteilung in Wohnungseigentum auf die Realteilung überträgt und daher einen Anspruch des Mieters auf Realteilung gegen den Eigentümer/Vermieter fordert.

Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass ein Mietervorkaufsrecht nach der Absichtsalternative nicht in Betracht kommt, wenn im Kaufvertrag kein Anspruch der Käufer auf Realteilung gegen den Verkäufer (= Vermieter) begründet wird.

→ Daher ist es naheliegend, dass die Käufermehrheit, wenn das Eingreifen von Mietervorkaufsrechten ausgeschlossen werden soll, eine Vereinbarung über die Aufteilung des Grundstücks untereinander nicht im eigentlichen Kaufvertrag unter Beteiligung des Verkäufers, sondern in einer gesonderten Urkunde treffen. Mangels Anspruchs gegen den Verkäufer auf Realteilung ein Mietervorkaufsrecht aus.

Teilweise wird in einem derartigen Vorgehen, das jedenfalls nicht unerhebliche Mehrkosten verursacht und zu Verzögerungen in der Abwicklung führt, eine unzulässige Umgehung des Vorkaufsrechts gesehen.155 Pauschal scheint mir das allerdings zu weitgehend.

Und was bleibt dem Vertragsgestalter denn anderes übrig?

Eine Vorabklärung mit dem Mieter schafft mangels Zulässigkeit eines Verzichts vor Abschluss des Kaufvertrags (§ 577 Abs. 5 BGB) keine Rechtssicherheit!

Angesichts der umfangreichen Erwägungen des BGH zur Auslegung fehlt es bei der Absichtsalternative an anderweitigen hinreichend klaren Kriterien für das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts.156 Sofern im Kaufvertrag keinerlei Regelungen zu einer Aufteilung bzw. Realteilung des Grundstücks enthalten sind, scheidet die Annahme einer Verpflichtung des Verkäufers mit ziemlicher Gewissheit aus.

4. Mietervorkaufsrecht bei beabsichtigter Aufteilung in WEG

BGH, Urt. v. 07.12.2016 – VIII ZR 70/16,

BeckRS 2016, 109922 = IMR 2017, 2211.

155 So wohl Hueber, NotBZ 2016, 460, 461. 156 Hueber, NotBZ 2016, 460, 461.

S. 110 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Hierzu: Lehmann-Richter, IMR 2017, 45.

In seiner dritten Entscheidung zum Mietervorkaufsrecht aus dem Jahr 2016 zu einem parallelen Sachverhalt wie VIII ZR 143/15 bestätigt der VIII. Zivilsenat die zuvor aufgestellten Grundsätze, die noch einmal schlagwortartig wiedergegeben werden sollen:

a) Entscheidung

Voraussetzung eines Mietervorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 ist, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter → Wohnungseigentum begründet worden ist und dieses → dann an einen Dritten verkauft wird.157

Tz. 17: „Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass es für die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht ausreicht, wenn nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Abschluss des Kaufvertrags mit dem Dritten der Begründung von Wohnungseigentum zeitlich nachfolgt. Wird dieses erst nach dem Verkauf an den Dritten begründet, scheidet ein Vorkaufsrecht aus.“

Voraussetzung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ist, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter → Wohnungseigentum begründet werden soll und dieses → sodann an einen Dritten verkauft wird.

Tz. 14: „Gegenstand des Vorkaufsrechts ist in diesem Fall ein sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum. Das Vorkaufsrecht des Mieters entsteht in einem solchen Fall nur dann, wenn sich der Veräußerer beim Verkauf des noch ungeteilten Grundstücks gegenüber dem Dritten zur Durchführung der Aufteilung nach § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste künftige Wohneinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist.“

Tz. 21: „Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die die Entstehung eines Vorkaufsrechts des Mieters nach § 577 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB betreffenden Ausführungen des Senats im Urteil vom 6. April 2016 (VIII ZR 143/15, aaO) stünden insoweit in Widerspruch zu den diesbezüglich im Urteil vom 22. November 2013 (V ZR 96/12, aaO) angestellten Erwägungen des V. Zivilsenats, als der Senat für die hinreichende Absicht des Vermieters, Wohnungseigentum zu begründen, die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung ausreichen lasse, während der V. Zivilsenat zusätzlich eine aus dem Kaufvertrag mit dem Dritten folgende Verpflichtung des Verkäufers zum Vollzug der Aufteilung verlange, trifft dies nicht zu.“

Tz. 22: „Der V. Zivilsenat hat in der herangezogenen Entscheidung nicht etwa ausgesprochen, dass die Absicht zur Begründung von Wohnungseigentum erst dann hinreichend manifest sei, wenn ein Kaufvertrag mit dem Dritten geschlossen werde. Er hat vielmehr in Abgrenzung von sogenannten

157 BGH BeckRS 2016, 109922 Tz. 14.

S. 111 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

"Erwerbermodellen" ausgesprochen, dass für das Entstehen des Vorkaufsrechts in diesen Fällen die bloße Veräußerung an den Dritten nicht ausreicht, sondern dieses nur dann entstehen kann, wenn sich der veräußernde Vermieter zusätzlich zur Begründung von Wohnungseigentum verpflichtet, nicht jedoch, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen (BGH, Urteil vom 22. November 2013 - V ZR 96/12, aaO Rn. 17). Dass der Kaufvertrag mit dem Dritten von dem Veräußerer bereits vor der Überlassung an den Mieter erfolgen müsste, um eine hinreichende Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, annehmen zu können, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen (vgl. Senatsurteil vom 6. April 2016 - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 44).“

b) Bewertung

Je länger man über die Rechtsprechung der beiden Senate des BGH zur Absichtsalternative nachdenkt, desto unklarer wird die Situation.

Wir halten fest:

(1) Wenn die Aufteilungsabsicht im Sinne dieser Vorschrift bereits vor Überlassung der Mietsache bestand (in ausreichend nach außen manifestierter Art und Weise), scheidet ein Mietervorkaufsrecht aus.

(2) Wenn die Aufteilungsabsicht sich hingegen nach Überlassung der Mietsache, aber vor Abschluss des Kaufvertrags mit einem Dritten hinreichend nach außen manifestiert, ist das Mietervorkaufsrecht einschlägig.

Nun sollte man meinen, dass die Anforderungen an die Aufteilungsabsicht in diesen beiden Stadien grundsätzlich identisch sind. Jedenfalls nach Ansicht des VIII. Zivilsenats scheint das aber nicht der Fall zu sein.

Während eine Aufteilungsabsicht im erstgenannten Sinn (1) bereits mit notarieller Beurkundung der Teilungserklärung vorliegen soll und dadurch das Mietervorkaufsrecht ausschließt, genügt die bloße Beurkundung der Teilungserklärung in der als zweites dargestellten Chronologie (2) gerade nicht für die Bejahung einer hinreichenden Aufteilungsabsicht des Mietervorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB. Hinzukommen muss eine Verpflichtung des Eigentümers zur Aufteilung, die sich in aller Regel erst aus dem ganz am Schluss der Ereignisse abzuschließenden Kaufvertrag ergibt.

Betrachtet man die Chronologie, kann eine derartige Verpflichtung mangels Vertragsschluss mit einem Dritten im Beispiel unter (1) gar nicht vorliegen; gleichwohl soll ein Mietervorkaufsrecht ausscheiden, und zwar nicht nur für diesen Verkauf, sondern mangels Fassung der Aufteilungsabsicht nach Überlassung generell.

Wirklich überzeugend scheint mir diese Differenzierung nicht zu sein.

S. 112 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Akzeptabel wäre diese Differenzierung wohl nur dann, wenn im Fall (1) lediglich das Mietervorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB endgültig ausgeschlossen ist, aber noch ein Vorkaufsrechts bei einem Folgeverkauf nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB in Betracht kommt. Ob die Entscheidung des VIII. Zivilsenats in diesem Sinne zu verstehen ist, ist m.E. unklar.

S. 113 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

X. Vorsorge für die Ausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte (SH)

Sofern bei der Veräußerung eines Grundstücks ein gesetzliches Vorkaufsrecht in Betracht kommen könnte, hat der Notar gemäß § 20 BeurkG hierauf hinzuweisen und diesen Hinweis in der Niederschrift zu vermerken. Ob und wenn ja, welche weitere Vorsorge in der Urkunde zu treffen ist, ist gesetzlich nicht geregelt.

1. Situation bei Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts

Der Verkäufer ist im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht in der Lage, seinen Leistungspflichten sowohl gegenüber dem Käufer als auch gegenüber dem Vorkaufsberechtigten nachzukommen. Er ist daher vor etwaigen Sekundäransprüchen des anderen Vertragsteils zu schützen. In jedem Fall sollte ein Schadensersatzanspruch des Erstkäufers ausgeschlossen werden, da sich der öffentliche-rechtliche Vorkaufsberechtigte in aller Regel im Ergebnis durchsetzen und seinen Eigentumsverschaffungsanspruch realisieren kann. Auch auf diese Vorsorge könnte man indes mit dem Argument verzichten, dass für ein schuldhaftes Verhalten des Verkäufers im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts in aller Regel keine Anhaltspunkte bestehen.

Ob darüber hinaus Vorsorge für die Beseitigung des Erstkaufvertrags getroffen werden sollte (in Gestalt einer auflösenden Bedingung – u.U. Nachteil: Automatismus – oder in Gestalt eines Rücktrittsrechts), wird unterschiedlich beurteilt. Sofern sich der öffentlich-rechtliche Vorkaufsberechtigte durchgesetzt hat, ist der Verkäufer nicht mehr zu Erfüllung seiner Leistungspflichten gegenüber dem Erstkäufer in der Lage, dem daher nach § 326 Abs. 5 BGB ein Rücktrittsrecht wegen dauernder Unmöglichkeit der Übereignung zusteht.158 Ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Verkäufers besteht nicht. Allerdings ist ein Bedürfnis hierfür auch nicht ohne weiteres ersichtlich.

Gleichwohl wird in der Gestaltungsliteratur nahezu ausnahmslos ein Rücktrittsrecht des Verkäufers und des Erstkäufers im Falle der bloßen Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts vorgesehen.159 Durch die Lösungsmöglichkeit ohne weitere Formalitäten soll ein ggf. langwieriger Schwebezustand vermieden werden,

158 Dieses Rücktrittsrecht wird der Erstkäufer schon zwecks Rückerlangung der

Grunderwerbsteuer gemäß § 16 GrEStG ausüben. 159 Gebele, in Beck‘sches Formularbuch Bürgerliches-, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl.

2016, III. B. Muster 1 § 7 Anmerkung 28; Hertel, in Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2 Kap. 2; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Aufl. 2014, Rn. 1892; Otto, in Münchner Vertragshandbuch, Band 5, Bürgerliches Recht I, 7. Aufl. 2013, Muster I.1 Anmerkung 54; Volmer, in Münchner Vertragshandbuch, Band 5, Bürgerliches Recht I, 7. Aufl. 2013, Muster I.5.

S. 114 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der entstehen könnte, wenn das Rücktrittsrecht erst nach bestandskräftiger oder rechtmäßiger Ausübung des Vorkaufsrechts eingreifen würde.

Formulierungsbeispiel:

Der Notar hat auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde nach §§ 24 ff. BauGB hingewiesen. Die Umschreibung im Grundbuch kann erst erfolgen, wenn die Gemeinde erklärt hat, dass kein Vorkaufsrecht besteht bzw. sie ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt.

Im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ist jeder Vertragsteil zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt. Schadensersatzansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen.

In Anbetracht dessen, dass der Verkäufer ohnehin nicht zur Erfüllung seiner Leistungspflichten gegenüber dem Käufer in der Lage ist und Schadensersatzansprüche nicht bestehen bzw. ausgeschlossen sind, ist das vertragliche Rücktrittsrecht zu Gunsten des Verkäufers grundsätzlich ohne Relevanz.

Etwas anderes gilt indes dann, wenn sich die Ausübung des Vorkaufsrechts nach Erklärung des Rücktritts als rechtswidrig erweist, da unter diesen Umständen eine Lösung von den vertraglichen Pflichten gegenüber dem Erstkäufer trotz fehlenden vorrangigen Anspruchs der öffentlichen Hand gelingt und eine anderweitige Verfügung über das Grundstück möglich wird. Hierbei dürfte es sich aber um einen eher Ausnahmefall handeln, welcher eine abweichende Rücktrittsregelung aufgrund der damit in sämtlichen Fällen verbundenen Komplikationen letztlich nicht rechtfertigt. In aller Regel wird es weniger um die grundsätzliche Berechtigung der Ausübung eines Vorkaufsrechts, als vielmehr um den zu zahlenden Preis gehen.

2. Sonderfall: Nur teilweise Ausübung des Vorkaufsrechts

Bei einer lediglich teilweisen Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts stellt sich die Konstellation allerdings anders dar. In diesem Fall ist dem Verkäufer die Erfüllung seiner Leistungspflichten nicht insgesamt, sondern nur hinsichtlich des von der Vorkaufsrechtsausübung betroffenen Teils des Grundstücks unmöglich. Im Übrigen ist eine Vertragserfüllung noch möglich, doch fehlt es insoweit in aller Regel an einer Bestimmung der dann geschuldeten (Teil-)Gegenleistung, sofern nicht ausnahmsweise im Vertrag Vorsorge für den Fall der teilweisen Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts getroffen wurde und daher die fortbestehende Leistungspflicht des Verkäufers und die korrespondierende geminderte Gegenleistungspflicht (= Zahlungspflicht) des Erstkäufers bereits im Ursprungsvertrag antizipierend definiert wurden.

S. 115 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Lagen im Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrags keine Anhaltspunkte für die Ausübung eines Vorkaufsrechts vor, besteht aufgrund der Unwahrscheinlichkeit der Ausübung grundsätzlich kein Anlass für eine detaillierte Regelung im obigen Sinne. Kommt es dann gleichwohl zur Ausübung des Vorkaufsrechts in Bezug auf eine Teilfläche, führt das beiden Vertragsteilen für diesen Fall eingeräumte Rücktrittsrecht dazu, dass es jedem offensteht, sich ohne weitere Verpflichtungen – auch aus bloßer Kaufreue, etwa weil mittlerweile ein anderer Käufer zur Zahlung eines höheren (Rest-)Kaufpreises bereit ist – von den vertraglichen Bindungen zu lösen.

Gerade bei Vorkaufsrechtsausübung hinsichtlich einer lediglich unbedeutenden Teilfläche – etwa zur Arrondierung einer öffentlichen Straßen- oder Wegefläche – ist ein schrankenloses Rücktrittsrecht für jede Vertragspartei daher nicht unproblematisch.

a) Kein Rücktrittsrecht bei lediglich teilweiser Vorkaufsrechtsausübung?

Ein gänzlicher Ausschluss des Rücktrittsrechts bei nur teilweiser Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ist wohl keine vernünftige Lösung, da auf diese Weise ein unter Umständen dauerhafter Patt provoziert wird – der Verkäufer kann nicht zurücktreten, aufgrund der eingetragenen Vormerkung das Restgrundstück aber auch nicht anderweitig erfolgreich veräußern.

Man könnte erwägen, ob sich aus den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) eine Pflicht zur Anpassung des Kaufpreises und des Kaufgegenstands ergibt, die unter Umständen auch gerichtlich durchsetzbar sein könnte. Abgesehen von der drohenden Langwierigkeit eines derartigen Gerichtsverfahrens und des unabsehbaren Ausgangs erscheint es mir aber schon im Ausgangspunkt zweifelhaft, ob sich der Käufer tatsächlich mit einem lediglich teilweisen Kaufgegenstand zufriedengeben muss, wenn hierzu nichts in der Urkunde geregelt ist. Unter der Prämisse, dass der Käufer nicht zur Entgegennahme einer Teilleistung und zur Zahlung des anteiligen Kaufpreises gezwungen werden kann, könnte er seine Vormerkung als Druckmittel in der Verhandlung um einen möglichst geringen Restkaufpreis für die verbliebene Fläche einsetzen. Mit Gewissheit ist er wohl erst dann zur Bewilligung der Löschung seiner Vormerkung verpflichtet, wenn eine Einigung der Parteien über eine Anpassung der wechselseitigen Leistungen endgültig gescheitert ist.

b) De-Minimis-Grenze

Erwägenswert könnte eine gewisse De-Minimis-Grenze sein, etwa eine gewisse Prozentzahl der im Grundbuch ausgewiesenen Gesamtfläche des verkauften Grundstücks bzw. der bebaubaren Geschossfläche o.Ä.

S. 116 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Formulierungsbeispiel:

Im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ist jeder Vertragsteil zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt. Wird ein Vorkaufsrecht lediglich hinsichtlich einer Teilfläche ausgeübt, besteht das Rücktrittsrecht nur, wenn diese Fläche mindestens 5 % der Gesamtfläche des Kaufgegenstands beträgt oder die bebaubare Geschossfläche für den restlichen Vertragsgegenstand sich um mindestens 3 % verringert. Der vom Erstkäufer zu zahlende Restkaufpreis ergibt sich aus der Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis und dem für die vom Vorkaufsrecht betroffene Teilfläche zu entrichtenden Teilkaufpreis. Auf die Möglichkeit eines preislimitierten Vorkaufsrechts und die damit verbundene relative Erhöhung des Restkaufpreises hat der Notar hingewiesen. Schadensersatzansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen.

Eine derartige Regelung mag zwar die berechtigten Interessen beider Beteiligten angemessen abbilden, ist aber relativ komplex und dürfte sich nicht für eine Aufnahme in das Standardmuster eignen, da den Parteien schwierige Entscheidungen abverlangt werden, die in aller Regel ohne Relevanz sind.

c) Beschränkung des Rücktrittsrechts des Verkäufers

Legt man den Fokus der Gestaltung darauf, die Ausnutzung einer besseren Verkaufsgelegenheit seitens des Verkäufers zu vereiteln, könnte man das Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall ausschließen, dass der Käufer ihm in einer notariellen Urkunde den Abschluss eines Änderungsvertrages anbietet, in welchem der Kaufgegenstand auf die Restfläche angepasst wird und sich der Kaufpreis lediglich um den Ausübungspreis der öffentlichen Hand im Verwaltungsakt zur Ausübung des Vorkaufsrechts reduziert. Bei preislimitierte Ausübung des Vorkaufsrechts könnte der Käufer dann entscheiden, ob er die Mehrkosten zu tragen bereit ist oder den Rücktritt des Verkäufers akzeptiert. Weiterhin müsste geregelt werden, dass der Verkäufer verpflichtet ist, auf Wunsch und für Rechnung des Käufers gegen den Bescheid vorzugehen und sich der Restkaufpreis im Fall eines erfolgreichen Einspruchs bzw. Gerichtsverfahrens entsprechend reduziert.

Formulierungsbeispiel:

Im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ist jeder Vertragsteil zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt. Wird ein Vorkaufsrecht lediglich hinsichtlich einer Teilfläche ausgeübt, besteht das Rücktrittsrecht des Verkäufers nicht, wenn der Käufer diesem in notarieller Urkunde eine Anpassung des Kaufvertrags auf die Restfläche zu einem Kaufpreis anbietet, der der Differenz aus dem ursprünglichen Kaufpreis und

S. 117 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

dem im das Vorkaufsrecht ausübenden Bescheid bezeichneten Teilkaufpreis entspricht. In diesem Fall ist der Verkäufer verpflichtet, auf schriftliche Weisung und auf Rechnung des Käufers gegen den Bescheid Einspruch einzulegen und ggf. gerichtlich vorzugehen; im Erfolgsfall steht ein Nachzahlungsanspruch gegen die öffentliche Hand dem Käufer zu und wird schon jetzt aufschiebend bedingt auf die Zahlung des Restkaufpreises an diesen abgetreten.

Auch hierbei handelt es sich um eine meines Erachtens angemessene, die Interessen zutreffend abbildende Regelung, die allerdings wiederum sehr komplex ausfällt und sich daher jedenfalls nicht als Standardgestaltung eignet.

d) Kein Rücktrittsrecht bei teilweiser Ausübung; Berechnungsmodus für Restkaufpreis

Als letzte Alternative bleibt noch ein gänzlicher Ausschluss des Rücktrittsrechts bei lediglich teilweiser Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts.

In diesem Fall sollte allerdings im Vertrag geregelt werden, wie sich der Restkaufpreis für den verbliebenen Vertragsgegenstand berechnet (anteilige Kürzung; Kürzung nach Nutzbarkeit der von der Vorkaufsrechtsausübung betroffenen und der Restfläche; schlichter Abzug des Verkaufspreises der öffentlichen Hand [wie oben] etc.).

e) Fazit

Wird ein Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand lediglich für eine (ggf. kleine) Teilfläche ausgeübt, die für die Nutzbarkeit des Vertragsgegenstands unter Umständen nicht wirklich von Bedeutung ist, kann die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts für diesen Fall durch Verkäufer oder Käufer insbesondere dann zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, wenn es sich hierbei nur um die Ausnutzung der sich bietenden Gelegenheit aus Kaufreue handelt – aus Sicht des Verkäufers, wenn ein „besserer“ Käufer gefunden wurde; aus Sicht des Käufers, wenn sich das Grundstück nachträglich als doch nicht so gute Gelegenheit darstellt.

Gleichwohl sollte es meines Erachtens angesichts der Komplexität aller denkbaren Gestaltungsvarianten, die die Beteiligten nicht selten überfordern bzw. den Vertragsabschluss gar behindern wird, meines Erachtens in Ermangelung von konkreten Anhaltspunkten für die Ausübung eines Vorkaufsrechts bei der pauschalen Regelung belassen werden, wonach Verkäufer und Käufer auch bei lediglich teilweiser Ausübung eines Vorkaufsrechts zum Rücktritt vom gesamten Vertrag berechtigt sind.

S. 118 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Zur Vermeidung von Missverständnissen und als „Denkanstoß“ für die Parteien (und den Notar) dürfte es sich aber empfehlen, das Bestehen eines umfassenden Rücktrittsrechts auch für den Fall einer nur teilweisen Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ausdrücklich klarzustellen.

Formulierungsbeispiel:

Der Notar hat auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde nach §§ 24 ff. BauGB hingewiesen. Die Umschreibung im Grundbuch kann erst erfolgen, wenn die Gemeinde erklärt hat, dass kein Vorkaufsrecht besteht bzw. sie ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt.

Im Falle der vollständigen oder teilweisen Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ist jeder Vertragsteil zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt. Schadensersatzansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen.

S. 119 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

XI. Betreuungsgerichtliche Genehmigung - Verwendung der Doppelvollmacht (K)

BGH, Beschluss vom 2.12. 2015 – XII ZB 283/15, DNotZ 2016, 195 = NJW

2016, 565 = NotBZ 2016, 114 = MittBayNot 2016, 418 (m. Anm. Volmer) =

FamRZ 2016, 296 (m. Anm. Veit)

1. Problemeinordnung

Tritt ein Vormund, ein Betreuer oder ein Pfleger für eine Person im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages auf, erlangen die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die der Vertreter für den Vertretenen abgibt nicht sofort die Rechtswirksamkeit, sondern erst nach Durchlaufen des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens der Erteilung der gerichtlichen Genehmigung (§ 1829 Abs. 1 S. 1 BGB) und der anschließenden Mitteilung durch den Vertreter an den Vertragspartner (§ 1829 Abs. 1 S. 2 BGB).

Materiellrechtlich hat der Vertragspartner bei Beurkundung also noch nichts in den Händen außer der eigenen Bindung an seine Erklärungen, es sei denn, die Genehmigung wäre im Vorhinein erwirkt worden, was allerdings faktisch so gut wie nie erfolgt.

Verfahrensrechtlich steht dem wirksamen Abschluss des Kaufvertrages im Fall der nachträglich zu erteilenden Genehmigung also noch im Wege:

a) Die Genehmigungsentscheidung des Gerichts b) Die Erreichung der formellen Rechtskraft der Entscheidung, § 40 Abs. 2

FamFG c) Die Mitteilungshandlung des Vertreters an den Vertragspartner d) Der Zugang der Mitteilung beim Vertragspartner

Für die Abwicklung des Grundstückskaufvertrages bereiten die Punkte c) und d) die größten Probleme. Das Wirksamwerden der Genehmigung muss nämlich nicht nur tatsächlich erfolgen, wofür die formlose Mitteilung des Vertreters und die Entgegennahme des Vertragspartners ausreicht, sie muss dem Grundbuchamt gegenüber in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden.

Während die gerichtliche Entscheidung und deren Rechtskraft leicht durch Vorlage einer Beschlussausfertigung mit Rechtskraftvermerk nachgewiesen werden können, da diese selbst öffentliche Urkunden sind, handelt es sich bei der Mitteilung durch den

S. 120 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Vertreter und der Entgegennahme durch den Vertragspartner um tatsächliche Akte, deren urkundlicher Nachweis schwierig ist.

Für den grundbuchverfahrensrechtlichen Nachweis hat sich in der notariellen Praxis die Verwendung der sogenannten „Doppelvollmacht“ etabliert.160 Diese macht den Notar zum Bevollmächtigten des Vertreters wie auch des Vertragspartners, um sowohl die Mitteilung für den Vertreter wie auch die Entgegennahme für den Vertragspartner vornehmen und alsdann in Eigenurkunde öffentlich beurkundet verkörpern zu können. Regelmäßig erfolgt dies entweder durch einen entsprechenden Vermerk des Notars, worin dieser festhält, die Genehmigung empfangen, mitgeteilt und entgegen genommen zu haben, oder durch eine andere vereinfachende Nachweisform, wie insbesondere die Einreichung der Urkunde zum Grundbuchamt.

2. Fall des BGH

Der dem BGH vorgelegte Fall war durch einige Besonderheiten gekennzeichnet.

Ein Grundstückskaufvertrag war geschlossen, dem Notar die „Doppelvollmacht“ erteilt worden. Das Betreuungsgericht fasste den Genehmigungsbeschluss und stellte diesen dem Notar am 2.1.2015 zu. Die Betreuerin legte rund einen Monat später die Beschwerde gegen den Beschluss ein, der unverzüglich abgeholfen und der Genehmigungsbeschluss aufgehoben wurde. Der BGH hatte nun über die Beschwerde des Vertragspartners, des Käufers, zu entscheiden, der § 48 Abs. 3 FamFG für sich in Anspruch nahm, da die gerichtlich genehmigte Erklärung ihm gegenüber bereits wirksam geworden sei.

Aus dem dem BGH vorgelegten Sachverhalt ergab sich nicht eindeutig, ob der Beschluss dem Betreuten zugestellt worden war und ob der Notar von der Doppelvollmacht Gebrauch gemacht hatte.

3. Die Doppelvollmacht

Ausdrücklich bestätigt der XII. Senat die Wirksamkeit und Zulässigkeit der Doppelvollmacht an den Notar.161

160 BGH, Urteil v. 21.10.1954 - IV ZR 93/54, DNotZ 1955, 83; BayObLG, Urteil v. 5.1.1983 - BReg.

2 Z 95, 96/82, DNotZ 1983, 369; BayObLG, Beschluss vom 29.10.1997 - 3Z BR 196/97, MittBayNot 1998, 107; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 3739.

161 Dazu zitiert der BGH über die unter der vorangegangenen Fußnote zierten Urteile hinaus auch KG, Beschluss v. 14.7.2015 - 1 W 381/14, MittBayNot 2016, 238; Jürgens/von Crailsheim, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014, § 1829 BGB Rn. 5 f.; MünchKommBGB/Wagenitz, 6. Aufl., § 1829 Rn. 15 (aktuell auch MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 7. Auflage 2017 § 1829 Rn. 15); BeckOKBGB/Bettin, Stand: 1.8.2015, § 1829 Rdnr. 4.

S. 121 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

a) Zulässigkeit

Deren Verwendung verstoße nicht gegen die Intention der in § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB dem Betreuer an die Hand gegebenen Möglichkeit die Genehmigung durch Nichtmitteilung an den anderen Vertragsteil nicht wirksam werden zu lassen. Dazu heißt es unter Rz. 36 des Beschlusses:

Denn die erforderliche Prüfung, ob der genehmigte Vertrag weiterhin dem Interesse des Betroffenen dient, obliegt nach wie vor dem Betreuer. Dieser hat es bis zur Vornahme der Mitteilung nach § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Hand, die dem Notar erteilte Vollmacht zu widerrufen oder den Notar – auch der Bevollmächtigung zeitlich nachfolgend – anzuweisen, die Mitteilung etwa erst dann vorzunehmen, wenn eine gesonderte Zustimmung des Betreuers erfolgt oder seit Kenntnisnahme des Betreuers von der Genehmigung eine bestimmte Frist ohne Zustimmungsverweigerung verstrichen ist. Indem der Betreuer von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch macht, kann er das Fortgelten seiner Billigung des Vertrags hinreichend zum Ausdruck bringen.

Volmer weist dazu darauf hin, dass der BGH in anderem Zusammenhang, nämlich bei Angebotsgestaltungen, „bereits eine Verlagerung der Initiativpflicht für bedenklich“ gehalten habe, was systematisch auch der Doppelvollmacht entgegen gehalten werden kann.162 Da es sich um eine Verfahrensanweisung an den Notar handelt, sind Überlegungen zu AGB-Verstößen nicht einschlägig.

b) Umsetzung

Klargestellt hat der BGH, dass die Wirksamkeit der Nutzung der Vollmacht durch den Notar einen Akt der Bekanntgabe voraussetzt. Es reicht damit nicht aus, dass der Notar den Beschluss nur entgegen nimmt.

In jedem Fall unzulässig wäre ein Verzicht auf Mitteilung und Entgegennahme, weil dies dem in § 1829 Abs. 1 BGB vorgesehen Verfahren widerspricht.163

Der BGH hat beide praktizierten Varianten der Dokumentation der Nutzung der Doppelvollmacht für möglich erklärt, sich aber nicht verbindlich positioniert.

Wie die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht rügt, fehlt es bislang an ausreichenden Feststellungen dazu, ob der Notar den Willen, die Mitteilung im Sinne des § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmen, in der erforderlichen Weise äußerlich erkennbar gemacht hat, etwa indem er

162 Volmer, MittBayNot 2016, 421, 422. 163 MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 7. Auflage 2017 § 1829 Rn. 17.

S. 122 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

- von dem genehmigten Vertrag gegenüber dem Grundbuchamt Gebrauch gemacht164 oder

- einen entsprechenden Vermerk auf der Vertragsurkunde aufgebracht hat.165

Die Auffassung von Volmer, wonach die Dokumentation der Nutzung der Vollmacht durch Einreichung einer entsprechenden Ausfertigung zum Grundbuchamt,166 nicht ausreichender Nachweis der Verwendung sei,167 wird vom Wortlaut der Beschlussbegründung nicht gedeckt. Ganz kürzlich hat das OLG Hamm allerdings entschieden, dass die bloße Einreichung des Genehmigungsbeschlusses beim Grundbuchamt kein ausreichender Nachweis der Verwendung der Doppelvollmacht durch den Notar sei.168 Eine Begründung für dieses erhöhte Publizitätserfordernis besteht nicht, da der Notar mit der Verwendung der Genehmigung gegenüber dem Grundbuchamt klar zu erkennen gibt, dass es zu einer Entgegennahme und Verwendung der Genehmigung gekommen ist.169

Allerdings empfiehlt es sich gleichwohl, grundsätzlich die Entgegennahme, die Mitteilung und die Empfangnahme durch einen entsprechenden Vermerk umgehend kenntlich zu machen, da dadurch die Genehmigung endgültig wirksam wird und ein Widerruf der Vollmacht durch den Betreuer ausgeschlossen wird. Der Vermerk wird regelmäßig der Einreichung der Urkunde zum Grundbuchamt zeitlich vorangehen.

Der Wortlaut einer Doppelvollmacht kann in Anlehnung an die Empfehlung im Schöner/Stöber170 wie folgt lauten:

Der gesetzliche Vertreter, der die Erteilung der Genehmigung des Familien/Betreuungsgerichts hiermit beantragt, bevollmächtigt den Notar, die Genehmigung für ihn in Empfang zu nehmen und sie dem Vertragspartner mitzuteilen. Dieser bevollmächtigt den Notar zur Empfangnahme der Mitteilung. Der Notar soll von der Doppelvollmacht erst nach Vorliegen des Rechtskraftzeugnisses Gebrauch und dies durch Eigenurkunde dokumentieren. Die Genehmigung gilt in jedem Fall als mitgeteilt und entgegen genommen, wenn der Notar eine grundbuchtaugliche Abschrift der Urkunde nebst der Genehmigung zum Grundbuchamt einreicht.

164 BayObLG, Beschluss v. 22. 6. 1989 - BReg. 3 Z 40/89, FamRZ 1989, 1113, 1114. 165 BayObLG, Beschluss v. 29.10.1997 - 3Z BR 196/97, FamRZ 1998, 1325, 1326. 166 So bspw. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3740. 167 Volmer, MittBayNot 2016, 421, 422. 168 OLG Hamm, Beschluss v. 1.8.2016 – 15 W 308/16, BeckRS 2016, 20763 = NZFam 2017, 41 (Weber). 169 So auch Weber, NZFam 2017, 41. 170 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3739.

S. 123 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

4. Die Zustellung an den Betreuten und das Rechtskraftzeugnis – Prüfungsnotwendigkeit des Notars?

Beunruhigen muss die Entscheidung des BGH insoweit, als diese einen Fall behandelt, in dem die gerichtliche Genehmigung noch zu einem Zeitpunkt durch Beschwerde angegriffen und auch aufgehoben wurde, zu dem diese bereits mitgeteilt und entgegen genommen war, der Vertragspartner also auf deren Bestand vertraut hatte. Vorliegend war die Zustellung des Beschlusses an den Betreuten zweifelhaft und nicht eindeutig in den Gerichtsakten dokumentiert.

Dazu erinnern wir uns an die kurz nach Inkrafttreten des FamFG aufgeflammte Diskussion um die Erforderlichkeit der Prüfung des Genehmigungsverfahrens durch den Notar, bei dem teilweise sogar empfohlen wurde, zwecks Vermeidung der Nutzung verfahrensrechtlich nicht rechtskräftiger Entscheidungen das Zustellungsverfahren zu kontrollieren.171

Tatsächlich ändert die Entscheidung nichts daran, dass dem Notar schlicht nichts anderes übrig bleibt, als sich auf ein erteiltes Rechtskraftzeugnis zu verlassen. Dieses zu erteilen gehört in die Zuständigkeit des Gerichts. Zwar scheint es nach den Überlegungen des BGH durchaus möglich zu sein, einen Beschluss, der mangels Zustellung an den Betreuten (§ 41 Abs. 1 FamFG) nicht in Rechtskraft erwachsen (§ 45 FamFG) und damit noch nicht wirksam (§ 40 Abs. 2 FamFG) ist, noch anzugreifen und diesem damit auch nach dessen Verwendung noch die Wirksamkeit endgültig zu nehmen. Mit diesem Risiko muss das Verfahrensrecht aber leben. Eine Überprüfung des gerichtlichen Verfahrens ist weder sinnvoll noch möglich.

5. Eine Lehre aus dem Verfahren

Das Verfahren zeigt an dem sehr ungewöhnlichen Fall des durch den Betreuer gegen den eigenen Genehmigungsbeschluss geführten Beschwerdeverfahrens, dass der Vertragspartner eines Betreuten bis zur formellen Rechtskraft des Beschlusses und dessen Mitteilung an ihn sich seiner Sache hinsichtlich des Vertrages gerade nicht sicher sein kann. Der Gesetzgeber hat diese Unsicherheit bewusst in das Verfahren eingebaut.

Für die vom Vertragspartner aufgrund des Vertrages zu treffenden Dispositionen bedeutet dies, dass sie zunächst auf sehr unsicherem Fundament erfolgen. Während sich der Vertragspartner also bindet und deshalb auch für seine Leistungsfähigkeit sorgen muss, besteht auf der Seite des Betreuten eine Durchführungsungewissheit. Schließt er einen Darlehensvertrag ab, verkauft er sein Haus, kündigt seine Wohnung

171 Rudimente davon finden sich noch in dem Formulierungsvorschlag der Doppelvollmacht im Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3739.

S. 124 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

oder bestellt Möbel, kann sich das alles als vergebene Investition erweisen, für die selbst bei erfolgter Genehmigung und nur rein willkürlicher Aussetzung der Mitteilung durch den Betreuer kein Schadenersatz zu erlangen ist.

Aus dem Verfahren ergibt sich für den Erwerber im Grundsatz von selbst der Hinweis auf das mit der Genehmigung verbundene Risiko. Eine notarielle Amtspflicht, darauf noch einmal besonders hinzuweisen besteht damit nicht. Ist eine Genehmigung erforderlich, ist offensichtlich, dass diese auch verweigert werden kann. Das aus der Umentscheidungsmöglichkeit des Betreuers resultierende Risiko wird längstens bei Erläuterung der Doppelvollmacht offenbar.

Gleichwohl kann es sich empfehlen, zumindest insoweit eine Anpassung des üblichen Kaufvertragsmusters vorzunehmen, als die Fälligkeit des Kaufpreises nach Mitteilung der Genehmigung an den Käufer um die Zeit verlängert wird, die dieser für den endgültigen Abschluss seiner Finanzierung und die sonstigen erforderlichen Dispositionen benötigt.

6. Am Rande: Die Genehmigung zu einer Grundpfandrechtsbestellung

Werden Grundpfandrechte auf Grundstücken eines Betreuten (Minderjährigen) bestellt, bedarf dies ebenso der gerichtlichen Genehmigung wie ein Übereignungsvertrag. Die Belastung eines Grundstücks des Betreuten mit einem Grundpfandrecht ist nach § 1821 I Nr. 1 BGB genehmigungsbedürftig.

a) Genehmigung der Belastungsvollmacht

Auf den ersten Blick überraschend mag es erscheinen, dass die Bestellung eines Grundpfandrechts an einem vom Betreuten verkauften Grundstücks zwecks Finanzierung des Kaufpreises einer eigenen Genehmigung bedarf, auch wenn der Kaufvertrag mit der darin enthaltenen Mitwirkungsverpflichtung nebst Vollmacht bereits genehmigt ist. Trotz einiger abweichender Stimmen172 ist dies weiter herrschende Meinung in Rechtsprechung173 und Literatur.174

Richtig ist, dass sowohl die Genehmigung der die Mitwirkungspflicht des Betreuten an der Finanzierung des Käufers begründenden Urkunde ebenso wenig die Genehmigungsbedürftigkeit der anschließend bestellten Grundschuld entfallen lässt

172 LG Schwerin, Beschluss v. 29.2.1996 - 5 T 350/95, MittBayNot 1997, 297; Braun DNotZ 2005, 730; Krauß, in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, A.I. Rn. 638. 173 OLG Hamm, Beschluss v. 23. 12. 2004 - 15 W 372/04, DNotZ 2005, 630; LG Berlin v. 12. 4. 1994 85 T 78/94, Rpfleger 1994, 355. 174 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 15. Auflage 2012, Rn. 3688; Schreiber NotBZ 2002, 128, 132; Braun DNotZ 2005, 730; Palandt/Götz, 76. Aufl. 2017, § 1821 Rn. 15.

S. 125 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

wie die der Finanzierungsvollmacht. § 1821 Abs. 1 BGB stellt sowohl das Verpflichtungs- (Ziffer 4) wie auch das Verfügungsgeschäft (Ziffern 1-3) unter den Genehmigungsvorbehalt. Die selbst nicht genehmigungsbedürftige Vollmachtserteilung hat insoweit überhaupt keine Wirkung.

Rechtsstrukturell kann die Genehmigung zu der Kaufvertragsurkunde nur dann als Vorweggenehmigung der Grundschuld angesehen werden, wenn die Grundschuld so konkret bezeichnet ist, dass es zu keiner Abweichung im Bestellungsformular kommt. Da dies regelmäßig nur dann der Fall ist, wenn die Grundschuldbestellung sofort im Anschluss an den Kaufvertrag beurkundet wird, hat diese Vorweggenehmigung keine praktische Bedeutung, da in diesen Fällen Kaufvertrag und Grundschuldbestellung in einem Verfahren nachgenehmigt werden können.

b) Doppelvollmacht bei der Grundschuldbestellung

Für das grundbuchliche Verfahren auf Eintragung der Grundschuld ist es ausreichend, dass die Erteilung der erforderlichen gerichtlichen Genehmigung, nicht jedoch deren Mitteilung und Zugang an den Vertragspartner, also die einzutragende Gläubigerin nachgewiesen wird. Für die erforderliche Bewilligung des Eigentümers gilt § 1829 BGB nicht.175

Für die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Grundschuld bedarf es aber weiter der Einhaltung des Verfahrens nach § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB, also der Mitteilung und Entgegennahme der Genehmigung durch den Betreuer auf der einen und den Gläubiger auf der anderen Seite. Da der Notar im Rahmen der Bestellung des Grundpfandrechts nur zur Beurkundung der Eintragungsbewilligung, also der rein verfahrensrechtlichen Erklärungen des Eigentümers, einbezogen ist, ist die Herstellung der materiellen Wirksamkeit nicht Gegenstand seines Aufgabenbereichs.

Obschon es im Grundsatz also Sache der Gläubiger, die als Banken aufgrund ihres Institutswissens keiner notariellen Vorsorge bedürfen, ist, sich selbst um die materielle Wirksamkeit der Einigung zu kümmern, kann es angezeigt sein, dass der Notar insoweit vorsorgend tätig wird. Soweit der Betreuer ihm entsprechende Vollmacht erteilt, kann er die Genehmigung sowohl entgegen nehmen wie diese auch im Namen des Betreuers dem Gläubiger mitteilen. Das einfachste ist es, wenn die Genehmigung als Anlage zur Urkunde genommen und mit ausgefertigt wird.

175 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 15. Auflage 2012, Rn. 3749.

S. 126 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

B) Bauträgervertrag

I. Sachmängel am Gemeinschaftseigentum bei Nachzüglern (CH)

In gleich drei Entscheidungen hatte der VII. Zivilsenat über „Nachzügler“-Fälle zu entscheiden, in denen die Wohnungseigentümergemeinschaft Ansprüche wegen Sachmängeln am Gemeinschaftseigentum durchsetzte, obwohl die Ansprüche nur für einen oder für einzelne Erwerber (eben die Nachzügler) noch nicht verjährt waren (während sie für die Mehrheit schon verjährt waren).

In allen drei Entscheidungen enthielt der Vertrag eine haftungsbegrenzende, genauer die Verjährungsfrist verkürzende Klausel, die der BGH aber als unwirksam ansah. In den beiden ersten Fällen wäre der Bauträger sogar besser gestanden, hätte man es bei der gesetzlichen Regelung belassen.

Betrachten wir zunächst die beiden Fälle, die nach Werkvertragsrecht entschieden wurden.

1. Bindung von Nachzüglern an Abnahme durch frühere Erwerber ist AGB-widrig (BGH, 25.02.2016 - VII ZR 49/15)

BGH, Urt. v. 25.02.2016 - VII ZR 49/15,

DNotZ 2016, 617 = MittBayNot 2016, 503 = NJW 2016, 1572 = ZfIR 2016, 313 = ZNotP

2016, 67

Bindung von Nachzüglern an Abnahme durch frühere Erwerber ist AGB-widrig

1. Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbs-vertrages verwendete Klausel, die die nach Entstehen der werdenden Wohnungs-eigentümergemeinschaft und Abnahme des Gemeinschaftseigentums vertrag-schließenden Erwerber ("Nachzügler") an eine durch frühere Erwerber bereits erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums bindet, ist wegen mittelbarer Verkürzung der Verjährung gemäß § 309 Nr. 8 lit. b ff BGB unwirksam.

2. Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass der Vertrag sich noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe.

a) Sachverhalt

– Nach dem Verkauf der meisten Eigentumswohnungen wurde das Gemeinschafts-eigentum im November/Dezember 2004 abgenommen. Die Erwerber zogen ein.

– Im November 2006, also zwei Jahre später, verkaufte der Bauträger eine Penthousewohnung. Im Erwerbsvertrag verpflichtete sich der Bauträger, noch verschiedene bauliche Sonderwünsche für die Erwerber durchzuführen.

S. 127 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Im Erwerbsvertrag über die Penthousewohnung wurde geregelt: „Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums ist bereits erfolgt. Der Verkauf gilt nach Maßgabe dieser Abnahme als vereinbart.“

– Später machte die Wohnungseigentümergemeinschaft mehrere Mängel am Gemeinschaftseigentum geltend.

– Im Jahr 2012 traten die Erwerber der Penthousewohnung ihre Mängelansprüche an die Wohnungseigentümergemeinschaft ab. Diese erhob daraufhin Klage auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel.

– Der Bauträger meinte, die Mängelansprüche seien verjährt. Er verlor jedoch in allen drei Instanzen.

b) Werkvertrag, weil umfassendere Sonderwünsche

In allen drei hier darzustellenden Urteilen musste der BGH zunächst entscheiden, ob jeweils Werkvertrags- oder Kaufrecht anzuwenden ist.

– Im vorliegenden Sachverhalt ließ der BGH die grundlegende Unterscheidung dahinstehen.

– Hier sei jedenfalls deshalb Werkvertragsrecht anzuwenden, weil die vertragsgegen-ständliche Wohnung „zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vollständig errichtet“ war. Zwar war das Gemeinschaftseigentum bereits seit annähernd zwei Jahren errichtet. Jedoch regelte der Vertrag, dass der Bauträger noch verschiedene bauliche Sonderwünsche der Erwerber für ihr Sondereigentum erbringen musste. „Insoweit enthielt der Vertrag eine (ergänzende) Herstellungsverpflichtung, die ihm insgesamt das Gepräge eines Werkvertrages verleiht.“ (Rn. 29)

c) Unwirksamkeit der Bindung an bereits erfolgte Abnahme

Der Bauträger hatte sich auf Verjährung berufen. Die Verjährung der Sachmängel-ansprüche beginnt mit der Abnahme. Nach der vertraglichen Regelung mussten die Erwerber die bereits gegen Ende 2004 erfolgt Abnahme gegen sich geltend lassen. Die Ansprüche wären also gegen Ende 2009 verjährt.

Der BGH verwarf die Klausel jedoch als Verstoß gegen § 309 Nr. 8 b) ff) BGB, da sie mittelbar die Verjährungsfrist verkürzt:

(Rn. 37) „Mit der Anknüpfung an die Abnahme der übrigen Erwerber wird der Beginn der Ver-jährung von Mängelansprüchen der Eheleute G. betreffend das Gemeinschaftseigentum auf einen Zeitpunkt vorverlagert, zu dem diese das Werk weder erworben hatten noch es ihnen übergeben war. Dies stellt eine mittelbare Verkürzung der Verjährungsfrist dar, die von § 309 Nr. 8 b) ff) BGB erfasst wird (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 - VII ZR 245/85, NJW-RR 1987, 144, 146, Rn. 16; Urteil vom 25. Juni 1992 - VII ZR 128/91, BauR 1992, 794, 795, Rn. 19). Damit ist die Klausel insgesamt unwirksam. ...“

S. 128 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

d) Konkludente Abnahme?

Die Verjährung hätte auch mit einer konkludenten Abnahme zu laufen begonnen.

– Die bloße Ingebrauchnahme und anschließende Nutzung war keine konkludente Abnahme, da ja eine förmliche Abnahme vereinbart war (Rn. 38).

– Möglicherweise lag in der Klageerhebung auf Kostenvorschuss eine konkludente Abnahme. Die Klage hätte die Verjährung aber gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

e) Mängelansprüche vor Abnahme?

Wenn aber (möglicherweise) noch gar keine Abnahme erfolgt war – konnten die Erwerber dann überhaupt Mängelansprüche geltend machen?

– Grundsätzlich hat der Besteller des Werks vor der Abnahme den Erfüllungs-anspruch, nach der Abnahme ggf. Mängelansprüche.

– Der BGH vermied eine grundsätzliche Entscheidung, ob – und unter welchen Voraussetzungen – Mängelansprüche schon vor der Abnahme bestehen können.

– Er verwehrte aber dem (AGB-)Unternehmer nach § 242 BGB, sich auf das Fehlen der Abnahme zu berufen.

(Rn. 44) Die beklagte Bauträger-GmbH „hat durch die Stellung dieser Klausel den Eindruck erweckt, dass das Erfüllungsstadium aufgrund erfolgter Abnahme des Gemeinschaftseigentums beendet sei. Sie muss daher nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Verwenderin den Nachteil tragen, dass sie trotz etwa fehlender Abnahme des Gemeinschaftseigentums mit Mängelrechten aus dem Vertrag ... konfrontiert wird.“

– In einer Entscheidungsanmerkung kritisiert Thode,176 dass der BGH mit der Lösung über § 242 BGB einer klaren Entscheidung über das Verhältnis von Abnahme und Mängelrechten ausgewichen sei.

f) Keine Abnahme, keine Verjährung

Da keine Abnahme erfolgte, konnte der Mängelanspruch auch noch nicht verjährt sein – obwohl mehr als 5 Jahre seit Vertragsschluss (und wohl auch seit Übergabe) vergangen waren (Rn. 49).

– Der Versuch des Bauträgers, die Verjährungsfrist durch eine Bindung an die bereits erfolgte Abnahme zu verkürzen, war ein Schuss ins eigene Knie: Die Klausel war unwirksam. Wegen der unwirksamen Klausel unterblieb aber eine Abnahme. Daher lief die Verjährung der Mängelansprüche nie an.

– Hätte der Vertrag gar nichts geregelt, sondern nur nach dem Gesetz die Abnahme vorgesehen, hätte mit der Abnahme die Verjährung zu laufen begonnen. Der Bauträger hätte die Chance auf eine Verjährung seiner Ansprüche gehabt. Im konkreten Fall wären die Ansprüche wahrscheinlich schon verjährt gewesen.

176 Thode, jurisPR-PrivBauR 7/2016 Anm. 2.

S. 129 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Werkvertragsrecht gilt, auch wenn Bau bei Verkauf schon fertiggestellt ist (aber noch neu ist) (BGH, 12.5.2016 - VII ZR 171/15,)

Im zweiten Urteil entschied der VII. Zivilsenat eine seit der Schuldrechtsreform strittige Frage, nämlich ob bei der Veräußerung eines bei Vertragsschluss schon fertig errichteten Gebäudes Werk- oder Kaufvertragsrecht anwendbar ist.

Der VII. Zivilsenat entschied so, wie er schon vor der Schuldrechtsreform entschieden hatte: Es gilt Werkvertragsrecht. Das halte ich weiterhin nicht für richtig. Jetzt ist es aber höchstrichterlich entschieden.

BGH, Urt. v. 12.5.2016 - VII ZR 171/15,

DNotZ 2016, 856 = NJW 2016, 2878 = RNotZ 2016, 448 = ZfIR 2016, 570

Bauträger kann Nachzügler nicht an Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über Abnahme binden – nicht durch die Teilungserklärung und auch nicht durch Vertrag

1. Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigen-tumswohnungen richten sich bei nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmoderni-sierungsgesetzes geschlossenen Bauträgerverträgen weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Februar 1985, VII ZR 72/84, BauR 1985, 314, 315).

2. Ergeht in der ersten Eigentümerversammlung im Jahr 2002 ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des Gemein-schaftseigentums auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeit-punkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der Teilungserklärung noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten Eigen-tümerversammlung.

3a. Die von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag gegenüber Nachzügler-Erwerbern gestellten Formularklauseln

"Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. … am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschafts-eigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben"

sind unwirksam.

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3b. Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklauseln nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe (Anschluss an BGH, Urteil vom 25. Februar 2016, VII ZR 49/15, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

a) Sachverhalt

– 2002 Bau

– 2002 Verkauf – also noch im Jahr des Baus, aber nach Baufertigstellung.

– In den Erwerbsverträgen wurde vor der Abnahme durch einen Sachverständigen (November 2002) eine andere Klausel als danach verwendet. Vor der Abnahme lautete die Klausel (§ 7 Abs. 5 des Erwerbsvertrags):

(Rn. 3) „(5) Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist noch nicht erfolgt. Gemäß § 19 der Teilungserklärung haben die Wohnungseigentümer in der 1. Eigentümerversammlung das Ingenieurbüro K. mit der Abnahme beauftragt. Die Abnahme wird auf Kosten der Verkäuferin in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer für diese durchgeführt. Das Ingenieurbüro soll auch die Behebung der festgestellten Mängel bestätigen.“

– Nach der Abnahme lautete die Klausel (jetzt § 6 Abs. 3 des Erwerbsvertrags):

(Rn. 4) „(3) Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. … am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.“

– Im Mai 2003 wurde der Vertrag mit dem „Nachzügler“ Dr. M abgeschlossen. Dies war der Vertrag, den der BGH besonders untersuchte.

– Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum.

– Der Bauträger berief sich – erfolglos – auf Verjährung. Aus dem veröffentlichten Sachverhalt geht nicht hervor, wann die Klage erhoben wurde – aber jedenfalls nach dem Jahr 2007, wahrscheinlich sogar erst nach 2010, da das erstinstanzliche Urteil vom März 2014 datiert.

b) Werkvertragsrecht gilt, auch wenn Bau bei Vertragsschluss schon fertig-gestellt ist

Bekanntlich hatte der BGH vor der Schuldrechtsreform in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass auch bei der Veräußerung von Wohnungen, die bei Vertragsschluss schon vollständig fertiggestellt sind, Werkvertragsrecht gilt.177

177 BGHZ 68, 372 = DNotZ 1977, 618 = NJW 1977, 1336; BGH, BauR 1981, 571 = DNotZ 1982,

125 = NJW 1981, 2344; BauR 1982, 493 = DNotZ 1982, 626 = NJW 1982, 2243; BauR 1985, 314 = DNotZ 1985, 622 = NJW 1985, 1551.

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– Nach der Schuldrechtsreform hatte eine starke, zeitweise wohl herrschende Literaturmeinung dies anders gesehen.178 Sie argumentierten: Da das Objekt schon besteht, ist das Kaufrecht sachnäher. Dass die Rechtsprechung früher Werkvertragsrecht anwandte, lag daran, dass dessen Sachmängelregelung als sachgerechter empfunden wurde. Die Schuldrechtsreform hatte aber die Mängelansprüche im Kauf- und Werkvertragsrecht so stark aneinander angenähert, dass dies keine große Rolle mehr spielte. Daher könne man das auf den Lebenssachverhalt besser passende Kaufrecht anwenden.

– Es mag überraschen, dass diese Streitfrage erst jetzt, quasi zum 15-jährigen Jubi-läum der Schuldrechtsreform, höchstrichterlich entschieden wird. Aber es dauerte so lange, bis der VII. Zivilsenat einen Fall zu entscheiden hatte, in dem es darauf ankam.

– Inhaltlich kam die Entscheidung nicht überraschend. Seit 2002 hatte der BGH diverse Fälle noch zum alten Schuldrecht zu entscheiden. Dabei deutete er jeweils an, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten will.179 Ebenso meinte er in Entscheidungen zum neuen Schuldrecht, in denen die Streitfrage letztlich nicht relevant war, es „spreche einiges“ dafür, an der früheren Rechtsprechung fest-zuhalten – zuletzt auch in den beiden heute vorgestellten Urteilen vom 25.02.2016. Es las sich schon wie ein Textbaustein.

Zunächst referiert der BGH seine alte Rechtsprechung:

(Rn. 21) „a) Für vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossene Verträge gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich die Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht richten, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 29. Juni 1981 - VII ZR 259/80, BauR 1981, 571, 572 f., Rn. 8 ff. sowie Urteile vom 9. Januar 2003 - VII ZR 408/01, BauR 2003, 535, Rn. 11 = NZBau 2003, 213; vom 17. September 1987 - VII ZR 153/86, BGHZ 101, 350, 352, Rn. 7; vom 7. Mai 1987 - VII ZR 129/86, BauR 1987, 438, Rn. 9 und vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR 1985, 314, 315, Rn. 13 ff.; für noch nicht vollständig fertiggestellte Bauwerke vgl. BGH, Urteile vom 5. April 1979 - VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204, 206 f., Rn. 11 ff. und vom 10. Mai 1979 - VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 267 f., Rn. 30 f.). Die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht kann danach auch dann noch zu bejahen sein, wenn die Erwerbsverträge zwei Jahre nach Errichtung

178 Brambring, DNotZ 2002, 904, 906; Derleder, PiG 66, S. 49; Hertel, in: Amann/Brambring/Hertel,

Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, S. 230 ff.; ders., DNotZ 2002, 6, 18 f.; Heinemann, ZfIR 2002, 167, 168; Hildebrandt, ZfIR 2003, 489; Litzenburger, RNotZ 2002, 23, 24; Ott, NZBau 2003, 233, 238; Pause, NZBau 2002, 649; F. Schmidt, in: FS für Deckert, S. 446; Wälzholz/Bülow, MittBayNot 2001, 509, 521; a.A. Blank, in: FS für Thode, S. 233; Dören, ZfIR 2003, 497; Thode, NZBau 2002, 297, 298 ff.

179 BGH, DNotI-Report 2005, 61 = NJW 2005, 1115 = ZfIR 2005, 134; BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, BauR 2005, 542 = DNotI-Report 2005, 61 = DNotZ 2005, 464 = MDR 2005, 622 = NJW 2005, 1115 = NotBZ 2005, 147 = ZfIR 2005, 134 = ZNotP 2005, 229 (je zu noch dem altem Schuldrecht unterfallenden Sachverhalten); BGH, Urt. v. 26.04.2007 – VII ZR 210/05, DNotI-Report 2007, 134 = DNotZ 2008, 66 = MDR 2007, 1012 = NJW 2007, 3275 = WM 2007, 1854 = ZfIR 2007, 540 = ZNotP 2007, 305 (mit obiter dictum zum neuen Schuldrecht).

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des Bauwerks geschlossen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 408/01, aaO; Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, aaO, Rn. 15 f.).

(Rn. 22) Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben. Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus dem Inhalt solcher Verträge, aus ihrem Zweck und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage die Verpflichtung des Veräußerers zu einer mangelfreien Errichtung des Bauwerks ergibt (vgl. BGH, Urteile vom 9. Januar 2003 - VII ZR 408/01, aaO Rn. 11 und vom 7. Mai 1987 - VII ZR 129/86, BauR 1987, 438, Rn. 9).“

Dann zählt er den derzeitigen Meinungsstand zur Streifrage in der Literatur auf – sowie seine bisherigen Andeutungen, an der früheren Rechtsprechung festzuhalten:

(Rn. 23) „b) An dieser Rechtsprechung ist hinsichtlich der Mängelansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen auch bei nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossenen Bauträgerverträgen festzuhalten (vgl. zum Streitstand, bejahend: Kniffka/Kniffka, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., Einführung vor § 631 Rn. 89 ff.; Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 11. Teil Rn. 206 ff.; Basty, Der Bauträgervertrag, 8. Aufl., Rn. 11 ff.; Vogel, BauR 2010, 1992, 1994 f.; Derleder, NZBau 2004, 237, 242 f.; Dören, ZfIR 2003, 497, 500 ff.; Thode, NZBau 2002, 297, 299 f.; Pause, NZBau 2002, 648 f.; tendenziell bereits BGH, Urteil vom 26. April 2007 - VII ZR 210/05, BauR 2007, 1407, 1409, Rn. 18 f. = NZBau 2007, 507 sowie Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15 Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; verneinend: Hertel, DNotZ 2002, 6, 18 f.; Bambring, DNotZ 2001, 904, 906; Ott, NZBau 2003, 233, 238 f.).“

Dann wägt er die Argumente und zählt die trotz Annäherung zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht verbleibenden Unterschiede auf, die seines Erachtens weiterhin die Anwendung von Werkvertragsrecht gebieten:

(Rn. 24) „Allerdings wurde mit den Änderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die rechtliche Stellung des Käufers bei Bauwerken in mancher Hinsicht derjenigen des Bestellers bei einem Bauvertrag angenähert. So verjähren die Mängelansprüche des Käufers nach § 437 Nr. 1 und 3 BGB bei einem Bauwerk statt in einem Jahr nunmehr gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB in fünf Jahren; dies entspricht der Länge der Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Verkäufer dem Käufer die Sache - entsprechend dem in § 633 Abs. 1 BGB Geregelten - frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Außerdem wird in § 439 Abs. 1 BGB ein Nacherfüllungsanspruch des Käufers statuiert; dieser kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

(Rn. 25) Unbeschadet der vorstehend genannten Annäherung ist es aus mehreren Gründen jedoch, was dem Willen des Gesetzgebers nicht widerspricht (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 229 f.; BT-Drucks. 14/6857, S. 59 f.; vgl. auch Vogel, BauR 2010, 1992, 1995), weiterhin sach- und interessengerecht, dass sich die Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern und Eigentumswohnungen bei Bauträgerverträgen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht richten, auch wenn das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt ist (vgl. Kniffka/Kniffka, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., Einführung vor § 631 Rn. 89 ff.; Glöckner in Kleine-Möller/Merl/ Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl., § 4 Rn. 91). So besteht für den Käufer - anders als für den Besteller (vgl. § 637 BGB) - nicht die Möglichkeit, einen Vorschuss für die zur Selbstbeseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu verlangen (vgl. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 5. Aufl. Rn. 72; Glöckner, aaO). Zudem passt das Recht des Käufers, zwischen Nacherfüllung und Lieferung einer mangelfreien Sache wählen zu können, bei Bauwerken nicht; es könnte zu Konflikten mit dem Recht des für den Bauwerksmangel gegebenenfalls letztverantwortlichen (Nach-)Unternehmers führen, die Art und Weise der Mängel-

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beseitigung bestimmen zu dürfen (vgl. Kniffka/Kniffka, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., Einführung vor § 631 Rn. 90; Pause, aaO). Hinzu kommt, dass dem Verkäufer das Verschulden von Dritten bezüglich der Verursachung von Bauwerksmängeln im Zuge der Errichtung des Bauwerks nur in geringerem Umfang zugerechnet werden kann als dem (Bau-)Unternehmer (vgl. Baer, Mängel-rechte beim Wohnungseigentumserwerb vom Bauträger, 2010, S. 20 f. einerseits und Merl in Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl., § 15 Rn. 919 anderer-seits; vgl. ferner BGH, Urteile vom 2. April 2014 - VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 und vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 13, beide zur mangelnden Erfüllungs-gehilfeneigenschaft des Herstellers einer Kaufsache im Verhältnis zum Verkäufer).

(Rn. 26) Demgegenüber ist es dem Bauträger zumutbar, eine Abnahme auch des Gemeinschafts-eigentums durch jeden Erwerber (auch Nachzügler) herbeizuführen.“

Für die Praxis ändert sich nichts. Denn aufgrund der früheren BGH-Rechtsprechung wurde schon bisher allgemein empfohlen, die Verträge so zu gestalten, als gälte Werkvertragsrecht. Jetzt ändert sich nur die Begründung: Es gilt eben nach der Entscheidung der BGH-Werkvertragsrecht.

– Eine Baubeschreibung ist auch bei einem schon fertiggestellten Bauwerk erforderlich.180 (Das konnte man auch bei der Anwendung von Kaufrecht vertreten.) Ich erkläre es meist so: Der Erwerber kann nicht sehen, was in der Wand steckt. Auch insoweit will er aber vereinbaren, dass alles so gebaut ist, wie es in der Baubeschreibung steht. Daher muss die Baubeschreibung auch beim fertigen Objekt als Vertragsbestandteil vereinbart werden.

– Auch ist eine Abnahme vorzusehen.181 Denn sonst läuft die Verjährungsfrist für Sachmängel nicht an. Auch wird der Werklohn nach der gesetzlichen Regelung erst mit der Abnahme fällig (§ 641 Abs. 1 BGB).

c) Keine Bindung an Abnahme durch Wohnungseigentümergemeinschaft

Im vorliegenden Sachverhalt galt damit auch für den Nachzügler Werkvertragsrecht. Damit stellte sich die Frage, ob er auch das Gemeinschaftseigentum abgenommen hatte.

aa) Zum einen sah die Gemeinschaftsordnung vor, dass das Gemeinschaftseigentum für alle Wohnungseigentümer gemeinsam durch einen von der Wohnungseigentümer-versammlung bestimmten Sachverständigen abgenommen wird (wobei die Entschei-dung leider den Wortlaut oder auch nur den genauen Inhalt der Regelung in der Gemeinschaftsordnung nicht wiedergibt).

180 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, DNotI-Report 2005, 61 = DNotZ 2005, 464 m. Anm.

Basty = NJW 2005, 1115 = ZfIR 2005, 134 (obiter dictum); BGH, Urt. v. 10.02.2005 – VII ZR 184/04, BGHZ 162, 157 = DNotZ 2005, 467 m. Anm. Basty = NJW 2005, 1356 = NotBZ 2005, 144 = ZfIR 2005, 313 (im Ls.); BGH, Urt. v. 03.03.2005 – III ZR 353/04, DNotI-Report 2005, 95 = NotBZ 2005, 179 = WM 2005, 1328 = ZNotP 2005, 273 (Notarhaftungsfall).

181 Ebenso bereits bisher etwa: Basty, Der Bauträgervertrag, 7. Aufl. 2012, Rn. 14; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2, Kap. 3, Rn. 287.

S. 134 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Auch die Teilungserklärung unterliegt einer AGB-Inhaltskontrolle (entweder unmittelbar nach §§ 307 ff BGB oder indirekt nach § 242 BGB).

(Rn. 32) „aa) Von dem teilenden Eigentümer einseitig vorgegebene Bestimmungen unterliegen einer Inhaltskontrolle, bei der lediglich streitig ist, ob die für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften der §§ 307 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind oder ob sich diese Kontrolle unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auszurichten hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2010 - V ZR 60/10, NJW 2011, 679 Rn. 7 m.w.N.).“

Regelungen zur Abnahme gehören in den Erwerbsvertrag, nicht in die Teilungs-erklärung, weil sie nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, sondern ihren jeweiligen Vertrag mit dem Bauträger betreffen.

(Rn. 33) bb) Danach ist § 19 der Teilungserklärung, gleichgültig welcher der vorstehend genannten Maßstäbe der Inhaltskontrolle zugrunde gelegt wird, jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums seitens der aufgrund Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung beauftragten Abnahmeperson auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werden soll. Gegenstand von Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG können lediglich Regelungen sein, die das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums fällt nicht hierunter (vgl. Riemenschneider in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, 3. Teil Rn. 758; Schmidt in Festschrift für Deckert, 2002, S. 443, 462 f.; a.M. BayObLG, NJW-RR 2000, 13, 15, Rn. 29 und NJW-RR 2000, 379, 380, Rn. 34). Sie betrifft vielmehr das Vertragsverhältnis zwischen Bauträger und Erwerber (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR 1985, 314, 316, Rn. 20; Riemen-schneider in Grziwotz/Koeble, aaO; Schmidt aaO). Im Falle des Erwerbs einer Eigentums-wohnung erhält der einzelne Erwerber aus dem Erwerbsvertrag einen individuellen Anspruch auf mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das gesamte Gemeinschaftseigentum (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, aaO; Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 389, Rn. 24; Urteil vom 21. Juli 2005 - VII ZR 304/03, BauR 2005, 1623, 1624, Rn. 13 = NZBau 2005, 585). Dementsprechend liegt es grundsätzlich bei ihm, zu entscheiden, ob er das Werk als eine in der Hauptsache dem Vertrag entsprechende Erfüllung gelten lassen will (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, aaO). Der Regelungsort für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist der jeweilige Erwerbsvertrag (Vogel, NZM 2010, 377, 382).“

Der BGH hatte zwar in einer ganzen Kette von Entscheidungen entschieden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Geltendmachung von Mängelrechten wegen Sachmängeln des Gemeinschaftseigentums an sich ziehen kann (oder dass die Entscheidung darüber ohnehin nur bei der Gemeinschaft liegt). Dazu gehört aber nicht die Abnahme.

(Rn. 34) „Nichts anderes folgt aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Geltend-machung und Durchsetzung von Mängelansprüchen wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 19 f.). Nach dieser Rechtsprechung ist die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Geltendmachung und Durchsetzung solcher Rechte allein zuständig, die ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind und ein eigenständiges Vorgehen des einzelnen Wohnungseigentümers nicht zulassen; das betrifft die gemeinschaftsbezogenen Rechte auf Minderung und kleinen Schadensersatz (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, aaO Rn. 19 m.w.N.). Außerdem ist die Wohnungs-eigentümergemeinschaft befugt, durch Mehrheitsbeschluss die Ausübung der auf die ordnungs-gemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der einzelnen Erwerber aus den Erwerbsverträgen wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums an sich zu ziehen (vgl. BGH,

S. 135 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, aaO Rn. 20). Anders als die Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend genannten Mängelansprüche, die der Verwaltungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG unterfallen (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, aaO Rn. 16, Rn. 20), betrifft die Abnahme eine Verpflichtung des Erwerbers aus dem Erwerbsvertrag, die keinen unmittelbaren Bezug zu einer Aufgabe der gemeinschaftlichen Verwaltung aufweist (vgl. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 4. Aufl. Rn. 604). Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat zwar Bedeutung auch für die Geltendmachung der vorstehend genannten Mängelansprüche. Darin erschöpft sich die Bedeutung der Abnahme aber nicht. Die Abnahme hat darüber hinaus weitere Wirkungen insbesondere bezüglich der Fälligkeit und Verzinsung der Vergütung, bezüglich des Gefahrübergangs und bezüglich des Vorbehalts eines Vertragsstrafenanspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 - VII ZR 89/87, BGHZ 107, 75, 77, Rn. 9; Meier, BauR 2016, 565; Scheffelt, BauR 2014, 163, 179 Fn. 79; Schwarz, Die Abnahme des Werkes, 1988, S. 35-37). Diese Wirkungen betreffen das Vertragsverhältnis zwischen Erwerber und Bauträger und nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander.“

Weil die Abnahme nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betrifft, konnte sie auch nicht in der Teilungserklärung mit Bindungswirkung für Erwerber geregelt werden.

bb) Jedenfalls für die Nachzügler konnte die Wohnungseigentümerversammlung auch nicht über die Abnahme beschließen. Der Beschluss war nichtig.

(Rn. 37) „bb) Daran gemessen ist der Beschluss der ersten Eigentümerversammlung bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums aus den vorstehend unter II. 3. c) bb) genannten Gründen mangels Beschlusskompetenz jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der vom Ingenieurbüro K. erklärten Abnahme des Gemeinschaftseigentums auf Nachzügler-Erwerber, darunter den Nachzügler-Erwerber Dr. M., erstreckt werden soll (vgl. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 4. Aufl. Rn. 604; Schmidt in Festschrift für Deckert, 2002, S. 443, 462 f.; Basty in Festschrift für Wenzel, 2005, S. 103, 108 f.; a.M. BayObLG, NJW-RR 2000, 13, 15, Rn. 29 und NJW-RR 2000, 379, 380, Rn. 34, wonach die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch bestandskräftigen Beschluss zu einer Angelegenheit der gemeinschaftlichen Verwaltung gemacht werden kann).“

Der BGH äußerte sich nicht, ob die Wohnungseigentümerversammlung für die Erwerber entscheiden konnte, die bereits Wohnungseigentümer oder werdende Wohnungseigentümer waren.

cc) Hier setzt der BGH also zwei Pflöcke gegen die ausufernde Vergemeinschaf-tung der Mängelansprüche (nach der der einzelne Wohnungseigentümer nicht einmal eine Nachfrist für die Mängelbeseitigung setzen kann, um vom Bauträgervertrag zurückzutreten):182

182 Vgl. Hertel, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der Vertragsgestaltung im

Immobilienrecht 2010/2011, DAI-Tagungsskript Feb./März 2011, S. 97 ff.; Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2014/2015, DAI-Tagungsskript Feb./März 2015, S. 91 ff.; Hertel, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2015/2016, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 168 ff.

S. 136 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Die Abnahme ist keine geborene Gemeinschaftszuständigkeit.

– Jedenfalls für spätere Erwerber, die bei Beschlussfassung noch nicht einmal werdende Wohnungseigentümer sind, kann die Gemeinschaft die Abnahme auch nicht an sich ziehen.

d) Keine vertragliche Bindung an erfolgte Abnahme

Die Klausel, wonach die Abnahme des Gemeinschaftseigentums bereits durch ein Ingenieurbüro erfolgt war, las der BGH (nach dem Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung) als Ausschluss einer eigenen Abnahme durch den Erwerber.

Dies verstieß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, wonach jeder Erwerber selbst über die Abnahme entscheiden kann (§ 640 Abs. 1 BGB) und war daher unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) (BGH, Rn. 44-46).

Außerdem war die Klausel nach § 309 Nr. 8 b) ff) BGB unwirksam, weil sie die Verjährungsfrist der Mängelansprüche mittelbar verkürzte (BGH, Rn. 47).

e) Keine Verkürzung der Verjährung für Nachzügler durch AGB-Klausel

Außerdem hatte der Erwerbsvertrag die Verjährungfrist für die Nachzügler verkürzt auf die Verjährungsfrist, die ab der bereits erfolgten Abnahme durch den Sachverständigen lief (§ 6 Abs. 3 S. 2 des Vertrages).

(Rn. 49) „a) Nach § 309 Nr. 8 b) ff) ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, durch die bei Verträgen über die Lieferung neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB erleichtert wird. Eine derartige unzulässige Erleichterung liegt bereits dann vor, wenn die gesetzliche Verjährungsfrist durch Vorverlegung des Verjährungsbeginns mittelbar verkürzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15 Rn. 37, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Urteil vom 9. Oktober 1986 - VII ZR 245/85, BauR 1987, 113, 115, Rn. 16).“

f) Keine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme

Durch die Ingebrauchnahme könnte eine konkludente Abnahme erfolgt sein. Dies ist wesentlich Tatfrage und obliegt damit der Entscheidung der Tatsacheninstanzen. Die Beurteilung durch die Tatsacheninstanzen ist nur eingeschränkt revisibel.

(Rn. 52) „a) Eine Abnahme kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten des Bestellers, erklärt werden. Eine konkludente Abnahme setzt voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalls das nach außen hervortretende Verhalten des Bestellers den Schluss rechtfertigt, er billige das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß (BGH, Urteil vom 5. November 2015 - VII ZR 43/15, BauR 2016, 499 Rn. 30 m.w.N. = NZBau 2016, 93, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Bestellers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Unternehmer gegenüber eindeutig zum Ausdruck zu bringen (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 26/12, BauR 2014, 1023 Rn.15). In der Ingebrauchnahme und anschließenden Nutzung eines Bauwerks durch den Besteller kann eine konkludente Abnahme liegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1984 - VII ZR

S. 137 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

377/83, BauR 1985, 200, 201 f., Rn. 8 ff.). Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 26/12, BauR 2014, 1023 Rn. 15). Die insoweit vom Tatrichter vorzunehmende Auslegung ist im Revisionsverfahren nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR 26/95, BauR 1996, 390, 391, Rn. 13), ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 = NZBau 2015, 220).

(Rn. 53) b) In diesem Rahmen beachtliche Rechtsfehler liegen nicht vor ...

Entscheidend ist, dass die Erwerber dachten, sie seien bereits an die Abnahme gebun-den. Von daher hatten sie keinen Anlass, über eine eigene Abnahme nachzudenken.

(Rn. 54) aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Nachzügler-Erwerber aufgrund der vertraglichen Regelung davon ausgegangen, dass eine Abnahme des Gemein-schaftseigentums bereits erfolgt sei. Feststellungen dahingehend, dass den Nachzügler-Erwerbern, darunter dem Nachzügler-Erwerber Dr. M., die Unwirksamkeit der Klauseln in § 6 Abs. 3 bekannt gewesen wäre oder dass sie jedenfalls Zweifel an der Wirksamkeit dieser Klauseln gehegt hätten, hat das Berufungsgericht nicht getroffen, ebenso wenig Feststellungen dahin-gehend, dass der Beklagten Entsprechendes bekannt gewesen wäre.

... (Rn. 56) bb) Vor diesem Hintergrund ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den getroffenen Feststellungen wurde mit der vertraglichen Regelung bei den Nachzügler-Erwerbern der Eindruck erweckt, einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch sie bedürfe es wegen der bereits erfolgten Abnahme nicht (mehr). Auf dieser Grundlage ist die Ingebrauchnahme und anschließende Nutzung des Gemeinschafts-eigentums durch die Nachzügler-Erwerber mangels besonderer Anhaltspunkte nicht geeignet, deren Abnahmewillen bezüglich des Gemeinschaftseigentums der Beklagten gegenüber eindeutig zum Ausdruck zu bringen (im Ergebnis ebenso OLG München, BauR 2009, 1444 f., Rn. 2; OLG Karlsruhe, NJW 2012, 237, 240, Rn. 88 f.; OLG Stuttgart, BauR 2015, 1688, 1694 f., Rn. 88; Krick, MittBayNot 2014, 401, 407; Pause/Vogel, BauR 2014, 764, 765 f.; Pioch, JA 2015, 650, 652; a.M. BayObLG, NZM 2001, 539, 540, Rn. 25; Messerschmidt/Leidig, BauR 2014, 1, 3 ff.; Pauly, ZfBR 2014, 523, 526; Basty, Der Bauträgervertrag, 8. Aufl. Rn. 994). Aus der Sicht der Beklagten, der als Verwenderin die Klausel in § 6 Abs. 3 Satz 1 und die darin in Bezug genom-mene Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch das Ingenieurbüro K. bekannt war, kann das in der Ingebrauchnahme und anschließenden Nutzung liegende Verhalten der Nachzügler-Erwerber redlicherweise nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums verstanden werden (vgl. Hogenschurz, MDR 2012, 386, 389; Pause/Vogel, BauR 2014, 764, 765 f.).

g) Mängelansprüche bereits nach „Scheinabnahme“

Auch hier lässt der BGH die Geltendmachung von Mängelansprüchen bereits vor der tatsächlichen Abnahme mit dem Argument zu, es sei der Bauträgergesellschaft als „Verwenderin der unwirksamen Formularklauseln in § 6 Abs. 3 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich gegenüber den Nachzügler-Erwerbern, ...., darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch im Erfüllungsstadium befinde“ (Rn. 57).

h) Keine Abnahme, keine Verjährung

Auch diese Entscheidung schließt, dass mangels Abnahme die Verjährungsfrist noch gar nicht angelaufen ist und daher Mängelansprüche noch nicht verjährt sein können.

S. 138 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Bei Veräußerung vermieteter Wohnungen drei Jahre nach dem Bau gilt Kaufrecht für Sachmängel (BGH, 25.2.2016 - VII ZR 156/13)

BGH, Urt. v. 25.2.2016 - VII ZR 156/13,

DNotZ 2016, 525 = NJW 2016, 1575 = ZfIR 2016, 419 = ZNotP 2016, 94

Bei Veräußerung vermieteter Wohnungen drei Jahre nach dem Bau gilt Kaufrecht für Sachmängel

1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann kaufvertragliche Nacherfüllungs-ansprüche der Erwerber gegen den Bauträger gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB an sich ziehen und deren gemeinschaftliche gerichtliche Durchsetzung beschließen, wenn diese Ansprüche jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet sind.

2. Bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ungefähr drei Jahre nach Errichtung veräußert und die zuvor vermietet waren, richtet sich die Sachmängel-haftung nach Kaufvertragsrecht.

a) Sachverhalt

– 2003 Bau, Februar 2004 Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Bausachverständigen,

– 2004-2007 sukzessive Verkauf der Wohnungen; die nicht gleich verkauften Wohnungen wurden zunächst vermietet;

– Bei allen Verkäufen der Jahre 2004 bis 2007 wurde derselbe Bauträgervertrag verwendet. Zu Abnahme und Sachmängeln regelt der Vertrag:

(Rn. 4) "§ 3 Nr. 2 Abs. 6:

Das Gemeinschaftseigentum wurde am 16.2.2004 durch den öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen Herrn Dipl.-Ing. R. vom Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. F. abgenommen. Das Abnahmeprotokoll liegt dem Käufer vor und ist dieser Urkunde als Anlage beigefügt. Der Käufer erkennt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bausachverständigen für sich als verbindlich an. Der Käufer erkennt insbesondere an, dass für ihn die Verjährungsfrist für Baumängel am Gemeinschaftseigentum mit dieser Abnahme zu laufen beginnt."

"§ 5 Abs. 1:

Der Verkäufer hat das Kaufobjekt einschließlich Einbauten frei von Sachmängeln zu verschaffen, soweit nachfolgend nichts anderes vereinbart ist:

1) Der Käufer kann innerhalb von 5 Jahren ab Übergabe bzw. Abnahme Beseitigung eines Sachmangels (Nacherfüllung) durch den Verkäufer verlangen.“

– Im Jahr 2011 wurde die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss ermächtigt, die Mängelrechte am Gemeinschaftseigentum geltend zu machen. Ebenfalls 2011 erhob die WEG Klage.

– Der Bauträger berief sich auf Verjährung. Er scheiterte damit.

S. 139 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Kaufrecht gilt, wenn vermietete Wohnung drei Jahre nach Bau veräußert wird

Anders als in den beiden zuvor dargestellten Fällen wandte der BGH jedenfalls auf die im Jahr 2007 verkauften Wohnungen Kaufrecht an.

– Kriterium ist, dass sie schon „ungefähr drei Jahre“ errichtet waren

– und dass sie bereits genutzt (vermietet) waren, wobei der BGH nicht fordert, dass auch die Vermietung schon drei Jahre bestanden haben musste.

(Rn. 25) „Jedenfalls bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ungefähr drei Jahre nach Errichtung veräußert und die zuvor vermietet waren, richtet sich die Sachmängelhaftung nach Kaufvertragsrecht. Derartige Eigentumswohnungen sind nach der Verkehrsanschauung im Allgemeinen nicht mehr als neu errichtete Objekte zu qualifizieren. Daher kann den Verträgen unter Berücksichtigung des Vertragszwecks, der wirtschaftlichen Bedeutung und der beiderseitigen Interessenlage im Regelfall keine Errichtungsverpflichtung mehr entnommen werden.“

Die Kriterien, wann Kaufvertragsrecht anzuwenden ist und wann eine Wohnung „nicht mehr neu errichtet“ ist, scheinen daher dieselben zu sein.

c) Verjährungsverkürzung wegen Intransparenz unwirksam

In § 3 Nr. 2 Abs. 6 hieß es u.a.: „Der Käufer erkennt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bausachverständigen für sich als verbindlich an. Der Käufer erkennt insbesondere an, dass für ihn die Verjährungsfrist für Baumängel am Gemeinschaftseigentum mit dieser Abnahme zu laufen beginnt.“

Der BGH hielt diese Klausel wegen Intransparenz für unwirksam. Für sich genommen, sei sie zwar klar. An anderer Stelle sei aber von der gesetzlichen fünf-jährigen Verjährungsfrist die Rede, ohne dies einzuschränken:

(Rn. 30) „Die Regelung zur Verjährungsfrist in § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge genügt nicht den Anforderungen des Transparenzgebots und ist deshalb wegen unangemessener Benachteili-gung der Erwerber gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

(Rn. 31) ...

(Rn. 32) Diesen Anforderungen wird die Regelung in § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge nicht gerecht. Auch wenn die Klausel isoliert betrachtet klar formuliert ist, erweist sich der Regelungsgehalt im Hinblick auf die Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge für einen durchschnittlichen Vertragspartner als intransparent. Während § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge für Baumängel am Gemeinschaftseigentum eine Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnend mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Sachverständigen R. am 16. Februar 2004 vorsieht, bestimmt § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge für die Sachmängelhaftung eine Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnend mit "Übergabe bzw. Abnahme". Sowohl das Verhältnis von "Übergabe bzw. Abnahme" im Rahmen der Klausel des § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge als auch das Verhältnis zwischen den beiden Klauseln wird im Vertrag nicht ausdrücklich geregelt. Es ergibt sich auch im Wege der Auslegung nicht mit der erforderlichen Klarheit. § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge kann

S. 140 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

insbesondere nicht lediglich auf das Sondereigentum bezogen werden. Vielmehr regelt diese Bestimmung die Sachmängelhaftung hinsichtlich des "Kaufobjekts". Zum Kaufobjekt gehören aber gemäß § 1 der Verträge nicht nur das Sondereigentum an der jeweiligen Wohnung und dem jeweiligen Tiefgaragenstellplatz, sondern auch der Miteigentumsanteil an dem Grundstück und damit an dem Gemeinschaftseigentum. Angesichts dieser Vertragsgestaltung kommen als Anknüpfungspunkte für den Verjährungsbeginn hinsichtlich der Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zum einen dessen Abnahme durch den Sachverständigen R. am 16. Februar 2004 und zum anderen die spätere Übergabe des Kaufobjekts an die jeweiligen Erwerber in Betracht. Diesen Widerspruch löst der Vertrag nicht auf. Hinzu kommt, dass neben der inhaltlichen Unklarheit auch die gewählte Anordnung und Gestaltung der beiden Klauseln zur Intransparenz führt. So vermittelt § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge, der bereits ausweislich der Überschrift die Sachmängelhaftung betrifft, einem Erwerber den Eindruck, dass für sämtliche Mängelansprüche die nach dem Gesetz bestehende Verjährungsfrist - im Kaufrecht gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a), Abs. 2 BGB fünf Jahre ab Übergabe - gilt. Ein konkreter Hinweis auf die an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang stehende Bestimmung des § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge, die im Gegensatz dazu aufgrund der Vorverlegung des Verjährungsbeginns zu einer mittelbaren Verkürzung der gesetzlichen fünfjährigen Verjährungsfrist führen soll, findet sich in § 5 der Verträge nicht. Diese Vertragsgestaltung ist objektiv geeignet, einen Erwerber über den Umfang seiner Mängelrechte irrezuführen.“

Da der BGH die Klausel nur wegen Intransparenz angreift, scheint er davon auszu-gehen, dass sie wirksam wäre, wenn sie transparent (und widerspruchsfrei mit dem Rest des Vertrages) formuliert wäre.

d) Ergebnis

Daher galt die gesetzliche Verjährungsfrist von fünf Jahren ab Übergabe gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a), Abs. 2 BGB (Rn. 33).

4. Welche vertraglichen Regelungen sind noch zulässig?

Betrachtet man im Licht der neuen Rechtsprechung, welche vertraglichen Regelungen noch zulässig sind, so muss man m.E. unterscheiden zwischen

– neu errichteten Wohnungen, für die der BGH Werkvertragsrecht anwendet,

– und „nicht mehr neue“ Wohnungen, für die Kaufrecht gilt.

a) Keine AGB-Regelung möglich für neu errichtete Wohnungen, für die der BGH Werkvertragsrecht anwendet

Bei neu errichteten Wohnungen rate ich nach der neuen Rechtsprechung auch für Nachzüglerfälle von jeglicher Änderung gegenüber dem gesetzlichen Mängelrecht ab.

S. 141 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der BGH wendet das Klauselverbot des § 309 Nr. 8 b) ff) BGB (Verbot der Verkür-zung der Verjährung für Mängelansprüche bei neu hergestellten Bauwerken) rigoros an.

Im Anschluss an Basty183 hatte ich184 bisher vertreten, bei Nachzüglern, die mehr als zwei Jahre nach Einzug der ersten Erwerber kaufen, sei das Gemeinschaftseigentum nicht mehr neu – und daher eine Verjährungsverkürzung ohne Verstoß gegen § 309 Nr. 8 b) ff) BGB möglich. Nach den neuen Entscheidungen gehe ich nicht mehr davon aus, dass der BGH dieses Argument anerkennen wird.

– Der BGH hat nicht ausdrücklich darüber entschieden.

– Aber er hat über Sachverhalte entschieden, in denen man das Argument hätte vorbringen können. Und er hat dabei § 309 Nr. 8 b) ff) BGB ohne weitere Diskussion angewandt, sobald er die Verkürzung der Verjährung festgestellt hatte.

Ich halte die Argumentation weiterhin für gut vertretbar. Aber Chancen, sie beim BGH durchzubringen, sehe ich kaum.

Die Abnahme kann man direkt in den Vertrag aufnehmen. Dann vergessen sie die Vertragsparteien nicht. Das Objekt ist ja längst fertig. Der Erwerber hat es besichtigt. Dann kann er auch erklären, dass es im wesentlichen vertragsgemäß erstellt wurde. Für eine spätere Abnahme spricht allerdings, dass der Erwerber dann nochmals Gelegenheit erhält, das Objekt noch genauer zu besehen.

Zusätzlich könnte man im Vertrag allenfalls (klarstellend) regeln, dass das Gemein-schaftseigentum in der jetzigen Beschaffenheit nach zweijähriger Benutzung geschuldet ist (dass also der Bauträger nicht für den Nachzügler Treppenhaus und Hausflur neu streichen lassen muss).185 Für erforderlich halte ich dies aber nicht, weil als Beschaffenheit ja nur vereinbart ist, dass das Haus bei Errichtung so gebaut wurde, wie es in der Baubeschreibung steht – nicht dass es weiterhin makellos genauso ohne jegliche Gebrauchspuren ist.

b) Beschränkung von Sachmängelansprüchen bei „nicht mehr neu errichteten“ Bauwerken, für die Kaufrecht gilt

Anders ist dies, wenn das Vertragsobjekt nicht mehr „neu errichtet“ ist, so dass § 309 Nr. 8 b) ff) BGB nicht gilt. Hier hatte der BGH in seinem Urteil vom 25.2.2016 - VII ZR 156/13 nur die Intransparenz der Verjährungsverkürzung gerügt, nicht den Inhalt

183 Basty, Der Bauträgervertrag, 7. Aufl. 2012, Rn. 1122. 184 Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2, Kap. 3, Rn. 312. 185 Basty, Der Bauträgervertrag, 7. Aufl. 2012, Rn. 1120; Riemenschneider, in: Grziwotz/Koeble,

Handbuch Bauträgerrecht, Teil 3, Rn. 372.

S. 142 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der Klausel. Das ist noch keine ausdrückliche Billigung, aber doch ein sehr starkes Indiz.

Dies sollte man nicht als Freibrief nehmen, nun die Gewährleistung des Nachzüglers ganz auszuschließen, der noch während der Verjährungsfrist kauft. Dann würde der Nachzügler fragen, warum er weniger Rechte als die früheren Erwerber hat.

– Für die Vertragsgestaltung besser erscheint mir, nur die Verjährung für Sach-mängel entsprechend der für die anderen Erwerber geltenden Verjährungsfrist abzukürzen.

– Man könnte erwägen, für das Sondereigentum die Gewährleistung ganz auszuschließen. Aber auch hier erscheint mir sachgerechter, die Verjährungsfrist nur zu verkürzen.

– Ich würde die Verkürzung im Vertrag auch ausdrücklich mit dem Wunsch nach Gleichlauf der Verjährungsfristen mit anderen Erwerbern (und mit der Verjährungsfrist für eventuelle Ansprüche des Bauträgers gegen die Baufirmen) begründen. Dies macht es auch dem Erwerber besser verständlich.

Dies erfordert natürlich eine Abgrenzung, wann ein Bauwerk nicht mehr „neu errichtet“ ist.

– Zwei Jahre sind ggf. noch nicht genug, wie der BGH in seinem Urteil vom 12.5. 2016 - VII ZR 171/15, unter Bezugnahme auf ältere Entscheidungen bekräftigte:

(Rn. 21) „... Die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht kann danach auch dann noch zu bejahen sein, wenn die Erwerbsverträge zwei Jahre nach Errichtung des Bauwerks geschlossen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 408/01, aaO; Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, aaO, Rn. 15 f.).

In seinem Urteil vom 21. 02.1985 – VII ZR 72/84 (BauR 1985, 314 = DNotZ 1985, 622 = NJW 1985, 1551 = WM 1985, 664) hatte dies der BGH sogar im Leitsatz ausgeführt:

1. Die Sachmängelansprüche des Erwerbers einer neu errichteten Eigentumswohnung (oder eines neu errichteten Hauses) richten sich auch dann nach Werkvertragsrecht, wenn die Wohnung erst zwei Jahre nach Errichtung der Wohnungsanlage veräußert wird (Ergänzung BGH, 1982-05-06, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243).

– Möglicherweise ist dies bei zwei Jahre genutzten Wohnungen anders.

– Aber erst bei drei Jahren nach Errichtung ist man auf der sicheren Seite

BGH, Urt. v. 25.2.2016 - VII ZR 156/13,

DNotZ 2016, 525 = NJW 2016, 1575 = ZfIR 2016, 419 = ZNotP 2016, 94

... 2. Bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ungefähr drei Jahre nach Errichtung veräußert und die zuvor vermietet waren, richtet sich die Sachmängel-haftung nach Kaufvertragsrecht.

S. 143 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Unklar ist, ob für die Errichtung die Bezugsfertigkeit genügt (weil ab dann meist schon Wohnungen genutzt werden), oder ob vollständige Fertigstellung erforderlich ist (wofür spricht, dass dann noch eine Endabnahme erforderlich ist).

c) Strategie des Bauträgers: Schnell verkaufen oder mindestens drei Jahre halten

Die potentiell verlängerte Verjährung trifft nur den Bauträger, der an Nachzügler verkauft. Der Bauträger, der alle Wohnungen noch vor Bezugsfertigkeit verkauft, hat damit kein Problem.

Und wenn der Bauträger dann unverkaufte Wohnungen zunächst in seinem Bestand hält und vermietet – und frühestens drei Jahre nach dem Bau verkauft, kann er seine Gewährleistung zumindest beschränken. Für die Penthousewohnung in dem ersten BGH-Fall wäre dies aber wahrscheinlich keine gute Alternative. Denn die ist eher für Selbstnutzer als zur Vermietung.

S. 144 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Abnahme im Bauträgervertrag (CH)

Die eben besprochenen Entscheidungen haben wieder einmal verdeutlicht, welche zentrale Rolle die Abnahme im Bauträgervertrag spielt.

In den vergangenen Jahren hatten wir uns wiederholt mit Gestaltungsversuchen befasst, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums vom Erwerber weg zu verlagern. Das geht immer oder doch fast immer schief. Ein weiteres Negativbeispiel behandelt die nächste BGH-Entscheidung.

1. Bauträger kann nicht selbst Gemeinschaftseigentum abnehmen

a) Keine Abnahme durch Bauträger selbst (BGH, 30.6.2016 - VII ZR 188/13)

BGH, Urt. v. 30.6.2016 - VII ZR 188/13,

NJW-RR 2016, 1143 = ZfIR 2016, 635 = ZNotP 2016, 235

Nichtigkeit einer AGB-Klausel, wonach die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bauträger selbst erfolgt

1. Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbs-vertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bauträger selbst als Erstverwalter ermöglicht, ist unwirksam (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. September 2013, VII ZR 308/12, BauR 2013, 2020).

2. Zur Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung zur Mängelhaftung eines Bauträgers, der sich als Verwender nach Treu und Glauben auf eine etwaige Unwirksamkeit dieser Klausel nicht berufen kann (Anschluss an BGH, Urteil vom 12. Mai 2016, VII ZR 171/15, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Urteil vom 25. Februar 2016, VII ZR 49/15, BauR 2016, 1013).

Ich denke, der Kurzfassung des Leitsatzes „Der Bauträger kann nicht selbst das Gemeinschaftseigentum abnehmen“ wird jeder zustimmen, ohne auch nur irgendeine tiefergehende juristische Überlegung anzustellen.

– In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war die Bauträger-GmbH zugleich WEG-Verwalterin.

– Im Bauträgervertrag war geregelt, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums „durch die Verwaltung gemäß WEG, gegebenenfalls unter Anwesenheit von Erwerbern“, erfolgt. So geschah es dann auch.

b) Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter AGB-rechtlich unzulässig (BGH, 12.09.2013 - VII ZR 308/12)

S. 145 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der BGH hatte im Jahr 2013 entschieden, dass eine Klausel AGB-rechtlich unzulässig ist, wonach der vom Bauträger bestimmte oder doch bestimmbare Erstverwalter das Gemeinschaftseigentum mit Wirkung gegenüber den Erwerbern abnehmen kann.

BGH, Urt. v. 12.09.2013 - VII ZR 308/12,

DNotZ 2014, 39 = NJW 2013, 3360 = ZNotP 2013, 344

Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter AGB-rechtlich unzulässig

Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbs-vertrages verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter ermöglicht, ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) unwirksam.

Auf diese Entscheidung bezog er sich jetzt.

c) Zum Anspruch

Auch in der Entscheidung vom 30.06.2016 musste der BGH wieder über die Hürde kommen, dass Mängelansprüche noch vor Abnahme geltend gemacht wurden. Auch hier half er sich mit dem Argument, dass sich Bauträgergesellschaft nicht auf das Fehlen der Abnahme berufen dürfe, wenn sie selbst als AGB-Verwenderin durch die unwirksame Klausel den Eindruck erweckt hatte, dass das Erfüllungsstadium aufgrund erfolgter Abnahme des Gemeinschaftseigentums beendet sei (Rn. 26)

Da aber tatsächlich noch keine Abnahme vorlag, trifft die Bauträgergesellschaft die Beweislast für die Mangelfreiheit:

(Rn. 27) „c) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit trifft, da tatsächlich keine wirksame Abnahme vorliegt. Der Unternehmer trägt vor Abnahme seiner Werkleistung die Beweislast für deren Mangelfreiheit; dies gilt auch dann, wenn der Besteller vor der Abnahme Mängelansprüche geltend macht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 64/07, BauR 2009, 237 Rn. 14 = NZBau 2009, 117, m.w.N.).

2. Bei wirtschaftlicher Realteilung kann Erwerber seinem Sondernutzungsrecht unterliegendes Gemeinschaftseigentum mit Wirkung für andere Erwerber abnehmen (OLG Stuttgart, 12.5.2015 - 10 U 114/14)

Einen Ausnahmefall, in dem doch einmal ein Erwerber die Abnahme auch mit Wirkung gegenüber den anderen Erwerbern erklären kann, behandelte das

OLG Stuttgart, 12.5.2015 - 10 U 114/14,

NJW-RR 2016, 56 = RNotZ 2015, 669 = ZMR 2015, 903,

S. 146 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Wirksamkeit einer Vollmacht zugunsten des Inhabers des ausschließlichen Sonder-nutzungsrechts über das Abnahmerecht am Gemeinschaftseigentum

Eine Klausel, mit der dem jeweiligen Erwerber eines in einer Wohnungseigentums-anlage befindlichen Reihenhauses eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt wird, das seinem ausschließlichen Sondernutzungsrecht unterliegende Gemeinschaftseigen-tum für alle Erwerber abzunehmen, hält einer Inhaltskontrolle stand, wenn schützenswerte Belange der anderen Erwerber - hier bei faktischer Realteilung des Gemeinschaftseigentums - nicht beeinträchtigt werden.

a) Sachverhalt

Acht Reihenhäuser wurden in der Rechtsform des Wohnungseigentums errichtet. Die Teilungserklärung sieht eine faktische Realteilung vor, indem jeweils Sondernutzungs-rechte auch am Gemeinschaftseigentum des jeweiligen Reihenhauses begründet wurden.

Im Bauträgervertrag ist geregelt:

(Rn. 12) „6. Eine Abnahme des gemeinschaftliche Eigentums durch den Erwerber ist insoweit nicht vorgesehen, als dieser durch bestehende Sondernutzungsrechte von dessen Nutzung vollkommen ausgeschlossen ist.“

b) Zulässige Abnahmevollmacht

Das OLG Stuttgart legte dies als Abnahmevollmacht für den jeweiligen Erwerber hinsichtlich der seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teile des Gemeinschafts-eigentums aus.

(Rn. 13) „bb) Die Klauseln modifizieren das Abnahmerecht des einzelnen Erwerbers in § 640 BGB hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums. Diese Klausel ist dahingehend auszulegen, dass dem jeweiligen Erwerber des Reihen-hauses eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt wird, das in seinem ausschließ-lichen Sondernutzungsrecht befindliche Gemeinschaftseigentum für alle Erwerber abzunehmen.“

Das OLG Stuttgart hielt dies auch für zulässig, da die anderen Wohnungseigentümer wirtschaftlich von der Nutzung des betreffenden Gemeinschaftseigentums ausgeschlossen sind.

c) Ergebnis: Unterschiedliche Verjährung

Im Ergebnis ging das OLG Stuttgart für das Gemeinschaftseigentum von einer unterschiedlichen Verjährung aus: Es ging um die mangelhafte „Zuordnung von Heizkörpern zu den Dachflächenfenstern“

S. 147 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Konkret waren die Ansprüche der Erwerber von 7 der 8 Häuser verjährt. Nur der Anspruch eines Erwerbers war noch nicht verjährt – und er bezog sich nur auf den Mangel an seinem Haus, während ihm keine Ansprüche auf Mängelbeseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum der anderen Häuser zustanden.

Das Ergebnis beruht auf einer Auslegung des Vertrages, dass der Bauträger dem jeweiligen Erwerber aufgrund der faktischen Realteilung nur „sein“ Gemeinschafts-eigentum schuldet ist, nicht das Gemeinschaftseigentum der anderen Reihenhäuser.

S. 148 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

III. Gewährleistungsfrist bei Photovoltaikanlagen (K)

BGH, Urt. v. 2.6.2016 – VII ZR 348/13, NJW 2016, 2876 = ZfIR 2016, 625 (m. Anm. Hildebrandt) = NZBau 2016, 558.

Dazu: Bauer, EnWZ 2016, 396; Böhlmann-Balan/Klinkau, ER 2016, 218; Manteufel, IBR 2016, 447; Rühr/Mattern, IR 2016, 182; Kleefisch/Meyer, NZBau 2016, 684; Heine, ZNER 2016, 392.

Siehe: Jacoby, NJW 2016, 2848; Thode, jurisPR-PrivBauR 11/2016, Anm. 4

Dagegen: BGH, Urteil vom 9.10.2013 – VIII ZR 318/12, NJW 2014, 845 = NZM 2014, 407 = DNotZ 2014, 434.

Dazu: Schnell, BB 2014, 144; Schwab, JuS 2014, 747.

1. Rückblick

Photovoltaikanlagen waren schon wiederholt Gegenstand dieser Veranstaltung.

Hertel hat sich 2011 mit der Gestaltung der kaufvertraglichen Abreden beim Mitverkauf der Anlage auseinandergesetzt,186 Herrler 2013 mit der Vormerkungssicherung des Nutzungsanspruchs.187

Hängen geblieben ist, dass der Umgang mit diesen Anlagen nicht einfach ist.

Unklar ist im Einzelfall, ob es sich bei diesen um Bestandteile im Sinne des § 94 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB, Scheinbestandteile im Sinne des § 95 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 1 S. 2 BGB, Zubehör im Sinne des § 97 Abs. 1 BGB oder einfach um bewegliche Sachen handelt.

a) Bestandteile

Versorgen die Anlagen das Gebäude insbesondere mit Strom und ggfls. Wärme, dann stellen sie bereits aufgrund ihrer zur Herstellung des Gebäudes erfolgten Einbringung einen wesentlichen Bestandteil im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB dar. Bei Photovoltaikanlagen spielte dies in der Vergangenheit deshalb kaum eine Rolle, weil diese aufgrund der hohen Einspeisevergütung regelmäßig das Gebäude nur als Standort nutzten, im Übrigen den Strom aber ins Netz abgaben. Die Eigennutzung des

186 Hertel, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2011/2012, S. 58ff. 187 Herrler, in: Hertel/Herrler/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2012/2013, S. 296ff.

S. 149 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Stroms spielte eine allenfalls untergeordnete Rolle. Mit dem Absinken der Einspeisevergütung, dem gleichzeitigen Anstieg der Stromkosten und dem Aufkommen von lokalen Stromspeichern hat sich diese Nutzung mehr und mehr hin zur Eigennutzung und Versorgung des Gebäudes gewandelt. Dies gilt mit der Zunahme der Elektroautos, die aus eigenem Solarstrom gespeist werden, umso mehr.

Es bleibt eine Frage des Einzelfalls, ab welchem Grad der Eigennutzung eine solche Anlage zum Bestandteil des Grundstücks wird. Jedenfalls dann, wenn diese funktional und integral zum Energiekonzept des Gebäudes rechnet, wird diese zum echten Bestandteil.

b) Scheinbestandteil

Für die fremdversorgenden Anlagen kam damit bislang die Eigenschaft als Bestandteil des Grundstücks kaum in Betracht. Ist die Anlage nur zu vorübergehenden Zwecken eingebracht oder liegt deren Einbau ein dingliches Recht (Dienstbarkeit) zugrunde, bleibt diese nur scheinbarer Bestandteil des Grundstücks und verliert nicht ihre rechtliche Selbständigkeit.

Es war regelmäßig das Interesse der Betreiber solcher Anlagen, diese vom Eigentum am Grundstück getrennt zu belassen. Ist der Einbau der Anlage rechtlich durch eine Dienstbarkeit abgesichert, ist jedenfalls dann, wenn diese spätestens bei Errichtung der Photovoltaikanlage im Grundbuch eingetragen ist, die Eigenschaft als bloßer Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB gesichert.

Ob dies auch noch nachträglich durch spätere Eintragung einer Dienstbarkeit erreicht werden kann, ist weiterhin streitig.188

c) Zubehör

Interessant ist, inwieweit die Qualifizierung einer PV-Anlage ggfls. auch als Zubehör eines Gebäudes angesehen werden kann. Die nachstehend noch näher zu behandelnde Entscheidung des VII. Senats scheint in diese Richtung zu deuten. Führt der Einbau einer PV-Anlage dazu, dass das Gebäude, auf dem sie sich befindet, funktional als PV-Anlagen-Träger anzusehen ist (so wohl der VII. Senat) kommt die Einstufung als bewegliche Sache, die dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt ist, in Betracht.

188 Zustimmend Kappler, ZfIR 2012, 264, 268; Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 449 f.; Wicke, DNotZ 2006, 252, 259 f.; L. Böttcher, notar 2012, 383, 386; ablehnend OLG Stuttgart Urt. v. 19.12. 2011 − Az.: 10 U 63/11, NZM 2012, 578, 579; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.9.2006 – 5 U 738/06, ZfIR 2007, 292 (m. abl. Anm. Wicke).

S. 150 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bedeutung hat diese Qualifikation vor allem für die Übereignung nach § 926 BGB und die Zuordnung zum Haftungsverband der Hypothek nach § 1120 BGB.

d) Eigenständige bewegliche Sache

Stellt die Anlage keinen Bestandteil und kein Zubehör dar, dann handelt es sich bei dieser um eine eigenständige bewegliche Sache, deren Schicksal von dem des Grundstücks rechtlich, wenn auch nicht tatsächlich, unabhängig ist.

2. BGH, Urteil vom 9.10.2013 – VIII ZR 318/12

Der VIII Zivilsenat des BGH hatte mit der Entscheidung aus dem Oktober 2013 über den Fall der Mangelhaftigkeit der Komponenten einer PV-Anlage zu entscheiden, die ein Bauer auf seiner Scheune errichtet hatte.

Der klagende Käufer hatte für sich in Anspruch genommen, bei den Komponenten der PV-Anlage handele es sich um Teile, die nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden seien und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hätten.

Der VIII. Senat weist dies mit klaren Worten zurück:

Die auf dem Scheunendach errichtete Photovoltaikanlage, zu deren Erstellung die Module dienten, ist mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Solaranlage montiert wurde. Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden. Sie waren weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von (wesentlicher) Bedeutung. Vielmehr dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Landwirt S. dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen; um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können. Die Photovoltaikanlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden. Allein dies führt nicht dazu, dass die für die Montage von der Klägerin gelieferten Einzelteile „für ein Bauwerk” verwendet worden wären (vgl. auch BGH, Urt. v. 15. 5. 1997 – VII ZR 287/95, NJW-RR 1998, 89 unter II 2 b). Aus dem Umstand, dass der Einbau der Solarmodule weder für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Benutzbarkeit der Scheune von (wesentlicher) Bedeutung ist, folgt entgegen der Auffassung der

S. 151 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Revisionserwiderung überdies, dass die Mangelhaftigkeit der Solarmodule nicht auch die Mangelhaftigkeit der Scheune verursacht hat.

Für die Praxis konnte damit von zweierlei ausgegangen werden: 1. Photovoltaikanlagen, die nicht (hauptsächlich) der Versorgung des Grundstücks

dienen, sind auch dann, wenn diese konstruktionsbedingt in das Gebäude integriert sind, keine wesentlichen Bestandteile und werden auch nicht zu dessen Zubehör.

2. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche solche Teile betreffend beträgt 2 Jahre.

3. BGH, Urt. v. 2.6.2016 – VII ZR 348/13

Der VII. Senat hatte nun einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Installation einer Anlage auf dem Dach einer Tennishalle ging. Der Unterschied zum Fall des VII. Senats bestand allein darin, dass die Lieferung und die Installation vom Vertragspartner geschuldet war, also nicht nur die Lieferung von Teilen Gegenstand der Leistung war.

Der VII. Senat nimmt diesen Unterschied in den Fallgestaltungen zum Anlass, seine grundsätzliche Meinungsdivergenz zum VIII. Senat nicht dem Großen Senat vorzulegen. Der VII. Senat geht nämlich davon aus, dass allein dadurch, dass die Tennishalle auch den Zweck hat die PV-Anlage zu tragen, deren Einbau den wirtschaftlichen Zwecken des Gebäudes diene. Der VII. Senat führt dazu unter Rz. 27 aus:

Diese Auffassung die des VIII. Senats teilt der erkennende Senat nicht. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass bei der Errichtung eines Gebäudes eine eingebaute technische Anlage der Funktion des Gebäudes dienen muss, damit die lange Verjährungsfrist für Arbeiten bei Bauwerken Anwendung findet. Der Senat hat indes bereits entschieden, dass es zur Beantwortung der Frage, ob Arbeiten der grundlegenden Erneuerung dienen, nicht darauf ankommt, ob das Bauwerk auch ohne die Arbeiten funktionstüchtig geblieben ist. Entscheidend ist vielmehr der Vergleich mit der Neuerrichtung. Es kommt daher darauf an, ob der Einbau einer Photovoltaikanlage, wie sie die Bekl. schuldete, bei der Neuerrichtung eines Gebäudes als Arbeiten bei einem Bauwerk zu qualifizieren ist. Das ist zu bejahen, da das Gebäude, unabhängig von seinen sonstigen Zwecken, jedenfalls auch dazu gedient hätte, Trägerobjekt für eine Photovoltaikanlage zu sein. Nichts anderes gilt für die grundlegende Erneuerung eines Gebäudes, die auf einer (teilweisen) Veränderung oder Erweiterung der Funktion beruht. Wenn nunmehr die Tennishalle der Kl. auch dazu dienen sollte, Trägerobjekt einer Photovoltaikanlage zu sein, lag darin eine Funktionserweiterung, die, unter Beachtung der übrigen Voraussetzungen, dazu führt, die lange

S. 152 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Verjährungsfrist des § 634 a I Nr. 2 BGB anzuwenden. Unerheblich ist, dass die Photovoltaikanlage der Stromversorgung der Tennishalle nicht dient.

Der VII. Senat erklärt die Anlage deshalb zu einem Bauwerk, weil es Funktion des Gebäudes ist, die Anlage zu tragen.

4. Auseinandersetzung

Für die Eigenschaft einer Anlage als Bauwerk bestimmt der VII. Senat drei Kriterien:

a) die feste Verbindung mit dem Rest des Gebäudes, b) ein erheblicher Eingriff in den sonstigen Bestand des Gebäudes und c) die funktionelle Bedeutung der Anlage für die Funktion des Gebäudes.

Im Übrigen handele es sich bei einer Photovoltaikanlage selbst um ein Bauwerk.

Davon abweichend hält der VIII. Senat die bloße Funktion des Gebäudes, Standort für die Anlage zu sein, für nicht ausreichend, die Anlage auch zum Teil des Gebäudes werden zu lassen. Sie diene eben nicht dem Zweck des Bauwerks als Scheune oder Tennishalle.

Letztlich handelt es sich bei den Überlegungen der beiden Senate um eine interessengetriebene Argumentation. Der eine Senat will die 5-jährige Verjährung unbedingt anwenden, der andere eben nicht. Im Grunde hätte es für den VII. Senat ausgereicht, die Anlage einfach selbst zu einem Bauwerk zu erklären – den Mut hatte der Senat aber wegen der mittelnden Funktion des Gebäudes zur Verbindung mit dem Boden aber nicht.

Bei der Überlegung zur „Funktionserweiterung der Halle als Standort für die Anlage“, handelt es sich um ein gekünsteltes Argument. Dadurch, dass etwas auf ein Gebäude geschraubt wird, wird das Gebäude funktional zum Geräteträger und damit das Gerät zum Teil des Bauwerks. Gleiches muss dann wohl auch für Mobilfunkantennen und ähnliche Gegenstände gelten.

5. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung hat insofern erhebliche Auswirkungen auf die Praxis, als nicht absehbar ist, wie Anlagen auf Gebäuden verjährungsrechtlich behandelt werden. Es ist deshalb faktisch Sache des Zufalls, nach welchen Kriterien eine Anlage bewertet und nach welchen Verjährungsregeln diese behandelt wird.

S. 153 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

6. Konsequenzen für die Bestandteilseigenschaft?

Undurchsichtig ist die Argumentation des VII. Senates hinsichtlich der dinglichen Qualifikation der Anlage. Der Senat sieht offenbar die Möglichkeit, eine Anlage für die werk- bzw. kaufvertragliche Einordnung zum Teil eines Bauwerks zu erklären, ihr aber gleichzeitig die Bestandteilseigenschaft trotz ihrer funktionalen Bedeutung für das Bauwerk abzusprechen. Obschon also eine feste Verbindung vorliege, solle gleichwohl keine Bestandteilseigenschaft nach § 94 BGB gegeben sein.

Dass dies Zufallsergebnisse nach sich zieht, liegt auf der Hand. Nachvollziehen lässt sich diese Differenzierung kaum. Rein vorsorglich sollte entgegen der bislang doch recht klaren Rechtsprechung der Obergerichte und auch des VIII. Senats davon ausgegangen werden, dass zum einen die 5-jährige Verjährungsfrist für Arbeiten an PV-Anlagen gilt und gleichzeitig das Risiko besteht, dass diese Bestandteil des Gebäudes werden, ohne eine besondere Bedeutung für dieses selbst zu haben.

S. 154 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. Abtretungsverbot (im Bauvertrag) steht umwandlungsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung nicht entgegen (BGH, 22.09.2016 - VII ZR 298/14) (CH)

Wir machen einen kleinen Ausflug ins Umwandlungsrecht. Keine Sorge – davon verstehe ich nichts und werde Ihnen daher auch nichts erzählen. Es geht nur um die Frage, ob ein simples schuldrechtliches Abtretungsverbot Auswirkungen auf eine umwandlungsrechtliche Verschmelzung hat. Um die Antwort vorwegzunehmen – es hat keine Auswirkungen.

Ich bespreche die Entscheidung beim Bauträgervertrag, weil es in dem zugrunde-liegenden Sachverhalt um einen Bauvertrag ging (wie er ja er als einer von zwei Bestandteilen neben dem Kaufvertrag auch im Bauträgervertrag als gemischten Vertrag steckt). Es ist aber eine Frage des allgemeinen Schuldrechts.

BGH, Urt. v. 22.09.2016 - VII ZR 298/14,

DNotZ 2017, 52 = NJW 2017, 71 = ZfIR 2016, 828

Abtretungsverbot (im Bauvertrag) steht umwandlungsrechtlicher Gesamtrechtsnach-folge bei Verschmelzung nicht entgegen

1. Das in einem Bauvertrag vereinbarte Abtretungsverbot nach § 399 2. Alt. BGB steht dem Übergang der dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber zustehenden Zahlungsansprüche auf die übernehmende Gesellschaft aufgrund der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge anlässlich einer Verschmelzung des Auftragnehmers auf die übernehmende Gesellschaft nicht entgegen.

2. Der Auftragnehmer ist auch nach Aufhebung des Vertrags gemäß § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 643 BGB berechtigt, diesen zeitnah wegen Verzugs des Auftraggebers mit der Bezahlung von Abschlagsforderungen nach § 9 Nr. 1 Buchst b VOB/B zu kündigen, wenn die Kündigungs-voraussetzungen in dem Zeitpunkt vorlagen, in dem der Vertrag als aufgehoben galt (Fortführung von BGH, Versäumnisurteil vom 24. Februar 2005, VII ZR 225/03, BauR 2005, 861 = NZBau 2005, 335).

Sachverhalt:

– In einem Bauvertrag über Maurerarbeiten war ein Abtretungsverbot vereinbart. („Abtretungen werden grundsätzlich gegenseitig für noch nicht erstattete Positio-nen nicht anerkannt.“)

– Da der Bauherr nicht zahlte, erhob das Bauunternehmen Klage. Im Laufe des Ver-fahrens wurde das Bauunternehmen auf ein anderes Unternehmen verschmolzen (das dann in Insolvenz fiel).

– Sachlich strittig war, ob die Forderung sachlich berechtigt sei oder ob mit Gegen-forderungen aufgerechnet werden könnte. Rechtlich ging es aber zunächst um das Problem, ob der Schuldner ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Abtretungsverbot

S. 155 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

auch bei Gesamtrechtsnachfolge infloge Verschmelzung von Gesellschaften nach §§ 2 ff. UmwG der übernehmenden Gesellschaft entgegengehalten werden könne.

Entscheidung:

Der BGH entschied, dass das Abtretungsverbot jedenfalls im Bauvertrag der umwand-lungsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung nicht entgegensteht.

– Die Frage ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der BGH referierte zunächst die unterschiedlichen Meinungen.

(Rn. 269 „(1) Die Frage, ob ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Abtretungsverbot nach § 399 2. Alt. BGB den Übergang der betroffenen Forderung des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger aufgrund der gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG für die Verschmel-zung angeordnete Gesamtrechtsnachfolge entgegensteht, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil werden die Vorschriften über die Einzelrechtsüber-tragung von Forderungen für den Fall einer Gesamtrechtsnachfolge insgesamt für nicht anwendbar gehalten (vgl. RGZ 136, 313, 315 f.; Lutter/Grunewald, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 32; Henssler/ Strohn/Heidinger, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 20 UmwG Rn. 5; Semler/Stengel/Kübler, UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 13; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungs-steuergesetz, 7. Aufl., § 20 UmwG Rn. 27; KK-UmwG/Simon, § 2 Rn. 47, 54; BeckOK BGB/ Rohe, Stand: 1. Mai 2016, § 412 Rn. 1; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 412 Rn. 1; Westermann in Erman, BGB, 14. Aufl., § 412 Rn. 2; Müller, BB 2000, 365, 366; Rieble, ZIP 1997, 301, 308; Heidenhain, ZIP 1995, 801; Henn-richs, Formwechsel und Gesamtrechtsnachfolge bei Umwandlungen, 1995, S. 45 f.). Demgegen-über wird die Anwendbarkeit des § 399 2. Alt. BGB auf den Vermögensübergang bei Verschmel-zung zum Teil ohne Einschränkung bejaht (vgl. OLG Oldenburg, OLGR 2000, 65, 66 f.). Andere Stimmen in der Literatur halten eine differenzierte Betrachtung im Einzelfall für erforderlich (vgl. MünchKommBGB/Roth/Kieninger, 7. Aufl., § 412 Rn. 15; Staudinger/Busche, 2012 BGB, § 412 Rn. 9; Rosch in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., Stand: 1. Oktober 2014, § 412 Rn. 35).“

– Nach der Entscheidung des BGH schlägt das schuldvertragsrechtliche Abtretungs-verbot nicht auf die Umwandlung durch.

(Rn. 27) „(2) Der Senat beantwortet die Frage für ein in einem Bauvertrag vereinbartes Abtretungsverbot nach § 399 2. Alt. BGB dahin, dass dieses im Falle einer Verschmelzung des Auftragnehmers auf die übernehmende Gesellschaft dem Übergang der dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber aufgrund dieses Vertrags zustehenden Zahlungsansprüche auf die über-nehmende Gesellschaft gemäß der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechts-nachfolge nicht entgegensteht.“

– Denn die Beschränkung der Einzelrechtsnachfolge in § 399 Alt. 2 BGB schlägt nicht auf die Gesamtrechtsnachfolge der Umwandlung durch. (Man hätte auch argumentieren können, dass die Forderung bei einer Einzelperson gleichwohl vererblich gewesen wäre.)

(Rn. 28) „(a) Die Vorschrift des § 399 2. Alt. BGB, die eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Übertragbarkeit einer Forderung ermöglicht, ist auf die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG für die Verschmelzung von Gesellschaften angeordnete Gesamtrechtsnachfolge nicht anwendbar. Die die Einzelrechtsnachfolge betreffende Vorschrift des § 399 2. Alt. BGB, die einen rechtsgeschäft-lichen Einzelakt voraussetzt, ist nicht auf die Besonderheiten der Gesamtrechtsnachfolge zugeschnitten (vgl. RGZ 136, 313, 315 f.; Lutter/Grunewald, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 32;

S. 156 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Henssler/Strohn/Heidinger, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 20 UmwG Rn. 5; Semler/Stengel/ Kübler, UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 13; KK-UmwG/Simon, § 2 Rn. 47, § 20 Rn. 3; BeckOK BGB/Rohe, Stand: 1. Mai 2016, § 412 Rn. 1; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 8; Müller, BB 2000, 365, 366; Rieble, ZIP 1997, 301, 308; Heidenhain, ZIP 1995, 801). Die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG normierte Gesamtrechtsnachfolge vollzieht sich aufgrund der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers unmittel-bar kraft gesetzlicher Anordnung ohne weitere Rechtsakte mit dinglicher Wirkung (vgl. Lutter/ Grunewald, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 7 f.; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 5. Aufl., § 2 Rn. 8, § 20 Rn. 4; Stratz in: Schmidt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 7. Aufl., § 2 Rn. 3 ff., § 20 Rn. 23; Schulte in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, § 20 Rn. 4 ff.; Rieble, ZIP 1997, 301, 303; Hennrichs, Formwechsel und Gesamtrechtsnachfolge bei Umwandlungen, 1995, S. 45).

(Rn. 29) (b) Dieses Verständnis des § 399 2. Alt. BGB steht mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang. Dieser hat in den Vorschriften zur Umwandlung von Gesellschaften im Wege der Spaltung durch Aufspaltung, die nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG ebenso wie die Verschmelzung zum Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers führt, die Vorschrift des § 132 UmwG, nach dem allgemeine Vorschriften, welche die Übertragbarkeit eines bestimmten Gegen-standes ausschließen oder an bestimmte Voraussetzungen knüpfen, unberührt bleiben sollen, mit Wirkung zum 25. April 2007 aufgehoben (vgl. Art. 1 Nr. 21 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19. April 2007, BGBl. I S. 542). Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass neben der Vorschrift des § 399 BGB, die bereits nach § 132 UmwG a.F. einer Aufspaltung nicht entgegenstehen sollte, Beschränkungen betreffend die Einzelrechtsnach-folge im Umwandlungsrecht nicht zur Anwendung kommen sollen (vgl. BT-Drucks. 16/2919, S. 19).“

– Der BGH argumentiert auch vom Ergebnis her:

(Rn. 30) „(c) Die Gegenauffassung, die ein in einem Bauvertrag grundsätzlich zulässiges (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 - VII ZR 150/88, BauR 1989, 610, juris Rn. 15; Urteil vom 3. Dezember 1987 - VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293, 300, juris Rn. 20; Urteil vom 28. November 1968 - VII ZR 157/66, BGHZ 51, 113, 117 ff., juris Rn. 28 ff.) rechtsgeschäftliches Abtretungs-verbot nach § 399 2. Alt. BGB auch gegenüber der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge durchgreifen ließe, führt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, zu einem unbilligen Ergebnis, das durch das Interesse des Auftraggebers, die Abrechnung übersicht-lich zu halten und nicht mit einem neuen Gläubiger konfrontiert zu werden, nicht gerechtfertigt werden kann. Da mit Wirksamwerden der Verschmelzung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, während der übertragende Rechtsträger erlischt, § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, hätte der Ausschluss des Übergangs der dem Auftragnehmer als übertragendem Rechtsträger gegen den Auftraggeber zustehenden Forderungen aufgrund des im Vertrag vereinbarten Abtretungsverbots zur Folge, dass der Auftraggeber wegen des Erlöschens seines ursprünglichen Vertragspartners von seinen Zahlungspflichten frei würde, er aber wegen des Übergangs der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger seine Forderungen gegen diesen weiter geltend machen könnte. Diese Begünstigung des Auftraggebers ist von dem mit dem Abtretungsverbot verfolgten Zweck nicht mehr gedeckt (in diesem Sinne auch: MünchKommBGB/Roth/Kieninger, 7. Aufl., § 412 Rn. 15; Semler/Stengel/Kübler, UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 14; Lutter/Grunewald, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 32).“

Der BGH argumentiert allgemein. Er spricht aber an den entscheidenden Stellen jeweils ausdrücklich von einem Abtretungsverbot im Bauvertrag. Damit hält er sich die Möglichkeit offen, dass andere BGH-Senate für Abtretungsverbote in anderen Verträgen, die vielleicht anders motiviert sind, anders entscheiden.

S. 157 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

C) Überlassungsvertrag

I. Fristlauf für Pflichtteil bei vorbehaltenem Wohnungsrecht (SH)

Erst im vergangenen Jahr haben wir uns ausführlich mit der Relevanz von vorbehaltenen Nutzungsrechten auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB beschäftigt, zum einen im Hinblick auf deren Auswirkungen auf den nach dem Niederstwertprinzip gemäß § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB in Abzug zu bringenden Wert des Nutzungsrechts, zum anderen im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anlauf der 10-Jahresfrist des §§ 2325 Abs. 3 S. 2 BGB zu bejahen ist.189

Kurz zur Erinnerung zum letztgenannten Thema (Anlauf der 10-Jahresfrist):

1. Ausgangspunkt: Nießbrauchsentscheidung des BGH

Lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen des späteren Erblassers vermindern zwar die Bemessungsgrundlage des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs i. S. v. § 2311 BGB, lösen jedoch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB aus. Sofern seit der Schenkung, genauer seit „Leistung“ des verschenkten Gegenstandes, zehn Jahre verstrichen sind, wird die Schenkung gem. § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB bei der Bemessung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht mehr berücksichtigt; seit der Reform des Erb- und Verjährungsrechts wird der ergänzungspflichtige Wert der Schenkung mit jedem seit der „Leistung“ verstrichenen vollen Jahr um 1/10 reduziert (vgl. § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB, sog. Abschmelzungsmodell).

a) Wirtschaftliche Ausgliederung

Was die Definition der fristauslösenden Leistung angeht, ist nach wie vor die Leitentscheidung des IV. Zivilsenat des BGH vom 27.4.1994 (IV ZR 132/93) maßgebend. Danach ist eine Leistung nicht schon dann zu bejahen, wenn der spätere Erblasser die Rechtsinhaberschaft auf den Erwerber übertragen hat.

„Eine Leistung i. S. von § 2325 Abs. 3 Halbs. 1 BGB [neu § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB] liegt vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand - sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche - im wesentlichen weiterhin zu nutzen.“190

189 Herrler, in: in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im

Immobilienrecht 2015/2016, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 183 ff. 190 BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791 f.

S. 158 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der BGH stellt insoweit maßgeblich auf den Schutzzweck des § 2325 BGB ab. Von der pflichtteilsrechtlichen Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen ist im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes des Pflichtteilsrechts nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Erblasser „den ‚Genuss’ des verschenkten Gegenstandes […] tatsächlich entbehren“ musste.

Dadurch soll verhindert werden, dass durch eine rein rechtliche Ausgliederung von Vermögensgegenständen aus dem Erblasservermögen Pflichtteilsergänzungsansprüche missliebiger Abkömmlinge vereitelt werden. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der spätere Erblasser darauf verzichtet, den Zuwendungsgegenstand im Wesentlichen weiterhin zu nutzen, läuft die Frist an (wirtschaftliche Ausgliederung aus dem Vermögen des späteren Erblassers).

Demzufolge liegt eine Leistung i. S. d. § 2325 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BGB nicht vor, wenn der Übergeber sich einen umfassenden Nießbrauch vorbehält, da er in diesem Fall den „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nicht aufgebe und er daher keinen spürbaren Vermögensverlust erlitten habe.191

b) Anlauf der 10-Jahresfrist bei vorbehaltenem Wohnungsrecht?

Das dingliche Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB unterscheidet sich vom Nießbrauch gem. §§ 1030 ff. BGB u. a. dadurch, dass dessen Ausübung einem anderen nur überlassen werden darf, wenn dies gestattet ist (§ 1092 Abs. 1 S. 2 BGB), mithin eine Vermietung der dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume grundsätzlich nicht zulässig ist. Ferner ist Gegenstand des Wohnungsrechts die Nutzung eines Gebäudes oder Teils eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung (§ 1093 Abs. 1 S. 1 BGB). Demgegenüber handelt es sich beim Nießbrauch um das umfassende Nutzungsrecht an einer Sache (§ 1030 Abs. 1 BGB).

aa) Umfassendes Wohnungsrecht

In der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung ist nicht geklärt, ob ein vorbehaltenes umfassendes Wohnungsrecht in gleicher Weise wie ein Nießbrauch den Anlauf der 10-Jahresfrist nach § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB hindert. Trotz der vorstehend beschriebenen Unterschiede, insbesondere der hinter den Rechten aus dem Nießbrauch zu-rückbleibenden Rechte des Wohnungsberechtigten, herrscht in der Literatur weit-gehend Einigkeit, dass in der Konsequenz der Nießbrauchsentscheidung ein umfas-sendes Wohnungsrecht dem Fristbeginn entgegensteht. Die vom BGH geforderte wirtschaftliche Ausgliederung soll mangels Verzicht auf die Nutzungen der Immobilie bei einem derartigen Wohnungsrecht nicht vorliegen.

191 BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791 f.

S. 159 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Teilweises Wohnungsrecht – Bisheriges Meinungsbild in der obergerichtlichen Rechtsprechung

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Gleiches für den Vorbehalt eines „teilweisen“ Wohnungsrechts gilt, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur heftig umstritten. Einigkeit besteht nur insoweit, dass der Fristanlauf umso wahrscheinlicher ist, je geringer der Ausübungsbereich bzw. je schwächer die dem Übergeber verbleibenden Befugnisse ausgestaltet sind. Im Übrigen setzen die Gerichte – ausgehend vom Kriterium des „spürbaren Vermögensopfers“ bzw. des „Ge-nussverzichts“ des Erblassers – unterschiedliche Akzente.192

(1) Teilweise wird allein auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Übergabe abgestellt. Soll bei schon bislang gemeinsamem Wohnen von Übergeber und Erwerber im selben Haus nach dem Willen der Beteiligten der status quo ohne wesentliche tatsächliche Veränderungen aufrechterhalten werden und umfasst demnach das Wohnungsrecht all diejenigen Räume, die der Übergeber vor Überlassung genutzt hat, scheidet eine wirtschaftliche Ausgliederung grundsätzlich aus. Ein Verbot der Ausübungsüberlassung an Dritte ändere daran nichts.

(2) Teilweise wird hervorgehoben, dass der spätere Erblasser durch die Vermö-gensübertragung unter Vorbehalt eines lediglich teilweisen Wohnungsrechts seine Stellung als „Herr im Haus“ verliere, da der Erwerber künftig über ein eigenes (Mit-) Nutzungsrecht verfüge und der spätere Erblasser den Erwerber insbesondere kaum mehr von der Nutzung der gemeinschaftlichen Räume ausschließen könne, was insbesondere im Streitfall eine erhebliche Verschlechterung der Rechtsstellung bedeute. Sofern die rechtliche Nutzungsbefugnis des Erwerbers daher nicht aufgrund der Reichweite des Wohnungsrechts völlig zu vernachlässigen sei, liege eine fristauslösende Leistung vor.

Ein gespaltener Fristbeginn wird überwiegend unter Verweis auf die Nießbrauchsentscheidung abgelehnt, da der BGH den Anlauf der Frist bei wesentlicher Weiternutzung insgesamt verneint, bei unwesentlicher Weiternutzung insgesamt bejaht, wohl mit Blick darauf, dass es sich um einen einheitlichen Schenkungsgegenstand handelt.193

192 Ausführliche Darstellung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung: Herrler, in: Dauner-

Lieb/Grziwotz, Handkommentar Pflichtteilsrecht, 2. Aufl. 2017, Anh. 2, Strategien zur Minimierung des Pflichtteils durch lebzeitige Rechtsgeschäfte, Rn. 101 ff.

193 Vgl. BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791 f.; Herrler, ZEV 2008, 461, 462; Schindler, ZEV 2005, 290, 293 f. mwN.

S. 160 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. BGH, Beschl. v. 29.6.2016 - IV ZR 474/15

In seiner Entscheidung vom 29.6.2016 hatte sich der IV. Zivilsenat des BGH nun zum ersten Mal mit einer repräsentativen Situation der Überlassung einer Immobilie unter Vorbehalt eines teilweisen Wohnungsrechts und dem Anlauf der Zehnjahresfrist des §§ 2325 Abs. 3 BGB zu befassen, mit meines Erachtens sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung erfreulichen Präzisierungen.

Behält sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht

an diesem oder Teilen daran vor, so kann hierdurch in Ausnahmefällen (hier

verneint) der Beginn des Fristlaufs gem. § 2325 Abs. 3 BGB gehindert sein

(Fortführung des Senatsurteils vom 27. April 1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395).

BGH, Beschl. v. 29.6.2016 - IV ZR 474/15,

DNotI-Report 2016, 121 = DNotZ 2016, 805 = FamRZ 2016, 1453 m. Anm. Grziwotz =

NJW 2016, 2957 = NotBZ 2016, 380 (Krause) = RNotZ 2016, 594 = ZEV 2016, 445.

Hierzu Deppenkemper LMK 2016, 381401; Gockel, ErbR 2016, 572; Litzenburger FD-

ErbR 2016, 379964; Staudinger/Olshausen, BGB, § 2325 Rn. 58.1, sowie ausführlich zur

Gesamtproblematik Herrler, in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrechts, Anh. 2,

Strategien zur Minimierung des Pflichtteils durch lebzeitige Rechtsgeschäfte, Rn. 96 ff.

a) Sachverhalt

Mit Vertrag vom 8.12.1993 übertrugen der Erblasser und dessen Beklagte Ehefrau ein mit einem Wohnhaus mit drei Etagen (EG, OG, DG) bebautes Grundstück auf ihren 2. Sohn, den Bruder des Klägers.

Hierbei behielten sie sich als Gesamtberechtigte ein Wohnungsrecht an den Räumlichkeiten im Erdgeschoss, ein Mitbenutzungsrecht von Garten, Nebenräumen sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens mit Wasser, Wärme, Energie und Entsorgung sowie ein Nutzungsrecht der Garage vor.

Zusätzlich verpflichtete sich der übernehmende Sohn, das Grundstück zu Lebzeiten seiner Eltern weder zu veräußern noch darauf ohne Zustimmung um Bindestrich oder Ausbaumaßnahmen vorzunehmen. Auf eine Absicherung durch Eintragung einer Vormerkung wurde verzichtet.

Schließlich wurde noch ein Rangvorbehalt für die Bestellung von Grundpfandrechten bis zur Höhe von 200.000 DM im Rang vor dem Wohnungsrecht eingetragen.

Im Jahr 2012 verstarb der Vater des Klägers und wurde von seiner Ehefrau alleine beerbt.

S. 161 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Grundstücksübertragung trotz der seitdem verstrichenen Zeit weiterhin in voller Höhe nach § 2325 BGB ergänzungspflichtig sei und begehrt im Jahr eine dahingehende Feststellung.

b) Entscheidung

Wie auch schon in den Vorinstanzen ist der Kläger vor dem BGH ebenfalls nicht erfolgreich.

Zunächst betont der BGH, dass er auch nach Inkrafttreten der Erbrechtsreform und Neufassung von § 2325 Abs. 3 BGB zum 1.1.2010 weiterhin an seiner „Genussrechtsprechung“ aus dem Jahr 1994 festhält. So komme bei Vorbehalt eines uneingeschränkten Nießbrauchs ein Fristanlauf mangels Genussverzichts nicht in Betracht.

Sodann referiert der Senat ausführlich den Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Fristanlauf bei Vorbehalt eines teilweisen Wohnungsrechts (Tz. 13). Anschließend stellt der Senat fest, dass sich trotz der strukturellen Unterschiede zwischen Nießbrauch und Wohnungsrecht nicht abstrakt beantworten lasse, ob auch ein vorbehaltenes Wohnungsrecht ebenso wie der Nießbrauch den Fristbeginn nach § 2325 Abs. 3 BGB hindern kann.

Zwar bleibe die Rechtsposition des Inhabers eines Wohnungsrechts im Regelfall mangels Vermietungsmöglichkeit deutlich hinter der eines Nießbrauches zurück.

Tz. 15: „Dies bedeutet aber nicht, dass nicht auch – in Ausnahmefällen – bei der Einräumung eines Wohnungsrechts der Beginn des Fristablaufs gem. § 2325 III BGB gehindert sein könnte. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen konnte. Die entscheidenden Grundsätze hat der Senat in seinem Urteil vom 27.4.1994 (BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791) aufgestellt. ...“

Unter Zugrundelegung der bereits im Jahr 1994 aufgestellten Grundsätze sei vorliegend die Entscheidung von Landgericht und Oberlandesgericht, einen Fristanlauf zu bejahen, nicht zu beanstanden.

Maßgebend für den BGH sind dabei die folgenden Erwägungen:

Tz. 16: „Besteht das im Wohnungsrecht verankerte Ausschließungsrecht nur an Teilen der übergebenen Immobilie, so ist der Erblasser – anders als beim Vorbehalt des Nießbrauchs – mit Vollzug des Übergabevertrags nicht mehr als „Herr im Haus“ anzusehen (vgl. OLG Karlsruhe, ZEV 2008, 244 [245]; Herrler, ZEV 2008, 461 [463]).

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Eltern zusammen mit dem Übernehmer noch das Bad im Obergeschoss sowie nach dem Vortrag des Kl. zwei Zimmer im Obergeschoss

S. 162 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

nutzten. Es ist bereits nicht ersichtlich und vom Kl. nicht hinreichend vorgetragen, dass es sich hier um eine ausdrücklich vereinbarte und schuldrechtlich verbindliche Gestattung im Sinne der Rechtsprechung des Senats handelte (vgl. BGHZ 125, 395 [398 f.] = NJW 1994, 1791) und nicht nur um eine – rechtlich unerhebliche – rein faktische Nutzung der Räumlichkeiten, auf die es wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahren nicht ankommen kann.

Entscheidend ist zudem, dass den Eltern jedenfalls kein weitgehend alleiniges Nutzungsrecht unter Ausschluss des übernehmenden Sohnes an dem Grundstück mehr zustand.“

Tz. 17: „Ihr Hausgrundstück konnten die Eltern nicht mehr in der bisherigen Art und Weise nutzen. Die ihnen vertraglich eingeräumte Dienstbarkeit hätten sie nur dann einem anderen überlassen können, wenn die Überlassung gestattet worden wäre (vgl. § 1092 I 2 BGB). Ein derartiges Überlassungsrecht war den Eltern hier nicht vorbehalten worden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt der Nutzungsmöglichkeit des Wohnungsrechts durch Übertragung an Dritte etwa OLG Karlsruhe, ZEV 2008, 244 [245]; OLG Celle, OLG-Report 2003, 370 [371] = BeckRS 2003, 13443; Herrler, ZEV 2008, 461 [463]).

Ob sie – wie die Revision ausführt – zu keinem Zeitpunkt an einen Auszug aus dem Haus dachten und für sie daher eine anderweitige wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit keine Rolle spielte, ist demgegenüber unerheblich.

Durch den Verlust der Eigentümerstellung, das nur an Teilen des Grundstücks bestehende Wohnungsrecht sowie die fehlende Übertragbarkeit auf Dritte ist die rechtliche Stellung des Erblassers einschließlich der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Grundstücks jedenfalls deutlich eingeschränkt worden.“

Der BGH weist ferner darauf hin, dass vorliegend kein Umgehungsfall vorläge, da der Übernehmer die von ihm auch tatsächlich wahrgenommene Möglichkeit der Nutzung der Räumlichkeiten in beiden Obergeschossen für sich als Wohnung hatte ohne dass der Erblasser und die Beklagte ihn hätten daran hindern können (Tz. 18).

Abschließend nimmt der IV. Zivilsenat noch auf den Rangvorbehalt für Grundpfandrechte bis zur Höhe von 200.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen für beliebige Gläubiger Bezug. Aufgrund dessen bestehe die Gefahr eines Ausfalls mit dem Wohnungsrecht im Falle einer Vollstreckung aus einem vorrangigen Grundpfandrecht.

c) Bewertung

Die vorliegende Entscheidung des BGH wurde in der Literatur überwiegend eher kritisch aufgenommen, da die seit 1994 bestehende Rechtsunsicherheit hinsichtlich des

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Anlaufs der Zehnjahresfrist nach wie vor fortbestehe und eine große Chance zu Wiederherstellung der Rechtssicherheit verpasst wurde.194

Meines Erachtens ist eine derartige Bewertung aber deutlich zu negativ. Dass der BGH seine Genuss-Rechtsprechung gänzlich aufgibt, war nach Bestätigung des § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB im Rahmen der Erbrechtsreform 2010, der letztlich Ausfluss des Genuss-Gedankens ist, nicht ernsthaft zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund ist in jedem Fall der gewählte Leitsatz der Entscheidung mehr als erfreulich. Darin stellte der Senat klar, dass sogar ein am ganzen Grundstück vorbehaltenes Wohnungsrecht grundsätzlich dem Fristanlauf nach § 2325 Abs. 3 BGB nicht entgegensteht, wenn die Begleitumstände nicht ausnahmsweise auf eine fehlende wirtschaftliche Ausgliederung hindeuten.

Was will man mehr!

Einen ganz so weitreichenden Freibrief wollte der BGH dem Vertragsgestalter aber nicht ausstellen, wie aus den Tz. 14-17 deutlich hervorgeht:

(1) Nahezu ausnahmslos wird die Entscheidung daher auch dahingehend interpretiert, dass ein umfassendes Wohnungsrecht in aller Regel dem Anlauf der Zehnjahresfrist entgegensteht.195 Das dürfte trotz des weitergehenden Leitsatzes zutreffend sein.

(2) Im Übrigen dürfte aber selbst ein 50 % der vorhandenen Fläche (bzw. des Werts) übersteigendes weitreichendes Wohnungsrecht dem Fristanlauf nicht ohne weiteres entgegenstehen, sofern sich die Rechtsstellung des Übergebers auch ansonsten relevant verschlechtert hat (→ Verlust der Stellung als „Herr im Haus“).

(a) Entscheidend scheint für den BGH insoweit insbesondere die fehlende Gestattung der Ausübung Überlassung an Dritte, also die gesetzestypische Ausgestaltung des Wohnungsrechts zu sein. Anders als beim Nießbrauch kommt eine Vermietung durch den Berechtigten nicht in Betracht.

194 So in abweichenden Nuancen Gockel, ErbR 2016, 572, 574; Grziwotz, FamRZ 2016, 1455 f.;

Staudinger/Olshausen, BGB, § 2325 Rn. 58.1: „Das hohe Gut der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bleibt weiterhin auf der Strecke. Das Abstellen auf den Einzelfall mit unbestimmten Rechtsbegriffen schürt das Verlangen, doch noch eine für die eine oder andere Partei günstige Lösung zu erreichen.“; demgegenüber positiv (vielleicht etwas zu optimistisch) Litzenburger, FD-ErbR 2016, 379964.

195 Gockel, ErbR 2016, 572, 575; Grziwotz, FamRZ 2016, 1455, 1456; Litzenburger, FD-ErbR 2016, 379964, Ziffer 1.

S. 164 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(b) Interessant sind auch die Ausführungen des BGH zu einer lediglich faktischen Nutzung von Räumlichkeiten durch den Wohnungsberechtigten ohne entsprechende Rechtsposition. Die lediglich faktische Nutzung soll nach den Ausführungen des IV. Zivilsenats für die wirtschaftliche Ausgliederung keine Rolle spielen, was für meinen Geschmack bereits ein wenig zu großzügig ist und missbräuchlichen Gestaltungen Tür und Tor öffnet.196

Hinweis: Ob es insoweit genügt, in der Urkunde klarzustellen, dass über das teilweise Wohnungsrecht hinausgehende schuldrechtliche Nutzungsrechte ausdrücklich nicht vereinbart werden,197 erscheint mir zweifelhaft. Sofern hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine durchgehende Nutzung sämtlicher Räumlichkeiten durch den Übergeber vorliegen, dürfte wohl von einem konkludenten Vertragsschluss auszugehen sein.

(3) Selbst bei einem weitreichenden Wohnungsrecht dürfte der BGH geneigt sein, einen Fristanlauf zu bejahen, wenn der Übernehmer tatsächlich und einigermaßen regelmäßig von seinen Eigentümerbefugnissen Gebrauch macht, d.h. die nicht dem Wohnungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten selbst, durch Familienangehörige oder durch Dritte nutzt. Denn hierdurch manifestiert sich, dass der Übergeber seine Stellung als Herr im Haus verloren hat.

(4) Die Eintragung von Grundpfandrechten im Rang vor dem Wohnungsrecht oder ein entsprechender Rangvorbehalt sind ein starkes Indiz für die wirtschaftliche Ausgliederung, da der Wohnungsberechtigte hierdurch Gefahr läuft, im Falle der Zwangsversteigerung sein Recht gänzlich zu verlieren. Selbst bei einem sehr weitreichenden Nutzungsrecht, ggf. sogar bei einer gestatteten Ausübungsüberlassung an Dritte, kann ein derartiges vorrangiges Verwertungsrecht zur Bejahung der wirtschaftlichen Ausgliederung und damit zum Fristanlauf nach § 2325 Abs. 3 BGB führen. Hierbei dürfte es sich aber lediglich um eine ergänzende Erwägung des BGH im vorliegenden Fall handelt.

Hinweis: Man könnte nun als Vertragsgestalter geneigt sein, bei derartigen Überlassungen stets einen Rangvorbehalt zu Gunsten von Grundpfandrechten vorzusehen oder direkt Eigentümerbriefgrundpfandrechte zu bestellen, um den Anlauf der Zehnjahresfrist sicherzustellen.

Vor zu viel Euphorie und kreativer Gestaltung sei aber gewarnt. Zum einen könnte der Wohnungsberechtigte hierdurch trotz völliger Harmonie und der Versicherung des

196 Ebenso Grziwotz, FamRZ 2016, 1455, 1456. 197 So Litzenburger, FD-ErbR 2016, 379964, Ziffer 1.

S. 165 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Übernehmers, von der Finanzierungsmöglichkeit niemals ohne Rücksprache Gebrauch zu machen, in der Folge tatsächlich sein Dach über den Kopf verlieren.198 Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass manches Instanzgericht mit einem kritischeren Blick an derartige Gestaltungen herangeht und prüft, ob der Rangvorbehalt bzw. das Grundpfandrecht nicht lediglich zur Vorspiegelung des Genussverzichts bestellt wurde, insbesondere wenn es in der Folge niemals zu einer Inanspruchnahme als Kreditsicherheit gekommen ist.

3. Gestaltungsempfehlung

Angesichts der trotz der aktuellen BGH-Entscheidung nach wie vor bestehenden gewissen Rechtsunsicherheit wird man derzeit nach wie vor nicht zu einem sehr weitreichenden Wohnungsrecht raten können, wenn es dem Übergeber maßgeblich auf den Anlauf der 10-Jahresfrist ankommt. Eine sklavische Orientierung an einer 50%-Grenze ist aber nicht mehr geboten. Gleichwohl sollte der Ausübungsbereich des Wohnungsrechts weiterhin tendenziell eher defensiv ausgestaltet werden und sich idealiter nicht vollständig mit den bis zur Übergabe vom Übergeber bewohnten Räumen decken sollte, sondern dahinter zurück bleibt.

Wird das Wohnungsrecht zudem entsprechend dem gesetzlichen Regelmodell ausgestaltet, also keine abweichende Regelung von § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB getroffen, sollte angesichts des aktuellen Urteils des BGH der Anlauf der Zehnjahresfrist aber sichergestellt sein.

Für die vorgeschlagene Alternativgestaltung bei Mehrfamilienhäusern, das Problem durch Aufteilung in Wohnungseigentum und vorbehaltlose Überlassung einzelner Einheiten abzuschichten, besteht grundsätzlich kein Bedarf mehr.

198 Litzenburger, FD-ErbR 2016, 379964, Ziffer 3.

S. 166 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Pflegegrade statt Pflegestufen (CH)

Klauseln zur Wart und Pflege stellen bisher häufig auf die Pflegestufen i.S.d. § 15 SGB XI ab. Ab 1. 1. 2017 gibt es aber Pflegegrade anstelle von Pflegestufen.

– Die bisherigen drei Pflegestufen stellten v.a. auf den für die Hilfe erforderlichen Zeitaufwand ab.

– Die neuen fünf Pflegegrade stellen v.a. auf die Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten ab.

1. Gesetzesänderung

a) § 15 SGB XI i.d.F. bis 31.12.2016

§ 15 SBG XI a.F. - Stufen der Pflegebedürftigkeit

(1) 1Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz sind pflegebedürftige Personen (§ 14) einer der folgenden drei Pflegestufen zuzuordnen:

1. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

2. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

3. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. 2Für die Gewährung von Leistungen nach § 43a reicht die Feststellung, daß die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt sind.

(2) Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend.

(3) 1Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muß wöchentlich im Tagesdurchschnitt

1. in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen, 2. in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen, 3. in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen. 22Bei der Feststellung des Zeitaufwandes ist ein Zeitaufwand für erforderliche verrichtungs-bezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen zu berücksichtigen; dies gilt auch dann, wenn der Hilfebedarf zu Leistungen nach dem Fünften Buch führt. 3Verrichtungsbezogene krankheits-spezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behand-lungspflegerische Hilfebedarf untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung nach § 14 Abs. 4 ist oder mit einer solchen Verrichtung notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

S. 167 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) § 15 SGB XI i.d.F. seit 1.1.2017

§ 15 SGB XI Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument

(1) 1Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). 2Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) 1Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. 2In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. 3Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. 4Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. 5In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. 6Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1. Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 2. Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 3. Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 4. Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und 5. Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten. 7Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. 8Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:

1. Mobilität mit 10 Prozent, 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, 3. Selbstversorgung mit 40 Prozent, 4. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent, 5. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) 1Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. 2Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. 3Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. 4Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1. ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 2. ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 3. ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 4. ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 5. ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) 1Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außer-gewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

S. 168 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. 2Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraus-setzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) 1Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. 2Dies gilt auch für krankheits-spezifische Pflegemaßnahmen. 3Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) 1Bei pflegebedürftigen Kindern …

c) „Umrechnung“: Pflegestufe + 1 + nochmals 1 bei Verwirrtheit = Pflegegrad

§ 140 SGB XI enthält die Überleitungsvorschrift:

(Abs. 2) 1Versicherte der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversiche-rung,

1. bei denen das Vorliegen einer Pflegestufe im Sinne der §§ 14 und 15 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt worden ist und

2. bei denen spätestens am 31. Dezember 2016 alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung der Pflegeversicherung vorliegen,

werden mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 ohne erneute Antragstellung und ohne erneute Begut-achtung nach Maßgabe von Satz 3 einem Pflegegrad zugeordnet. 2Die Zuordnung ist dem Versicherten schriftlich mitzuteilen. 3Für die Zuordnung gelten die folgenden Kriterien:

1. Versicherte, bei denen eine Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, aber nicht zusätzlich eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurde, werden übergeleitet

a) von Pflegestufe I in den Pflegegrad 2, b) von Pflegestufe II in den Pflegegrad 3, c) von Pflegestufe III in den Pflegegrad 4 oder d) von Pflegestufe III in den Pflegegrad 5, soweit die Voraussetzungen für Leistungen nach § 36 Absatz 4 oder § 43 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurden;

2. Versicherte, bei denen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurde, werden übergeleitet

a) bei nicht gleichzeitigem Vorliegen einer Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 2, b) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe I nach den §§ 14 und 15 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 3, c) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe II nach den §§ 14 und 15 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 4, d) bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe III nach den §§ 14 und 15 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, auch soweit zusätzlich die Voraussetzungen für Leistungen nach § 36 Absatz 4 oder § 43 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt wurden, in den Pflegegrad 5.

Also Pflegestufe + 1 = Pflegegrad.

S. 169 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Falls der Pflegebedürftige auch verwirrt ist („erheblich eingeschränkte Alltagskompe-tenz nach § 45a SGB XI aF) erhöht sich der Pflegegrad nochmals um ein Grad.

2. Vertragsgestaltung

a) Musterklauseln überprüfen

Prüfen Sie Ihre Musterklauseln und formulieren Sie neue Klauseln für Ihre Muster-sammlung.

Wenn dann im Entwurf doch noch eine alte Klausel durchgerutscht ist, haben Sie zumindest eine zuvor in Ruhe durchdachte Formulierung, die Sie noch schnell während der Beurkundung einbauen können.

b) Alte Verträge mit statischer Verweisung

Soweit alte Verträge auf § 15 SGB XI (ggf. in Verbindung mit den Pflegerichtlinien der Pflegeverbände) in der damals geltenden Fassung abstellen, wäre (theoretisch) zu prüfen, welche Einstufung nach altem Recht angebracht wäre.

– Faktisch dürfte dies kaum eine Rolle spielen, weil die Pflegeverpflichtung i.d.R. nur in der Wohnung zu erbringen ist, so dass sie bei schwer und schwerst Pflege-bedürftigen schon wegen des häufig erforderlichen Umzugs in ein Pflegeheim endet.

– Bei häuslicher Pflege greift häufig sonst ggf. schon die zeitliche Begrenzung.

– Außerdem muss der Pflegeverpflichtete ggf. auch bei höherem Pflegebedarf zumindest Leistungen bis zu der vereinbarten Grenze erbringen.

c) Alte Verträge mit dynamischer Verweisung

Ein (kleines) Problem hat, wer in alten Verträgen dynamisch auf § 15 SGB XI in der jeweils geltenden Fassung verwiesen hat. Die Verweisung geht ins Leere, da es in der jetzigen Gesetzesfassung keine Pflegestufen mehr gibt.

– M.E. endet die Dynamik dann mit dem 31.12.2016. D.h. es gilt die letzte Gesetzesfassung, die noch Pflegestufen definierte.

– M.E. sind die vereinbarten Pflegestufen nicht in Pflegegrade umzurechnen. Sie sind nicht vergleichbar, weil die gesetzliche Umrechnung in Pflegegrade auch die Verwirrtheit des Pflegebedürftigen einbezieht, die aber in der vertraglichen Wart- und Pflegeklausel nicht berücksichtigt ist.

S. 170 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Formulierungsbeispiel

Meine eigene neue Formulierung, die ich den Beteiligten als Ausgangsbasis für ihre Überlegungen biete, wenn sie eine Regelung zu Wart und Pflege wünschen, lautet:

3. Wart und Pflege

a) Können sich die Übergeber wegen Krankheit, Altersschwäche oder Gebrechlichkeit nicht mehr selbst versorgen, muss der Übernehmer die erforderliche Wart und Pflege auf dem Vertragsanwesen erbringen, solange sich der betreffende Elternteil dort aufhält und soweit die Wart und Pflege für den Übernehmer zumutbar ist.

Zumutbar sind Wart- und Pflegeleistungen (insbes. hauswirtschaftliche Versorgung sowie Hilfe bei Körperpflege, Ernährung und Mobilität) bis einschließlich Pflegegrad 2 (zwei) i.S.v. § 15 SGB XI i.d.F. von 2017 – aber beschränkt auf einen Zeitaufwand von ???einer/zwei/drei Stunden pro Tag (im Wochendurchschnitt). Die Obergrenze erhöht sich nicht, auch wenn beide Eltern zugleich pflegebedürftig sind.

Sind mehr Wart- und Pflegeleistungen erforderlich, so muss der Übernehmer nur Leistungen bis zu dieser Grenze erbringen. Er muss aber mithelfen, die darüber hinaus erforderliche Pflege zu organisieren.

b) Der Ehepartner oder Kinder des Übernehmers können für diesen Teile der Wart und Pflege übernehmen. Kann der Übernehmer die Wart und Pflege aufgrund berufliche oder familiärer Verpflichtungen nicht persönlich erbringen, kann er sie auch durch Dritte (z.B. die örtliche Sozialstation) auf seine Kosten erbringen lassen (ebenso bei Urlaub oder Krankheit).

c) Die Pflicht zu Wart und Pflege ruht, solange sich der betreffende Übergeber nicht auf dem Anwesen aufhält. Geldersatz steht dem Übergeber nur nach Maßgabe von Art. 20-21 BayAGBGB (Bayerisches Ausführungsgesetz zum BGB) zu, d.h. bei Veräußerung des Grundstücks oder wenn der Übernehmer durch sein Verhalten eine solche Störung der persönlichen Beziehungen zu den Eltern veranlasst, dass diesen nicht zugemutet werden kann, die Wohnung auf dem Grundstück zu behalten. Bei einem Wegzug aus einem anderen Grund sind Ersatzansprüche aus jedem Rechtsgrund ausgeschlossen, insbes. auch nach Art. 18-19 BayAGBGB.

d) Die Pflicht zu Wart und Pflege ruht auch, soweit der jeweilige Elternteil gesetzlich Anspruch auf häusliche Pflegehilfe oder Pflegepersonal hat. Er verpflichtet sich, ggf. Anträge auf gesetzliche Pflegeleistungen zu stellen. Überlässt er das Pflegegeld an den Übernehmer, muss dieser die vereinbarten zumutbaren Wart- und Pflegeleistungen erbringen, soweit sie dem Pflegegeld entsprechen.

e) Zur Sicherung der Wart- und Pflegeverpflichtung bestellen die Beteiligten eine

Reallast (Wart und Pflege)

S. 171 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

am Vertragsbesitz für die Veräußerer als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB sowie für den Überlebenden allein, mit dem Vermerk, dass zur Löschung der Nachweis des Todes des jeweiligen Berechtigten genügt. Die Beteiligten bewilligen und beantragen die Grundbucheintragung samt Löschungsgrund im Rang nach den in Ziffer I beschriebenen bestehenden Belastungen sowie nach dem vorbestellten Wohnungsrecht.

Der Notar belehrte, dass die Reallast bei der Zwangsversteigerung aus einem vorrangi-gen Grundpfandrecht (oder einer vorrangigen Reallast) erlischt – je nach Höhe des Versteigerungserlöses ggf. auch ohne Ersatzleistung.

Bei einer entsprechenden zeitlichen Beschränkung kann man den Bezug auf den Pflegegrad ggf. auch ganz entfallen lassen.199

199 So der Formulierungsvorschlag von Amann DNotI-Report 1995, 64; ihm folgend Herrler, in:

Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, A. V. Rn. 446.

S. 172 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

III. Rücktritt vom Hofübergabevertrag (CH)

Die BGH-Entscheidung behandelt einen Katastrophenfall der Hofübergabe: Eine Vertragspartei will die Hofübergabe rückgängig machen.

Spannungen sind bei der Hofübergabe vorprogrammiert, weil man zusammenwohnt und meist auch noch zusammenarbeitet – oder doch nebeneinander arbeitet:

– Die Jungen machen alles anders und vieles schlechter.

– Die Alten haben keine Ahnung, wie es heute läuft und nörgeln nur dauernd rum, weil sie nichts zu tun haben.

1. BGH, 08.12.2015 - X ZR 98/13, BGHZ 208, 154

BGH, Urt. v. 08.12.2015 - X ZR 98/13,

BGHZ 208, 154 = FamRZ 2016, 810 = MDR 2016, 506 = RdL 2016, 254,

Voraussetzungen für Rücktrittsrecht des Übergebers von einem dauerhaft in Vollzug gesetzten Altenteilsvertrag

1. Der Übergeber kann von einem Altenteilsvertrag auch dann zurücktreten, wenn der Vertrag vollzogen worden ist. Ein Recht zum Rücktritt von einem dauerhaft ins Werk gesetzten Hofübergabevertrag steht ihm jedoch nur dann zu, wenn die Ver-letzung der vertraglichen Pflichten des Übernehmers auch in Ansehung des eigenen Verhaltens des Übergebers ein solches Gewicht hat, dass diesem das Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann.

2. Das Rücktrittsrecht ist in Baden-Württemberg grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Übernehmer nicht bereits wegen einer Vertragsverletzung rechtskräftig zu einer ihm nach dem Altenteilsvertrag obliegenden Leistung verurteilt worden ist.

3. Dem Übernehmer steht auch bei beiderseitigem das Zusammenleben auf dem Hof störendem Fehlverhalten ein Kündigungsrecht nach § 16 Abs. 1 AGBGB BW zu, wenn die Störung vorwiegend durch den Übergeber verursacht wird und das weitere Zusammenleben unzumutbar erschwert.

a) Sachverhalt

– 1992 übergaben die Eltern ihren Hof. Der Sohn hatte an die Eltern 40.000 DM zu zahlen und Verbindlichkeiten von 73.525 DM zu übernehmen. Die Eltern erhielten als Leibgeding insbes. ein Wohnrecht im Erdgeschoss sowie das Recht zur Mitbenutzung dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienender Räume, insbesondere des Kellers und der Bühne, und der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen, insbesondere der Zentralheizung, umfasst. Ein Zimmer im Erdgeschoß bewohnt der Bruder des Übergebers (aufgrund des alten

S. 173 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Übergabevertrages von 1964). Der Übernehmer wohnt im 1. Stock und Dach-geschoß.

– Ab etwa 1998 kam zu Spannungen und Rechtsstreitigkeiten. Mit Urteil vom 6. Dezember 2002 wurde der Übernehmer verurteilt, den Eltern auf der Grundlage des Übergabevertrags die Mitbenutzung der Zentralheizung, der Bühne, des Traktors und verschiedenen Werkzeugs zu gestatten.

– Im Juni 2004 widerriefen die Übergeber den Hofübergabevertrag wegen Nichtvoll-ziehung von Auflagen und wegen groben Undanks und erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Hofübergabevertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und wegen Verletzung vertraglicher Pflichten.

– Mit Schreiben vom 29. Dezember (!) 2005 kündigte der Übernehmer das Wohn-recht. Daraufhin erklärten die Übergeben im Juni 2006 nochmals Widerruf und Rücktritt.

b) Altenteilervertrag oder Leibgeding (Art. 96 EGBGB)

Zunächst stellt der BGH fest, dass es sich um einen Altenteils- oder Leibgedingsvertrags i.S.d. Art. 96 EGBGB handelt (so dass die diesbezüglichen Bestimmungen des jeweiligen Landesrechts anwendbar sind).

(Rn. 18) „Der Begriff des Altenteils- oder Leibgedingsvertrags ist gesetzlich nicht definiert. Ein derartiger Vertrag hat in der Regel die Gewährung von Unterhalt zum Inhalt, wobei dem Über-geber ein Wohnrecht an einem bestimmten Teil eines überlassenen Grundstücks gewährt wird. Dem Übernehmer soll ein Gut oder ein Grundstück überlassen werden, kraft dessen Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage schaffen und gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Unterhalt gewinnen kann. Der wesentliche Grundzug eines Altenteils besteht somit in einem Nachrücken der folgenden Generation in eine wenigstens teilweise existenzbegründende Wirtschaftseinheit. Erforderlich ist, dass ein Beteiligter dem anderen seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Übernehmer eine wirtschaftlich selbständige Stellung erlangt. Es genügt mithin nicht, dass der Übernehmer das erlangte Grundstück zur Schaffung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage nutzt. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass die Existenzgrundlage vom Übergeber bereits geschaffen war und der Übernehmer in diese eintritt (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 - VII ZB 86/06, NJW-RR 2007, 1390 Rn. 8; Beschluss vom 25. Oktober 2002 - V ZR 293/01, NJW 2003, 1325, 1326; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., Art. 96 EGBGB Rn. 2; Staudinger/Albrecht, BGB, Neubearb. 2012, Art. 96 EGBGB Rn. 6; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., Art. 96 EGBGB Rn. 5). So liegt der Fall hier. Nach Art. 96 EGBGB sind demnach die Vorschriften der §§ 6 bis 17 AGBGB BW maßgeblich, soweit die Parteien keine besonderen Vereinbarungen getroffen haben.“

c) Landesrecht Baden-Württemberg

Zunächst untersuchte der BGH das Baden-Württembergische Landesrecht.

Die einschlägigen Vorschriften lauten (wobei Sie vermutlich in Landesrecht Ihres Bundeslandes jedenfalls teilweise ähnliche Regelungen haben):

Baden-Württembergisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBGB) vom 26. November 1974

S. 174 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

§ 13 - Folgen der Nichterfüllung

(1) Verletzt der Schuldner seine vertraglichen Verpflichtungen, so ist der Gläubiger nicht berech-tigt, wegen Nichterfüllung, Verzugs oder positiver Vertragsverletzung vom Vertrag zurück-zutreten oder nach § 527 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Herausgabe des Grundstücks zu fordern.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung zu einer ihm obliegenden Leistung rechtskräftig verurteilt wurde und danach die Pflichten aus dem Vertrag erneut schuldhaft verletzt.

§ 14 - Ersatzrente

(1) Der Gläubiger kann, sofern er die Wohnung auf dem Grundstück aus einem anderen als in §§ 15, 16 aufgeführten Grund aufgegeben hat, an Stelle der Wohnung und sonstiger ihm gebührender Leistungen eine monatlich im voraus fällige Geldrente verlangen.

(2) Die Höhe der Rente bestimmt sich

1. nach dem geschätzten Wert der Vorteile, die der Schuldner dadurch erlangt, daß er von der Verpflichtung zur Überlassung der Wohnung und zu Dienstleistungen befreit wird,

2. nach dem Erzeugerpreis für Erzeugnisse des Grundstücks, die nach dem Vertrag zu liefern sind,

3. nach den ersparten Aufwendungen für andere Sachleistungen.

§ 15 - Störung des Zusammenlebens durch den Schuldner

(1) Ist ein dem Vertragszweck entsprechendes Zusammenleben der Parteien auf dem Grundstück infolge des Verhaltens des Schuldners oder einer zu seinem Hausstand oder Betrieb gehörigen Person so erschwert, daß dem Gläubiger das Wohnen auf dem Grundstück nicht mehr zugemutet werden kann, so hat der Schuldner dem Gläubiger, falls dieser die Wohnung aufgibt, den Aufwand zu ersetzen, der für den Umzug und eine angemessene andere Wohnung erforderlich ist. Statt der vereinbarten sonstigen Leistungen kann der Gläubiger eine laufende Entschädigung in Geld verlangen; dabei sind die Sachleistungen nach dem jeweiligen Marktpreis zu bewerten. Ferner hat der Schuldner den Schaden zu ersetzen, der dem Gläubiger dadurch entsteht, daß er die vereinbarten Dienstleistungen infolge seines Fortzuges nicht annehmen kann oder ihm die Annahme nicht zuzumuten ist.

(2) Für den Fall der Veräußerung des Grundstücks findet Absatz 1 auch auf den Erwerber entsprechende Anwendung, sofern das Recht des Gläubigers im Grundbuch eingetragen ist.

§ 16 - Störung des Zusammenlebens durch den Gläubiger

(1) Ist ein dem Vertragszweck entsprechendes Zusammenleben der Parteien auf dem Grundstück infolge des Verhaltens des Gläubigers oder einer zu seinem Hausstand gehörigen Person so erschwert, daß dem Schuldner nicht mehr zugemutet werden kann, dem Gläubiger das Wohnen auf dem Grundstück zu gestatten, so kann der Schuldner die Wohnung unter Einhaltung einer angemessenen Frist kündigen.

(2) Kündigt der Schuldner, so hat er dem Gläubiger eine monatlich im voraus fällige Geldrente nach § 14 Abs. 2 zu bezahlen.

Da sich der Übernehmer in seiner Lebensplanung auf die Hofübergabe einstellt, kann diese nur ausnahmsweise rückgängig gemacht werden. Das OLG Stuttgart hatte aber aus dem „grundsätzlich nicht“ ein „gar nicht“ gemacht. Das ging zu weit.

(Rn. 20) „a) Allerdings ist das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass Hofübergabeverträge grundsätzlich als endgültig anzusehen sind. Der Übernehmer, der sich auf die Übergabe eingestellt hat, soll durch eine Rückabwicklung des Vertrags nicht in seinen wirtschaftlichen Dispositionen beeinträchtigt oder möglicherweise sogar existenzlos gestellt

S. 175 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

werden (BayObLG, Urteil vom 26. April 1993 - 1Z RR 397/92, BayObLGZ 1993, 192, 197; Urteil vom 22. Mai 1995 - 1Z RR 62/94, BayObLGZ 1995, 186; MünchKommBGB/Habersack, aaO, Rn. 29). Dementsprechend bestimmt § 13 Abs. 1 AGBGB BW - wie auch einige andere landesr-echtliche Regelungen - dass der Übergeber nicht berechtigt ist, die Herausgabe des Grundstücks wegen Nichtvollziehung einer Auflage (§ 527 BGB) zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten.

(Rn. 21) b) Indessen findet § 13 Abs. 1 AGBGB BW nach Absatz 2 dieser Vorschrift keine Anwendung, wenn der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung zu einer ihm obliegenden Leistung rechtskräftig verurteilt wurde und danach die Pflichten aus dem Vertrag erneut schuldhaft verletzt. ….“

Zu letzterem fehlten Feststellungen des Berufungsgerichts. Deshalb verwies der BGH an das OLG zurück.

d) Rücktritt auch vom Hofübergabevertrag möglich

Ein Rücktritt der Übergeber ist auch nicht aus sonstigen Gründen generell ausge-schlossen.

(Rn. 25) „b) Die Beklagten sind zum Rücktritt vom Hofübergabevertrag berechtigt, wenn der Kläger die ihm obliegenden vertraglichen Verpflichtungen in so erheblichem Maße verletzt hat, dass demgegenüber etwaige eigene Pflichtverletzungen der Beklagten ohne wesentliche Bedeutung erscheinen und ihnen das Festhalten an der Hofübergabe nicht mehr zugemutet werden kann. Hierzu sind ausreichende tatsächliche Feststellungen nicht oder nicht verfahrensfehlerfrei getroffen.“

Allerdings sind an einen Rücktritt vom Hofübergabevertrag erhöhte Voraussetzungen zu stellen: Diese sind zu prüfen, wenn das Landesrecht einen Rücktritt zulässt.

(Rn. 26) aa) Das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB steht dem Gläubiger grundsätzlich bereits dann zu, wenn der Schuldner seine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt. Abgesehen von der Setzung einer Frist zur Nacherfüllung oder einer vorherigen Abmahnung stellt § 323 BGB keine weiteren Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts auf. Lediglich nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist die Rückabwicklung des Vertrags ausgeschlossen, wenn bei einer nicht vertragsgemäß bewirkten Leistung die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(Rn. 27) bb) Indessen geht es im Streitfall nicht lediglich um einen Vertrag, der mit dem Austausch von Leistung und Gegenleistung vollzogen ist und im Falle von Leistungsstörungen durch die Rückgewähr der beiderseitigen Leistungen ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann. Bei dem Hofübergabevertrag handelt es sich vielmehr um eine Vereinbarung, bei der in einem Austauschverhältnis zueinander stehende Leistungen und Leistungen mit dem Charakter eines Dauerschuldverhältnisses eng miteinander verflochten sind. Aufgrund der Übergabe einer Existenzgrundlage und des Versorgungscharakters ist ein Hofübergabevertrag grundsätzlich auf Dauer angelegt und verträgt auch bei Leistungsstörungen in den Beziehungen zwischen Übergeber und Übernehmer - wie § 13 Abs. 1 AGBGB BW bestätigt - grundsätzlich keine Rückabwicklung (BayObLG, Urteil vom 22. Mai 1995 - 1Z RR 62/94, BayObLGZ 1995, 186; Urteil vom 21. Februar 1996 - 1Z RR 15/94, BayObLGZ 1996, 20). Diese Besonderheit muss auch in Fällen Berücksichtigung finden, in denen wie im Streitfall eine landesrechtliche Rück-trittssperre nicht eingreift, weil der Übernehmer seine Pflichten aus dem Vertrag schon einmal verletzt hat und deswegen rechtskräftig zu der Erbringung der ihm obliegenden Leistungen verurteilt worden ist.

(Rn. 28) cc) Danach kommt ein Rücktritt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn dem Über-nehmer - ähnlich wie in den Fällen des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB - eine erhebliche Pflicht-verletzung zur Last fällt. Jedenfalls dann, wenn wie im Streitfall die Hofübergabe schon vor mehreren Jahren vollzogen worden ist, kann nicht wegen jeder - einfachen - Pflichtverletzung die

S. 176 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Rückabwicklung des Vertrags verlangt werden. Da ein mit einem Altenteilsvertrag verbundener Hofübergabevertrag zudem typischerweise auf ein Zusammenleben zweier oder mehrerer Generationen auf einem Hof angelegt ist, sind bei der Prüfung, ob eine Pflichtverletzung erheblich ist, ferner auch das Verhalten des Übergebers und etwaige eigene Pflichtverletzungen desselben zu berücksichtigen. Ein Rücktritt von dem dauerhaft ins Werk gesetzten Hofübergabe-vertrag setzt daher - ähnlich wie eine Kündigung - voraus, dass die Verletzung der vertraglichen Pflichten des Übernehmers auch in Ansehung des eigenen Verhaltens des Übergebers ein solches Gewicht hat, dass diesem das Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann.

Inhaltlich kann man dem ja allem zustimmen. Aber kann der BGH darüber überhaupt nach Maßgabe des Bundesrechts entscheiden?

– Das Leibgeding ist Landesrecht (Art. 96 EGBGB). Soweit es um das Leibgeding als solches geht, hat das Bundesrecht nur den Raum, den ihm das Landesrecht lässt.

– Der Hofübergabevertrag ist aber mehr als das Leibgeding. Hier geht es um den Rücktritt von der Hofübergabe als solcher, nicht um das Leibgeding. Insoweit wendet der BGH zu recht Bundesrecht an.

2. Rechtsgeschäftliches Rücktrittsrecht

a) Rückforderungsrecht nur bei Vorversterben und Scheidung - keine Vormer-kung im Grundbuch

Schlagen Sie bei einem Hofübergabevertrag – oder bei einer sonstigen Betriebs-übergabe – ein Rückforderungsrecht vor, so wie es bei der Übergabe eines Hausgrund-stücks häufig vereinbart wird - also mit Verfügungsverbot, bei Insolvenz oder Zwangsversteigerung, Vorversterben oder Scheidung – und abgesichert durch eine Vormerkung?

Jedenfalls bei der Hofübergabe frage ich die Beteiligten nur, ob sie ein eingeschränk-tes Rückforderungsrecht vereinbaren wollen:

– also nur falls der Übernehmer vor den Übergebern verstirbt oder falls er sich scheiden lässt (und der Hof nicht von güterrechtlichen Ansprüchen des Ehegatten ausgeschlossen ist),

– und nicht durch Vormerkung abgesichert.

Wohlgemerkt: Ich rate nicht zu einem derartigen Rückforderungsrecht, sondern frage die Beteiligten nur. Eine Ausnahme: Bei einem kinderlosen Übernehmer und weiteren Kindern der Übergeber empfehle ich die Rückforderungsklausel als wahrscheinlich sinnvoll.

Beim Mietshaus oder eigengenutzten Hausgrundstück ist der Grundbesitz statisch.

S. 177 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Hier wird sich am Eigentum nichts verändern. Allenfalls muss eine Grundschuld zur Finanzierung größerer Umbauarbeiten oder -renovierungen bestellt werden. (Und dies kann man ggf. durch eine Zustimmungspflicht absichern.)

– Hier passt das Verfügungsverbot und die – faktische – Verfügungssperre (jeden-falls für entgeltliche Verfügungen) durch die Vormerkung.

Dies ist bei einem Hof anders:

– Hier gehören Verfügungen über Grundstücke häufig zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung – sei es, dass Grundstücke gegen besser zum Hof passende Grundstücke getauscht werden, sei es, dass Teilflächen an die Gemeinde für Verkehrsflächen abgetreten werden, seien es Belastungen für Investitionen.

– Auch bei der Hofübergabe muss man zwischen zwei Gefahren abwägen: Der, dass der Übernehmer die Grundstücke leichtfertig verschleudert – und der, dass die Übergeber aus Altersstarrsinn sinnvolle Verfügungen blockieren. Beim Hof halte ich den Altersstarrsinn für die größere Gefahr. Ein Verfügungsverbot blockiert hier möglicherweise eigene unternehmerische Entscheidungen des Übernehmers.

– Daher rate ich den Beteiligten bei der Hofübergabe von einer Vormerkungs-sicherung ab. Damit entfallen auch die Rückforderungsgründe Verfügungsverbot und Insolvenzsicherung/Zwangsversteigerung.

– Ein Rückforderungsrecht bei Vorversterben des Übernehmers macht v.a. dann Sinn, wenn der Übernehmer noch keine eigenen Kinder hat und andere potentielle Übernehmer (Kinder/Neffen o.ä.) bereitstünden, die ggf. den Hof übernehmen könnten.

– Das Rückforderungsrecht bei Scheidung sichert ohnehin nicht die Übergeber, sondern den Übernehmer (wenn auch nur unvollkommen; deutlich besser ist hier eine ehevertragliche Regelung, die der Übernehmer aber nicht immer durchsetzen kann – und die ggf. bei Mitarbeit des Ehegatten am Hof auch nicht passt).

b) Rückübertragung nur im Zustand bei Rückübertragungsverlangen

Eine zweite Abwandlung gegenüber üblichen Rückforderungsklauseln ist erforderlich: Der Hof (oder Betrieb) ist – zwar keine lebende, aber doch eine sich verändernde Einheit. Er kann nur in dem Zustand zurückgegeben werden, in dem er sich beim Rückgabeverlangen befindet. Anders als bei der Hausübergabe sind daher auch zwischenzeitliche Belastungen zu übernehmen.

Schuldrechtlich kann und sollte man dem Übernehmer allerdings weitere Verfügungen nach dem Rückgabeverlangen der Übergeber untersagen. Das hilft zwar dinglich nichts, begründet aber zumindest Schadensersatzansprüche (wobei unsicher ist, ob diese dann auch durchsetzbar wären).

S. 178 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) Formulierungsbeispiel

Ein derartiges nicht dinglich gesichertes und auf Vorversterben und Scheidung beschränktes Rückforderungsrecht bei Hofübergabe könnte etwa wie folgt lauten:

4. Rückforderung

a) Die Übergeber (bzw. der Überlebende allein) sind berechtigt, vom Übernehmer oder dessen Rechtsnachfolger im Eigentum des Vertragsgegenstandes nach dieser Urkunde (nachfolgend Eigentümer genannt) die (Rück-)Übereignung des Vertragsbesitzes an sie (im bisherigen Eigentumsverhältnis) zu verlangen, wenn

- der Eigentümer vor dem längerlebenden der Veräußerer verstirbt,

- oder wenn eine (jetzige oder künftige) Ehe des Eigentümers geschieden wird – außer der Vertragsbesitz wird nicht in die Berechnung des Zugewinnausgleichs-anspruchs oder eines sonstigen güterrechtlichen Ausgleichs mit einbezogen,

- evtl.??? oder wenn der Übernehmer nicht binnen sechs Monaten nach Ehe-schließung einen Ehevertrag nachweist, in dem entweder Gütertrennung vereinbart oder ein Zugewinnausgleich für den Fall der Scheidung ausgeschlossen ist oder jedenfalls der Hof mit den heute übertragenen Grundstücken von der Berechnung des Zugewinns (oder bei Anwendung ausländischen Ehegüterrechts vergleichbarer Ausgleichsansprüche) ausgeschlossen ist.

b) Die Rückübereignung hat in dem Zustand zu erfolgen, in dem sich der übergebene Hof bei Eintritt des das Rückforderungsrecht auslösenden Ereignisses befindet - unter Übernahme aller dann bestehenden Belastungen und der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Betriebsverbindlichkeiten. Von später begründeten Verbindlichkeiten und Belastungen ist das Vertragsobjekt auf Kosten des zur Rückübertragung verpflichteten Eigentümers freizustellen.

Aufwendungen des Eigentümers auf den Vertragsgegenstand (etwa für Bebauung oder Renovierung) sind zu ersetzen, soweit sie im Zeitpunkt der Rückübereignung noch werterhöhend sind. Belastungen, die zu übernehmenden Grundpfandrechten zugrunde liegen, kann der Übergeber unter Anrechnung auf seine Ersatzpflicht ablösen. Im Übrigen wird für die Übereignung eine Gegenleistung nicht geschuldet.

Die Kosten der Rückübertragung trägt der zur Rückübertragung Berechtigte.

c) Die Übertragung hat nur auf Verlangen zu erfolgen, welches innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt, zu dem zumindest ein Veräußerer von dem betreffenden Rückerwerbsgrund Kenntnis erlangt hat, zu erklären ist, ansonsten erlischt das Rückerwerbsrecht hierfür. Bei Scheidung läuft die Frist erst ab Rechtskraft der Scheidung.

Das Rückübertragungsverlangen ist notariell zu beurkunden und durch Zustellung einer Ausfertigung der Urkunde geltend zu machen. Es kann nur von den Übergebern

S. 179 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

persönlich geltend gemacht werden (wobei die Geltendmachung durch einen von ihnen für beide genügt), nicht von einem (anderen) Vertreter.

Der Rückübertragungsanspruch erlischt er mit dem Tod des längerlebenden der Über-geber, sofern er nicht zuvor von ihm persönlich in notariell beurkundeter Form geltend gemacht wurde.

d) Eine dingliche Sicherung des bedingten Rückübertragungsanspruchs (etwa durch Eintragung einer Vormerkung) soll nicht erfolgen.

Der Notar belehrte, dass der Rückübertragungsanspruch dann bei Insolvenz des Eigentümers oder Zwangsvollstreckung gegen diesen wertlos ist – und bei einer Veräußerung ggf. nicht mehr als Rückgabe, sondern nur noch als Schadensersatz durchsetzbar ist.

S. 180 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. Ausgleichsansprüche bei Ausbau der Immobilie der Eltern der Lebensgefährtin (K)

BGH, Urteil vom 04. März 2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523 = FamRZ 2015, 833 (m. Anm. Wever) = NZFam 2015, 502 (m. Anm. Weinreich) = DNotZ 2015, 534 = MittBayNot 2015, 317.

Dazu: Wellenhofer, JuS 2015, 1125 und v. Proff, NJW 2015, 1482

1. Einleitung

„Ausgleich von Zuwendungen außerhalb des Güterrechts“ – so könnte man das Generalthema betiteln, mit dem so unterschiedliche Rechtsbeziehungen wie die zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern, den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft untereinander und - im hier entschiedenen Fall – zwischen einem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und den Eltern des anderen Partners erfasst werden.

In allen Fällen geht es darum, Vermögensverschiebungen, die aufgrund einer bestehenden Lebensgemeinschaft vorgenommen werden, untereinander sachgerecht auszugleichen.

In dieser Veranstaltung hatten wir diese Fragen schon verschiedentlich behandelt, so 2009 bei Investitionen innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft,200 bei Zuwendungen an Schwiegerkinder201 und bei Aufwendungen in der Hoffnung zu erben.202

Das Problem besteht nun darin, dass sich die Rechtspraxis zunehmend mit dem Problem konfrontiert sieht, dass gerade im Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaften Lebensmodelle verwirklicht werden, die eines verfestigten rechtlichen Rahmens bedürfen, dieser Rahmen aber von den Beteiligten aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt wird. An den Problemen der Konsequenzen des Zusammenlebens hat sich nichts geändert, allein die Bereitschaft, dieses Zusammenleben zu regeln ist nicht vorhanden.

200 Albrecht, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2008/2009, S. 74ff. 201 Albrecht, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2010/2011, S. 147ff; Herrler, in: Hertel/Herrler/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2012/2013, S. 156ff. 202 Herrler, in: Hertel/Herrler/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2013/2014, S. 205f.

S. 181 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Werden nun vermögensrechtliche Dispositionen im Hinblick auf das Zusammenleben getätigt, erweist sich der fehlende Rechtsrahmen als Pferdefuß.

2. Investition ins Haus der Eltern des Partners

Die dem BGH zur Entscheidung vorgelegte Fallgestaltung war im Grundsatz einfach: Ein nicht verheiratetes Paar mit gemeinsamem Kind hatte von den Eltern der Partnerin ein Haus zur Nutzung überlassen bekommen. In dieses Haus hatte der Partner erhebliche Arbeitsleistungen im Umfang von rund 2000 Arbeitsstunden sowie rund €3.100 Materialaufwendungen investiert, die zu einem Wertzuwachs des Hauses von € 90.000,-- geführt haben, und ein Jahr lang die Darlehensraten auf das Haus geleistet. Ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen lagen diesen Leistungen nicht zugrunde. Nach der Trennung der Lebensgemeinschaft verlangte der Expartner von den Eltern der Expartnerin die Zahlung von € 25.000,--.

Der BGH hat die Klage abgewiesen, und zwar aus allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen.

a) Schenkung

Der XII. Senat hatte für die Regelung des Verhältnisses der Beteiligten einer Schwiegerelternzuwendung die Rechtsprechung 2010 umgekrempelt.

aa)

Die frühere Rechtsprechung des XII. Senats nahm bei den Schwiegerelternzuwendungen in Rechtsverhältnis eigener Art an, das mit den ehebezogenen Zuwendungen unter Ehegatten vergleichbar war.203 Von diesem künstlichen Konstrukt hat sich der BGH zum Glück gelöst – wie die ehebedingte Zuwendungen überhaupt eine Abirrung sind, die mit dem Schenkungsrecht in Verbindung mit § 313 BGB sachgerecht und unkompliziert gelöst werden können.204 Entsprechend ordnet der XII. Senat die Zuwendungen der Schwiegereltern nunmehr auch dem Bereich der Schenkungen zu und erkennt insbesondere die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung wie auch die dauerhafte Vermögensminderung beim Zuwendenden an.

bb)

203 BGH, Urteil v.7.9.2005 - XII ZR 316/02 - FamRZ 2006, 394 = MittBayNot 2006, 504; v. 28.10.1998 - XII ZR 255/96 - FamRZ 1999, 365 = NJW 1999, 353; v. 4.2.1998 - XII ZR 160/96 - FamRZ 1998, 669 = DNotZ 1998, 886; v. 12.4.1995 – XII ZR 58/94, BGHZ 129, 259 = DNotZ 1995, 937. 204 Anders noch immer die Rechtsprechung, siehe BGH, Urteile v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193 = DNotZ 2009, 52 und vom 17.1.1990 - XII ZR 1/89 - FamRZ 1990, 600, 603.

S. 182 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Für die hier vorliegende Leistung am selbstgenutzten Haus, die zwar mittelbar zu einer Vermögensmehrung in Form der Substanzverbesserung des Hauses der Schwiegereltern führte, spricht der XII. Senat dem leistenden Partner aber die Zuwendungsabsicht ab. Zutreffend geht das Gericht davon aus, dass die „bewirkte Vermögensverschiebung ......in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig nicht schenkweise (donandi causa) erfolgt, weil der Ausbauende nicht dem Eigentümer der Wohnung etwas unentgeltlich zuwenden, sondern die Wohnverhältnisse für sich und seine Familie verbessern will (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., II/2, § 68 I 2 d). Damit handelt er in der Vorstellung, der zugewendete Gegenstand werde ihm letztlich nicht verloren gehen, sondern der Lebensgemeinschaft und damit auch ihm selbst zugutekommen.“205

Mangels Schenkungsvertrag kommt eine Anpassung nach den Bestimmungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ebenso wie eine Schenkungsrückforderung nicht in Betracht.

b) Kooperationsvertrag

Für den Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat der XII. Senat als mögliche Anspruchsgrundlag ein Rechtsverhältnis identifiziert, dem er nun auch206 einen Namen gegeben hat, den sogenannten Kooperationsvertrag.207 Dabei handelt es sich um eine vertragliche Verbindung von nichtehelichen Partnern über gemeinschaftsbezogene Zuwendungen, denen „die Vorstellung oder Erwartung zu Grunde lag, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben.“208

Für das hier relevante Verhältnis zwischen dem leistenden Partner und den Eltern der Partnerin will der Senat ein solche Kooperationsverhältnis richtigerweise nicht anerkennen. Dafür nennt der Senat im Wesentlichen zwei Begründungen:

bei den Parteien handelt es sich nicht um Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, weshalb die Arbeitsleistungen auch nicht begrifflich der Ausgestaltung ihrer Lebensgemeinschaft dienen können,

die Arbeitsleistungen wurden erbracht, um die Wohnverhältnisse für sich und seine Familie zu verbessern, sie waren also gerade eigen- und nicht fremdnützige Investitionen.

205 BGH, Urteil vom 04. März 2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523, dort Rz. 28. 206 Die vorangegangenen Entscheidungen BGH, Urteil v. 8.5.2013 − XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187 = MittBayNot 2014, 64 und Urteil v 9.7.2008 - XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193 = DNotZ 2009, 52 (m. Anm. Löhnig), kannten zwar das Rechtsinstitut, nicht aber dessen Namen. 207 BGH, Urteil vom 04. März 2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523, dort Rz. 11. 208 BGH, Urteil v. 8.5.2013 − XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187 = MittBayNot 2014, 64, dort Rz. 18.

S. 183 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Entsprechend kam auch insoweit nicht die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht – es gab eben insoweit keine Grundlage.

c) Leihvertrag

Die Überlassung der Wohnung durch die Eltern wird vom BGH allerdings als Leihverhältnis eingestuft, was vor allem damit begründet wird, dass dann, wenn „jemand nicht unerhebliche Arbeits- und Materialleistungen auf dem Hausgrundstück eines Dritten zu dem Zweck, sich dort langfristig ein Unterkommen zu sichern erbringt, und lässt der Dritte ihn in der Folgezeit dort auch unentgeltlich wohnen, legt das die Annahme nahe, dass diese Handhabung von den Parteien nicht als ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis angesehen wurde; vielmehr kann in einem solchen Fall angenommen werden, dass beide stillschweigend ein rechtlich verbindliches Leihverhältnis hinsichtlich der Wohnung vereinbart haben.“209

Eine Störung der Geschäftsgrundlage dieses Leihverhältnisses kommt nach dem BGH aber deshalb nicht in Betracht, weil jedenfalls eine der Beteiligten, nämlich die Tochter mit Kind, weiter das Leihverhältnis ausüben und deshalb eine Anpassung nach den Grundsätzen des § 313 BGB schon entfalle.

d) Aufwendungsersatz durch GoA im Rahmen der Leihe

Abgelehnt hat der BGH allerdings auch, dem Kläger einen Anspruch nach § 601 Abs. 2 S. 1 BGB iVm den Bestimmungen zur GoA, also möglicherweise über § 683 BGB, jedenfalls des § 684 BGB iVm den Bestimmungen zum Bereicherungsrecht zuzuerkennen. Begründet hat dies der Senat damit, dass der Kläger bei Vornahme seiner Baumaßnahmen nicht die Absicht gehabt habe, von den Eltern der Partnerin Ersatz zu verlangen, weshalb § 685 BGB (Schenkungsabsicht) auch die Geltendmachung von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung sperre.

Diese Überlegung kann rechtsstrukturell deshalb nicht überzeugen, weil der BGH im Anschluss noch die Möglichkeit eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung direkt prüft. Wenn der Partner aber in Schenkungsabsicht gehandelt hat, dann schließt § 685 BGB nicht nur den Anspruch nach § 683 BGB, sondern eben auch den gesamten Bereich des Bereicherungsrechts aus.

e) Bereicherungsrecht

Obschon die Anwendung des Bereicherungsrechts an sich aufgrund der Überlegungen zu § 685 Abs. 1 BGB gesperrt war, prüft der XII. Senat schließlich, inwieweit dem

209 BGH, Urteil vom 04. März 2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523, dort Rz. 16.

S. 184 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Kläger nicht ein Anspruch deshalb zustehen könne, weil der vom Kläger angestrebte Erfolg der längerfristigen Nutzung der Räume sich nicht verwirklicht habe.

Diesen Anspruch verneint der BGH allerdings jedenfalls deshalb, weil der Senat die Eltern aufgrund der fortdauernden Nutzung der Räume durch die Tochter und das Kind nicht als bereichert ansieht. Offenbar sieht der XII. Senat den Umfang des Bereicherungsanspruchs nach § 818 Abs. 2 BGB auf die Erhöhung der Nutzungen,210 nicht auf den Substanzgewinn begrenzt.

3. Bewertung

Wie die unscharfen Überlegungen des Senats zur Verneinung eines Anspruchs aus der GoA im Rahmen des Leihvertrages im Hinblick auf § 685 BGB zeigen, bewegt sich die Rechtsprechung mit dem Ausgleich von Zuwendungen im Rahmen nichtehelicher Lebensgemeinschaft auf sehr unsicherem Terrain.

So sehr nämlich im Nachhinein die Tätigung der Aufwendungen den wegziehenden Partner reuen mögen, so wenig darf praktisch übersehen werden, dass das, was der BGH unter § 685 Abs. 1 BGB fasst, den meisten Beteiligten klar ist: Dass sie an fremden Eigentum werkeln und dies möglicherweise verloren sein kann. Selbst wenn die Hoffnung dahinter steht, langfristig Nutzen aus der Aufwendung zu erzielen, ist doch das Wissen latent vorhanden, dass dies eben eine Hoffnung und keine Gewissheit ist.

Ich halte es deshalb entgegen der vielfach zu hörenden positiven Aufnahme schon für einen sehr gewagten Kurs, im Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaften Ausgleichsansprüche über die Kooperationsverträge zu kreieren. V. Proff211 hält zutreffend fest, die neuere Rechtsprechung schütze „das Vertrauen des Partners, der in das Vermögen des anderen investiert, in den Fortbestand der Lebensgemeinschaft.“ Partner aber, die sich bewusst gegen einen rechtlichen Rahmen ihres Miteinanders entscheiden, sind sich im Grundsatz der Tatsache bewusst, dass es sich bei diesem Vertrauen um eine bloße Hoffnung handelt.

Der BGH hat Ausgleichsansprüche deshalb bisher auch nur in krassen Fällen ganz erheblicher Zuwendungen anerkannt, Fälle also, in denen das Gerechtigkeitsgefühl einen Ausgleich diktierte. Die Befriedigung des Gerechtigkeitsgefühls schafft aber wie immer schlechte Rechtsgrundlagen.

210 Siehe zu den entsprechenden Überlegungen bei Einbauten BGH, Urteil v. 10.10.1984 - VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313; BGH, Urteil v. 31.10.2001 - XII ZR 292/99, DNotZ 2002, 451. 211 V. Proff, NJW 2015, 1482, 1484/1485.

S. 185 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Nicht vergessen werden darf, dass dem Vertrauen des zuwendenden Partners regelmäßig ein gleiches Vertrauen des bereicherten Partners gegenübersteht, nämlich keine Vereinbarung über einen Ausgleich getroffen zu haben.

4. Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis

Die Rechtsprechung lässt sich letztlich nur referieren.

Diejenigen, die ein Regelungsbedürfnis haben, suchen Rechtsberater auf. Diejenigen, die das nicht tun, soll durch die Rechtsprechung geholfen werden.

S. 186 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

D) Wohnungseigentum und Erbbaurecht

I. Probleme bei der WEG-Aufteilung (CH)

Zum Wohnungseigentum zum Aufwärmen zwei Entscheidungen zu Fällen, in denen bauliche Besonderheiten der Aufteilung nicht entgegenstehen.

1. Abweichende Bauausführung steht Kaufvertrag nicht entgegen (OLG Düssel-dorf, 17.6.2016 - 3 Wx 282/15)

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.6.2016 - 3 Wx 282/15,

FGPrax 2016, 197 = RNotZ 2016, 582,

Abweichende Bauausführung steht Grundbuchvollzug nicht entgegen, sofern Planabweichung eine Zuordnung der Räume nicht unmöglich macht

Dem Grundbuchvollzug des notariellen Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung (hier: Eintragung des bestellten Grundpfandrechtes nebst Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvoll-streckung, Vollzug bestimmter Löschungen in Abt. III und sodann Eintragung der Vormerkung) steht nicht entgegen, dass die tatsächliche Bauausführung des errichteten Gebäudes von der nach dem Aufteilungsplan vorgesehenen abweicht, sofern nicht die Planabweichung eine Zuordnung der errichteten Räume zu einer im Aufteilungsplan ausgewiesenen Raumeinheit mangels Abgrenzbarkeit zum Gemeinschaftseigentum und zu sonstigem Sondereigentum unmöglich macht (hier verneint bei Schaffung eines vergrößerter Wohn- und Schlafraums unter Wegfall der Küchenfläche; Errichten einer zusätzlichen Wand in dem vorgesehenen Schlafraum; Ersetzen der geplanten Loggia durch eine Dachfläche mit Velux-Fenster; Gestaltung des einen der beiden geschaffenen Räumen als (größere) Küche; Beschreibung des anderen als Kinderzimmer); die Vollzugsreife der gestellten Anträge setzt weder die vorherige Änderung der Teilungserklärung noch eine vorherige Berichtigung des Grundbuchs voraus

Beim Verkauf einer Wohnungseigentumseinheit erfuhr das Grundbuchamt, dass die Einheit in diversen Punkten anders als dem Aufteilungsplan eingezeichnet gebaut war.

Das Grundbuchamt meinte, die Wohnungseigentümer sollten erst einmal die Aufteilung im Grundbuch an die Zustände in Natur angleichen. Erst dann könne die Auflassungsvormerkung und die Grundschuld eingetragen werden.

Das OLG Düsseldorf wies das Grundbuchamt zum Vollzug der vorgelegten Anträge an. Es argumentierte:

– Eine abweichende Nutzung ändert sowieso nichts an der sachenrechtlichen Zuordnung der Räume. Die Bezeichnungen im Aufteilungsplan sind i.d.R. bloße Nutzungsvorschläge oder Beispiele.

– Auch wenn Innenwände in der Wohnung versetzt werden, ändert dies an der Abgrenzung zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum nichts.

S. 187 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Soweit anstelle der in der Teilungserklärung ausgewiesenen Loggia ein Schrägdach (mit Velux-Fenstern) gebaut wurde, ist vielleicht nicht das ganze ausgewiesene Sondereigentum baulich umfasst.

Hauptargument ist aber, dass es nach der BGH-Rechtsprechung gar nicht auf die Bauausführung ankommt: Das Sondereigentum ist so (und nur so) entstanden, wie es sich aus dem Plan ergibt.212 Nur so kann auch darüber verfügt werden.

(Rn. 16) „Letztlich kommt es indes auf diese Erwägungen nicht entscheidend an. Denn selbst wenn mit Blick auf die zweite Loggia eine rechtliche relevante Abweichung der tatsächlichen Bauausführung vom Aufteilungsplan vorliegen sollte, ist - wie zuvor gezeigt - das Sonder-eigentum nach Maßgabe des zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplans entstanden, und zwar unabhängig davon, ob man die Abweichung als wesentlich oder unwesent-lich ansieht.“

2. Überbau hindert WEG-Aufteilung nicht (KG, 19.08.2015 - 1 W 765/15)

KG, Beschl. v. 19.08.2015 - 1 W 765/15,

FGPrax 2016, 3 = MittBayNot 2016, 145,

Begründung von Wohnungseigentum ohne Zustimmung des Nachbareigentümers an einem auf das Nachbargrundstück hinüberragenden Gebäude (Überbau)

An einem auf das Nachbargrundstück hinübergebauten Gebäude kann ohne Zustimmung des Nachbareigentümers Wohnungseigentum begründet werden, wenn nachgewiesen ist, dass der Überbau nach Erstellung des Gebäudes durch Teilung des Grundstücks entstanden ist, und nach Lage und Umfang der maßge-bende Teil des Gebäudes so eindeutig auf dem aufzuteilenden Grundstück liegt, dass ausgeschlossen werden kann, dass der Überbau nach der wirtschaftlichen Bedeutung den maßgebenden Teil darstellt.

Sachverhalt:

– Ein Grundstück sollte in Wohnungseigentum aufgeteilt werden. Teile zweier Erker ragten auf das Nachbargrundstück über. Das Grundbuchamt verlangte daher die Zustimmung des betroffenen Nachbarn zur Teilungserklärung.

– Der Eigentümer des aufzuteilenden Grundstücks legte eine alte Flurkarte und einen alten Vermessungsriss vor. Daraus ging hervor, dass das Gebäude vor der Grund-stücksteilung errichtet wurde (also ein nachträglicher Überbau vorlag).

212 BGH, Urt. v. 20.11.2015 - V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 = DNotZ 2016, 278 = NJW 2016, 473 =

ZfIR 2016, 276 = ZNotP 2015, 421. Vgl. Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2015/2016, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 162 ff

S. 188 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Nach der Entscheidung des Kammergerichts ist – ebenso wie nach materiellem Recht – auch für den grundbuchverfahrensmäßigen Nachweis zu unterscheiden,

– ob es sich um einen entschuldigten Überbau im Sinne des § 912 BGB,

– einen unentschuldigten Überbau,

– einen Eigengrenzüberbau

– oder einen nachträglichen, durch Teilung des Grundstücks nach Bauerrichtung entstehenden Überbau handelt.

Bei einem nachträglichen Überbau – wie vorliegend - ist allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen, welches das überbauende Stammgrundstück ist. Daher genügt auch der Nachweis, dass ein nachträglicher Überbau vorliegt. Das Grundbuchamt kann dann aus den Plänen entnehmen, welches das Stammgrundstück ist.

(Rn. 14) „Entsteht ein Überbau nachträglich dadurch, dass ein bebautes Grundstück geteilt wird und die neue Grenze durch das bereits errichtete Gebäude verläuft, ist entsprechend den zu § 912 BGB entwickelten Grundsätzen und dem Zweckgedanken der Überbauvorschriften, wirtschaft-liche Werte möglichst zu erhalten, ebenfalls dem in § 93 BGB zum Ausdruck gekommenen Gesichtspunkt der natürlich-wirtschaftlichen Einheit von Gebäuden der Vorzug vor der Zuordnung nach der Grundstücksabgrenzung (§ 94 Abs. 1 BGB) zu geben (BGHZ 64, 333; 102, 311). Aller-dings kann für die Ermittlung des Stammgrundstücks nicht auf die Absichten des Erbauers abgestellt werden. Dem Bestreben des Gesetzes nach Offenkundigkeit sachenrechtlicher Verhält-nisse entspricht es aber, das Eigentum an dem ganzen Gebäude jedenfalls dann, wenn sich der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig maßgebende Teil des Gebäudes auf einem der Grundstücke befindet, an das Eigentum an diesem Grundstück zu binden (BGHZ 64, 333; 102, 311; 111, 298).

(Rn. 15) 2. Aus diesen unterschiedlichen materiellrechtlichen Voraussetzungen der Eigentums-zuordnung ergeben sich für die einzelnen Fallgruppen auch unterschiedliche Nachweisanforderun-gen im Grundbuchverfahren. Bei einem nachträglichen Überbau erübrigt sich die im Rahmen von § 912 BGB erforderliche Feststellung des Fehlens von Verschulden ebenso wie eine Erklärung des Nachbarn dazu, ob er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Voraussetzung für die Eigentumszuordnung sind nur die objektiven Umstände, dass es sich bei dem auf der (neuen) Grenzlinie stehenden Gebäude um ein einheitliches handelt, und auf welchem der betroffenen Grundstücke sich der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig maßgebende Gebäudeteil befindet.

(Rn. 16) Die eingetragene Eigentümerin hat durch Vorlage der Bescheinigung des Vermessungs-amtes nachgewiesen, dass es sich um einen nachträglich entstandenen Überbau handelt, ...

(Rn. 17) Für die Feststellung, dass auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig maßgebende Gebäudeteil liegt, bedarf es außer der Flurkarte keiner weiteren Nachweise. Die Grundfläche der Standerker nimmt etwa 2,5% der Grundfläche des Gesamtgebäudes ein. Der auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück stehende Teil des Gebäudes erstreckt sich dort entlang vier Seiten der Grundstücksgrenze vollständig und auf der fünften – hofseitigen – Grundstücksgrenze über etwa zwei Drittel der Grundstücksbreite. Bei einer solchen Verteilung nach Umfang und Lage kann die Möglichkeit, dass in den Erkern der nach wirtschaftlicher Bedeutung maßgebende Teil des Gebäudes liegt, als gänzlich fernliegend außer Betracht gelassen werden (vgl. auch Brünger, MittRhNotK 1987, 269, 274; Ludwig, DNotZ 1983, 411, 417).“

S. 189 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Sondereigentumsfähigkeit von Heizungsraum und Innenhof? (CH)

Aus dem letzten Jahr ergingen zwei interessante Entscheidungen zur Sondereigen-tumsfähigkeit, zum einen zur schon viel diskutierten Frage des Heizungsraumes, zum anderen für Innenhöfe im Erdgeschoß, etwa bei Atriumhäusern.

1. Sondereigentumsfähigkeit eines Heizungsraums (OLG Bremen, 28.4.2016 - 3 W 28/15)

a) Allgemein

Soll ein bisheriges Einfamilienhaus in zwei oder drei Wohnungseigentumseinheiten aufgeteilt werden, stellt sich manchmal das Problem, dass man keinen eigenen Heizungsraum hat – oder dass der Heizungsraum nicht von einem gemeinsamen Flur (oder sonst von allen Einheiten) zugänglich ist.

Die gemeinsame Heizung ist zwingend Gemeinschaftseigentum (§ 5 Abs. 2 WEG).

– Damit ist auch der Heizungsraum grundsätzlich Gemeinschaftseigentum. – Ausnahmen lassen Rechtsprechung und Literatur dann zu, wenn der Raum zwar

auch als Heizung dient, aber primär anderen Zwecken.

– Ist der Heizungsraum Gemeinschaftseigentum, so ist auch der Zugang dazu zwingend Gemeinschaftseigentum.

Schon seit längerem wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen sich die Heizung bei kleinen Anlagen mit zwei, drei Wohnungseigentumseinheiten ausnahmsweise in einem Sondereigentumsraum befinden könne.213

Alle solchen – möglichen - Ausnahmen sind aber mit Vorsicht zu genießen: Auch wenn das Grundbuchamt die Aufteilung einträgt, ist man noch nicht über den Berg. Sollte später ein Gericht der Auffassung sein, dass der Heizungsraum – und auch der Zugang dazu – doch zwingend Gemeinschaftseigentum sind, fehlt der betreffenden Wohnung plötzlich ein Raum und – schlimmer noch – der Flur.

Vorsorglich sollte man daher (bedingt) ein Sondernutzungsrecht an diesen Räumen bestellen, falls sich die Bestimmung als Sondereigentum unwirksam wäre. Und es bleibt die praktische oder Schlüsselfrage: Was macht der andere Wohnungs-eigentümer, wenn die Heizung über die Weihnachtsfeiertage ausfällt und der Eigen-tümer, in dessen Wohnung sich die Heizung befindet, über die Feiertage in Urlaub gefahren ist (und, muss man hinzusetzen, es ausnahmsweise schon Weihnachten kalt ist)? Ist dann irgendwo ein Schlüssel hinterlegt (ggf. im verschlossenen Umschlag).

b) OLG Bremen, Beschl. v. 28.4.2016 - 3 W 28/15

Im Fall des OLG Bremen gab es keinen Heizungsraum, sondern die gemeinsame Heizung war im Badezimmer einer der beiden Einheiten untergebracht. Das OLG Bremen ließ dennoch die Bestimmung des Badezimmers zu Sondereigentum zu.

213 Vgl. DNotI-Gutachten, DNotI-Report 1997, 17.

S. 190 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

OLG Bremen, Beschl. v. 28.4.2016 - 3 W 28/15,

MDR 2016, 1258 = RNotZ 2016, 482 = ZMR 2016, 716,

Sondereigentumsfähigkeit eines Heizungsraums

Der Teilung eines Grundstücks in zwei Wohneinheiten steht nicht § 5 WEG ent-gegen, wenn in dem Raum, der nach dem Aufteilungsplan ein im Sondereigentum stehendes Badezimmer ist, zugleich die gemeinschaftliche Heizungsanlage unterbracht ist. Den schutzwürdigen Belangen der anderen Sondereigentümer wird durch die Gestattungspflicht in § 14 Nr. 4 WEG Rechnung getragen. Diese kann durch Vereinbarung oder in der Teilungserklärung erweitert werden

Das OLG Bremen argumentierte:

– Die Heizung ist zwingend Gemeinschaftseigentum.

(Rn. 13) „Nach § 5 Abs. 2 WEG sind Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, nicht Gegenstand des Sondereigentums, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden. Die streitgegenständliche Heizung stellt zweifellos eine Anlage dar, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dient.

– Deshalb muss aber der Raum, in dem sich die Heizung befindet, noch nicht zwingend Gemeinschaftseigentum sein.

Ein Raum, der eine Gemeinschaftseinrichtung beherbergt, muss seinerseits nicht zwingend Gemeinschaftseigentum sein, denn anderenfalls ergäbe § 5 Abs. 2 letzter Halbs. WEG keinen Sinn (OLG Schleswig, Beschl. v. 06.03.2006, 2 W 13/06, Rdnr. 19, zitiert nach Juris). Bleibt nämlich eine dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienende Anlage selbst dann Gemeinschaftseigentum, "wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume" befindet, so folgt daraus, dass die Zuordnung solcher Räume zum Sondereigentum jedenfalls nicht ausgeschlossen ist (OLG Schleswig, a.a.O.).

– Der BGH und mehrere Obergerichte haben eine Ausweisung als Sondereigentum zugelassen, wenn der Raum auch noch anderen Zwecken dient.

Der BGH hat bereits in einer Entscheidung vom 02.02.1979 entschieden, dass Sondereigentum an dem eine gemeinschaftliche Anlage beinhaltenden Raum vor allem dann in Betracht kommen könne, wenn der Raum nicht ausschließlich demselben Zweck wie die Anlage diene (BGH, Urt. v. 02.02.1979, V ZR 14/77, Rdnr. 31, zitiert nach Juris; so auch OLG Schleswig, a.a.O.). Ob der Raum, in dem die zentrale Heizungsanlage eines Objektes untergebracht ist, allein der Energieversorgung oder auch noch anderen Zwecken dient, bestimmt sich in erster Linie nach den Nutzungsangaben in dem der Teilungserklärung anliegenden Aufteilungsplan. Sofern diese nicht als verbindlich anzusehen sein sollten, ist maßgebend, ob der Raum nach seiner Art, Lage und Beschaffenheit, insbesondere auch seiner Größe, objektiv geeignet ist, neben der Unterbringung der Heizungsanlage noch andere, zumindest annähernd gleichwertige Nutzungszwecke zu erfüllen. Untergeordnete oder lediglich periphere Nutzungsmöglichkeiten müssen indes außer Betracht bleiben; sie vermögen den Charakter des Raums als Heizungsraum nicht in Frage zu stellen. Eine subjektive, allein am Nutzungswillen des betroffenen Sondereigentümers orientierte Sichtweise erscheint nicht sachgerecht. Sie würde diesem gestatten, die in der Teilungserklärung erfolgte fälschliche Zuordnung des Raums zum Sondereigentum durch eine wie auch immer geartete sekundäre Nutzung zu manifestieren. Womöglich könnte er den Mangel der Teilungserklärung bereits dadurch heilen, dass er in den Ecken und Nischen des Heizungsraums - eben dort, wo gerade noch Platz ist - Gegenstände wie Kisten, Kartons oder Fahrräder abstellt (zum Ganzen: OLG Schleswig, a.a.O.). Auch das Bayrische Oberste Landesgericht hat in einer Entscheidung, die das Grundbuchamt im Aufklärungsbeschluss vom 14.09.2015 heranzieht, eine

S. 191 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Ausnahme von seiner grundsätzlich angenommenen Pflicht zur Begründung von Gemeinschaftseigentum angenommen, wenn der Raum nicht ausschließlich demselben Zweck wie die Anlage dient und dabei maßgeblich auf den Aufteilungsplan abgestellt (Beschl. v. 25.03.1992, 2Z BR 1/92, Rdnr. 13, zitiert nach Juris).

– Hier war die Heizung – ein kleiner Boiler – im Bad mit gut 8 qm untergebracht.

Vorliegend ist nach dem insoweit maßgeblichen Aufteilungsplan der Raum, in dem die Heizung untergebracht ist, ein Bad. Auch die Größe der Heizung, die nach den Ausführungen in der Beschwerde das Ausmaß eines größeren Reisekoffers habe, im Verhältnis zur Raumgröße (8,24 qm), lässt eine Nutzung als Bad unproblematisch zu. Die Heizung ist somit für den Raum, in dem sie untergebracht ist, nicht prägend. Etwas anderes könnte gelten, wenn in einem Heizungsraum die Anlage den erheblichen Teil des Raumes einnimmt (so etwa im Fall des OLG Schleswig, a.a.O.: Dort mit Hinweis darauf, dass sich bei einer Nutzung als Wohn- oder Gewerberaum, z.B. als Arbeitszimmer oder Büroraum, eine andere Beurteilung ergeben könnte) oder wenn in dem Raum das Heizöl gelagert wird.

– Auch das OLG Bremen sieht, dass man regeln sollte, wie der andere Wohnungseigentümer erforderlichenfalls an die Heizung kommt. Das Gesetz sieht zwar eine Gestattungspflicht vor. Das nutzt aber wenig, wenn man keine praktische Regelung findet.

Den schutzwürdigen Belangen der anderen Sondereigentümer wird bereits durch die Gestattungs-pflicht in § 14 Nr. 4 WEG Rechnung getragen. Diese Gestattungspflicht kann aber auch durch Vereinbarung oder in der Teilungserklärung erweitert werden (für Eigentumsanlage mit zwei Wohneinheiten: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.04.1998, 5 W 161/97, Rdnr. 24, zitiert nach Juris: für Gas- und Wasseranschlüsse sowie Wasseruhren in einem Kellerraum; vgl. LG Duisburg, Urt. v. 07.06.2013, 2 O 334/12, zitiert nach Juris: für Gas- und Wasseranschluss sowie Wasseruhren, Strom- und Telefonanschluss). Dies gilt entsprechend auch für die Zugangswege zu dem Raum, in dem sich die Heizung befindet (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.).

c) Vereinbarkeit mit der BGH-Rechtsprechung?

Ob die Entscheidung des OLG Bremen so vom BGH akzeptiert würde, ist fraglich.

Denn der BGH hatte entschieden:

BGH, Urt. v. 05.07.1991 - V ZR 222/90, DNotZ 1992, 224 = MittBayNot 1992, 41 = NJW 1991, 2909 = Rpfleger 1991, 454

Zugangsraum zu zentralen Versorgungseinrichtungen ist nicht sondereigentumsfähig

Ein Stellplatz und ein Verbindungsflur, die den einzigen Zugang zur gemein-schaftlichen Heizanlage und zu den zentralen Versorgungseinrichtungen des Hauses darstellen, können nicht Gegenstand des Sondereigentums sein.

Nimmt man das ernst, kann der Heizungsraum nie sondereigentumsfähig sein.

d) Hauswasseranschluss in Kellerraum als Mangel des Sondereigentums

Nur am Rande sei hingewiesen auf:

OLG Bremen, Urt. v. 12.12.2014 - 2 U 54/14, ZfIR 2015, 165 = ZWE 2015, 170

Befinden sich Hauswasseranschluss und Hauptwasserzähler in einem Kellerraum, der zum Sondereigentum eines Wohnungseigentümers gehört, so stellt dies in der Regel

S. 192 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

keinen Mangel am Gemeinschaftseigentum dar. Hingegen kann mit dieser baulichen Situation ein Mangel am Sondereigentum gegeben sein.

2. Sondereigentumsfähigkeit eines nicht überdachten Innenhofs (OLG Hamm, 5.1.2016 - 15 W 398/15)

Neu und daher vielfach veröffentlicht sind Problem und Entscheidung des OLG Hamm: Kann ein Atriumhof Sondereigentum sein? Ja, sagt das OLG Hamm, weil der Atriumhof nichts anderes als ein ebenerdiger Balkon ist. Er liegt im Freien, aber außer einem Sondereigentümer kann kein anderer hin (außer mit Leiter o.ä.).

OLG Hamm, Beschl. v. 5.1.2016 - 15 W 398/15,

DNotZ 2016, 622 = FGPrax 2016, 109 = MittBayNot 2016, 397 = NJW-RR 2016, 907 =

RNotZ 2016, 166 = Rpfleger 2016, 403

Sondereigentumsfähigkeit eines nicht überdachten Innenhofs

Es kann Sondereigentum an einem nicht überdachten Innenhof begründet werden, der von Räumen umschlossen ist, die im Sondereigentum stehen

(Rn. 31) „Es erscheint vielmehr angemessen und sachgerecht, jedenfalls für solche rundherum von Gebäudeteilen eingeschlossenen und nur aus einem Wohnungs- bzw. Teileigentum zugänglichen Innenhöfe die Sondereigentumsfähigkeit trotz fehlender Überdachung in gleicher Weise zu bejahen, wie es in der überwiegenden Rechtsprechung seit längerem für Balkone (vgl. nur OLG München FGPrax 2011, 181), für Dachterrassen (LG München RPfleger 1969, 245; OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 178; OLG Köln Rpfleger 1976, 185; LG Schwerin ZMR 2009, 401) und in Teilen der Rechtsprechung sogar für ebenerdige Terrassen (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; KG FGPrax 2015, 107; ablehnend aber OLG Köln RPfleger 1982, 278; LG Landau NJW-RR 2011, 1029; vgl. auch OLG Düsseldorf FGPrax 2009, 151) mittlerweile der Fall ist. Dabei ist der jeweilige rechtliche Ansatz unterschiedlich: Teilweise wird die Raumeigenschaft ohne nähere Begründung ausdrücklich bejaht (beispielsweise OLG Frankfurt a.a.O., vgl. auch in einem obiter dictum BGH NJW 1985, 1551). Teilweise wird unter Verweis auf die Regeln der Zuordnung der Gebäudeteile zum Gemeinschafts- oder Sondereigentum gemäß §§ 93 f BGB, 5 WEG darauf abgestellt, dass bei Balkonen, Dachterrassen u.ä. nur der jeweils nutzbare Innenbereich, nicht aber die konstruktiven Bauteile zum Sondereigentum gehöre (LG München a.a.O., OLG Köln Rpfleger 1976, 185; vgl. auch OLG München FGPrax 2011, 281). Andere Gerichte stellen darauf ab, dass im Falle der alleinigen Erreichbarkeit durch die im Sondereigentum stehende Wohnung der Balkon bzw. die Dachterrasse „die räumliche Abgeschlossenheit der mit ihr verbundenen Sondereigentumseinheit teilt“ (LG Schwerin, a.a.O.).

Ich halte die Entscheidung für richtig. Der Unterschied zur Terrasse liegt darin, dass die Terrasse vom Gemeinschaftseigentum Garten aus tatsächlich frei zugänglich ist (auch wenn nicht jeder dort hingehen darf). Der Terrasse fehlt also schon die seitliche Begrenzung.

In den Innenhof kommt man hingegen – wie auf einen Balkon – auf normalem Weg nur durch die berechtigte Wohnungseigentumseinheit. Der Innenhof ist auf allen Seiten baulich begrenzt. Ihm fehlt nur das Dach – wie bei einem Balkon oder einer Dachterrasse. Der Innenhof ist daher nichts anderes als eine Dachterrasse oder ein Balkon, der auf Höhe des Erdgeschoßes liegt.

S. 193 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

III. Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Grundstück erwerben (K)

BGH, Urt. v. 18.03.2016 - V ZR 75/15, MittBayNot 2016, 494 (m. Anm. Kreuzer) = NJW 2016, 2177 = Rpfleger 2016, 466 = ZfIR 2016, 459 = notar 2016, 338 (m. Anm. Jeep).

1. Einleitung

Die (Teil)-Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigt uns in dieser Veranstaltung bereits seit langem. Schon 2009 und 2010 haben wir uns mit dieser Frage beschäftigen müssen, damals noch ganz zu Anfang der Diskussion um das reformierte WEG.214 Die schon damals getroffene Feststellung, dass die Gemeinschaft, so diese nicht auf ihre absoluten Kernkompetenzen beschränkt bleiben solle, faktisch umfassend im Rechtsverkehr auftreten könne,215 hat sich bewahrheitet.

Der BGH hatte nun einen Fall vorliegen, in dem ein Wohnungseigentümer den Beschluss angriff, ein Grundstück durch die Gemeinschaft zu erwerben. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Fallgestaltung

Bei Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum waren nur für einen Teil der Wohnungen Stellplätze auf dem Grundstück gebildet worden. Der weit überwiegenden Zahl von Wohnungen wurde ein PKW-Stellplatz auf dem Nachbargrundstück, das ebenfalls der teilenden Eigentümerin gehörte, zugeordnet. Diese Stellplätze sollten durch Grunddienstbarkeiten gesichert werden, was aber nicht geschah und in der Teilungserklärung216 auch geändert wurde. Begründet wurde nur eine Baulast, wonach die 25 Stellplätze der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfügung stehen. Seither werden die Stellplätze durch die Wohnungseigentümer genutzt. Nach Veräußerung des Nachbargrundstücks forderte die neue Eigentümerin von der Wohnungseigentümergemeinschaft für die Vergangenheit in unverjährter Zeit eine Nutzungsentschädigung und bot ihr den Kauf der für die Stellplätze genutzten Teilfläche zu einem Preis von 75.000,-- € oder den Abschluss eines Mietvertrages mit einem Mietzins zu 750,-- € monatlich an.

Daraufhin fasste die Eigentümergemeinschaft den Beschluss, das Grundstück zum Kaufpreis von € 75.000,-- mangelfrei für die Gemeinschaft zu erwerben und dem

214 Kesseler, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2008/2009, S. 92ff. 215 So ganz früh auch schon Wenzel, ZME 2006, 7; ders., in: Bärmann, WEG, § 10 Rn. 208; Merle, in: Bärmann, WEG, § 27 Rn. 226; Suilmann ZWE 2008, 115. 216 Der BGH spricht insoweit von Teilungserklärung, da es sich aber um Sondernutzungsrechte handelt, muss es richtig Gemeinschaftsordnung heißen.

S. 194 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Verwalter die Ermächtigung zu erteilen, den Kaufvertrag abzuschließen. Der Kaufpreis sollte durch Sonderumlage finanziert werden, wobei sich alle Einheiten zu 15% und die tatsächlichen Nutzer der Stellplätze zu 85% am Kaufpreis beteiligen sollten.

Eine Eigentümerin klagte gegen den Beschluss.

Dem BGH stellten sich für die Entscheidung eine ganze Reihe von Fragen:

2. Stellt der Erwerb von Grundbesitz eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen dar?

Die Revision hatte zunächst gerügt, der Erwerb von Grundstücken durch die Gemeinschaft verstoße gegen deren Beschlusskompetenz, weil es sich dabei um eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft handele.

Dem tritt der V. Senat klar entgegen. Zwar sei es im Grundsatz richtig, dass ein Eigentumswechsel nicht durch Beschluss geregelt werden könne, sondern als Grundverhältnis der Auflassung bedarf. Änderungen der sachenrechtlichen Grundlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft stellen eben keine Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG dar.

Hier gehe es aber gerade nicht um die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft, also die Eigentumsposition, die die Mitgliedschaft eines jeden Miteigentümers in der Gemeinschaft begründet, sondern um den Erwerb von Grundstückseigentum durch die Gemeinschaft als Verband. Begründet werde dadurch kein neues Gemeinschaftseigentum, sondern Eigentum des Verbandes.217

Der BGH weist allerdings ergänzend darauf hin, dass die Begründung von Sondernutzungsrechten an der gekauften Fläche, so wie dies ursprünglich vorgesehen war, nur durch Vereinbarung der Miteigentümer möglich ist – dies ist nicht möglicher Regelungsgegenstand der Gemeinschaft.218

3. Trägt die Rechtsfähigkeit des Verbands der Wohnungseigentümer die Möglichkeit, Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte für den Verband zu erwerben?

217 So schon Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl., § 10 Rdnr. 225; Wilsch, RNotZ 2005, 536, 540; Hügel, DNotZ 2005, 753, 773; Häublein, ZWE 2007474, 483; Schneider, Rpfleger 2007, 175, 176. 218 Dazu BGH, Beschluss v. 20.9.2000 –V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = DNotZ 2000, 854.

S. 195 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Während die erste Frage noch Selbstverständliches behandelte, ist die vom BGH nunmehr beantwortete Frage, ob die Beschlusskompetenz der WEG auch den Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft erfasst, wegweisend.

Das betrifft zum einen das „ob“ und zum zweiten das „auf welcher rechtlichen Grundlage“.

Die mittlerweile fast einhellige Auffassung ist sich nach anfänglichen Zweifeln219 einig, dass der Verband der Wohnungseigentümer im Grundsatz in der Lage ist, auch Grundbesitz zu erwerben.220 Dem schließt sich der BGH nun ausdrücklich an.

Interessant ist angesichts dabei weniger die Tatsache, der Anerkennung der Möglichkeit des Erwerbs von Grundeigentum durch die Gemeinschaft – was letztlich durch die praktisch einhellige Auffassung und die in der Praxis bereits erfolgten Erwerbe vorgeprägt war. Interessant sind die vom BGH eingeschlagenen Schritte der Begründung.

(1) Schritt 1: Die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft ergibt sich direkt aus §

20 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 und 3 WEG, weil dort vorgesehen ist, dass die Verwaltung „soweit nicht gesetzlich oder durch Vereinbarung etwas anderes bestimmt ist, den Wohnungseigentümern zusteht, wobei diese nach § 21 Abs. 3 WEG - soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch eine Vereinbarung geregelt ist - durch Stimmenmehrheit beschließen können. Der Begriff der Verwaltung im Sinne von § 21 WEG ist weit zu verstehen.“221

(2) Schritt 2: Das Verwaltungsvermögen, auf das sich die Beschlusskompetenz

beziehe, sei nach § 10 Abs. 7 WEG definiert als „aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten.“222 Das Gesetz sehe dabei ausdrücklich die Möglichkeit des auch rechtsgeschäftlichen Erwerbers von Vermögen vor, wobei nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden werde.

219 LG Heilbronn, Beschluss v. 30.1.2007 - 1 T 7/07, ZMR 2007, 649 f.; LG Hannover, Beschluss v. 3.7.2007 - 3 T 35/07, ZMR 2007, 893, stark zweifelnd auch LG Nürnberg-Fürth: Beschluss v. 19.6.2006 - 11 T 4131/06, ZMR 2006, 812, 813; Demharter, NZM 2005, 601, 602. 220 Siehe dazu die umfangreichen Nachweise in der Entscheidung unter Rz. 24. 221 Rz. 26 des Urteils. 222 Rz. 26 des Urteils.

S. 196 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(3) Schritt 3: Die Beschlussfähigkeit entspricht dem Umfang nach der Rechtsfähigkeit. In dem Umfang, wie § 10 Abs. 6 S. 1 WEG der Gemeinschaft die Rechtsfähigkeit zuerkenne, sei diese auch kompetent Rechte zu erwerben und folgerichtig auch über deren Erwerb zu beschließen. Da es eine erkennbare gesetzliche Beschränkung nicht gebe, sei damit auch die Möglichkeit eröffnet, Grundbesitz zu erwerben.223 Faktisch besteht damit wohl eine uneingeschränkte Beschlusskompetenz, die nur im Innenverhältnis überprüfbar ist, nicht jedoch im Außenverhältnis Wirkung entfaltet.

Die für die Grundstückpraxis entscheidende Aussage findet sich dann am Ende von Rz. 27 des Urteils:

„In diesem Rahmen kann die Wohnungseigentümergemeinschaft auch Immobiliareigentum erwerben. Im Hinblick auf den weiten Verwaltungsbegriff und das Erfordernis des Schutzes des Rechtsverkehrs wird es an der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nur fehlen, wenn es sich offenkundig nicht um eine Verwaltungsmaßnahme handelt. Hiervon kann vorliegend keine Rede sein.“

Wie an dieser Stelle schon 2010 festgehalten224 lässt es der Schutz des Rechtsverkehrs nicht zu, den Begriff der Teilrechtsfähigkeit (außer in den krassen Fällen der Offenkundigkeit des Missbrauchs) als tatsächlich die Rechtsfähigkeit beschränkend auszulegen. Dies hätte sonst zur Einführung von ultra vires in den deutschen Rechtsraum geführt – ein uns völlig fremdes Konstrukt. Der BGH hat mit der Entscheidung dem gesetzgeberischen Wankelmut (anders lässt sich „Teilrechtsfähigkeit“ nicht begründen) einen klaren Orientierungspfeiler zur Seite gestellt. Offenkundige Zweckwidrigkeiten lassen auch bei unbeschränkt rechtsfähigen Subjekten den Verkehrsschutz entfallen.

Festgehalten werden kann also:

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist im Rechtsverkehr faktisch vollgeschäftsfähig.

4. Beurkundungsbedürftigkeit des Beschlusses

Die von der Revision geltend gemachte Unwirksamkeit des Beschlusses aufgrund fehlender notarieller Beurkundung weist der BGH mit schneller Begründung zurück:

223 Rz. 27 des Urteils. 224 Damals in Reaktion auf die in dieser Hinsicht unklaren Entscheidungen OLG Hamm v. 20.10.2009 - I-15 Wx 81/09 -, NZM 2009, 914; OLG München, vom 22.01.2010 - 34 Wx 125/09, BeckRS 2010, 2251.

S. 197 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der Beschluss stelle bloß die interne Willensbildung der Gemeinschaft dar und begründe keine Pflicht zum Erwerb oder der Veräußerung von Grundbesitz, sodass § 311b BGB nicht anwendbar sei.

Auch die Ermächtigung des Verwalters zum Erwerb könne allenfalls dann beurkundungsbedürftig sein, wenn diese unwiderruflich sei. Ansonsten teilten Vollmachten nach § 167 Abs. 2 BGB nicht die Form des Geschäfts.

5. Entspricht der Beschluss zum Erwerb der Fläche ordnungsmäßiger Verwaltung

Nachdem der BGH die grundsätzliche Zulässigkeit der Beschlussfassung festgehalten hatte, blieb noch die im Rahmen der Beschlussanfechtung zu klärende Frage der Ordnungsmäßigkeit.

Der BGH stellt zunächst die in der Rechtsprechung und Literatur bislang erwogenen Kriterien zur Bestimmung der Ordnungsmäßigkeit eines Erwerbs dar

„Erhaltung, Sicherung, Verbesserung oder zur gewöhnlichen Nutzung des Gemeinschaftseigentums oder des Verwaltungsvermögens,“225

„räumlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Gemeinschaft,“226 „Möglichkeit weniger weit reichender Maßnahmen,“227 „Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stehen oder durch eine

Sonderumlage,“228 „allen Wohnungseigentümern zugutekomme oder nur einem mehr oder weniger

großen Kreis.“229

Im vorliegenden Fall brauche es keiner besonderen Entscheidung, ob und welche der Kriterien Anwendung finden müssen. Das hier betroffene Grundstück werde eben schon seit Jahren von der Gemeinschaft genutzt und sei für die baurechtliche Zulässigkeit wegen der bestehenden Stellplatzbaulast von erheblicher Bedeutung. Kaufpreis und alternative Miete stünden in einem solchen Verhältnis, dass der Kauf sachgerecht erscheine.

225 OLG Hamm, Beschluss v. 20.10.2009 - 15 Wx 81/09, NJW 2010, 1464, 1466; OLG Hamm, Beschluss v. 12.8. 2010 - 15 Wx 63/10, NJW 2010, 3586, 3587; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn. 33; Hügel/Elzer, WEG, § 10 Rn. 224; Riecke/Schmid/Lehmann-Richter, WEG, 4. Aufl., § 10 Rn. 21. 226 BeckOK WEG/Dötsch, 25. Edition, § 10 Rn. 456; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 10 Rn. 67a 227 Basty, ZWE 2009, 253, 256 f.; BeckOK WEG/Dötsch, 25. Edition, § 10 Rn. 457 228 Basty, ZWE 2009, 253, 257. 229 BeckOK WEG/Dötsch, 25. Edition, § 10 Rn. 456; Abramenko, ZWE 2010, 193, 194; Basty, ZWE 2009, 253, 257.

S. 198 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Schließlich hält der BGH auch fest, dass die Beschlusskompetenz nach § 21 Abs. 7 WEG auch zur entsprechenden Entscheidung über das ob und die Verteilung der Lasten, insbesondere auch einer Sonderumlage berechtige. Die hier beschlossene Verteilung sei sachgerecht.

6. Wie erfolgt eine wirksame rechtsgeschäftliche Betätigung?

Für die notarielle Praxis schließt sich logisch an die vom BGH beantworteten Fragen eine wesentliche Folgefrage an:

Wie kann die Gemeinschaft nach außen handeln?

a) Handeln durch den Verwalter

Der Verband der Wohnungseigentümer kann nach außen durch Mitwirkung all seiner Mitglieder handeln, was gerade auch bei kleinen Gemeinschaften möglich und praktisch ist. Praktisch von größerer Relevanz ist aber die Möglichkeit, durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft den Verwalter nach § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG zur Vornahme von sonstigen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen zu bevollmächtigen.

Bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts für die Gemeinschaft muss der Verwalter danach sowohl

- seine Vertretungsmacht, als auch

- seine Verwaltereigenschaft

nachweisen.

Der Kanon der dem Verwalter gesetzlich zugeordneten Vertretungsmacht in § 27 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 WEG, setzt diesen in die Lage, praktisch alle Geschäfte der laufenden Verwaltung für die Gemeinschaft vorzunehmen.

Bei den hier in Rede stehenden Geschäften des Erwerbs von Grundvermögen für die Wohnungseigentümergemeinschaft ist keine der gesetzlich direkt zugeordneten Vertretungsbefugnisse des Verwalters gegeben. Im Grundsatz liegt die Vertretungsmacht damit bei der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzer, d.h. vertreten durch alle Mitglieder. Die Vertretungsmacht kann dem Verwalter nur nach § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer bzw. durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeräumt werden.

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b) Nachweis der durch Beschluss erteilten Vertretungsmacht

Beruht die Einräumung der Vertretungsmacht an den Verwalter auf einem Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, muss das Vorliegen dieses Beschlusses für den grundbuchlichen Vollzug nachgewiesen werden.

- Bei strenger Betrachtung bedürfte es dazu der notariellen Niederschrift des Beschlusses, da ansonsten nicht die Form des § 29 GBO gewahrt werden kann.

- Die herrschende Auffassung lässt für den grundbuchverfahrensrechtlichen Nachweis von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft allerdings die Nachweiseerleichterung des § 26 Abs. 3 WEG, die Nachweiserleichterung für die Verwalterbestellung, eingreifen. Um nicht die Möglichkeit der Vollmachtserteilung durch Beschluss in der Praxis zu entwerten, dürfte es angezeigt sein, auch für den grundbuchlichen Nachweis der Vollmacht die in § 26 Abs. 3 vorgesehene Form ausreichen zu lassen.230

Der formelle Nachweis der Vertretungsmacht gegenüber dem Grundbuchamt zur Erreichung der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Umgekehrt muss sich auch der Vertragspartner im Hinblick auf die materielle Wirksamkeit der vom Verwalter abgegebenen Erklärungen auf das Bestehen der Vertretungsmacht verlassen können.

Beruht die Vertretungsmacht auf einem Beschluss i. S. d. § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG, sieht sich der Vertragspartner mit dem Problem konfrontiert, die Wirksamkeit des Beschlusses selbst überprüfen zu müssen. Die Nachweiserleichterung gegenüber dem Grundbuchamt kann insoweit nicht in Anspruch genommen werden, da § 26 Abs. 3 WEG nur die Notwendigkeit der Vorlage anderer öffentlicher Urkunden beseitigt.

In der Literatur finden sich zwar Überlegungen dazu, dass bei einer Unwirksamkeit des von der Wohnungseigentümergemeinschaft gefassten Vertretungsbeschlusses

- die Regeln des § 172 BGB angewendet werden können,

- Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht, oder

- die analoge Anwendung des § 32 FGG

zum Tragen kommen können.231

230 OLG Hamm, Beschluss v. 20.10.2009 - 15 Wx 81/09, NZM 2009, 914; Göhmann DNotZ 2012, 251 (271); Schneider Rpfleger 2007, 175 (177); Merle/Becker, in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz 13. Auflage 2015, § 27 Rn. 320a. 231 Suilmann, ZWE 2008, 119 f.

S. 200 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Dies erscheint mir angesichts der Möglichkeit, eine Vollmacht zu erteilen und des immer insoweit gesetzlich gerade nicht geregelten Vertrauensschutzes äußerst gefährlich.232

Materiellrechtlich erscheint es am sichersten, wenn dem Verwalter für die Vornahme des Rechtsgeschäftes eine Vollmacht im Sinne des § 27 Abs. 6 erteilt wird. Zweck dieser Vollmacht ist es, den Verwalter als handlungskompetent auszuweisen. Für diese Vollmacht gelten dann die Bestimmungen des § 172 BGB.233 Dies muss zum Schutz des Rechtsverkehrs auch dann gelten, wenn der zugrundeliegende Beschluss rechtsunwirksam (geworden) ist. Ansonsten machte die Bestimmung über die Vollmacht nach § 27 Abs. 6 WEG keinen Sinn. Soll die Vertretungsmacht sogar über das Ende der Verwalterstellung hinaus gelten, dann muss diese auch bei aufgrund Anfechtung unwirksam gewordenen Beschluss dem Dritten gegenüber wirksam bleiben.

Sicher ist eine Vollmacht ohne Zweifel dann, wenn diese entsprechend dem Wortlaut des § 27 Abs. 6 von den, also allen, Wohnungseigentümern unterzeichnet ist. Sind deren Unterschriften öffentlich beglaubigt, ist diese Vollmacht auch grundbuchtauglich. Sollte eine Unterzeichnung allerdings nicht von allen Wohnungseigentümern unterzeichnet werden, was gerade bei größeren Anlagen die Regel sein wird, und bei bloß mit Mehrheit gefassten Beschlüssen praktisch auch nicht anders zu erreichen sein wird, ist die Anwendung des § 27 Abs. 6 WEG ungewiss.

Ein Teil der Literatur spricht sich dafür aus, dass in den Fällen, in denen die Wohnungseigentümer von der Möglichkeit des § 27 Abs. 3 S. 3 WEG Gebrauch gemacht und „einen oder mehrere Wohnungseigentümer zur Vertretung“ zur Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter ermächtigt haben, allein deren Unterschrift für die Wirksamkeit der Vollmacht auch im Sinne des § 172 BGB ausreiche.234 Das verkennt nach meinem Verständnis die Funktion des § 27 Abs. 3 S. WEG. Bei der Norm geht es darum, die Vertretung der Gemeinschaft auch in den Fällen sicher zu stellen, in denen kein Verwalter bestellt ist. Dies ergibt sich aus dem vorstehenden Satz 2 der Norm.

232 So auch Dötsch, jurisPR-MietR 11/2016 Anm. 5. 233 BGH, Urteil vom 20.2.2014 – III ZR 443/13, BGHZ 200, 195 = DNotZ 2014, 444 (dort Rz. 18); Merle/Becker, in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz 13. Auflage 2015, § 27 Rn. 320c; Palandt/Wicke, 76. Aufl. 2017, WEG § 27 Rn. 33; Knop, in: Beck'scher Online-Kommentar WEG, 29. Edition (Stand: 01.12.2016), § 27 Rn. 375; Engelhardt, in: Münchener Kommentar zum BGB 7. Auflage 2017, § 27 Rn. 58; Schmid NJW 2012, 2545. 234 So bspw. Palandt/Wicke, 76. Aufl. 2017, WEG § 27 Rn. 33; Merle/Becker, in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz 13. Auflage 2015, § 27 Rn. 319a; Engelhardt, in: Münchener Kommentar zum BGB 7. Auflage 2017, § 27 Rn. 59; Knop, in: Beck'scher Online-Kommentar WEG, 29. Edition (Stand: 01.12.2016), § 27 Rn. 375.

S. 201 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Man kann darüber nachdenken, ob diesen so benannten Personen eine Vollmacht nach § 27 Abs. 6 WEG erteilt werden kann, nicht jedoch, dass diese Personen selbst dem Verwalter, an dessen Stelle sie handeln, eine Vollmacht erteilen.235

Solange Wohnungseigentümergemeinschaften nur als Käufer am Markt auftreten und diese nicht im Verbandsvermögen stehende Grundstücke veräußern, wird die Praxis mit dem Risiko leben können, das sich aus der etwaigen Unwirksamkeit der Vollmacht ergibt. Sobald aber einmal eine WEG als Veräußerer von Grundbesitz auftritt, sollte auf das Vertretungsproblem eingehend hingewiesen werden.

235 Kritisch deshalb zu Recht Dötsch, jurisPR-MietR 11/2016 Anm. 5; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Auflage 2014 § 27 Rn. 87; Jennißen/Heinemann, 4. Auflage 2014, § 27 Rn. 162.

S. 202 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. Anwendbarkeit von § 878 BGB bei Erhaltungssatzungen nach § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB (SH)

1. Funktion des § 878 BGB

Rechtsänderungen in Gestalt einer Verfügung über ein Grundstück, über ein grundstücksgleiches Recht und über ein Recht an einem solchen Recht (§§ 873, 875, 877 BGB) erlangen grundsätzlich nur dann Wirksamkeit, wenn der Verfügende im Zeitpunkt der seiner dahingehenden Willenserklärung (in aller Regel) nachfolgenden, die Rechtsänderung verlautbarenden Eintragung im Grundbuch noch verfügungsbefugt ist. Obwohl die Beteiligten alles aus ihrer Sphäre für die Herbeiführung der Rechtsänderung Notwendige veranlasst und auf die Zeitdauer bis zur konstitutiven Eintragung keinen Einfluss haben, kann die Verfügung scheitern, wenn der Verfügende noch vor Eintragung in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt wird.

Der sich aus dem Eintragungsgrundsatz und der sich aus der vom Verfügenden nicht bzw. nur eingeschränkt beherrschbaren Verfahrensdauer ergebenden Gefahr begegnet die Regelung in § 878 BGB, welche nachträgliche Verfügungsbeschränkungen unter bestimmten Voraussetzungen als für die Wirksamkeit der Verfügungserklärung unbeachtlich erklärt.236 Sofern es einen Verfügungsbegünstigten gibt, erlangt dieser jedenfalls dann eine gefestigte Erwerbsaussicht in Gestalt eines echten Anwartschaftsrechts, wenn er selbst den Eintragungsantrag gestellt hat.237

§ 878

Nachträgliche Verfügungsbeschränkungen Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit der §§ 873, 875, 877 abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, dass der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt worden ist.

2. Anwendungsbereich

a) Unmittelbarer Anwendungsbereich

Dem Wortlaut nach erstreckt sich die Regelung des §§ 878 BGB lediglich auf rechtsgeschäftliche Verfügungen im Sinne von §§ 873, 875, 877 BGB.

Die dort normierte Vorverlagerung des für das Vorliegen der Verfügungsbefugnis maßgeblichen Zeitpunkts findet kraft Verweisung in einer Vielzahl weiterer rechtsgeschäftlicher Verfügungen Anwendung, so unter anderem bei

236 Vgl. Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 878 Rn. 1; MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl.

2016, § 878 Rn. 1. 237 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 5.

S. 203 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der Rangänderung, § 880 Abs. 2 S. 1 BGB,

der Beschränkung der Reallast auf ein geteiltes Grundstück, § 1109 Abs. 2 S. 2 BGB,

dem Ausschluss des Hypothekenbriefs, § 1116 Abs. 2 S. 3 HS 2 BGB,

der Teilung einer Gesamthypothek, § 1132 Abs. 2 S. 2 BGB,

der Abtretung einer Buchhypothek, § 1154 Abs. 3 BGB,

dem Verzicht auf eine Hypothek, § 1168 Abs. 2 S. 2,

der Auswechslung einer Forderung bei der Hypothek, § 1180 Abs. 1 S. 2 BGB,

der Bestellung einer Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung gegen den Inhaber, § 1188 Abs. 1 HS 2 BGB,

der Bestellung einer Eigentümergrundschuld, § 1196 Abs. 2 HS 2 BGB sowie

in den Fällen von § 91 Abs. 2 InsO (Ausschluss des Rechtserwerbs an Gegenständen der Insolvenzmasse) und von §§ 3 Abs. 3, 8 Abs. 2, 9 SchiffsRG.

b) Entsprechende Anwendung von § 878 BGB

Es besteht Einigkeit, dass der Anwendungsbereich von § 878 BGB planwidrig nicht auf andere rechtsgeschäftliche Erklärungen des Berechtigten erstreckt wurde, die eine Verfügung enthalten und somit im Falle einer späteren Verfügungsbeschränkung Gefahr laufen, ihre Wirksamkeit zu verlieren. Insoweit ist daher eine analoge Anwendung von § 878 BGB geboten.238

aa) Sonstige Verfügungen mit Wirkung für Dritte

Unumstritten ist die entsprechende Anwendung auf Verfügungen, an denen neben dem Eigentümer noch eine andere Person beteiligt ist, so z.B. die Bestellung und die Aufhebung einer Vormerkung,239 die rechtsgeschäftliche Aufhebung eines Widerspruchs240 und die Aufteilung in Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG.

bb) Eigenverfügungen?

Ob § 878 BGB auch auf Eigenverfügungen entsprechende Anwendung findet, ist umstritten. Konkret geht es insoweit um

die Vereinigung oder Zuschreibung, § 890 BGB;

238 Vgl. nur Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 9; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl.

2017, § 878 Rn. 4; MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2016, § 878 Rn. 23, jew. m.w.N. 239 BGHZ 138, 179, 186; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 9 m.w.N. 240 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 10 m.w.N., auch zur streitigen Frage, ob dies

auch für die Bewilligung eines Widerspruchs gilt.

S. 204 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

die Teilung eines Grundstücks;

die Bestellung von Eigentümerrechten und deren Inhaltsänderung

sowie

die Aufteilung gemäß § 8 WEG.

Während die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum dies bejaht,241 lehnt die Gegenansicht eine entsprechende Anwendung von § 878 BGB mit dem Argument ab, dass es bei Eigenverfügungen lediglich um eine Umschichtung im Vermögen des Verfügenden ohne Beteiligung dritter Erwerber oder Verfügungsbegünstigter gehe und diese auch nicht – wie in § 878 BGB vorausgesetzt – für den Eigentümer bindend würden. Mangels schutzwürdigen Vertrauens eines Begünstigten auf die fortbestehende Verfügungsmacht bestehe kein Bedarf für eine entsprechende Anwendung.242

Teilweise werden allerdings von der Mindermeinung Ausnahmen für den Eigentumsverzicht nach § 928 BGB243 und für das ein Genehmigungserfordernis nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB244 zugelassen.

cc) Grundbucherklärungen

Auf unwiderrufliche Grundbucherklärungen, welche eine verfahrensrechtliche Verfügung über ein grundbuchmäßiges Recht enthalten, ist § 878 BGB ebenfalls entsprechend anwendbar, insbesondere auf jegliche Bewilligung im Sinne von § 19 GBO einschließlich der Berichtigungsbewilligung im Sinne von § 22 GBO. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob die in Rede stehende formell-rechtliche Bewilligungserklärung ein unmittelbar unter § 878 BGB fallendes materiell-rechtliches Pendant hat.245

c) Keine entsprechende Anwendung von § 878 BGB

aa) Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung

Mitunter wird eine entsprechende Anwendung von § 878 auf alle eintragungsbedürftigen Vollstreckungsakte befürwortet, da diese einer

241 LG Leipzig, NotBZ 2000, 342; Erman/Artz, BGB, 14. Aufl. 2014, § 878 Rn. 2; BeckOK-

BGB/Eckert, 39. Edition, § 878 Rn. 4; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 9; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 878 Rn. 4; BeckOGK/Kesseler, BGB, Stand: 1. Mai 2016, § 878 Rn. 48; MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2016, § 878 Rn. 23; NK-Krause, BGB, 4. Aufl. 2016, § 878 Rn. 4; Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl. 2015, § 878 BGB Rn. 3; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2002, § 878 Rn. 2.

242 LG Köln, MittRhNotK 1984, 16, 17 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 113; Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 13 Rn. 9.

243 Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 13 Rn. 9. 244 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3846, 3836. 245 Vgl. Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 11 m.w.N.

S. 205 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

rechtsgeschäftlichen Verfügung gleich stünden.246 Dem ist mit der wohl noch herrschenden Meinung indes zu widersprechen,247 da § 878 BGB historisch allein zum Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs bestimmt war und auch bei heutiger normativer Auslegung darauf abzielt, dem Verfügungsbegünstigten möglichst frühzeitig Rechtssicherheit hinsichtlich seines Erwerbs zu geben, so dass er in die Lage versetzt wird, ohne relevantes Risiko die versprochene Gegenleistung zu erbringen. Ein vergleichbarer Schutzzweck kommt bei Zwangsvollstreckungsakten nicht in Betracht.248

bb) Zustimmung Dritter zu rechtsgeschäftlichen Verfügungen

Ebenfalls nicht entsprechend anwendbar ist § 878 BGB auf eine vom Gesetz geforderte Zustimmung eines Dritten zu einer bestimmten rechtsgeschäftlichen Verfügung über ein Grundstück oder ein Recht an einem Grundstück (unter anderem gemäß §§ 876, 880 Abs. 2 und 3, 1071, 1078 Abs. 2 und 1183 BGB). Insoweit fehlt es bereits an einer Regelungslücke, da die Zustimmung mit Zugang beim Empfangsberechtigten wirksam wird und ein späterer Verlust der Verfügungsbefugnis des Dritten ohne Bedeutung ist.249

cc) Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Verfügenden

An einer Regelungslücke als Voraussetzung einer entsprechenden Anwendbarkeit von § 878 BGB fehlt es ebenfalls im Fall des Todes oder der Geschäftsunfähigkeit des Verfügenden nach Abgabe seiner Willenserklärung, da insoweit §§ 130 Abs. 2 bzw. § 153 BGB eingreifen. Vor Eintritt der Bindungswirkung im Sinne von § 873 Abs. 2 oder § 875 Abs. 2 BGB kommt freilich ein Widerruf durch den Erben bzw. den gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter des Verfügenden in Betracht.250

dd) Verlust der Rechtszuständigkeit für das Verfügungsobjekt

Schließlich scheidet eine entsprechende Anwendung von § 878 BGB auch beim Verlust der Rechtszuständigkeit des Verfügenden für das Verfügungsobjekt aus, da sich der Anwendungsbereich von § 878 BGB bei systematischer Betrachtung (vgl. § 892 BGB) lediglich auf Verfügungsbeschränkungen, und nicht auf den Verlust der Rechtsinhaberschaft erstreckt.251

246 MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2016, § 878 Rn. 27 m.w.N. 247 So u.a. BGHZ 9, 250, 252; KG DNotZ 1962, 400; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012,

§ 878 Rn. 12; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 878 Rn. 4, jew. m.w.N. 248 Zutreffend Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 13. 249 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 16 m.w.N. 250 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 17. 251 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 18 m.w.N.

S. 206 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

d) Verfügungen „besonderer Personen“

aa) Verwalterwechsel nach Zustimmung zur Veräußerung im Sinne von § 12 Abs. 1 WEG

Seit der Entscheidung des V. Zivilsenats vom 11.10.2012 (V ZB 2/12) ist geklärt, dass die Zustimmung des WEG-Verwalters zur Veräußerung von Wohnungseigentum gemäß § 12 Abs. 1 und 3 WEG auch dann wirksam bleibt, wenn die Bestellung des Verwalters vor dem im § 878 BGB genannten Zeitpunkt endet.252

bb) Verlust der Stellung als Partei kraft Amtes

Demgegenüber ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob § 878 BGB auch auf Verfügungen eines Verwalters kraft Amtes (insbesondere Insolvenz Verwalter, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter) entsprechende Anwendung findet.

Da die Partei kraft Amtes ihre Rechtsstellung vom Rechtsinhaber ableitet, dem insoweit die Verfügungsbefugnis fehlt, ist eine entsprechende Anwendung von § 878 BGB jedenfalls in den Fällen geboten, in denen – wie im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 878 BGB – eine nachträgliche Verfügungsbeschränkung gegen den Rechtsinhaber oder den Verwalter verhängt wird (z.B. Erlass einer einstweiligen Verfügung in Gestalt eines Veräußerungsverbots).253

Umstritten ist jedoch, ob eine entsprechende Anwendung von § 878 BGB auch in den Fällen in Betracht kommt, in denen die Partei kraft Amtes ihre Amtsstellung vor Vollendung des Rechtserwerbs, aber nach Einleitung einer rechtsgeschäftlichen Verfügung nach Maßgabe von § 878 BGB verliert.

(1) Die in der Rechtsprechung überwiegend vertretene Auffassung lehnt eine analoge Anwendung von § 878 BGB mit dem Argument ab, der Verlust der Amtsstellung, also der Befugnis zur Verfügung über fremdes Vermögen, stehe dem Verlust der Rechtsinhaberschaft gleich, bei dem § 878 BGB ebenfalls nicht einschlägig sei (vgl. oben).254

(2) Demgegenüber steht die Literatur ganz überwiegend auf dem Standpunkt, dass § 878 BGB im Interesse des Schutzes des Erwerbers bzw. des Verfügungsbegünstigten entsprechend anzuwenden sei.255 Zwar sei zu konzedieren, dass der Verlust der

252 BGH NJW 2013, 299. Vgl. hierzu auch Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme

der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2012/2013, DAI-Tagungsskript Feb./März 2013, S. 252 ff.

253 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 57. 254 OLG Köln MittRhNotK 1981, 139 f.; OLG Frankfurt OLGZ 1980, 10; BayObLG MittBayNot

1975, 228 f.; siehe auch KG OLGE 26, 4; OLG Celle NJW 1953, 945; AG Starnberg FamRZ 1999, 743; LG Mönchengladbach RNotZ 2010, 540 f.

255 Vgl. nur MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2016, § 878 Rn. 11; Palandt/Herrler, 76. Aufl. 2017, § 878 Rn. 11; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 124; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 58; Kesseler, RNotZ 2013, 480, 481, jew. m.w.N.

S. 207 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Amtsstellung systematisch dem Verlust der Rechtsinhaberschaft näher stehe als einer bloßen Verfügungsbeschränkung (gänzlicher Verlust jeglicher Rechtsbeziehung zum Verfügungsobjekt), doch erfasse der (historische wie aktuelle) Schutzzweck des § 878 BGB die vorliegende Konstellation in gleicher Weise. § 878 BGB zielt darauf ab, dem Erwerber frühzeitig Rechtssicherheit zu geben, damit er die Gegenleistung zeitnah ohne relevantes Risiko erbringen kann. Unter Zugrundelegung der herrschenden Meinung ist dies aber nicht der Fall, da seitens des Notars gestalterische Vorkehrungen für den (unwahrscheinlichen) Fall des Verlusts der Amtsstellung zu treffen sind, welche die Abwicklung des Vertrags erheblich verzögern können:256

Die Kaufpreisfälligkeit setzt über die herkömmlichen Voraussetzungen hinaus die Feststellung des Fortbestehens des Amtes im Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung voraus - Je nach den Bearbeitungszeiten der Beteiligten öffentlichen Stellen kann dies eine erhebliche Verzögerung zur Folge haben.

Nach erfolgter Eigentumsumschreibung kann eine Löschung der Vormerkung erst nach Feststellung des Fortbestehens des Amtes im Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels erfolgen.

(3) Vor diesem Hintergrund ist eine entsprechende Anwendung von § 878 BGB mit Blick auf den Schutzzweck geboten, zumal nicht ersichtlich ist, dass berechtigte Interessen Dritter durch diese Analogie in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden könnten.257 Kesseler meint (oder hofft) in der vorstehend skizzierten Entscheidung des V. Zivilsenats zur Verwalterzustimmung nach § 12 WEG Indizien dafür gefunden zu haben, dass der BGH sich der hier präferierten Ansicht anschließen wird.258 Die Mitglieder des V. Zivilsenats mochten dies bislang aber leider nicht bestätigen.

3. Entscheidung des BGH vom 12.10.2016 (V ZB 198/15)

Jüngst hatte sich der BGH wieder einmal mit dem Anwendungsbereich von § 878 BGB zu befassen, konkret mit der Frage, ob die Vorverlagerung des für die Verfügungsbefugnis maßgeblichen Zeitpunkts auch bei sogenannten Eigenverfügungen Anwendung findet (vgl. oben Ziffer 2 b) bb)).

1. § 878 BGB ist auf die Teilungserklärung des Grundstückseigentümers nach § 8 Abs. 1 WEG entsprechend anwendbar. Nach Eingang des Vollzugsantrags bei dem Grundbuchamt eingetretene Verfügungsbeschränkungen sind deshalb unbeachtlich.

256 Pointiert, wenn auch etwas überspitzt Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 878 Rn. 58:

„Würde man die Analogie ablehnen, wäre der Grundstücksverkehr mit einem amtlichen Verwalter praktisch lahmgelegt.“

257 Vgl. Kesseler, RNotZ 2013, 480, 481. 258 Kesseler, RNotZ 2013, 480, 481 f.

S. 208 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Dies gilt mangels abweichender Regelung auch für die sich aus dem Genehmigungserfordernis auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB ergebende Verfügungsbeschränkung des teilenden Grundstückseigentümers.

BGH, Beschl. v. 12.10.2016 – V ZB 198/15

DNotI-Report 2017, 6 = NJW 2017, # m. Anm. Herrler = NotBZ 2017, 36. Hierzu

Sauren, IMR 2017, 31.

a) Sachverhalt

Am 3.3.2015 machte der Berliner Senat von seiner in § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB enthaltenen Ermächtigung Gebrauch und erließ eine Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum in dem Gebiet einer Erhaltungsverordnung (nachfolgend: „Umwandlungsverordnung“). Dies wurde noch am selben Tag durch eine Pressemitteilung bekannt gegeben. Die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum an Gebäuden auf Grundstücken bedarf danach einer Genehmigung (vgl. § 1 UmwandV).

Die Verordnung trat am 14.3.2015 in Kraft getreten. Ausweislich § 3 UmwandV ist sie nicht anzuwenden auf Anträge, die bereits am 3.3.2015 beim Grundbuchamt gestellt wurden.

Die Eigentümerin eines Grundstücks im Bereich der Umwandlungsverordnung bewilligte am 10.3.2015 in notarieller Urkunde die Aufteilung des Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum. Am 12.3.2015 ging der Antrag beim Grundbuchamt ein.

Das Grundbuchamt verweigerte unter Hinweis auf die Genehmigungspflicht den Vollzug. Das KG bestätigte die Entscheidung des Grundbuchamts.259

b) Entscheidung

Die hiergegen erhobene Beschwerde ist nach Auffassung des V. Zivilsenats des BGH begründet, da die von der Beteiligten bewilligte Aufteilung ihres Grundstücks vorliegend keiner Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i.V.m. § 1 UmwandV bedarf.

Zwar bestand am 7.4.2015, als das Grundbuchamt über den Eintragungsantrag entschieden hat, bereits das vorstehende Genehmigungserfordernis. Dieses gilt jedoch in entsprechender Anwendung von § 878 BGB für diesen Antrag nicht.

259 Vgl. KG DNotI-Report 2016, 30.

S. 209 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

aa) Auch Eigenverfügungen durch § 878 BGB geschützt

Ein unmittelbarer Anwendungsfall von § 878 BGB liege zwar nicht vor. Doch sei diese Vorschrift entsprechend auch auf alle Eigenverfügungen des Eigentümers anzuwenden, also auf Verfügungen, an denen ein anderer als der Eigentümer nicht beteiligt ist.

Sodann erläutert der BGH das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke als Analogievoraussetzung:

Tz. 16: „Die Vorschrift des § 878 BGB ergänzt die Regelung in §§ 873, 875 und 877 BGB. Die dort genannten Verfügungen des Eigentümers über sein Grundstück sowie des Inhabers eines dinglichen Rechts an dem Grundstück über dieses Recht werden nicht sofort wirksam, sondern erst mit der Eintragung in das Grundbuch. Der Grundstückseigentümer und der Inhaber des dinglichen Rechts an dem Grundstück können ihren nicht nur einfachrechtlich (§ 903 BGB), sondern durch Art. 14 GG auch grundrechtlich geschützten Gestaltungswillen nicht sogleich verwirklichen. Sie sind infolge des Eintragungszwangs vielmehr auf die Mitwirkung des Grundbuchamts angewiesen, wobei zwischen dem Eingang des Eintragungsantrags und dem Vollzug der Eintragung häufig Wochen oder Monate liegen. Das wirkt sich vor allem bei nachträglichen Beschränkungen ihrer Verfügungsmacht nachteilig aus. Sie würden ohne die Regelung in § 878 BGB sofort wirken und jede Verfügung erfassen, die noch nicht eingetragen ist. Vor diesem Risiko soll § 878 BGB nicht nur den Verfügungsempfänger, sondern auch den Verfügenden und damit den Grundstückseigentümer bzw. Inhaber eines dinglichen Rechts schützen.“

Dieses Schutzbedürfnis besteht nach Auffassung des V. Zivilsenats auch im Falle einer Aufteilung eines Grundstücks in Wohnung-und Teileigentum gemäß § 8 WEG, da auch diese erst mit Eintragung in das Grundbuch bzw. Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam wird (vgl. § 8 Abs. 2 S. 2 WEG). In Anbetracht dessen, dass der Teilungserklärung bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei materiell-rechtliche Wirkung zukommt, treffen die mit dem Eintragungsgrundsatz verbundenen Risiken (insbesondere Eintragungsdauer ungewiss und nicht beeinflussbar) den Grundstückseigentümer ebenso wie bei den in §§ 873, 875 und 877 BGB genannten Verfügungen.

Sodann stellt der BGH klar, dass sich Eigenverfügungen zwar in einem nicht unwesentlichen Punkt von den in § 878 BGB genannten Verfügungen unterscheiden, ihnen nach dem Normzweck aber bei systematischer Betrachtung (§ 1196 Abs. 2 BGB) gleichwohl der der Schutz des § 878 BGB gebührt:

Tz. 16: „Ein Grund, die Aufteilung des Grundstücks nach § 8 WEG anders zu behandeln, könnte sich deshalb nur daraus ergeben, dass es bei der Aufteilung keinen anderen Beteiligten gibt, dessen Interessen geschützt werden müssen. Das Fehlen weiterer Beteiligter hat der Gesetzgeber jedoch nicht als ausreichendes Differenzierungskriterium angesehen. Er hat in § 1196 Abs. 2 BGB nämlich die Regelung des § 878 BGB auf die Bestellung einer Eigentümergrundschuld für anwendbar erklärt. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine einseitige Verfügung, die keine Einigung im Sinne des § 873 BGB voraussetzt. Sie soll den Schutz vor nach Antragstellung eintretenden Verfügungsbeschränkungen erfahren, obwohl ihre Bestellung nicht in dem in § 873 BGB vorausgesetzten Sinne bindend wird. Das zeigt, dass es dem Gesetzgeber in § 878 BGB auch um den Eigentumsschutz ging. Dieser ist bei der Aufteilung nach § 8 WEG in gleicher Weise berührt.“

S. 210 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Im Hinblick auf die Planwidrigkeit der Regelungslücke verweist der V. Zivilsenat abschließend darauf, dass der Gesetzgeber wohl lediglich den Fall der Begründung von Wohnungseigentum durch Miteigentümer nach § 3 WEG im Auge hatte, auf welchen § 878 BGB nach allgemeiner Meinung entsprechend Anwendung findet, nicht hingegen die Ausnahme der Teilung durch den Alleineigentümer nach § 8 WEG.

bb) Keine Ausnahme für § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB

Während das Kammergericht als Beschwerdegericht noch die Auffassung vertreten hatte, dass § 878 BGB (jedenfalls) auf eine sich aus § 172 Abs. 1 S. 2 BauGB ergebende Verfügungsbeschränkung (auch) keine (entsprechende) Anwendung findet,260 stellt der BGH nunmehr klar, dass sich die entsprechende Anwendung grundsätzlich auf sämtliche Verfügungsbeschränkungen erstrecke, unabhängig davon, ob sich diese aus dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht ergeben.

Ungeachtet dessen sei der Gesetzgeber natürlich nicht gehindert, für einzelne Verfügungsbeschränkungen eine von § 878 BGB abweichende Sonderregelung zu treffen.

Sodann begründet der Senat ausführlich, weshalb es vorliegend an einer derartigen Sonderregelung fehle:

Tz. 21: „Das Genehmigungserfordernis des § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB gilt nach Satz 5 dieser Vorschrift als Verfügungsbeschränkung im Sinne von § 135 BGB. Dies bedeutet, dass eine genehmigungsbedürftige, aber zu Unrecht in das Grundbuch eingetragene Rechtsänderung (hier: die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum) im Verhältnis zur Gemeinde unwirksam ist. Wird die Genehmigung versagt, kann die Gemeinde gemäß §§ 888, 883 Abs. 2 BGB die Löschung der Rechte verlangen […]. Veräußert der Eigentümer das in dem Grundbuch zu Unrecht - ohne Genehmigung - eingetragene Wohnungs- oder Teileigentum an einen gutgläubigen Dritten, führt die vorgenommene Gleichstellung der Genehmigungsbedürftigkeit mit einem Veräußerungsverbot zudem unbestrittenermaßen dazu, dass der Dritte das Wohnungs- oder Teileigentum nach § 135 Abs. 2 BGB i.V.m. § 892 BGB gutgläubig genehmigungsfrei erwirbt.“

Dieses Ergebnis werde auch durch den Gang des Gesetzgebungsverfahrens bestätigt. § 172 Abs. 1 S. 4-6 BauGB beruhten auf einem im Vermittlungsausschuss gefundenen (allerdings – wie hierfür üblich – nicht näher begründeten) Kompromiss, welcher durch Verweisung auf § 135 BGB dem von der Bundesregierung angemahnten Schutz des Rechtsverkehrs Rechnung trägt. Hierdurch werde nicht nur ein gutgläubiger Erwerb ermöglicht (vgl. § 135 Abs. 2 BGB), sondern auch der für das Vorliegen der Verfügungsbefugnis maßgebliche Zeitpunkt entsprechend § 878 BGB nach vorne verlagert.261

260 Vgl. KG ZWE 2016, 82 = DNotI Report 2016, 30. 261 BGH Beschl. v. 12.10.2016 – V ZB 198/15, Tz. 22.

S. 211 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Etwas anderes ergebe sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts (siehe bereits Hertel, DNotI-Report 1997, 159, 164) nicht aus der Vorschrift des § 236 Abs. 2 S. 1 BauGB, bei der es sich lediglich um eine Übergangsregelung handele und aus der daher keine Rückschlüsse für die Anwendung von § 878 BGB im Übrigen gezogen werden könnten.

Tz. 24: „Der Anwendung von § 878 BGB steht weder die sog. Grundbuchsperre (§ 172 Abs. 1 Satz 6 BauGB i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 3 und 4, Abs. 6 und 8 BauGB) noch der Umstand entgegen, dass diese beim Genehmigungsvorbehalt in Fremdenverkehrsgebieten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit § 22 Abs. 3 BauGB aF ursprünglich eine Norm umfasste, die einen ähnlichen Effekt hatte wie § 878 BGB.“

KEINE RÜCKSCHLÜSSE AUS DER GRUNDBUCHSPERRE

Tz. 25 „Aufgrund der gesetzlich angeordneten Gleichsetzung des Genehmigungsvorbehalts mit einem Veräußerungsverbot nach § 135 BGB könnte der Vorbehalt - statt durch die Grundbuchsperre - durch Eintragung in das Grundbuch des betroffenen Grundstücks gesichert werden. Hierdurch würde die Gemeinde vor einem genehmigungsfreien Erwerb des Wohnungs- oder Teileigentums durch einen Dritten geschützt. Dieses Instrument ist indes zur Durchsetzung des Genehmigungsvorbehalts nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB wenig geeignet, weil es einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordert und angesichts der auf fünf Jahre begrenzten Geltungsdauer solcher Vorbehaltsverordnungen zu schwerfällig ist. Der Gesetzgeber hat daraus aber nicht die Konsequenz gezogen, die Verweisung auf § 135 BGB durch andere Vorschriften zu ersetzen. Er hat sie vielmehr unberührt gelassen und um die heutigen Regelungen der Grundbuchsperre ergänzt. Die Grundbuchämter werden mit § 172 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 3 und 4, Absatz 6 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 BauGB öffentlich-rechtlich verpflichtet, die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum nur nach Vorlage des Genehmigungsbescheids oder diesem gleichgestellter Bescheinigungen oder Zeugnisse vorzu-nehmen […]. Auf diese Weise wird die Einhaltung des Genehmigungsvorbehalts ohne Eintragung in das Grundbuch und damit schneller und weniger aufwendig erreicht.“

Tz. 26: „Dieses Verfahren haben die Grundbuchämter aber nur einzuhalten, wenn die zur Eintragung anstehende Aufteilung materiell-rechtlich dem Genehmigungsvorbehalt unterliegt. Denn § 22 Abs. 6 Satz 1 BauGB schreibt es nur für „die von Absatz 1 erfassten Eintragungen" vor. Die Eintragung eines Widerspruchs in das Grundbuch darf nach § 172 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB nur beantragt werden, „falls die Genehmigung erforderlich war". Ob sie erforderlich war, ist hingegen unter Berücksichtigung von etwaigen Überleitungsregelungen in der Rechtsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB sowie unter Berücksichtigung von § 878 BGB zu prüfen. Die Grundbuchsperre folgt also dem Genehmigungsvorbehalt und erweitert ihn nicht.“

KEINE RÜCKSCHLÜSSE AUS AUFHEBUNG VON § 22 Abs. 3 BauGB aF

Tz. 27: „Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht aus dem Umstand, dass § 22 Abs. 3 BauGB aF eine dem § 878 BGB ähnliche Regelung enthielt und mit Wirkung vom 20. Juli 2004 ersatzlos gestrichen worden ist.“

Tz. 28: „Die Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB erinnert an die Regelung über den Genehmigungsvorbehalt in Fremdenverkehrsgebieten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB, auf dessen verfahrensrechtliche Bestimmungen § 172 Abs. 1 Satz 6 BauGB heute verweist. […]. In § 22 Abs. 3 BauGB aF war bis zum 19. Juli 2004 vorgesehen, dass die an sich vorgeschriebene Genehmigung, soweit hier von Interesse, nicht erforderlich war, wenn der Antrag auf Eintragung einer Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum vor dem Wirksamwerden des

S. 212 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Genehmigungsvorbehalts bei dem Grundbuchamt eingegangen war. Eine solche Ausnahme hatte der Gesetzgeber für den Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB aber nie vorgesehen, wie er umgekehrt den Genehmigungsvorbehalt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch nie einem Veräußerungsverbot nach § 135 BGB gleichgestellt hat. Deshalb besagt das ursprüngliche Vorhandensein der § 878 BGB vergleichbaren Ausnahme in § 22 Abs. 3 BauGB aF nichts für die Anwendung von § 878 BGB auf den Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB.“

Tz. 29 „Entsprechendes gilt für die ersatzlose Streichung der Ausnahme in § 22 Abs. 3 BauGB aF durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359). Die Streichung ist nicht die Folge einer veränderten Beurteilung des Schutzbedürfnisses der betroffenen Grundstückseigentümer, sondern die Folge einer Verwaltungsvereinfachung.“

Tz. 30 „Die Grundbuchämter hatten nach § 22 Abs. 6 BauGB aF für die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum im Gebiet einer Satzung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB in jedem Fall die Vorlage einer Genehmigung oder eines Zeugnisses anzufordern, dass die Genehmigung nicht erforderlich war oder als erteilt gilt. […]. Die Folge davon war eine hohe Belastung der Genehmigungsbehörden mit der Erteilung von an sich unnötigen Negativattesten.“

Tz. 31 „Dem sollte durch eine Abschaffung des Negativattests abgeholfen werden. Mit der heute in § 22 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BauGB enthaltenen Regelung wurden die Kommunen verpflichtet, die Grundbuchämter rechtzeitig über den Erlass und das Inkrafttreten der Satzungen und ihren Anwendungsbereich zu unterrichten. Die Grundbuchämter sollten selbst feststellen, ab wann die Regelungen über den Genehmigungsvorbehalt griffen. Damit wurden alle Regelungen überflüssig, die die Erteilung der Genehmigung und der Negativatteste zum Gegenstand hatten und damit auch § 22 Abs. 3 BauGB aF. Das in § 22 Abs. 6 Satz 3 BauGB a.F. vorgesehene Aussetzungsverfahren wurde als unnötig gestrichen.“

c) Bewertung

Die vorstehende Entscheidung des V. Zivilsenats ist uneingeschränkt zu begrüßen.

Auch wenn es der BGH nicht ausdrücklich klargestellt hat, ergibt sich aus der Argumentation in Textziffern 13-19 des Beschlusses mit großer Deutlichkeit, dass der Senat § 878 BGB mit der schon bislang herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich auch auf alle Eigenverfügungen des Grundstücks-eigentümers bzw. des Inhabers eines dinglichen Rechts entsprechend anwenden wird.

Der BGH betont die für den Verfügenden aus dem Eintragungszwang resultierenden Risiken und das damit korrespondierende Schutzbedürfnis nicht nur des Erwerbers bzw. Verfügungsbegünstigten, sondern auch des Verfügenden selbst.

Aufgrund dieses stark schutzzweckorientierten Verständnisses von § 878 BGB lassen sich – mit der gebotenen Zurückhaltung – meines Erachtens zwei Prognosen aufstellen:

S. 213 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

aa) Nur bei klaren Vorgaben Einschränkung des Gedankens von § 878

Der V. Zivilsenat erkennt zwar grundsätzlich das Primat des Gesetzgebers an, der bei der Normierung von – wohl vorrangig im öffentlichen Interesse bestehenden – Verfügungsbeschränkungen anordnen kann, dass es für die Verfügungsbefugnis gemäß dem Eintragungsgrundsatz und entgegen des Vorverlagerungsgedankens von § 878 BGB doch auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs, also im Regelfall auf die Eintragung in das Grundbuch ankommt. Mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten muss der Gesetzgeber einen derartigen Willen indes mit der gebotenen Klarheit äußeren.

Im Regelfall geschieht dies durch eine Klarstellung im Gesetz selbst:

„§ 878 BGB ist nicht entsprechend anzuwenden.“

Ob insoweit hinreichend deutliche Ausführungen in den Gesetzesmaterialien für ausreichend erachtet werden, erscheint angesichts umstrittenen Relevanz der Materialien im Rahmen der Auslegung und mangels hinreichender Transparenz derartiger Erwägungen meines Erachtens zumindest unklar.

Aus systematischen Erwägungen dürfte die Verneinung der entsprechenden Anwendung von § 8 78 BGB allenfalls bei hinreichender Eindeutigkeit der gesetzlichen Vorgaben abgeleitet werden.

bb) Schutz vor den Risiken des Eintragungsgrundsatzes auch für Parteien kraft Amtes (!?)

Da der BGH betont, dass der Verfügende und der Erwerber bzw. der Verfügungsbegünstigte in gleicher Weise gegenüber den aus dem Eintragungsgrundsatz resultierenden Risiken, die sie nicht beherrschen und die zu einer erheblichen Verkomplizierung des Vollziehung der wechselseitigen Rechte und Pflichten führen können, des Schutzes bedürfen, besteht meines Erachtens in Anbetracht der vorliegenden Entscheidung und des schutzzweckorientiert weiten Verständnisses des V. Zivilsenats von § 878 BGB (gewisser) Anlass zur Hoffnung, dass auch Verfügungen einer Partei kraft Amtes (Testamentsvollstrecker, Nachlass-verwalter, Insolvenzverwalter) – und damit natürlich insbesondere die von der Verfügung betroffenen Eigentümer bzw. Rechtsinhaber einerseits und die Erwerber bzw. Verfügungsbegünstigten andererseits – in den Genuss der Vorverlagerung des für die Verfügungsbefugnis maßgeblichen Zeitpunkts durch entsprechende Anwendung von § 878 BGB kommen.

S. 214 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Auch hier besteht zweifellos das geschilderte Schutzbedürfnis. Andere Mechanismen sieht das Gesetz nicht vor, insbesondere kommt eine entsprechende Anwendung von § 892 BGB nicht in Betracht. Die von der Kautelarpraxis infolge der insoweit ungewissen Anwendung von § 878 BGB entwickelten Mechanismen verkomplizieren die Abwicklung erheblich, ohne dass hiermit für irgendeinen der Beteiligten relevante Vorteile verbunden werden.

S. 215 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

V. Änderungsanspruch der Wohnungseigentümer wird nicht durch Belastungsverbot begrenzt (CH)

1. Was ist das Belastungsverbot? (10.10.2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346)

BGH, Urt. v. 10.10.2014 - V ZR 315/13,

BGHZ 202, 346 = DNotZ 2015, 98 = NJW 2015, 549 = ZfIR 2015, 67 = ZNotP 2015, 101

dazu Armbrüster/Böttger, ZfIR 2015, 70; Briesemeister, ZWE 2015, 116; Bruns, NZM 2015, 191;

Belastungsverbot als Grenze für Mehrheitsbeschlüsse auch bei Öffnungsklausel (Auch eine Öffnungsklausel ermächtigt die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht, den Sondereigentümern die Pflicht zur Gartenpflege ihrer Sondernutzungsflächen aufzuerlegen - über eine bloße Kostentragungspflicht hinaus)

1. Die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht wird materiell-rechtlich u.a. durch unentziehbare, aber verzichtbare Mitgliedschaftsrechte begrenzt; ein in solche Rechte ohne Zustimmung der nachteilig betroffenen Woh-nungseigentümer eingreifender Beschluss ist schwebend unwirksam.

2. Zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehört das sog. Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer (originärer) – sich weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschafts-ordnung ergebender – Leistungspflichten schützt.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann vieles beschließen.

– Voraussetzung ist immer, dass sie dafür eine Beschlusskompetenz hat. Sonst ist der Beschluss (auch ohne Anfechtung) nichtig.

– Eine materielle Grenze der Beschlüsse sind die vorgenannten „unentziehbaren, aber verzichtbaren Mitgliedschaftsrechte“. Sprich, sie unterliegen nicht der Disposition durch Mehrheitsbeschluss. Wohl aber kann der Berechtigte selbst darauf verzichten. Ein ohne Zustimmung des betroffenen Wohnungseigentümers gefasster Beschluss wäre nichtig.

– Weitere materielle Grenze ist die ordnungsgemäße Verwaltung. Diese Grenze ist wesentlich schwächer: Verstößt ein Beschluss (nur) gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, kann er vom Gericht nur aufgehoben werden, wenn er rechtzeitig angefochten wurde.

Zu der harten materiellen Grenze der unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte gehört das Belastungsverbot.

– In dem damaligen Sachverhalt hatte die Wohnungseigentümerversammlung die Eigentümer der Erdgeschoßwohnungen durch Beschluss dazu verpflichtet, ihre

S. 216 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Garten-Sondernutzungsflächen ordnungsgemäß zu pflegen und zu unterhalten sowie ggf. zu bewässern.

– Das Gesetz sieht nur eine Kostentragungspflicht der Wohnungseigentümer vor, aber keine Arbeitspflicht und keine Hand- und Spanndienste. Auch die betreffende Gemeinschaftsordnung sah es nicht vor. Also konnten die Wohnungseigentümer die Arbeitspflicht auch nicht nachträglich durch Beschluss einführen.

2. Kein Ausschluss des Änderungsanspruchs der Wohnungseigentümer durch Belastungsverbot (BGH 13.5.2016 - V ZR 152/15)

Jetzt ging es aber nicht um einen Mehrheitsbeschluss, sondern um einen Anspruch von Wohnungseigentümern gegen die anderen Wohnungseigentümer auf Zustimmung zu einer Änderung der Gemeinschaftsordnung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG. Hier gilt das Belastungsverbot nicht – weil es sich ja um einen gesetzlichen Anspruch handelt.

BGH, Versäumnisurteil v. 13.5.2016 - V ZR 152/15,

MDR 2016, 1133 = NJW-RR 2016, 1107 = ZfIR 2016, 719,

Kein Ausschluss des Änderungsanspruchs der Wohnungseigentümer durch Belastungsverbot

1. Das Belastungsverbot schränkt die Mehrheitsmacht der Wohnungseigentümer ein, schließt aber nicht den Änderungsanspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus.

2. Die (ggf. ergänzende) Auslegung der Gemeinschaftsordnung hat Vorrang vor einer Anpassung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG.

Sachverhalt:

– Eine Wohnungseigentumsanlage bestand aus zwölf Wohnungen nebst Keller, sieben Tiefgaragenstellplätzen und einer im Kellergeschoss befindlichen Teileigen-tumseinheit (Nr. 13). Diese Einheit stand zunächst aufgrund eines Nutzungs-vertrages sämtlichen Wohnungseigentümern als Sauna mit Dusche zur Mitbenut-zung zur Verfügung.

– Im Jahr 2006 kündigte die WEG-Verwalterin aufgrund Beschlusses der Wohnungseigentümer den Nutzungsvertrag. Seitdem nutzte der Eigentümer der Einheit Nr. 13 die Räume als Lager und Abstellflächen.

– Nach der Gemeinschaftsordnung werden die Betriebskosten etc. grundsätzlich nach dem Verhältnis der in der Teilungserklärung festgelegten Nettoflächen umgelegt. „Räume für Sauna/Solarium/Fitness sind an vorstehenden Kosten nicht zu beteili-gen.“

S. 217 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die übrigen Wohnungseigentümer verlangten vom Eigentümer der Einheit Nr. 13, folgender Änderung der Gemeinschaftsordnung zuzustimmen: „Die Räume für Sauna/Solarium/Fitness sind an vorstehenden Kosten nicht zu beteiligen, wenn, solange und soweit die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren Sondereigentum sie stehen, sie der Gemeinschaft auch tatsächlich zur Nutzung für diese Zwecke zur Verfügung stellen.“

Sie begründeten dies mit § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG. Dieser lautet:

„Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.“

Der BGH stellte zunächst fest, dass die Wohnungseigentümer eine solche Änderung nicht durch Mehrheitsbeschluss einführen können. Denn dadurch würde eine bisher von den Kosten durch die Gemeinschaftsordnung befreite Einheit erstmals belastet. Dies widerspricht dem Belastungsverbot. Dabei bezieht sich der BGH auf BGHZ 202, 346:

(Rn. 15) „... Denn ein Beschluss, der - wie hier - einen seine Zustimmung hierzu verweigernden Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit ist, nachträglich an den Kosten beteiligt, ist unwirksam. Er verstößt gegen das Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer - sich weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender - Leistungspflichten schützt (eingehend zum Belastungsverbot Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 14 ff.). Eine Befugnis zur Auferlegung der Kosten ergibt sich nicht aus § 16 Abs. 3 WEG; denn die erstmalige Begründung einer Kosten-tragungspflicht unter Aufhebung einer vereinbarten Kostenbefreiung stellt keine Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels dar, sondern eine Erweiterung des Kreises der Kostenschuldner, die von der Regelung nicht erfasst ist (Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 225/11, NJW 2012, 2578 Rn. 13 ff.). ... Eine - wie hier in Ziff. 16 - in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte allgemeine Öffnungsklausel ändert ebenfalls nichts daran, dass ein gegen das Belastungsverbot verstoßender Beschluss über die Änderung der Gemeinschaftsordnung bei Zustimmungs-verweigerung des betroffenen Wohnungseigentümers materiell unwirksam ist (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 14 ff.).“

Den gesetzlichen Änderungsanspruch des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG beschränkt das Belastungsverbot aber nicht. Denn der Anspruch ist durch das Gesetz selbst legitimiert und besteht nur unter hohen Anforderungen. Anders als die Mehrheits-macht der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung sind daher keine zusätzlichen Schranken erforderlich.

(Rn. 17) „(1) Das Belastungsverbot schränkt die Mehrheitsmacht der Wohnungseigentümer im Interesse der Minderheit ein. Die Wohnungseigentümer müssen auch dort, wo eine Öffnungs-klausel (wie sie hier in Ziffer 16 der Gemeinschaftsordnung enthalten ist) eine Mehrheitsentschei-dung zulässt und damit formell legitimiert, bestimmte inhaltliche Schranken, darunter das Belastungsverbot, beachten (Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 16). Als Beschränkung der materiellen Beschlusskompetenz schließt das Belastungsverbot den Anspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG dagegen nicht aus. Denn hier wird die Teilungserklärung

S. 218 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

oder sonstige Vereinbarung in einem gesetzlich vorgegebenen Rahmen geändert. Dieser legiti-miert die Änderung formell und materiell; durch ein gerichtliches Urteil wird die erforderliche Zustimmung des von der Änderung negativ betroffenen Wohnungseigentümers ersetzt. Dessen Schutz gewährleistet das Gesetz, indem es hohe Hürden für einen Änderungsanspruch aufstellt und eine umfassende Abwägung der Rechte und Interessen aller Wohnungseigentümer verlangt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 30 f.). § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG stellt auf diese Weise sicher, dass dem Einzelnen mehrheitsfeste (verzichtbare) Rechte nur unter eng begrenzten Voraussetzungen entzogen werden können, und trägt damit auch die materielle Rechtfertigung für den Eingriff in sich.

Letztlich kommt es auf all diese schönen und lehrreichen Ausführungen gar nicht. Denn die Kläger haben schon was sie wollen: Was sie beantragen, steht bereits in der Gemeinschaftsordnung. Man muss sie nur richtig auslegen. Dies hatten die Kläger nicht verstanden.

Das ist ein etwas überraschendes Ende. Dramaturgisch eine spannende Wendung. In seinem Urteil hätte sich der BGH darauf beschränken können. Aber dann hätten die Welt und wir die erhellenden Ausführungen zum Belastungsverbot nie vernommen.

S. 219 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VI. Erhöhung des Erbbauzinses (K)

BGH, Urt. v. 9.6.2016 - V ZB 61/15, DNotZ 2017, 68 = FGPrax 2016, 246 (m. Anm. Wilsch) = Rpfleger 2017, 79 = ZNotP 2016, 283.

1. Einleitung

Ein wenig Recht der Vormerkung262 muss ein – sonst sind die Aktuellen Probleme nicht komplett. Der BGH hatte mit der Entscheidung vom 9.6.2016 einen Fall vorliegen, bei dem es um die Basisarbeit an der Vormerkung, nämlich um deren grundbuchliche Behandlung ging. Wieviel Unklarheit mit der Behandlung Vormerkung weiterhin verbunden ist, zeigt die Unsicherheit des Grundbuchamtes wie auch des Beschwerdegerichts beim Umgang mit dieser.

Der Fall (vereinfacht):

Im Erbbaurechtsgrundbuch sind in folgender Rangfolge eingetragen: 1. Erbbauzinsreallast 2. Vormerkung zur Sicherung des Erhöhungsanspruchs aus einer

Leistungsvorbehaltsklausel 3. Vorkaufsrecht 4. Beschränkte persönliche Dienstbarkeit 5. Grundschuld(en)

Im Rahmen eines Nachtragsvertrages wurde zwischen Eigentümer und Erbbauberechtigten vereinbart, dass sich die Wertsicherung dergestalt veränderte, dass statt des Anpassungsanspruchs aus der Leistungsvorbehaltsklausel eine automatische Anpassung des Erbbauzinses und entsprechend der Reallast im 5-Jahres-Turnus an den VPI erfolgen sollte. Die Vertragsparteien waren sich einig, dass die eingetragene Vormerkung künftig den Rang des sich automatisch ändernden Erbbauzinses sichere. Sie bewilligten und beantragten die Änderung der Vormerkung gemäß der vereinbarten Wertsicherungsklausel.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung die Eintragung der Wertsicherungsklausel von folgenden Voraussetzungen abhängig gemacht:

– der Löschung der schon eingetragenen Erbbauzinsreallasten,

– der Löschung der bestehenden Vormerkung,

262 Die Fragen deren Löschung aus Teil A sind notarverfahrensrechtlich, nicht aber vormerkungsrechtlich relevant.

S. 220 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– der Neueintragung einer wertgesicherten Erbbauzinsreallast über den Gesamtbetrag an erster Rangstelle,

– der Beibringung von Rangrücktrittserklärungen aller anderen im Erbbaugrundbuch eingetragenen nachrangigen dinglichen Rechte.

Das OLG hat auf die Beschwerde die Zwischenverfügung insoweit aufgehoben, als aufgegeben worden ist, unter Beantragung der Löschung der Einzelreallasten eine erstrangige Gesamtreallast zu beantragen. Die weitergehende Beschwerde hat es zurückgewiesen, weil die Vormerkung deshalb nicht zur Sicherung der Gleitklausel verwendet werden könne, weil sie mit deren Eintragung gegenstandslos werde.

2. Die Entscheidung des BGH – die wesentlichen Erwägungen

Ein ungewöhnlicher Fall. So ungewöhnlich, dass das Grundbuchamt die Anträge der Beteiligten zunächst nicht verstanden hatte. Es ist auch durchaus als ungewöhnlich einzustufen, dass die Eintragung einer Vormerkung zu einem Zeitpunkt beantragt wird, zu dem das Recht selbst verzeichnet werden kann. Warum die Anträge so gestellt wurden, ergibt sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt auch leider nicht.

Nicht näher thematisiert werden sollen an dieser Stelle die Ausführungen des BGH zum Begehren des Grundbuchamtes auf Löschung der schon eingetragenen Reallasten und der Neueintragung einer wertgesicherten Reallast – das war schlicht nicht beantragt und offensichtlich ein Missverständnis des GBA.

a) Inhaltsänderungen sind auch bei der Vormerkung zulässig

Was die Beteiligten tatsächlich beantragt hatten, war bei der Vormerkung eine Änderung des Anspruchsinhalts dahingehend einzutragen, dass in Abweichung von dem bisherigen Anspruchsinhalt nunmehr der Anspruch gerichtet auf Bestellung einer wertgesicherten Reallast im Sinne des § 1105 Abs. 1 S. 2 BGB gesichert werde.

Der BGH erklärt eine solche Änderung des dinglichen Anspruchsziels von einer wiederholten Eintragung von Erhöhungsbeträgen hin zu einer in sich bereits flexiblen, weil wertgesicherten Reallast zu einer bloßen Inhaltsänderung der Vormerkung, die entsprechend der Regeln einer Inhaltsänderung des Anspruchsziels, also des dinglichen Rechts, nach § 877 BGB zu behandeln ist.

b) Zustimmung nachrangiger Berechtigter nach § 877 BGB iVm § 876 BGB

§ 9 Abs. 1 ErbbauRG iVm § 1105 Abs. 1 S. 2 BGB eröffnet die Möglichkeit, sich von den nach altem Recht erforderlichen, praktisch aber mehr als lästigen Ansprüchen auf

S. 221 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Erhöhung des Erbbauzinses und der Reallast zu lösen, indem eine wertgesicherte Reallast vereinbart wird.

Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 3 S. 2 ErbbauRG die Zustimmungsbedürftigkeit bei der Vereinbarung der Versteigerungsfestigkeit von Erbbauzinsreallasten im Hinblick auf der Reallast gegenüber vorrangig Berechtigte ausdrücklich festgestellt und im Übrigen, und damit eben auch für die Vereinbarung nach § 1105 Abs. 1 S. 2 BGB die Voraussetzungen der Inhaltsänderung den §§ 877, 876 BGB überlassen.

Der BGH stellt in der Entscheidung ausdrücklich fest, dass die Änderung des Inhalts der Erbbauzinsreallast grundsätzlich nach den Maßstäben der §§ 877, 876 BGB der Zustimmung der nachrangig Berechtigte deshalb bedarf, weil die Beeinträchtigung deren Rechte nicht ausgeschlossen sei. Dies gelte aber nur, wenn die Rechtsstellung beeinträchtigt ist.

Im vorliegenden Fall sei eine Beeinträchtigung deshalb gegeben, weil die Vormerkung nicht einen Anspruch auf Reallastsicherung einer im Übrigen automatischen Änderung des Erbbauzinses sichere, sondern als Leistungsvorbehaltsklausel einen Ermessensspielraum beinhaltete. Dieser Ermessensspielraum konnte zu abweichenden Ergebnissen als die automatische, an den Index angepasste Anpassung führen.

3. § 877 BGB und die Vormerkung

Ob § 877 BGB auf die Vormerkung überhaupt anzuwenden ist, ist schon aus sich fraglich (dazu unter a)). Problematischer aber ist die Begründung, die der BGH für die entsprechende Anwendung liefert (dazu unter b)).

a) Begründung der Analogie durch den BGH

Nach den Überlegungen des BGH soll die im Grundbuch eingetragene Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung von Erhöhungen der Erbbauzinsreallast nach den Regeln des § 877 BGB in eine zur Sicherung einer wertgesicherten Reallast inhaltlich geändert werden können.

Praktisch ist diese Auffassung, zwingt sie doch nicht zur Neubegründung der Vormerkung.

S. 222 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Eine eigene Begründung263 liefert der Bundesgerichtshof allerdings nicht, es heißt dort nur:

Der Senat tritt der in der Literatur vertretenen Ansicht bei, dass eine eingetragene Vormerkung auch der Sicherung eines nach ihrer Eintragung geänderten Anspruchs dienen kann, wenn die Änderung die Art der geschuldeten sachenrechtlichen Verfügung betrifft. Die Voraussetzungen für die Änderung der Vormerkung entsprechen denen der Änderung des Rechts, auf deren Verwirklichung der Anspruch gerichtet ist (vgl. MüKoBGB/Köhler, 6. Aufl., § 885 Rn. 32; NK-BGB/Krause, 4. Aufl., § 883 Rn. 113; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn. 355, 360). Die Rechte der Inhaber von Drittrechten werden durch das Zustimmungserfordernis nach § 877 i.V.m. § 876 BGB geschützt; die Publizität des Grundbuchs wird durch die Eintragung der Änderung der Vormerkung gewahrt. Eine solche - nach dem Vorstehenden zulässige - Eintragung beantragt der Beteiligte zu 1.

Die vom BGH an dieser Stelle zitierte Literatur äußert sich denn auch zu dem Fall der Änderung der Erbbauzinsreallast direkt nicht und zur tatsächlich vorliegenden Änderung des dinglichen Anspruchsziels gegenteilig.264

Zuzugeben ist allerdings, dass die Literatur es logisch inkonsequent generell zulassen will, dass eine Änderung des dinglichen Anspruchsziels bei der Vormerkung vermerkt und bei Zustimmung aller späteren Berechtigten am Grundstück auch faktisch im Wege des § 877 BGB eingetragen werden kann.265 Diese Auffassung stiftet Verwirrung.

Eine Begründung für die Zulässigkeit der Inhaltsänderung der Vormerkung lässt sich also nur durch den Verweis auf die Auffassung von Böttcher266 und Wilke267 finden, die sich in ihren Darstellungen allerdings überhaupt nicht mit der Frage der Änderung der Vormerkung, sondern nur mit der Änderung der Reallast selbst beschäftigen. Daraus lässt sich allerdings der Schluss ziehen, dass der BGH die Änderung des dinglichen Anspruchsziels einer Vormerkung dann als Fall des § 877 BGB einstufen

263 Entsprechend hinsichtlich der Begründung kritisch auch Assmann, in: BeckOGK-BGB (Stand: 01.12.2016) § 885 Rn. 104.2. 264 Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn. 355, 360; Kohler, in: Münchener Kommentar zum

BGB 7. Auflage 2017, § 885 Rn. 32. 265 So bspw. Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn. 355, 360; Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB 7. Auflage 2017, § 885 Rn. 32, siehe auch OLG München, Beschluss v 31.3.2014 - 34 Wx 206/13, Rpfleger 2014, 486, 488. 266 Böttcher, Praktische Fragen des Erbbaurechts, 7. Aufl. 2014, Rn. 366. 267 Wilke, DNotZ 1995, 654, 662.

S. 223 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

will, wenn es sich bei der entsprechenden Änderung des Rechts um einen Fall des § 877 BGB handeln würde.

b) Ist § 877 BGB überhaupt auf die Vormerkung anwendbar?

Die Vormerkung sichert die Erfüllungsfähigkeit des Schuldners, indem sie Verfügungen über das Grundstück, die die Erfüllungsfähigkeit des Schuldners beeinträchtigen, ihrer Wirkung gegenüber dem Gläubiger beraubt.

§ 883 BGB spricht deshalb auch von einer klaren zeitlichen Reihenfolge: logisch sind es immer nur zeitlich nach der Anspruchssicherung liegende Ereignisse, gegen die die Vormerkung schützen kann. Hat nämlich der Anspruchsschuldner zum Zeitpunkt der Anspruchsbegründung die notwendige Erfüllungsfähigkeit deshalb nicht, weil das betroffene Recht sich nicht mehr so i seiner Verfügungsmacht befindet, wie dies zur Anspruchserfüllung notwendig ist, kann die Vormerkung insoweit auch keine Erfüllungsfähigkeit sichern. Der „Rangvortritt“ der Vormerkung ist damit in sich schon ein Widerspruch.

Was aber ist mit der Überlegung des BGH, die Vormerkungsänderung müsse doch zulässig sein, wenn auch die Inhaltsänderung des Rechts selbst möglich ist? Warum sollte bei der Vormerkung nicht möglich sein, was bei dem aufgrund der Vormerkung später eingetragenen recht möglich ist. Die Eintragung des Rechts als vorrangige Maßnahme zur Änderung ist doch dann nur ein unnötiger Zwischenschritt.

Meines Erachtens begeht der BGH den logischen Fehler, zu übersehen, dass die Vormerkung aufgrund ihres Charakters im Drei-Personen-Verhältnis angesiedelt ist. Während die Inhaltsänderung des § 877 BGB zwischen Eigentümer und Rechtsinhaber vereinbart werden kann und alsdann die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit nachrangiger Berechtigter nach den Maßstäben des § 876 BGB zu klären ist, sind an der Vormerkung strukturell 3 Personen beteiligt, der Anspruchsinhaber, der Schuldner und der tatsächlich am von dem Anspruch betroffenen Recht Berechtigte. Bei der Belastung eines Grundstücks mit nachrangigen Rechten wird dies weniger offenbar als beim einfachen Fall des zwischenzeitlichen Eigentums- bzw. Berechtigtenwechsels.

Inhaltsänderungen im Sinne des § 877 BGB kann es bei der Vormerkung damit jedenfalls dann nicht geben, wenn sich das dingliche Anspruchsziel verändert.268

268 Assmann, in: BeckOGK-BGB (Stand: 01.12.2016) § 885 Rn. 107, sieht für § 877 BGB praktisch keinen Anwendungsbereich.

S. 224 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) Ist doch etwas richtig?

Die Entscheidung ist in ihren Überlegungen dazu, eine „Entwicklung“ der Vormerkungen zur Sicherung des Anspruchs auf Bestellung von Erhöhungsbeträgen für Erbbauzinsreallasten hin zu einer Vormerkung für eine wertgesicherte Reallast zuzulassen könnte im Ergebnis dennoch richtig sein. Eine Inhaltsänderung im Sinne des § 877 BGB ist dies zwar nicht, sodass der richtige Weg derjenige über § 885 BGB ist.

Gleichwohl bleibt die Frage, ob auf diese Änderungen im Wege des § 885 BGB nicht gleichwohl auch nachrangig Berechtigten gegenüber dann wirksam ist, wenn diese im Sinne der §§ 877, 876 BGB nicht beeinträchtigt sind.

§ 1105 Abs. 1 S. 2 BGB wurde 1998269 neugefasst, auch um dem seit Bestehen der damaligen ErbbauVO entstandenen Dilemma abzuhelfen, dass die über Jahrzehnte laufenden Vereinbarungen zum Erbbauzins Anpassungen der Erbbauzinsreallast notwendig machten, das Gesetz diese als Inhaltsbestimmung aber nicht zuließ. Ziel des Gesetzgebers war es, die Notwendigkeit des flankierenden vormerkungsgesicherten Erhöhungsanspruchs und die laufende Anpassung des Grundbuchs zu beseitigen.

Die Durchbrechung der sachenrechtlichen Prinzipien rechtfertigt sich so in der vom Gesetzgeber selbst gewollten Vereinfachung. Rechtsdogmatisch ist das zwar nicht wirklich blitzensauber, es ist aber insoweit pragmatisch, als die alten Anpassungsansprüche selbst nur ein Notnagel waren und in ihrer rechtsdogmatischen Begründung hinsichtlich der wiederholten Eintragung von Erhöhungsbeträgen, gesichert durch eine einzige Vormerkung, auf wackeligen Beinen standen. Dies im Sinne des Gesetzgebers durch die „richtige Gestaltung“ zu ersetzen kann den Bruch rechtfertigen. Wenn der Gesetzgeber eben selbst eine „Umschreibung“, also deren Inhaltsänderung, der Reallast zugelassen hat, dann rechtfertigt diese gesetzgeberische Entscheidung auch deren Umsetzung bei der Vormerkung.

Soweit sich der Inhalt des Rechts nicht unterscheidet (dies war im vorliegenden Fall wegen der Vorbehaltsklausel gerade nicht gegeben!), sollte der Weg über eine berichtigende Eintragung möglich sein. Es wäre, wie Assmann zutreffend formuliert, „unbillig, den Vorrang entfallen zu lassen, wenn die früher umständliche Konstruktion in die heute einfachere umgewandelt wird.“270

269 Art 11a Abs 2 Nr 2 EuroEG vom 9. 6. 1998, BGBl I 1242. 270 Assmann, in: BeckOGK-BGB (Stand: 01.12.2016) § 885 Rn. 104.2.

S. 225 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Etabliert hat sich der wohl auch nicht ganz saubere, gleichwohl pragmatische Weg über die Eintragung der Neubewilligung nach § 885 BGB im Wege der Ergänzungseintragung bei der bestehenden Vormerkung.271

Richtiger wäre es, in der Zustimmung der Inhaber bereits eingetragener Rechte (die eben nicht

„nach“ Eintragung der Vormerkung erworben wurden) die Begründung eigener Ansprüche auf

Rangänderung gegen die jeweiligen Rechtsinhaber zu erkennen, die über je eigene

Vormerkungen zu sichern wären, - praktisch wäre das aber wohl kaum.

Damit wird dann zum Ausdruck gebracht, dass die Vormerkungswirkungen sich trotz der erfolgten Änderung des Anspruchsziels

4. Entscheidung der Zustimmungsbedürftigkeit der Inhaltsänderung der Reallast

Die Überlegungen des BGH zur Anwendung des § 877 BGB sind dürftig und nach meinem Verständnis rechtsdogmatisch falsch.

Besieht man die Entscheidung, hält man sich insbesondere vor Augen, dass der V. Senat die Eintragung der Inhaltsänderung letztlich scheitern lässt, weshalb die Beschwerde auch ohne jede Auseinandersetzung mit den vorstehend aufgeworfenen Fragen der Anwendbarkeit des § 877 BGB auf die Vormerkung (Rz. 15-18 der Entscheidung) und die Überlegung der rechtlichen Betroffenheit bei Bestehen einer Vormerkung (Rz. 24-29 der Entscheidung) hätte zurückgewiesen werden können, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, der BGH wollte die Gelegenheit beim Schopfe packen, die offene Rechtsfrage, inwieweit eine Reallast ohne Zustimmung nachrangig Berechtigter umgeschrieben werden kann, wenn ein vormerkungsgesicherter Anspruch auf Eintragung von Erhöhungsbeträgen besteht, für die Praxis zu entscheiden. Indem der BGH die Änderung des dinglichen Anspruchsziels der Vormerkung der Rechtsänderung im Sinne der §§ 877, 876 BGB gleichgestellt hat, konnte der insoweit geführte Streit auf die Vormerkung überragen werden.

In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, inwieweit die bestehende Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung der Erhöhungsbeträge zur Erbbauzinsrealast das Erfordernis der Zustimmung nachrangig Berechtigter aufgrund mangelnder rechtlicher Betroffenheit entfallen lässt.

271 Siehe nur Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 883 Rn. 355, 360; Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 885 Rn. 32; Assmann, in: BeckOGK-BGB (Stand: 01.12.2016) § 885 Rn. 104.2.

S. 226 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Wilke272 hat sich schon früh273 dafür ausgesprochen, die Betroffenheit entfallen zu lassen, wenn das alte Instrument der Vormerkung durch das neue der wertgesicherten Reallast ersetzt wird – bildlich gesprochen in Umsetzung der gesetzlichen Modellpflege. Er führt dazu aus: „Nachrangige Gläubiger erleiden demgegenüber bei isolierter Betrachtung nur der mit der Verdinglichung der Wertsicherung verbunden Inhaltsänderung der Erbbauzinsreallast stets einen Rechtsnachteil. Ihre Zustimmung wäre daher einzuholen, bevor der Nachtrag grundbuchmäßig vollzogen werden könnte. Ist aber bereits, wie in der Praxis üblich, an gleicher Rangstelle mit der Erbbauzinsreallast eine Erhöhungsvormerkung eingetragen, die im Zuge der Verdinglichung der Wertsicherung gelöscht wird, verschlechtert sich wegen § 883 Abs. 2 BGB bei einer Gesamtbetrachtung durch die Vereinbarung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 ErbbauVO die rechtliche Situation nachrangiger Gläubiger nicht, so daß ihre Zustimmung letztlich ebenfalls entbehrlich ist.“

Aus rechtspraktischen weniger aus rechtsdogmatischen Gründen kritisch stehen diesem Ansatz gegenüber die Überlegungen von Kluge274 und Eichel,275 die einen Unterschied zwischen einem bloß schuldrechtlichen Anpassungsverlangen und einer automatischen dinglichen Änderung erkennen und sie zum zweiten die sichere Bestimmung der Identität der Belastungen für schwierig halten.

Der BGH hat sich wohl letztlich aus rechtspraktischen Erwägungen der Auffassung von Wilke angeschlossen. Die Begründung der Gleichstellung der rechtlichen bloß schuldrechtlichen Anpassungsbesteht darin, dass die Inhaltsänderung „die Rechtsstellung und nicht bloß die wirtschaftliche Lage der Inhaber solcher Rechte beeinträchtigen oder beeinträchtigen können“ muss, um die Zustimmung erforderlich zu machen. (Rz. 28 der Entscheidung). Dass durch etwa unterbleibende Anpassungsverlangen die Belastungen bei einem nur schuldrechtlichen Anspruch tatsächlich geringer ausfallen können als bei der automatischen Änderung ist zwar wirtschaftlich relevant, die nachrangig Berechtigten haben insoweit aber keinen Rechtsanspruch.

Im Ergebnis erleichtert der BGH mit dieser Entscheidung die Umwandlung alter Anpassungsansprüche in neue Reallasten, weil es der Zustimmung nachrangig Berechtigter jedenfalls bei inhaltlicher Übereinstimmung nicht bedarf. Diese in allen Fällen, in denen sie unproblematisch beschafft werden kann, gleichwohl einzuholen, dürfte allerdings ein für die Praxis kein falscher Ratschlag bleiben.276

272 Wilke, DNotZ 1995, 654, 662. 273 Angeschlossen hat sich dem Böttcher, Praktische Fragen des Erbbaurechts, 7. Aufl. 2014, Rn. 366. 274 Kluge, MittRhNotK 2000, 409, 425. 275 Eichel, Buchbesprechung zu Ingenstau/Hustedt in RNotZ 2001, 535, 538. 276 So im Ergebnis auch Eichel, Buchbesprechung zu Ingenstau/Hustedt in RNotZ 2001, 535, 538.

S. 227 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

5. Am Rande: Zwangslöschung der Vormerkung bei Eintragung des Rechts? (Rz. 11 und 19)

Gefordert hatte das Grundbuchamt, dass im Rahmen des von diesem angenommenen Eintragungsbegehrens hinsichtlich der neuen Erbbauzinsreallast die bereits bestehende Vormerkung zur Löschung gelangen sollte. Der BGH brauchte sich mit dieser Frage deshalb nicht z beschäftigen, weil die Beteiligten andere Anträge gestellt hatten, als das Grundbuchamt angenommen hatte.

Die Ausführungen des V. Senats machen allerdings den Anschein, als neige dieser der Auffassung zu, die Vormerkung zur Erhöhung der Erbbauzinsreallast sei zwingend dann zu löschen, wenn die wertgesicherte Reallast eingetragen ist. So heißt es in Rz. 19:

„Ein der beantragten Eintragung entgegenstehendes Hindernis ergibt sich auch nicht daraus, dass die für die Änderung der wertgesicherten Reallast erforderliche Einigung (§873 Abs. 1 BGB) in § 2 des 3. Nachtragsvertrags bereits enthalten ist. Die Beteiligten können zwar sogleich beide Rechte (die Reallast und die Vormerkung) zu einem einheitlichen Recht zusammenführen. Sie müssen das aber nicht.“

In Rz. 11 führt der Senat aus:

„Der beantragten Eintragung steht nicht entgegen, dass mit der Buchung der wertgesicherten Erbbauzinsreallast die Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Anpassung des Erbbauzinses gegenstandslos würde und dass eine Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs, der sich bereits aus dem im Grundbuch eingetragenen dinglichen Recht selbst ergibt, inhaltlich unzulässig und deswegen nicht eintragungsfähig ist. Daraus ergibt sich - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts -nämlich kein Eintragungshindernis, wenn nur die Änderung der Vormerkung, nicht aber diejenige des dinglichen Rechts bewilligt und beantragt ist.“

Anscheinend gibt es nach Ansicht des BGH ein Eintragungshindernis für die Vormerkung, wenn das dingliche Recht eingetragen wird.

Wilke hat diesen Gedanken schon 1995 vorgegeben. Er hält die Zustimmung der nachrangig Berechtigten dann nicht für die Eintragung erforderlich, wenn diese „im Zuge der Verdinglichung der Wertsicherung gelöscht wird.“277

277 Wilke, DNotZ 1995, 654, 662.

S. 228 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die vom BGH zitierte Rechtsprechung278 und Literatur279 beschäftigt sich im Übrigen nur mit der Frage der Zulässigkeit der Eintragung der Vormerkung neben der Reallast, nicht aber mit deren zwangsweiser Löschung.

Eine solche zwangsweise Löschung ist inhaltlich unzutreffend, da

das Grundbuchverfahren zum einen nicht geeignet ist, die Notwendigkeit des Fortbestehens der materiellen Wirkungen der Vormerkung zu prüfen,

die Vormerkung bei nicht mehr bestehendem Anspruch nicht einem gesetzlichen Löschungszwang, sondern nur dem Löschungsanspruch aus § 886 BGB ausgesetzt ist, und

die Wirkung einer Vormerkung eben über die Rangwirkung des § 883 Abs. 3 BGB durch die relative Unwirksamkeitsanordnung des § 883 Abs. 2 BGB weit hinausgeht. Gerade dann, wenn nachrangige Gläubiger im Eintragungsverfahren nicht um Zustimmung der Änderung der Reallast ersucht wurden, ist die Geltendmachung materieller Einwendungen von deren Seite nicht ausgeschlossen.

278 OLG Celle, Beschluss v. 13.4.1977 –4 Wx 5/77, DNotZ 1977, 548. 279 v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 5. Aufl., Rn. 6.85a; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1105 Rn. 46.

S. 229 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VII. Heimfallanspruch hat keine dingliche Wirkung (K)

BGH, Urt. v. 6.11.2015 - V ZR 165/14, BGHZ 207, 334 = DNotZ 2016, 448 = NJW 2016, 3167 = Rpfleger 2016, 335 = ZfIR 2016, 324 (m. Anm. Grziwotz) = notar 2016, 265 (m. Anm. Maaß) = MittBayNot 2017, 52 (m. Anm. Krauß) = NotBZ 2016, 300 (m. Anm. Krause).

1. Einleitung

Welche „Sprengkraft“280 die Unterschriftsbeglaubigung zum Rangrücktritt haben kann, zeigt die Entscheidung des V. Senats zur Wirkung des Heimfallanspruchs auf Rechtsnachfolger. Die Entscheidung ist durchaus lehrreich.

Der Fall (vereinfacht):

Im Erbbaurechtsvertrag wurde ein Heimfallanspruch vereinbart, der unter anderem dann bestehen sollte, wenn der Erbbauberechtigte mit der Zahlung des Erbbauzinses mit mehr als 2 Jahresraten in Verzug gerät oder ihm von seinem Rechtsvorgänger die vertraglichen Verpflichtungen des Erbbaurechtsvertrages nicht auferlegt wurden. Am Erbbaurecht war erstrangig eine Grundschuld durch Rangrücktritt im Rang danach die Erbbauzinsreallast eingetragen.

Der Erbbauberechtigte geriet mit Erbbauzinsen von mehr als dem dreifachen des Jahreszinses in Rückstand und gleichzeitig trat auch der Sicherungsfall bei der Grundschuld ein. Der Grundschuldgläubiger betrieb die Zwangsvollstreckung in der auch der Zuschlag unter Wegfall der Erbbauzinsreallast erteilt wurde.

Der Eigentümer machte den Heimfall sowohl wegen der rückständigen Zahlungen des Rechtsvorgängers wie auch deshalb geltend, dass dem Ersteher durch den Rechtsvorgänger die Verpflichtungen des Erbbaurechtsvertrages nicht auferlegt worden seien.

Landgericht und Berufungsinstanz haben der Klage stattgegeben, der BGH hat dem Eigentümer den Heimfallanspruch dagegen abgesprochen.

2. Die Rechtsfragen

Zwei Rechtsfragen waren es, die der BGH zu beantworten hatte:

1. Wirkt ein einmal entstandener Heimfallanspruch auch gegen einen Rechtsnachfolger im Erbbaurecht?

280 Der Begriff ist eine freundliche Leihgabe aus der Anmerkung zum Urteil von Krauß, MittBayNot 2016, 52, 59.

S. 230 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Kann der Heimfall wegen der ausgebliebenen Übernahme der schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag ausgeübt werden?

In beiden Fragen geht es um die Verdinglichung von Rechten. Können nämlich über den Umweg der Heimfallregeln zwischen den Beteiligten Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag an den Rechtsnachfolger so weitergereicht werden, dass dieser für alles haftbar gemacht werden kann, was dem Interesse des Eigentümers dient, wäre der Heimfallanspruch das ideale Instrument, sämtliche Interessen des Eigentümers abzusichern.

3. Kann der Heimfallanspruch gegen den Rechtsnachfolger durchgesetzt werden?

Landgericht und KG hatten den Übertragungsanspruch des Eigentümers primär darauf gestützt, dass der einmal gegen den Rechtsvorgänger des Erstehers unstreitig entstandene Anspruch auf den Rechtsnachfolger mit dinglicher, faktisch also vormerkungsgleicher Wirkung, übergegangen sei.

Die Meinungen in dieser Frage sind gespalten:

a) Heimfallanspruch ist vormerkungsgleich geschützt

Die der Zahl nach wohl bislang überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur vertrat die Auffassung, der Heimfallanspruch wirke nach dessen Entstehung auch gegen den Rechtsnachfolger im Erbbaurecht.281

Teilweise wurde diese Auffassung dadurch eingeschränkt, dass dies

beim auf der Verletzung von Zahlungspflichten beruhenden Heimfallanspruch nur bei Übernahme der Reallast,282

nur beim zeitlich vor dem Recht des betreibenden Gläubigers entstandenen Heimfallanspruch,283

nur bei Anmeldung des Anspruchs im Versteigerungsverfahren284

281 OLG Oldenburg, Beschluss v. 18.12.1987 - 5 W 63/87, DNotZ 1988, 591, 592; OLG Brandenburg, Urteil v. 20.11.2008 - 5 U 41/08, BeckRS 2008, 25057; Erman/Grziwotz, BGB, 14. Auflage 2014, § 2 ErbbauRG Rn. 6; von Oefele/Heinemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 2 ErbbauRG Rn. 7 (wobei Heinemann interessanterweise auch in der 7. Aufl. 2017 unter gleicher Randnummer unkommentiert an dieser Auffassung festhält); RGRK/Räfle, BGB, 12. Aufl. 1974, § 2 ErbbauVO Rn. 32; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2007, § 2 ErbbauVO Rn. 6; Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 2 ErbbauRG Rn. 20; Ingenstau/Hustedt, ErbbauRG, 10. Aufl. 2014, § 2 Rn. 52; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 5. Aufl. 2012, Rn. 4.92 und 4.93 (anders jetzt in der 6. Aufl. 2016 Winkler/Schlögel, die sich unter gleicher Rn. der Auffassung des BGH anschließen); Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 1757. 282 Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 2 ErbbauRG Rn. 20. 283 Scharen, Rpfleger 1983, 342, 343, der insoweit eine Parallele zum dinglichen Vorkaufsrecht zieht. 284 Heinemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 2 ErbbauRG Rn. 28.

S. 231 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bei unterbliebener Anzeige im Versteigerungsverfahren dessen Auswirkung als treuwidrig285

gelte.

b) Heimfallanspruch wirkt nicht gegenüber dem Rechtsnachfolger

Viele jüngere Stimmen halten den entstandenen Heimfallanspruch nicht für dinglich, sondern ausschließlich für schuldrechtlich wirksam. Er setze sich entsprechend grundsätzlich nur dann gegenüber Rechtsnachfolgern durch, wenn dieser durch Vormerkung geschützt werde.286 Auch wenn diese Auffassung der Zahl der Stimmen nach noch als Mindermeinung zu bezeichnen war, war sie doch in allen eingehenden Auseinandersetzungen der letzten Jahre bereits herrschend. Das Unwohlsein mit der hergebrachten Auffassung für die Fälle der Rechtsnachfolge zeigt sich an den Einschränkungen, die auch innerhalb der Gruppe der Dinglichkeitsstimmen vertreten, regelmäßig aber nicht auf die mangelnde Dinglichkeit, sondern auf § 242 BGB gestützt wurden.

c) Die Begründung des BGH

Der BGH entscheidet sich in seiner eingehenden Begründung mit praktisch allen Argumenten für und wider die jeweiligen Auffassungen und entscheidet –rechtspraktisch überzeugend – die Frage im Sinne der bloß schuldrechtlichen Wirksamkeit.

Der BGH verweist zunächst darauf, dass hinsichtlich einer etwa im Erbbaurechtsvertrag vereinbarten Vertragsstrafe eine Rechtsnachfolge der Zahlungsverpflichtung allgemein nicht angenommen werde. Nur deshalb, weil eine Verpflichtung zum dinglichen Inhalt des Erbbaurechts geworden sei, gehe diese nicht zwingend auf den Rechtsnachfolger über.

Wäre es dem BGH allein darum gegangen, den vorliegenden Fall zu entscheiden, hätte es genügt, sich einfach der von Rapp287 vertretenen Auffassung anzuschließen, dass der Heimfall nur dann dem Rechtsnachfolger gegenüber geltend gemacht werden könne, wenn auch die Reallast übernommen worden sei, was hier aufgrund deren

285 Stöber, ZVG, 21. Aufl. 2016, § 15 Anm. 13.17 unter d. 286 Knothe, Das Erbbaurecht, 1987, S. 271 ff.; Ranft, Die „Verdinglichung" des Erbbaurechtsinhalts, 1993, S. 60 ff.; Lemke/Czub, Immobilienrecht, § 2 ErbbauRG Rn. 19; Böttcher, Praktische Fragen des Erbbaurechts, 7. Aufl. 2014, Rn. 178 f.; Bamberger/ Roth/Maaß, BGB, 3. Aufl. 2012, § 2 ErbbauRG Rn. 19; Bauer/von Oefele/Maaß, GBO, 3. Aufl. 2013, AT VI Rn. 90; Palandt/Wicke, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2 ErbbauRG Rn. 1; Mohrbutter, Die Eigentümerrechte und der Inhalt des Erbbaurechts bei dessen Zwangsversteigerung, 1995, S. 30 ff. 287 Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 2 ErbbauRG Rn. 20.

S. 232 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Erlöschens im Versteigerungsverfahren gerade nicht der Fall war. Der BGH wollte hier offenbar ein Grundsatzurteil fällen.

Dazu hält der Senat fest, dass

allein die Verdinglichung des Anspruchs als Inhalt des Erbbaurechts zwar dazu führe, dass immer der jeweilige Rechtsinhaber den Anspruch gegen sich verwirklichen könne, das aber nichts darüber aussage, ob der Anspruch auch gegen den Rechtsnachfolger durchgesetzt werden könne,

die in § 3 ErbbauRG verankerte Bindung des Anspruchs an das Eigentum allein verhindern sollte, dass eine „Verwicklung der Rechtsverhältnisse"288 eintritt,

§ 33 Abs. 1 ErbbauRG nur die Rechtswirkungen des Heimfalls regele, der Wortlaut und die Gesetzesbegründung aber nichts dafür hergeben, dass der Anspruch dingliche Wirkung habe,

die Systematik gegen die Verdinglichung spreche, weil der Gesetzgeber die vormerkungsgleiche Wirkung im sonstigen Kontext ausdrücklich angeordnet habe, so etwa beim Erneuerungsanspruch nach § 31 Abs. 4 S. 1 ErbbauRG,

§ 33 ErbbauRG die Beleihbarkeit sichern wolle, was bei einem im Zwangsversteigerungsverfahren fortbestehenden Übereignungsanspruch des Eigentümers einen Zuschlag unwahrscheinlich werden lasse,

die Anerkennung als Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren nicht die Verdinglichung des Anspruchs voraussetze,

die bloß schuldrechtliche Wirkung auch interessenegerecht sei, da es der Eigentümer in der Hand habe, den Anspruch durch Eintragung einer Vormerkung auch gegenüber einem Rechtsnachfolger zu sichern, und das Entstehen vorrangiger Belastungen durch die Vereinbarung der Veräußerungs- und Belastungszustimmung verhindert werden kann,

der Eigentümer es selbst schuld sei, wenn die eintretende Rechtsnachfolge zu einem erbbauzinslosen Erbbaurecht führe, da die Aufgabe einer versteigerungssicheren Rangposition der Reallast allein seine Entscheidung sei und er sich überdies über eine Vereinbarung abweichender Versteigerungsbedingungen und eben auch eine versteigerungsfeste Reallast absichern könne,

schließlich der Ersteher eines Erbbaurechts keine Möglichkeit habe, sich sichere Kenntnis über die Nichtexistenz eines etwaigen Heimfallsgrundes zu verschaffen.

4. Löst die unterbliebene Übernahme der Zahlungspflichten den Heimfall aus?

Hoffnung hätte für den Grundstückseigentümer noch bestanden, wenn der BGH die mangelnde Übernahme der Verpflichtungen, also auch der schuldrechtlichen, aus dem Erbbaurechtsvertrag als auch gegenüber dem Ersteher als eigenem Verpflichtungsverstoß wirksamen Heimfallgrund anerkannt hätte.

288 So die vom BGH zitierte Gesetzesbegründung, Reichsanzeiger 1919 Nr. 26 vom 31. Januar 1919.

S. 233 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Im Erbbaurechtsvertrag war nun einmal ausdrücklich vereinbart, dass für den Fall, dass einem Erbbauberechtigten die schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag nicht durch seinen Rechtsvorgänger auferlegt wurden, diesen ebenfalls der Heimfallanspruch treffe.

Der BGH musste sich hier also nicht mit der Frage der Wirksamkeit eines einmal entstandenen Heimfallsanspruchs gegen den Rechtsnachfolger des Anspruchs-schuldners, sondern mit der Versagung des Anspruchs bzw. seiner Durchsetzbarkeit im Fall dessen grundsätzlicher Entstehung in der Person des konkreten Erbbau-berechtigten befassen.

Der Senat hält grundsätzlich fest, dass der Wortlaut des betreffenden Heimfallanspruchs sowohl den rechtsgeschäftlichen Nachfolger wie auch den kraft Hoheitsaktes erfasse (Rz. 38).

Allerdings zieht der Senat auch hier die Konsequenz aus der im Vorrang vor der Erbbauzinsreallast akzeptierten Grundpfandrechtsbelastung: Pech gehabt!

Das Gericht bindet den Grundstückseigentümer an die von ihm selbst getroffene Entscheidung, seinen Anspruch auf den Erbbauzins in den Nachrang gegenüber einem Grundpfandrecht gebracht zu haben. Der BGH verweist dazu zunächst auf seine frühere Rechtsprechung, wonach die Zustimmung zum Rechtserwerb eines Erstehers im Zwangsversteigerungsverfahren nicht deshalb versagt werden könne, weil mit dem Zuschlag ein erbbauzinsloses Erbbaurecht erworben werde.289 Dann führt er weiter aus, auch hinsichtlich des Heimfallanspruchs müsse sich der Eigentümer an seine eigene Entscheidung zur Belastungsakzeptanz im Vorrang binden lassen. Wörtlich heißt es in Rz. 43:

„Auf dieser gesetzlichen Regelung beruht die Bedeutung der Grundschuld als Kreditsicherungsmittel, und von dieser Rechtslage muss auch jeder Besteller einer Grundschuld ausgehen. Nichts anderes gilt für den Grundstückseigentümer, welcher der Belastung eines auf seinem Grundstück ruhenden Erbbaurechts mit einer Grundschuld zustimmt, die seiner Erbbauzinsreallast im Rang vorgeht. Diese Zustimmung wäre ohne Sinn, wenn die sich hieraus zwangsläufig ergebenden gesetzlichen Folgen vom Grundstückseigentümer nicht hingenommen werden müssten.“

289 Senat, Beschluss v. 26.2.1987 - V ZB 10/86, BGHZ 100, 107, 116 = NJW 1987, 1942, 1943f.

S. 234 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Als Ergebnis der Entscheidung kann festgehalten werden: Wer seinen Erbbau-zinsanspruch selbst gefährdet, kann sich über dessen Verlust nicht beklagen oder anderweitig Ersatz suchen.

5. Kritik an der Entscheidung

Karlsruhe locuta, causa finita.

Das Erbbaurecht ist eine Spezialmaterie, die es wenig wahrscheinlich macht, dass nach der nunmehr gefällten Entscheidung der Auffassung des BGH noch ernsthaft Widerstand entgegengebracht wird. Sie wird für die Praxis umgesetzt werden.

Dass gerade im Hinblick auf die Beleihbarkeit die Entscheidung erhebliche Vorzüge aufweist, liegt auf der Hand. Die Aufweichung der bislang wohl noch herrschenden Auffassung hatte ihren Ausgang denn auch hauptsächlich in den Risiken, die die Verdinglichung für die Grundpfandrechtsgläubiger wegen der mangelnden Kalkulierbarkeit des Rechts für Erwerber hatte.

Soweit erkennbar, wird die Entscheidung von der Literatur positiv290 aufgenommen oder jedenfalls einfach umgesetzt.291

a) Die Schwächen in der Argumentation des BGH zur mangelnden Durchsetzbarkeit des Heimfallanspruchs gegen den Rechtsnachfolger

Auf den ersten Blick klingen die Erwägungen des BGH überzeugend, wenn er das Risiko der Durchsetzbarkeit des entstandenen, aber nicht durch Vormerkung gesicherten Heimfallanspruchs dem Eigentümer und nicht dem Ersteher zuordnen will. Der Ersteher eines Erbbaurechts läuft dagegen in eine potentielle Falle.

aa) Abweichung von früherer eigener Rechtsprechung

Recht hat der BGH auch darin, dass allein die Verankerung des Heimfallanspruchs als Inhalt des Erbbaurechts nicht zwingend die Durchsetzbarkeit des entstandenen Anspruchs gegen den Rechtsnachfolger nach sich zieht. Überhaupt nicht auseinandergesetzt hat sich der Senat allerdings mit der Entscheidung des BGH292 aus 1954 (allerdings ergangen zum § 2 Nr. 7 ErbbauRG), in der es ausdrücklich heißt:

290 Krauß, MittBayNot 2016, 57; von Oefele/Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 6. Auflage 2016, Rn. 4.91ff.; Maaß, notar 2016, 266; Palandt/Wicke, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2 ErbbauRG Rn. 1. 291 Grziwotz, ZfIR 2016, 329; Krause, NotBZ 2016, 300. 292 BGH, Beschluss v. 9.7.1954 - V ZB 6/54, NJW 1954, 1443.

S. 235 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

„Der gesetzliche Inhalt des Erbbaurechts ist im § 1 ErbbaurVO festgelegt. Darüber hinaus kann durch Vereinbarung der Beteiligten der Inhalt des Erbbaurechts erweitert werden. Nach § 2 ErbbaurVO gehören gewisse Vereinbarungen zum Inhalt des Erbbaurechts. Diese Vorschrift bedeutet, daß die dort angeführten Vereinbarungen nicht getroffen zu werden brauchen, daß sie aber, wenn sie getroffen werden, zum Inhalt des Erbbaurechts gehören und infolgedessen nicht nur schuld-rechtliche Wirkungen zwischen den Beteiligten, sondern auch dingliche Wirkung für und gegen Dritte haben.“

bb) § 33 ErbbauRG

Nicht überzeugen kann ferner die Überlegung zur Bedeutung des § 33 ErbbauRG. Natürlich kann aus dem Wortlaut auch abgeleitet werden, dass die Norm nur und ausschließlich Regelungen zur Rechtslage beim Heimfall treffen will. Die Struktur der Norm spricht aber gegen diese Annahme. Das Fortbestehen der Verwertungsrechte, das bei einem bloß schuldrechtlich wirkenden Anspruch die Regel wäre, wird ausdrücklich hervorgehoben. Das Erlöschen der anderen Rechte ist für einen schuldrechtlichen Anspruch ungewöhnlich, da die Erwerber von dinglichen Rechten am Erbbaurecht partielle Rechtsnachfolger des Erbbauberechtigten sind – insoweit wirkt der Heimfallanspruch durchaus dinglich. Dass die Gesetzesbegründung keine besondere Erwähnung der dinglichen Wirkungen enthält kann schließlich auch damit begründet werden, dass sie diese vorausgesetzt hat.

Dass § 33 ErbbauRG die Beleihbarkeit des Erbbaurechts sichern will, ist offenbar, ebenso offenbar wie dies in § 7 ErbbauRG zum Ausdruck kommt. Diese Beleihbarkeit wird aber nur im Rahmen dessen gewährt, was das Erbbaurecht als seinen Inhalt vorgibt. Da zum Inhalt auch die dispositiven Vereinbarungen des § 2 ErbbauRG gehören, geht es hinsichtlich dieser Inhalte nicht um die Beschränkung der Beleihbarkeit, sondern um den Wert des Beleihungsgegenstandes.

cc) Vormerkungswirkung nach § 31 Abs. 4 S. 1 ErbbauRG

Systematisch sieht der BGH in § 31 Abs. 4 S. 1 ErbbauRG ein Argument gegen die dingliche Wirkung des Übertragungsanspruchs des Eigentümers am Erbbaurecht, da der Gesetzgeber da, wo er vormerkungsgleiche Wirkungen habe anordnen wollen, dies auch ausdrücklich getan habe. Dieses Argument ist allenfalls scheinbar überzeugend. Für das Erbbaurecht bedarf es gerade deshalb nicht der Anordnung der Wirkungen der Vormerkung, weil das Erbbaurecht eben durch seinen Rechtscharakter definiert und damit bestimmte Bestandteile zu seinem gesetzlichen Inhalt gemacht werden können. Der Grundstückseigentümer sieht sich mit dem Erbbaurecht eben nur dem ausgesetzt, was erbbaurechtsvertraglich vereinbart ist. Das Recht des Erbbauberechtigten dagegen

S. 236 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bezieht sich auf das umfassende Eigentum und muss deshalb in seinen Rechtswirkungen ausdrücklich bezeichnet werden. Im einen Fall ist die dingliche Wirkung Bestandteil des Rechts selbst, im anderen muss sie ausdrücklich angeordnet werden.

dd) Möglichkeit der Sicherung durch Vormerkung

Überzeugend hört sich auch das Argument an, der Eigentümer könne sich seinen Heimfallanspruch durch die Eintragung einer Vormerkung sichern. Diese Überlegung ist im Grundsatz zutreffend, setzt aber voraus, dass der Erbbauberechtigte nicht seinerseits schneller und cleverer ist. Übereignet er nämlich nach Verwirklichung eines den Heimfallanspruch auslösenden Ereignisses das Grundstück einem Dritten, kommt der Eigentümer mit seiner Vormerkung jedenfalls dann zu spät, wenn er oder das Gericht des einstweiligen rechtsschutzverfahren nicht schnell genug reagiert haben. Da es dafür wohl auch der Eintragung einer Vormerkung zu Gunsten einer Person, bei der die Zustimmung zum Erwerb nach § 7 ErbbauRG erteilt werden muss, genügt, kann der Heimfallanspruch eventuell totlaufen.

ee) Aussonderungsrecht bei bloß schuldrechtlichen Ansprüchen

Für ganz besonders unglücklich halte ich die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des IX. Senats, der dem Heimfallanspruch die Wirkung eines Aussonderungsrechts im Insolvenzverfahren beigemessen hat. Aussonderungsrechte setzen grundsätzlich dingliche bzw. dinglich wirkende Rechtpositionen voraus. Eine Abweichung davon hat die Rechtsprechung dann zugelassen, wenn Rechtspositionen bereits mit einer treuhänderischen Bindung in das Vermögen des Insolvenzschuldners gelangt sind. Für den Heimfallanspruch hat der IX. Senat293 allerdings ausdrücklich unter Rz. 8 die dingliche Wirkung bejaht:

„Kl. und Schuldnerin haben dem Heimfallanspruch nach § 8 I Nr. 2 der Erbbaurechtsverträge nach deren § 12 dingliche Wirkung beigelegt. Diese ist durch die Eintragung des Erbbaurechts in das Erbbaugrundbuch und durch die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung eingetreten, weil die Heimfallregelung von der Bewilligung umfasst war.“

Insoweit wäre eine eingehendere Auseinandersetzung wünschenswert gewesen.

b) Versagung der Berufung auf den Heimfallgrund des Nichteintritts

Mit vorstehenden Überlegungen dazu, dass der Grundpfandrechtsgläubiger eben ein Erbbaurecht belastet habe, das den Heimfallanspruch Nichteintritt in den Erbbaurechtsvertrag kenne, hätte der BGH sich auch dafür entscheiden können, den

293 BGH, Urteil v. 19.4.2007 - IX ZR 59/06, DNotZ 2007, 682.

S. 237 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Anspruch auf die zukünftigen Zinsen dem Grundstückseigentümer zumindest als schuldrechtlichen Anspruch zu erhalten, wenn auch die dingliche Sicherung über die Reallast entfällt und die Zinsen für die Vergangenheit wegfallen.

Den Eigentümer an die Nachrangentscheidung zu binden, war aber im Ergebnis deshalb konsequent, weil der Gesetzgeber die Regelungen über die Reallast ausdrücklich vorgesehen hat. Die flankierende schuldrechtliche Vereinbarung ist zwar zulässig, für die dinglichen Komponenten ist aber ausdrücklich die Regelung des § 9 ErbbauRG vorgesehen.

Würde der Erbbauzins über die Hintertür des Heimfallanspruchs letztlich ebenso abgesichert werden können, wie über die gesetzliche vorgesehene Reallast, bedürfte es dieser Regelung im Grundsatz nicht.

Es ist deshalb nur konsequent vom V. Senat, die Berufung auf den Heimfallanspruch wegen Nichteintritts in die schuldrechtlichen Abreden des Erbbaurechtsvertrages zu versagen.

c) Fazit

Praktisch führt die Entscheidung wahrscheinlich zu in der Regel zutreffenden Ergebnissen. Sie erreicht dies, indem sie die gesetzgeberische Entscheidung, den Heimfallanspruch ohne jede Einschränkung zuzulassen, praktisch einengt. Der BGH steht insoweit im Zwiespalt, mit einer gesetzlichen Regelung konfrontiert zu sein, die einen extrem aufmerksamen Rechtsanwender voraussetzt, der nämlich den Begriff des Rechts als solchen versteht und nicht bloß das Nutzungsrecht und das Gebäude sieht. Dass dazu rechtsdogmatische Kunstgriffe erforderlich sind, ist die Herausforderung, mit der der BGH leben muss.

Die Hauptargumente, ein Ersteher laufe hinsichtlich des Heimfallanspruchs möglicherweise blind in sein Verderben und der Eigentümer müsse sich an seine durch die Zulassung des Vorrangs eines Verwertungsrechts gegenüber seiner Reallast getroffene Vermögensdisposition binden lassen, sind letztlich nicht von der Hand zu weisen. Es bleibt beim Prinzip des selbst schuld.

6. Sicherung des Heimfallanspruchs

Der BGH hat den Weg vorgezeichnet, unter dem der Eigentümer Sicherheit für seinen Anspruch erlangen kann: Er muss sich eine Vormerkung bei Entstehen des Anspruchs

S. 238 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

eintragen lassen, regelmäßig dann über eine einstweilige Verfügung und hoffen, dass diese schnell genug eingetragen wird.

Für solche Heimfallgründe, die dem Eigentümer besonders am Herzen liegen und der Sicherung auch für den Fall der Rechtsnachfolge bedürfen, bleibt wohl nur die Möglichkeit, diese parallel durch weitergabepflichtige schuldrechtliche und vormerkungsgesicherte Übertragungsansprüche abzusichern.

S. 239 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VIII. Zustimmung zur Veräußerung des Erbbaurechts kann widerrufen werden (K)

OLG München, Beschl. v. 29.9.2016 - 34 Wx 191/16, FGPrax 2016, 256 = DNotI-Report 2016, 153 = BeckRS 2016, 17413.

1. Rückblick

Die Zustimmung zu Veräußerungsgeschäften hatten wir in dieser Veranstaltung schon oft294 zum Gegenstand, zuletzt 2013 als der BGH zur Wirksamkeit der Verwalterzustimmung beim Wechsel des Verwalters295 Stellung genommen hatte.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht nun darin, dass es diesmal nicht um die Zustimmung nach § 12 WEG, sondern um die nach § 5 ErbbauRG ging. Es war auch nicht die Frage im Raum, was beim Wechsel des Zustimmungsberechtigten geschieht, sondern wie sich der Widerruf der Veräußerungszustimmung vor der Verwirklichung des Rechtsgeschäftes auswirkt.

Fallgestaltung

Im Erbbaurechtsvertrag wurde die Veräußerungszustimmung im Sinne des § 5 Abs. 1 ErbbauRG vereinbart. Das Erbbaurecht wurde verkauft, eine Vormerkung eingetragen und die Einigung über den Übergang getroffen. Der Eigentümer erteilte seine Zustimmung, widerrief diese aber, nachdem der Notar die Fälligkeitsmitteilung versandt und der Kaufpreis gezahlt worden war, allerdings bevor der Umschreibungsantrag bei Gericht gestellt wurde. Der Notar legte die Zustimmung und Widerruf dem Grundbuchamt vor, das daraufhin die Eintragung verweigerte.

2. Entscheidung

Das OLG München als Beschwerdegericht teilte die Auffassung des Grundbuchamtes, wonach der Widerruf der Veräußerungszustimmung diese materiell unwirksam mache, wenn diese jedenfalls vor dem Zeitpunkt der Stellung des Umschreibungsantrages bei Gericht (Zeitpunkt des § 878 BGB) erklärt werde.

294 Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2012/2013, S. 252; Kesseler, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2011/2012, S. 130; Kesseler, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2011/2012, S. 130; Kesseler, in: Albrecht/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2010/2011, S. 170; 295 BGH, Beschluss v. 11.10.2012 - V ZB 2/12, BGHZ 195, 120 = DNotZ 2013, 362 (m. Anm Commichau) = MittBayNot 2013, 130 (m. Anm. Kreuzer) = ZfIR 2013, 25 (m. Anm. Hogenschurz); dazu Hügel, NotBZ 2013, 1; Böhringer, NotBZ 2013, 121; Kessler, RNotZ 2013, 480.

S. 240 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Das OLG referiert zunächst die herrschende Auffassung zur Widerruflichkeit der Zustimmung im erbbaurechtlichen Schrifttum, geht auf die zu § 12 WEG vertretenen Auffassungen ein und beschäftigt sich mit der vorgenannten Entscheidung des BGH. Es kommt alsdann zum Schluss, dass die Zustimmung jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Antragstellung widerrufen werden könne und damit ihre Wirksamkeit verliere. Dazu führt es aus:

„Unabhängig von der dogmatischen Einordnung unterliegt die in §§ 5, 6 ErbbauRG bezeichnete Eigentümerzustimmung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung den allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Danach ist sie grundsätzlich nicht nur bis zu ihrem Wirksamwerden durch Zugang bei einer Vertragspartei (§ 130 Abs. 1, § 182 Abs. 1 BGB), sondern „bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts“ widerruflich, § 183 Satz 1 Halbs. 1 BGB. Als mehraktiges Rechtsgeschäft ist die Übertragung des Erbbaurechts erst mit der Eintragung im Grundbuch „vorgenommen“ (Staudinger/Gursky BGB (2014) § 183 Rn. 10 m. w. N.); eine hier einschlägige, abweichende gesetzliche Begriffsdefinition (vgl. etwa § 140 InsO) ist nicht ersichtlich. Die danach maßgebliche Zeitgrenze hat der Bundesgerichtshof über die Anwendung von § 878 BGB auf den Zeitpunkt des Eintragungsantrags vorverlegt. Inwieweit die rechtsdogmatische Einordnung als Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers oder als Beschränkung des Rechtsinhalts selbst für die - gegebenenfalls analoge - Anwendbarkeit des § 878 BGB oder des darin zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens von Bedeutung ist (vgl. Staudinger/Gursky BGB [2012] § 878 Rn. 29), kann dahinstehen, denn ein unschädlicher nachträglicher Verlust der Verfügungsbefugnis steht hier schon deshalb nicht im Raum, weil der Eintragungsantrag beim Grundbuchamt erst nach dem Zugang der Widerrufserklärung beim Notar als für die Vertragsparteien Empfangsberechtigtem gestellt worden ist.

Aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (siehe § 183 Satz 1 Halbs. 2 BGB) ergibt sich jedenfalls für die nach §§ 5, 6 ErbbauRG erforderliche Eigentümerzustimmung nicht deren Unwiderruflichkeit. Nach ihrem Sinn und Zweck dient die Einschränkung der freien Übertragbarkeit des Erbbaurechts dem Interesse des Eigentümers. Das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist mithin geprägt durch die widerstreitenden Interessen einerseits der Vertragsparteien an der Durchführung eines für sie bindend gewordenen Vertrags und andererseits des Eigentümers an einer Widerruflichkeit seiner Erklärung im Stadium des noch nicht vollzogenen Geschäfts; diese Interessen sind zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob sich aus dem Rechtsgeschäft die Widerruflichkeit der einmal gegebenen Zustimmung ableitet, gegeneinander abzuwägen. Dabei schlägt die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers durch, wonach die Zustimmungserklärung den Zustimmenden nicht schon mit ihrem

S. 241 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Wirksamwerden durch Zugang bindet, sondern über den in § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt hinaus durch Widerruf beseitigt werden kann. Den gewollten Gleichlauf zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft bewirkt das Gesetz selbst, indem § 6 Abs. 1 ErbbauRG anordnet, dass die durch den Zustimmungsmangel bedingte Unwirksamkeit beide Geschäfte erfasst.“

Während im Bereich des Wohnungseigentumsrecht die herrschende Auffassung mittlerweile davon ausgeht, dass es sich bei der Veräußerungszustimmung um eine Verkehrsfähigkeitsbeschränkung296 des betreffenden Gegenstandes, nicht um eine Verfügungsbeschränkung des Inhabers des Gegenstandes handelt, ist das Schrifttum im Erbbaurecht mehrheitlich297 noch der hergebrachten Auffassung.298

3. Praktischer Umgang mit dem Problem

An dieser Stelle sollen nicht noch einmal die Argumente wiederholt werden, die dafür sprechen, das Zustimmungserfordernis als Fungibilitätsbeschränkung einzustufen, die mit dem Zugang der Zustimmung für den betreffenden Veräußerungsvorgang aufgehoben ist. Der BGH hat bislang die Notwendigkeit zur Entscheidung der Frage nicht gesehen. Die herrschende Meinung verschließt sich selbst des wichtigsten Gegen-Argumentes, der unnötigen Komplizierung der Abwicklung von Erwerbsverträgen über Erbbaurechte, sodass mit der Entscheidung einfach umgegangen werden muss.

Angesichts der Tatsache, dass in den meisten Fällen die Entscheidung des Eigentümers gebunden ist und ein Widerruf nur in absoluten Ausnahmefällen stattfindet, scheinen Vorsichtsmaßnahmen nur in den Fällen angezeigt, in denen in aus der Person des Erwerbers bestehenden Gründen die Zustimmung ungewiss ist. In diesem Fall kommt wohl nur die Verwahrung des Kaufpreises auf Anderkonto als sichere Lösung in Betracht.

296 Zuerst Kössinger, in: Bauer/v. Oefele, GBO, (schon 1999, jetzt auch in) 3. Aufl. 2013, § 19 Rn. 203 ff.; Palandt/Wicke, 76. Aufl. 2017, § 12 WEG Rn. 7; Bärmann/Suilmann WEG 13. Aufl. 2015, § 12 Rn. 33; MüKo/Commichau BGB 7. Aufl. 2017, § 12 WEG Rn. 44 f.; Schneider in Riecke/Schmid WEG 4. Aufl. 2014, § 12 Rn. 98; Staudinger/Gursky, 13. Auflage, Bearbeitung 2012, § 878 Rn. 29; Kesseler, RNotZ 2005, 543 und 2011, 417, 419; Schmidt, ZWE 2010, 394; Hügel, ZWE 2010, 457; Schneider, ZMR 2011, 146. 297 OLG Köln, Beschluss vom 31. Juli 1995 – 2 Wx 20/95, Rpfleger 1996, 106; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 1996 – 3 Wx 33/96, Rpfleger 1996, 340; von Oefele/Winkler Handbuch des Erbbaurechts 6. Aufl. 2016, Rn. 4.183; Kohler in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. 2012, AT VI Rn. 128 und AT VIII Rn. 29 mit 33; MüKo/Heinemann BGB 7. Aufl. 2017, § 5 ErbbauRG Rn. 1 und 4; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. 2012, Rn. 1783 mit 1774 und Rn. 114 f., 126. 298 A.A. Palandt/Wicke, 76. Aufl. 2017, § 5 ErbbauRG Rn. 5; Staudinger/Rapp BGB (2009) §§ 5 - 7 ErbbauRG Rn. 1.

S. 242 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die bloße Eintragung der Vormerkung kann nicht schützen, da die Zustimmung und damit auch deren Widerruf das schuldrechtliche wie das dingliche Geschäft gleichermaßen ergreifen.

Wann tatsächlich zu diesem Mittel gegriffen wird, sollte dem Einzelfall überlassen bleiben. Es kann kaum Ergebnis der Rechtsprechung sein, dass der Notar verpflichtet sein sollte, bei jedem Kaufvertrag über ein Erbbaurecht zur Nutzung des Anderkontos zu raten nebst Auszahlung erst bei Antragstellung299 zur Eigentumsumschreibung.

299 Seit BGH, Urteil v. 27.9.1962 - III ZR 83/61, NJW 1963, 36, wird praktisch einhellig die Auffassung vertreten, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Zustimmung wirksam sein soll. Dies ist zwar dogmatisch nicht zu begründen (siehe dazu Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2012/2013, S. 252), wird aber nur von den Stimmen angegriffen, die ohnehin die Wirksamkeit zu einem früheren Zeitpunkt als bindend ansehen.

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E) Beschränkte dingliche Grundstücksrechte und Grundbuchrecht

I. Vorkaufsrecht (SH/CH)

1. Einigung für Vorkaufsrecht auch ohne Beurkundung formwirksam (SH)

a) Einführung

Die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts setzt gemäß § 873 BGB eine Einigung des Eigentümers und des Vorkaufsberechtigten über die Bestellung und die Eintragung des Vorkaufsrechts in das Grundbuch voraus. Im Gegensatz zur Auflassung fehlt es an einem unmittelbar einschlägigen materiell-rechtlichen Formerfordernis; dieses ergibt sich lediglich aus der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 29 GBO. Der Vorkaufsrechtsbestellung liegt indes stets ein schuldrechtliches Grundgeschäft zugrunde, in welchem die doppelt bedingte Verpflichtung des Eigentümers zur Übereignung des Grundstücks begründet wird und welches die causa für die Bestellung des Vorkaufsrechts bildet. Dieses ist ohne weiteres nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungsbedürftig. Die im Kausalverhältnis begründete Übereignungspflicht wird aktualisiert durch (1) den wirksamen, also insbesondere auch notariell beurkundeten (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB) Abschluss eines Kaufvertrags über das vorkaufsrechtsbelastete Grundstück mit einem Dritten (§ 463 i.V.m. § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB) und (2) den fristgerechten Zugang einer (formlosen)300 Ausübungserklärung des Berechtigten beim Verpflichteten (§ 464 Abs. 1 i.V.m. § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB).

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 (Urteil vom 7.11.1990 – XII ZR 11/89)301 hatte der XII. Zivilsenat des BGH die Auffassung vertreten, dass sich das Formgebot des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur auf das Kausalgeschäft, sondern in analoger Anwendung dieser Norm zugleich auf die (dingliche) Bestellung des Vorkaufsrechts selbst erstreckt. Im vergangenen Jahr hatte der V. Zivilsenat Gelegenheit, diese Position zu revidieren. Bei dieser Gelegenheit bestätigte der Senat auch eine auf das Reichsgericht zurückgehende Rechtsprechung betreffend die Heilung eines Formfehlers beim Kausalgeschäft ohne nähere Erörterung. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass die schon zum damaligen Zeitpunkt bedenklichen geringen Anforderungen an die Heilung des Formfehlers jedenfalls auf der Grundlage des heutigen Normumfelds nicht mehr haltbar sind.

300 OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 16. 301 BGH NJW-RR 1991, 205, 206: „Der [gemäß § 311b Abs. 1 S. 1 BGB] […] angeordnete

Formzwang gilt auch für die Bestellung eines Vorkaufsrechts, und zwar sowohl für das persönliche wie für das dingliche, und erstreckt sich auf die Bestellung selbst wie auch auf die Verpflichtung dazu“.

S. 244 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Anforderungen an die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts

Für die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts im Sinne von § 1094 BGB gelten die für die Bestellung aller dinglichen Rechte geltenden allgemeinen Grundsätze des § 873 BGB. Mangels Einschlägigkeit einer Spezialvorschrift wie § 925 Abs. 1 BGB für die Eigentumsübertragung fehlt es für die Bestellung des Vorkaufsrechts an einer eigenständigen materiell-rechtlichen Formvorschrift.

aa) Kein materiell-rechtliches Formerfordernis

Anders als der XII. Zivilsenat des BGH noch in seinem Urteil vom 7.11.1990 ausgeführt hat,302 erstreckt sich die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB richtigerweise nicht auf die für die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Einigung. Wie der V. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 8.4.2016 zutreffend herleitet, lässt sich aus dieser Vorschrift im Ergebnis kein Formerfordernis betreffend das Erfüllungsgeschäft herleiten.303

Die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts gem. § 873 BGB erforderliche Einigung muss, anders als das Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden (insoweit Aufgabe von BGH, NJW-RR 1991, 205 [206])

BGH, Urt. v. 8.4.2016 - V ZR 73/15,

DNotZ 2016, 915 = JuS 2017, 71 (K. Schmidt) = NJW 2016, 2035 m. Anm. Wais =

Rpfleger 2016, 535 = notar 2016, 311 m. Anm. Monreal = NotBZ 2016, 347 (Peters) =

ZfIR 2016, 404 m. Anm. Mönig = ZNotP 2016, 91.

Maßgebend sind insoweit im Wesentlichen drei Erwägungen:

Tz. 17: § 311b Abs. 1 S. 1 BGB „regelt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Ihre analoge Anwendung scheidet schon in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus […], weil das Erfüllungsgeschäft nach dem das deutsche Recht beherrschenden Trennungsprinzip bewusst eigenen Regeln unterworfen wird.

Das Argument, die dingliche Einigung enthalte zugleich die obligatorische Verpflichtung zu

der späteren Eigentumsübertragung, hat bereits das RG mit der zutreffenden Überlegung

verworfen, dass die Einigung – anders als das Verpflichtungsgeschäft – nur auf die

Entstehung des dinglichen Rechtsverhältnisses (also des Vorkaufsrechts) gerichtet sei (RGZ

125, 261 [262 f.]). Da der Inhalt der Einigung sich im Einigsein über die vereinbarte

302 BGH NJW-RR 1991, 205, 206. 303 BGH, Urt. v. 8.4.2016 - V ZR 73/15, DNotZ 2016, 915 = NJW 2016, 2035 m. Anm. Wais = ZfIR

2016, 404 m. Anm. Mönig.

S. 245 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

dingliche Rechtsänderung erschöpft, fehlt ihr jede verpflichtende Wirkung zu einem Tun oder

Unterlassen (vgl. Mot. III 172; Staudinger/Gursky, § 873 Rn. 59).“

Tz. 18: „Die Formbedürftigkeit der Einigung widerspräche zudem der in § 925 I BGB enthaltenen Regelung für die Auflassung, die als Einigung iSv § 873 BGB auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet ist. Da selbst die Auflassung nicht notariell beurkundet, sondern (nur) vor der zuständigen Stelle erklärt werden muss […], gilt dies erst recht für eine Einigung iSv § 873 BGB, die nicht § 925 BGB unterfällt.“

Tz. 19: „Unvereinbar wäre die Formbedürftigkeit schließlich mit der in § 313 S. 2 BGB aF bzw. § 311 b I 2 BGB vorgesehenen Heilung des formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts. Hierzu käme es nur unter besonderen Umständen, wenn auch die Einigung der notariellen Beurkundung bedürfte. Der Zweck der Heilungsvorschrift, das bislang unwirksame Kausalgeschäft aufgrund der Erfüllung seinem ganzen Inhalt nach wirksam werden zu lassen […], würde verfehlt, wenn die Verfügung denselben Formanforderungen wie das Verpflichtungsgeschäft unterworfen würde und dessen Erfüllung infolgedessen nicht eintreten könnte.“

Diese Ausführungen überzeugen uneingeschränkt.

Im Übrigen ist nicht ersichtlich, weshalb neben der Beurkundungsbedürftigkeit des Kausalgeschäfts (hierzu sogleich unter cc) aus Schutzzweckgesichtspunkten eine Beurkundung des Erfüllungsgeschäfts in Gestalt der Bestellung des dinglichen Rechts selbst erforderlich sein sollte.304

bb) Lediglich grundbuchverfahrensrechtliches Formerfordernis, § 29 GBO

Natürlich ist im Grundbuchverfahren § 29 GBO zu beachten, mit dem aber keine vergleichbaren Schutzzwecke wie mit § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verfolgt werden. Im Übrigen handelt es sich bei § 29 GBO um eine bloße Ordnungsvorschrift; erfolgt eine Eintragung in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise unter Missachtung dieser Formvorgabe, vermag dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht zu vereiteln.305

304 Zutreffend Wais NJW 2016, 2037. 305 Vgl. BGH DNotZ 1963, 313; BayObLG Rpfleger 1984, 463; Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016,

§ 29 Rn. 2; Meikel/Hertel, GBO, 10. Aufl. 2015, § 29 Rn. 21 mwN.

S. 246 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

cc) Aber: Formbedürftigkeit des Kausalgeschäfts!

Von den vorstehenden Ausführungen unberührt bleibt indes das Erfordernis der notariellen Beurkundung des der Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts zu Grunde liegenden Kausalgeschäfts nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Denn durch die Einräumung des Vorkaufsrechts wird – wie eingangs ausgeführt – die doppelt bedingte Verpflichtung des Vorkaufsverpflichteten begründet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen.306 Fehlt es an der Beurkundung des Kausalgeschäfts, ist das wirksam bestellte dingliche Vorkaufsrecht nach § 812 Abs. 1 S. 1 Variante 1 BGB kondizierbar.

dd) Exkurs: Formfreiheit der Ausübungserklärung (?)

Nur mit Blick auf die Formbedürftigkeit des Kausalgeschäfts ist es überhaupt zu rechtfertigen, dass die spätere Ausübung des Vorkaufsrechts selbst keiner Form bedarf und dem Vorkaufsberechtigten zu diesem Zeitpunkt die mit dem Formgebot des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verbundenen Schutzzwecke (insbesondere Übereilungsschutz, Belehrung und Beratung) nicht (erneut) zugutekommen.

Ob es sich bei der Formfreiheit der Vorkaufsrechtsausübung rechtspolitisch um eine weise Entscheidung handelt, steht auf einem anderen Blatt. Gerade wenn sich ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht erst nach langer Zeit oder ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht im Sinne von § 1094 Abs. 2 BGB erst nach einem Eigentümerwechsel aktualisiert, laufen die Schutzzwecke des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (weitgehend) leer und der Berechtigte ist sich im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts – wie zahlreiche Fälle der Ausübung von Mietervorkaufsrechten illustrieren307 – aller Konsequenzen seiner Erklärung möglicherweise nicht hinreichend bewusst. Nicht selten gibt es hier Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Kaufpreises und/oder der Vorkaufsberechtigte macht sich falsche Vorstellungen von seinen etwaigen über die bloße Eigentumsverschaffung hinausgehenden Gewährleistungsansprüchen gegen den Verkäufer.

c) Heilung des Formmangels

Wird das Kausalgeschäft betreffend die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts nicht beurkundet, hat dies – wie bereits erwähnt – gemäß § 125 S. 1 BGB dessen Nichtigkeit und damit die Kondizierbarkeit des bestellten Vorkaufsrechts zur Folge. Der Berechtigte wäre daher nach § 812 Abs. 1 S. 1 Variante 1 BGB verpflichtet, das Vorkaufsrecht gemäß § 875 Abs. 1 BGB aufzugeben und dessen Löschung im Grundbuch formgerecht zu bewilligen.

306 BGH NJW 2016, 2035 Tz. 12. Vgl. bereits RGZ 72, 385, 392 f.; 110, 327, 333; 148, 105, 108 f.

Ebenso Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 311b Rn. 11; Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearb. 2012, § 311b Abs. 1 Rn. 24 mwN auch zur Gegenauffassung.

307 Hier muss die Vorkaufsrechtsausübung immerhin schriftlich erfolgen (vgl. § 577 Abs. 3 BGB).

S. 247 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Wie stets bei einem Verstoß gegen das Beurkundungserfordernis nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB kommt jedoch auch vorliegend eine Heilung des Formmangels gemäß bzw. analog § 311b Abs. 1 S. 2 in Betracht. Unklar ist lediglich, welche Anforderungen für eine Heilung des Formmangels erfüllt sein müssen. Anknüpfend an die erfolgenden Eintragungen im Grundbuch kommen hierfür im Wesentlichen zwei Zeitpunkte in Betracht:

die Eintragung des Vorkaufsrechts aufgrund der Bewilligung des vorkaufsverpflichteten Grundstückseigentümers;

oder

die Auflassung und Eintragung des Vorkaufsberechtigten als Eigentümer nach Ausübung des bestehenden (aber bis zur Heilung kondizierbaren) Vorkaufsrechts.

aa) BGH: Heilung mit Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts

Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung – jüngst bestätigt durch die Entscheidung vom 8.4.2016 (V ZR 73/15)308 – davon aus, dass der Formmangel in analoger Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB allein durch Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts in das Grundbuch geheilt wird.309 Eine Begründung für die analoge Anwendung der vorstehenden Heilungsvorschrift findet sich in der jüngsten Entscheidung ebenso wenig wie in dem in Bezug genommen Urteil vom 17.5.1967.310

Allerdings hat sich schon das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1929 ausführlich mit der Frage der analogen Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB (damals noch § 313 Abs. 1 S. 2 BGB) auseinandergesetzt:

„Wenn man diese Vorschrift [§ 313 S. 2 BGB a.F. = § 311b Abs. 1 S. 2 BGB] nach ihrem Wortlaut auch nicht unmittelbar auf die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts anwenden wollte, so ist doch jedenfalls […] eine entsprechende Anwendung geboten. In dieser Vorschrift kommt der Gedanke zum Ausdruck, daß, wenn eine Grundstücksübereignung infrage steht, der dingliche Vertrag und die Eintragung die Mängel des schuld-rechtlichen Übereignungsvertrags heilen und diesem Vertrage Rechtswirk-samkeit verleihen. Eine solche Lage ist auch dann gegeben, wenn die Verpflichtung zur Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts formlos übernommen wird, dann aber die Einigung in einer nach § 873 Abs. 2 BGB bindenden Weise erfolgt und daraufhin das Recht eingetragen wird. Einigung und Eintragung stellen auch hier die Erfüllung des Verpflich-tungsvertrags in seinem wesentlichen Punkte dar, und diese unter bestimmte Formerfordernisse gestellte und vom Gericht zum Abschluß

308 BGH NJW 2016, 2035 Tz. 12. 309 BGH NJW 2016, 2035 Tz. 12 mwN. 310 BGH DNotZ 1968, 93 = BeckRS 1967, 00165.

S. 248 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

gebrachte Erfüllung gibt dem darauf gerichteten schuldrechtlichen Vertrag die Rechtswirksamkeit.“

„Insbesondere läßt sich gegen eine entsprechende Anwendung des § 313 S. 2 BGB [= § 311b Abs. 1 S. 2 BGB] nicht der Umstand entscheidend verwerten, daß die Auflassung vor dem Grundbuchamt oder Notar zu erklären ist, die Einigung über die Bestellung des Vorkaufsrechts aber, wenn sie bindend sein soll, der in § 873 Abs. 2 BGB vorgesehenen Form bedarf. Denn auch diese Form bietet eine gewisse Sicherheit dafür, daß die Einigung dem Willen der Beteiligten entspricht, und bildet die gesetzmäßige Unterlage für die Eintragung im Grundbuch. Findet das Gesetz eine für die Rechtswirksamkeit hinreichende Billigung des gesamten schuldrechtlichen Übereignungsvertrags schon in der gleichfalls rein formalen Auflassung, so muß das mindestens in demselben Maße von dem (gewöhnlich, so auch hier) ganz einfach auf Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts gerichteten schuldrechtlichen Vertrag und vom dinglichen Vertrag in Verbindung mit der Eintragung gelten.“311

Im Ergebnis stellt das Reichsgericht die für die Eintragung des Vorkaufsrechts erforderliche Einigung in der Form des § 29 GBO wertungsmäßig der Auflassung im Sinne von § 925 BGB gleich. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass Formmängel des Kausalgeschäfts eines dinglichen Vorkaufsrechts – anders als Formmängel eines „normalen“ Grundstückskaufvertrags312 – nahezu ausnahmslos geheilt werden, da es im absoluten Regelfall schon wegen der Rangwahrung zu einer unverzüglichen Einräumung des Vorkaufsrechts, also dessen Eintragung in das Grundbuch kommen wird und damit die Voraussetzungen für eine bindende Einigung im Sinne von § 873 Abs. 2 BGB notwendig erfüllt sind.

Die Literatur teilt diese Auffassung ganz überwiegend, meistens jedoch ohne nähere Begründung.313 Schreinsdorfer führt zur Rechtfertigung einer analogen Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB ergänzend aus, dass durch die Grundbucheintragung ein sachenrechtlich abgeschlossener und auch für Dritte erkennbarer Tatbestand entstanden sei, dem im Interesse der Rechtssicherheit bereits Schutz gebühre.314

311 RGZ 125, 261, 264 f.; bestätigt durch RG JW 1934, 2545. 312 Hier liegt zwischen der Begründung der schuldrechtlichen Verpflichtung und deren Erfüllung

durch Auflassung und Eigentumsumschreibung schon aufgrund der weiteren verfahrensrechtlichen Erfordernisse (Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts wegen der Grunderwerbsteuer, § 22 Abs. 1 GrEStG; Vorkaufsrechtsverzichtserklärung der Gemeinde, § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB) stets ein gewisser Zeitraum, in welchem die Unwirksamkeit geltend gemacht werden kann.

313 Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 311b Rn. 52; MünchKommBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2016, § 311b Rn. 81; Soergel/J. Mayer, BGB, Neubearb. 2013, § 311b Rn. 229; Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearb. 2012, § 311b Abs. 1 Rn. 327; BeckOGK-BGB/Schreinsdorfer, Stand 1.10.2016, § 311b Rn. 370 f.

314 BeckOGK-BGB/Schreinsdorfer, Stand 1.10.2016, § 311b Rn. 370.

S. 249 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Kritik

Eine Heilung des Formmangels allein durch Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts in das Grundbuch überzeugt nicht.

Abgesehen davon, dass es schon im Ausgangspunkt befremdlich ist, ein mit bestimmten Normzwecken verbundenes Formgebot zu postulieren, dessen Missachtung aber kaum je von Relevanz sein kann, da der Formmangel – von der Bearbeitungszeit des Grundbuchamts abgesehen – nahezu ausnahmslos postwendend geheilt wird, ohne dass es auf die auch nur ansatzweise Erreichung der mit dem Formgebot intendierten Zwecke ankommt, haben sich die maßgeblichen gesetzlichen Rahmenbedingungen seit der Leitentscheidung aus dem Jahr 1929 in entscheidender Weise geändert.

(1) Bedarf für eine Heilungsmöglichkeit

Im Ausgangspunkt besteht – soweit ersichtlich – allseits Einvernehmen, dass es auch bei einem Formmangel des Kausalverhältnisses zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts eine Möglichkeit der Heilung durch späteren Vollzug geben muss.

(a) Unmittelbare Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB

Da sich das Formgebot aus einer unmittelbaren Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB ergibt (doppelt bedingte Verpflichtung), erscheint es naheliegend, die Heilungsmöglichkeit in § 311b Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls unmittelbar anzuwenden. Dies hätte zur Folge, dass die Kondizierbarkeit des dinglichen Vorkaufsrechts nicht bereits mit seiner Eintragung oder späteren Ausübung, sondern erst mit der Erfüllung des aufgrund der Ausübung des Vorkaufsrechts entstandenen Kaufvertrags erlischt. Bis zu diesem Zeitpunkt würden auch die Wirkungen des Vorkaufsrechts, insbesondere die Vormerkungswirkung gemäß § 1098 Abs. 2 BGB nicht greifen.

(b) Vorverlagerung durch analoge Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB?

Angesichts der gesetzlich normierten Heilungsmöglichkeit liegt es nicht auf der Hand, den maßgeblichen Zeitpunkt durch entsprechende Anwendung der bereits unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Heilungsvorschrift nach vorne zu verlagern. Wie stets bedürfte es hierfür einer planwidrigen Regelungslücke und einer Vergleichbarkeit der Interessenlage aus der Sicht des Normzwecks.

An einer Regelungslücke könnte man mit Blick auf die vorstehend beschriebene Heilungsmöglichkeit bereits zweifeln. Hierüber mag man jedoch mit dem Argument hinwegkommen, das Kausalverhältnis sei vorliegend nicht unmittelbar auf Eigentumsübertragung, sondern zunächst lediglich auf die Bestellung des Vorkaufsrechts gerichtet. Die gesetzliche Heilungsmöglichkeit in § 311b Abs. 1 S. 2 BGB sei für diese Konstellation nicht konzipiert. Diese Regelungslücke dürfte auch

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planwidrig sein, da für eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung nichts ersichtlich ist.

Eine Vergleichbarkeit der Interessenlage ist insoweit zu bejahen, als es in beiden Fällen um die Missachtung desselben materiell-rechtlichen Formgebots für das Kausalgeschäft geht, welches durch die Eintragung der Rechtsänderung bzw. des Rechts im Grundbuch erfüllt wird und damit für den Rechtsverkehr eine Rechtsänderung verlautbart wird, die dinglich zwar vollzogen wurde, aber mangels zu Grunde liegenden wirksamen Kausalverhältnisses kondizierbar ist.315 Entscheidend ist jedoch, ob es mit Blick auf den Normzweck gerechtfertigt erscheint, die für die Heilung im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Auflassung durch eine bindende Einigung im Sinne von § 873 Abs. 2 BGB zu ersetzen, was im Folgenden erörtert werden soll.

(2) Vergleichbarkeit der Interessenlage aus Sicht des Normzwecks?

(a) Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts

Zunächst ist der herrschenden Meinung und insbesondere dem Reichsgericht zuzugeben, dass der Verpflichtungsvertrag mit Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts in einem wesentlichen Punkt erfüllt wird, ebenso wie dies bei einer unbedingten Verpflichtung zur Veräußerung von Grundbesitz durch Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch der Fall ist. Insoweit wurde in beiden Fällen ein sachenrechtlich abgeschlossener Tatbestand für Dritte erkennbar verlautbart. Unklar ist nur, welche Folgen sich an diese Feststellung mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit und/oder Schutzwürdigkeit der beteiligten Personen bzw. des Rechtsverkehrs knüpfen sollten.

(b) (Keine) strukturelle Vergleichbarkeit von Auflassung und bindender Einigung

Entscheidende Bedeutung kommt insoweit der Frage zu, ob es aus systematischen und sonstigen normativen Gründen gerechtfertigt ist, eine bindende Einigung im Sinne von § 873 Abs. 2 BGB mit einer Auflassung im Sinne von § 925 BGB gleichzustellen – hierbei handelt es sich um das zentrale Argument des Reichsgerichts.

Nach Ansicht des Reichsgerichts bildet die bindende Einigung in der Form des § 873 Abs. 2 BGB mindestens in demselben Maße Gewähr dafür, dass die Einigung dem Willen der Beteiligten entspricht, wie die rein formale Auflassung. Bei bloßer Lektüre des Wortlauts von § 873 Abs. 2 einerseits und von § 925 Abs. 1 BGB andererseits mag man sich dieser Position noch anschließen. So setzt eine bindende Einigung im Sinne

315 Ob der tatsächliche Erwerbsvorgang mit Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels in

engem zeitlichem Zusammenhang mit der Bestellung des Vorkaufsrechts nachfolgend oder nicht, ist insoweit allerdings ohne Belang (anders BeckOGK-BGB/Schreinsdorfer, Stand 1.10.2016, § 311b Rn. 370).

S. 251 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

von § 873 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beteiligten die Erklärungen notariell beurkundet, vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht haben oder der Berechtigte dem anderen Teil eine Eintragungsbewilligung in der Form des § 29 GBO ausgehändigt hat. Für die Zwecke des § 925 Abs. 1 BGB bedarf es lediglich der Einigung von Veräußerer und Erwerber bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einer zuständigen Stelle, worunter gemäß Abs. 1 S. 2 insbesondere jeder deutsche Notar zu verstehen ist; eine Beurkundung ist ausdrücklich nicht gefordert.316

(aa) Öffentliche Schutzzweckkomponente

Vergleicht man die primär im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke der vorstehenden Formgebote, die Gewährleistung klarer, verlässlicher Unterlagen für die Grundbucheintragung und die Beweissicherung,317 so bestehen keine kategorialen Unterschiede zwischen den Anforderungen von § 873 Abs. 2 BGB einerseits und von § 925 Abs. 1 BGB andererseits.318 In beiden Fällen sorgen die eingeschalteten öffentlichen Stellen für hinreichend präzise Erklärungen und eine zuverlässige Identifikation der Erklärenden.

(bb) Individuelle Schutzzweckkomponente

Darin erschöpft sich der Normzweck von § 925 BGB aber nach heute herrschender Ansicht nicht. Die zur Entgegennahme der Auflassung zuständigen Stellen haben nicht nur die Publizität und die Verlässlichkeit des Grundbuchs zu gewährleisten, sondern sollen die Beteiligten vor unüberlegtem Handeln schützen und für deren rechtskundige Beratung und Belehrung sorgen.319 Ein derartiger Schutzzweckgehalt ist jedenfalls nicht allen Formanforderungen des § 873 Abs. 2 BGB beizumessen, insbesondere nicht § 873 Abs. 2 Var. 4 BGB („dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat“).

Selbst wenn man die mit dem Beurkundungserfordernis nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verbundenen Normzwecke320 entgegen der vorstehend geschilderten herrschenden Meinung nicht auf § 925 BGB übertragen möchte und lediglich die öffentliche Schutzzweckkomponente in den Mittelpunkt rückt,321 ist zu konstatieren, dass die Erreichung der mit § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verfolgten (auch und insbesondere)

316 Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 925 Rn. 2 f. mwN. 317 Vgl. MünchKommBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2017, § 925 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Weber, Stand

1.12.2016, § 925 Rn. 9, jew. m.w.N. 318 Gewisse Anstriche müsste man ggf. bei einer bloßen Unterschriftsbeglaubigung unter einen

Fremdentwurf im Sinne von § 873 Abs. 2 Var. 4 BGB machen (vgl. § 40 Abs. 2 BeurkG). 319 So zutreffend Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, Neubearb. 2017, § 925 Rn. 75; BeckOGK-

BGB/Weber, Stand 1.12.2016, § 925 Rn. 8. 320 Vgl. hierzu jüngst BGH NJW 2016, 1815 Tz. 19: „[Der Formzwang] soll die Vertragsparteien vor

übereilten Verträgen bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen die Möglichkeit zu rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen […]“ (Hervorhebung durch Verfasser).

321 So tendenziell MünchKommBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2017, § 925 Rn. 1.

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individualschützenden Zwecke über den Umweg des § 925a BGB heutzutage vollumfänglich gewährleistet wird. Denn die Erklärung einer Auflassung darf nur entgegen genommen werden, wenn die nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Urkunde über das Kausalgeschäft vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird. Hierdurch soll die Beurkundungspflicht des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (und die mit ihr verfolgten Zwecke) durch einen Schutz vor Umgehung abgesichert werden.322 Zwar handelt es sich bei § 925a BGB nur um eine verfahrensrechtliche Ordnungsvorschrift; diese ist indes von den für die Auflassung zuständigen und der Dienstaufsicht unterworfenen deutschen Notaren und sonstigen öffentlichen Stellen unbedingt zu beachten.323 Auf diese Weise werden ein geschlossenes System zur Absicherung der an einem Grundstücksgeschäft Beteiligten her- und die Erreichung der Formzwecke lückenlos sichergestellt.324

Dass sich in der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts vom 11. Juli 1929 keine derartigen Ausführungen finden, erklärt sich dadurch, dass die Vorschrift des § 925a BGB erst nachträglich durch Gesetz vom 5.3.1953 in das BGB eingefügt wurde.325 Im Jahr 1929 existierte noch keine vergleichbare bundeseinheitliche Vorschrift, sondern lediglich eine Öffnungsklausel in § 98 GBO a.F. für landesrechtliche Regelungen. Hiervon hatten Bayern (Art. 12 AGBGB), Württemberg (Art. 22 AGBGB), Baden (§ 22 AGGBO) und Bremen (§ 9 AGGBO) Gebrauch gemacht und eine derartige verfahrensrechtliche Norm erlassen, Preußen hingegen nicht.326 Der der Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1929 zu Grunde liegende Sachverhalt spielt just in Preußen (Landgericht Elbing – heute Elbląg in Polen, Oberlandesgericht Marienwerder). Die zuständige Stelle im Sinne von § 925 BGB hatte dort also nicht die Existenz einer formgerecht errichteten Veräußerungsverpflichtung zu prüfen.

Nur unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen ist die Feststellung des Reichsgerichts vertretbar, dass es sich bei einer bindenden Einigung im Sinne von § 873 Abs. 2 BGB und einer Auflassung im Sinne von § 925 BGB jeweils um rein formale Erklärungen ohne darüber hinausgehende Richtigkeitsgewähr handelt. Heutzutage besteht hingegen bei der Auflassung gemäß § 925 BGB aufgrund der Vorgaben von § 925a BGB strukturell ein deutlich höherer Schutzstandard als bei einer bindenden Einigung nach § 873 Abs. 2 BGB.

Mit diesem Schutzstandard ist die Heilung eines formunwirksamen (auch bedingten) Verpflichtungsgeschäfts im Sinne von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB allein aufgrund einer

322 MünchKommBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2017, § 925a Rn. 1; Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB,

Neubearb. 2017, § 925a Rn. 3 f.; BeckOGK-BGB/Weber, Stand 1.12.2016, § 925a Rn. 2, jew. mwN.

323 MünchKommBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2017, § 925a Rn. 4; Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, Neubearb. 2017, § 925a Rn. 2.

324 Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1094 Rn. 5; BeckOGK-BGB/Omlor, Stand 1.8.2016, § 1094 Rn. 51; Wais, NJW 2016, 2037.

325 BGBl. 1953 I S. 33, 34. 326 Vgl. Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, Neubearb. 2017, § 925a Rn. 1.

S. 253 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

formalen Erklärung gemäß § 873 Abs. 2 BGB – insbesondere nach Variante 4 – nicht vereinbar, da die Erfüllung der mit dem Formerfordernis in § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verknüpften individuellen Schutzzwecke nicht sichergestellt ist. Eine analoge Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB ist unter diesen Voraussetzungen nicht gerechtfertigt.327

(c) Sonst faktisches Leerlaufen des Formgebots des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB

Zusätzlich ist – wie bereits ausgeführt – darauf hinzuweisen, dass das Formgebot für das Kausalgeschäft bei Zugrundelegung der von der herrschenden Meinung vertretenen Ansicht im Ergebnis weitgehend leerläuft, da schuldrechtliches und dingliches Geschäft bei der Vorkaufsrechtsbestellung – anders als bei der unmittelbaren Übertragung des Eigentums an einem Grundstück – (von der Bearbeitungszeit des Grundbuchamts abgesehen) in aller Regel zusammenfallen. Würde also die bloße Unterschriftsbeglaubigung der Bewilligung eines Vorkaufsrechts durch den Grundstückseigentümer bzw. der Einigung betreffend die Einräumung eines Vorkaufsrechts328 genügen, träte nach sehr kurzer Frist Heilung des Formmangels des Kausalgeschäfts mit Eintragung des dinglichen Rechts in das Grundbuch ein, ohne dass der mit Blick auf die Normzwecke des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zunächst primär schutzwürdige Vorkaufsverpflichtete eine reelle Chance zur Geltendmachung der Unwirksamkeit des Grundgeschäfts hätte. Eine derartige Heilung ohne Erreichung der mit dem Formgebot des Kausalverhältnisses verbundenen Schutzzwecke sieht das Gesetz lediglich in der Ausnahmevorschrift des § 518 Abs. 2 BGB vor, die auf die vorliegende Konstellation nicht übertragen werden kann.

327 Sofern man im Interesse der Rechtsklarheit keine abstrakte Entscheidung für eine

Heilungsmöglichkeit schon mit Eintragung des Vorkaufsrechts oder erst mit Eintragung des Eigentumswechsels für erforderlich hält, ist es durchaus erwägenswert (und aus Schutzzweckgesichtspunkten im Ergebnis auch gerechtfertigt), eine Heilung des Kausalgeschäfts bei Eintragung des Vorkaufsrechts auf Grundlage einer notariell beurkundeten Einigung anzunehmen, bei der die Erreichung der Schutzzwecke umfassend gewährleistet wird. Praktisch dürfte diese Frage kaum relevant werden, da eine Beurkundung der dinglichen Einigung ohne Beurkundung auch des Kausalgeschäfts sehr atypisch wäre, da bei der Einräumung eines Vorkaufsrechts das schuldrechtliche und das dingliche Geschäft in der Regel gleichzeitig vorgenommen werden. Formprobleme beim Kausalgeschäft dürften sich in aller Regel bei lediglich unterschriftsbeglaubigter Bewilligung des Vorkaufsrechts stellen und in dieser Situation kommt eine Heilung durch Einigung und Eintragung des dinglichen Rechts nach der hier vertretenen Ansicht gerade nicht in Betracht.

328 Aus den Entscheidungen von Reichsgerichts und Bundesgerichtshof geht für mich nicht mit hinreichender Klarheit hervor, ob für eine Heilung zusätzlich zur Eintragung des Vorkaufsrechts lediglich ein Fall von § 873 Abs. 2 BGB vorliegen muss, also auch eine einseitige Erklärung des Verpflichteten genügt, oder stets die dingliche Einigung in einer der in dieser Vorschrift aufgezählten Formen vorliegen muss (so tendenziell der Wortlaut der Entscheidungen).

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(d) Anderweitige Erreichung der Schutzzwecke des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB

Man könnte eine großzügige Handhabung der Heilungsmöglichkeit nach bzw. entsprechend § 311b Abs. 1 S. 2 BGB schließlich möglicherweise dadurch rechtfertigen, dass die Schutzzwecke des Formerfordernisses nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB entweder auf andere Weise erreicht werden oder es an der Schutzwürdigkeit bestimmter Beteiligter generell fehlt.

(aa) Eine eingeschränkte Schutzwürdigkeit des Vorkaufsverpflichteten könnte mit Blick darauf bestehen, dass eine tatsächliche Pflicht zur Übereignung der Immobilie erst mit wirksamem Abschluss eines Drittkaufvertrages begründet wird, welcher unter Beachtung von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB geschlossen wurde, und daher die Zwecke des Formgebots vor endgültiger Entstehung der Übereignungsverpflichtung erfüllt werden müssen. Die mit der Beurkundungsbedürftigkeit des Kausalgeschäfts einer Vorkaufsrechtsbestellung verbundenen Schutzzwecke werden dadurch allerdings nicht nachträglich erreicht, da der Grundstückseigentümer die darin liegende Bindung im Falle einer frühzeitigen Heilung bereits eingegangen ist und es nur mehr um die Frage geht, zu welchem Zeitpunkt sich die doppelt bedingte Verpflichtung aktualisiert.

(bb) Was den Vorkaufsberechtigten anbelangt, könnte man zunächst geneigt sein, eine Schutzwürdigkeit zu verneinen, da dieser durch die Einräumung des dinglichen Vorkaufsrechts lediglich einen Vorteil erlangt, ohne irgendwelche Verpflichtungen eingehen zu müssen. Unbeschadet dessen, dass diese Aussage nicht pauschal gültig ist, da sich aus dem Kausalverhältnissen durchaus auch unmittelbare Pflichten des Berechtigten vor Ausübung seines Vorkaufsrechts ergeben können (z.B. Pflicht zur Entrichtung eines Entgelts für die Vorkaufsrechtseinräumung), folgt die Schutzbedürftigkeit des Vorkaufsberechtigten schon daraus, dass seine spätere Verpflichtung zum Erwerb der Immobilie gemäß § 464 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1098 Abs. 1 S. 1 BGB durch formlose Ausübungserklärung begründet wird und daher die mit dem Formgebot des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB auch zu Gunsten des Erwerbers verfolgten Schutzzwecke329 hier antizipativ erfüllt werden müssen. Bei einer großzügigen Handhabung der Heilungsmöglichkeit werden diese nicht gewährleistet.

Hieran ändert auch die lediglich an die Schriftform gebundene Ausübung des Mietervorkaufsrechts (§ 577 Abs. 3 BGB) ohne jegliches Erfordernis von Belehrung und Beratung sowie Schutz vor Übereilung nichts, da es sich hierbei um eine (rechtspolitisch ebenfalls zweifelhaft) nicht übertragbare Ausnahmeregelung in Gestalt einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung handelt.

(cc) Schließlich streiten auch keine Verkehrsschutzargumente für eine großzügige Heilungsmöglichkeit. Weshalb fremde Dritte ein berechtigtes Interesse daran haben sollten, dass eine nicht zu ihren Gunsten eingetragene Grundstücksbelastung

329 Historisch zielte das Formgebot des § 313 BGB a.F. (= § 311 Buchst. b Abs. 1 BGB) allein auf

den Verkäufer, was erst im Jahre 1973 geändert wurde.

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tatsächlich besteht, ist nicht ersichtlich. Der einzige, der an dem Bestand des Vorkaufsrechts ein Interesse hat, ist der Vorkaufsberechtigte selbst (und im Fall von § 1094 Abs. 2 BGB dessen Nachfolger im Eigentum); insoweit sind aber die unter vorstehender Ziffer (2) dargelegten Argumente und keine allgemeinen Verkehrsschutzgesichtspunkte einschlägig. Ebenso wenig lässt sich allein mit dem Rechtssicherheitsinteresse an zutreffenden Verlautbarungen im Grundbuch eine Heilungsmöglichkeit über den Wortlaut von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB hinaus rechtfertigen.

cc) Fazit

Entgegen der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur tritt Heilung eines nicht formgerecht begründeten Kausalgeschäfts zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts in aller Regel nicht in entsprechender Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB bereits mit dessen Eintragung, sondern erst mit Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels in Erfüllung des infolge der Vorkaufsrechtsausübung begründeten Grundstückskaufvertrags in unmittelbarer Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB ein.

d) Zusammenfassung

1. Während es für die wirksame Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts im Sinne von § 1094 BGB materiell-rechtlich lediglich der formlosen Einigung und Eintragung des Rechts in das Grundbuch (§ 873 BGB) und verfahrensrechtlich einer Eintragungsbewilligung des Eigentümers in der Form des § 29 GBO bedarf, gelten für das auf die Einräumung des Vorkaufsrechts gerichtete Kausalverhältnis die Formanforderungen von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (doppelt bedingte Verkaufsverpflichtung).

2. Bei Missachtung der Formanforderungen für das Kausalverhältnis ist eine Heilung entgegen der herrschenden Meinung in der Regel nicht bereits mit bindender dinglicher Einigung im Sinne von § 873 Abs. 2 BGB und Eintragung des Vorkaufsrechts in das Grundbuch, sondern erst mit Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels in Erfüllung des infolge der Vorkaufsrechtsausübung begründeten Grundstückskaufvertrags in unmittelbarer Anwendung von § 311b Abs. 1 S. 2 BGB möglich. Entscheidend sind insoweit die insbesondere wegen § 925a BGB über § 873 Abs. 2 BGB hinausgehenden Formzwecke von § 925 BGB. Im Übrigen käme es ansonsten nahezu ausnahmslos umgehend zu einer Heilung des Formmangels, ohne dass die mit dem Formgebot verbundenen Formzwecke auch nur im Ansatz erreicht würden, wodurch das Formerfordernis letztlich konterkariert würde.

S. 256 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Löschung eines für den ersten Verkaufsfall bestellten Vorkaufsrechts (SH)

a) Einführung

Ein dingliches Vorkaufsrecht beschränkt sich gemäß § 1097 HS 1 BGB grundsätzlich auf den Verkauf durch den das Vorkaufsrecht bestellenden Eigentümer oder durch dessen Gesamtrechtsnachfolger.

§ 1097 Bestellung für einen oder mehrere Verkaufsfälle

Das Vorkaufsrecht beschränkt sich auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben; es kann jedoch auch für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden.

Demgemäß erlischt es sowohl durch Ausübung wie auch durch Nichtausübung und selbst dann, wenn das Vorkaufsrecht gemäß § 470 (Verkauf an gesetzliche Erben) oder gemäß § 471 (Verkauf bei Zwangsvollstreckung oder Insolvenz) i.V.m. § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB gar nicht ausgeübt werden konnte oder eine Veräußerung in anderer Weise als durch Verkauf erfolgte, wie z.B. durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung.330

Es spielt für das Erlöschen eines gesetzestypischen dinglichen Vorkaufsrechts durch Sonderrechtsnachfolge also keine Rolle, ob der Berechtigte jemals die Gelegenheit hatte, das Vorkaufsrecht auszuüben. Hierbei handelt es sich nicht um ein gesetzgeberisches Versehen, sondern um eine bewusste Entscheidung des historischen Gesetzgebers.331

b) BGH, Beschl. v. 21.1.2016 - V ZB 43/15: Jew. subj.-persönl. Vorkaufsrechte für den Miteigentümer

Zu welchen Komplikationen ein jeweils subjektiv-persönliches dingliches Vorkaufsrecht von Miteigentümern untereinander führen kann, zeigt die Entscheidung des BGH vom 21.1.2016. Trotz Bestellung lediglich für den ersten Verkaufsfall (§ 1097 HS 1 BGB) war der Löschungsantrag wegen Unrichtigkeit gemäß § 22 Abs. 1 GBO nach erfolgter Teilungsversteigerung gemäß § 180 ZVG vor dem BGH nicht erfolgreich.

Das Erlöschen eines für den ersten Verkaufsfall bestellten und nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden dinglichen Vorkaufsrechts für einen

330 BGH NJW 2016, 3242 Tz. 11; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1097 Rn. 5 m.w.N. 331 Amann, NotBZ 2016, 161, 164.

S. 257 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Miteigentümer an dem Miteigentumsanteil des anderen Miteigentümers kann dem Grundbuchamt nicht durch den Zuschlagsbeschluss nachgewiesen werden, durch den der verpflichtete Miteigentümer das Grundstück in dem Zwangsversteigerungsverfahren zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft erwirbt.

BGH, Beschl. v. 21.1.2016 - V ZB 43/15,

DNotI-Report 2016, 75 = FGPrax 2016, 99 = NJW 2016, 3242 = NotBZ 2016, 342 (Amann) = ZfIR 2016, 496 m. Anm. Böttcher = ZNotP 2016, 105.

aa) Sachverhalt

Eingetragene Eigentümerinnen waren die Bet. zu 1 zu 5/8 und die Bet. zu 2 zu 3/8, die Schwestern sind.

Auf den Miteigentumsanteilen war jeweils zu Gunsten der anderen Miteigentümerin ein vererbliches und nicht übertragbares subj.-persönl- Vorkaufsrecht auf den ersten Verkaufsfall im Grundbuch eingetragen.

In dem auf Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft gerichteten Teilungsversteigerungsverfahren blieb die Bet. zu 1 Meistbietende. Ihr wurde das Grundstück zugeschlagen.

Das zu Gunsten der Bet. zu 2 eingetragene Vorkaufsrecht blieb nach den Versteigerungsbedingungen bestehen.

Die Bet. zu 1 wurde als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.

Der von der Bet. zu 1 eingereichte Löschungsantrag wegen Unrichtigkeit des Grundbuchs wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen.

Das OLG Köln hob auf die Beschwerde hin den Beschluss auf und wies das Grundbuchamt an, dass für die Bet. zu 2 eingetragene Vorkaufsrecht zu löschen.

bb) Entscheidungsgründe

Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte vor dem V. Zivilsenat des BGH Erfolg.

Nach Ansicht des BGH ist das Erlöschen des zu Gunsten der Bet. zu 2 eingetragenen Vorkaufsrechts und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht in einer den Anforderungen der §§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 1 S. 1 GBO genügenden Weise nachgewiesen.

Tz. 9: „Liegt eine Bewilligung nicht vor, ist eine berichtigende Eintragung im Grundbuch möglich, wenn die Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen ist (§ 22 I 1 GBO). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und das Grundbuchverfahren zur Klärung von streitigen Tatsachen weder geeignet noch bestimmt ist […]. Es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können. Der Nachweis der

S. 258 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Grundbuchunrichtigkeit ist nach § 29 I GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu führen.“

Tz. 10: „Nach diesen Maßstäben ist der Unrichtigkeitsnachweis nach §§ 22, 29 I GBO hier nicht geführt. Das Erlöschen eines für den ersten Verkaufsfall bestellten und nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden dinglichen Vorkaufsrechts für einen Miteigentümer an dem Miteigentumsanteil des anderen Miteigentümers kann dem Grundbuchamt nicht durch den Zuschlagsbeschluss nachgewiesen werden, durch den der verpflichtete Miteigentümer das Grundstück in einem Zwangsversteigerungsverfahren zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft erwirbt.“

Zwar beschränke sich ein nur für den ersten Verkaufsfall bestelltes dingliches Vorkaufsrecht auf den Verkauf durch den Eigentümer, dem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört. Somit erlischt es auch dann, wenn das belastete Grundstück auf andere Weise als durch Verkauf in das Eigentum eines Sonderrechtsnachfolgers übergeht, da in diesem Fall ein tatbestandsmäßiger Verkauf durch den Eigentümer ausscheidet, z.B. bei Veräußerung des Grundstücks mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder bei einem Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung.

Vorliegend fehlt es aber aus Sicht des BGH schon am Eigentumsübergang, der notwendigerweise zum Erlöschen des Vorkaufsrechts führt, da die Bet. zu 1 infolge des Zuschlags weiterhin Eigentümerin des belasteten Miteigentumsanteils ist und somit ein tatbestandsmäßiger Verkauf durch den Eigentümer, dem der Anteil zur Zeit der Bestellung des Vorkaufsrechts gehörte, noch möglich ist.

Tz. 14: „Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Erwerber in der Teilungsversteigerung das Eigentum mit dem Zuschlag als rechtsgestaltenden Hoheitsakt originär erwirbt (§§ 90 I, 180 I ZVG). Ein Erlöschen des Vorkaufsrechts folgt hieraus nicht. Denn ein Erwerb in der Teilungsversteigerung steht einem freihändigen Kauf gleich […]. Die Bet. zu 1 ist somit in Bezug auf das Vorkaufsrecht so zu behandeln, als ob sie den belasteten Miteigentumsanteil gekauft hätte.

Ein freihändiger Kauf durch die Beteilige zu 1 hätte den Vorkaufsfall aber nur dann ausgelöst, wenn sie als Dritte iSd § 463 BGB zu behandeln wäre. Ist die Bet. zu 1 hingegen nicht Dritte, ist der Kauf nicht als Vorkaufsfall zu bewerten mit der Folge, dass das gem. § 1097 BGB nur für den ersten Verkaufsfall bestellte Vorkaufsrecht nicht erlischt. Der Begriff des Dritten ist aus den materiell-rechtlichen Umständen zu ermitteln (vgl. Senat, BGHZ 13, 133 [141] = NJW 1954, 1035). Das ist nicht Aufgabe des Grundbuchamts, sondern dem Prozessgericht vorbehalten.“

Abschließend stellt der Senat klar, dass sich aus den Urteilen vom 23.4.1954 (BGHZ 13, 133 = NJW 1954, 1035) und vom 28.4.1967 (BGHZ 48, 1 = NJW 1967,16 107) nichts anderes ergibt.332

332 Vgl. BGH NJW 2016, 3244 Tz. 16 ff.

S. 259 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

cc) Bewertung

Die Entscheidung des BGH überzeugt weder in der Begründung noch im Ergebnis.

(1) Teilungsversteigerung = freihändiger Kauf

Zutreffend ist indes, dass § 471 BGB nach allgemeiner Ansicht nur den Fall der Zwangsversteigerung erfasst, nicht hingegen für einen Erwerb durch Zuschlag in der Teilungsversteigerung gemäß § 180 ZVG gilt.333

Daher behandelt der BGH die Teilungsversteigerung wie einen freihändigen Kauf und stellt die (fiktive) Folgefrage, ob ein solcher Kauf des Miteigentumsanteils der Beteiligten zu 2 durch die Beteiligte zu 1 das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 2 ausgelöst hätte - wie man unschwer erkennt, eine wenig sinnstiftende Fragestellung.334

(2) Miteigentümer kein Dritter

Entscheidend ist aus Sicht des Senats, ob die Beteiligte zu 2 als Dritte zu qualifizieren ist. Falls ja, löst die Teilungsversteigerung das Vorkaufsrecht aus, falls nein, erlischt das Vorkaufsrecht richtigerweise.

Diese Frage lasse sich nach Ansicht des BGH im Grundbuchverfahren nicht beantworten, da es auf die materiell-rechtlichen Umstände ankomme.

Amann hat indes zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage, wer als Dritter zu qualifizieren sei, dem sachenrechtlichen Typenzwang unterliege. Falls eine abweichende Inhaltsbestimmung insoweit überhaupt zulässig ist, müsse sich diese entweder unmittelbar aus dem Grundbuch oder aus der gemäß § 874 S. 1 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ergeben. Daher könne diese Frage im Grundbuchverfahren ohne weiteres geklärt werden.335

Letztlich besteht wenig Zweifel, dass der andere Miteigentümer nicht als Dritter anzusehen ist. Die Teilungsversteigerung löst somit keinen Vorkaufsfall aus.

(3) Fortbestehen des Vorkaufsrechts nach Teilungsversteigerung?

Bei unbefangener, am Wortlaut orientierter Betrachtung könnte man vom Fortbestehen des Vorkaufsrechts im Hinblick auf den durchgängig von der Beteiligten zu 1 gehaltenen Miteigentumsanteil ausgehen. Dies stünde in Einklang mit dem Wortlaut von § 1097 Abs. 1 BGB.

333 Vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. 2017, § 471 Rn. 3 m.w.N. 334 Zutreffend Amann, NotBZ 2016, 342, 343. 335 Amann, NotBZ 2016, 342, 343 f.

S. 260 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Betrachtet man allerdings die Interessenlage näher, wäre dies ein einigermaßen groteskes Ergebnis.

Amann hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Teilungsversteigerung gerade darauf abzielt einen für die Teilhaber lästigen Zustand gegenseitiger Abhängigkeit zu beseitigen. Durch den Zuschlag würde dieses Ziel zunächst erreicht, beim nächsten Weiterverkauf würde jedoch erneut eine Miteigentümergemeinschaft drohen, entweder zwischen dem Käufer und dem vorkaufsberechtigten früheren Miteigentümer oder – im Falle der Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts des Käufers – erneut zwischen den bereits zuvor zerstrittenen Miteigentümern; die nächste Teilungsversteigerung wäre vorprogrammiert.336

Es spricht daher vieles dafür, von einem Erlöschen des Vorkaufsrechts nach Erwerb durch einen Miteigentümer im Wege der Teilungsversteigerung auszugehen.

dd) Gestaltungsempfehlung

Angesichts der vorstehenden BGH-Entscheidung besteht derzeit eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit darüber, welche Konsequenzen eine Teilungsversteigerung auf gegenseitige Vorkaufsrechte der Miteigentümer im Sinne von § 1097 Abs. 1 BGB hat.

Sollen wechselseitige Vorkaufsrechte zu Gunsten der Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft bestellt werden, um das Eindringen Außenstehender effektiv zu verhindern, empfiehlt es sich, anstelle von subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechten gemäß § 1094 Abs. 1 BGB zu Gunsten der jeweiligen Miteigentümer (natürliche oder juristische Person) subjektiv-dingliche Vorkaufsrechte gemäß § 1094 Abs. 2 BGB zu Gunsten des jeweiligen Inhabers des anderen Miteigentumsanteils für alle Verkaufsfälle zu bestellen.

Erwirbt ein vormaliger Miteigentümer sämtliche Miteigentumsanteile, kann er die Vorkaufsrechte gemäß § 875 BGB aufheben.337

336 Amann, NotBZ 2016, 342, 344. 337 Amann, NotBZ 2016, 342, 344.

S. 261 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) OLG München, Beschl. v. 11.5.2016 - 34 Wx 61/16

Ist dem Berechtigten ein dingliches Vorkaufsrechts in der Bewilligungserklärung "für den ersten Verkaufsfall, für den es nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt ausgeübt werden kann" eingeräumt, kann es einem späteren Eigentümer des Grundstücks auch dann noch entgegen gehalten werden, wenn dieser das Grundstück auf eine Art erworben hat, die sich nicht als Verkaufsfall darstellt (hier durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung).

red. LS Alke Kayser (BeckRS 2016, 08797)

In der vorliegenden Entscheidung weist das OLG München zudem auf die Unzulässigkeit der Zwischenverfügung hin, da der angenommene Mangel – fehlender Nachweis der Unrichtigkeit im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 GBO – nicht durch Bewilligung des Berechtigten338 mit rückwirkender Kraft beseitigt werden kann; andernfalls erhielte die Eintragung einen Rang, der ihr nicht gebührt.339

338 Materiell-rechtlich Aufhebung des Vorkaufsrechts nach § 875 BGB. 339 Vgl. auch BGH NJW 2014, 1002 Tz. 6.

S. 262 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Gleichrangig eingetragene Vorkaufsrechte sind alle unwirksam (OLG München, 15.3.2016 - 34 Wx 3/16) (CH)

OLG München, Beschl. v. 15.3.2016 - 34 Wx 3/16,

MDR 2016, 513 = NJW-RR 2016, 986 = RNotZ 2016, 308 m. Anm. Hüren,

Mehrere gleichrangige Vorkaufsrechte sind nicht ohne Kollisionsvereinbarung eintragungsfähig

1. Ein Grundstück kann nicht mit mehreren Vorkaufsrechten belastet werden, die alle den gleichen Rang haben und jeweils einen auf die Verschaffung des Eigen-tums am gesamten Grundstück gerichteten Anspruch sichern, wenn Vereinbarun-gen zur Vermeidung von Kollisionen fehlen. Dies gilt ebenso, wenn bei Rechts-bestellung die subjektiv-dingliche Berechtigung jeweils derselben Person zustand.

2. Die Eintragung derartiger Rechte im Grundbuch ohne Kollisionsvereinbarung ist unzulässig und führt zur Amtslöschung.

a) Sachverhalt

– Im Jahr 1971 bestellte der Grundstückseigentümer dingliche Vorkaufsrechte „je“ zugunsten der jeweiligen Eigentümer von drei anderen Grundstücken, im Gleich-rang untereinander (sowie mit einem Geh- und Fahrtrecht). Damals gehörten alle „berechtigten“ Grundstücke demselben Eigentümer.

– Im Jahr 2007 übertrug er das Grundstück auf seine Schwester.

– Diese beantragte und erwirkte 2014 die Löschung im Wege der Grundbuch-berichtigung, da das Vorkaufsrecht mit der Übertragung auf sie erloschen sei.

– Dann verkaufte sie das Grundstück. Die Umschreibung erfolgte im Februar 2015.

– Im Mai 2015 beantragte der Eigentümer eines der (möglicherweise) vorkaufs-berechtigten Grundstücke die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung. Der Amtswiderspruch wurde im Juli 2015 eingetragen.

– Auf die Beschwerde des (neuen) Eigentümers des vorkaufsbelasteten Grundstückes hin wurde der Amtswiderspruch im Wege der Abhilfe im Dezember 2015 wieder gelöscht.

Nun erhob der Eigentümer eines (möglicherweise) vorkaufsberechtigten Grundstücks Beschwerde mit dem Ziel, einen Widerspruch gegen die Löschung des Amtswiderspruchs eintragen zu lassen.

Das OLG München entschied: Die Beschwerde ist unbegründet. Der Amtswiderspruch war zu recht gelöscht. Denn die Löschung des Vorkaufsrechts hat das Grundbuch nicht unrichtig, sondern richtig gemacht, weshalb der Amtswiderspruch gegen die Löschung zu Recht seinerseits gelöscht worden ist.

S. 263 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 26) „Die Begründung mehrerer gleichrangiger Vorkaufsrechte (§ 1094 BGB) zugunsten des jeweiligen - wenn auch damals personenidentischen - Eigentümers mehrerer Grundstücke (§ 1094 Abs. 2, § 1103 Abs. 1 BGB) ist - anders als die Einräumung eines (subjektiv-dinglichen) Vorkaufsrechts zugunsten mehrerer Berechtigter - grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Sachverhalt, in dem die Zulässigkeit bejaht werden könnte, weil kollisionshindernde Vereinbarungen vorliegen oder ausnahmsweise entbehrlich sind, liegt nicht vor.“

b) Auslegung der Grundbucheintragung: Mehrere Vorkaufsrechte

Zunächst war die Grundbucheintragung (mit der in Bezug genommenen Bewilligung) auszulegen. Danach waren mehrere Vorkaufsrechte bestellt, nicht ein Vorkaufsrecht zugunsten mehrerer Berechtigter.

(Rn. 27) „(1) Der Rechtsinhalt der im Grundbuch ursprünglich eingetragenen dinglichen Belastung bestimmt sich nach dem Eintrag und der dort zulässig in Bezug genommenen Bewilligung (§ 874 BGB; Senat vom 18.12.2009, 34 Wx 81/09 = Rpfleger 2010, 260/261 m. w. N.; OLG Köln Rpfleger 1982, 16). Danach wurden hier mehrere subjektiv-dingliche Vorkaufs-rechte bestellt, nicht hingegen ein gemeinschaftliches (vgl. § 472 BGB) Vorkaufsrecht für mehrere Berechtigte.

(Rn. 28) Für die Auslegung ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus dem Eintragungsvermerk einschließlich der Eintragungsbewilligung für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; Umstände, die außerhalb der Bewilligungsurkunde liegen, dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGHZ 92, 351/355; 113, 374/378; BGH ZWE 2013, 402/403; Demharter § 19 Rn. 28).

(Rn. 29) Bewilligt wurden nach dem nächstliegenden Verständnis der beurkundeten Erklärung für jeden einzelnen Berechtigten - das ist der jeweilige Eigentümer der drei herrschenden Grund-stücke - je ein inhaltsgleiches Vorkaufsrecht, ohne einem dieser Rechte den Vorrang einzuräumen. Dies wird mit der Wendung, die Eintragung des Vorkaufsrechts „je“ zu Gunsten des Berechtigten werde bewilligt, bei fehlender Rangbestimmung zum Ausdruck gebracht. Ein Verständnis dahin-gehend, dass die mehreren Begünstigten gemeinschaftlich berechtigt sein sollten und ihnen ein einheitliches subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt werden sollte (§ 1094 Abs. 2, § 1098 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 472 BGB; vgl. Hügel/Reetz § 47 Rn. 6; Kohler in Bauer/von Oefele AT III Rn. 136), liegt bei dieser Wortwahl nicht nahe.“

Das OLG München prüft auch eine ergänzende Vertragsauslegung, findet aber kein eindeutiges Ergebnis.

(Rn. 32) „Vielmehr lässt die damalige Konstellation es als naheliegend erscheinen, dass sich die Urkundsbeteiligten der Frage, wie im Fall einer divergierenden Entwicklung des Eigentums an den berechtigten Grundstücken der Konflikt zwischen den mehreren Vorkaufsrechten im Vorkaufsfall aufgelöst werden soll, nicht gestellt und deshalb der Aufgabe, eine entsprechende Ausgestaltung der mehreren Vorkaufsrechte vorzunehmen, nicht unterzogen haben. Eine danach zwar auch im Grundbuchverfahren nicht gänzlich ausgeschlossene (vgl. BGH NJW 2004, 3413; Demharter § 19 Rn. 29, § 53 Rn. 4) ergänzende Vertragsauslegung führt jedoch gleichfalls nicht zu eintragungsfähigen Rechten. Anhaltspunkte dafür, in welcher Weise (Prioritätsprinzip, Beschränkung auf Teilflächen oder Quoten, gemeinschaftliche Berechtigung am Ganzen) die Parteien des Geschäfts den Konflikt zwischen den mehreren Vorkaufsrechten in Kenntnis der Regelungsbedürftigkeit aufgelöst hätten, liegen nicht vor; sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Bestellungs- und Bewilligungsurkunde. Auch auf § 472 BGB kann für Zwecke der ergänzenden Auslegung nicht zurückgegriffen werden. Zum einen ist der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet. Zum anderen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Parteien dem

S. 264 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

durch Vorkaufsrecht gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruch einen Inhalt entsprechend der für gemeinschaftlich Berechtigte geltenden Norm gewollt hätten. Eine gemeinschaftliche Berech-tigung an einem Grundstück als Folge einer Ausübung des Vorkaufsrechts durch alle Berechtigten birgt Konfliktpotential. Eine Behandlung der eigenständigen, je auf das Ganze gerichteten Vorkaufsrechte nach den für ein einheitliches Vorkaufsrecht geltenden Regeln kann deshalb nicht - ohne entsprechende Anhaltspunkte im Tatsächlichen - als das „hilfsweise“ Gewollte angesehen werden.“

c) Mehrere gleichrangige Vorkaufsrechte sind unzulässig und unwirksam

Mehrere gleichrangige Vorkaufsrechte sind aber nur zulässig, wenn zu deren dinglichem Inhalt eine Regelung über das Konkurrenzverhältnis gehört.

(Rn. 34) „(2) Eine Grundstücksbelastung mit ranggleichen dinglichen Vorkaufsrechten ist nur zulässig, wenn zum Inhalt der Vorkaufsrechte Ausübungsregelungen gehören, die den mit der Ranggleichheit verbundenen Konflikt im Vorkaufsfall regeln.“

Denn anders als für andere gleichrangige Rechte fehlt eine gesetzliche Regelung für den Konflikt bei gleichzeitiger Ausübung.

(Rn. 35) „Zwar ist die allgemeine, das Rangverhältnis einschließlich die Ranggleichheit mehrerer Grundstücksbelastungen betreffende Regelung des § 879 BGB grundsätzlich auch auf das ding-liche Vorkaufsrecht anwendbar. Allerdings hat der Gesetzgeber für den Fall des Konflikts gleich-rangiger Vorkaufsrechte - anders als für das Zusammentreffen mehrerer dinglicher Nutzungsrechte (§§ 1024, 1060, 1090 Abs. 2 BGB) - keine Bestimmung darüber getroffen, welche rechtliche Konsequenz der Widerstreit gleichrangiger Rechte für das jeweils einzelne Recht hat und auf welche Weise der Konflikt zu lösen ist. Im Vorkaufsfall würden sich die gleichrangigen Rechte wechselseitig blockieren (§ 1098 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 883, 888 BGB), wenn eine Vereinbarung über die Auflösung des Konflikts fehlt. Ranggleichheit kann aber nicht bestehen, wenn die Ausübung des einen Rechts die gleichzeitige Ausübung des anderen Rechts unmöglich machen würde. Die Begründung mehrerer gleichrangiger Vorkaufsrechte an einem Grundstück ist deshalb grundsätzlich ausgeschlossen (BGH NJW 2014, 3024/3027 Tz. 22; LG Darmstadt MDR 1958, 35; Soergel/Stürner BGB 13. Aufl. § 1094 Rn. 4; Staudinger/Schermaier BGB (2009) § 1094 Rn. 12; Meikel/Morvilius Einl. B Rn. 495).“

Eine gleichrangige Bestellung wäre nur zulässig, wenn durch eine Ausübungs-vereinbarung der Kollisionsfall geregelt ist.

(Rn. 36) „Gleichrangige Vorkaufsrechte an einem Grundstück sind zwar nach herrschender Meinung dann zulässig, wenn eine Ausübungsvereinbarung getroffen ist, die eine Kollision der gleichrangigen Rechte verhindert (BGH a. a. O.; LG Landshut MittBayNot 1979, 69; AG Gemünden MittBayNot 1974, 145; MüKo/Westermann BGB 6. Aufl. § 1094 Rn. 8; Soergel/Stürner a. a. O.; Staudinger/Schermaier a. a. O.; Meikel/Morvilius a. a. O.; Kohler in Bauer/von Oefele AT III Rn. 129 f.; Zimmermann Rpfleger 1980, 326 und Rpfleger 1981, 480; weitergehend OLG Hamm NJW-RR 1989, 912; LG Düsseldorf Rpfleger 1981, 479; KEHE/Keller GBO 7. Aufl. Einl. § 10 Rn. 15; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 1403; Demharter Anh. zu § 44 Rn. 82; Hügel/Reetz § 47 Rn. 7). Eine Ausübungsvereinbarung ist jedoch hier nicht ersichtlich, insbesondere dem Inhalt der Bestellungs- und Bewilligungsurkunde nicht zu entnehmen. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der „Natur der Sache“, denn die auf das belastete Grundstück bezogenen Vorkaufsrechte können in unterschiedlicher Weise zum Zweck der Konfliktvermeidung bzw. -auflösung ausgestaltet werden (vgl. oben 2. b) aa) (1) zur ergänzenden Vertragsauslegung). Die Beteiligte zu 1 trägt demzufolge weder zur vertraglichen Grundlage noch zum Inhalt einer angeblich getroffenen Ausübungsregelung vor.“

S. 265 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bei Bestellung gehörten zwar noch alle drei „berechtigten“ Grundstücke demselben Eigentümer. Daher war damals kein Konfliktfall möglich. Ein künftiger Konfliktfall war aber damit nicht ausgeschlossen. Ob es dazu kam, hing nur vom Zufall ab. Daher war bereits damals die Bestellung gleichrangiger Vorkaufsrechte unwirksam.

(Rn. 37) „Auf eine Ausübungsregelung konnte nicht deshalb verzichtet werden, weil zum Zeitpunkt der Rechtsbegründung die an die jeweilige Eigentümerstellung der begünstigten Grund-stücke angeknüpfte subjektiv-dingliche Berechtigung jeweils zur selben Person führte. Aufgrund der Eigentumszuordnung war ein Ausübungskonflikt zwar der Sache nach ausgeschlossen, solange sich das Eigentum an den betroffenen Flurstücken in derselben Hand befand. In der gewählten Gestaltung war der Konflikt der mehreren Rechte dennoch bereits bei deren Bestellung angelegt, weil bei unterschiedlichen Eigentümern die gleichrangigen dinglichen Rechte der dann personenverschiedenen Berechtigten in der beschriebenen Weise kollidieren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Vorkaufsfall tatsächlich mehrere Berechtigte um das Vorkaufs-recht streiten. Dies sind tatsächliche Zufälligkeiten, auf die bei der Beurteilung der Zulässigkeit des bestellten Rechts nicht abgestellt werden kann.“

Weil die Vorkaufsrechte gar nicht wirksam entstanden waren, kam es nicht auf die Frage an, ob sie durch die spätere unentgeltliche Überlassung an die Schwester erlo-schen waren (aufgrund derer das Grundbuchamt die Vorkaufsrechte gelöscht hatte).

d) Stimmt die Entscheidung des OLG München?

Ich halte die Entscheidung nicht für richtig; für die Vertragsgestaltung muss man sie aber vorsorglich zugrunde legen. Das OLG Hamm hatte die gleichrangige Bestellung hingegen zugelassen340 – ebenso diverse Literaturstimmen. Der BGH ließ gleichrangige Vorkaufsrechte zu, wenn sie jeweils nur auf einen (noch zu bildenden) Miteigentumsanteil gerichtet waren und insgesamt 100% der Grundstücksanteile nicht überschritten.341 Jedoch sollte man jedenfalls die Kollision der Vorkaufsrechte regeln. Denn beim vergleichbaren Fall gleichrangiger Vormerkung ist strittig, ob bei der Ausübung durch mehrere Berechtigte nur derjenige erwirbt, der als erster seine Eintragung als neuer Eigentümer erreicht (Prioritätsprinzip)342 oder ob mehrere ausübende Vorkaufsberechtigte zu gleichen Bruchteilen erwerben343. Sinnvoller dürfte daher i.d.R. sein, ein Vorkaufsrecht für mehrere Berechtigte nach § 472 BGB zu bestellen (soweit nicht zwingend unterschiedliche Vorkaufsrechte erforderlich sind – etwa bei subjektiv-persönlicher Berechtigung einerseits und subjektiv-dinglicher Berechtigung andererseits oder bei unterschiedlicher Ausgestaltung der verschiedenen Vorkaufsrechte).

340 OLG Hamm, OLGZ 1989, 257 = DNotZ 1990, 178 = NJW-RR 1989, 912; LG Düsseldorf,

MittRhNotK 1981, 197 = Rpfleger 1981, 479; LG Landshut, MittBayNot 1979, 69; AG Gemünden, MittBayNot 1974, 145; Lüdtke-Handjery, DB 1974, 517; Zimmermann, Rpfleger 1980, 326; a.A. KG, JFG 6, 293; LG Darmstadt, MDR 1958, 35.

341 BGH, Urt. v. 11.07.2014 – V ZR 18/13, BGHZ 202, 77 = DNotZ 2014, 848 = NJW 2014, 3024 = Rpfleger 2014, 659 = ZfIR 2014, 864 = ZNotP 2014, 306.

342 Staudinger/Gursky, § 883 BGB Rn. 286. 343 Erman/Lorenz, § 883 BGB Rn. 8; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1506.

S. 266 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

4. Überhöhte Maklerprovision bindet Vorkaufsberechtigten nicht (BGH, 12.5.2016 - I ZR 5/15) (CH)

BGH, Urt. v. 12.5.2016 - I ZR 5/15,

FamRZ 2016, 1767 = NJW 2016, 3233 = NZM 2016, 804 = ZEV 2016, 704,

Keine Verpflichtung des Vorkaufsberechtigten zur Zahlung einer Maklerprovision bei überhöhter Provisionsvereinbarung im Erstvertrag

1. Die Bestimmung des § 655 BGB ist nicht über ihren Wortlaut hinaus auf andere Arten von Maklerverträgen anzuwenden.

2. Ist die Zahlung einer unüblich hohen Maklerprovision im Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer vereinbart und ist der Vorkaufsberechtigte im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts deshalb nicht verpflichtet, die Maklerprovision in der vereinbarten Höhe nach § 464 Abs. 2 BGB zu erstatten, besteht für den Vorkaufsberechtigten auch keine Verpflichtung, eine auf die übliche Höhe reduzierte Maklerprovision zu zahlen.

a) Sachverhalt

– Zwei Brüder waren Miterben zu gleichen Teilen. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück in Berlin.

– Ein Bruder beauftragte eine Maklerin mit der Vermittlung eines Kaufinteressenten für seinen hälftigen Erbteil.

– An den so gefundenen Kaufinteressenten verkaufte er seinen Erbteil für 260.000,- EUR.

– Im Kaufvertrag verpflichtete sich der Käufer sich verpflichte, an die Maklerin ein Maklerhonorar in Höhe von 29.750,- EUR für Beratung, wirtschaftliche Aufbereitung und Verkauf zu zahlen. Im Kaufvertrag hieß es ausdrücklich , dass dieses Honorar auch bei Ausübung des Vorkaufsrechts vom Vorkaufsberechtigten zu zahlen sei.

– Der andere Bruder übte sein Vorkaufsrecht aus, zahlte aber das Maklerhonorar nicht. Darauf klagte die Maklerin ihr Honorar gegen den Vorkaufsberechtigten ein. Sie verlor sowohl vor dem Landgericht Berlin wie vor dem BGH.

b) Überhöhte Maklerprovision bindet den Vorkaufsberechtigten nicht

Da ein Erbteil verkauft wurde, hatte der Bruder als Miterbe ein Vorkaufsrecht nach § 2034 BGB. Auch hierfür gelten die §§ 463 ff. BGB. D.h. die Ausführungen des BGH zum Maklerlohn gelten ebenso für die Vorkaufsrechtsausübung beim Verkauf eines Grundstücks.

S. 267 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Der Vorkaufsberechtigte muss nur dann die Maklerprovision übernehmen, wenn dies auch der Drittkäufer im ursprünglichen Kaufvertrag getan hatte, d.h. wenn dies Bestandteil des Kaufvertrages ist (§ 464 Abs. 2 BGB). Dies war hier der Fall.

(Rn. 8) „2. Die Provisionszahlungspflicht des Vorkaufsberechtigten setzt nach § 464 Abs. 2 BGB voraus, dass sie Bestandteil des Hauptvertrags zwischen dem Verkäufer und dem Erstkäufer ist; der bloße Maklervertrag des Verkäufers oder des Erstkäufers mit dem Makler reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - III ZR 34/95, BGHZ 131, 318, 321; Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 7/06, WM 2007, 696 Rn. 9 = VersR 2007, 393; Staudinger/Arnold, BGB [2015], §§ 652, 653 Rn. 118). Diesem Erfordernis entspricht die in § 16 des Kaufvertrags vom 3. Mai 2012 getroffene Regelung.“

Den Vorkaufsberechtigten bindet aber nicht, was ein „Fremdkörper“ im ursprüng-lichen Kaufvertrag ist. In der vorliegenden Entscheidung verwendet der BGH den Begriff des Fremdkörpers nicht, greift aber auf seine diesbezügliche Rechtsprechung zurück.

Der BGH lässt genügen, dass die Vereinbarung über den Maklerlohn unüblich ist.

(Rn. 9) „3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die in diesem Vertrag getroffene Regelung sich nicht im üblichen Rahmen gehalten hat und daher den Beklagten nicht verpflichtete.

(Rn. 10) a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch im Schrifttum Zustimmung gefunden hat, gehören Bestimmungen in Kaufverträgen über die Verteilung der Maklerkosten, die sich nicht im üblichen Rahmen halten, wesensgemäß nicht zum Kauf-vertrag und verpflichten daher den Vorkaufsberechtigten nicht (vgl. BGH, WM 2007, 696 Rn. 10 f.; Staudinger/Arnold aaO §§ 652, 653 Rn. 120; Staudinger/Mader/Schermaier, BGB [2014], § 464 Rn. 17 und 25; MünchKomm.BGB/Westermann, 7. Aufl., § 464 Rn. 7 in Verbindung mit § 463 Rn. 25; Soergel/Wertenbruch aaO § 464 Rn. 27; Ibold, Maklerrecht, 3. Aufl., Rn. 100 f., jeweils mwN). Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 465 BGB, wonach eine Vereinbarung des Verkäufers mit dem Käufer, durch die der Kauf von der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abhängig gemacht oder dem Verkäufer für den Fall der Ausübung des Vorkaufs-rechts der Rücktritt vorbehalten wird, dem Vorkaufsberechtigten gegenüber unwirksam ist, ist in Fällen der Vereinbarung einer unüblich hohen Maklerprovision kein Raum für eine Anwen-dung des § 464 Abs. 2 BGB (vgl. Staudinger/Arnold aaO §§ 652, 653 Rn. 120; Ibold aaO Rn. 100). Dagegen besteht nach § 464 Abs. 2 BGB ein Provisionsanspruch auch gegenüber dem Vorkaufsberechtigten, wenn der Verkäufer ein eigenes Interesse an der Provisionszahlung des Käufers hat und die getroffene Provisionsvereinbarung sich im üblichen Rahmen hält (vgl. Staudinger/Arnold aaO §§ 652, 653 Rn. 120 und Staudinger/Mader/Schermaier aaO § 464 Rn. 17 und 25). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Auslegung der getroffenen vertrag-lichen Vereinbarungen erforderlich machen.

(Rn. 11) b) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die in § 16 des Kaufvertrags vom 3. Mai 2012 getroffene Provisionsvereinbarung unüblich hoch war und deshalb wesensmäßig nicht zum Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer gehörte. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass in Berlin eine Maklerprovision von 6% nebst 19% Umsatzsteuer hierauf üblich ist. Das hat das Berufungsgericht ersichtlich auch seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Diese auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung kann in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln oder die Denkgesetze verstößt, erfahrungswidrig ist oder wesentlichen Tatsachenstoff außer Acht lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 350/13, BGHZ 204, 19 Rn. 14; Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 32/13, NJW-RR 2015, 521 Rn. 20; Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 47/14, GRUR 2016, 526 Rn. 11 = WRP 2016, 489 - Irreführende Lieferantenangabe, jeweils mwN). Die gegen sie gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.“

S. 268 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Hier betrug die Provision aber über 10%. Das war zuviel.

Das Landgericht hatte auch geprüft, ob besondere Schwierigkeiten im Einzelfall die erhöhte Provision rechtfertigen könnten, etwa weil nicht ein Grundstück, sondern ein Erbteil verkauft wurde. Es hatte dies aber verneint.

Nun könnte man argumentieren, dass auch der ursprüngliche Käufer diese hohe Provision von gut 10% übernommen hat – dass der Vorkaufsberechtigte also nicht schlechter stünde als der ursprüngliche Käufer, wenn er diese Provision übernehmen muss.

– Indem man die Maklerprovision streicht, muss der Vorkaufsberechtigte nur 260.000,- EUR statt knapp 290.000,- EUR zahlen – steht also deutlich besser als der ursprüngliche Käufer.

– Hintergrund ist wohl, dass der BGH unterstellt, dass bei einer derart unüblichen Klausel etwas nicht stimmt. Entweder die Maklerin hat angedeutet, dass sie vom ursprünglichen Käufer keineswegs die vollen 29.750,- EUR fordern würde. Oder der ursprüngliche Käufer ist ein naher Angehöriger der Maklerin, so dass er nichts dagegen hat, dieser eine überhöhte Provision zukommen zu lassen. Nur wird man dies in vielen Fällen nur schwer feststellen und erst recht nicht beweisen können.

– Daher stimmt m.E. das Kriterium des BGH: Eine unüblich hohe Maklerklausel muss der Vorkaufsberechtigte nicht übernehmen.

c) Keine Herabsetzung auf den üblichen Maklerlohn

Die Maklerin wollte dann wenigstens den üblichen Maklerlohn. Auch dies versagten ihr die Gerichte – zu recht; sonst könnte der Makler ja immer erst versuchen, einen überhöhten Maklerlohn vom Vorkaufsberechtigten zu verlangen – um notfalls auf den angemessenen Lohn zurückzufallen.

– § 655 BGB sieht eine solche Herabsetzung bei Vermittlung eines Dienstvertrages vor. Dies ist aber eine Ausnahmevorschrift, die nicht entsprechend angewendet werden kann.

(Rn. 19) „a) Eine Herabsetzung der Maklerprovision der Klägerin auf einen üblichen Betrag in entsprechender Anwendung des § 655 BGB kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann der für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss oder für die Vermittlung eines Dienstvertrags vereinbarte Maklerlohn, der sich im Einzelfall als unverhältnismäßig hoch erweist, auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Diese Regelung ist, nachdem zunächst eine auf alle Maklerverträge bezogene Vorschrift beabsichtigt gewesen war, erst durch den Reichstag in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden (vgl. Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im Reichstage, Berlin 1896, Stenographische Berichte, zweite Beratung des Entwurfs, Seite 303 bis 306 zu § 643b BGB; Planck/Oegg, BGB, 4. Aufl. (1928), § 655 Anm. 1). Im Hinblick auf die bewusste Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf einen Maklervertrag über die Vermittlung von Dienstverträgen und den Ausnahmecharakter der Vorschrift scheidet eine analoge Anwendung auf alle Maklerverträge und damit auch auf den vorliegenden Maklervertrag aus (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2013, 564, 566; ...).“

S. 269 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Bei preisrechtlichen Verbotsgesetzen wird i.d.R. nur auf den zulässigen Preis reduziert. Hier geht es aber nicht um einen überhöhten Kaufpreis, sondern um eine als Fremdkörper zum Kaufvertrag gepackte Nebenregelung.

(Rn. 20) „b) Auch eine Herabsetzung der vereinbarten Maklerprovision auf eine übliche Höhe nach den Grundsätzen, die bei einem Verstoß gegen ein preisrechtliches Verbotsgesetz gelten, scheidet aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Verstoß gegen Preis-vorschriften gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit der Entgeltregelung im Allgemeinen nur in dem Umfang zur Folge, in dem der zulässige Preis überschritten wird; im Übrigen bleibt der zulässige Preis geschuldet (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010 - III ZR 254/09, NJW 2010, 3222 Rn. 16). Begründet wird dies mit der Ausnahmeregelung in § 134 Halbsatz 2 BGB, wonach das Rechts-geschäft nur (insgesamt) nichtig ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 1984 - VIII ARZ 13/83, BGHZ 89, 316, 319; Urteil vom 4. August 2000 - III ZR 158/99, BGHZ 145, 66, 76; Urteil vom 11. Oktober 2007 - VII ZR 25/06, NJW 2008, 55 Rn. 14). Die Preisvorschriften sollen nur vor der Vereinbarung überhöhter Vergütungen schützen. Sie sollen den Schutz aber nicht in ihr Gegenteil verkehren, indem der gesamte Vertrag nichtig ist. Damit ist die vorliegende Fallkonstellation nicht vergleichbar, weil eine unüblich hohe Maklerprovision wesensmäßig nicht zum Kaufvertrag gehört, eine Reduzierung auf einen üblichen Betrag auch nicht zum Schutz des Vorkaufsberechtigten veranlasst ist und die Gesamtnichtigkeit des Geschäfts nicht in Rede steht.“

Ob die Maklerin einen Anspruch gegen den Verkäufer oder gegen den ursprünglichen Käufer hätte, war nicht Gegenstand der Entscheidung.

S. 270 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Vormerkungen bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (K)

1. Anwendungsbereich

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten haben in den vergangenen Jahren weite Verbreitung gerade deshalb gefunden, weil diese häufig zur Sicherung von Photovoltaikanlagen und Dienstbarkeiten auf fremden Grundstücken Verwendung finden. Werden diese Anlagen durch Kredite finanziert, ist es regelmäßiges Bestreben des Kreditgebers nicht nur das Eigentum an der Anlage – diese wird durch die Dienstbarkeit zum Scheinbestandteil – sondern auch das Nutzungsrecht am betreffenden Standort zu sichern und so im Falle des Ausfalls des Kreditnehmers eine wirtschaftliche Verwertung der Anlage zu besitzen.

Da beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nur unter engen Voraussetzungen übertragen werden können, nämlich dann, wenn es sich um Leitungsanlagen im Sinne des § 1092 Abs. 3 BGB oder um Teile eines Unternehmens einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft im Sinne der §§ 1092 Abs. 2, 1059a BGB handelt, taugt die Dienstbarkeit des Betreibers nicht als Grundlage der Weitergabe, ebenso hilft eine eigene Dienstbarkeit für den Kreditgeber nur dazu, diesem den Betrieb der Anlage zu sichern. Soll aber die Anlage nebst Nutzungsrecht insgesamt weitergegeben werden können, wird regelmäßig die Vereinbarung eines abtretbaren Anspruchs auf Einräumung der Dienstbarkeit nebst Sicherung desselben durch eine Vormerkung als Mittel der Wahl angesehen.

An zwei obergerichtlichen Entscheidungen dieses Jahres sollen die Rechtsprobleme der Absicherung beleuchtet werden.

2. OLG Nürnberg zur Abtretbarkeit – Vormerkung auch bei noch unbestimmtem Berechtigten?

OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.1.2016 – 15 W 1608/15, RNotZ 2016, 300 = ZfIR

2016, 537 (m. Anm. Kesseler) = Rpfleger 2016, 472 = WM 2016, 1728.

a) Verfahrensgegenstand

Das OLG Nürnberg hatte über eine Grundbuchbeschwerde zu entscheiden. Neben der Eintragung beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für den Anlagenbetreiber war gegenüber dem Grundstückseigentümer auch ein Anspruch begründet worden, eine inhaltsgleiche Dienstbarkeit zu Gunsten eines Dritten (Finanzierungsgläubiger, Rechtsnachfolger) verlangen zu können. Dieser Anspruch wurde durch eine im Grundbuch eingetragene Vormerkung gesichert. Als der vormerkungsgesicherte

S. 271 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Anspruch abgetreten und die berichtigende Eintragung bei den Vormerkungen im Grundbuch beantragt wurde, wies das Grundbuchamt diese Eintragungsanträge mit dem Argument zurück, der Anspruch könne deshalb nicht abgetreten werden, weil die beschränkte persönliche Dienstbarkeit, deren Bestellungsanspruch durch die Vormerkung gesichert werde, auch nicht übertragen werden könne.

b) Rechtliche Ausgangslage

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten können dem Grundsatz nach aufgrund §1092 Absatz 1 Satz 1 BGB nicht übertragen werden. Einer der Ausnahmefälle des §1092 Absätze 2 und 3 BGB lag nicht vor. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist maßgeblich durch die Person des Berechtigten gekennzeichnet, da die aus dieser für den Eigentümer resultierende Belastung nämlich wesentlich durch die Person des Berechtigten geprägt ist.

Diese persönliche Prägung führt dann auch dazu, dass regelmäßig davon ausgegangen wird, dass ein schuldrechtlicher Anspruch auf Einräumung einer Dienstbarkeit unabtretbar ist.344 Anderes soll nur dann gelten, wenn von Vornherein der Anspruchsgläubiger und die Person, zu deren Gunsten die beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt werden soll, personenverschieden sind.345

c) Rechtsfrage 1: Ist der Anspruch abtretbar?

Worum geht es eigentlich bei der streitigen Frage, ob der Anspruch auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit abtretbar ist?

Die Diskussion in der Literatur ist von erheblichem Durcheinander gekennzeichnet, das das Verständnis des Problems nicht leichter macht. Das soll zunächst aufgeklärt werden.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 399 BGB. Dieser sieht vor, dass es der Abtretung eines Anspruchs entgegen steht, wenn sich durch die Abtretung dessen Inhalt ändert. Das hätte im Grunde einer gesetzlichen Regelung nicht bedurft. Der Schuldner ist nur verpflichtet, das zu tun, was er versprochen hat oder wozu ihn das Gesetz verpflichtet. Es steht nicht in der Macht des Gläubigers, sei es auch durch Abtretung, den Leistungsinhalt zu ändern.

344 So der BGH: Urteil vom 30.10.2009 – V ZR 42/09, NJW 2010, 1074, dort Rn. 27; Urteil v.

9.7.1958 – V ZR 116/57, BGHZ 28, 99; siehe auch Staudinger/Mayer (2009), § 1092 Rn. 4; MünchKomm/Joost, 6. Aufl. 2013, § 1092 Rn. 3.

345 So BGH Urteil v. 9.7.1958 – V ZR 116/57, BGHZ 28, 99.

S. 272 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bezogen auf den Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit wird die Abtretbarkeit natürlich in Zweifel gezogen, wenn sich durch die Abtretung derjenige ändert, zu dessen Gunsten die Dienstbarkeit bestellt werden soll. Es ist nun einmal, um ein Beispiel zu bringen, etwas anderes, ob eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit für einen 80-jährigen oder einen 18-jährigen eingeräumt wird.

§ 399 BGB stellt damit kein zwingendes Rechtsprinzip dar, sondern ist einfacher Schuldnerschutz vor der inhaltlichen Änderung seines Leistungsumfangs durch den Gläubiger. Auf diesen Schutz kann der Schuldner selbstredend auch verzichten.

Wann ist der Abtretungsausschluss aus der Natur des Geschäftes begründet?

aa) Fallgruppe 1: Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit für einen bestimmten Berechtigten

Lautet der Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit zu Gunsten einer bestimmten Person, führt die Abtretung des Anspruchs nicht zu einer inhaltlichen Veränderung. Die Abtretung führt dann nämlich nur dazu, dass sich der Forderungsberechtigte ändert, der Leistungsinhalt des Schuldners bleibt aber unangetastet.

Bsp: In einem Übergabevertrag wird der Anspruch begründet, auf jederzeitige Anforderung die Bestellung eines Wohnungsrechtes für die X verlangen zu können. Der Übergeber tritt den Anspruch an seine Tochter ab. Auch die Tochter kann nur die Bestellung des Wohnungsrechts an X verlangen.

Die Abtretung eines solchen Anspruchs ist unproblematisch zulässig, es sei denn, die Beteiligten hätten den Ausschluss der Abtretung ausdrücklich vereinbart.

bb) Fallgruppe 2: Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit für einen noch zu benennenden Berechtigten

An einem besonderen Schutzbedürfnis des Anspruchsschuldners mangelt es auch, wenn sich dieser von vornherein verpflichtet hat, die Dienstbarkeit zu Gunsten einer noch vom Anspruchsgläubiger zu benennenden Person zu bestellen. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Verpflichtung schuldrechtlich unzulässig wäre, sind nicht ersichtlich. Bei einer solchen Anspruchskonstellation ändert sich durch die Abtretung ebenso wenig wie beim Anspruch auf Bestellung der Dienstbarkeit für einen konkret bezeichneten Berechtigten.

S. 273 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bsp: Der Eigentümer hat sich dem Erschließungsträger G gegenüber verpflichtet, auf dessen jederzeitige Anforderung für eine vom Anspruchsinhaber zu benennende Person ein Wegerecht zu bestellen. G tritt diesen Anspruch an den Käufer eines Baugrundstücks ab. Der Käufer kann nun vom Eigentümer die Bestellung der Dienstbarkeit verlangen.

Da der Schuldner von vornherein zur Bestellung der Dienstbarkeit an eine beliebige Person bereit war, wird der Inhalt des Anspruchs durch die Abtretung nicht geändert. Diese ist zulässig.

cc) Fallgruppe 3(?): Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit für den Inhaber des Anspruchs

Woran die herrschende Auffassung bei der Diskussion um die Zulässigkeit der Abtretung des Anspruchs auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit denkt, ist die Konstellation, dass es Inhalt des begründeten Anspruchs ist, dass der jeweilige Anspruchsinhaber berechtigt ist, die Bestellung der Dienstbarkeit zu seinen Gunsten zu verlangen.

In dieser Konstellation kann man bei flüchtiger Betrachtung auf den Gedanken verfallen, dass die Abtretung den Inhalt des Anspruchs ändert. Wäre dies der Fall, griffe der Abtretungsausschluss des § 399 BGB tatsächlich ein.

Tatsächlich aber bestehen erhebliche Zweifel, ob es in diesen Konstellationen tatsächlich um Fragen des Abtretungsausschlusses geht oder nicht richtigerweise tatsächlich die Frage der Auslegung des Anspruchsinhalts vorrangig ist:

- Will der Schuldner nur einen Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit für eine bestimmte Person, wird die Fallgruppe 1 gegeben sein und die Abtretung keine Ausiwrkungen auf den Anspruchsinhalt haben.

- Soll dagegen der Anspruch nicht auf Bestellung der Dienstbarkeit nur für eine bestimmte Person lauten, sondern es auf den Anspruchsinhaber ankommen, dann handelt es sich tatsächlich um einen Unterfall der Fallgruppe 2, bei der die Beliebigkeit der Person an die Anspruchsinhaberschaft geknüpft ist.

Für die Vererblichkeit des Anspruchs gilt gleiches. Soll dieser eben nur die Bestellung der Dienstbarkeit für eine bestimmte Person zum Gegenstand haben, erledigt er sich mit deren Tod. Im anderen Fall geht dieser eben über.

dd) Zwischenergebnis

S. 274 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Ob der Anspruch auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit abtretbar ist oder nicht, ist eine im Grunde fehl verstandene Frage. Es geht eigentlich allein darum, worauf das Anspruchsziel gerichtet ist:

ein Anspruch auf die Dienstbarkeit zugunsten einer bestimmten Person

oder

ein Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit für eine beliebige Person.

Abgetreten werden können diese Ansprüche im Grundsatz immer.

d) Rechtsfrage 2: Eine Vormerkung oder mehrere?

Bei nüchterner Betrachtung ebenso wenig verständlich ist der Streit darum, ob es sich bei dem Anspruch auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für den Anspruchsinhaber selbst und dessen Rechtsnachfolger auf der einen Seite und dem auf Bestellung der Dienstbarkeit zu Gunsten eines zu benennenden Dritten auf der anderen um einen einheitlichen Anspruch oder um mehrere handelt.

Das OLG München346 hält beide Ansprüche für verschieden, sieht also in dem Anspruch auf Bestellung der Dienstbarkeit zu Gunsten eines beliebigen Dritten etwas anderes als in dem Anspruch auf Bestellung zu Gunsten des Anspruchsinhabers und dessen Rechtsnachfolgern. Das Gericht führt dazu aus:

Denn der Anspruch der Sparkasse, die Bestellung eines solchen Rechts für eine andere Person zu verlangen, mithin der Anspruch aus einem mit dieser abgeschlossenen Vertrag zugunsten Dritter, ist nicht inhaltsgleich mit einem eigenen Anspruch der Bet. zu 2) gegen den Besteller, selbst Berechtigte der Dienstbarkeit zu werden. Dieser Anspruch ist kein Anspruch zugunsten Dritter, sondern beruht auf einem unmittelbaren Recht der Bet. zu 2), ihr selbst und unmittelbar – gegebenenfalls bedingt – das Recht als solches einzuräumen. ....... Dass es sich um unterschiedliche Ansprüche handelt, macht auch die Überlegung deutlich, dass derjenige auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für eine bestimmte Person – anders als der Anspruch des Versprechensempfängers gemäß a) – nach der zwingenden Regelung in § 1092 Abs. 1 BGB nicht übertragbar ist. .....

Einer anderweitigen schuldrechtlichen Vereinbarung steht die eingeschränkte Gestaltungsfreiheit im Sachenrecht entgegen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass die Dienstbarkeit hier nicht – wie sonst üblich – auf das persönliche Bedürfnis der Berechtigten zugeschnitten ist, was üblicherweise

346 OLG München, Beschluss vom 18. 4. 2012 - 34 Wx 35/12, RNotZ 2012, 389 = FGPrax 2012, 193

= MittBayNot 2012, 466 = ZfIR 2012, 601 = ZIP 2013, 161; bestätigt durch OLG München, Beschluss vom 6.4.2016 – 34 Wx 399/15, RNotZ 2016, 388 = BeckRS 2016, 06781.

S. 275 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

ihre Bindung an eine bestimmte Person erklärt, die Sparkasse vielmehr nur wie eine dritte Person in der „Kette” möglicher Rechtsinhaber stehen soll.

Das kann auch bei Wiederholung nicht überzeugen. Gibt es einen Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit für eine Beliebige Person, dann wird daraus nicht ein zweiter Anspruch, dass der Anspruchsinhaber sich auch selbst benennen kann. Irgendeine Person kann auch immer der Anspruchsinhaber selbst sein. Woher das Gericht die Besonderheit des „Anspruchs zu Gunsten Dritter“ (wohlgemerkt nicht Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB, der dem Begünstigten einen eigenen Anspruch gibt!) nimmt, bleibt offen. Ebenso, woher die zwingende Unabtretbarkeit nach § 1092 Abs. 1 BGB stammen soll, denn die Norm selbst sagt dazu überhaupt nichts aus.

Erkennbar falsch wird diese Auffassung, wenn man sich vorstellt, dass der Zessionar des Anspruchs auf Bestellung der Dienstbarkeit dann, wenn er sich selbst benennen will, den Anspruch verlieren müsste....

Richtig kann es nur sein, in dem Anspruch auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für eine beliebige, vom Gläubiger zu benennende Person einen einheitlichen Anspruch auch dann zu sehen, wenn die beliebige Person auch der Gläubiger selbst sein kann.

e) Rechtsfrage 3: Ist eine Vormerkung bei noch zu benennendem Berechtigten überhaupt zulässig?

Seit der Entscheidung des V. Senats aus dem Jahr 1958347 wird die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Bestellung einer Dienstbarkeit zu Gunsten einer noch zu benennenden Person für zulässig und eben auch wirksam gehalten.

Der BGH hat damals ausgeführt:

„Der Dienstbarkeitsbestellungsanspruch des August K. konnte auch möglicher Gegenstand einer Vormerkung sein. Daß Person und Zahl der Begünstigten zur Zeit der Bewilligung und Eintragung der Vormerkung noch nicht bekannt war, stand der wirksamen Begründung der Vormerkung nicht entgegen. Auch hier ist wieder zu unterscheiden zwischen Versprechensempfänger und Begünstigtem; das grundbuchmäßige Bestimmtheitserfordernis hinsichtlich der Person des Berechtigten trifft bei der Vormerkung nur jenen, nicht diesen; die nötige Bestimmtheit hinsichtlich des Anspruchsinhalts ist durch die Ungewißheit der

347 BGH, Urteil vom 9. 7. 1958 - V ZR 116/57, BGHZ 28, 99 = NJW 1958, 1677 = Betrieb 1958,

1038.

S. 276 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

immerhin künftig bestimmbaren späteren dinglich Berechtigten nicht in Frage gestellt.“

Das Gericht hat sich dabei nur mit der Frage beschäftigt, ob grundbuchrechtlich die Person des Begünstigten des Anspruchs ausreichend bestimmt ist. Dies hat es zu Recht deshalb als gegeben angesehen, weil der Anspruchsinhaber bestimmt und nur derjenige, zu dessen Gunsten der Anspruch zu erfüllen ist, noch der Benennung bedurfte. Diese Gestaltung ist von der Vormerkung eines Eigentumsverschaffungsanspruchs zu Gunsten eines noch zu Benennenden bekannt.

Womit sich das Gericht aber nicht auseinandergesetzt hat, war die Frage, ob das dingliche Anspruchsziel ausreichend bestimmt bezeichnet war. Die Entscheidung beschäftigt sich umfangreich mit der Zulässigkeit eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung der Dienstbarkeit. Bei den an sich notwendigen Überlegungen dazu, ob das Ziel des Anspruchs nicht nur schuldrechtlich bestimmbar, sondern auch sachenrechtlich für die Vormerkungswirkungen (relative Unwirksamkeit nach § 883 Abs. 2 BGB und Rangwahrung nach § 883 Abs. 3 BGB) ausreichend bestimmt war, hat der BGH keine Überlegungen mehr angestellt, obschon dies notwendig gewesen wäre.

Die Rechtsprechung und Literatur hat sich seither mit dieser Frage soweit ersichtlich nicht mehr auseinander gesetzt. Dies soll hier einmal geschehen.

Die sich tatsächlich stellende Frage ist die, ob es nicht zur für die Eintragung einer Vormerkung notwendigen Bestimmtheit des dinglichen Anspruchsziels eines Anspruchs auf Einräumung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gehört, dass deren Berechtigter benannt wird.

aa) Schuldrechtliche Vereinbarungen

Ohne Zweifel können der Grundstückseigentümer und der Inhaber des Bestellungsanspruchs schuldrechtlich vereinbaren, dass sich der Grundstückseigentümer verpflichtet, die Dienstbarkeit zu Gunsten einer noch vom Anspruchsgläubiger zu benennenden Person zu bestellen. Die schuldrechtlich bestehende Vertragsfreiheit setzt einer solchen Vereinbarung keine Grenzen.

bb) Bestimmtheit im sachenrechtlichen Sinne

Nicht jeder schuldrechtliche Anspruch kann aber auch durch Vormerkung gesichert werden.

S. 277 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

So ist es anerkannt, dass zur wirksamen Begründung einer Hypothekenvormerkung grundsätzlich die Angabe des Forderungsbetrags erforderlich ist. Auch wenn schuldrechtlich ohne weiteres der Anspruch zu Gunsten des Gläubigers begründet werden kann, die Bestellung eines Grundpfandrechts in beliebiger Höhe verlangen zu können, wird wohl nahezu jedes Grundbuchamt erkennen, dass die Vormerkung einer solch unlimitierten Vormerkung nicht möglich ist.348 Gleiches gilt für die Eintragung einer Dienstbarkeit beliebigen, vom Anspruchsinhaber zu bestimmenden Inhalts.

Da die Person des Dienstbarkeitsberechtigten für den Inhalt und vor allen Dingen den zeitlichen Umfang der Dienstbarkeit von entscheidender Bedeutung ist - schließlich könnte die zu Gunsten einer GmbH bestellte beschränkte persönliche Dienstbarkeit theoretisch ewig bestehen - ist zur Abschätzung der höchstmöglichen Belastung des Grundstücks durch die Vormerkung auch die Angabe der konkreten Person des Dienstbarkeitsberechtigten Eintragungsvoraussetzung.

Unterstellt man diese Wesentlichkeit der Person des Dienstbarkeitsberechtigten für die Vormerkungsfähigkeit des Anspruchs, wäre eine Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs, bei dem dem Berechtigten noch die Benennung der Person des Dienstbarkeitsberechtigten offen steht, schlicht nicht möglich. Über die Eintragung der Abtretung bräuchte alsdann nicht weiter nachgedacht zu werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass auch eine Vormerkung zur Sicherung eines Übereignungsanspruchs und damit zur Sicherung eines das Grundstück umfassend vereinnahmenden Rechts eingetragen werden kann. Damit ließe sich auch die Eintragung eines uferlosen Rechts rechtfertigen. Die Vormerkung ist aber hinsichtlich des dinglichen Anspruchsziels ebenso an den numerus clausus der Sachenrechte gebunden, wie die Rechtsentstehung selbst. Das, was sachenrechtlich nicht besteht, kann auch durch Vormerkung nicht gesichert werden.

cc) Vorsicht ist geboten

Für die Dienstbarkeitsvormerkung hat sich in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass es nicht zur notwendigen Bestimmtheit des gesicherten Anspruchsziels der Vormerkung gehören soll, dass die Person des Berechtigten bestimmt ist. Dass man dies durchaus abweichend beurteilen kann, soll aber nicht verschwiegen werden. Das offenbare Unbehagen in der Rechtsprechung gegenüber der dinglichen Sicherung des „personenbeliebigen“ Anspruchs auf eine Dienstbarkeit äußert sich zwar mit der Abtretungsthematik an der falschen Stelle, zeigt aber gleichwohl mit dem Finger auf das sacherechtliche Problem.

348 Siehe dazu ausführlich Staudinger/Gursky (2013), § 883 Rn. 50.

S. 278 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Rechtfertigen lässt sich die Vormerkung ohne Angabe des Dienstbarkeitsberechtigten vor allem mit der seit der Entscheidung des V. Senats aus dem Jahr 1958 entstandenen gewohnheitsrechtlichen Praxis.

So akzeptiert die Vormerkbarkeit also auch in der Praxis geworden ist, so vorsichtig sollte gleichwohl von ihr Gebrauch gemacht werden. Wenn andere Sicherungsmöglichkeiten bestehen, dürfte es nicht schaden, diese zu nutzen.

3. OLG München zur Sukzessivberechtigung

OLG München, Beschluss vom 6.4.2016 – 34 Wx 399/15, RNotZ 2016, 388 = BeckRS 2016, 06781

Während die Frage der Zulässigkeit der Vormerkung für einen hinsichtlich der Person des Berechtigten noch nicht konkretisierten Anspruch praktisch umfassend anerkannt ist, bereitet der im Verfahren vor dem OLG München streitgegenständliche Anspruch auf wiederholte Bestellung einer Dienstbarkeit für dessen Sicherung durch eine Vormerkung erhebliches Kopfzerbrechen.

a) Rechtliche und tatsächliche Einordnung

Bereits beschrieben wurde das Interesse der Kreditgeber der Errichter von Energieerzeugungsanlagen, das Nutzungsrecht an der Grundstücks- bzw. Gebäudefläche auch für den Fall zu sichern, dass die Anlage sicherungshalber verwertet und dabei an einem Dritten übergeben werden muss.

Der entsprechende Anspruch auf Bestellung einer inhaltsgleichen Dienstbarkeit kann durch Vormerkung für den Kreditgeber gesichert werden und zwar auch für die Ausgestaltung, dass der Kreditgeber den berechtigten erst zu benennen berechtigt ist.

Angesichts der langen Amortisationszeiten der Energieerzeugungsanlagen schwingt bei den Überlegungen der Kreditgeber regelmäßig auch der Gedanke mit, was im Falle einer weiteren Kreditgewähr an den die verwerte Anlage Erwerbenden für den Fall geschieht, dass auch dieser Zweiterwerber wiederum ausfällt und eine erneute Weitergabe des Nutzungsrechts notwendig wird.

In der Rechtspraxis hat sich seit der bereits erwähnten Entscheidung des BGH aus 1958 die Auffassung durchgesetzt, dass solch ein revolvierender Anspruch auch dann zulässig und durch Vormerkung sicherbar ist, wenn es theoretisch nicht nur ein Berechtigter ist, zu dessen Gunsten die Bestellung der Dienstbarkeit zu erfolgen hat,

S. 279 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

sondern dass es deren sukzessiv mehrere geben kann. Eine einzige Vormerkung soll so die Bestellung mehrerer Dienstbarkeiten sichern.

b) Sukzessivberechtigung an einem Daueranspruch versus Sicherung mehrerer Ansprüche

Das OLG befindet sich damit auf einer Linie mit einem erheblichen Teil der Rechtsprechung349 und der Literatur350 und auf Basis der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1958.351

Danach sind sowohl der Wechsel auf Gläubigerseite wie auch die wiederholte Bestellung und Einweisung in den Rang der Vormerkung beides von dem Daueranspruch gedeckt.

Das OLG München hat in seiner Entscheidung den Anspruch des Gläubigers, vom Eigentümer die hintereinandergeschaltete Bestellung immer wieder neuer Dienstbarkeiten verlangen zu können als „Daueranspruch“ bezeichnet, der durch eine einzige Vormerkung gesichert werden könne. Durch die Bestellung einer Dienstbarkeit werde dieser Anspruch gerade nicht vollständig erfüllt, da die Dauerberechtigung mit der einmaligen Bestellung nicht erloschen sei.

aa) Die Probleme der Struktur

Das Problem ist ein zweischichtiges:

- Sukzessivberechtigung

Ohne zu weit ins Detail zu gehen, ergeben sich auf der Ebene der Gläubigerschaft bei Annahme einfacher Sukzessivberechtigungen erhebliche Probleme mit dem Begriff des Anspruchs wie auch, daraus folgend, der Vormerkungsakzessorietät.

Ein Anspruch, der ohne Akt der Abtretung nacheinander geschaltet mehreren Personen zustehen soll, kann kein einheitlicher Anspruch sein. Jede andere Bewertung führte

349 OLG München, Beschluss vom 18.4.2012, 34 Wx 35/12 = MittBayNot 2012, 466 = RNotZ 2012,

389; OLG München, Beschluss vom 5. 8. 2010 - 27 Wx 45/10, MittBayNot 2011, 231; OLG Hamm, Beschluss vom 5.4.2012 - 15 W 98/11, FGPrax 2012, 192.

350 Meikel/Morvilius GBO 11. Aufl. Einl B Rn. 19; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 261a; Keller ZfIR 2011, 705/708; siehe auch Keller, DNotZ 2011, 99, 109ff; Preuß, MittBayNot 2011, 231; Klühs, RNotZ 2012, 28, 32ff.

351 BGH, Urteil vom 9. 7. 1958 - V ZR 116/57, BGHZ 28, 99 = NJW 1958, 1677 = Betrieb 1958, 1038.

S. 280 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

dazu, einem Anspruch die Unabhängigkeit vom konkreten Gläubiger zuzuerkennen. Die Aufrechterhaltung der Anspruchsidentität trotz Sukzession würde eine Durchbrechung allgemeiner Rechtsprinzipien bedeuten.352

- Vielfaches Anspruchsziel

Auf der Seite des Anspruchsziels stellt sich ein gleichgelagertes Problem: Die Vormerkung ist Platzhalter des zu bestellenden Rechts, wie dies in § 883 Abs. 3 BGB vorgesehen ist. Die Annahme des Daueranspruchs mit der Möglichkeit, mehrfach die Bestellung eines dinglichen Rechts verlangen zu können, ist zwar auf schuldrechtlicher Ebene möglich. Bei dem dann bestehenden Dauerschuldverhältnis entstehen aber immer neue Einzelansprüche auf Bestellung, die nicht als einheitlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung qualifiziert werden können. Schon aus der Akzessorietät der Vormerkung folgt, dass nicht durch eine einheitliche Vormerkung mehrere Ansprüche gesichert werden können.353

bb) Der Wortlaut

In der wissenschaftlichen Diskussion wenig betrachtet wurde bislang die Frage, wie sich die Idee des Daueranspruchs mit dem Wortlaut des § 883 Abs. 1 BGB verträgt. Soweit es im ersten Satz heißt, „zur Sicherung des Anspruchs“ kann die Idee des Daueranspruchs noch über das Problem des verwendeten Singulars hinweghelfen.

Auf der Ebene des Anspruchsziels hilft dies aber nicht mehr. Die Norm sieht gerade keinen Plural für das Anspruchsziel vor, sondern die Sicherung eben nur „eines Rechts“. Die Verwendung des Singulars auf Ebene des Anspruchsziels ist auch konsequent, da es die dinglichen Wirkungen sind, die die Vormerkung kennzeichnen. Sie ist, wie § 883 Abs. 3 BGB zeigt, Platzhalter der Rechtsänderung, die durch den Anspruch beansprucht werden kann.

Dass die mehrfache Verwendung einer Vormerkung im Bereich von Erhöhungsverlangen zu einem Erbbauzins gängige Praxis ist, ändert an dieser Wertung nichts. Auch wenn es vor allem das von Gursky sehr prägnant herausgearbeitete Argument der „Unerträglichkeit des Ergebnisses“354 ist, das wesentlich für die Anerkennung dieses Rechtsinstitutes spricht, lässt sich diese Vormerkung doch von der auf Einräumung mehrerer Dienstbarkeiten abgrenzen. Das BayObLG hat diese damit gerechtfertigt, dass es sich um eine bloß stufenweise Umschreibung handele, die Vormerkung also von Beginn an auf den gesamten Betrag

352 Amann MittBayNot 1990, 225, 227; Streuer Rpfleger 1994, 397, 400. 353 So Staudinger/Gursky (2013) § 883 Rn. 85, unter Verweis auf Amann MittBayNot 1990, 225. 354 Staudinger/Gursky (2013) § 883 Rn. 85 am Ende.

S. 281 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

des erhöhten Erbbauzinses gerichtet sei, dieser eben nur sozusagen scheibchenweise („stufenweisen Umschreibung einer einen teilbaren Anspruch sichernden Vormerkung in mehrere dingliche Rechte“) eingetragen werde.355

cc) Die Mehrfachverwendung – Problem der Übertragbarkeit

Mit der Überlegung zur Mehrfachverwendung der Vormerkung zur Sicherung eines sogenannten Daueranspruchs wird nicht nur der Wortlaut durchbrochen. Viel gewichtiger ist, dass so die Grenzen des Sachenrechts auf dem Umweg der Vormerkung gesprengt werden. Es entsteht so, jedenfalls in den zeitlichen Grenzen der Verjährung, nämlich das, was, was das Sachenrecht durch den engen numerus clausus verhindern will: eine faktisch übertragbare beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Aufgrund der Absolutheit der Sachenrechte wirken diese gerade nicht nur gegen den Eigentümer, sondern gegen jeden. Gerade deshalb müssen diese in den gesetzlich definierten Grenzen bleiben. Kann die Vormerkung wiederholt für die Eintragung alsdann vorrangiger Rechte Verwendung finden, wird so für Rechtsnachfolger im Eigentum oder andere dinglich Berechtigte die gesetzliche Grenze der Übertragbarkeit durchbrochen.

Wird dies grundsätzlich mit der Idee des vormerkungsgesicherten Daueranspruchs begründet, dann droht die Übertragung auf andere Rechte als beschränkte persönliche Dienstbarkeiten.

Was hinderte daran, einen solchen Daueranspruch auf Übereignung zu kreieren?

Folge wäre die Relativität aller während der Zeitdauer des Daueranspruchs erworbenen Rechte am Grundstück – eine nicht gerade die Rechtssicherheit förderliche Vorstellung.

Nutzbar lässt sich dazu auch nicht der Gedanke der Wiederverwendung der Vormerkung machen, wie Reymann356 dies vorgeschlagen hat. Das liegt nicht nur daran, dass der BGH357 – zum Glück!358 – von dieser Idee wieder abgerückt359 ist.

355 BayObLG (2. ZS), Beschluss vom 7. 4. 1977 - BReg. 2 Z 26/76, DNotZ 1978, 239. 356 Reymann, ZIP 2013, 605, 611. 357 Siehe dazu BGH, Urteil vom 26. 11. 1999 - V ZR 432/98, BGHZ 143, 175 = DNotZ 2000, 639

(m. Anm. Wacke) = MittBayNot 2000, 104 (m. Anm. Demharter) = EWiR 200, 285 (Grunsky); BGH, Urteil vom 7. 12. 2007 - V ZR 21/07, DNotZ 2008, 514 (m. Anm. Amann) = NJW 2008, 578 = MittBayNot 2008, 212 (m. Anm. Demharter) = ZIP 2008, 893 (m. Anm. Mitlehner) = NZI 2008, 325 (m. Anm. Kesseler) = EWiR 2008, 583 (Kesseler); dazu auch Heggen, RNotZ 2008, 213 und Zimmer, ZfIR 2008, 91.

358 Kesseler, NJW 2012, 2765.

S. 282 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Vielmehr hat der BGH schon von Beginn dieser Idee an die Wirkungen der Vormerkung im Fall der Wiederaufladung an den Zeitpunkt der neuen Bewilligung geknüpft, was den Vormerkungsschutz im Fall des erneuten Auftreten des Daueranspruchs auf den Zeitpunkt der Neuerstehung verlagerte.

c) Bewertung - Gewohnheitsrechtlich begründete Zulässigkeit

aa) Sukzessivberechtigung durch Abtretung

Das Problem der Sukzessivberechtigung lässt sich im Grunde für die meisten Gestaltungen durch die einfache Abtretbarkeit des Anspruchs auf Bestellung des dinglichen Rechts lösen.

Wie Amann schon früh gezeigt hat,360 gibt es durch geschickte Gestaltung von (auch Voraus-) Abtretungen Mittel, die Fälle der Sicherung von Rückübertragungsansprüchen für Mehrere Berechtigte zu sichern, ohne auf das Modell der Sukzessivberechtigung zurückgreifen zu müssen.

Für die hier gegenständlichen Dienstbarkeiten reicht es vollkommen, wenn dem jeweiligen Kreditgeber der Anspruch auf Bestellung der Dienstbarkeit für den Rechtsnachfolger des Anlagenbetreibers abgetreten wird. Die Verjährung dieses Anspruchs dürfte aufgrund der Möglichkeit der hinausgeschobenen Fälligkeit im Hinblick auf die Nutzungsdauer von Anlagen keine wirtschaftliche Rolle spielen, da mehr als 30 Jahre für die Sicherung eines Standortes kaum jemals gebraucht werden.

bb) Mehrfachverwendung durch Gewohnheit

Wo dieses Mittel aber versagt, ist bei der mehrfachen Ausnutzung des von der Vormerkung freigehaltenen Platzes.

Rechtsstrukturell lässt sich die mehrfache Nutzung des von der Vormerkung freigehaltenen Platzes nicht begründen. Gursky hat angesichts der durch die zigfache Verwendung dieses Mittels im Bereich der Erbbauzinsreallasten die einzig richtige und ehrliche Schlussfolgerung gezogen: Die Mehrfachverwendung dieser Vormerkung ist schlicht gewohnheitsrechtlich anerkannt. Diese Feststellung ist zwar rechtsdogmatisch nicht schön, aber zutreffend. Gursky vermeidet es damit komplexe Begründungskonstrukte zu suchen, die sich in das System des Sachenrechts nicht einpassen lassen. Ein Daueranspruch ist schlicht kein sachenrechtlich existentes

359 BGH, Beschluss vom 10. 5. 2012 - V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = DNotZ 2012, 763 = NJW

2012, 2654. 360 Amann, MittBayNot 1990, 225.

S. 283 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Rechtsinstitut. Entsprechend kann dieser auch nicht durch Vormerkung gesichert werden, gesichert werden können allenfalls eben die aus diesem resultierenden Einzelrechtsansprüche.

Wenn man aber der Erbbauzinsvormerkung den Charakter des gewohnheitsrechtlich anerkannten Sonderfalls zubilligt, stellt sich die Frage, ob dies nicht auch für die Dienstbarkeitsvormerkung greifen kann. Zurückgreifen kann man dazu auf die jüngsten Entscheidungen des OLG München361 sowie weiterer Obergerichte,362 die sich allesamt363 auf die Entscheidung des V. Senats aus dem Jahr 1958364 stützen.

d) Praktischer Umgang

Gewohnheitsrechtlich entstandene Konstrukte des Sachenrechts können zwar praktisch sein, ein fader Beigeschmack der Unsicherheit bleibt allerdings.

Ausgetestet ist dieses Instrument nämlich noch nicht wirklich. Die bisherigen Verfahren waren solche gerichtet auf Eintragung der Vormerkung im Grundbuch bzw. Feststellung des Bestehens eines Anspruchs. Ob die Wirkungen der Vormerkung im Sinne des § 883 Abs. 2 BGB tatsächlich nicht nur zugunsten des ersten, sondern auch zugunsten eines zweiten oder weiteren Begünstigten des Anspruchs, also der wiederholten Eintragung der Dienstbarkeit, greifen, ist gerichtlich nicht geprüft.

Angesichts der Möglichkeit, mehrere Ansprüche auf Bestellung der Dienstbarkeit zu schaffen und der in der Praxis nicht existenten Notwendigkeit die Anlage durch unbegrenzt viele Hände gehen zu lassen, scheint es mir aus Gründen der Vorsicht angezeigt, eher auf diese Gestaltung zu vertrauen. Das Problem erschöpft sich schließlich in vergleichsweise geringen Grundbuchkosten mehrerer Vormerkungen!

361 OLG München, Beschluss vom 6.4.2016 – 34 Wx 399/15, RNotZ 2016, 388 = BeckRS 2016,

06781; OLG München, Beschluss vom 3. 6. 2013 - 34 Wx 109/13, RNotZ 2013, 487; OLG München, Beschluss vom 18.4.2012, 34 Wx 35/12 = MittBayNot 2012, 466 = RNotZ 2012, 389; OLG München, Beschluss vom 5. 8. 2010 - 27 Wx 45/10, MittBayNot 2011, 231.

362 OLG Hamm, Beschluss vom 5.4.2012 - 15 W 98/11, FGPrax 2012, 192; KG, Entscheidung 10.12.1936, DNotZ 1937, 330.

363 KG 1936 natürlich ausgenommen. 364 BGH, Urteil vom 9. 7. 1958 - V ZR 116/57, BGHZ 28, 99 = NJW 1958, 1677 = Betrieb 1958,

1038.

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III. Vormerkungsfähigkeit eines künftigen Anspruchs (SH)

1. Grundlagen

Nach dem Wortlaut von § 883 Abs. 1 S. 2 BGB kann eine Vormerkung ohne Einschränkung zur Sicherung eines künftigen oder bedingten Anspruchs eingetragen werden. Es besteht jedoch Einvernehmen, dass zur Vermeidung einer faktischen Grundbuchsperre eine Beschränkung geboten ist: Danach muss bereits eine feste Rechtsgrundlage mit zumindest bestimmbaren Entstehungsvoraussetzungen für den künftigen oder bedingten Anspruch existieren.365

„[B]edingte und künftige Ansprüche [genießen] nur dann Vormerkungsschutz, wenn für die künftige Gestaltung des Anspruchs nicht lediglich eine bloße mehr oder weniger aussichtsreiche tatsächliche Möglichkeit besteht, sondern bereits eine feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende Grundlage (Rechtsboden) vorhanden ist […]. Denn ansonsten würde das Grundbuch mit einer unübersehbaren Zahl gesicherter Ansprüche überlastet, die möglicherweise nie zur Entstehung gelangten. Dies hätte eine faktische Sperre des Grundbuchs auf ungewisse Zeit zur Folge und beeinträchtigte zudem die Verkehrsfähigkeit des betroffenen Grundstücks.“366

An einer derart sicheren Rechtsgrundlage fehlt es beispielsweise, wenn die Entstehung des künftigen oder bedingten Anspruchs vom Belieben des Verpflichteten abhängig ist,367 da der Begünstigte in diesem Fall noch keinerlei Rechtsposition innehat und daher kein berechtigtes Schutzinteresse besteht.

Anders als künftige Ansprüchen erfüllen bedingte Ansprüche in aller Regel die vorgenannten Voraussetzungen für die Vormerkungsfähigkeit, da sie – im Gegensatz zu bloßen künftigen Rechten – bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung und nicht erst mit Eintritt der vorgesehenen Bedingung entstehen.368

→ Ob die Vormerkung bei Fehlen einer sicheren Rechtsgrundlage lediglich unwirksam369 oder darüber hinaus inhaltlich unzulässig ist,370 ist noch nicht abschließend geklärt.

365 BGH NJW 2002, 2461; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 883 Rn. 14. 366 BGH NJW 2002, 2461, 2462. 367 OLG München MittBayNot 2010, 471, 472 m.w.N. 368 Vgl. Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 883 Rn. 156 m.w.N. 369 Amann, MittBayNot 2010, 451; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 883 Rn. 14. 370 BGH NJW 2006, 2408; OLG München MittBayNot 2010, 471, 472 f.

S. 285 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. OLG München, Beschl. v. 16.12.2015 – 34 Wx 283/15

OLG München, Beschl. v. 16.12.2015 - 34 Wx 283/15, NJW-RR 2016, 529 = RNotZ 2016, 169 = Rpfleger 2016, 397.

1. Der in einem Vorvertrag begründete künftige und gegebenenfalls bedingte Anspruch auf Verschaffung des Grundstückseigentums aufgrund eines noch abzuschließenden Hauptvertrags ist vormerkungsfähig, wenn für den Anspruch auf Eigentumsverschaffung bereits ein sicherer Rechtsboden gelegt ist.

2. Bei fehlender materiell-rechtlicher Aufgabeerklärung des Vormerkungsberech-tigten führt die Löschung der Vormerkung unabhängig von der Verjährung des vormerkungsgesicherten obligatorischen Rechts zur Unrichtigkeit des Grundbuchs.

a) Sachverhalt

In einer notariell beurkundeten Vereinbarung aus dem Jahr 1978 hatte sich die mittlerweile verstorbene Grundstückseigentümerin mit Wirkung für ihre Rechtsnachfolger verpflichtet, im Falle einer Verkaufsabsicht eines bestimmten Grundstücks dieses zunächst einer bestimmten Person bzw. dessen Rechtsnachfolger anzubieten. Im Vertrag waren die Modalitäten der späteren Anbietungspflicht, insbesondere das Prozedere zur Preisfindung detailliert geregelt.

Zur Sicherung des künftigen Anspruchs wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen, jedoch im Jahr 1983 ohne Anhörung des Berechtigten gelöscht, da das Grundbuchamt von einer fehlerhaften Eintragung ausging.

Nach Überprüfung der Löschung aufgrund notariellen Ersuchens aus dem Jahr 2010 wurde im Jahr 2011 von Amts wegen zu Gunsten des T als Rechtsnachfolger des ursprünglich Vormerkungsberechtigten ein Widerspruch gegen die Löschung der Vormerkung eingetragen.

Der Antrag der heutigen Eigentümerin auf Löschung des Widerspruchs wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen.

b) Entscheidung

Die Beschwerde hiergegen hatte keinen Erfolg.

Nach Ansicht des OLG München ist die Vormerkung zunächst wirksam entstanden, da in der Vereinbarung aus dem Jahr 1978 ein hinreichend sicherer, künftiger und bedingter Anspruch des Begünstigten auf Eigentumsübertragung begründet wurde. Der Eigentümer konnte sich „nicht mehr einseitig nach freiem Belieben von der eingegangenen Bindung befreien […], dem Begünstigten in einem erst künftig und ggf. nur bei Eintritt bestimmter Bedingungen abzuschließenden Hauptvertrag einen

S. 286 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

schuldrechtlichen Anspruch auf Einräumung des Eigentums am Grundstück zu verschaffen.“371

Tz. 24: „Ein rechtswirksamer Vorvertrag ist nämlich trotz Lückenhaftigkeit der getroffenen Vereinbarung dann anzunehmen, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass sich die Parteien bereits vor der abschließenden Einigung über alle regelungsbedürftigen Punkte eines in Aussicht genommenen, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abschlussreifen Hauptvertrags vertraglich binden wollten; rechtsgültig ist der Vorvertrag, wenn die Parteien alle wesentlichen Bestandteile des künftigen Hauptvertrags festgelegt und die Verpflichtung begründet haben, über die weiteren Einzelheiten des abzuschließenden Vertrags eine Einigung herbeizuführen.“

„Den inhaltlichen Anforderungen an einen Vorvertrag genügt die getroffene Vereinbarung.

(1) Danach soll der abzuschließende Hauptvertrag ein Kaufvertrag sein;

(2) Vertragsparteien und Kaufgegenstand sind bestimmt.

(3) Der Kaufpreis ist zwar nicht betragsmäßig bezeichnet, aber das Verfahren zur Bestimmung des Kaufpreises auf der Basis von einzuholenden Gutachten einschließlich der Kostentragungspflicht für die Gutachtenerstellung ist vereinbart. Dies ist ausreichend.“

Tz. 26: „[D]ie Parteien für den Fall, dass sie künftig den Kaufpreis nicht übereinstimmend abweichend bestimmen – was ihnen kraft ihrer Parteiautonomie ohnehin freistehen würde –, sich bereits mit dem Vorvertrag auf ein konkretes und verbindliches Prozedere zur Ermittlung des Kaufpreises verständigt.“

Tz. 27: „Dass die Vertragsparteien nicht geregelte Nebenpunkte für vertragswesentlich angesehen hätten, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich.“

Auslegung

In der Gesamtschau der getroffenen Regelungen wurde bei nächstliegendem Verständnis vorliegend nicht lediglich ein Anspruch des Begünstigten begründet, im Falle einer Verkaufsabsicht ein freibleibendes Vertragsangebot zu erhalten, sondern ein verbindlicher Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrags zu den vereinbarten und in Nebenpunkte noch zu vereinbarenden Konditionen, falls der Begünstigte dies verlangt.

Tz. 29: „Dass der Abschluss des Hauptvertrags erst verlangt werden kann, wenn die Eigentümerin das Grundstück verkaufen will, macht die Ausübbarkeit des Ankaufsrechts von einer Potestativbedingung abhängig, die an künftiges Verhalten der Verpflichteten anknüpft […]. Dies hindert die Vormerkungsfähigkeit des künftigen und bedingten Übereignungsanspruchs nicht, denn die vertraglich Verpflichtete kann in diesem Fall die Entstehung der Eigentumsverschaffungspflicht einseitig nur noch dadurch verhindern, dass sie die in ihrer freien Entscheidung stehende Verhaltensweise auf Dauer unterlässt. Sie kann aber die Bindungslage selbst nicht mehr einseitig beseitigen und verhindern, dass eine künftige

371 OLG München NJW-RR 2016, 529 Tz. 23 m.w.N.

S. 287 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Verkaufsabsicht den Anspruch des Begünstigen auf Abschluss des Hauptvertrags zur Entstehung bringt.“

Materiell-rechtlich rechtlich blieb die zunächst wirksam entstandene Vormerkung unbeschadet der unter Gesetzesverletzung vorgenommenen Löschung im Grundbuch bestehen.

Abschließend stellt das OLG München fest, dass die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung der Vormerkung unbeschadet einer möglicherweise eingetretenen Verjährung des schuldrechtlichen Anspruchs aus dem Vorvertrag, d.h. des künftigen Eigentumsverschaffungsanspruchs, gegeben sind.

Zwar unterliege auch ein vormerkungsgesicherter Eigentumsverschaffungs-anspruch der Verjährung, da § 902 BGB insoweit keine Anwendung finde. Angesichts dessen, dass eine etwaige Verjährung aber lediglich eine Einrede begründe, habe sie nicht das Erlöschen des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs zur Folge (§ 214 BGB), weshalb das Grundbuch auch einer etwaigen Verjährung des gesicherten Anspruchs nicht unrichtig würde.

c) Stellungnahme

Die Entscheidung des OLG München überzeugt sowohl vom Ergebnis als auch in der Begründung.

Von großem Nutzen dürfte der Erfolg des Rechtsnachfolgers der ursprünglichen Vormerkungsberechtigten aber für diesen nicht sein. Da der künftige Anspruch auf Eigentumsverschaffung wegen der wohl mittlerweile eingetretenen Verjährung dauerhaft einredebehaftet ist, steht der Eigentümerin gemäß § 886 BGB ein Anspruch auf Löschung der Vormerkung zu.

Anlässlich dieser Entscheidung sollte man sich nochmals die Anforderungen an die Sicherbarkeit eines künftigen Anspruchs durch eine Vormerkung in Erinnerung rufen. Insbesondere bei der Bestellung von Ankaufsrechten sollte genau darauf geachtet werden, die essentialia negotii im Ankaufsrechtsvertrag jedenfalls in bestimmbarer Weise festzulegen, da es anderenfalls an einem sicheren Rechtsboden fehlt.372

372 Vgl. RNotZ 2016, 169, 170 (Anm. Schriftleitung).

S. 288 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. Erlöschen der Grunddienstbarkeit mit Untergang des berechtigten Wohnungseigentums (SH)

1. Einführung

Eine Grunddienstbarkeit ist gemäß § 1018 BGB dadurch charakterisiert, dass der Eigentümer eines „dienenden“ Grundstücks einzelne Benutzungen des Grundstücks dulden oder einzelne tatsächliche Handlungen auf dem Grundstück nicht vornehmen darf oder einzelne aus dem Eigentum fließenden Rechte nicht ausüben darf – insoweit entspricht die Grunddienstbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Sinne von § 1090 BGB. Bei der Grunddienstbarkeit kann Berechtigter aber nur der jeweilige Eigentümer eines anderen („herrschenden“) Grundstücks sein. Zusätzlich muss die Grunddienstbarkeit für die Benutzung des herrschenden Grundstücks vorteilhaft sein (§ 1019 BGB).

Exkurs: Anfängliches Fehlen eines Vorteils im Sinne von § 1019 BGB

Fehlt der Vorteil für das herrschende Grundstück von Anfang an, ist die Grunddienstbarkeit nichtig und damit nicht wirksam entstanden.373 Eine Umdeutung in eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gem. § 140 BGB kommt in aller Regel mit der h.M. (leider) nicht in Betracht, da sich die beiden Rechtsinstitute sowohl im Hinblick auf den möglichen Berechtigten unterscheiden als auch sonst inhaltlich nicht vollständig entsprechen.374 Der nach 1019 BGB konstitutive Vorteil für das herrschende Grundstück dürfte im Regelfall als beschränkendes Element der Grundstücksbelastung aus Sicht des verpflichteten Eigentümers bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht verzichtbar sein.

Hinweis: Das konstitutive Tatbestandsmerkmal eines Vorteils des herrschenden Grundstücks für die Entstehung der Grunddienstbarkeit sollte daher den Beteiligten stets deutlich vor Augen geführt werden.

→ Eine Amtslöschung nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO dürfte indes mangels Offenkundigkeit des fehlenden Vorteils für das Grundbuchamt nur im Ausnahmefall möglich sein.

Im Grundsatz können sich demnach Gefahren für den Fortbestand einer zunächst wirksam entstandenen Grunddienstbarkeit aus zweierlei Richtungen ergeben:

373 OLG Frankfurt FGPrax 2009, 253; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1019 Rn. 1;

MünchKommBGB/Mohr, 7. Aufl. 2017, § 1019 Rn. 7 m.w.N. 374 OLG München, NJW 1957, 1765, 1766; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1019 Rn. 1;

Bauer/vOefele/Lieder, GBO, 3. Aufl. 2013, AT III Rn. 394; MünchKommBGB/Mohr, 7. Aufl. 2017, § 1019 Rn. 7; Staudinger/Weber, BGB, Neubearb. 2017, § 1019 Rn. 16; aA Erman/Grziwotz, BGB, 14. Aufl. 2014, § 1019 Rn. 6.

S. 289 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

a) Nachträglicher dauerhafter Wegfall des Vorteils für das herrschende Grundstück

Zum einen kann der zunächst bestehende Vorteil des herrschenden Grundstücks nachträglich wegfallen. Es besteht Einvernehmen, dass bei nachträglichem objektivem und dauerhaftem Wegfall des Vorteils für das herrschende Grundstück aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Grunddienstbarkeit erlischt.375 Ein lediglich vager künftiger Vorteil, der wohl nie gänzlich ausgeschlossen werden kann, wird richtigerweise als unschädlich erachtet.376

Hinweis: Der nachträgliche dauerhafte Wegfall des Vorteils für das herrschende Grundstück ist daher gelegentlich ein willkommenes Vehikel zur Bereinigung des Grundbuchs.

Allerdings werden an den nachträglichen dauerhaften Vorteilswegfall in der Rechtsprechung tendenziell hohe Anforderungen gestellt, m.E. zurecht:

So wird es beispielsweise für ausreichend erachtet, dass der Grundstückseigentümer aufgrund einer Grunddienstbarkeit in Gestalt eines Wegerechts einen Abkürzungsweg zu einem Dritten, ebenfalls in seinem Eigentum stehenden Grundstück nehmen kann, obwohl er auf diesen nicht angewiesen ist.377

Bei einer Baubeschränkung in einer Villengegend sah der BGH einen ausreichenden Vorteil für das herrschende Grundstück bereits darin, dass dadurch einer Häusergruppe ein bestimmter architektonischer Charakter erhalten bleibt (allein ästhetischer Vorteil).378

Sogar für ein lediglich mit Garagen bebautes Grundstück wurde eine Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass auf dem dienenden Hausgrundstück kein Gewerbe ausgeübt und die einheitliche Gestaltung der umliegenden Wohnsiedlung nicht durch bauliche Maßnahmen verändert werden dürfe, als vorteilhaft für dessen Benutzung im Sinne von § 1019 BGB angesehen.379

Bei bloßen Wettbewerbsbeschränkungen380 kann zwar für die Benutzung des herrschenden Grundstücks ein Vorteil im Sinne von § 1019 BGB in Gestalt der Förderung dadurch bewirkten des dortigen Gewerbebetriebs vorliegen; ein bloßer persönlicher Nutzen für den Eigentümer des herrschenden Grundstücks genügt indes nicht, wenn Letzteres nicht speziell und dauerhaft für die

375 BGH NJW-RR 1988, 1229, 1230 m.w.N.; jüngst bestätigt BGH BeckRS 2016, 11575 Tz. 6. 376 OLG München MittBayNot 2015, 307, 309. 377 OLG Frankfurt FGPrax 2009, 253. 378 BGH DNotZ 1968, 28. 379 BGH NJW 1983, 115. 380 Vgl. hierzu Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1018 Rn. 23-25.

S. 290 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Ausübung des zu fördernden Gewerbebetriebs eingerichtet ist bzw. werden soll und auch hierfür geeignet ist.381

Bei einer Grunddienstbarkeit in Form eines Getränkeausschank- und Vertriebsverbots hat das OLG München daher aufgrund der Aufgabe des Brauereibetriebs auf dem herrschenden Grundstück das Erlöschen der Grunddienstbarkeit wegen endgültigen Wegfalls des Vorteils für das herrschende Grundstück bejaht:

„2. Eine den Wettbewerb beschränkende Grunddienstbarkeit setzt voraus, dass das herrschende Grundstück für das geschützte Gewerbe speziell eingerichtet ist oder zumindest eingerichtet werden soll und diese Einrichtung dauerhaft eine Gewähr für die Beibehaltung des Gewerbes bildet und das herrschende Grundstück prägt. Durch einen späteren Wegfall einer solchen Einrichtung auf dem herrschenden Grundbesitz wird eine wettbewerbsbeschränkende Grunddienstbarkeit nichtig. (Leitsatz der RNotZ-Redaktion)“382

Hinweis: Aus gestalterischer Sicht dürfte es sich regelmäßig empfehlen, im Interesse des Berechtigten für derartige Veränderungen Vorsorge zu treffen und anstelle einer Grunddienstbarkeit eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit für den Rechtsträger des Gewerbebetriebs zu bestellen.

2. Nachträglicher „Untergang“ des berechtigten Grundstücks?

Der Fortbestand einer Grunddienstbarkeit kann zum anderen dadurch gefährdet sein, dass der Berechtigte selbst bzw. genauer das die Berechtigung vermittelnde Objekt, also das herrschende „Grundstück“ selbst, untergeht. Prima facie erscheint dies kaum vorstellbar.

Nähern wir uns der Thematik daher zunächst mit der Frage, wer Berechtigter einer Grunddienstbarkeit im Sinne eines subjektiv-dinglichen Rechts sein kann.

a) Berechtigter einer Grunddienstbarkeit

Die Stellung als Berechtigter einer Grunddienstbarkeit als subjektiv-dingliches Recht ist gemäß § 1018 BGB an das Eigentum am herrschenden Grundstück geknüpft. Entscheidend ist daher, welche Anforderungen ein herrschendes Grundstück in diesem Sinne zu erfüllen hat. Nach ganz herrschender Meinung kann herrschendes Grundstück nur eine räumlich abgegrenzte, auf einem besonderen Grundbuchblatt oder auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt im Sinne von § 4 Abs. 1 GBO mit einer

381 OLG München RNotZ 2012, 121. 382 OLG München RNotZ 2012, 121.

S. 291 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

besonderen Nummer geführte Fläche, also ein selbstständiges Grundstück im Sinne der Grundbuchordnung sein. Dem gleichgestellt sind das Wohnungseigentum,383 das Erbbaurecht (vgl. § 11 Abs. 1 ErbbauRG) sowie sonstige grundstücksgleiche Rechte.384

Demgegenüber kann eine Grunddienstbarkeit nicht zu Gunsten des jeweiligen Inhabers eines bloßen ideellen Miteigentumsanteils an einem Grundstück im Rechtssinne385 und auch nicht zu Gunsten einer des Eigentümers einer realen Grundstücksteilfläche vor deren Abschreibung386 bestellt werden.

b) Veränderungen beim herrschenden Grundstück

aa) Realteilung

Wird das herrschende Grundstück geteilt, besteht die Grunddienstbarkeit nach § 1025 S. 1 BGB grundsätzlich für die einzelnen Teile als Berechtigte in Bruchteilsgemeinschaft fort, es sei denn, sie gereicht nur einem Teil zum Vorteil (§ 1025 S. 2 BGB).

bb) Zusammenlegung oder Bestandteilszuschreibung (§ 890 BGB)

Gesetzlich nicht geregelt ist der Fall, dass das herrschende Grundstück nachträglich mit einem anderen Grundstück zusammengelegt wird, sei es im Wege der Vereinigung im Sinne von § 890 Abs. 1 BGB, sei es im Wege der Bestandteilszuschreibung nach § 890 Abs. 2 BGB. Mangels Mitwirkung des Eigentümers des dienenden Grundstücks scheidet eine Erweiterung des Umfangs der Grunddienstbarkeit grundsätzlich aus (etwas anderes mag unter Umständen gelten, sofern sich der Inhalt der Dienstbarkeit nach dem jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Grundstücks richtet). Die Ausübung der Grunddienstbarkeit ist daher auf das bislang herrschende Grundstück beschränkt; sie wirkt nicht zu Gunsten des neu hinzugekommenen Grundstücksteils.387

383 BGH NJW 1989, 2391. 384 Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1018 Rn. 3; Staudinger/Weber, BGB, Neubearb. 2017,

§ 1018 Rn. 46. 385 Denkbar ist allerdings die Bestellung zu Gunsten des Gesamtgrundstücks in Verbindung mit einer

im Grundbuch eingetragenen Miteigentümervereinbarung im Sinne von § 1010 BGB, welche die Nutzung der Grunddienstbarkeit allein einem Miteigentümer zuweist.

386 OLG Frankfurt MittBayNot 2003, 383. 387 So MünchKommBGB/Mohr, 7. Aufl. 2017, § 1018 Rn. 24 m.w.N.; zurückhaltender („wirkt …

nicht ohne weiteres“) Staudinger/Weber, BGB, Neubearb. 2017, § 1018 Rn. 44.

S. 292 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) OLG Hamm, Beschl. v. 22.3.2016 - 15 W 357/15

Mit einer besonderen Konstellation der Veränderung beim herrschenden Grundstück hatte sich das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 22.3.2016388 zu befassen:

1. Eine Grunddienstbarkeit (Garagennutzungsrecht), die wirksam zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Wohnungseigentums begründet worden ist, erlischt kraft Gesetzes, wenn die Aufhebung des Wohnungseigentums im Grundbuch eingetragen wird.

2. Die spätere Begründung von Sondereigentum an denselben Räumen im Rahmen einer erneuten Teilung des Grundstücks nach dem WEG vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

aa) Sachverhalt (vereinfacht)

Im Jahr 1981 begründete Herr L als Alleineigentümer eines Grundstücks auf diesem Wohnungseigentum.

Im Jahr 1982 veräußerte Herr L eine Wohnungseigentumseinheit an seinen Sohn S und eine weitere Wohnungseigentumseinheit an seine Tochter T. Letzterer übertrug er zudem ein mit drei Garagen bebautes Grundstück. Im Wege einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten des an seinen Sohn S übertragenen Wohnungseigentums wurde ein Nutzungsrecht an der mittleren der drei Garagen bestellt und im Grundbuch eingetragen.

Im Jahr 2001 hoben S und T das Wohnungseigentum auf und setzten sich hinsichtlich des Grundbesitzes im Wege einer Realteilung auseinander; sie erklärten indes, dass sie sich über das Fortbestehen des Garagennutzungsrechts einig seien.

In der Folge begründete S erneut Wohnungseigentum auf dem nunmehr in seinem Alleineigentum befindlichen Grundstück.

Im Rahmen eines Grundbuchberichtigungsantrags eines Wohnungseigentümers im Hinblick auf das mit der Garagennutzungsdienstbarkeit belastete Grundstück kommt das Grundbuchamt zum Ergebnis, dass die Grunddienstbarkeit nicht mehr bestehe.

Hiergegen (und gegen die Geschäftswertfestsetzung) richtet sich die Beschwerde der Beteiligten.

388 OLG Hamm BeckRS 2016, 09596 = notar 2017, 17 (Jeep) = ZWE 2016, 325.

S. 293 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Entscheidung

In Übereinstimmung mit dem Grundbuchamt ist auch das OLG Hamm der Auffassung, dass die Grunddienstbarkeit infolge der Aufhebung des Wohnungseigentums im Jahre 2001 und der entsprechenden Eintragung im Grundbuch erloschen sei.

Tz. 10: „Herrschendes Grundstück einer Grunddienstbarkeit kann grundsätzlich nur ein selbstständiges Grundstück im Sinne der GBO sein […]. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass eine Grunddienstbarkeit zugunsten eines ideellen Anteils eines Miteigentümers an einem Grundstück nicht bestellt werden kann […]. Möglich ist aber die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Eigentümers von Wohnungs- und Teileigentum, weil mit ihm reales Sondereigentum (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 WEG) verbunden ist. Bei Wohnungseigentum wird das Raumeigentum als „herrschendes Grundstück“ angesehen, für dessen Nutzung die Grunddienstbarkeit einen Vorteil im Sinne des § 1019 BGB bietet […]; dabei kann die Regelung der Garagenbenutzung des dienenden Grundstücks als Inhalt des Sondereigentums in die Wohnungsgrundbücher des berechtigten Grundstücks eingetragen werden […].“

Die zunächst wirksam begründete Grunddienstbarkeit sei jedoch durch die Aufhebung der Sondereigentumsrechte erloschen.

Tz. 13: „Die Aufhebung der Sondereigentumsrechte durch die von den Wohnungseigentümern getroffene Vereinbarung und die entsprechende Eintragung in den Wohnungsgrundbüchern jeweils am 8.06.2001 nach §§ 4 und 9 Abs. 1 Nr. 1 WEG hat zur Folge, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft beendet ist, die Sondereigentumsrechte erlöschen und die bisherigen Sondereigentümer nunmehr ideelle Miteigentümer an dem entsprechenden Grundstück und dem auf ihm befindlichen Gebäude (§ 93 BGB) werden […]. Entsprechend ihrer Beteiligung an dem Gesamtgrundstück sind die bisherigen Sondereigentümer L2 und G daher Miteigentümer an dem Gesamtgrundstück geworden. Jedem stand ein entsprechender Miteigentumsanteil zu. Die erst im Anschluss an die Aufhebung des Sondereigentums vorgenommene Übertragung der Teilflächen an jeweils einen der Miteigentümer durch die von beiden Miteigentümern diesem gegenüber vorgenommene Auflassung ändert an dem vorübergehenden Entstehen von ideellem Miteigentum an dem Grundstück und Gebäuden nichts.“

Tz. 14: „Da das Sondereigentum, für das die Grunddienstbarkeit wirksam bestellt war, erloschen ist und - wie oben dargelegt - für einen ideellen Miteigentumsanteil keine Grunddienstbarkeit bestellt werden kann, erlischt die für den Sondereigentümer bestellte Grunddienstbarkeit. Die gegenständliche Nutzung des durch die Einräumung der Grunddienstbarkeit gewährten Vorteils ist durch den Sondereigentümer als jeweiligem Eigentümer des zuvor eingetragenen Wohnungseigentums mit der Aufhebung des Sondereigentums gerade nicht mehr möglich. Ist die Ausübung einer Grunddienstbarkeit aber dauerhaft unmöglich geworden, so ist anerkannt, dass sie entfällt […].“

Dass es in der Folge erneut zur Teilung des herrschenden Grundstücks gekommen ist, ändere nichts am Erlöschen der Grunddienstbarkeit, die in der Schwebephase nicht lediglich schwebend unwirksam war, sondern mit erfolgter Aufhebung des Wohnungseigentums endgültig erloschen sei.

S. 294 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

cc) Bewertung

Die Entscheidung trifft den Berechtigten der Grunddienstbarkeit389 hart.

Obwohl bei der Aufhebung des Wohnungseigentums die Grunddienstbarkeit bedacht und ausdrücklich deren Fortbestehen angeordnet wurde, soll der Untergang des Wohnungseigentums zum unwiederbringlichen Erlöschen der Dienstbarkeit führen. So logisch unausweichlich ist das Erlöschen der Grunddienstbarkeit mit dem Untergang des berechtigten Wohnungseigentums indes nicht, wenn man die oben dargestellten Grundsätze zur Zusammenlegung von Grundstücken zugrunde legt.

Es ist richtig, dass mit Eintragung des Erlöschens des Wohnungseigentums der Anknüpfungspunkt für den ursprünglich Berechtigten nicht mehr existiert. Zudem fehlt beim Wohnungseigentum eine § 12 Abs. 3 ErbbauRG vergleichbare Vorschrift, die ein Fortbestehen von wesentlichen Bestandteilen des Wohnungseigentums (§ 96 BGB) auf dem Gesamtgrundstück anordnet.390

Dies gilt jedoch in ähnlicher Weise bei einer Vereinigung von Grundstücken. Hieraus zu schließen, der ursprünglich vermittelte Vorteil sei nachträglich dauerhaft entfallen, ist somit jedenfalls nicht zwingend.

Und auch das zweite Argument des OLG Hamm, die Unzulässigkeit der ursprünglichen Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten eines ideellen Miteigentumsanteils, ist bei nachträglichen Veränderungen nicht notwendig schlagend. Eine Grunddienstbarkeit kann ebenso wenig ursprünglich für den jeweiligen Eigentümer eines realen Grundstücksteils bestellt werden. Gleichwohl führt eine nachträgliche Zusammenlegung des Berechtigten mit anderen Grundstücken nach herrschender Meinung nicht zum Erlöschen der Grunddienstbarkeit; diese besteht vielmehr mit unverändertem Bestand und Umfang fort, also der Ausübung nach beschränkt auf das bisherige Grundstück, welches nunmehr nicht mehr selbstständig ist, sondern einen realen Grundstücksteil darstellt.

Warum soll es kategorisch ausgeschlossen sein, dass die Grunddienstbarkeit am gesamten Grundstück fortbesteht, allerdings mit unverändertem Bestand und Umfang, also der Ausübung nach beschränkt auf das vormals bestehende berechtigte Wohnungseigentum? Dessen Identifizierung ist aufgrund der Grundakten im Wesentlichen in gleicher Weise möglich wie die Identifizierung des vormaligen selbstständigen Grundstücks und nunmehrigen realen Grundstücksteils.

389 Und ggf. auch den betreuenden Notar. 390 Der BGH hat im Übrigen offen gelassen, ob § 12 Abs. 3 ErbbauRG bei sämtlichen

Grunddienstbarkeiten zugunsten eines Erbbaurechts eingreift (vgl. BGH MittBayNot 2013, 40).

S. 295 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Hierfür spricht auch die folgende Kontrollüberlegung: 1. Angenommen, ein Wegerecht in Gestalt einer Grunddienstbarkeit wurde im

Ausgangspunkt zu Gunsten eines mit einem Doppelhaus bebauten Grundstücks bestellt; von Anfang an war das Wegerecht (nahezu) ausschließlich für das Hinterlieger-Doppelhaus von Interesse, da das Vorderlieger-Doppelhaus unmittelbaren Zugang zur öffentlichen Straße hat.

2. Anschließend erfolgte eine Aufteilung in Wohnungseigentum. → Je nach den Umständen des Einzelfalls erlischt die Grunddienstbarkeit nun gemäß § 1025 S. 2 BGB wegen nachträglichen dauerhaften Wegfalls des Vorteils für das das Vorderlieger-Haus darstellende Wohnungseigentum.

o Anm.: Die Grunddienstbarkeit erlischt in jedem Fall gemäß § 1025 S. 2 BGB für das Vorderlieger-Haus, wenn die Ausübung schon im Ausgangspunkt allein auf den Eigentümer des Hinterlieger Hauses beschränkt war.

3. Kommt es nun zu einer Aufhebung des Wohnungseigentums, hinge das Fortbestehen der Grunddienstbarkeit nach den Grundsätzen des OLG Hamm vom Ergebnis des Schrittes 2 ab.

o Bestand die Grunddienstbarkeit mangels hinreichend eindeutigem dauerhaftem Wegfall des Vorteils für das Vorderlieger-Haus fort, bleibt auch die Aufhebung des Wohnungseigentums folgenlos für die Existenz der Dienstbarkeit.

o War die Grunddienstbarkeit hingegen wegen dauerhaften Wegfalls des Vorteils für das Wohnungseigentum „Vorderlieger-Haus " erloschen, würde eine Aufhebung des Wohnungseigentums nun zu einem gänzlichen Erlöschen der Dienstbarkeit führen.

Dieses Ergebnis überzeugt jedenfalls dann nicht, wenn die Anforderungen an den Berechtigten bei einer einmal wirksam entstandenen Grunddienstbarkeit geringer sind als bei ihrer erstmaligen Bestellung – wie dies bei einer Grundstückszusammenlegung nach wohl allgemeiner Meinung der Fall sein soll. Für diese Wertung ist die Reihenfolge der vorstehend dargestellten Schritte nicht entscheidend, es spielt also keine Rolle, ob zunächst die Grunddienstbarkeit bestellt wird und anschließend die Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgt oder – wie im Fall des OLG Hamm – die Reihenfolge umgekehrt ist.

Exkurs: Hierfür mag man auch die Rechtslage bei Erlöschen eines Erbbaurechts als berechtigtem Grundstück im Sinne von § 1018 BGB heranziehen. Nach Auffassung des V. Zivilsenats des BGH werden jedenfalls die für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellten Grunddienstbarkeiten in Gestalt von Wege- und

S. 296 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Leitungsrechten grundsätzlich gem. § 12 Abs. 3 ErbbauRG mit Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteile des Erbbaugrundstücks und bestehen somit fort.391

3. Folgerungen

Zu einer Aufhebung von Wohnungseigentum kommt es nicht selten aus steuerlichen Gründen im Vorfeld einer geplanten Veräußerung des Gesamtobjekts (Vermeidung des gewerblichen Grundstückshandels) oder zur Vermeidung des Mietervorkaufsrechts nach § 577 BGB.

Aufgrund der primären Zielrichtung können mit der Aufhebung verbundenen Nachteile leicht in Vergessenheit geraten. Bislang wird auf diese Frage – jedenfalls nach meiner Erfahrung – kaum ein Gedanke verschwendet, insbesondere wenn es an einem Herrschvermerk für die betreffende Grunddienstbarkeit im Wohnungsgrundbuch fehlt.

Legt man die Entscheidung des OLG Hamm zugrunde, ist bei jeder geplanten Aufhebung von Wohnungseigentum zu prüfen, ob Grunddienstbarkeiten als wesentliche Bestandteile im Sinne von § 96 BGB einer Eigentumseinheit existieren. Aus dem Wohnungsgrundbuch sind derartige Dienstbarkeiten in Ermangelung von Herrschvermerk vielfach nicht ersichtlich. Es bedarf daher einer näheren Untersuchung der tatsächlichen Rahmenbedingungen.

a) Nachsorgende Gestaltung

aa) Erneute Bewilligung

Sofern keine nachrangigen Belastungen bestehen, kann bei geplanter anschließender Realteilung und/oder erneuter Aufteilung in Wohnungseigentum der status quo ex ante schlicht dadurch wiederhergestellt werden, dass die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zum zweiten Mal bewilligt und beantragt wird.

Problem: Nachrangige Belastungen des dienenden Grundstücks

Existieren allerdings nachrangige Belastungen beim dienenden Grundstück, ist dieser Weg unter Umständen verschlossen. Man könnte zwar erwägen, die geplante Aufhebung des Wohnungseigentums, die anschließende Realteilung und die erneute Begründung von Wohnungseigentum in einer Urkunde zusammenzufassen, um dadurch ein Erlöschen der Grunddienstbarkeit zu vermeiden. Dies dürfte jedoch im Ergebnis nicht von Erfolg gekrönt sein, da der jeweils nachfolgende Schritt immer notwendig eine logische Sekunde nach dem vorangehenden stattfindet und demgemäß

391 BGH MittBayNot 2013, 40 m. Anm. Satzl.

S. 297 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

die Grunddienstbarkeit mit Aufhebung des Wohnungseigentums erlischt und damit für die nachfolgenden Schritte nicht mehr zur Verfügung steht.

bb) Realteilung unter Aufrechterhaltung des Sondereigentums

Die Realteilung eines in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Grundstücks ist auch unter Aufrechterhaltung des Sondereigentums möglich.

Bei einem derartigen Vorgehen steht mangels Erlöschen des Berechtigten ein Erlöschen der zu seinen Gunsten bestellten Grunddienstbarkeit erst gar nicht im Raum.392

b) Vorsorgende Gestaltung

Um bereits bei der Bestellung einer Grunddienstbarkeit, die letztlich einem Wohnungseigentum zugutekommen soll, Vorsorge für eine eventuelle spätere Aufhebung des Wohnungseigentums zu treffen, könnte man die Dienstbarkeit von vornherein nicht nur zu Gunsten eines Wohnungseigentums, sondern (jedenfalls aufschiebend bedingt auf das Erlöschen des primär berechtigten Wohnungseigentums) zu Gunsten des gesamten Grundstücks bestellt werden; die Zuweisung der Nutzungsbefugnis könnte lediglich in der Gemeinschaftsordnung erfolgen.

Auf diese Weise ist ein späteres Erlöschen wegen nachträglichen, dauerhaften Wegfalls des Vorteils im Sinne von § 1019 BGB bzw. des Berechtigten bei Aufhebung des Wohnungseigentums ausgeschlossen.

Ob darüber hinaus der Rechtsinhalt der Grunddienstbarkeit von vornherein auf die Nutzung allein durch ein bestimmtes noch zu bildendes Wohnungseigentum beschränkt werden sollte, erscheint mir eher zweifelhaft, da auf diese Weise das Risiko besteht, dass die Dienstbarkeit gemäß § 1025 S. 2 BGB nach der Aufteilung für die übrigen Wohnungseigentumseinheiten erlischt und daher nunmehr doch die Konstellation der Entscheidung des OLG Hamm vorliegt.

Exkurs: Auch wenn nach der vorstehend angeführten Entscheidung des BGH beim Erbbaurecht als berechtigtem Grundstück keine vergleichbaren Risiken lauern, erscheint es gleichwohl zweckmäßig, Grunddienstbarkeiten vorsichtshalber sowohl zu Gunsten des Erbbaurechts als auch (ggf. nur aufschiebend bedingt auf das Erlöschen des Erbbaurechts) zu Gunsten des Stammgrundstücks zu bestellen, da der II. Zivilsenat ein Fortbestehen gemäß § 12 Abs. 3 ErbbauRG ausdrücklich auf Leitungs- und Wegerechte beschränkt hat.393

392 Vgl. Jeep, notar 2017, 17. 393 Grziwotz, ZfIR 2012, 431.

S. 298 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

V. Verweisung genügt für Zwangsvollstreckungsunterwerfung (CH)

OLG Hamm, Beschl. v. 30.12.2015 - 15 W 536/15,

BWNotZ 2016, 112 = FGPrax 2016, 108 = MittBayNot 2017, 91 = RNotZ 2016, 418,

Verweisung nach § 13a BeurkG genügt auch für Zwangsvollstreckungsunterwerfung (bei Nachverpfändung)

Erwähnenswert ist die Entscheidung, weil Stöber etwas anderes vertritt.

Eine vollstreckbare Urkunde erfordert nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO einseitig nur die Beurkundung der Vollstreckungsunterwerfung unter Bezeichnung des bestimmten, vollstreckbar gestellten Anspruchs.

– Die Vollstreckungsunterwerfung ist eine verfahrensrechtliche Erklärung. Sie ist nach den Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen (§§ 8 ff BeurkG) zu beurkunden.

– Nach h.M. ist auch eine Verweisung nach § 13a BeurkG möglich. Lediglich Stöber sieht dies anders. Denn bei einer Verweisung ergibt sich ein Problem für die Vollstreckung, da der Inhalt des vollstreckbar gestellten Anspruchs nicht aus der Urkunde selbst ersichtlich ist. Dies ist aber natürlich eine besonders prominente Stimme – und für die Vollstreckungsunterwerfung schon zweimal, da er diese auch im Zöller kommentiert.

– Wolfsteiner als Papst der vollstreckbaren Urkunde hatte dies schon bisher anders gesehen (und mit ihm die ganz h.M.). Das OLG Hamm schlug sich nun ebenfalls auf die Seite der h.M. – soweit mir ersichtlich als erste und bisher einzige ober-gerichtliche Entscheidung zu dieser Frage.

– Eine Rolle spielt dies insbes. bei der rechtsgeschäftlichen Nachverpfändung eines weiteren Grundstücks unter eine bereits bestehende Grundschuld (Erstreckung) und der Zwangsvollstreckungsunterwerfung auch für das neue Grundstück.

– Es bleibt das praktische Problem, wie man die Vollstreckungsklausel erteilt, wenn sich der Anspruch nicht aus der Urkunde selbst ergibt. Hier muss man doch den Anspruch in der Urkunde nennen oder die Urkunde beifügen, auf die man verweist.

Entsprechend kurz wie die Rechtsfrage ist die Entscheidung des OLG Hamm:

(Rn. 2) „Die von dem Beteiligten in der Urkunde vom 9.10.2015 (UR-Nr. …) abgegebene Nach-verpfändungserklärung mit Vollstreckungsunterwerfung genügt den inhaltlichen Anforderungen der §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 800 ZPO. Entgegen der vom Grundbuchamt im Anschluss an Stöber (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rn.2652 und Zöller-Stöber § 800 Rn.12) vertrete-nen Rechtsauffassung bedarf es bei einer Nachverpfändungserklärung mit Vollstreckungsunter-werfung dann nicht der Beifügung der Bezugsurkunde, wenn die Bezugsurkunde unter Beachtung der Anforderungen des § 13a BeurkG zum Gegenstand der Nachverpfändungserklärung mit Voll-streckungsunterwerfung gemacht wird (LG Aachen Rechtspfleger 1991, 15; Münchener Kommen-tar zur ZPO - Wolfsteiner, 4. Auflage, § 794 Rn.194; Musielak-Lackmann, ZPO, 12. Auflage, § 794 Rn.40). Auch die in § 13a BeurkG vorgesehene Beurkundungsform ist eine vollgültige Form der Beurkundung von Willenserklärungen und damit auch uneingeschränkt für die Beurkun-dung der Zwangsvollstreckungsunterwerfung zulässig. Da die in Bezug genommene Urkunde durch die Beachtung der Formalien des § 13a BeurkG zum Teil der Niederschrift wird, beurteilen sich die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes unter Betrachtung beider Urkunden.“

S. 299 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VI. Eigentümerzustimmung zu Grundpfandrechtslöschung ist unpfändbar (SH)

OLG München, Beschl. v. 31.8.2016 - 34 Wx 18/16,

MittBayNot 2017, 89 = NotBZ 2017, 69 = Rpfleger 2017, 84.

Hierzu Grziwotz, MietRB 2017, 18.

Die Löschung einer Grundschuld bedarf auch dann der Zustimmung des Eigentümers, wenn der Gläubiger neben der Löschungsbewilligung die Zustimmung zur Löschung selbst erklärt, nachdem er das Zustimmungsrecht des Eigentümers gepfändet und überwiesen erhalten hat; das Zustimmungsrecht ist nämlich nicht pfändbar (Abgrenzung zu OLG Dresden vom 25.2.2010, 3 W 81/10; und OLG Saarbrücken vom 7.1.2011, 5 W 280/10).

1. Ausgangssituation

Zur Löschung eines Grundpfandrechts ist gemäß § 1183 BGB materiell-rechtlich die Zustimmung des Eigentümers erforderlich. Auf diese Weise soll ihm die Möglichkeit erhalten werden, das Grundpfandrecht als Eigentümergrundschuld zu erwerben.

Verfahrensrechtlich wird § 1183 BGB durch § 27 GBO abgesichert; die Eigentümerzustimmung muss gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 GBO jedenfalls in öffentlich beglaubigter Form vorliegen.

2. Zustimmungsrecht seitens des Gläubigers isoliert pfändbar?

Ob das „Recht“ auf Zustimmung des Eigentümers durch Pfändung und Überweisung seitens des Gläubigers erworben werden kann, ist umstritten.

a) 1. A.: Isolierte Pfändbarkeit

Das OLG Dresden (NotBZ 2010, 410) und das OLG Saarbrücken (Beschluss vom 7.1.2011, 5 W 280/10) halten die Pfändung und Überweisung der Berechtigung, anstelle des Eigentümers das Zustimmungsrecht auszuüben, für zulässig.

Tz. 15: „Den Grundstückseigentümern stehe gegen die Bank als Grundschuldgläubigerin ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zu, der durch Abtretung der Grundschuld an sich oder Dritte (§§ 1154, 1192 Abs. 1 BGB), durch Verzicht (§§ 1168, 1192 Abs. 1 BGB) oder Aufhebung (Löschung) der Grundschuld (§§ 1183, 875 BGB) erfüllt werden könne (BGH, NJW 1989, 2536). Ein solcher Anspruch sei als Vermögensgegenstand, der weder der Zwangsvollstreckung in Geldforderungen noch in Forderungen auf Herausgabe von beweglichen oder unbeweglichen Sachen (§§ 846 ff. ZPO) noch in das unbewegliche Vermögen unterliege, gemäß §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1, §§ 829 ff. ZPO pfändbar und könne zur Einziehung überwiesen werden. Aufgrund der Einziehungsbefugnis sei die Gläubigerin zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte berechtigt, die dem Zweck dienten, die Leistung des Schuldners herbeizuführen oder zu ersetzen […]; zugleich sei den Eigentümern aufgrund der Pfändung die Verfügungsbefugnis über die Forderung entzogen. Jedenfalls nach Pfändung des Rechts auf

S. 300 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Zustimmung zur Löschung der Grundschuld gemäß § 1183 BGB sei die Gläubigerin im Rahmen der Einziehungsbefugnis anstelle der Eigentümer zur Abgabe der verfahrensrechtlichen Zustimmungserklärung nach § 1183 BGB, § 27 GBO berechtigt.“394

Tz. 16: „Der Wirksamkeit von Pfändung und Überweisung des Zustimmungsrechts der Eigentümer stehe nicht entgegen, dass die angestrebte Löschung der Grundschuld dem Grundpfandgläubiger keine unmittelbare Befriedigung verschaffe, sondern nur einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch der Eigentümerin, und zugleich deren „Anwartschaft“ auf eine Eigentümergrundschuld untergehen lasse […]. Eine Überweisung an Zahlung statt sei naturgemäß schon deshalb ausgeschlossen, weil es dem Rückgewähranspruch – anders als der Grundschuld selbst – an einem Nennwert fehle […].395

b) OLG München, Beschl. v. 31.8.2016 – 34 Wx 18/16

Demgegenüber vertritt das OLG München in der Entscheidung vom 31.8.2016 die Auffassung, dass das Zustimmungsrecht des Eigentümers nach § 1183 BGB, § 27 GBO nicht pfändbar sei.

Tz. 18: Pfändbar sind nur Rechte und Anwartschaften an Rechten bzw. Sachen, nicht jedoch tatsächliche Verhältnisse, Vermögensinbegriffe oder Handlungsmöglichkeiten. Insbesondere können Einzelbefugnisse, die nur im Rahmen eines bestimmten Rechtsverhältnisses bestehen, nicht selbstständig gepfändet werden, sondern dürfen nur mit der Pfändung des Rechts, zu dem sie gehören, vom Gläubiger ausgeübt werden […]. Die Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr des Grundpfandrechts berechtigt jedoch nicht auch zur Ausübung des Zustimmungsrechts nach § 1183 BGB, § 27 GBO […]. Dieses steht nämlich grundsätzlich dem Eigentümer des Grundstücks zu, gehört somit nicht zu dem Recht des Gläubigers aus dem Grundpfandrecht und ist vom Rückgewähranspruch losgelöst, kann folglich von dessen Pfändung nicht erfasst werden.“396

Tz. 19: „Der Gesetzgeber hat im Übrigen mit §§ 1179a, 1192 Abs. 1, § 1196 Abs. 3 BGB für nachrangige Grundschuldgläubiger eine Möglichkeit geschaffen, eine vorrangige Eigentümergrundschuld unter bestimmten Voraussetzungen löschen zu lassen. So besteht ein Anspruch gegen den Grundstückseigentümer auf Löschung der Eigentümergrundschuld dann, wenn diese, nachdem die Grundschuld zunächst einem anderen als dem Eigentümer zugestanden hatte, durch Vereinigung mit dem Eigentum in einer Person entstanden ist. Ein Anspruch ist danach ausgeschlossen, wenn die Grundschuld von vorneherein als Eigentümergrundschuld eingetragen und bislang noch nicht abgetreten bzw. die Vereinigung vor Bestellung des begünstigten Rechts im Grundbuch eingetragen war […]. Würde man neben dem Anspruch aus § 1179a BGB eine Pfändung des Zustimmungsrechts und dessen Überweisung zur Ausübung erlauben, könnten die vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen eines Löschungsanspruchs ausgehebelt werden.“397

c) Stellungnahme

Richtigerweise ist wie folgt zu differenzieren: Bei dem Zustimmungserfordernis im Sinne von § 1183 BGB, § 27 GBO handelt es sich lediglich um eine Handlungsmöglichkeit und nicht um einen selbstständig pfändbaren Vermögenswert im Sinne von § 857 ZPO, dass verwertet werden kann und dessen Erlös der Befriedigung einer Geldforderung dienen könnte.398 Denn die Eigentümerzustimmung

394 OLG München MittBayNot 2017, 89. 395 OLG München MittBayNot 2017, 89. 396 OLG München MittBayNot 2017, 89. 397 OLG München MittBayNot 2017, 89. 398 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2015, § 1183 Rn. 13; Grziwotz, MietRB 2016, 18, 19.

S. 301 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

hat lediglich zur Folge, dass der Rang und damit der Wert eines nachrangigen Grundpfandrechts verbessert wird.

Pfändbar ist allerdings der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld. Wird der Rückgewähranspruch gepfändet, erstreckt sich die Pfändung richtigerweise auch auf das Zustimmungsrecht nach § 1183 BGB, § 27 GBO. Entgegen der Ansicht des OLG München wird eine akzessorische Pfändung des Zustimmungsrechts nicht durch §§ 1179a, 1192 Abs. 1, 1196 Abs. 3 BGB, die lediglich nachrangigen Grundpfandrechtsgläubigern einen Löschungsanspruch vermitteln, nicht ausgeschlossen.399

399 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2015, § 1183 Rn. 13; Grziwotz, MietRB 2016, 18, 19.

S. 302 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

VII. Löschung einer in der Zwangsversteigerung bestehen gebliebenen Grundschuld (K)

BGH, Urt. v. 29. 1. 2016 – V ZR 285/14, DNotZ 2016, 697 (m. Anm. Kesseler) = NJW 2016, 2415 = ZfIR 2016, 319 (m. Anm. Wolfsteiner) = NotBZ 2016, 261 (Zimmer) = Rpfleger 2016, 363.

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt der Entscheidung erinnert stark an denjenigen der Entscheidung des V. Senats aus dem Jahr 2011.400

Die mit vier Sicherungsgrundschulden am versteigerten Grundbesitz eingetragene und durch Grundschulden an weiterem Grundbesitz gesicherte Gläubigerin betrieb wegen gesicherter Forderungen in Höhe von insgesamt Euro 278.857,34 aus der letztrangigen Grundschuld die Zwangsversteigerung, die vorrangigen Rechte in Höhe von nominal Euro 219.855,51 ließ sie bestehen. Mit dem späteren Ersteher hatte sie vereinbart, dass dieser den mit einem im Verfahren festgesetzten Verkehrswert von Euro 308.000,-- bewerteten Grundbesitz für Euro 200.000,-- erwerben sollte. Der Ersteher gab auf den mit den bestehen bleiben Grundschulden belasteten Grundbesitz ein Bargebot von Euro 175.000,-- ab und erhielt den Zuschlag. Gegen Zahlung der vereinbarten weiteren Euro 25.000,-- erteilte die Gläubigerin später die Löschungsbewilligung an den bestehen gebliebenen Grundschulden, sodass der Erwerber letztlich lastenfreien Grundbesitz zum Gesamtbetrag von Euro 200.000,-- erwarb. Die Gläubigerin versuchte sich anschließend wegen ihrer noch offenen Forderungsreste aus dem weiteren zu ihren Gunsten belasteten Grundbesitz zu befriedigen, die dagegen vom Sicherungsgeber erhobene Vollstreckungsgegenklage war erfolgreich.

Der Sicherungsgeber nahm die Gläubigerin in diesem Verfahren auf Zahlung des Betrages in Anspruch, der ihm aufgrund der Löschung der Grundschulden gegen Zahlung eines Betrages von nur Euro 25.000,-- als Schaden entstanden sei. Da offenbar im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage schon zwischen den Parteien geklärt worden war, dass die Gläubigerin sich so behandeln lassen muss, als seien jedenfalls die gesicherten Forderungen befriedigt worden, machte der Sicherungsgeber noch einen Restbetrag von Euro 115.998,16 geltend (Bargebot von Euro 175.000,-- zzgl. Nominalwert der bestehen bleiben Grundschulden von Euro 219.855,51 abzgl. gesicherte Forderung von Euro 278.857,34).

400 BGH v. 4.2.2011 - V ZR 132/10, BGHZ 188, 186 = DNotZ 2011, 365 (mit abl. Anm. Kesseler) =

NJW 2011, 1500 (mit abl. Anm Volmer) = EWiR 2011, 533 (abl. Jähne) = Rpfleger 2011, 390 (dazu abl. Anmerkung Alff S. 357) = ZfIR 2011 (m. krit. Anm. Zimmer) = ZNotP 2011, 196.

S. 303 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Das Problem

Offensichtlich haben Gläubigerin und Ersteher kollusiv zusammen gewirkt, um den Sicherungsgeber zu schädigen:

Der Fortbestand der vorrangigen Grundpfandrechte im Umfang von Euro 219.855,51 schloss bei einem Verkehrswert von Euro 308.000,-- ein Bargebot von auch nur Euro 100.000,-- faktisch aus. Die anschließende Ablösung zu bloß Euro 25.000,-- bei gleichzeitig fortbestehender Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers in andere dingliche Sicherheiten führte zu einer massiven Schädigung des Sicherungsgebers. In diese Position war der Sicherungsgeber gekommen, weil er sein dingliches Recht zur Versteigerung unter Bestehenlassen der vorrangigen Grundschulden ausnutzte.

3. Die Auffassung des BGH

Der BGH hält im Ergebnis ebenfalls Pflichten aus dem Sicherungsvertrag für verletzt.

Verbot der Befriedigung aus nachrangigen Rechten?

Das OLG hatte angenommen, dass es dem Sicherungsnehmer verboten sei, die Befriedigung aus einem nachrangigen Grundpfandrecht zu versuchen.

Ein solches Verbot erkennt der BGH nicht. Ebenso wenig sei es dem Sicherungsgeber versagt, mit einem Ersteher Vereinbarungen über den Erwerb zu treffen.

Der V. Senat sieht zu Recht vertragliche Verpflichtungen aus der Sicherungsabrede verletzt dadurch verletzt, dass die Löschung der bestehen gebliebenen Grundschulden gegen ein Entgelt, das unter dem Nominalbetrag dieser Rechte liegt, vereinbart wurde.

Die Begründung dafür ist letztlich einfach:

Nur dann, wenn der Ersteher die Grundschuld in voller Höhe ablöst, d.h. auf die Grundschuld zahlt, geht diese kraft Gesetzes auf ihn über, §§ 1142, 1143 BGB. Leistet er dagegen einen Betrag, der unter der vollen Höhe der Grundschuld liegt, wird sie nur anteilig zur Eigentümergrundschuld und bleibt im Übrigen Fremdrecht. Gibt der Sicherungsnehmer dieses Recht auf, verstößt er gegen seine Verpflichtungen aus dem Sicherungsvertrag.401 Er hat nämlich den Sicherungsgegenstand faktisch verschleudert,

401 Rn. 11 des Urteils, siehe auch Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden,

9. Aufl., 2011, Rn. 1134, 1140

S. 304 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

weil er diesen unter seinem Wert preisgegeben hat. Die Grundschulden, die die Gläubigerin gegen Euro 25.000,-- zur Löschung gebracht hat, waren erstrangig an Grundbesitz eingetragen, der im Versteigerungsverfahren mit Euro 308.000,-- bewertet worden war und für den der Ersteher immerhin Euro 200.000,-- zu zahlen bereit war. Der BGH hält dazu fest, dass die Gläubigerin, „sich an den von ihr selbst herbeigeführten Versteigerungsbedingungen und damit an dem Zuschlagsbeschluss festhalten lassen (muss), der das Bestehenbleiben der Rechte zur Folge hatte. Hierdurch ist der von dem Ersteher geschuldete Versteigerungserlös erzielt worden, der - wie ausgeführt - Surrogat für das versteigerte Grundstück ist. Die wirtschaftlichen Folgen ihrer internen Absprache mit dem Ersteher hat die Beklagte zu tragen.“ (Rn. 18 des Urteils).

4. Pflichten aus dem Sicherungsvertrag – ein Rückblick

Die Entscheidung ist zutreffend und war im Grunde vorherzusehen.

Das Berufungsgericht hatte für seine Überlegung, der Sicherungsnehmer sei aus dem Sicherungsvertrag nur verpflichtet, für eine Verwertung des Sicherungsgegenstandes dergestalt zu sorgen, dass die persönliche Forderung befriedigt werde, die Begründung der Entscheidung des V. Senats vom 4.2.2011402 beim Worte genommen. Danach wäre der Schaden des Sicherungsgebers im vorliegenden Fall auf die Höhe der gesicherten Forderung beschränkt gewesen, also jene Euro 278.857,34, die schon im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage zuerkannt worden und offenbar im hiesigen Verfahren unstreitig waren.

Dass dies aber tatsächlich vom Senat so nicht gemeint gewesen war, hatte Schmidt-Räntsch schon auf der Jahresarbeitstagung des Notariats 2011 in Berlin klargestellt403 und noch einmal in einem Beitrag in der ZNotP betont.404 Die Überlegungen des Senats sollten sich danach ausdrücklich nur auf die Zinsen der Grundschuld, nicht aber auf eine Verwertung unterhalb des Nominalbetrages beziehen. Alles andere wäre völlig konträr zur Rechtsnatur des Sicherungsvertrages als (wenn auch eigennütziges) Treuhandverhältnis. Der Sicherungsnehmer ist zur schonenden und bestmöglichen Verwertung des Sicherungsgutes verpflichtet.405 Eine im Wege der Zwangsversteigerung verwertbare Grundschuld zu einem Preis unterhalb ihres Wertes aufzugeben verletzt den Sicherungsvertrag, weil so das Sicherungsgut verschleudert wird.

402 DNotZ 2011, 365 (m. abl. Anm. Kesseler). 403 Schmidt-Räntsch, Tagungsband DAI, 9. Jahresarbeitstagung des Notariats 2011. 404 Schmidt-Räntsch, ZNotP 2011, 402f. 405 BGH, Urteil vom 5. 10. 1999 - XI ZR 280/98, NJW 2000, 352; Urteil vom 09.01.1997 - IX ZR

1/96, NJW 1997, 1063.

S. 305 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

5. Risiko aus gescheiterter Versteigerungsvereinbarung

Dass der Ersteher möglicherweise den Preis in Höhe des Bargebotes zzgl. des Wertes der bestehen gebliebenen Grundschulden für das Grundstück nicht bezahlt hätte, ist im vorliegenden Fall alleiniges Risiko der Sicherungsnehmerin. Die Verwertung der nachrangigen Sicherheit hat eben Euro 175.000,-- als Bargebot gebracht. Dass dies nur erfolgte, weil der Sicherungsnehmer die vorrangigen Rechte für einen Preis weit unterhalb deren Wertes abzugeben bereit war, ist Problem des Sicherungsnehmers. Wären nämlich die gesicherten Forderungen beglichen worden, wäre der Sicherungsgeber zur Herausgabe der vorrangigen Grundschulden verpflichtet gewesen.

6. Allgemeines zur Sicherungsgrundschuld

Trotz der jahrzehntelangen Praxis im Umgang mit Grundschulden im Kreditsicherungsgeschäft gibt es immer wieder Verständnisschwierigkeiten dazu, dass die Grundschuld und die gesicherte Forderung ebenso wenig miteinander zu tun haben wie das Grundstückseigentum und die Stellung als Sicherungsgeber. Selbst der Gesetzgeber tut sich damit, wie der strukturell falsch verortete § 1192 Abs. 1a BGB zeigt, schwer.

a) Abstraktheit der Grundschuld

Die Grundschuld ist ein abstraktes dingliches Recht. Sie kann einem Gläubiger als Sicherheit für eine Forderung bestellt werden, bleibt dann aber gleichwohl dinglich von dieser unabhängig. Der Wegfall der zu sichernden Forderungen beeinträchtigt ebenso wenig die Existenz der Grundschuld wie der Wegfall der Grundschuld Auswirkungen auf die gesicherte Forderung hat. Grundschulden können auch unabhängig von jedem Sicherungsgeschäft beispielsweise im Wege des Kaufs oder der Schenkung bestellt werden. So wenig wie die dem Pfandleiher verpfändete Uhr durch den Pfandkredit definiert wird, so wenig definiert die gesicherte Forderung auch die Grundschuld. Die gesicherte Forderung ist nicht einmal Rechtsgrund der Grundschuldbestellung. Rechtsgrund der Einräumung der Grundschuld ist vielmehr der Vertrag zwischen dem Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer. Der Vertragspartner des Sicherungsvertrages muss auch keineswegs mit dem Schuldner der gesicherten Forderung übereinstimmen. Es ist deshalb schon im Ansatz fehlleitend, den Begriff der persönlichen Forderung im Rahmen der Diskussion um die Durchsetzung der Grundschuld zu verwenden, was auch im vorliegenden Fall erkennbar zu Verwirrungen geführt hat. Ist Rechtsgrund der Übertragung einer Grundschuld ein Sicherungsvertrag, stellt die Existenz der gesicherten Forderung ein Element der vertraglichen Berechtigung des Sicherungsnehmers zur Wahrnehmung der Rechte aus der Grundschuld dar, mehr aber auch nicht. Wer persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist, ist gänzlich irrelevant, da der

S. 306 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Sicherungsgeber durchaus die Grundschuld vertraglich dem Gläubiger auch für die Verbindlichkeit eines Dritten stellen kann.

b) Grundschuld ist Sicherungsgegenstand

Sicherungsgegenstand bei der Stellung einer Grundschuld zur Kreditsicherung ist nicht das Grundstück. Sicherungsgegenstand ist allein die Grundschuld. Diese wird dem Sicherungsnehmer für den Eintritt des Sicherungsfalls überlassen. Wer Eigentümer des Grundstücks ist, ist sachenrechtlich bei der Entstehung der Grundschuld von Bedeutung, denn nur der Eigentümer kann sie wirksam bestellen. Ist diese aber einmal existent, verkörpert sie ein eigenständiges Recht, das genauso gut von einem Dritten wie vom Eigentümer selbst dem Sicherungsgeber als Sicherungsgut gestellt werden kann. Vertragspartner des Sicherungsvertrages muss also gerade nicht der Grundstückseigentümer sein, es muss nicht einmal derjenige sein, der dem Sicherungsnehmer die Grundschuld dinglich bestellt. Ist unklar, wer Vertragspartner des Sicherungsvertrages ist, ist dies durch Auslegung zu ermitteln,406 wobei im Zweifel gerade nicht die Eigentumssituation entscheidend ist, was der BGH in einer früheren Entscheidung (dort Rn. 14) ausdrücklich betont hat: „Dabei ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Schuldner der zu sichernden Forderung auch dann Sicherungsgeber sein soll, wenn die Grundschuld - ganz oder teilweise - auf einem Grundstück lastet, das einem Dritten gehört. Da er dem Gläubiger die Grundschuld durch entsprechende schuldrechtliche Abreden mit dem Dritten beschafft, soll er (der Schuldner) sie nach Tilgung der Darlehensschuld auch wieder bekommen (vgl. BGH, Urt. v. 25. November 1968, III ZR 134/66, WM 1969, 209, 210; Urt. v. 8. Dezember 1988, III ZR 107/87, WM 1989, 210, 211).“407

c) Zuschlag im ZV Verfahren als Fall des Auseinanderfallens von Sicherungsgeberstellung und Eigentum

Der zuschlagsbedingte Wechsel des Eigentums am Grundstück bei gleichzeitigem Bestehenbleiben sicherungsvertraglich gebundener Grundschulden stellt also nur einen der Fälle dar, in dem die Eigentümerstellung und die als Sicherungsgeber auseinanderfallen. Die im hier besprochenen Urteil aufgetretene Problematik kann aber gleichermaßen bei anderen Fällen der Stellung einer Fremdgrundschuld als Sicherheit entstehen. Im Grunde stellt sie sich sogar nicht selten in Fällen der Identität von Sicherungsgeber und Eigentümer. Es ist nämlich nur der Tatsache, dass in der Regel Sicherungsgeber und Grundstückseigentümer identisch sind, geschuldet, dass Handlungen des Sicherungsnehmers, die zu einer Beseitigung bzw. Aufgabe des Sicherungsgegenstandes führen, nämlich die Löschung du der Verzicht, bei der

406 Siehe dazu Clemente, ZIP 1990, 969, 970.

407 BGH, Urteil v. 20.11.2009 - V ZR 68/09, DNotZ 2010, 375 = MDR 2010, 199 = NJW 2010, 935

= Rpfleger 2010, 206 = WM 2010, 210 = ZfIR 2010, 93 (m. Anm. Clemente).

S. 307 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Grundschuld regelmäßig als nicht problematisch empfunden werden. Bei jedem anderen zur Sicherheit übertragenen Gegenstand würden sofort die Alarmglocken klingeln, würde der Sicherungsnehmer bei Beendigung des Sicherungszwecks statt der Rückgabe des Sicherungsgegenstandes dessen Vernichtung betreiben. Die dem Pfandleiher übergebene Uhr will der Verpfänder ebenso zurück erhalten, wie der Sicherungszedent die zedierte Forderung.408 Entsprechend hat der BGH auch Beschränkungen des Rückgewähranspruchs an Grundschulden auf einen solchen auf Löschung in jedem Fall des Eigentumswechsels für unzulässig erachtet.409 Selbst für den Fall aber, dass der Sicherungsgeber als Eigentümer durch die Löschung der Grundschuld ein weniger belastetes Grundstück erhält, kann der Verlust der Rangstelle eine Beeinträchtigung darstellen.

7. Die Grundschuldzinsen

Die Klarstellung zur Entscheidung vom 4.2.2011 ist sehr zu begrüßen.

In einem Punkt aber bleibt der BGH noch unklar:

Eingeklagt hatte der Sicherungsgeber im aktuellen Verfahren nur den Nominalbetrag der gelöschten Grundschulden. Über die Grundschuldzinsen, die noch 2011 Gegenstand des Streites waren, musste der Senat nicht entscheiden. In der damaligen Entscheidung hatte der BGH auch nach dem zuschlagsbedingten Eigentumswechsel keine Verpflichtung des Sicherungsnehmers erkannt, Grundschuldzinsen geltend zu machen. Ob der Senat an dieser Überlegung festhält, ist nicht klar. Allerdings wiederholt der Senat seine damalige Begründung und verweist auf weitere frühere Urteile,410 nach denen keine Verpflichtung bestehe, Grundschuldzinsen anzumelden. Die Pflichten des Sicherungsnehmers zur Verwertung des Sicherungsgutes müssten danach ermittelt werden, wie der Sicherungsgeber bei einer Rückgabe des Sicherungsgutes gestanden hätte, wozu der Senat wörtlich wieder ausführt: „Zur Begründung hat er in hypothetischer Betrachtung darauf abgestellt, welche Rechte dem Sicherungsgeber bestenfalls zukommen, wenn die Rückgewähr der Grundschuld zu einer Vereinigung des Grundpfandrechts mit dem Eigentum führt. In diesem Fall erstreckt sich die Pflicht zur Rückgewähr der Grundschuld nicht auf die Grundschuldzinsen, da das Grundpfandrecht gemäß § 1178 Abs. 1 Satz 1 BGB u.a. für Rückstände von Zinsen erlischt.“ (Rn. 12).

408 Siehe dazu schon Kesseler, NJW 2012, 577, 580f. 409 BGH, Urteil vom 18. 7. 2014 - V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 = DNotZ 2014, 929 = NJW 2014,

3772 = MittBayNot 2015, 122 (M. Anm. Rohe) = EWiR 2014, 637 (Clemente). 410 BGH, Urteil v. 4.2.2011 –V ZR 132/10, BGHZ 188, 186 ff. = DNotZ 2011, 365 (m. abl. Anm.

Kesseler); Urteil v. 16.12.2011 - V ZR 52/11, BGHZ 192, 131 ff. = DNotZ 2012, 440 = MittBayNot 2012, 405 (m. Anm. Kesseler); Urteil v. 3.2.2012 - V ZR 133/11, NJW 2012, 1142 f. = MittBayNot 2012, 493 (m. abl. Anm. Kesseler).

S. 308 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Es ist schon in den Fällen, in denen der Sicherungsgeber Eigentümer des Grundstücks ist und die (Rück-) Übertragung der Grundschuld an ihn tatsächlich zum erlöschen der Grundschuldzinsen nach § 1178 Abs. 1 S. 1 BGB führt, äußerst zweifelhaft, ob die Prämisse des BGH zutrifft. Die Überlegung setzt nämlich voraus, dass sich der Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers auf die Übertragung der Grundschuld auf ihn beschränkt. Zu dieser Frage hat der BGH bislang noch nicht Stellung nehmen müssen, entschieden wurden allein über den Rückgewähranspruch bei zuschlagsbedingtem411 bzw. sonstigem412 Eigentumswechsel. In der Literatur wird die (jedenfalls formularmäßige) Beschränkung des Rückgewähranspruchs auf denjenigen auf Löschung und damit inzident wegen § 1179 a BGB auch denjenigen auf Rückübertragung für unwirksam gehalten.413 Steht dem Sicherungsgeber aber das Recht zu, vom Sicherungsnehmer im Fall der Rückgewähr auch die Übertragung an einen Dritten verlangen zu können, dann ist der Vergleich mit der Rückgewähr an den Sicherungsgeber selbst nicht angebracht.

Doppelt falsch ist die Überlegung aber in den Fällen des zuschlagsbedingten Auseinanderfallens von Sicherungsgeber und Grundstückseigentümer. Zum einen beschränkt sich in diesen Fällen der Rückgewähranspruch schon nach der Rechtsprechung des Senats selbst nicht auf Löschung oder Abtretung an den Sicherungsgeber, sodass der Vergleich schon im Ansatz hinkt. Viel wichtiger aber ist, dass der Verweis des BGH auf das Erlöschen der Grundschuldzinsen nach § 1178 Abs. 1 S. 1 BGB in diesen Fällen einfach falsch ist. Dadurch, dass der Sicherungsgeber nach dem Zuschlag nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist, führt die Übertragung an diesen auch nicht zum Erlösche der Zinsen. Die Grundschuld bleibt so verzinsliches Fremdrecht. Verwertet der Sicherungsnehmer also ohne Berücksichtigung der Grundschuldzinsen nimmt er dem Sicherungsnehmer Rechte, die dieser im Falle der Rückabtretung hätte geltend machen können. Er handelt nicht anders, als der Sicherungszessionar einer Anleihe, der diese dem Schuldner zum Nominalwert ohne aufgelaufene Zinsen überträgt. Warum dies für den Bereich der Grundschulden so große Schwierigkeiten bereitet, ist kaum nachzuvollziehen. Gleiche Überlegungen gelten natürlich für alle Fälle des Auseinanderfallens der Person des Sicherungsgebers vom Grundstückseigentümer, und zwar auch, wenn diese originär schon bestand, also eine originäre Fremdgrundschuld als Sicherungsgegenstand der Bank übertragen wurde.

411 BGH, Urteil v. 9.2.1989 – IX ZR 145/87, BGHZ 106, 375, 380 = DNotZ 1989, 618. 412 BGH, Urteil v. 18.7.2014 - V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 = DNotZ 2014, 929. 413 Erman/F. Wenzel, BGB, 13. Aufl., § 1191 Rn. 63 ff.; MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl.

2013, § 1191 Rn. 131; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2014], vor §§ 1191 ff. Rn. 157 f.; Lemke/Regenfus, Immobilienrecht, § 1191 BGB Rn. 43; Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 4. Aufl., Rn. 576 ff.; Kesseler, NJW 2012, 477, 480; Müller, RNotZ 2012, 199, 202.

S. 309 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

F) Grundbuchrecht

I. Vollmachtsnachweis im Grundbuchverfahren (CH)

1. Bei notarieller Vollmachtsbescheinigung (§ 21 Abs. 3 BNotO) muss Notar die ganze Vertretungskette darstellen, nicht nur deren Ergebnis (OLG Hamm, 10.3.2016 - 15 W 45/16)

OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2016 - 15 W 45/16,

FGPrax 2016, 198 = MittBayNot 2017, 93 = NotBZ 2016, 396 = Rpfleger 2016, 550

Bei notarieller Vollmachtsbescheinigung (§ 21 Abs. 3 BNotO) muss Notar die ganze Vertretungskette darstellen, nicht nur deren Ergebnis; Grundbuchamt darf ordnungsgemäße notarielle Vertretungsbescheinigung nicht nachprüfen

1. Wird im Grundbucheintragungsverfahren eine notarielle Bescheinigung einer durch Rechtsgeschäft begründeten Vertretungsmacht vorgelegt, die den Anforde-rungen des § 21 Abs. 3 BNotO entspricht, bedarf es regelmäßig nicht der zusätz-lichen Vorlage derjenigen Urkunden, auf deren Grundlage der Notar die Bescheini-gung ausgestellt hat.

2. § 34 GBO erleichtert nur die Form des Nachweises der Vertretungsberechtigung, lässt demgegenüber die Erforderlichkeit des Nachweises sämtlicher Glieder Legiti-mationskette, die auf den eingetragenen Berechtigten zurückführen, unberührt.

a) Sachverhalt

Der Notar hatte eine Löschungsbewilligung für eine Grundschuld eingereicht, deren Gläubiger eine AG war. Dazu hatte er eine Vollmachtsbescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO erstellt. Sie lautete:

„Hiermit bescheinige ich durch Einsichtnahme in die mir vorliegende 5. Ausfertigung der notariellen Vollmacht vom 26.03.2014 zu UR-Nr. xxx/2014 des Notars M in P1, dass Frau C, geb. P2, geb. am 28.11.19xx, und Herr y, geb. am 24.04.19xx, gemeinsam zur Vertretung der P Aktiengesellschaft P1 berechtigt sind.“

Das Grundbuchamt verlangte eine beglaubigte Abschrift der genannten Vollmachtsurkunde des Notars M aus P1 vom 26.03.2014 (UR-Nr. xxx/2014). Denn die Notarbescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO lasse den Umfang der Vertretungsmacht nicht erkennen. Die Vertretungsmacht sei vom Grundbuchamt auch beim Vorliegen einer Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO zu überprüfen.

b) Vollmachtsbescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO

Der „unbekannte“ Paragraph des § 21 Abs. 3 BNotO hatte uns bereits unmittelbar nach seiner Einführung bei der Veranstaltung im Jahr 2014 und nochmals im Jahr 2015

S. 310 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

beschäftigt.414 Er lautet:

§ 21 BNotO

(3) Die Notare sind ferner dafür zuständig, Bescheinigungen über eine durch Rechtsgeschäft begründete Vertretungsmacht auszustellen. Der Notar darf die Bescheinigung nur ausstellen, wenn er sich zuvor durch Einsichtnahme in eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Vollmachts-urkunde über die Begründung der Vertretungsmacht vergewissert hat. In der Bescheinigung ist anzugeben, in welcher Form und an welchem Tag die Vollmachtsurkunde dem Notar vorgelegen hat.“

Zweck der Regelung war, dass der Notar dem Grundbuchamt nicht jeweils einen dicken Vollmachtsnachweis in beglaubigter Abschrift mit übersenden müsste. In der Praxis wird die Vorschrift, soweit mir ersichtlich, kaum angewandt.

c) Grundbuchamt kann nicht Vorlage der Vollmachtsurkunden verlangen

Schon von diesem Gesetzeszweck wird der erste Leitsatz der Entscheidung des OLG Hamm verständlich. Die Vollmachtsbescheinigung des Notars soll das Grundbuchamt und die Grundakten entlasten. Dann wäre widersinnig, wenn das Grundbuchamt doch die zugrundeliegenden Vollmachtsurkunden in beglaubigter Abschrift sehen will.

(Rn. 10) „Nach § 34 GBO kann eine durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht auch durch eine Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO nachgewiesen werden. Nach der letztgenannten Gesetzesvorschrift sind die Notare (auch) dafür zuständig, Bescheinigungen über eine durch Rechtsgeschäft begründete Vertretungsmacht auszustellen (Satz 1). Der Notar darf die Bescheini-gung nur ausstellen, wenn er sich zuvor durch Einsichtnahme in eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Vollmachtsurkunde über die Begründung der Vertretungsmacht vergewissert hat (Satz 2). Nach der gesetzgeberischen Intention sollte mit der Einführung des § 21 Abs. 3 BNotO eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, rechtsgeschäftliche Vollmachten gegenüber dem Grund-buchamt nachzuweisen (BT-Drucksache 17/1469, S. 14). Eine generelle Verpflichtung zur Vorlage der Urkunden, auf deren Grundlage der Notar die Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO erteilt hat, lässt sich mit diesem gesetzgeberischen Zweck nicht in Einklang bringen. Der Sinn der von dem Notar aufgrund seiner Prüfung ausgestellten Bescheinigung würde ad absurdum geführt, wenn die Beteiligten gleichwohl verpflichtet blieben, dem Grundbuchamt - wie bisher - alle Unterlagen, aus denen sich die Vertretungsmacht herleitet, in der Form des § 29 GBO vorzulegen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.11.2015 - 20 W 316/15 - Rn.14 zitiert nach Juris; Meikel-Krause, GBO, 11. Auflage, § 34 Rn.6).

(Rn. 11) Eine Verpflichtung zur Vorlage der der Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO zugrunde gelegten Vollmachtsurkunden kann nur dort bestehen, wo dem Grundbuchamt konkrete Tatsachen bekannt sind, die auf eine Unrichtigkeit der vorgelegten Bescheinigung hindeuten, und die eine ausnahmsweise vorzunehmende Überprüfung der notariellen Bescheinigung erfordern. Für das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der notariellen Bescheinigung gibt der hier zu beurteilende Fall allerdings nichts her.“

414 Vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 28.3.2014 - 3 W 46/13, DNotZ 2014, 636 = NotBZ 2014, 293 =

NZG 2014, 580 = ZfIR 2014, 564 (keine Vollmachtsbescheinigung aufgrund privatschriftlichen Beschlussprotokolls).

Hertel, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2013/2014, DAI-Tagungsskript Feb./März 2014, S. 293 ff..; ders., in: in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2014/2015, DAI-Tagungsskript Feb./März 2015, S. 286 ff

S. 311 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

d) Notar muss Vertretungskette darstellen, nicht nur deren Ergebnis

Nicht der Begründung, aber der Sache nach hatte das Grundbuchamt jedoch recht. Die Bescheinigung des Notars reichte nicht aus.

– Die Vertretungskette musste bei den organschaftlichen Vertretern der AG beginnen.

– Die vom Notar festgestellte Vollmacht war nur das letzte Glied in dieser Vertretungskette. Zuvor musste festgestellt werden, ob die die Vollmacht erteilenden Personen auch berechtigt waren, die AG zu vertreten (sei es als organ-schaftliche Vertreter oder ihrerseits aufgrund Vollmacht der organschaftlichen Vertreter).

– Das meinte das Grundbuchamt wohl, als es die Vorlage der Vollmachtsurkunde verlangte. Denn daraus hätte es vermutlich das oder die fehlenden ersten Glieder der Vertretungskette erkennen können. Das OLG Hamm gab daher dem Grund-buchamt Gelegenheit, eine neue, präzisere Zwischenverfügung zu erlassen.

(Rn. 12) „Die vorgelegte notarielle Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO ist allerdings nicht geeignet, den Nachweis einer ordnungsgemäßen Vertretung der Beteiligten zu 3) durch Frau C und Herr y führen.

(Rn. 13) Durch § 21 Abs. 3 BNotO ist die Möglichkeit geschaffen worden, eine durch Rechts-geschäft begründete Vertretungsmacht durch eine notarielle Bescheinigung nachzuweisen. Eine notarielle Vollmachtsbescheinigung ist danach allerdings nur auf Basis solcher Vollmachten zulässig, die ihrerseits den Anforderungen des Registerverkehrs genügen (§ 29 GBO). Der Notar muss sich deshalb die Legitimationskette, die zu der Vollmacht führt, in der Form nachweisen lassen, in der sie gegenüber der das Register führenden Stelle - hier: dem Grundbuchamt - nachzuweisen wäre. Die bisherigen Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht werden somit nicht verringert, es wird nur eine zusätzliche Möglichkeit des Nachweises gegenüber dem Grundbuchamt geschaffen (vgl. BT-Drucksache 17/1469, S.14/19; OLG Bremen DNotZ 2014, 636; Meikel-Krause, a. a, O., § 34 Rn.5). Dabei bleibt die Möglichkeit, Legitimationsketten in der Form des § 29 GBO nachzuweisen, bestehen. § 34 GBO eröffnet lediglich eine zusätzliche Wahlmöglichkeit (OLG Frankfurt a.a.O. ).

(Rn. 14) Da der Nachweis der Legitimationskette vom Grundbuchamt auf den Notar verlagert worden ist, hat das zur Folge, dass sich der Notar vor dem Ausstellen einer Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO gegebenenfalls mehrere Vollmachtsurkunden in der Form des § 29 GBO vorlegen lassen muss, oder für den Fall, dass sich die Befugnis des die Vollmacht Erteilenden aus seiner organschaftlichen Stellung einer im Handelsregister eingetragenen juristischen Person ergibt, zusätzlich von dessen Vertretungsberechtigung zu überzeugen hat. Der Nachweis dieser Vertretungsberechtigung kann entsprechend § 21 Abs. 1 und 2 BNotO erfolgen. Die von dem Notar vorgenommenen Einzelschritte zur Überprüfung des Bestehens der Vollmacht hat dieser in seiner Bescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO darzulegen, da nur auf diese Weise vom Grundbuchamt nachvollzogen werden kann, aufgrund welcher Legitimationskette das Vorliegen der Vollmacht bescheinigt wird (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).

(Rn. 15) Nur weil die zuletzt Frau C und Herr y erteilte Vollmacht eine rechtsgeschäftliche ist, besteht keine Veranlassung, die Anforderungen an die bei juristischen Personen erforderliche Legitimationskette aufzuweichen.

(Rn. 16) Die oben inhaltlich wiedergegebene Bescheinigung des Notars Q2 genügt daher den grundbuchrechtlichen Anforderungen an den Nachweis einer Vertretungsbefugnis der handelnden Personen nicht. Es fehlt der grundbuchrechtliche Nachweis, dass die Vollmachtserteilung gegenüber Frau C und Herr y ihrerseits durch eine Person vorgenommen worden ist, die dazu berechtigt war. Die P Aktiengesellschaft kann als juristische Person eine entsprechende Vollmacht

S. 312 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

nur durch entsprechend vertretungsberechtigte Personen erteilen. Diese sind in der Bescheinigung namentlich zu bezeichnen und ihre Vertretungsmacht ist nachzuweisen.“

e) Hinweise zur Formulierung

Der Notar hätte also bescheinigen müssen, wobei ich mit der Untervollmacht anfangen, dann ggf. die Hauptvollmacht und zuletzt den Handelsregistereintrag behandeln würde (von unten nach oben):

– Zunächst wie die bereits vorliegende Vollmachtsbescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO, oder allgemein etwa:

Mir liegt die Vollmachtsurkunde URNr. … des Notars … in …. vom …. in … erteilter Ausfertigung vor. Danach sind A. und B. gemeinsam zur Vertretung der P-AG bei Rechtsgeschäften beliebiger Art, insbes. auch zu Verfügungen über Grundstücke, bevollmächtigt.

– Zusätzlich aber noch die weitere Vertretungskette aufwärts bis zum Handelsregister (also ggf. nochmals die Bescheinigung der Hauptvollmacht, dann die Registerbescheinigung nach § 21 Abs. 1 BNotO).

Die Vollmacht wurde durch X und Y erteilt. Aufgrund Einsicht in das elektronische Handelsregister des Amtsgerichts …, Registergericht, vom … bescheinige ich, der Notar, weiter, dass dort unter HRB … die P-AG eingetragen ist und dass dort am … (also bei Erteilung der vorstehend genannten Vollmacht) X und Y als Vorstände eingetragen waren mit dem Recht, die P-AG gemeinsam zu vertreten.

2. Grundbuchamt muss Befreiung von § 181 BGB auch bei einseitiger Löschungsbewilligung infolge Aufhebung prüfen (OLG Nürnberg, 26.11.2015 - 15 W 1757/15)

OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.11.2015 - 15 W 1757/15,

RNotZ 2016, 267 = ZfIR 2016, 267,

Prüfung der Vertretungsberechtigung des Grundstückseigentümers bei Löschungs-bewilligung für Recht eines Dritten

Bewilligt der Grundstückseigentümer die Löschung eines Rechts als Vertreter des Betroffenen, so hat das Grundbuchamt zu prüfen, ob er hierzu berechtigt, insbesondere vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist, weil die Bewilligung der Verwirklichung und Beurkundung des materiellen Liegenschaftsrechts dient (Anschluss an BGH, 27. Februar 1980, V ZB 15/79, BGHZ 77, 7 und OLG München, 26. März 2012, 34 Wx 199/11, FamRZ 2012, 1672).

S. 313 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

a) Sachverhalt

– Im Jahr 2003 hatten die Eltern ihr Wohnhaus unter Nießbrauchsvorbehalt und mit einem durch Vormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruch auf die Tochter übertragen.

– Nahezu gleichzeitig hatten sie sich gegenseitig und ihrer Tochter umfassende Vorsorgevollmacht erteilt. Von den Beschränkungen des § 181 BGB war aber ausdrücklich nur der andere Ehegatte, nicht die Tochter befreit.

– Im Jahr 2011 verstarb die Mutter.

– Im Jahr 2015 bewilligte die Tochter aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht die Löschung von Nießbrauch und Vormerkung. Auf Zwischenverfügung des Grundbuchamtes legte die Tochter eine privatschriftliche Erklärung ihres Vaters vor, wonach dieser aufgrund seines Umzugs auf Nießbrauch und Rücküber-tragungsrecht verzichte (und er seine Tochter von § 181 BGB befreie).

Notar und Grundbuchamt waren unterschiedlicher Auffassung, ob die Tochter für die Grundbuchlöschung der Rechte des Vaters ihre Befreiung von § 181 BGB nach-weisen müsse.

– Der Notar meinte, dass dem Grundbuchamt nur die Löschungsbewilligung nach § 19 GBO nachzuweisen sei. Diese sei eine einseitige verfahrensrechtliche Erklärung. Eine Befreiung von § 181 BGB sei daher nicht erforderlich.

– Das Grundbuchamt meinte, dass aber für die zugrundeliegende Einigung über die Aufhebung des Rechts die Befreiung von § 181 BGB erforderlich sei.

Nur der Vollständigkeit halber: Die Löschung der Rechte nach der Mutter war kein Problem. Diese waren materiell mit dem Tod der Mutter erloschen. Deren Tod war durch eine beglaubigte Abschrift der Sterbeurkunde nachgewiesen. Die Tochter konnte daher die Löschung ohne (Nachweis der) Befreiung von § 181 BGB bewilligen.

b) OLG Nürnberg: Grundbuchamt muss Befreiung von § 181 BGB auch bei einseitiger Löschungsbewilligung prüfen, wenn materiell Aufhebung zugrunde liegt

Das OLG Nürnberg gab dem Grundbuchamt recht. Das Grundbuchamt müsse die Befreiung von § 181 BGB auch bei einer (einseitigen) Löschungsbewilligung prüfen, sofern dieser materiell-rechtlich eine Aufhebung des eingetragenen Rechts zugrunde liege.

(Rn. 25) „bb) Das Grundbuchamt hat jedoch zu Recht beanstandet, dass die Antragstellerin nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde.

S. 314 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Die Löschungsbewilligung als solche ist eine rein verfahrensrechtliche, einseitige Erklärung.

(Rn. 26) (1) Bei der Bewilligung gemäß § 19 GBO handelt es sich nach nunmehr herrschender Meinung zwar um eine rein verfahrensrechtliche Erklärung, die deshalb grundsätzlich nur verfahrensrechtlichen, nicht aber sachlich-rechtlichen Vorschriften unterliegt (vgl. OLG München FamRZ 2012, 1672 Rn. 6 nach juris; Demharter GBO 29. Aufl. § 19 Rn. 13 m.w.N.; hiervon geht auch BGH Rpfleger 2013, 378 Rn. 8 nach juris aus). Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts für rechtsgeschäftliche Erklärungen - hier also § 181 BGB - können daher nicht unmittelbar, sondern allenfalls entsprechend angewandt werden (OLG München FamRZ 2012, 1672 Rn. 6 nach juris). Insbesondere ist die Bewilligung von den zum Eintritt einer Rechtsänderung notwendigen sachlich-rechtlichen Erklärungen zu unterscheiden, wenn auch die eine in der anderen enthalten sein kann (Demharter GBO aaO. § 19 Rn. 16).“

Erfolgt die Löschung aber infolge Aufhebung des zugrundeliegenden Rechts, so hat der Vertreter nur dann Bewilligungsbefugnis, wenn er auch zur Aufhebung des Rechts befugt wäre. Dies muss das Grundbuchamt prüfen; hier muss es daher auch § 181 BGB prüfen.

(noch Rn. 26) „Die Bewilligung dient aber der Verwirklichung und Beurkundung des materiellen Liegenschaftsrechts. Daraus folgt, dass sie auch nur dann wirksam ist, wenn der Bewilligende die nach materiellem Recht zu beurteilende Macht zur Aufhebung der Belastung hat (vgl § 875 BGB), deren Löschung bewilligt werden soll (BGHZ 77, 7 Rn. 4 nach juris m.w.N.). Deshalb muss das Grundbuchamt prüfen, ob der Erklärende berechtigt ist, die Bewilligung für dritte Personen abzugeben und damit auch, ob § 181 BGB entgegensteht (OLG München FamRZ 2012, 1672 Rn. 7 nach juris).“

Sonst ginge der Schutz des § 181 BGB grundbuchverfahrensrechtlich ins Leere.

(Rn. 27) „Die Beschwerdeführerin ist ohne die Voraussetzungen für ein erlaubtes Insichgeschäft nicht zur Aufgabeerklärung hinsichtlich des Nießbrauchs und der Rückauflassungsvormerkung berechtigt (§§ 875, 181 BGB). § 181 BGB ist nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum eine Vorschrift, bei der ein Interessengegensatz zwischen den mehreren vom Vertreter repräsentierten Personen zwar gesetzgeberisches Motiv, aber zur Tatbestandserfüllung weder erforderlich noch ausreichend ist. Das besagt aber nicht, dass - mit Rücksicht auf die unbefriedigenden Ergebnisse einer solchen Gesetzesauslegung - der erwähnte Grundsatz keine Ausnahmen zuließe. Auch im vorliegenden Fall kommt eine vom Zweck des § 181 BGB losgelöste, ausschließlich formale Betrachtungsweise nicht in Betracht. Nach § 875 Abs 1 Satz 2 BGB kann der Grundpfandgläubiger das Recht durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt oder dem Begünstigten aufgeben. In beiden Fällen ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks der durch die Aufgabeerklärung materiell Begünstigte. Sachlich ist damit der Grundstückseigen-tümer der eigentliche Erklärungsempfänger. Ob er es auch formal ist, kann nicht entscheidend sein (BGHZ 77, 7 Rn. 6 nach juris; s.a. Demharter GBO aaO. § 19 Rn. 26). Denn es wäre nicht zu rechtfertigen, den im einen Fall (Erklärung gegenüber dem Begünstigten) eingreifenden Schutz des § 181 BGB im anderen Fall (Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt) nicht zu gewähren. § 181 BGB würde bei der Aufgabe von Grundpfandrechten seine Bedeutung verlieren, wenn er durch eine Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt umgangen werden könnte (vgl. zum Ganzen BGHZ 77, 7 = NJW 1980, 1577 Rn. 6 f. nach juris m.w.N.; OLG München FamRZ 2012, 1672 Rn. 9 nach juris; Staudinger/Schilken BGB Neubearbeitung 2014, § 181 Rn. 40).

(Rn. 28) Der Bundesgerichtshof (BGHZ 77, 7 Rn. 3 nach juris) hat dementsprechend die Wirksamkeit der Bewilligung von der materiellrechtlichen Wirksamkeit abhängig gemacht. Dies folgt aus dem mit der Eintragungsbewilligung verfolgten Verfahrenszweck, eine Grundbucheintra-gung zugunsten einer bestimmten Person zu bewirken. Wenn somit eine einseitige materiell-

S. 315 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

rechtliche Erklärung nötig ist (§ 875 BGB), dann bestehen für das Grundbuchamt in diesen Fällen stets offenkundige Zweifel an der Wirksamkeit dieser Erklärung, die im Hinblick auf die Pflicht des Grundbuchamts, das Grundbuch richtig zu halten, zur Beanstandung und Ablehnung der Eintragung berechtigen (Schöner/Stöber, GBO 15. Aufl. Rn. 3562).

Hier ist die Tochter zwar durch die privatschriftliche Erklärung des Vaters von § 181 BGB befreit. Dies ist aber nicht durch öffentliche Urkunde nachgewiesen.

c) Meinungsstand

Das OLG Nürnberg konnte sich auf eine Entscheidung des BGH berufen:

BGH, Beschl. v. 27.02.1980 - V ZB 15/79,

BGHZ 77, 7 = DNotZ 1981, 22 = NJW 1980, 1577 = Rpfleger 1980, 336 = WM 1980, 651

Erklärt Grundstückseigentümer Löschungsbewilligung für fremdes Grundpfandrecht in Vertretung, muss er seine Befreiung von § 181 BGB nachweisene

Ein Grundstückseigentümer, der dem Grundbuchamt gegenüber für sich und zugleich als Vertreter des Hypothekengläubigers die Löschung einer Hypothek beantragt und bewilligt, unterliegt den Beschränkungen des § 181 BGB.

Ebenso zitierte das OLG Nürnberg das OLG München:

OLG München, Beschl. v. 26.03.2012 - 34 Wx 199/11,

FamRZ 2012, 1672 = NotBZ 2012, 227 = RNotZ 2012, 506

Selbstkontrahierungsverbot gilt im Grundbuchverfahren für Löschungsbewilligung des Testamentsvollstreckers

1. Das Verbot des Insichgeschäfts gilt auch für die Bewilligung des Testaments-vollstreckers zur Löschung von Rechten der Erben an seinem Grundstück.

2. Zum Unrichtigkeitsnachweis bei möglicherweise "wiederaufgeladenen" Rück-auflassungsvormerkungen.

Die in Revision dazu ergangene BGH-Entscheidung behandelt die Frage des ersten Leitsatzes nicht, weil der BGH den zugrundeliegenden (bedingten) Rückübertragungs-anspruch bereits als erloschen ansah und daher eine Löschung wegen Unrichtigkeit zuließ.

Ebenso hatte das OLG Köln entschieden (was das OLG Nürnberg nicht zitierte):

OLG Köln, Beschl. v. 29.04.2013 - I-2 Wx 77/13,

FGPrax 2013, 153 = Rpfleger 2013, 609

S. 316 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Miteigentümer kann wegen Selbstkontrahierungsverbot nicht für Gläubiger die Löschung erklären

1. Der organschaftliche Vertreter einer belgischen Aktiengesellschaft kann grundsätzlich nicht in einer den Anforderungen des § 19 GBO genügenden Weise die Löschung eines auf die Aktiengesellschaft lautenden Grundpfandrechts bewilligen, wenn er zugleich (Mit-)Eigentümer des belasteten Grundstücks ist.

2. …

Hingegen hatte die Rechtsprechung früher zugelassen, dass der Grundpfandrechts-gläubiger zugleich in Vertretung des Eigentümers dessen Zustimmung zur Löschung nach § 27 GBO erklärte – oder umgekehrt (RGZ 152, 27; BayObLG HRR 1934 Nr. 1053; BayObLGZ 1951, 456; KG OLGE 20, 420).

Die Kommentierungen zur GBO behandeln das Problem meist bei § 27 GBO. Sie sind gespalten. Einen Nachweis der Befreiung von § 181 BGB fordern u.a.:

– Kohler, in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl. 2013, § 27 GBO Rn. 33;

– KEHE/Munzig, GBO, 7. Aufl. 2015, § 27 GBO Rn. 18;

– Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl. 2015, § 27 GBO Rn. 85;

Für entbehrlich halten den Nachweis u.a:

– Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 27 GBO Rn. 18;

– Meikel/Hertel, GBO, 11. Aufl. 2015, § 29 GBO Rn. 75;

– ebenso etwa Güthe/Triebel, S. 2052.

S. 317 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Von Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht ist grundbuch-tauglich

a) § 6 Abs. 2 BtBG (Betreuungsbehördengesetz)

Nach § 6 Abs. 2 BtBG (Betreuungsbehördengesetz) ist die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde „befugt, Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorge-vollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen“. Die Vorschrift wurde im Jahr 2005 eingefügt.415 2009 wurde ihr Wortlaut geändert.416

Nach dem ursprünglichen Gesetzeswortlaut war unklar, ob damit eine „öffentliche Beglaubigung“ i.S.d. § 129 BGB gemeint war, d.h. ob die Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde auch den Anforderungen des § 29 GBO bzw. § 12 HGB entsprach.417

Dies hat der Gesetzgeber im Jahr 2009 durch Einfügung des Wörtchens „öffentlich“ klargestellt. D.h. die Beglaubigung genügt insbes. auch für das Grundbuchverfahren.418

Die Betreuungsbehörde darf nur Vorsorgevollmachten beglaubigen, nicht andere General- oder Spezialvollmachten. Zum Nachweis der Beschränkung gegenüber dem Grundbuchamt genügt jedoch, wenn sich etwa aus der Bezeichnung als „Vorsorgevollmacht“ deren begrenzter Verwendungszweck ergibt; eine ausdrückliche Klausel zur Beschränkung im Innenverhältnis muss die Vollmacht nicht enthalten.419

Rechtspolitisch halte ich eine derartige Aufsplitterung von Beglaubigungszuständig-keiten für verfehlt.

b) Transmortale Vorsorgevollmacht (OLG Karlsruhe, 14.09.2015 - 11 Wx 71/15)

Dass die Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde „grundbuchtauglich“ ist, bestätigte jüngst das

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.09.2015 - 11 Wx 71/15,

BWNotZ 2016, 22 = FamRZ 2016, 577 = FGPrax 2016, 10,

Befugnis der Betreuungsbehörde zur Unterschriftsbeglaubigung auch bei trans-mortalen Vorsorgevollmachten

415 Gesetz vom 21. 4. 2005, BGBl 2005 I, 1073. 416 Gesetz vom 6. 7. 2009, BGBl 2009 I, 1696. 417 Vgl. die Darstellung des damaligen Meinungsstandes im Gutachten DNotI-Report 2005, 121. 418 OLG Dresden NotBZ 2010, 409; OLG Karlsruhe, BWNotZ 2016, 22 = FamRZ 2016, 577 =

FGPrax 2016, 10. 419 OLG Jena FamRZ 2014, 1139 = NotBZ 2014, 341.

S. 318 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Eine im Sinne von § 6 Absatz 2 Satz 1 BtBG öffentlich beglaubigte Vorsorge-vollmacht genügt den Anforderungen des § 29 GBO. Dabei umfasst die Befugnis der Betreuungsbehörde nach § 6 Absatz 2 Satz 1 BtBG, Unterschriften oder Hand-zeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen, auch transmortale Vorsorgevollmachten

Im zugrundeliegenden Sachverhalt war die Vollmacht ausdrücklich über den Tod hinaus erteilt. Nach dem Tod der Vollmachtgeberin hatte die Bevollmächtigte ein Grundstück der Vollmachtgeberin verkauft. Das Grundbuchamt hatte die Beglaubi-gung der Betreuungsbehörde dafür nicht für ausreichend gehalten.

Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe bleibt eine Vorsorgevollmacht auch dann Vorsorgevollmacht, wenn sie über den Tod hinaus (transmortal) erteilt wird. Daher könne die Betreuungsbehörde auch derartige Vorsorgevollmachten beglaubigen. Auch eine solche, von der Betreuungsbehörde beglaubigte transmortale Vollmacht genügt nach § 29 GBO gegenüber dem Grundbuchamt.

c) Auslegung eines Vollmachtsformulars (OLG Düsseldorf, 19.8.2015 - 3 Wx 148/15)

Tatbestand und Begründung der nächsten Entscheidung ergeben sich bereits aus dem Leitsatz:

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2015 - 3 Wx 148/15,

FamRZ 2016, 329 = MDR 2015, 1139 = ZEV 2015, 601,

Auslegung einer uneingeschränkt erteilten Vollmacht zur Vermögenssorge bei Verwendung eines Vollmachtsformulars

1. Die vom Erblasser uneingeschränkt erteilte Vollmacht für die Verwaltung seines Vermögens und alle dafür erforderlichen Rechtshandlungen:

"Sie darf mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte ... vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und ent-gegennehmen, sowie Anträge stellen, abändern, zurücknehmen, namentlich über Vermögensgegenstände jeder Art verfügen, Zahlungen und Wertgegen-stände annehmen, Verbindlichkeiten eingehen, Willenserklärungen bezüg-lich meiner Konten, ... abgeben. Sie darf mich im Geschäftsverkehr mit Kreditinstituten vertreten (bitte beachten Sie hierzu auch den nachfolgenden Hinweis)."

umfasst sowohl die Aufnahme eines Darlehens, als auch die Bestellung einer Grundschuld – nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung - sowie die Bewilligung von deren Eintragung.

S. 319 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Sie wird nicht durch den kleingedruckten Text: "Für Immobiliengeschäfte, Aufnahme von Darlehen sowie für Handelsgewerbe ist eine notarielle Vollmacht erforderlich!" eingeschränkt, der lediglich als rechtliche Erläuterung des Voll-machtsformulars durch dessen Verfasser und nicht als eine Willenserklärung des Vollmachtgebers zu verstehen ist.

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Es handelt sich nur um einen Warnhinweis des Formularherausgebers, nicht um eine inhaltliche Erklärung und Beschränkung durch den Vollmachtgeber. Wenn die Vollmacht beglaubigt ist, genügt sie daher auch gegen-über dem Grundbuchamt.

S. 320 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Grenzen des Erbnachweises durch notarielles Testament (CH)

Bei der Beurkundung eines notariellen Testaments oder eines Erbvertrages verweist der Notar gern darauf, dass sich der Erbe damit für das Grundbuchverfahren einen Erbschein erspart (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO).

Das stimmt natürlich nur, wenn es auch bei der in der notariellen Urkunde verfügten Erbfolge bleibt. Drei jüngere Entscheidungen mögen die Grenzen des Erbnachweises durch das notarielle Testament zeigen. (Eine andere Grenze wäre ggf. Auslands-vermögen. So verlangen z.B. Schweizer Banken ausnahmslos einen Erbschein und lassen das notarielle Testament nie genügen.)

1. Allgemeine Verwirkungsklausel entwertet notarielles Testament als Grund-buchnachweis

BGH, Beschl. v. 2.6.2016 - V ZB 3/14,

DNotZ 2016, 934 m. Anm. Becker = FamRZ 2016, 2006 = FGPrax 2016, 244 = ZEV 2016, 635 = ZNotP 2016, 314

Erbschein zur Grundbuchberichtigung bei notariellem Testament mit allgemein gehaltener Verwirkungsklausel erforderlich

Enthält ein notarielles Testament eine allgemein gehaltene Verwirkungsklausel oder eine spezielle Verwirkungsklausel mit nicht eindeutigen Verhaltens-anforderungen, erfordert der Nachweis der Erbfolge in der Regel die Vorlage eines Erbscheins.

a) Sachverhalt

– Eltern hatten sich in einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und die Kinder als Schlusserben eingesetzt (mit Teilungsanordnung).

– Am Schluss des Testaments heißt es: „Derjenige, der mit diesen Testamentsbestim-mungen nicht einverstanden ist, erhält nur den Pflichtteil unter Anrechnung dessen, was er bereits zu Lebzeiten von uns bekommen hat, wozu auch die Kosten einer Ausbildung, Ausstattung oder sonstige Zuwendungen gehören.“

– Nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils (des Vaters) verlangte das Kind 3 seinen Pflichtteil und erhielt ihn auch ausgezahlt.

– Nach dem Tod der Mutter und Eröffnung des notariellen Testaments nach der Mutter beantragte Kind 3 die Grundbucheintragung aller drei Kinder in Erbengemeinschaft. So geschah es.

– Kinder 1 und 2 waren gar nicht begeistert. Nachdem sie beim Grundbuchamt erfolglos waren, beantragten sie in der Rechtsbeschwerde in erster Linie die

S. 321 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Löschung der Eintragung der Beteiligten zu 3 als Miterbin, hilfsweise die Eintra-gung eines Amtswiderspruchs gegen diese Eintragung.

b) Erbschein bei allgemein gehaltener Verwirkungsklausel erforderlich

Vorliegend hätte das Grundbuchamt die Erbfolge nicht ohne Vorlage eines Erbscheins eintragen dürfen.

– Die Erbeinsetzung war (auflösend) bedingt (durch den Eintritt der Voraus-setzungen der Verwirkungsklausel). Ob die Bedingung eingetreten war oder nicht, konnte das Grundbuchamt aus der Testamentsurkunde nicht feststellen.

– Weil die Voraussetzungen nicht präzise gefasst waren (z.B. Verlangen und Erhalt einer Zahlung auf den Pflichtteil), konnte dem Grundbuchamt auch nicht durch eine ergänzende eidesstattliche Versicherung der Erben nachgewiesen werden, ob die Voraussetzungen der Verwirkung eingetreten waren oder nicht.

(Rn. 8) „a) Die Eintragung der Beteiligten als Eigentümer der Grundstücke ihrer Eltern setzte den Nachweis ihrer Erbfolge voraus. Der Nachweis der Erbfolge kann nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO im Grundsatz nur durch einen Erbschein geführt werden. Ergibt sich die Erbfolge nach dem eingetragenen Eigentümer aus einem notariell beurkundeten Testament, so genügt als Nachweis nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO die Vorlage des Testaments und der Niederschrift über dessen Eröffnung durch das Nachlassgericht. Uneingeschränkt gilt diese Möglichkeit aber nur, wenn die Erbeinsetzung in dem notariell beurkundeten Testament unbedingt erfolgt ist. Enthält das Testament dagegen eine bedingte Erbeinsetzung, so genügt es allein als Nachweis der Erb-folge nicht. Vielmehr ist das Grundbuchamt unter Reduktion seines Ermessens nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GBO gehalten, einen Erbschein oder für den Nachweis ausreichende Erklärungen der Beteiligten in der Form des § 29 GBO zu verlangen. Anerkannt ist das für den Fall eines notariell beurkundeten Testaments, das eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel enthält. Darunter sind Klauseln zu verstehen, nach denen der eingesetzte Erbe sein Erbrecht verlieren soll, wenn er nach dem ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt. Bei solchen Klauseln muss das Grundbuchamt nach herrschender Meinung entweder die Vorlage eines Erbscheins verlangen (so: LG Kassel, Rpfleger 1993, 397; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 35 Rn. 39; für Möglichkeit: OLG Frankfurt/Main, FamRZ 2012, 1591) oder wenigstens Erklärungen der Erben in der Form des § 29 GBO, dass sie den Pflichtteil nicht geltend gemacht haben (OLG Braunschweig, DNotZ 2013, 125, 126; OLG Hamm, ZEV 2011, 592, 593; OLG Köln, FGPrax 2010, 82 f.; Hügel/Wilsch, GBO, 3. Aufl., § 35 Rn. 117; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 35 GBO Rn. 87; wohl auch Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl., § 35 Rn. 124 f.).

(Rn. 9) b) Entsprechendes gilt bei allgemein gehaltenen Verwirkungsklauseln und bei speziellen Verwirkungsklauseln mit nicht eindeutigen Verhaltensanforderungen.

(Rn. 10) aa) Solche Verwirkungsklauseln führen ebenso wie eine Pflichtteilsstrafklausel nach § 2075 BGB dazu, dass die vorgesehene Erbeinsetzung durch den Umstand oder das Verhalten auflösend bedingt ist, an welchen oder welches die Klausel anknüpft (MüKoBGB/Leipold, 6. Aufl., § 2074 Rn. 29; Soergel/Loritz, BGB, 13. Aufl., § 2075 Rn. 5; Staudinger/Otte, BGB [2013], § 2074 Rn. 62). Für die Ermittlung, ob ein im Sinne solcher Verwirkungsklauseln sanktions-bewehrtes Verhalten des Bedachten vorliegt, bedarf es allerdings regelmäßig zunächst der Testamentsauslegung. Für diese ist allein der sich aus den Gesamtumständen ergebende Wille des Erblassers maßgeblich, der im Testament einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben muss (zum Ganzen BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 - IV ZR 202/07, NJW-RR 2009, 1455 Rn. 23).“

S. 322 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Mit den Mitteln des Grundbuchverfahrens kommt man hier nicht weiter. Deshalb ist ein Erbschein erforderlich.

(Rn. 11) „bb) Die bei der Ermittlung des Erblasserwillens gebotene Berücksichtigung der Gesamtumstände ist im Grundbucheintragungsverfahren regelmäßig nicht möglich. In diesem Verfahren können nämlich nach § 29 Abs. 1 GBO die für die Eintragung erforderlichen Erklärun-gen nur durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, andere Eintragungsvoraussetzun-gen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, nur durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden. Das Grundbuchamt darf deshalb bei der Berichtigung des Grundbuchs auf Grund eines öffentlichen Testaments regelmäßig nur das Testament, in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abgegebene Erklärungen der Beteiligten und offenkundige Umstände berücksichtigen, nicht jedoch andere Umstände, die nach dem materiellen Erbrecht bei der Ermittlung des Erblasser-willens aber zu berücksichtigen sind. Deshalb wird sich im Grundbucheintragungsverfahren regelmäßig nicht feststellen lassen, welches Verhalten des Bedachten bei einer allgemein gehaltenen Verwirkungsklausel oder bei einer speziellen Verwirkungsklausel mit nicht eindeutigen Verhaltensanforderungen zum Verlust des in dem Testament zugedachten Erbrechts führt. Das dem Grundbuchamt mit § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO eingeräumte Ermessen reduziert sich deshalb bei Testamenten mit solchen Verwirkungsklauseln auf null. Es bleibt dann bei der Rege-lung in § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, wonach das Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen ist.

c) Unrichtigkeit für Amtswiderspruch nicht glaubhaft gemacht

Soweit ist der Entscheidung voll zuzustimmen. Überrascht haben mich die weiteren Ausführungen des BGH, wonach kein Amtswiderspruch einzutragen sei. Denn die Unrichtigkeit des Grundbuchs sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

– Das OLG Frankfurt hatte als Vorinstanz argumentiert, das Kind 3 habe mit seiner Klage auf Auszahlung des Pflichtteils die Testamentsbestimmung nicht in Frage gestellt, sondern ihre darin enthaltene Enterbung ausdrücklich anerkannt.

– Das tat der BGH nicht etwa als Scherz ab, sondern als ernsthafte Auslegungsmög-lichkeit (ähnlich schon eine Auslegung in OLG Colmar, Recht 1905 Nr. 2556).

– Auch denkbar sei aber, dass die Verwirkungsklausel schärfer als eine Pflichtteils-strafklausel gemeint war.

Weil aber bei bloßer Auslegung der Testamentsurkunde die letztere Auslegung nicht „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ festzustellen sei, sei die Unrichtigkeit nicht glaubhaft gemacht und daher kein Amtswiderspruch einzutragen.

Bei den Veranstaltungen werde ich den Test machen, wie die Kollegen die Klausel verstehen. Meine Schätzung ist, dass an keinem Veranstaltungsort auch nur 10% der Teilnehmer die erste Auslegungsvariante für vertretbar halten, wonach das Kind durch seine Pflichtteilsforderung nach dem erstversterbenden Elternteil das Testament nicht in Frage gestellt, sondern anerkannt habe.

Geholfen hätte der Amtswiderspruch den Kindern 1 und 2 aber nicht wirklich. Über das Grundstück verfügen können sie nur, wenn sie einen Erbschein für sich ohne Kind 3 haben. Und dass Kind 3 einstweilen mit im Grundbuch steht, gefährdet sie nicht.

S. 323 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag – kein Erbschein erforderlich (OLG München, 28.10.2015 - 34 Wx 92/14)

Pflichtteilsstrafklauseln beurkunde ich eher selten. Aber einen Rücktrittsvorbehalt enthält praktisch jeder von mir beurkundete Erbvertrag. Die Beteiligten müssen schon sehr hartnäckig sein, ehe ich einen Erbvertrag ohne Rücktrittsvorbehalt beurkunde. Ich male ihnen dann die Gefahren deutlich aus.

Ich denke, auch die meisten der von Ihnen beurkundeten Erbverträge werden einen Rücktrittsvorbehalt enthalten. Daher wäre es störende, wenn sie deswegen nicht oder nur eingeschränkt als Nachweis im Grundbuchverfahren verwendet werden könnten.

Hier ist von einer erfreulichen Entscheidung des OLG München zu berichten:

OLG München, Beschl. v. 28.10.2015 - 34 Wx 92/14,

MittBayNot 2016, 144 = NJW-RR 2016, 523 = RNotZ 2016, 92 = Rpfleger 2016, 220 = ZEV 2015, 705,

Grundbuchberichtigung: Anforderungen an Nachweis der Erbfolge bei Rücktritts-vorbehalt im Erbvertrag

Für den zur Grundbuchberichtigung erforderlichen Nachweis der Erbfolge bei vor-behaltenem Rücktritt im Erbvertrag ist neben der Vorlage der notariellen Urkunde und der Eröffnungsniederschrift jedenfalls nach Einführung des Zentralen Testa-mentsregisters keine eidesstattliche Versicherung mehr dazu erforderlich, dass das Rücktrittsrecht nicht ausgeübt wurde (Abweichung von Senat vom 3. November 2011, 34 Wx 272/11, NotBZ 2012, 56; Anschluss an OLG Düsseldorf vom 25. April 2013, I-3 Wx 219/12, NotBZ 2013, 264).

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten sich die Erblasser ein ganz normales, voraussetzungsloses und umfassendes Rücktrittsrecht vorbehalten. Nach dem Tod eines der Ehegatten hatte das Grundbuchamt vom überlebenden Ehegatten eine eides-stattliche Versicherung verlangt, dass das Rücktrittsrecht nicht ausgeübt worden war – wie dies das OLG München noch in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 gefordert hatte. Der überlebende Ehegatte hielt dies nicht für erforderlich.

Das OLG München revidierte seine frühere Rechtsprechung und folgte der wohl h.M., wie sie in der obergerichtlichen Rechtsprechung bisher bereits das OLG Düssel-dorf vertreten hatte.

(Rn. 10) „b) Bildet ein notwendigerweise notariell geschlossener Erbvertrag die letztwillige Verfügung (§§ 1941, 2274 ff., § 2276 BGB) und hat sich der Erblasser in diesem ein (unbeschränktes) Rücktrittsrecht (§ 2293 BGB) vorbehalten, so ist umstritten, ob dies schon das Verlangen des Grundbuchamts nach der Vorlage eines Erbscheins rechtfertigt. Zum Teil wird vertreten, hinsichtlich des Umstands, dass dieses Recht nicht ausgeübt wurde - einer sogenannten Negativtatsache -, bestehe eine Nachweislücke. In diesem Fall würde das Nachlassgericht ohne weitere Ermittlungen eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 2356 Abs. 2 BGB der Erbscheins-

S. 324 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

erteilung zugrunde legen (BayObLG NJW-RR 2003, 736; Böhringer Rpfleger 2003, 157/167). Entsprechend verhalte es sich bei notariellen Testamenten mit Pflichtteilsstrafklauseln, wenn unklar ist, ob der Pflichtteil verlangt worden ist (vgl. Demharter MittBayNot 2013, 471/472; Völzmann RNotZ 2012, 380/384). In diesen Fällen müsse daher auch das Grundbuchamt einen Erbschein oder eine vor dem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung verlangen und verwerten (Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 35 Rn. 112; vgl. dazu Meikel/Krause GBO 11. Aufl. § 35 Rn. 125 m. w. N.).

(Rn. 11) Dem ist der Senat für den Fall, dass es sich nicht nur um ein gesetzliches Rücktritts-recht gemäß § 2295 BGB handelt, mit dem Argument gefolgt, die Zuverlässigkeit des Grundbuch-inhalts würde darunter leiden, wenn die bestehende Nachweislücke nicht durch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung geschlossen würde; diese Lücke lasse sich auch nicht durch sonstige - dem Grundbuchamt verwehrte - Ermittlungen oder gar bloße Vermutungen schließen (vgl. Beschluss vom 3.11.2011; zustimmend Völzmann RNotZ 2012, 380/385). Schließlich diene § 34a BeurkG allein der erleichterten Feststellung des Erbrechts durch das Nachlassgericht oder ermögliche sie erst, wogegen für den grundbuchrechtlichen Nachweis die spezielle Regel des § 35 GBO gelte.

(Rn. 12) c) Indessen hält die wohl überwiegende Meinung einen - zusätzlichen - Nachweis für entbehrlich, wenn für die Ausübung des vorbehaltenen Rücktritts keine greifbaren Anhalts-punkte ersichtlich sind (OLG Düsseldorf MittBayNot 2013, 490 m. w. N.; zustimmend Demhar-ter § 35 Rn. 39; derselbe ZfIR 2013, 471; von Rintelen NotBZ 2013, 265; Braun MittBayNot 2013, 48; Lehmann/Schulz ZEV 2012, 538/539; ebenso bereits LG Kleve MittRhNotK 1989, 273). Das Grundbuchamt habe im Regelfall die Wirksamkeit und damit auch die Negativtatsache der Nichtaufhebung zu unterstellen, da sonst § 35 GBO regelmäßig ins Leere laufe (Tönnies RNotZ 2012, 326/327). Durch § 34a BeurkG (in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Benachrichtigungswesens in Nachlasssachen durch Schaf-fung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer und zur Fristverlängerung nach der Hofraumverordnung vom 22.12.2010; BGBl I S. 2255) sei sichergestellt, dass eine Rücktrittserklärung dem Nachlassgericht und damit auch dem Grundbuchamt bekannt wird (Braun MittBayNot 2013, 48/49; von Rintelen NotBZ 2013, 264/266). Zudem könne der Erbe in den meisten Fällen nicht guten Gewissens an Eides statt versichern, dass der Erblasser nicht vom Erbvertrag zurückgetreten sei; er könne regelmäßig nur versichern, dass ihm davon nichts bekannt sei, was aber den Nachweisgehalt der eidesstattlichen Versicherung zweifelhaft mache (Tönnies RNotZ 2013, 326/327).“

Als Argument, jetzt anders zu entscheiden, führt das OLG München das Zentrale Testamentsregister an. Dadurch sehe das Nachlassgericht – und damit indirekt aufgrund der Eröffnung auch das Grundbuchamt -, dass kein Rücktritt erfolgt sei. Denn der Rücktritt sei beurkundungsbedürftig. Und der Notar müsste den Rücktritt an das Zentrale Testamentsregister melden.

(Rn. 13) „d) Jedenfalls nach Einführung des Zentralen Testamentsregisters hält der Senat an der Notwendigkeit, die Nichtausübung des vorbehaltenen Rücktritts vom Erbvertrag durch eides-stattliche Versicherung dem Grundbuchamt gegenüber nachzuweisen, nicht mehr aufrecht. Viel-mehr erscheint die Vorlage des Erbvertrags und der Eröffnungsniederschrift ausreichend. So wurde schon bisher bei Vorlage eines öffentlichen Testaments und dessen Eröffnungsniederschrift ein Nachweis nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO, dass es kein aufhebendes Testament gibt, nicht verlangt, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Existenz bestanden (OLG Frankfurt FGPrax 1998, 207; Demharter § 35 Rn. 39). Begründen lässt sich dies damit, dass das Grundbuchamt der Eröffnungsniederschrift (§ 348 FamFG) oder den beizuziehenden Nachlass-akten die Angaben nach §§ 2354, 2355 BGB entnehmen kann. Diese müssen nach § 2356 Abs. 2 BGB regelmäßig und insbesondere auch eine eidesstattliche Versicherung zur Frage enthalten, ob weitere Verfügungen von Todes wegen vorhanden sind (§ 2354 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Ergibt sich daraus kein konkreter Anhaltspunkt für das Vorliegen einer neuen, aufhebenden Verfügung, fehlt

S. 325 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

auch dem Grundbuchamt ein auf Tatsachen gestützter Anlass zu Zweifeln an der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung.

(Rn. 14) Nach § 34a BeurkG in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung sind alle beurkundeten erbfolgerelevanten Umstände an eine zentrale Registerbehörde mitteilungspflichtig. Da gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Testamentsregister-Verordnung nun regelmäßig eine Meldung der Register-behörde an das Nachlassgericht zu erfolgen hat, kann auch nicht mehr von konkreten Anhalts-punkten für einen Rücktritt ausgegangen werden, wenn sich ein Rücktritt nicht aus den Nachlass-akten oder der Eröffnungsniederschrift ergibt. Insoweit „strahlt“ die durch das Zentrale Testa-mentsregister geschaffene zusätzliche Sicherheit auch auf die Nachweisanforderungen für die Erbfolge im Grundbuchverfahren aus.“

3. Testamentarischer Erbe schlägt aus – Erbschein für Ersatzerben erforderlich (OLG München, 24.8.2016 - 34 Wx 216/16)

Sehr streng in seinen Anforderungen ist hingegen:

OLG München, Beschl. v. 24.8.2016 - 34 Wx 216/16,

ZEV 2016, 532,

Erbschein erforderlich, wenn der durch notarielles Testament eingesetzte Erbe ausgeschlagen hat.

Zum Nachweis der Erbfolge durch öffentliche Urkunde, wenn Grundbuchberichti-gung durch Eintragung der Ersatzerben nach Ausschlagung der berufenen Erbin beantragt wird.

Der Sachverhalt ist nicht gerade häufig, kommt aber doch gelegentlich vor:

– Ehegatten hatten sich erbvertraglich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und die beiden Kinder als Ersatz- sowie Schlusserben eingesetzt.

– Nach dem Tod des Ehefrau schlug die Ehefrau das Erbe aus (vielleicht aus steuer-lichen Gründen oder weil sie meinte, es sollten ruhig gleich die Kinder bekommen).

– Ein Kind beantragte Grundbuchberichtigung (für beide Kinder) unter Verweis auf den notariellen Erbvertrag und eine beglaubigte Abschrift der Erbausschlagung der Mutter.

Das OLG München sieht dies als nicht ausreichend an. Denn damit stünde noch nicht fest, ob die Erbausschlagung auch fristgerecht eingegangen und sonst wirksam sei:

(Rn. 18) „aa) Es wird vertreten, dass das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Ausschlagung einer Erbschaft grundsätzlich in eigener Verantwortung zu prüfen habe (LG Aschaffenburg ZEV 2009, 577). Dann aber muss das Grundbuchamt anhand der vorgelegten Urkunden insbesondere prüfen können, ob die Ausschlagung form- und fristgerecht (vgl. §§ 1944, 1945 BGB) erfolgt ist. Jedenfalls die Einhaltung der Frist ist hier urkundlich (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GBO) nicht nach-gewiesen. Die vorgelegte beglaubigte Kopie der notariell beglaubigten Ausschlagungserklärung lässt einen Eingangsstempel des Nachlassgerichts nicht erkennen. Aus dem Datum der gericht-lichen Beglaubigung (1.6.2016) kann auf die Einhaltung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist

S. 326 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(§ 1944 BGB) nicht rückgeschlossen werden. Das vom Beteiligten vorgelegte Anschreiben des Nachlassgerichts vom 24.8.2015 führt zwar dessen Miterbenberufung - „nach Ausschlagung von B. Helga“ - an, was darauf hindeutet, dass die Ausschlagungserklärung vom 4.8.2015 dem Nachlassgericht zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen hat. Ein Beweismittel im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO bildet diese formlose Feststellung jedoch nicht (vgl. BayObLGZ 1989, 8/11), und zwar weder in Bezug auf den zeitgerechten Zugang gegenüber dem Nachlassgericht noch in Bezug auf die Wirksamkeit der Erklärung im Übrigen.“

Ein Trost: Wenn Nachlassgericht und Grundbuchamt beim selben Amtsgericht sind (wie in der Praxis häufig), kann das Nachlassgericht das Eingangsdatum feststellen. Dies hatte das LG Aschaffenburg420 genügen lassen – m.E. zu recht. Das OLG München legt sich aber nicht fest, ob es das als Offenkundigkeit genügen lassen würde.

(Rn. 19) „bb) Ob Offenkundigkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO den förmlichen Nachweis auch im Rahmen von § 35 GBO erübrigt (so BayObLGZ 1907, 414/417; siehe auch BayObLGZ 1989, 8/12 unter II. 3. c)); L. Böttcher ZEV 2009, 579/580), kann auf sich beruhen. Als offenkundig in diesem Sinne gelten Tatsachen, die dem Grundbuchamt amtlich oder außeramtlich zweifelsfrei bekannt sind (Demharter § 29 Rn. 60). Aktenkundige Tatsachen wie etwa der Eingang einer Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht können dadurch zu offenkundigen Tatsachen werden, indem der Antragsteller auf sie hinreichend deutlich verweist (Hügel/Otto § 29 Rn. 212 f.; Heinze ZfIR 2011, 109/111). Das gilt aber nur für Verweise auf (Nachlass-)Akten desselben Amtsgerichts, nicht für Verweise auf Akten anderer Gerichte (OLG Bremen ZfIR 2011, 108/109 mit Anm. Heinze; Knothe in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 29 Rn. 162; Meikel/Hertel § 29 Rn. 622). Es besteht auch keine Pflicht des Grundbuchamts, sich Kenntnisse aus Akten anderer Gerichte als desjenigen zu verschaffen, zu dem das Grundbuchamt gehört (OLG Bremen ZfIR 2011, 108/109; Meikel/Hertel § 29 Rn. 621/622; a. A. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 789). Dies wäre nicht mit dem Beibringungsgrundsatz im Eintragungsantragsverfahren in Einklang zu bringen (vgl. Meikel/Böttcher Einl C Rn. 95).“

Auch wenn die form- und fristgerechte Ausschlagung nachgewiesen nicht, behält sich das OLG München vor, dennoch einen Erbschein zu verlangen. Denn die Ausschlagung könnte ja aus anderen Gründen unwirksam sein. Wohl wahr. Aber das geht m.E. zu weit, wenn es keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Unwirksamkeit gibt.

(Rn. 20) „cc) Schließlich kann es auf sich beruhen, ob bei einem formgerechten Nachweis des rechtzeitigen Eingangs der Ausschlagungserklärung das Grundbuchamt die Erbscheinsvorlage nicht verlangen dürfte (so im Ergebnis LG Aschaffenburg ZEV 2009, 577; a. A. Hügel/Wilsch § 35 Rn. 123). Es mag sein, dass der Erbvertrag aus dem Jahr 2015 die Ersatzerbfolge des Betei-ligten und seiner Schwester zu gleichen Teilen nach Helga B. (vgl. § 1953 Abs. 2 BGB) förmlich belegt. Doch deckt auch ein förmlicher Nachweis über Form und Frist der Ausschlagung nicht weitere tatsächliche Fragen zur Wirksamkeit der Ausschlagung ab, zu denen etwa diejenige gehört, ob wegen vorheriger Annahme (§ 1943 BGB) nicht mehr wirksam ausgeschlagen werden konnte (§ 1943 BGB; siehe dazu Senat vom 29.1.2016, 34 Wx 50/15 = FamRZ 2016, 1400). Die Annahme der Erbschaft kann ausdrücklich, aber auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (Palandt/Weidlich § 1943 Rn. 1 f.). Ob sie als bloß abstrakte Möglichkeit (vgl. Hügel/Wilsch § 35 Rn. 121 a. E.), namentlich im Hinblick auf die engen zeitlichen Verhältnisse zwischen dem Erbfall (8.7.2015) und dem Datum der Ausschlagungserklärung (4.8.2015) noch vor der nachlassgericht-lichen Eröffnung der Erbverträge, außer Betracht bleiben könnte, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung.“

420 LG Aschaffenburg, Urt. v. 12.08.2009 – 4 T 113/09, FamRZ 2010, 1373 = MittBayNot 2009, 467

= RNotZ 2009, 656 = ZEV 2009, 577.

S. 327 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

III. Neues zur GbR im Grundbuch (SH)

1. Eintragung eines GbR-Gesellschafterwechsels aufgrund Erbfolge

a) Einführung

Aufgrund der Publizitätswirkung der Eintragung auch der Gesellschafter einer GbR im Grundbuch gemäß § 899a BGB liegt es im Interesse aller Gesellschafter, den verlautbarten Gesellschafterstand stets aktuell zu halten. Gemäß § 47 Abs. 2 S. 2 GBO gelten für die Gesellschafter die für den Rechtsinhaber geltenden Vorschriften entsprechend.

Im Einzelnen bedeutet dies:

Bei Ausscheiden eines Gesellschafters bedarf es der Eintragungsbewilligung lediglich des ausscheidenden, nicht auch die der verbleibenden Gesellschafter, oder eines Unrichtigkeitsnachweises.421

Bei Eintritt eines neuen Gesellschafters sind die Eintragungsbewilligungen der bisherigen und die Zustimmung des eintretenden Gesellschafters (§ 22 Abs. 2 GBO) erforderlich, alternativ ein Unrichtigkeitsnachweis.

Bei Übertragung eines Geschäftsanteils sind die Eintragungsbewilligungen des übertragenden und der verbleibenden Gesellschafter sowie die Zustimmung des Erwerbers (§ 22 Abs. 2 GBO) erforderlich, alternativ wiederum ein Unrichtigkeitsnachweis. Die Bewilligungen der verbleibenden Gesellschafter sind entbehrlich, wenn die Zulässigkeit der Übertragung nach Maßgabe von § 29 GBO nachgewiesen ist.422

b) Gesellschafterwechsel aufgrund Erbfolge

Welche grundbuchverfahrensrechtlichen Anforderungen an die Berichtigung des Gesellschafterbestands im Falle des Todes eines Gesellschafters zu stellen sind, ist noch nicht abschließend geklärt.

aa) Bewilligungsvariante

Einigkeit besteht jedenfalls insoweit, als es grundsätzlich

der Bewilligung durch alle verbleibenden Gesellschafter

und

durch die Erben im Sinne von § 35 Abs. 1 GBO

bedarf.

421 OLG München NJW-RR 2013, 589 m.w.N.; a.A. OLG Brandenburg BeckRS 2016, 09266 Tz. 69. 422 Vgl. Heinze, RNotZ 2016, 24, 27 f.; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 899a Rn. 3 m.w.N.

S. 328 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(1) OLG München, Beschl. v. 6.4.2016 - 34 Wx 426/15

Nach (noch) herrschender, jüngst vom OLG München mit Beschluss vom 6.4.2016 (34 Wx 426/15)423 bestätigter Meinung ist stets zusätzlich die aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrags vorzulegen (in der Form des § 29 GBO bzw. in bloßer Schriftform verbunden mit einer eidesstattlichen Versicherung).

Tz. 18: „Die begehrte Eintragung des Beteiligten auf der Grundlage des Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 Abs. 1 GBO setzt mithin nicht nur den Erbennachweis gemäß § 35 GBO, sondern darüber hinaus den Nachweis des Fortbestands der Gesellschaft (entgegen § 727 Abs. 1 BGB) und der Nachfolge des Erben in den Gesellschaftsanteil voraus (zu allem bereits BayObLGZ 1991, 301).“

Pointierter hatte das OLG München die Anforderungen bereits in seinem Beschluss vom 22.9.2015 (34 Wx 47/14) formuliert:

Der Erbnachweis macht einen zusätzlichen Nachweis zum Vorhandensein und etwaigen Inhalt einer gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklausel nicht entbehrlich. Liegt ein – schriftlicher – Gesellschaftsvertrag nicht vor, kann das Grundbuchamt zur Glaubhaftmachung seines Inhalts grundsätzlich eidesstattliche Versicherungen des verbliebenen Gesellschafters und des (der) Erben verlangen. Von Vertretern im Urkundstermin abgegebene „einfache“ – wenn auch nachgenehmigte – Erklärungen zur Nachfolge in den Gesellschaftsanteil genügen dafür regelmäßig nicht.424

(2) KG, Beschl. v. 29.3.2016 - 1 W 907/15

Demgegenüber steht die vom Kammergericht mit Beschl. v. 29.3.2016 angeführte Gegenansicht425 auf dem Standpunkt, dass es für die Grundbuchberichtigung nach dem Tod eines im Grundbuch eingetragenen GbR-Gesellschafters keiner Vorlage des Gesellschaftsvertrags bedarf, wenn die Erbfolge nach Maßgabe von § 35 GBO nachgewiesen ist und sowohl die Erben als auch die weiteren im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter die Berichtigung gemäß §§ 19, 29 Abs. 1 S. 1 GBO bewilligen.

Tz. 3: „Die Buchberechtigung des Verstorbenen ist als gesonderte Rechtsposition gem. § 1922 Abs. 1 BGB auf seine Erben übergegangen […]. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Rechtsnachfolge beim Tod eines GbR-Gesellschafters grds. nicht nach dem Erbrecht, sondern nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags vollzieht. Dennoch gehört der Gesellschaftsanteil insofern zum Nachlass, als er Teil des vom Erblasser hinterlassenen Vermögens ist […], und kann die in der Buchberechtigung liegende Legitimation als vermögenswerte Position nach § 1922 Abs. 1 BGB dem Erben anfallen, auch wenn er nicht Inhaber des für den Verstorbenen verlautbarten Rechts wird.

423 OLG München notar 2016, 310 (Spieker) = NZG 2016, 624 = RNotZ 2016, 393. 424 OLG München MittBayNot 2016, 324 m. Anm. Volmer = NJW-RR 2016, 83 = RNotZ 2015, 636. 425 KG MittBayNot 2016, 328 = RNotZ 2016, 328 = Rpfleger 2016, 548 = ZEV 2016, 338 m.w.N.;

Tomasic, MittBayNot 2016, 479.

S. 329 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Zudem sind die Erben und die weiteren Gesellschafter die einzigen Personen, auf die der Gesellschaftsanteil gem. § 727 BGB oder aufgrund einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag mit dem Tod des bisherigen Gesellschafters übergegangen sein kann […].

Es ist unerheblich, ob Dritte aufgrund einer im Gesellschaftsvertrag bestimmten Eintrittsklausel ihre Aufnahme in die Gesellschaft verlangen können. Zwar ist nicht auszuschließen, dass nach dem Tod des Gesellschafters ein solcher Eintritt erfolgt ist oder auch die verbliebenen Gesellschafter den Anteil des Verstorbenen, der ihnen im Zeitpunkt seines Todes angewachsen ist, auf beliebige andere Personen übertragen haben. Die Möglichkeit, dass eine bewilligte Berichtigung zum Zeitpunkt ihrer Eintragung nicht mehr zutrifft, besteht bei Rechten, die außerhalb des Grundbuchs übertragbar sind, aber immer […].“

Tz. 4: „Die Lösung des BayObLG ist auch deshalb systemwidrig, weil für eine Grundbuchberichtigung nicht beides verlangt werden kann, Berichtigungsbewilligung (§ 19 GBO) und Unrichtigkeitsnachweis (§ 22 Abs. 1 S. 1 GBO). Muss für die Bewilligungsberechtigung nachgewiesen werden, wer der wahre Berechtigte ist, bedarf es keiner Bewilligungserklärung. Zudem ist der im Todeszeitpunkt geltende Gesellschaftsvertrag überwiegend nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nachweisbar; das ist mit den anerkannten Ausnahmen vom Formerfordernis nicht vergleichbar […]. Selbst wenn ein Gesellschaftsvertrag beurkundet wurde, kann er nachträglich geändert worden sein. […] Auskunft über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags können in erster Linie die Gesellschafter und ggf. die Erben geben. Diese haben aber bereits in der Bewilligung nach § 19 GBO schlüssig darzulegen, dass das Grundbuch durch die gewollte Eintragung richtig wird.“

(3) Stellungnahme

Die vorstehend wiedergegebenen Argumente des Kammergerichts überzeugen. Es ist nicht einzusehen, weshalb über die Bewilligungen sämtlicher Betroffener hinaus zusätzlich ein Nachweis des Fortbestehens der Gesellschaft zu führen ist, da Letzterer die Bewilligungen gerade entbehrlich macht und eine Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 S. 1 GBO gestatten würde (dazu sogleich).

bb) Unrichtigkeitsnachweis

Alternativ kommt selbstverständlich auch insoweit ein Unrichtigkeitsnachweis in Betracht, welcher sich auf die Erbfolge nach Maßgabe von § 35 Abs. 1 GBO, den aktuellen Stand des Gesellschaftsvertrags (in der Form des § 29 GBO bzw. in bloßer Schriftform verbunden mit einer eidesstattlichen Versicherung) und ggf. auf die Erfüllung von gesellschaftsvertraglichen Qualifikationsmerkmalen zu erstrecken hat.

2. Verpfändung eines GbR-Anteils kann nicht im Grundbuch eingetragen werden

Mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts scheidet die Eintragung der Verpfändung eines Gesellschaftsanteils in das Grundbuch eines im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücks aus.

BGH, Beschl. v. 20.5.2016 - V ZB 142/15,

DNotI-Report 2016, 152 = DNotZ 2016, 925 = MittBayNot 2017, 83 = RNotZ 2017, 28.

S. 330 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. Wertlosigkeit von trans- bzw. postmortalen Vollmacht für den Alleinerben? (SH)

1. Vorteile einer trans- bzw. postmortalen Vollmacht

Erst jüngst wurde wieder nachdrücklich auf die große Bedeutung von trans- bzw. postmortalen Vollmachten für die Nachlassabwicklung hingewiesen.426 Erteilt der spätere Erblasser eine derartige Vollmacht, z. B. in Gestalt einer sog. General- und Vorsorgevollmacht, wird auf diese Weise die Nachlassabwicklung erheblich erleichtert und die Handlungsfähigkeit im Hinblick auf nachlasszugehörige Vermögensgegenstände aufrechterhalten. Liegt die Vollmacht in beurkundeter oder zumindest in öffentlich beglaubigter Form (§ 29 GBO) vor, stehen dem Bevollmächtigten im Wesentlichen dieselben Befugnisse wie dem Erblasser zu Lebzeiten zu. Auch Verfügungen über Bankkonten und über Immobilien sind daher grundsätzlich ohne weitere Nachweise möglich.427

Ohne eine den Anforderungen des § 29 GBO genügende Vollmacht müsste andernfalls ein zeit- und kostenintensives Erbscheinserteilungsverfahren durchlaufen werden. Selbst wenn eine Verfügung von Todes wegen in einer öffentlichen Urkunde vorliegt (vgl. § 35 Abs. 1 GBO), ist der Nachlass nicht sofort handlungsfähig, da es zusätzlich der Niederschrift über die Eröffnung der letztwilligen Verfügung bedarf.

Bei Immobilien gelten allerdings gewisse Besonderheiten. Zwar ist in § 40 Abs. 1 GBO eine Ausnahme von der grundsätzlich erforderlichen Voreintragung des Erben für die Übertragung oder Aufhebung von Immobiliarrechten normiert. Nach (mit Blick auf Normzweck im Ergebnis zweifelhafter) hM soll diese Spezialregelung streng nach dem Wortlaut nicht für sonstige Verfügungen gelten. Sollen im Rahmen der Veräußerung von nachlasszugehörigen Immobilien – wie im Regelfall – Finanzierungsgrundpfandrechte durch den Käufer aufgrund einer Finanzierungsvollmacht des Verkäufers bestellt werden, bedarf es somit der vorherigen Eintragung der Erben, wenn nicht einer der in § 40 Abs. 1 GBO normierten Spezialfälle vorliegt (Eintragungsantrag durch Bewilligung des Erblassers/Nachlasspfleger oder vollstreckbarer Titel gegen einen der Vorgenannten).428

426 Glenk, NJW 2017, 452. 427 Die Erben, die das Handeln des Bevollmächtigten gegen sich gelten lassen müssen, sind

hinreichend dadurch geschützt, dass sie die vom Erblasser erteilte Vollmacht jederzeit widerrufen können.

428 KG FGPrax 2011, 270; OLG München MittBayNot 2006, 496; Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl. 2013, § 40 Rn. 21; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 142; BeckOK-GBO/Zeiser, Stand 1.11.2016, § 40 Rn. 20; aA Milzer, DNotZ 2009, 325. Vgl. zum Streitstand auch DNotI-Abrufgutachten Nr. 112811.

S. 331 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Problem: Bevollmächtigung des späteren Alleinerben

Gerade in dem bei wertender Betrachtung unproblematischsten Fall des Handelns aufgrund einer trans-/postmortalen Vollmacht, der Bevollmächtigung des späteren Alleinerbens, ist ungewiss, ob die Vollmacht ihren vorgenannten Zweck erfüllen kann, da in diesem Fall Geschäftsherr (= Erbe) und Bevollmächtigter personenidentisch sind. Rechtskonstruktiv ist eine Identität von Bevollmächtigtem und Vertretenem jedenfalls im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung ausgeschlossen.

Die obergerichtliche Rechtsprechung geht bei Personenidentität von Bevollmächtigtem und Erben unter Verweis darauf, eine Stellvertretung sei bei Zusammenfallen der Stellung als Bevollmächtigter und als Vertretener bereits begrifflich unmöglich, von einem Erlöschen der Vollmacht aus.429 Demgegenüber verneint eine auf das LG Bremen430 zurückgehende Auffassung mit unterschiedlichen Begründungen ein automatisches Erlöschen der Vollmacht, wenn der Vollmachtgeber vom Bevollmächtigten alleine beerbt wird.431 Nach einer vermittelnden Ansicht soll die dem Alleinerben erteilte Vollmacht grundsätzlich infolge Konfusion erlöschen, jedoch ein vom Alleinerben/Bevollmächtigten in Unkenntnis des Todes des Vollmachtgebers abgeschlossenes Rechtsgeschäft wirksam bleiben, da es „als Willenserklärungen im eigenen Namen umzudeuten“ sei.432

3. Aktuelle Rechtsprechung des OLG München

In gleich drei aktuellen Entscheidungen hatte sich der 34. Zivilsenat des OLG München mit der Frage der Verwendbarkeit einer transmortalen Vollmacht durch einen (potentiellen) Alleinerben zu befassen.

Während der Senat in seiner ersten Entscheidung vom 4.8.2016 an seiner bisherigen Linie festhält, wonach der Vollmacht jedenfalls eine fortdauernde Legitimationswirkung zukommen könne und es daher grundsätzlich keiner weiteren Nachweise mehr bedürfe, fordert er im Beschluss vom 31.8.2016 in Übereinstimmung mit dem OLG Hamm einen Erbnachweis nach § 35 GBO, wenn der transmortal Bevollmächtigte den der Vollmacht innewohnenden Rechtsschein dadurch zerstört, dass er erklärt, zugleich Alleinerbe des Vollmachtgebers zu sein. Insoweit ist es dem Bevollmächtigten zum Verhängnis geworden, dass er nicht nur in dieser Funktion, sondern (vorsorglich) zugleich als Alleinerbe (= Rechtsinhaber) gehandelt hat.

429 OLG Stuttgart NJW 1948, 627 (Ls.); OLG Hamm DNotZ 2013, 689; Bestelmeyer, Rpfleger 2015,

11. 430 LG Bremen Rpfleger 1993, 235. 431 Meyer-Stolte, Rpfleger 1993, 235 f.; Michalski, WM 1997, 658, 662; Schubert, in

MünchKomm/BGB, 7. Aufl. 2016, § 168 Rn. 14; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 168 Rn. 4; Amann, MittBayNot 2013, 367, 370; Dutta, FamRZ 2013, 1514, 1515; Herrler, NotBZ 2013, 454, 456 ff.; Lange, ZEV 2013, 343; Mensch, ZNotP 2013, 171, 175 f.; Zimmer, ZEV 2013, 307, 312

432 Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, Vor § 2197 Rn. 87 m.w.N.; Keim, DNotZ 2013, 694.

S. 332 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Immerhin hat sich das OLG München in seiner denselben Fall betreffenden Entscheidung vom 4.1.2017 in gewisser Weise um Schadensbegrenzung bemüht, als es anders als das Grundbuchamt die Vollziehbarkeit einer in beiden Funktionen erklärten Auflassung nach Vorlage eines Erbnachweises im Sinne von § 35 GBO bejaht hat.

Im Einzelnen:

a) OLG München, Beschl. v. 4.8.2016 - 34 Wx 110/16

1.  Zur Verwendung transmortaler Vollmachten durch einen potenziellen Erben.

2.  Der grundbuchliche Vollzug einer Eigentumsübertragung durch zugelassenes Insichgeschäft, das der Bevollmächtigte aufgrund einer transmortalen Vollmacht des verstorbenen eingetragenen Berechtigten sowie in eigenem Namen an sich vornimmt, ist nicht zwingend von einem Erbennachweis nach § 35 GBO abhängig, auch wenn der Bevollmächtigte als potenzieller Alleinerbe in Betracht kommt (Ergänzung zu OLG Schleswig FGPrax 2014, 206; Abgrenzung zu OLG Hamm DNotZ 2013, 689 = FGPrax 2013, 148).

OLG München FGPrax 2016, 205 m. Anm. Bestelmeyer = notar 2016, 398 (Ott) = NotBZ

2016, 471 = RNotZ 2016, 597 = ZEV 2016, 656.

aa) Sachverhalt

In der ersten Entscheidung vom 4.8.2016 übertrug die von ihrem Ehemann transmortal bevollmächtigte, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Ehefrau dessen hälftigen Miteigentumsanteil an der selbstgenutzten Immobilie nach dem Tod ihres Mannes auf sich.

Da das Grundbuchamt Kenntnis vom eröffneten privatschriftlichen Testament der Ehegatten erlangte, in welchem sich diese wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten, verweigerte es unter Verweis auf das Erlöschen der Vollmacht die Eigentumsumschreibung und verlangte die Vorlage eines Erbscheins.

bb) Entscheidung

Dieses Verlangen war nach Ansicht des OLG München unberechtigt.

Der Senat lässt die materiell-rechtliche Frage des Fortbestehens einer transmortalen Vollmacht in der Person des Alleinerben offen, da im konkreten Fall die fortbestehende Legitimationswirkung der Vollmacht zu bejahen sei.

„Die Eintragung der Auflassung (§ 20 GBO; § 925 BGB) durch Eigentumsumschreibung kann nicht deswegen versagt werden, weil die Beteiligte als potenzielle Alleinerbin und Eigentümerin

S. 333 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

nicht die Erbfolge nachgewiesen und Grundbuchberichtigung gemäß § 22 Abs. 1 GBO beantragt hat.“

„Die Beteiligte hat sich durch die im Original vorgelegte Vollmachtsurkunde („Generalvollmacht“) legitimiert (vgl. § 172 BGB). Die Vorlage schafft den Rechtsschein, dass die Vertretungsmacht fortbesteht.“433

Wegen der strikten Nachweisbeschränkungen im Grundbuchverfahren (vgl. § 29 GBO) sei es dem Grundbuchamt nicht gestattet, ein lediglich privatschriftliches Testament als Nachweis für ein Erlöschen der Vollmacht heranzuziehen. Vielmehr sei die Prüfung der Erbfolge dem Erbscheinsverfahren vorbehalten. Ein grundbuchverfahrensrechtlich relevantes Erlöschen der Vollmacht komme im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs erst nach Vorliegen eines Nachweises in der Form des § 35 Abs. 1 GBO in Betracht.

„Die Vollmacht gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie – soweit rechtlich zulässig […] – im Fall der (Allein-)Erbenstellung des Bevollmächtigten nicht gelten solle. Nächstliegend wäre wegen ihres umfassenden Charakters eine immanente auflösende Bedingung dieser Art nicht.“434

Das OLG München stellt klar, dass aus den Nachlassakten desselben Amtsgerichts gewonnene Erkenntnisse keine Erbenstellung der Bevollmächtigten bezeugen könnten, da dies dem Grundsatz der strikten Nachweisbeschränkung im Grundbuchverfahren widerspreche. Im Übrigen sei es gerade dem Erbscheinsverfahren vorbehalten, Inhalt und Wirksamkeit der in Betracht kommenden letztwilligen Verfügungen zu prüfen.

„Im Grundbuchverkehr ist die materielle Erbenstellung grundsätzlich unerheblich, solange nicht der Nachweis in Form der in § 35 Abs. 1 GBO bezeichneten Urkunden erbracht ist. Denn insoweit besteht ein Nachweistypenzwang, der andere Beweismittel ausschließt.“435

Zwar sei das Grundbuchamt grundsätzlich verpflichtet, ihm – auch außerhalb der vorgelegten Eintragungsunterlagen – bekannt gewordenen konkreten Anhaltspunkten für das Erlöschen einer Vollmacht im Rahmen des Legalitätsprinzips nachzugehen. Hieraus resultierte aber kein Recht, dem Antragsteller den Nachweis seiner fehlenden Alleinerbenstellung aufzugeben.

„[S]elbst wenn die (Allein-) Erbenstellung der Beteiligten aufgrund des privatschriftlichen Ehegattentestaments in Frage kommt, ist deren Verfügungsbefugnis über Erbschaftsgegenstände ohne den die Erbenstellung bezeugenden Erbschein und dem von ihm ausgehenden öffentlichen Glauben (vgl. §§ 2365 f. BGB) Beschränkungen ausgesetzt – so augenscheinlich im Grundbuchverkehr wegen § 35 GBO –, die es rechtfertigen und im Interesse eines sicheren Rechtsverkehrs auch notwendig machen, vom Fortbestand der Vollmacht auszugehen.“436

433 OLG München FGPrax 2016, 205, 206. 434 OLG München FGPrax 2016, 205, 206. 435 OLG München FGPrax 2016, 205, 206. 436 OLG München FGPrax 2016, 205, 207.

S. 334 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Sodann stellt der Senat klar, dass das Legalitätsprinzip keine darüber hinausgehenden verfahrensrechtlichen Anforderungen notwendig macht. Zwar habe das Grundbuchamt im Antragsverfahren zu verhindern, dass das Grundbuch materiell unrichtig wird, doch bestehe vorliegend eine derartige Gefahr nicht. Aus diesem Grund erscheine es bereits zweifelhaft, „ob einem Erbschein mangels Erheblichkeit für den Nachweis der Verfügungsbefugnis […] noch eine Bedeutung zukommt.“437

Abschließend verweist das OLG noch auf die mit dem gewählten Vorgehen verbundenen kostenrechtlichen Nachteile:

„Der strenge Grundsatz des Erbennachweises (nur) durch die in § 35 GBO aufgeführten Urkunden wird nicht durchbrochen. Denn eine berichtigende Eigentumsumschreibung wegen nachträglicher Unrichtigkeit durch eingetretene Erbfolge […] ist nicht beantragt. Nichts zwingt aber einen mit transmortaler Vollmacht ausgewiesenen und deren Rechtsscheinwirkungen nicht in Frage stellenden Beteiligten nach dem Erbfall dazu, statt einer Auflassung an sich nur den verfahrensrechtlichen Weg der Berichtigung (§§ 22, 35 GBO) zu wählen, um nach Grundbucheintragung als Eigentümer im Rechtsverkehr legitimiert zu sein (vgl. § 891 BGB). Der gegebene Fall unterscheidet sich in der unmissverständlichen Eindeutigkeit der Eintragungsunterlagen gerade von der gewählten – doppeldeutigen – Übertragungsform, die das Oberlandesgericht Hamm (DNotZ 2013, 689/690) zu beurteilen hatte. Wählt der mögliche Erbe den gegenständlichen Weg, kann er freilich auch nicht die Gebührenfreiheit nach Abs. 1 zu Nr. 14110 KV GNotKG beanspruchen, weil er im Verhältnis zum Grundbuchamt gerade nicht als „Erbe des eingetragenen Eigentümers“ eingetragen wird.“438

cc) Bewertung

Auch wenn man sich eine klare Positionierung des OLG München in der materiell-rechtlichen Frage des Fortbestehens der transmortalen Vollmacht gewünscht hätte, ist die vorstehende Entscheidung zu begrüßen.439 Sie ist uneingeschränkt praxistauglich.

Entweder liegt der Erbnachweis bereits formgerecht vor – dann ist eine etwa erforderliche Voreintragung (vgl. § 40 Abs. 1 GBO) nur Formsache und der Alleinerbe kann ohne weiteres sogleich im eigenen Namen handeln. Oder die Erbfolge ist – jedenfalls aus grundbuchverfahrensrechtlicher Sicht – noch ungeklärt; dann ist die transmortale Vollmacht im Grundbuchverfahren noch ohne jede Einschränkung einsetzbar.

b) OLG München, Beschl. v. 31.8.2016 - 34 Wx 273/16

Grundbuchverfahrensrechtlich ist der Nachweis der Verfügungsbefugnis durch öffentliche Urkunden positiv und vollständig zu erbringen. Wird der der trans-mortalen Vollmacht innewohnende Rechtsschein dadurch zerstört, dass der Bevoll-

437 OLG München FGPrax 2016, 205, 207. 438 OLG München FGPrax 2016, 205, 207. 439 So auch Wendt, ErbR 2017, 19, 21 f.

S. 335 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

mächtigte zugleich erklärt, Alleinerbe der Vollmachtgeberin zu sein und als solcher zu handeln, ist die Verfügungsbefugnis ohne den Erbennachweis gemäß § 35 GBO nicht belegt (insoweit Anschluss an OLG Hamm vom 10.1.2013, I-15 W 79/12).

DNotI-Report 2016, 163 = NJW 2016, 3381 = ZEV 2016, 659 m. Anm. Reimann.

Vgl. auch Litzenburger, FD-ErbR 2016, 381468; Wendt, ErbR 2017, 19; Zimmer, NJW

2016, 3341.

Weniger erfreulich ist indes die zweite Entscheidung des OLG München vom 31.8.2016, leicht abgemildert durch die Folgeentscheidung nach „Reparatur“ durch den Notar vom 4.1.2017.

aa) Sachverhalt

Die verstorbene Erblasserin war als Eigentümerin von Miteigentumsanteilen an einer Wohnung eingetragen. Nach deren Tod überließ ihr Ehemann, handelnd als Alleinerbe nach seiner Ehefrau und zugleich als deren Bevollmächtigter aufgrund notarieller Vollmacht, das Wohnung-und Teileigentum an das einzige (volljährige) Kind der Eheleute.

In der notariellen Urkunde ist ferner ausgeführt:

„Die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin […] wurde nach Angabe der Beteiligten gemäß Gemeinschaftlichen Testaments vom 5.3.2009 […], das noch nicht eröffnet wurde, von ihrem Ehemann […] allein beerbt. Die Berichtigung des Grundbuchs entsprechend dieser Erbfolge wird im Grundbuch […] nur beantragt, soweit es für den Vollzug erforderlich ist.“

Das Grundbuchamt wies den Eintragungsantrag des Notars mit der Begründung zurück, der Ehemann handele ausweislich der Urkunde als Alleinerbe und gleichzeitig als Bevollmächtigter der noch im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin. Die Überlassungsurkunde lasse somit offen, wer Veräußerer sei; daher sei sie mangels Eindeutigkeit nicht vollziehbar. Die gewünschte Rechtsänderung können nur mit einer neu zu beurkundenden Auflassung herbeigeführt werden, aus der klar hervorgehe, wer in welcher Eigenschaft den Grundbesitz überlassen.

Ergänzend weist das Grundbuchamt darauf hin, dass eine dem Alleinerben erteilte transmortale Vollmacht mit dem Tod des Erblassers erlösche, daher nur eine Überlassung vom Alleinerben infrage komme und somit die Erbenstellung in der Form des § 29 GBO nachzuweisen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, in der nochmals ausdrücklich herausgestellt wird, dass der Ehemann sowohl als Alleinerbe der Erblasserin als auch kraft Vollmacht im Namen der Erben gehandelt habe. In beiden Alternativen besitze der Ehemann die erforderliche Verfügungsbefugnis. Im Übrigen sei die Alleinerbenstellung des Ehemanns grundbuchverfahrensrechtlich gar nicht nachgewiesen.

S. 336 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Entscheidung

Das OLG München weist die Beschwerde zurück und grenzt den vorliegenden Sachverhalt vom Beschluss vom 4.8.2016 ab. In der vorangehenden Entscheidung stand die Alleinerbenstellung weder urkundlich im Sinne von § 35 GBO fest noch berief sich der Bevollmächtigte auf diese.

Vorliegend sei die Legitimationswirkung des § 172 BGB dem Grundbuchamt gegenüber jedoch dadurch weggefallen, dass der Ehegatte – neben seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter für seine Ehefrau – ausdrücklich auch als Alleinerbe aufgetreten ist.

„Materiell-rechtlich mag eine Eigentumsübertragung wirksam sein, wenn offen bleibt, ob es sich auf Veräußererseite um ein Eigen- oder um ein Vertretergeschäft handelt, wenn nur die Sachlegitimation entweder in dem einen oder aber dem anderen Fall bestanden hat […]. Grundbuchverfahrensrechtlich ist der Nachweis der Verfügungsbefugnis hingegen durch öffentliche Urkunde positiv und vollständig zu erbringen (§ 29 Abs. 1 S. 2 GBO). Die Sicherheit des Grundbuchverkehrs lässt auch dann keine Einschränkungen dieses Grundsatzes zu, sofern nur absehbar wäre, dass die Vornahme der beantragten Eintragung nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führt […]. Der Ansicht, es komme nur darauf an, dass die Verfügungsbefugnis, sei es als Bevollmächtigter, sei es als Erbe, nachgewiesen sei, weshalb keine Entscheidungserheblichkeit bestehe […], folgt der Senat nicht. Denn zum einen ist die Vollmacht infolge Zerstörung des ihr innewohnenden Rechtsscheins als Urkundennachweis untauglich, zum anderen ist der Erbennachweis nicht erbracht.“440

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die zurückweisende Entscheidung allein auf die eigene Erklärung des handelnden Bevollmächtigten/Erben zurückzuführen sei.

Sofern der Bevollmächtigte nicht als Alleinerbe mit den in § 35 GBO aufgezählten Nachweisen legitimiert sei, stehe einer großzügigen Handhabung, die den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entgegen komme, nichts im Wege.

cc) Epilog: OLG München, Beschl. v. 4.1.2017 – 34 Wx 382/16, 34 Wx 383/16

1. …

2. Ist die Erbfolge in der Form des § 35 Abs. 1 GBO nachgewiesen, verliert eine zugleich vorgelegte transmortale Vollmacht ihre Wirksamkeit. Eine Auflassungsurkunde, die die Verfügungsbefugnis des Veräußerers in der Schwebe gehalten hat, ist nicht deshalb wegen fehlender Eindeutigkeit unvollziehbar (im Anschluss an Senat vom 31.8.2016, 34 Wx 273/16).

3. …

440 OLG München NJW 2016, 3381 Rn. 19.

S. 337 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(1) Weitere Entwicklung (verkürzt)

Am 14.9.2016 hat der beurkundende Notar in beglaubigter Form vorgelegt:

- Gemeinschaftliches Testament vom 5.3.2009, wonach sich die Eheleute gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Vollerben sowie den gemeinsamen Sohn (den Beteiligten zu 2) zum Schlusserben einsetzen,

- Eröffnungsniederschrift des (auswärtigen) Amtsgerichts vom 30.3.2016

und erneut Vollzugsantrag gestellt.

Auch dieser Antrag wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen, da die Urkunde nach wie vor offenlasse, ob die Einigung im eigenen Namen oder als Vertreter erklärt werde.

Der (mittlerweile vermutlich schon ziemlich verzweifelte) Kollege erklärte sodann in einer notariellen Eigenurkunde aufgrund der ihm erteilten Vollmacht erneut die Einigung über den Eigentumsübergang der Beteiligten und bewilligte und beantragte die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch.

Auch hiermit konnte er beim Grundbuchamt nicht durchdringen.

(2) Entscheidung

Der hiergegen angerufene 34. Zivilsenat des OLG München hatte schließlich Erbarmen mit dem Kollegen.

Der Senat sah bereits in den mit Antrag vom 14.9.2016 vorgelegten Urkunden einen ausreichenden Nachweis der Verfügungsbefugnis des Beteiligten in der Form des § 29 GBO.

Zunächst bekräftigte das OLG München aber, dass es trotz der in der Literatur geäußerten Kritik an seiner in der Entscheidung vom 31.8.2016 zum Ausdruck gebrachten Position festhalte:

Tz. 30: „Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 31.8.2016 davon ausgegangen, dass einerseits die Legitimationswirkung der Vollmachtsurkunde (vgl. § 173 BGB) gegenüber dem Grundbuchamt nicht fortbestand und andererseits die Erbenstellung des Beteiligten zu 1 gemäß § 35 GBO nicht nachgewiesen war. Bei dieser Konstellation fehlt es für die Verfügungsbefugnis an jeglichem Nachweis. Der Ansicht, es reiche aus, dass die Verfügungsbefugnis des Veräußerers, wenn nicht aus dem einen Grund (als Bevollmächtigter), so doch aus dem anderen Grund (als Erbe) gegeben sei und deshalb keine Entscheidungserheblichkeit bestehe […], ist der Senat nicht gefolgt.“

Spätestens mit Vorlage der die Erbfolge nachweisenden letztwilligen Verfügung samt Eröffnungsniederschrift habe die ebenfalls vorgelegte Vollmachtsurkunde ihrer Legitimationswirkung verloren.

S. 338 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Allerdings weise das notarielle Testament samt Eröffnungsniederschrift die Erbfolge zweifelsfrei nach (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO), so dass ein Erbschein nicht verlangt werden könne. Damit sei auch die Verfügungsbefugnis gegenüber dem Grundbuchamt positiv belegt.441

Nach Ansicht des OLG stehe die Mehrdeutigkeit der Übertragungsurkunde im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers (handelnd einerseits als Erbe, andererseits als Bevollmächtigter der Erblasserin und damit für die Erben) der begehrten Eintragung nicht entgegen.442

Entscheidend sei, dass sich aus der Urkunde der maßgebliche Grund der Verfügungsbefugnis ergebe; ein etwa in der Urkunde daneben noch erwähnter weiterer Grund schade jedenfalls vorliegend nicht, da die alternativ bezeichnete Befugnis aus der Vollmacht nachgewiesenermaßen nicht bestehe.443

Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen endlich das gewünschte Ergebnis!

4. Fehlanreize durch die obergerichtliche Rechtsprechung

Bevor wir zur Frage kommen, wie die Vereinigung von Bevollmächtigten- und Alleinerbenstellung in einer Person materiell-rechtlich und grundbuchverfahrensrechtlich richtigerweise zu behandeln ist (dazu sogleich Ziffer 5), wollen wir uns zunächst die Anreizwirkungen der jüngeren OLG-Rechtsprechung vor Augen führen.

a) Verschweigen des Erbfalls?

Man mag zunächst dazu neigen, aus den Irrungen und Wirrungen in den vorstehenden Entscheidungen des OLG München und des nicht übermäßig kooperativen Verhalten des Grundbuchamts die Schlussfolgerung zu ziehen, einen erst kürzlich eingetretenen Erbfall in der Urkunde besser ganz zu verschweigen, da das Grundbuchamt dann – wenn es nicht ausnahmsweise auf andere Weise Kenntnis vom Erbfall erlangt hat – die Urkunde ohne Probleme vollziehen wird. Auch Grundpfandrechte könnten ungeachtet dessen, dass § 40 Abs. 1 GBO nach herrschender Meinung insoweit eine Voreintragung der Erben fordert, ohne Probleme wirksam bestellt werden.

Eine ernst gemeinte Handlungsoption ist das gänzliche Verschweigen des Erbfalls freilich nicht. Mit den notariellen Amtspflichten dürfte es kaum vereinbar sein, eine verstorbene Person als materiell Beteiligten in die Urkunde aufzunehmen und dadurch

441 OLG München BeckRS 2017, 100033 Tz. 34. 442 OLG München BeckRS 2017, 100033 Tz. 35. 443 OLG München BeckRS 2017, 100033 Tz. 36.

S. 339 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

eine bewusste Fehlvorstellung des Rechtsverkehrs über die tatsächlichen Verhältnisse hervorzurufen.

b) Keine näheren Ausführungen zur Erbfolge

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Streitfrage, ob eine dem späteren Alleinerben erteilte trans- bzw. postmortale Vollmacht notwendig mit dem Erbfall erlischt, empfiehlt es sich bei Verfügungen unter Berufung auf die in der Form des § 29 GBO vorliegende Vollmacht im Falle des Versterbens des Vollmachtgebers auf nähere Ausführungen zur Erbfolge zu verzichten, da das Grundbuchamt diese ggf. (unberechtigterweise) zum Anlass nehmen könnte, Nachweise im Hinblick auf das Fortbestehen der Vollmacht bzw. unmittelbar einen Nachweis der Erbfolge zu fordern.444

Sowohl das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 10.1.2013445 als auch nunmehr das OLG München im Beschluss vom 31.8.2016446 haben festgehalten, dass die Schwierigkeiten im Grundbuchverfahren allein daraus resultierten, dass der bevollmächtigte offengelegt hatte, Alleinerbe des Erblassers zu sein.

Solange kein Erbnachweis nach Maßgabe von § 35 Abs. 1 GBO vorliegt, tun die Beteiligten gut daran, jegliche Ausführungen zur Erbfolge zu unterlassen und in der Urkunde schlicht anzugeben, dass die Erbfolge noch ungeklärt ist. Selbst bei Existenz eines öffentlichen Testaments ist dies bis zu dessen Eröffnung (vgl. § 35 Abs. 1 S. 2 GBO) nicht zu beanstanden.

Die Anreizwirkung eines derartigen Postulats ist natürlich mehr als zweifelhaft. Der Rechtsverkehr hat ein berechtigtes Interesse an möglichst weitgehender Transparenz und nicht an einer Verschleierung der wahren Berechtigungsverhältnisse!447

Im Übrigen mag die Angabe der mutmaßlichen Erbfolge zur Erläuterung dienen, weshalb der Bevollmächtigte vorsorglich auch im eigenen Namen handelt, um jegliche Zweifel hinsichtlich der Rechtsbeständigkeit der Verfügung auszuschließen. Angesichts der jüngsten beiden Entscheidungen des OLG München ist eine

444 Amann, MittBayNot 2013, 367, 371; Herrler, NotBZ 2013, 454, 461; Lange, ZEV 2013, 343;

Litzenburger, FD-ErbR 2013, 345171; Mensch, ZNotP 2013, 171, 176 f.; Ott, notar 2016, 398, 399; Zimmer, NJW 2016, 3341, 3343.

445 OLG Hamm FamRZ 2013, 1513 = RNotZ 2013, 382: „Nicht beabsichtigt ist, über den entschiedenen Einzelfall hinaus die Verwendbarkeit postmortaler Vollmachten nach dem Tode des Vollmachtgebers etwa durch das Verlangen einzuschränken, dass der Bevollmächtigte durch einen Erbschein den Nachweis zu führen hätte, dass er nicht als Alleinerbe berufen ist.“

446 OLG München NJW 2016, 3381 Tz. 20. 447 Vgl. auch Wendt, ErbR 2017, 19, 20.

S. 340 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Empfehlung, vorsorglich auch im eigenen Namen zu handeln, aber mit gewissen Risiken verbunden.

c) Vorsorgliches Handeln auch im eigenen Namen?

Aus materiell-rechtlichen, letztlich aber auch aus grundbuchverfahrensrechtlichen Erwägungen („sowieso Berechtigter“) wird zudem ein Handeln des Bevollmächtigten im Namen der Erben des eingetragenen Berechtigten und zugleich vorsorglich im eigenen Namen empfohlen. Damit werde klargestellt, dass die Wirkungen des vorgenommenen Rechtsgeschäfts in jedem Fall eintreten sollen und die Anforderung eines Erbscheins mangels „Entscheidungserheblichkeit“ nicht gerechtfertigt sei.448

In Anbetracht der Ausführungen des OLG München in seinem Beschluss vom 31.8.2016 dürfte es sich aber einstweilen tendenziell empfehlen, auf ein Handeln auch im eigenen Namen zu verzichten, um keine grundbuchverfahrensrechtlichen Schwierigkeiten zu provozieren.

Wirklich befriedigend ist ein derartiges Vorgehen allerdings nicht, da für den Fall des Erlöschens der Vollmacht in der Person des Alleinerben unklar bleibt, ob das Rechtsgeschäft – etwa im Wege der Auslegung oder Umdeutung – auch im eigenen Namen gelten soll. Nicht zuletzt deshalb ist auf ein klarstellendes Wort aus Karlsruhe zu hoffen!449

→ Wer daher auf den „doppelten Boden“ des Handelns auch im eigenen Namen nicht verzichten möchte, mag in der Urkunde zur Vermeidung von Schwierigkeiten mit dem Grundbuchamt ein Hierarchieverhältnis angeben, wonach der Bevollmächtigte primär in dieser Funktion und nur subsidiär auch im eigenen Namen handelt. Unter diesen Voraussetzungen sollten sich die oben dargestellten Schwierigkeiten unabhängig davon nicht stellen, ob man der Position des Grundbuchamts oder dem OLG München in seiner Entscheidung vom 4.1.2017 folgt.

5. Würdigung der Rechtslage

Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte aus den vergangenen Jahren rücken nicht die materiell-rechtliche Frage des Erlöschens der Vollmacht infolge Zusammenfallens von Bevollmächtigtem und Geschäftsherrn in einer Person in den Vordergrund,

448 Amann, MittBayNot 2013, 367, 371, auch unter Hinweis darauf, dass in der trans- bzw.

postmortalen Vollmacht ausdrücklich geregelt werden sollte, dass der Bevollmächtigte „ermächtigt ist, Verfügungen im eigenen Namen ohne Zustimmung eines [etwaigen] Testamentsvollstreckers zu treffen.“; Herrler, NotBZ 2013, 454, 461.

449 Ebenso Reimann, ZEV 2016, 661; Wendt, ErbR 2016, 19, 22 f.

S. 341 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

sondern beschäftigen sich ganz vorrangig mit den grundbuchverfahrensrechtlichen Auswirkungen einer im Raum stehenden Personenidentität. In erster Linie kommt es für die Lösung der vorstehend beschriebenen Problematik jedoch auf die materielle-rechtliche Lage an. Im Folgenden sollen daher die aus meiner Sicht entscheidenden Argumente für die materiell-rechtliche Beurteilung (unter lit. a) und sodann die für die grundbuchverfahrensrechtliche Handhabung relevanten Argumente (unter lit. b) zusammengefasst werden

a) Materiell-rechtliche Situation

Im Ausgangspunkt besteht Einvernehmen, dass eine Stellvertretung i. S. v. § 164 BGB eine Personenverschiedenheit von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem voraussetzt. Wurde dieses materiell-rechtliche Erfordernis im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung gewahrt, stellt sich die Frage, ob ein späteres Zusammenfallen der Position des Vertretenen und des Bevollmächtigten, insbesondere aufgrund Erbfolge, notwendig zum Erlöschen der zunächst wirksam erteilten Vollmacht führt.

aa) Konfusion bzw. unabdingbare Personenverschiedenheit

Vielfach wird hierfür auf das Rechtsinstitut der Konfusion450 rekurriert, wonach eine Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person grundsätzlich das Erlöschen des betreffenden Rechtsverhältnisses zur Folge hat. Dem wird entgegen gehalten, eine Konfusion komme lediglich im Hinblick auf das Grundverhältnis (Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag o. Ä.) in Betracht, welches durch Personenvereinigung erlischt, sofern nicht ausnahmsweise einer der gesetzlich normierten Sonderfälle einschlägig oder der Alleinerbe durch Anordnung von Testamentsvollstreckung beschwert sei.451 Das Erlöschen des Grundverhältnisses führt zwar nach § 168 S. 1 BGB grundsätzlich zum Erlöschen der Vollmacht. Dies gilt jedoch nicht, wenn seitens des Vollmachtgebers ein Fortbestehen der Vollmacht unabhängig von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis gewünscht ist, wovon in der vorliegenden Konstellation ohne weiteres auszugehen sein dürfte. Das Erlöschen des Grundverhältnisses infolge Konfusion führt somit nicht zum Erlöschen der Vollmacht.

Im Hinblick auf die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, bei der es sich weder um eine Forderung noch umgekehrt um eine Schuld handelt, fehlt es zwar an der Vereinigung von Anspruchsinhaberschaft und Schuldnerstellung in einer Person als Charakteristika der Konfusion.452 Letztlich ist es aber nur ein Streit um Begrifflichkeiten, ob man das Erlöschen der Vollmacht wegen Personenidentität von Bevollmächtigtem und Geschäftsherrn unter das Rechtsinstitut der Konfusion fasst

450 Vgl. hierzu BGH NJW-RR 2009, 1059 Tz. 19 f., auch zum ausnahmsweisen Fortbestehen des

Schuldverhältnisses. 451 Vgl. zum letztgenannten Fall OLG München MittBayNot 2013, 230; MittBayNot 2012, 227;

ausführlich hierzu Weidlich, MittBayNot 2013, 196. 452 Kurze, Zerb 2008, 399, 405; ders., ZNotP 2013, 171, 173; Lange, ZEV 2013, 343.

S. 342 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

oder darauf rekurriert, dass eine Vertretung der eigenen Person mangels Aufspaltungsmöglichkeit der Rechte und Pflichten – die rechtlichen Folgen der durch einen Vertreter abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen treffen nach dem gesetzlichen Regelungsmodell stets eine andere Person – rechtskonstruktiv unmöglich ist.453 Im Grundsatz führt ein Zusammenfallen der Person des Bevollmächtigten und des Geschäftsherrn damit zum Erlöschen der vormals wirksam erteilten rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht. Die Vollmacht ist schlicht funktionslos geworden, da der Bevollmächtigte nunmehr aus eigenem Recht zu handeln vermag.

bb) Ausnahmsweise Fortbestehen der Vollmacht

Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob nicht im konkreten Einzelfall aufgrund berechtigter Interessen des Bevollmächtigten, eines Dritten oder allgemein des Rechtsverkehrs die erteilte Vollmacht als fortbestehend anzusehen sein kann. Wie das OLG Hamm zutreffend ausgeführt hat, sind im Gesetz selbst zahlreiche Konstellationen normiert, in denen das Rechtsverhältnis trotz Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person weiterhin (bzw. wieder) als bestehend angesehen wird, sofern berechtigte Interessen eines Beteiligten dies gebieten. Beispielhaft werden § 1976 BGB (Nachlassverwaltung bzw. Nachlassinsolvenz), §§ 1990, 1991 Abs. 2 BGB (Dürftigkeitseinrede), § 2143 BGB (Eintritt der Nacherbfolge), § 2175 BGB (Vermächtnis einer Forderung gegen den Erben) und § 2377 BGB (Erbschaftskauf) genannt.454

Hierbei handelt es sich indes entgegen der Ansicht des OLG Hamm455 um keine abschließende Regelung. So ist weitgehend unumstritten, dass der bevollmächtigte Alleinerbe, der mit der Anordnung von Testamentsvollstreckung beschwert ist, im Außenverhältnis456 weiterhin bis zum Widerruf durch den Testamentsvollstrecker457 uneingeschränkt von der ihm rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht Gebrauch machen kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass es sich beim Erlöschen einer Forderung infolge Konfusion mit Larenz458 nicht um eine „logische Notwendigkeit“ handelt, sondern lediglich „in den Regelfällen für den Fortbestand kein rechtliches Bedürfnis besteht.“459

Für die Frage des Erlöschens der Vollmacht infolge Erbenstellung des Bevollmächtigten ist somit danach zu fragen, ob im konkreten Fall ein Bedürfnis, d. h. ein sachlicher Grund für das Fortbestehen geltend gemacht werden kann. Ein solches

453 Ebenso Dutta, FamRZ 2013, 1514. 454 OLG Hamm DNotZ 2013, 689, 691. 455 OLG Hamm DNotZ 2013, 689, 691: „Die Annahme des Fortbestehens der Vollmacht für den

Alleinerben würde deshalb auf eine Fiktion hinauslaufen, die im Gesetz keine Grundlage hat.“ 456 Zur Situation im Innenverhältnis vgl. Amann, MittBayNot 2013, 267, 268 f. m. w. N. 457 Vgl. OLG München MittBayNot 2013, 230, 231. 458 Larenz, Allgemeines Schuldrecht, 14. Aufl. 1987, § 19 Ib = S. 270. 459 Hierauf hat Dutta, FamRZ 2013, 1514, 1515, zurecht hingewiesen.

S. 343 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Bedürfnis besteht in sämtlichen Konstellationen, in denen die Vollmacht in der vorliegenden Form dem Bevollmächtigten materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich weitergehende Befugnisse oder Handlungsmöglichkeiten einräumt als sie dem Alleinerben zur Verfügung stehen.460

(1) Keine Schlechterstellung des Alleinerben

Für das Fortbestehen der Vollmacht auch in der Person des Alleinerben spricht, dass es ungerechtfertigt erscheint, diesen – jedenfalls im Hinblick auf die Legitimationswirkung der Vollmachtsurkunde – schlechter als einen bevollmächtigten Dritter zu stellen,461 obwohl die Bevollmächtigten- und Alleinerbenstellung typischerweise Ausdruck eines besonderen Vertrauens- und Näheverhältnisses ist. Wäre der Bevollmächtigte nicht Allein-, sondern lediglich Miterbe, würde die Vollmacht ebenfalls fortbestehen. Aufgrund der gesamthänderischen Bindung des Nachlasses kommt es zu keiner Verschmelzung mit dem übrigen Vermögen eines Miterben, der als Bevollmächtigter somit nicht – auch nicht teilweise in Höhe seiner Erbquote462 – für sich selbst, sondern für die Erbengemeinschaft, d.h. alle Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit handelt, wie jüngst auch das OLG Schleswig mit Beschluss vom 15.7.2014 (2 W 48/14) entschieden hat:463

Leitsatz: Der grundbuchliche Vollzug eines Rechtsgeschäftes, das ein Bevollmächtigter aufgrund einer trans- oder postmortal wirkenden Vollmacht des verstorbenen eingetragenen Berechtigten vornimmt, ist auch dann nicht von einem Erbnachweis nach § 35 GBO abhängig, wenn der Bevollmächtigte Miterbe ist.

(2) Wille des Erblassers: Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit

Im absoluten Regelfall liegt es zudem im Interesse des Vollmachtgebers, dass die Vollmacht auch dann fortbesteht, wenn ihn der Bevollmächtigte alleine beerbt464 bzw. jedenfalls solange dies nicht nach Maßgabe von § 35 GBO festgestellt ist. Denn die trans- bzw. postmortale Vollmacht dient gerade in der Phase nach dem Erbfall, in welcher die Erbfolge noch nicht abschließend geklärt ist bzw. die zu ihrem Nachweis erforderlichen Dokumente noch nicht vorliegen, dazu, die Handlungsfähigkeit im Hinblick auf die nachlasszugehörigen Vermögensgegenstände aufrechtzuerhalten.465 Hierin ist generell ein berechtigtes Interesse zu sehen.

460 Zutreffend Wendt, ErbR 2017, 19, 23. 461 Vgl. OLG München MittBayNot 2013, 230, 231; Harter, EWiR 2013, 405, 406. 462 So aber Bestelmeyer, notar 2013, 147, 161; wie hier Wendt, ErbR 2017, 19, 21. 463 OLG Schleswig RNotZ 2015, 85 = DNotI-Report 2014, 182 = MittBayNot 2015, 132. Ebenso

bereits passim OLG Hamm DNotZ 2013, 689, 691. 464 Meyer-Stolte, Rpfleger 1993, 235, 236; Mensch, ZNotP 2013, 171, 175; Zimmer, ZEV 2013, 307,

312. 465 Vgl. OLG München MittBayNot 2013, 230, 231; DNotZ 2012, 303, 305; Keim, DNotZ 2013, 692,

693.

S. 344 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Selbst bei Vorliegen eines öffentlichen Testaments entsteht eine gewisse Interims-phase bis zur Eröffnung samt korrespondierenden Niederschrift. Ist ein Erbschein erforderlich, gilt dies umso mehr, da das Erbscheinsverfahren in aller Regel einige Zeit in Anspruch nimmt. Das Bedürfnis für eine Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit besteht in besonderem Maße, wenn bereits absehbar ist, dass der Nachweis der Alleinerbenstellung Schwierigkeiten bereiten wird (etwa bei einem nach ausländischem Erbstatut im Raum stehenden Noterbrecht).466 Von diesem berechtigten Anliegen zu unterscheiden ist das bloße Interesse des Vollmachtgebers, die Kosten und den mit der Erteilung eines Erbscheins verbundenen Aufwand zu vermeiden, welches vom OLG Hamm (wohl zu Recht) nicht als hinreichender Sachgrund anerkannt wurde.467

(3) Bedürfnisse des Rechtsverkehrs; Rechtssicherheit

Nach Ansicht des OLG Hamm besteht aus Verkehrsschutzgründen kein zwingendes Bedürfnis für einen Fortbestand der Vollmacht, da die (dingliche) Erklärung des Verfügenden unabhängig davon wirksam sei, ob seine Vollmacht vorliegend fortbesteht oder infolge Berufung zum Alleinerben erloschen ist. Denn im letztgenannten Fall liege ein ohne weiteres wirksames Eigengeschäft des Erben vor. Ob die Erklärung des bevollmächtigten Alleinerben im Hinblick auf die schuldrechtlichen Verträge ebenfalls als Eigengeschäft ausgelegt werden könne, scheint für das OLG Hamm ohne Relevanz zu sein.468

Wie die Entscheidung des OLG München vom 31.8.2016 illustriert, ist es auch auf dinglicher Ebene nicht ohne Bedeutung, ob die formgerecht vorliegende Vollmacht fortbesteht oder nicht. Denn der Eigentumsübergang setzt nach §§ 873, 925 BGB die Umschreibung im Grundbuch voraus, welche unter gewissen Umständen vom Grundbuchamt unter Hinweis auf das Erlöschen der Vollmacht verweigert wird. Im Übrigen wird durch die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Nachlasses nicht allein dem Wunsch des Vollmachtgebers/Erblassers entsprochen. Vielmehr besteht hieran auch ein nicht unerhebliches Verkehrsinteresse. Denn die Verknüpfung des Fortbestands der Vollmacht mit der fehlenden Alleinerbenstellung hat unweigerlich ein nicht unbeträchtliches Maß an Rechtsunsicherheit zur Folge. Nicht selten ist im Zeitpunkt des (vermeintlichen) Vertreterhandelns die erbrechtliche Situation noch nicht (jedenfalls nicht abschließend) geklärt. Lange hat zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst für den Bevollmächtigten seine Alleinerbenstellung häufig nicht ohne weiteres absehbar ist, da er nicht notwendig Kenntnis von sämtlichen letztwilligen Verfügungen des Erblassers hat und seine Rechtsposition darüber hinaus vom Verhalten dritter Personen abhängig sein kann

466 Dutta, FamRZ 2013, 1514, 1515: Vollmacht sorgt für klare Verhältnisse bei der

Nachlassverwaltung in der Interimsphase. 467 OLG Hamm DNotZ 2013, 689, 692. 468 OLG Hamm DNotZ 2013, 689, 691; ebenso Hueck, SJZ 1948, 458, 459.

S. 345 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Testamentsanfechtung, Ausschlagung der Erbschaft).469 Zwar wird der Rechtsverkehr im Falle eines Vertreterhandelns durch die Rechtsscheinwirkungen nach §§ 170–173 BGB geschützt (insbesondere Legitimationswirkung bei Vorlage der Vollmachts-urkunde, § 172 BGB), doch ist dieser Schutz inhaltlich beschränkt. Insbesondere ist nicht abschließend geklärt, inwieweit dem Dritten Kenntnis vom Erbfall bzw. der (vermeintlichen) Alleinerbenstellung des kraft Vollmacht Handelnden schadet (vgl. § 173 BGB a. E.).470

(4) Zwischenergebnis

Der Vollmachtgeber (= spätere Erblasser) hat erkennbar ein berechtigtes Interesse am Fortbestehen einer in der Form des § 29 GBO erteilten Vollmacht in der Person des Alleinerben, da nur auf diese Weise die Handlungsfähigkeit auf nachlasszugehörige Vermögensgegenstände durchwegs besteht. Auch der Rechtsverkehr, insbesondere potentielle Vertragspartner haben ein nicht unerhebliches Interesse hieran und an der Vermeidung der andernfalls bestehenden Rechtsunsicherheit. Mit Blick darauf, dass eine Schlechterstellung des bevollmächtigten Alleinerben als „der“ Vertrauensperson des Erblassers wertungsmäßig kaum zu rechtfertigen ist, sollte bereits auf materiell-rechtlicher Ebene ein Fortbestehen der Vollmacht angenommen werden, zumal nicht ersichtlich ist, wie hier durch irgendwelche schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigt werden könnten.471

cc) Kontrollüberlegungen

Würde man von einem Erlöschen der Vollmacht ausgehen und wäre die Vollmacht auch nicht aufgrund der Rechtsscheinwirkungen der §§ 170 ff. BGB als fortbestehend zu behandeln – was ohnehin kaum je der Fall sein dürfte –, wären die vertraglichen Rechte und Pflichten in aller Regel durch das Handeln des bevollmächtigten Alleinerben gleichwohl wirksam begründet bzw. die Verfügungen wirksam vorgenommen worden, was ergänzend ebenfalls gegen ein restriktives Verständnis im Hinblick auf das Fortbestehen der Vollmacht spricht.

(1) Eigenhandeln infolge Auslegung bzw. Umdeutung

Sofern ein Fortbestehen der Vollmacht abgelehnt wird, ist zu klären, welche Bedeutung dem rechtsgeschäftlichen Handeln des bevollmächtigten Alleinerben bei objektivierter Betrachtung vom Empfängerhorizont beizumessen ist. Vielfach wird vertreten, das Handeln des (vermeintlich) Bevollmächtigten lasse sich ohne weiteres

469 Umgekehrt müsste eine Ausschlagung durch den bevollmächtigten Alleinerben nach § 1953

Abs. 1 BGB dazu führen, dass seine Vollmacht als von Anfang an nicht erloschen gilt (vgl. Lange, ZEV 2013, 343).

470 Gegen die Annahme fahrlässiger Unkenntnis bei bloßer Mitteilung der Alleinerbenstellung Amann, MittBayNot 2013, 367, 370.

471 Ebenso Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 168 Rn. 4.

S. 346 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

im Wege der ergänzenden Auslegung als Handeln im eigenen Namen verstehen.472 Aufgrund der Rechtsinhaberschaft des bevollmächtigten Alleinerben wären in diesem Fall gleichsam die dinglichen Rechtsgeschäfte wirksam. Ob ein Vertreterhandeln für die Erben tatsächlich immer als Eigenhandeln verstanden werden kann, ist jedoch nicht zweifelsfrei. Denn es erscheint jedenfalls prima facie nicht völlig fernliegend, dass der (vermeintlich) Bevollmächtigte im Falle des Handelns für den Erblasser bzw. für die Erben andere Interessen verfolgt als im Falle eines Eigenhandelns. Nur im letzteren Fall ist die Verfolgung auch irrationaler Interessen und Wünsche nicht pflichtwidrig. In Ermangelung für den Vertragspartner erkennbarer Anhaltspunkte darf der Erklärungsempfänger bei verständiger Würdigung aber davon ausgehen, dass der Bevollmächtigte die vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel auch auf eigene Rechnung abgeschlossen hätte.473 Ein etwa vorhandener, intern gebliebener Vorbehalt des Handelnden findet im Rahmen der Auslegung keine Berücksichtigung, so dass das vermeintliche Vertreterhandeln ohne weiteres als Eigenhandeln ausgelegt bzw. in ein solches umgedeutet werden kann.

(2) Haftung als falsus procurator (§ 179 BGB)

Würde man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – eine Auslegung bzw. Umdeutung als Eigenhandeln ablehnen, hätte dies eine Haftung des handelnden Alleinerben nach §§ 177–179 BGB zur Folge. Zwar könnte dieser die dann erforderliche Genehmigung als Geschäftsherr verweigern, würde dadurch aber seine eigene Haftung als falsus procurator nach § 179 BGB begründen. Je nach Kenntnisstand hat dies eine Erfüllungshaftung gemäß § 179 Abs. 1 Var. 1 BGB oder eine Haftung auf das negative Interesse gemäß § 179 Abs. 2 BGB zur Folge, sofern die Haftung nicht ganz ausnahmsweise wegen Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis vom Mangel der Vollmacht nach § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist.474

b) Grundbuchverfahren

Sofern man mit der hier vertretenen Ansicht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in der Vollmachtsurkunde selbst von einem Fortbestehen auch der dem späteren Alleinerben erteilten trans- bzw. postmortalen Vollmacht ausgeht, können sich im Grundbuchverfahren keine Schwierigkeiten im Hinblick auf den Nachweis der Verfügungsbefugnis stellen. Die Vollmacht besteht materiell-rechtlich fort, die Alleinerbenstellung ist insoweit ohne Bedeutung.

472 Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, Vor § 2197 Rn. 87 m.w.N.; Hueck, SJZ 1948, 458;

aA OLG Stuttgart NJW 1948, 627. 473 Zutreffend Amann, MittBayNot 2013, 369, 370. 474 Näher Herrler, NotBZ 2013, 454, 459.

S. 347 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Das OLG München wollte diese Frage in seiner Entscheidung vom 31.8.2016 gleichwohl nicht entscheiden und hat sich lediglich darauf berufen, dass die Legitimationswirkung der Vollmachtsurkunde gegenüber dem Grundbuchamt aufgrund der geltend gemachten Alleinerbenstellung gemäß § 173 BGB nicht fortbestehen.475 Ein derartiger Wegfall der Legitimationswirkung kommt aber von vornherein nur in Betracht, wenn man überhaupt ein Erlöschen der Vollmacht infolge Erlangung der Stellung als Alleinerbe für zutreffend hält.

Die nachfolgend beschriebenen grundbuchverfahrensrechtlichen Schwierigkeiten stellen sich richtigerweise nur, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung von einem Erlöschen der Vollmacht mit Vereinigung von Bevollmächtigten- und Geschäftsherrenstellung in einer Person ausgeht.

Soll ein Nachlassgrundstück durch den vom Erblasser trans- bzw. postmortal Bevollmächtigten veräußert werden, bedarf es grundbuchverfahrensrechtlich eines Nachweises der Auflassung (§ 20 GBO) samt der hierfür erforderlichen Vertretungsmacht in der Form des § 29 GBO. Eine Voreintragung des oder der Erben ist gem. § 40 Abs. 1 Var. 1 GBO entbehrlich (vgl. oben). Der oder die Erben sind auch nicht notwendig zu benennen.476

aa) Forbestehen einer Vollmacht aus Sicht des Grundbuchamts

Für die Zwecke des Grundbuchverfahrens kann der in der Form des § 29 GBO Bevollmächtigte somit die Auflassung mit Wirkung für und gegen den wahren Rechtsinhaber477 erklären. Legt der Bevollmächtigte dem Notar bei Erklärung der Auflassung seine Vollmacht in Urschrift oder Ausfertigung vor, findet der allgemeine Erfahrungssatz Anwendung, wonach eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht im Zweifel fortbesteht. Hiervon hat ebenfalls das Grundbuchamt auszugehen, es sei denn, es bestehen aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte Zweifel am Fortbestand der Vollmacht (vgl. § 172 BGB).478 Allein die abstrakte Möglichkeit eines Widerrufs oder eines anderweitigen Untergangs der Vollmacht genügen insoweit nicht.

Liegen demgegenüber tatsächliche Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Fortexistenz der Vollmacht begründen, hat das Grundbuchamt in freier

475 OLG München NJW 2016, 3381 Tz. 17. 476 Zutreffend OLG Frankfurt DNotZ 2012, 140, 141 m. w. N. 477 Nach dem Tod des Vollmachtgebers somit für dessen Erben. 478 BayObLG DNotZ 1960, 50; KG, DNotZ 1972, 18, 21; Schaub in Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl.

2013, AT Rn. VII 171, 178; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3590, jew. m. zahlr. w. N.; wohl etwas zu restriktiv Amann, ZNotP 2013, 171, 176 („evidente Zweifel“, „massive Verdachtsmomente“).

S. 348 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Beweiswürdigung zu prüfen, ob die Vollmacht erloschen ist, und kann Nachweise betreffend das Fortbestehen der Vollmacht verlangen.479

Derartige Zweifel können sich – wenn man der hier abgelehnten These des Erlöschens der Vollmacht in der Person des Alleinerben folgt – aus Erklärungen in der Urkunde selbst ergeben, wonach der handelnde Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers geworden sei. Insoweit ist dem OLG Hamm und dem OLG München grundsätzlich zuzustimmen. Ein hinreichender Anlass zur Anforderung weiterer Nachweise besteht nicht erst dann, wenn die Erbfolge und damit die Erbenstellung dem Grundbuchamt nach Maßgabe von § 35 Abs. 1 S. 1 GBO nachgewiesen ist.480

Exkurs: Nachlassgerichtliche Mitteilung nach § 83 GBO

Teilweise wurde darüber hinausgehend unter Hinweis auf eine etwa erfolgende nachlassgerichtliche Mitteilung nach § 83 GBO gefordert, das Grundbuchamt müsse sich von Amts wegen Klarheit über die eingetretene Erbfolge verschaffen. Hierzu dürfe es allerdings keinen Erbnachweis i. S. v. § 35 GBO verlangen, sondern müsse sich mit der Beiziehung der Nachlassakten begnügen, um auf diese Weise in freier Beweiswürdigung zu ermitteln, ob ein Erlöschen der Vollmacht wegen Konfusion im Raum steht.481 Wenn das Nachlassgericht dem Grundbuchamt mitteilt, dass nach dem Stand der Ermittlungen der als Bevollmächtigter Handelnde Alleinerbe des eingetragenen Berechtigten geworden sei (vgl. § 83 S. 1 GBO), dürften – sofern man der hier vertretenen Auffassung vom Fortbestehen der Vollmacht nicht folgt – ungeachtet des noch nicht förmlich durch Erteilung des Erbscheins abgeschlossenen Erbscheinverfahrens grundsätzlich ebenfalls die beschriebenen Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Grundbuchamt die Möglichkeit eines Erlöschens der Vollmacht prüfen bzw. vom Handelnden ggf. weitere Nachweise für das Fortbestehen der Vollmacht verlangen darf.

Allein die Kenntnis vom Tod des Vollmachtgebers482 rechtfertigt die Anforderung weiterer Nachweise der Vertretungsmacht nicht, sofern noch unklar ist, wer Erbe geworden ist, und daher nur Mutmaßungen im Hinblick auf ein etwaiges Erlöschen der Vollmacht angestellt werden können.

479 Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 19 Rn. 80 m. w. N. 480 Anders Mensch, ZNotP 2013, 171, 174 (Arg.: Verkehrsschutz). 481 Bestelmeyer, notar 2013, 147, 161. 482 Etwa unter Berufung auf den Erfahrungssatz, dass eine trans- bzw. postmortale Vollmacht nicht

selten der am nächsten stehenden Person erteilt wird, die vielfach auch der (Allein- oder Mit-)Erbe ist.

S. 349 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

bb) Aber: Sondersituation des „Sowieso-Berechtigten“

Selbst wenn aus Sicht des Grundbuchamts ein Erlöschen der Vollmacht aufgrund Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten im konkreten Fall im Raum steht – sei es aufgrund Mitteilung des Nachlassgerichts, sei es aufgrund der Angaben der handelnden Personen –, bedeutet dies jedoch nicht notwendig, dass es einen Nachweis des Fortbestehens der Vollmacht bzw. einen Nachweis der Erbfolge i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO verlangen darf.483

Zwar ist dem OLG München zuzustimmen, dass der Nachweis der Verfügungsbefugnis grundbuchverfahrensrechtlich durch öffentliche Urkunde positiv und vollständig zu erbringen ist (§ 29 Abs. 1 S. 2 GBO).

Die weiteren Erwägungen gehen jedoch fehl. So verweigert das OLG München – ebenso wie schon das OLG Hamm – die Eigentumsumschreibung mit der Begründung, einerseits sei die Vollmacht infolge Zerstörung des ihr innewohnenden Rechtsscheins als Urkundennachweis untauglich, andererseits sei der Erbennachweis nach Maßgabe von § 35 GBO nicht geführt. Dass der Handelnde, entweder als Bevollmächtigter für den wahren Rechtsinhaber oder als Alleinerbe und damit als Rechtsinhaber selbst, in jedem Fall die erforderliche Verfügungsbefugnis innehat – worüber sich die Gerichte auch im Klaren sind –, soll keine Rolle spielen.

Grundbuchverfahren als l’art pour l’art (!?)

Jede Formvorschrift besteht nicht um ihrer selbst willen, sondern um die Erreichung eines bestimmten Zwecks zu gewährleisten. In der vorliegenden Konstellation steht die Verfügungsbefugnis des Handelnden – das räumen auch die beiden Oberlandesgerichte ein – offenkundig nicht in Zweifel. Der Inhalt eines etwaigen Erbscheins (oder eines äquivalenten Nachweises im Sinne von § 35 Abs. 1 S. 2 GBO) kann keinerlei Einfluss auf die Entscheidung über den Eintragungsantrag haben: Entweder die Vollmacht besteht nach Feststellung der Erbfolge fort, so dass die Eigentumsumschreibung auf die trans- bzw. postmortale Vollmacht gestützt werden kann, oder die Erbenstellung des Handelnden wird festgestellt, mit der Folge, dass dem Eintragungsantrag mit Blick auf das jedenfalls subsidiäre (im Fall des OLG München sogar: gleichrangige) Eigenhandeln stattzugeben ist.

Die Eintragung des Eigentumswechsels kann in keiner denkbaren Konstellation zu einer Unrichtigkeit des Grundbuchs führt.

In Anbetracht dessen, dass die Erbfolge somit für die Entscheidung des Grundbuchamts irrelevant ist, fehlt die sachliche Rechtfertigung dafür, einen

483 A. A. Bestelmeyer, notar 2013, 147, 160 f.; Böttcher, NJW 2013, 2805, 2807.

S. 350 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Nachweis der Erbfolge i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO zu fordern.484 Anders formuliert: Durch Vorlage der Ausfertigung der Vollmachtsurkunde hat der Handelnde grundsätzlich seine Verfügungsbefugnis nachgewiesen. Dieser Nachweis würde nicht dadurch erschüttert, dass seine Alleinerbenstellung festgestellt wird, da er dann eben als Rechtsinhaber verfügungsbefugt ist.485

cc) Zwischenergebnis

Selbst wenn man von einem Erlöschen der Vollmacht aufgrund Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten ausgeht und im konkreten Fall aus Sicht des Grundbuchamts tatsächliche Anhaltspunkte für eine derartige Konstellation vorliegen, ist ein Verlangen nach einem Nachweis der Erbfolge i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO im Ergebnis mangels Relevanz nach der hier vertretenen Auffassung niemals gerechtfertigt, da an der Verfügungsbefugnis der handelnden Person keinerlei Zweifel bestehen („Sowieso-Berechtigter“).

6. Ergebnisse; Folgen für die Gestaltungspraxis

a) Wird der trans- bzw. postmortal Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers, führt dies – entgegen der Auffassung des OLG Hamm und des OLG Stuttgart – nicht zu einem Erlöschen der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht, da ein anerkennenswertes Interesse des Vollmachtgebers sowie des Rechtsverkehrs an der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit im Hinblick auf den Nachlass besteht und keine zwingenden Sachgesetzlichkeiten ein Erlöschen erfordern. Immer dann, wenn die Vollmacht in der vorliegenden Form dem Bevollmächtigten materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich weitergehende Befugnisse oder Handlungsmöglichkeiten einräumt als sie dem Alleinerben zur Verfügung stehen, ist sie als fortbestehend zu fingieren.

b) Selbst wenn man von einem Erlöschen der Vollmacht aufgrund Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten ausgeht und das Grundbuchamt tatsächliche Anhaltspunkte für eine derartige Konstellation hat, bedarf es im Grundbuchverfahren – entgegen dem OLG Hamm und jüngst dem OLG München – keines Nachweises der Erbfolge i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, da an der Verfügungsbefugnis der handelnden Person keinerlei Zweifel bestehen („Sowieso-Berechtigter“). Der Inhalt eines etwaigen Erbscheins (oder eines äquivalenten Nachweises im Sinne von § 35 Abs. 1 S. 2 GBO) kann keinerlei Einfluss auf die Entscheidung über den Eintragungsantrag haben.

c) Auch wenn es aus Transparenzgründen nicht wünschenswert ist, sollte bis zu einer höchstrichterlichen Klärung auf eine nähere Erläuterung der Erbfolge verzichtet werden, wenn eine als Alleinerbe in Betracht kommende Person kraft Vollmacht

484 Zutreffend Amann, MittBayNot 2013, 367, 371 m. w. N. sowie unter Hinweis darauf, dass im

Zivilprozess eine Beweiserhebung über nicht entscheidungserhebliche Tatsachen zu unterbleiben hat.

485 In diesem Sinne Keim, DNotZ 2013, 692, 694 f.

S. 351 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

handelt und noch kein Erbnachweis in der Form des §§ 35 Abs. 1 GBO vorliegt. Die Erbfolge selbst sollte indes nicht verschwiegen werden.

d) Darüber hinausgehend mag man erwägen, in den Text der Vorsorgevollmacht eine entsprechende Belehrung aufzunehmen, dass die Vollmacht durch Konfusion erlöschen kann, wenn der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber alleine beerbt.486 Durch diesen Hinweis hätte der Vollmachtgeber und spätere Erblasser Kenntnis von der Problematik und könnte, um Schwierigkeiten vorausschauend zu vermeiden, gezielt eine andere Person als den anvisierten Alleinerben bevollmächtigen, um die Handlungsfähigkeit des Nachlasses nach seinem Versterben in jedem Fall aufrechtzuerhalten. Sofern eine weitere Person existiert, zu der der Vollmachtgeber ein vergleichbares Vertrauensverhältnis wie zu dem anvisierten Alleinerben hat, bestehen hiergegen keine Bedenken. Ist dies – wie vermutlich nicht selten – nicht der Fall, erscheint es m. E. sinnvoll, ggf. auftretende Schwierigkeiten beim Handeln des bevollmächtigten Alleinerben in Kauf zu nehmen.

486 So Lutz, BWNotZ 2013, 171, 174.

S. 352 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

V. Bewilligungsbefugnis nach Löschung des Insolvenzvermerks (K)

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 1.3.2016 - 20 W 26/16, MittBayNot 2016, 544 = ZIP 2016, 1881.

Anschluss an: OLG Hamm, Beschluss v. 20.3.2014 -15 W 392/13, ZfIR 2014, 433 (m. Anm. Zimmer) = NZI 2014, 474 = RNotZ 2014, 365 = MittBayNot 2015, 165 (m. Anm. Kreuzer)

Gegen: OLG Celle, Beschluss v. 16.4.2015 - 4 W 57/15, ZIP 2015, 887 = NZI 2015, 485 = ZfIR 2015, 530 = FGPrax 2015, 154 (m. Anm. Keller) = DNotZ 2015, 771 (m. Anm. Kesseler)

OLG Naumburg, Beschluss vom 1.11.2013, – 12 Wx 43/13, MittBayNot 2015, 162 (m. Anm. Kreuzer)

Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss v. 26.8.2013 – 9 W 323/13, zitiert nach juris

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 18.1.2012 – 5 Wx 114/11 –, MittBayNot 2013, 76,

1. Ein typischer Sachverhalt

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners wird eröffnet, der Insolvenzvermerk wird im Grundbuch nach § 32 Abs. 1 InsO eingetragen. Aus welchen Gründen auch immer gibt der Insolvenzverwalter das Grundstück aus der Masse frei. Der Insolvenzvermerk wird aus dem Grundbuch gelöscht.

Der Insolvenzschuldner verkauft das Grundstück und bewilligt die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch. Das Grundbuchamt lehnt die Eintragung mit dem Argument ab, ihm sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bekannt. Allein die Löschung des Insolvenzvermerks führe nicht zur Beendigung des Insolvenzbeschlags, dies sei nur bei wirksamer Freigabe durch den Insolvenzverwalter möglich. Diese müsse in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden.

2. Entscheidung

Das OLG Frankfurt stellt sich entgegen der in der Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung auf den Standpunkt, der gelöschte Insolvenzvermerk indiziere die Wiedererlangung der Verfügungsmacht, weshalb das Grundbuchamt keine Nachweise für die Wirksamkeit der Freigabe verlangen könne.

S. 353 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Worin gehen die abweichenden Beschlüsse fehl?

Wie das OLG Frankfurt richtig feststellt, muss das Grundbuchamt in die Richtigkeit der Löschung des Insolvenzvermerks vertrauen.

a) § 891 BGB im Grundbuchverfahren

§ 891 BGB bestimmt den Grundsatz der Richtigkeit des Grundbuchs – dies muss verfahrensrechtlich umgesetzt werden. Im materiellen Recht gilt der Inhalt des Grundbuchs als zutreffend, im formellen nicht? Das überzeugt nicht.

Das OLG Celle487 schreibt: „In diesem Verfahren findet aber keine materiell-rechtliche Prüfung des Grundbuchamtes statt, ob die Löschungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen; demgemäß hat die Löschung des Insolvenzvermerks – wie auch bereits dessen Eintragung – nur deklaratorische Bedeutung und gibt keine verbindliche Auskunft darüber, ob die vorliegend streitgegenständliche Eigentumswohnung noch zur Insolvenzmasse gehört.”

Das Ersuchen des Insolvenzgerichts stellt eine im Insolvenzverfahren durch ein Gericht getroffene Maßnahme dar. Es besteht keine verfahrensrechtliche Notwendigkeit, im Rahmen der Zuständigkeit eines Hoheitsträgers zustande gekommene hoheitliche Maßnahmen durch (verfahrenstechnisch) nachgeordnete Funktionsträger zu überprüfen. Die Löschung des Insolvenzvermerks darf nur und ausschließlich dann vom Insolvenzgericht nachgesucht werden, wenn einer der Fälle vorliegt, in denen die Verfügungskompetenz des eingetragenen Eigentümers gerade nicht durch das Insolvenzverfahren beeinträchtigt ist. Fälle, in denen der Vermerk zur Löschung gelangt, ohne dass die insolvenzrechtlichen Verfügungssperren aufgehoben wären, gibt es nicht.488

Für die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch hat der Gesetzgeber das einfache Ersuchen des Insolvenzgerichts vorgesehen. Diese Verfahrensweise soll aber nach dem OLG Celle dazu führen, dass die daraufhin erfolgte Löschung des Vermerks grundbuchverfahrensrechtlich unbrauchbar ist.

b) Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes

Keines der Gerichte beschäftigt sich allerdings mit der vorrangigen Frage, inwieweit dem Grundbuchamt überhaupt die Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verfügungsmacht des Eigentümers in den Fällen zukommt, in denen aus dem

487 OLG Celle, Beschluss v. 16.4.2015 - 4 W 57/15, ZIP 2015, 887.

488 MünchKommInsO/Schmahl/Busch, 3. Aufl., 2013, §§ 32, 33 Rdn. 79.

S. 354 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Grundbuch ein Verfügungshindernis nicht erkennbar ist. Es geht also um die alte Frage, inwieweit das Grundbuchamt durch seine eigene Prüfung einen aufgrund des Grundbuchs an sich möglichen gutgläubigen Erwerb verhindern kann. Der Verfügungsempfänger des Eigentümers durfte sich angesichts des „leeren” Grundbuchs darauf berufen, bei Antragstellung gutgläubig hinsichtlich etwaiger Verfügungsbeschränkungen in der Person des Eigentümers zu sein. Zwar handelte es sich im vorliegenden Fall wohl nicht um einen Vorgang, bei dem der gutgläubige Erwerb eine Rolle gespielt hätte. Gleichwohl hätte das Verfahren schon aus diesem Gesichtspunkt nicht geführt werden müssen, glaubte man aufseiten des Grundbuchamtes nicht daran, einen „gutgläubigen Erwerb verhindern zu müssen”.

Von der weiter489 h.M. in der Rechtsprechung490 und in Teilen der Literatur491 wird die Auffassung vertreten, das Grundbuchamt dürfe an einem „bloß gutgläubigen” Erwerb nicht mitwirken. Die h.A. will damit in § 892 Abs. 2 BGB einen Schutz des Erwerbers vor der nach Antragstellung erlangten eigenen Bösgläubigkeit erkennen. Diese beruht im Wesentlichen auf der Argumentation, dass § 892 Abs. 2 BGB zwar einen Schutz des Erwerbers einer grundbuchlichen Rechtsposition vor der nach Antragstellung erlangten eigenen Bösgläubigkeit herbeiführen wolle, die Norm aber gleichwohl voraussetze, dass es überhaupt zu einem Rechtserwerb durch Eintragung komme.

Die in der Literatur in den letzten Jahrzehnten weit überwiegende Gegenmeinung geht demgegenüber davon aus, dass der Erwerber eines Rechts sich sehr wohl ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung darauf verlassen könne, dass aus dem Grundbuch zum Zeitpunkt der Antragstellung/Einigung nicht ersichtliche Hindernisse seinen Rechtserwerb nicht beeinträchtigen.492

489 Die Entscheidungen OLG Jena, Beschl. v. 26.8.2013 – 9 W 323/13, zitiert nach Juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12. 3. 2013 − 3 W 164/12, NZI 2013, 952; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.1.2012 – 5 Wx 114/11, BeckRS 2012, 08558, sind ebenso nur auf Grundlage dieser herrschenden Auffassung verständlich. 490 BayObLG (2. ZS), Beschluss vom 24. 3. 1994 - 2Z BR 20/94, BayOblGZ 1994, 66, 71f.; KG, Beschluss vom 8. 8. 1972 - 1 W 1270/71, DNotZ 1973, 301, 304; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. Januar 1991 – 20 W 523/89, juris, Rpfleger 1991, 361; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2. 9. 1997 - 11 Wx 60–97, NJW-RR 1998, 445; offen gelassen von BGH NJW 1986, 1687, 1688. Die vielfach in der Literatur fälschlich zitierte Entscheidung des BayOblGZ 1954, 97, 99, befasst sich mit § 878 BGB, nicht jedoch mit der hier in Rede stehenden Problematik des § 892 Abs. 2 BGB. 491 Zuletzt ausführlich Kössinger, in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl. 2013, § 19 Rn. 233ff.; Demharter, GBO, 29. Aufl. 2014, § 13 Rn. 12, § 19 Rn. 59; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1997, § 7 Rn. 19; Bestelmeyer, Rpfleger 1997, 424; in der älteren Literatur Güthe/Triebel, GBO, 6. Aufl. 1936, § 19 Rn. 33. 492 Böttcher (Fn. 8), Einleitung H Rn. H 68ff. mit ausführlichen weiteren Nachweisen; derselbe, Rpfleger 1983, 187, 191; 1990, 486, 491; 1991, 272; Lenenbach, NJW 1999, 923; Rieger, BWNotZ 2001, 86f.; Wilke, in: Bauer/von Oefele, GBO, 1999, § 13 Rn. 97; Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, 13. Aufl., 1994ff, § 892 Rn. 176, 201; MünchKomm-BGB/Wacke, § 878 Rn. 22 und § 892 Rn. 70; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12. Aufl. 2001, Rn. 352; Schmitz, JUS 1995, 245, 247; Ertl,

S. 355 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Nur diese Auffassung kann letztlich überzeugen. Es wird Zeit, dass ein Gericht diese Frage einmal dem BGH vorlegt.

4. Praktischer Umgang

Je nachdem, im Bereich welchen OLG man sich befindet, kann es sich empfehlen, bereits mit Durchführung des Kaufvertrages den Insolvenzverwalter um Erteilung der Freigabeerklärung in öffentlich beglaubigter Form zu bitten. Gegebenenfalls müssen dazu die Grundpfandrechtsgläubiger (freigegebener Grundbesitz ist in aller Regeln wertausschöpfend belastet) dem Verwalter eine Tätigkeitsgebühr anbieten – aus sich heraus wird er die Erklärungen kaum abgeben, obwohl er dazu nach meiner Auffassung verpflichtet ist.493

5. Freigabe als Gestaltungsinstrument

Einen Fall zum Schluss:

Ein Kollege hatte mir folgenden Text aus einem Kaufvertrag zugesandt:

„Aufgrund der heutigen Veräußerung gibt der Verkäufer (in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter) mit Wirkung ab Besitzu bergang den Grundbesitz und den Kaufgegenstand frei und der Verkäufer (in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter) bewilligt hiermit gem. § 32 Abs. 3 Satz 2 InsO (ggf. in Verbindung mit § 23 Abs. 3 InsO) die Eintragung uber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sowie sonstige Verfu gungsbeschränkungen) und die Verfu gungsbeschränkung im Grundbuch zu löschen. Die Löschung der Vermerke wird ausschließlich durch den amtierenden Notar beantragt, jedoch fruhestens und unverzuglich nach Bestätigung des Verkäufers gegenuber dem Notar uber die vollständige Kaufpreiszahlung.“

Was sich die Beteiligten dabei gedacht haben, weiß ich nicht. Die Idee ist aber immens gefährlich.

Zum einen begibt sich der Verwalter schon formal der Erfüllungsfähigkeit des Kaufvertrages, da seine Auflassung durch die Freigabe (er ist ja gerade nicht Vertreter des Schuldners) wertlos geworden ist. Sollte die Freigabe wirksam sein, ist die Auflassung materiell nicht verwendbar und selbst wenn das Grundbuchamt das nicht bemerken sollte, auf gar keinen Fall als Grundlage für einen Erwerb verwendbar, da der Käufer dann erst nach 30 Jahren (Ersitzung!)

MittBayNot 1975, 204; Rpfleger 1980, 41, 44; Eickmann, Rpfleger 1972, 77; Habscheid, ZZP 1977, 199; Rademacher, MittRhNotK 1983, 90. 493 Kesseler, DNotZ 2006, 84.

S. 356 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Eigentümer würde. Korrekterweise muss nun der Schuldner die Auflassung erklären.

Weiter stellt sich die Frage, ob die Vormerkung hier nicht per se unwirksam geworden ist. Da die Freigabe vertraglich vereinbart ist, ist diese keine anspruchswidrige Verfügung. Die Freigabe führt aber gleichzeitig zum Ausscheiden des Grundstücks aus dem Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters, was bedeutet, dass dieser keine Verfügungen über den Gegenstand mehr vornehmen kann. Da die Vormerkung nur die Erfüllungsfähigkeit sichert, diese aber vertragskonform beseitigt werden sollte, hat die Vormerkung keinen Sinn.

Schließlich dürfte auch der Insolvenzschuldner nicht mit dem Grundstück für die Erfüllung des Kaufvertrages haften. Zwar begründet der Verwalter die Masseverbindlichkeiten für den Rechtsträger des Insolvenzverfahrens. Da der Insolvenzschuldner aber nach herrschender Auffassung nur mit den dem Insolvenzbeschlag unterliegenden vermögen haftet, führt die Freigabe auch zur entsprechenden Enthaftung für die Masseverbindlichkeit.

So sollte es nicht laufen.

S. 357 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

G) Öffentliches Recht und Steuerrecht

I. Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach bayerischem Kommunalrecht (CH)

BGH, Beschl. v. 18.03.2016 - V ZR 266/14,

FGPrax 2016, 145 = MittBayNot 2016, 442 = MDR 2016, 687

BGH, Urt. v. 18.11.2016 - V ZR 266/14,

bei Redaktionsschluss des Skripts noch nicht veröffentlicht, aber auf DNotI-Homepage

Der BGH hat die Rechtsprechung zur Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach bayerischem Kommunalrecht geändert. Jetzt hält er die Erklärung des Bürgermeisters auch dann für wirksam, wenn dieser ohne einen Gemeinderatsbeschluss gehandelt hat.

1. Bisherige Rechtslage in Bayern

In Bayern ist bekanntlich alles besser (so meinen jedenfalls wir selbst) – oder jedenfalls vieles anders (wie es Nicht-Bayern höflich ausdrücken würden).

Anders ist bisher auch die Vertretungsmacht des Bürgermeisters. Nach bayerischem Kommunalrecht beschränken kommunalinterne Zustimmungserfordernisse die Vertretungsmacht des Bürgermeisters auch nach außen. So sieht dies jedenfalls bisher die ständige Rechtsprechung. Daher ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Bürgermeisters schwebend unwirksam, solange die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderates nicht vorliegt494.

So haben wir es jedenfalls alle gelernt. Und so praktizieren es auch die bayerischen Notare: Vertritt der Bürgermeister die Gemeinde bei einem Grundstückskauf oder –verkauf, so handelt er „vorbehaltlich Gemeinderatsbeschluss“. Und der Notar wartet erst ab, bis er den beglaubigten Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll hat, bevor er den Vertrag (zusammen mit dem Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll) dem Grundbuchamt vorlegt.

494 BayObLGZ 1952, 251 = DNotZ 1953, 94, 96; BayObLGZ 1974, 81 = BayVBl. 1974, 706 =

MittBayNot 1974, 106; BayObLGZ 1974, 374 = Rpfleger 1974, 95; BayObLGZ 1986, 112 = BayVBl. 1986, 476 = NJW-RR 1986, 1080; BayObLGZ 1997, 37 = MittBayNot 1997, 120, 122 m.Anm. Grziwotz = NJW-RR 1998, 161; BayObLGZ 1997, 223 = MittBayNot 1997, 383, 386; ebenso in der Literatur etwa: Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 208; Prandl/Zimmer-mann/Büchner, Kommunalrecht in Bayern, Art. 38 GO Anm. 1; Widtmann/Grasser, GO, Art. 38 Rn. 3; a.A. Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 38 GO Rn. 3; Hölzl/Hien, Gemeindeordnung, Art. 38 Anm. 2a; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 4 Rn. 35 f.

S. 358 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Rechtslage in den anderen Bundesländern

In den anderen anderen Bundesländern ist dies bisher schon anders. In den anderen Bundesländern hat der Bürgermeister im Außenverhältnis unbegrenzte Vertre-tungsmacht – auch soweit im Innenverhältnis ein Gemeinderatsbeschluss erforderlich ist – und zwar sogar falls ein gegenteiliger Beschluss vorliegt. Lediglich ein kollusiver Vertretungsmissbrauch wäre unwirksam.495

Ebenso sieht man dies bei anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts Auch dort wirken Regelungen über die interne Willensbildung bei einer Behörde oder juristischen Person des öffentlichen Rechts im Zweifel nur im Innen-verhältnis, beschränken aber die Vertretungsmacht nicht im Außenverhältnis.496

3. Änderung durch BGH-Rechtsprechung

Der BGH hatte bisher die Auslegung für das bayerische Landesrecht ausdrücklich offen gelassen. Nun hat der BGH gegen die ständige Rechtsprechung der bayerischen Gerichte entschieden.

a) BGH, Beschl. v. 18.03.2016 - V ZR 266/14: Anfrage beim BAG

Bevor der BGH aber anders entscheiden konnte, musste er erst beim Bundesarbeits-gericht anfragen, das einmal im Sinne der bisher ganz allgemeinen Rechtsprechung entschieden hatte. Denn hätte das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, hätte der BGH den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgericht anrufen müssen – was die obersten Gerichte bekanntlich nur sehr ungern tun („horror pleni“).

BGH, Beschl. v. 18.03.2016 - V ZR 266/14

FGPrax 2016, 145 = MittBayNot 2016, 442 = MDR 2016, 687.

Bei dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts wird angefragt, ob dieser daran festhält, dass eine bayerische Gemeinde durch ihren ersten Bürgermeister nur dann wirksam vertreten wird, wenn die nach der gemeindeinternen Kompetenzverteilung für die Rechtshandlung erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats erfolgt ist.

495 Baden-Württemberg: BGH, BB 1966, 603 = MDR 1966, 669; VGH Baden-Württemberg,

VBlBW 1983, 210; VGH Baden-Württemberg, NVwZ 1990, 892 = VBlBW 1990, 140; Branden-burg: OLG Brandenburg, DtZ 1996, 323; Mecklenburg-Vorpommern: OLG Rostock, NJW-RR 1994, 661; Niedersachsen: BGH, BB 1966, 1290; Rheinland-Pfalz: BGH, NJW 1980, 117, 118; Sachsen: LG Leipzig, DtZ 1997, 68; ebenso für die frühere Kommunalverfassung-DDR (1990): BGH, DNotI-Report 1997, 207 = DtZ 1997, 358 = WM 1997, 2410; WM 1998, 1097 = ZfBR 1998, 147; BGHZ 137, 89 = MDR 1998, 103 = NJW 1998, 377; BGH, NJW 1998, 3058 = WM 1998, 2038; vgl. allg. Schaub, in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT VII Rn. 317; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3660.

496 Vgl. Gutachten, DNotI-Report 2000, 189 (Vertretung einer IHK – Industrie- und Handels-kammer).

S. 359 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) BAG gab den Weg frei

Das Bundesarbeitsgericht ließ sich überzeugen. Es hielt nich an seiner Rechtsprechung fest:

BAG, Beschl. v. 22.08.2016 - 2 AZB 26/16

NVwZ-RR 2016, 924 = NZA 2016, 1296

BAG hält nicht an Rechtsprechung zur Beschränkung der Vertretungsbefugnis eines bayerischen Bürgermeisters fest

(Rn. 3) „II. Der Zweite Senat hält an der vom Dritten Senat im Urteil vom 8. Dezember 1959 (- 3 AZR 348/56 -) vertretenen Rechtsauffassung nicht fest.“

(Rn. 12) „3. Soweit dem zu Art. 35 Abs. 1 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern ergangenen Senatsurteil vom 18. Oktober 1990 (- 2 AZR 157/90 -) entnom-men werden könnte, der Senat hätte dieser Entscheidung die vom Dritten Senat zu Art. 38 Abs. 1 BayGO vertretene Rechtsauffassung zugrunde gelegt und auf die Vertretungsmacht des Landrats übertragen, hält er hieran aus den vorstehend genannten Gründen nicht fest.“

c) BGH, 18.11.2016 - V ZR 266/14: Rechtsprechungsänderung des BGH

Darauf konnte der BGH über die Änderung der Rechtsprechung entscheiden:

BGH, Urt. v. 18.11.2016 - V ZR 266/14,

noch nicht veröffentlicht – zitiert nach Juris, auch auf DNotI-Homepage

Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters auch in Bayern nach außen unbeschränkt

Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde ist im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat.

Sachverhalt:

Der Sachverhalt ist für die Rechtsfrage eigentlich irrelevant. Nur colorandi causa sei er erwähnt:

– Im Jahr 1997 hatte der Ansbacher Oberbürgermeister die Löschung eines Leitungs-rechts bewilligt – in der Annahme, dass auf dem betroffenen, abvermessenen Straßengrundstück gar keine Leitung verlief.

– 2009 sollte die Leitung im Zuge von Baumaßnahmen an der Straße tiefergelegt werden. Dabei merkte man, dass sie nicht (mehr) dinglich gesichert war.

S. 360 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Die Stadt verlangte vom Bund als Grundstückseigentümer die Wiedereintragung des Leitungsrechts. Der Bund weigerte sich, ließ sich verklagen. Die Stadt verlor vor dem Landgericht, gewann vor dem OLG. Der BGH verwies zurück.

– Anmerkung: Wirtschaftlich ging es in dem Rechtsstreit offenbar darum, ob der Bund oder die Gemeinde die Kosten der Trassenverlegung zu tragen hatte. Warum zwei öffentliche Hände dafür mehrere Instanzen bis hin zum BGH bemühen müssen, ist mir allerdings nicht verständlich.

– Der eigentliche Streit ist auch noch nicht vorbei: Zwar war die Löschungs-bewilligung wirksam. Möglicherweise war sie aber irrtümlich erteilt, weil die Stadt meinte, dort laufe gar keine Leitung und sie sei daher zur Löschung verpflichtet. Dann wäre die Löschung rechtsgrundlos erfolgt. Der diesbezügliche Bereiche-rungsanspruch der Stadt wäre auch noch nicht verjährt. Daher verwies der BGH zurück an das OLG.

d) Begründung des BGH

Der BGH sucht Gründe für den bayerischen Sonderweg und findet sie nicht (Hervor-hebungen sind von mir):

(Rn. 7) „1. Für das Kommunalrecht anderer Bundesländer entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt ist. Die Gemeinde wird durch seine Erklärungen grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen Beschluss der Gemeindevertretung fehlt …“

Die bayerischen Gerichte sehen dies zwar in ständiger Rechtsprechung anders. In der Literatur ist die Frage umstritten (Rn. 8-11).

Der V. Zivilsenat untersucht dann, ob sich mit den traditionellen Auslegungs-methoden Argumente für eine Beschränkung der Vertretungsmacht finden lassen. Er verneint dies.

(Rn. 13) „Ob Beschränkungen Außenwirkung haben, ist durch Auslegung der die Vertretung regelnden Normen zu ermitteln; die Regelungen der bayerischen Gemeindeordnung weisen keine Besonderheiten auf, die eine von der Rechtslage in den anderen Bundesländern abweichende Reichweite der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters rechtfertigen könnten.“

Der Gesetzeswortlaut spricht eher für eine unbeschränkte Vertretungsbefugnis.

(Rn. 14) „a) Unter der Überschrift „Verpflichtungsgeschäfte; Vertretung der Gemeinde nach außen“ regelt Art. 38 Abs. 1 BayGO, dass der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der Gemeinderat) kann für die Gemeinde nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388 f.) oder - mit anderen Worten - die materielle Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts im Außenverhältnis.“

S. 361 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Auch systematisch betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Gemeinderat und Bürgermeister nur das Innenverhältnis.

(Rn. 15) „b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die Vorschriften der bayerischen Gemeindeordnung, die die Zuständigkeit von Gemeinderat und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36, 37 BayGO), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung. Insbesondere trifft Art. 36 Satz 1 BayGO, wonach der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38 Abs. 1 BayGO eigenständig geregelte Vertretung der Gemeinde nach außen. Der Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der erste Bürgermeister „bloßes Vollzugsorgan“ ist. In Art. 29 BayGO wird er wie der Gemeinderat ausdrücklich als Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewich-tiges Hauptorgan neben dem Gemeinderat hat er einen eigenen, in Art. 37 BayGO positiv definierten Aufgabenbereich (…).“

Dann sucht der BGH in der Entstehungsgeschichte und wird auch dort nicht findig.

(Rn. 16) „c) Der Entstehungsgeschichte der bayerischen Gemeindeordnung lässt sich ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen.

(Rn. 17) aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs. 1 (entspricht Art. 38 Abs. 1 BayGO) ausgeführt wird, die Vertretung der Gemeinde im Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters, der allerdings den betreffenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss dem Vertragspartner der Gemeinde oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, Landtagsdrucksachen 1951/1952 Beilage 1140, S. 35), ist dies unergiebig (aA BayObLGZ 1952, 271, 274). Denn der Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch umfangreiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters gegenüber dem Gemeinderat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste Bürger-meister in allen Gemeinden vom Volk gewählt (Art. 17 BayGO), während der Regierungsentwurf eine direkte Wahl nur in Gemeinden bis zu 20.000 Einwohnern und für größere Gemeinden die Wahl durch den Gemeinderat vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz 2). Art. 29 BayGO, wonach der Gemeinderat die Gemeinde verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbständig entscheidet, erhielt die Überschrift „Hauptorgane“ (vgl. Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S. 1083, 1085). In Art. 30 Abs. 2 BayGO wurde die Passage eingefügt, wonach der Gemeinderat (nur) „im Rahmen des Art. 29“ über alle Angelegenheiten bestimmt, für die nicht beratende Ausschüsse bestellt sind (Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S. 1085). Dieser Einschub nimmt die in Art. 37 BayGO festgelegten selbständigen Befugnisse des ersten Bürgermeisters ausdrücklich vom Aufgabenbereich des Gemeinderates aus. Schließlich wurde dem Gemeinderat auf Einwendung des Bayerischen Senats die ursprünglich in Art. 38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen, den von dem ersten Bürgermeister getätigten dringlichen Anordnungen und unaufschiebbaren Geschäften vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die Genehmigung zu versagen (vgl. Protokoll der Plenarsitzung des Bayerischen Senats vom 11. Januar 1952, Anlage 5, S. 7 und Sitzungsprotokoll der 66. Sitzung des Landtags vom 18. Januar 1952, S. 1305 f., 1310).

(Rn. 18) bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem Regierungsentwurf nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den Gemeindeordnungen vom 17. Oktober 1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) eher für eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis (Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 64; aA BayObLGZ 1952, 271, 274). In diesen Vorgängerregelungen kam die außerhalb der Eigenentscheidungsbefugnis bestehende Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 BayGO 1927 vollzog der erste Bürger-meister die Beschlüsse des Gemeinderats und vertrat „hierbei“ den Gemeinderat (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayGO 1945: die Gemeinde) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss als

S. 362 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. … ). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 38 Abs. 1 BayGO gerade nicht mehr.“

Vergleicht man die bayerische Regelung mit der der anderen Bundesländer, so lassen sich keine Unterschiede finden, die für eine andere Auslegung als im Rest Deutschlands sprächen.

(Rn. 19) „d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen Bundesländer, die nur in Bayern die Annahme einer beschränkten Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische Struktur der bayerischen Kommunalverfassung derjenigen der baden-württembergischen Gemeindeordnung. Dieses Konzept der süddeutschen Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten Bundesländern übernommen worden (… ). Auch der baden-württem-bergische Gemeinderat ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GO BW Hauptorgan der Gemeinde. Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GO BW unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR 50/65, MDR 1966, 669 sowie BAGE 47, 179 ff. zu § 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO BW). Selbst für das frühere nordrhein-westfälische Kommunalverfassungsrecht, das eine Allzuständigkeit des Gemeinderats (§ 28 GO NRW aF) und eine entsprechend schwächere Stellung des Gemeindedirektors vorsah, war die umfassende Außenvertretungsmacht des Gemeindedirektors anerkannt (eingehend OLG Köln, DVBl. 1960, 816, 817 f. mit Anm. Roemer; BGH, Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 zu §§ 28, 55 GO NRW i.d.F. von 1969).“

Schließlich überlegt sich der BGH, was die bessere Lösung ist. Hier sieht er Rechtssicherheit und Verkehrsschutz bei einer nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht als besser gewährleistet an.

(Rn. 20) „e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO als Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht - wie in den anderen Bundesländern auch - das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; U. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, 2005, S. 207: sinnvolles Ordnungsprinzip; hierzu auch BAG, Beschluss vom 22. August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11).

(Rn. 21) aa) Der Erklärungsempfänger - in der Regel der Bürger - muss sich auf die Vertretungs-befugnis des für die Gemeinde nach außen handelnden Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der Gemeinde unbenommen, gegen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamten-rechtliche Sanktionen zu verhängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es erscheint unangemessen, das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfänger aufzu-bürden, der die Vorgänge bei der internen Willensbildung als außenstehender Dritter in aller Regel nicht erkennen kann. Insbesondere wird ein ausreichender Schutz nicht dadurch gewährleistet, dass er von der für die Gemeinde handelnden Person den Nachweis ihrer Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388; aA BayObLGZ 1952, 271, 274; 1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN). Dabei verbleiben nämlich erhebliche Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger die Ausfertigung eines Gemeinderatsbeschlusses vorgelegt (vgl. Art. 54 BayGO), müsste er überprüfen, ob dieser wirksam ist und das konkrete Rechtsgeschäft umfasst. Hat der Gemeinderat keinen Beschluss gefasst, kann eine schwierige Abgrenzung der gemeindeinternen Zuständig-keiten erforderlich sein, insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa BayObLGZ 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die Gemeinde im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handelnden Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, MittBayNot 1997, 120 ff.).“

S. 363 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Auch für die bayerischen Grundbuchämter wird es dann einfacher.

(Rn. 22) „bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen Rechts-unsicherheit stehen nach der bislang in Bayern herrschenden Meinung die dortigen Grundbuch-ämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur dann vornehmen, wenn die Vertretungs-befugnis des ersten Bürgermeisters in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Dement-sprechend betrifft ein großer Teil der oben (unter II.2a)) zitierten Entscheidungen der bayerischen Gerichte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht (vgl. nur aus jüngerer Zeit OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris; Beschluss vom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem Zusammenhang ggf. die Auslegung von Gemeinderatsbeschlüssen abverlangt (vgl. z.B. OLG München, MittBayNot 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforderungen an die Beweis-führung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzulehnen (BayOblGZ 1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat vorgenommenen Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeind-lichen Zuständigkeitsordnung zu überwachen.“

„Das haben wir aber schon immer so gemacht“, zählt hier nicht. Denn Gewohnheits-recht ist die bisherige Auslegung noch nicht geworden. Denn der BGH hatte sich ausdrücklich noch nicht festgelegt. In der Literatur war die Auslegung immer strittig.

(Rn. 23) „f) Schließlich kann den Überlegungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach die von den bayerischen Gerichten seit 1952 vorgenommene Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO zu der Entstehung von Gewohnheitsrecht geführt haben könnte (BayObLGZ 1986, 112, 115), nicht beigetreten werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. November 2008 - V ZR 35/08, NJW-RR 2009, 311 Rn. 12; BVerfGE 122, 248, 269). Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Bundesgerichtshof die Frage bereits 1966 für die sehr ähnlich gelagerte baden-württembergische Gemeindeordnung anders entschieden und dies im Jahr 1979 für Bayern ausdrücklich offen gelassen hat; zudem wurden in der Rechtsliteratur schon frühzeitig Bedenken im Hinblick auf den Verkehrsschutz erhoben (vgl. z.B. Walz in Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1. Aufl. [1956] Bd. I, S. 235, 266 f.). Darüber hinaus hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem (auf Anfrage des erkennenden Senats in dieser Sache ergangenen) Beschluss vom 22. August 2016 (2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters nach Art. 38 Abs. 1 BayGO nicht auf der Bildung einer Rechtsüberzeugung in den beteiligten Kreisen beruhe; da zu diesen auch Dritte gehörten, die in rechtsgeschäftliche Beziehungen zu den bayerischen Kommunen treten, dürfte schon wegen des Umfangs und der Unbestimmtheit dieses Personenkreises eine einheitlich als richtig angesehene Rechtsüberzeugung nicht feststellbar sein.“

e) Föderales Bauchgrummeln

Die Argumentation des BGH ist klar und gut begründbar. Warum sollte eine nahezu identische Vorschrift in Bayern etwas anderes bedeuten als im restlichen Bundes-gebiet?

Persönlich habe ich aber Bedenken in föderaler Hinsicht: Der BGH legt eine Vorschrift des bayerischen Landesrechts aus als die bayerischen Gerichte in ständiger Rechtsprechung. Kann der BGH das? Und wenn er das kann, sollte er es tun?

S. 364 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Verwaltungsgerichtlich kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 1 VwGO nur die Verletzung von Bundesrecht prüfen (sowie der Vorschriften der landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetze, die wortgleich dem Verwaltungs-verfahrensgesetz des Bundes entsprechen). D.h. auf die hier vom BGH entschie-dene Frage hätte keine Revision zum BVerwG gestützt werden können.

– Im Zivilverfahrensrecht enthält § 545 ZPO jetzt keine vergleichbare Beschrän-kung mehr.497 Die Gemeindeordnung ist zwar öffentliches Recht; dennoch kann man nicht die verfahrensrechtliche Norm des § 137 VwGO auf das zivilgerichtliche Verfahren übertragen. Der BGH konnte also über diese Frage entscheiden.

– Ich hätte mir aber mehr Zurückhaltung des BGH bei einer Entscheidung über den Inhalt einer der wichtigen Vorschriften des landesrechtlichen Kommunalrechts gewünscht. Wenn die bayerische Rechtsprechung einhellig einer bestimmten Auslegung folgt und diese vertretbar ist, hätte m.E. die Kontinuität der Rechtsprechung für eine Beibehaltung der bisherigen Auslegung gesprochen. Und m.E. war die bisherige Auslegung auch gut begründbar. Dass man es schon immer so gemacht hat, ist doch ein Argument, wie man die Vorschrift versteht – und wie sie eben wahrscheinlich auch der bayerische Gesetzgeber Anfang der 1950er Jahre verstanden hat.

4. Gesetzesänderung zur Wiederherstellung des bisherigen Rechtszustandes

Letztlich hat die Rechtsprechungsänderung keine Folgen für die Praxis.

Denn dem bayerischen Landesgesetzgeber gefiel die Karlsruher Auslegung auch nicht. Er wird das Gesetz ändern, um den bisherigen Rechtszustand „klarstellend“ wiederherzustellen.

Art. 38 Bayerische Gemeindeordnung - Verpflichtungsgeschäfte; Vertretung der Gemeinde nach außen

(1) Der erste Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen.

Nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer Gesetze, Bay. LT-Drucks. 17/14651 vom 06.12.2016 wird Art. 38 Abs. 1 BayGO um folgenden Satz 2 ergänzt:

„Der Umfang der Vertretungsmacht ist auf seine Befugnisse beschränkt.“

Zur Begründung heißt es:

497 Bis 2009 war die Revision bei Landesrecht beschränkt auf Vorschriften, „deren Geltungsbereich

sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt“.

S. 365 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

„Mit der Neuregelung wird klargestellt, dass dem ersten Bürgermeister(s) durch Art. 38 Abs. 1 keine umfassende Vertretungsmacht im Außenverhältnis eingeräumt wird, sondern die Vertretungsmacht vielmehr auf seine Befugnisse – insbesondere auf die Bereiche seiner eigenen Zuständigkeit nach Art. 37 und den Vollzug von Beschlüssen des Gemeinderats nach Art. 36 – beschränkt ist (vgl. Drs. 2/1140 Seite 35; BayVerfGH, E.v. 29.2.1972 – Vf. 85-V-70 – VerfGH, 25, 27, 43; BayObLG, B.v. 15.1.1997 – 3Z BR 153/96 – m.w.N.; BayVGH, B.v. 27.5.2014 – 15 ZB 13.105 – m.w.N.). Diese Klarstellung ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, B.v. 18.3.2016 – V ZR 266/14) und des Bundesarbeits-gerichts (BAG, B.v. 22.8.2016 – 2 AZB 26/16), welche von einer umfassenden Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters ausgehen, erforderlich.“

Bay. LT-Drucks. 17/14651, S. 17

Nachdem der Gesetzgeber von einer „Klarstellung“ ausgeht, wirkt das neue Gesetz ebenso rückwirkend wie die Auslegung des BGH, die ja auch davon ausgeht, nur das aus dem Gesetzestext herausgearbeitet zu haben, was schon immer darin enthalten war. Das mag beides eine Fiktion sein, aber im Ergebnis kann nichts anderes heraus-kommen, als dass das alte Recht bruchlos weitergilt (ausgenommen natürlich rechts-kräftig entschiedene Fälle, insbes. den BGH-Fall selbst).

Daher werden die bayerische Bürgermeister in aller Regel weiterhin wie bisher „vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderats“ handeln.

Theoretisch möglich ist natürlich, dass sich der Bürgermeister bereits vorab einen hinreichend genau ermächtigenden Beschluss erteilen lässt. Dann muss er aber sicherstellen, dass dieser (ähnlich wie eine Vollmacht) auch alle Elemente des abzuschließenden Rechtsgeschäftes umfasst.

Lässt sich der Bürgermeister vorab eine Ermächtigung erteilen, sollte darin möglichst auch etwas von der Finanzierungsvollmacht stehen. Unbedingt erforderlich ist dies allerdings nicht. Denn ansonsten kann man es i.d.R. durch Auslegung des Ermächtigungsbeschlusses entnehmen, auch wenn darüber nichts ausdrücklich im Gemeinderatsbeschluss steht.498

Von daher ist die nachträgliche Genehmigung die wesentlich einfachere und ohne Nachdenken sichere Variante.

498 OLG München, Beschl. v. 21.02.2012 – 34 Wx 46/12, DNotZ 2012, 535 = MittBayNot 2012, 248

= ZfIR 2012, 251.

S. 366 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Kommunalaufsichtliche Genehmigungspflicht (CH)

1. Verpflichtung der Gemeinde zur Zahlung von Erbbauzins bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsicht (BGH, 22.01.2016 - V ZR 27/14)

BGH, Urt. v. 22.01.2016 - V ZR 27/14,

DNotZ 2016, 375 = MDR 2016, 320 = NotBZ 2016, 182 m. Anm. Grziwotz Rpfleger 2016, 330 = WM 2016, 1411 = ZfIR 2016, 407 m. Anm. Matthias Becker, ZfIR 2016, 413; dazu Wilhelm, NJW 2017, 193; Amann, DNotZ 2017 (in Kürze)

Erbbaurecht für die Gemeinde bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsicht; Erwerb durch Ersitzung ist bereicherungsfest

1. Ein Erbbaurechtsvertrag bedarf als kreditähnliches Rechtsgeschäft der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde, wenn er eine Verpflichtung der Gemeinde begründet, einen Erbbauzins zu zahlen.

2. Der Erwerb durch Ersitzung trägt seinen Rechtsgrund in sich und schließt Ansprüche gegen den Erwerber aus ungerechtfertigter Bereicherung aus.

a) Sachverhalt

– Im Jahr 1974 bestellte der Vater der heutigen Eigentümerin der Gemeinde ein Erbbaurecht für einen Sportplatz. (Zuvor hatte er die Fläche zu im wesentlichen gleichen Bedingungen gepachtet.)

– In dem Vertrag verpflichtete sich die Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzu-stellen, der die Bebauung eines anderen Grundstücks des Vaters mit mindestens 11 Einfamilienhäusern ermöglicht hätte.

– Als Erbbauzins wurde jährlich 1.- DM/qm vereinbart (mit Wertsicherungs-klausel). Der Erbbauzins sollte sich rückwirkend auf 1,55 DM/qm, falls der aufzustellende Bebauungsplan nicht bis zum 30.07.1976 in Kraft trat.

– Das Erbbaurecht wurde im Dezember 1975 in das Grundbuch eingetragen.

– Der Bebauungsplan wurde nicht erlassen.

– Später vereinbarte die Gemeinde mit dem Eigentümer Anpassungen des Erbbau-zinses aufgrund der vereinbarten Wertsicherungsklausel.

– Später wurde die Gemeinde in die benachbarte Stadt eingemeindet. Diese kündigte im Juni 2011 den Pachtvertrag und stellte im Januar 2012 die Zahlung des Erbbau-zinses ein. Sie berief sich darauf, dass nach ihren Unterlagen der Erbbaurechts-vertrag von der Kommunalaufsichtsbehörde nicht genehmigt worden sei. Auf Antrag der Stadt vom Mai 2012 versagte der Regierungspräsident im Juli 2012 die Genehmigung des Erbbaurechtsvertrags. Die Eigentümerin trug vor, die Gemeinde hätte aber bereits 1975 ein Negativzeugnis von der Kommunalaufsicht erhalten.

S. 367 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Die Eigentümerin klagte den Erbbauzins ein – immerhin (aufgrund der Anpassungsklauseln) gut 40.000,- EUR für das Jahr 2012.

Der BGH sah den Erbbaurechtsvertrag als unwirksam an, da er nicht genehmigt war (außer das behauptete Negativattest war seinerzeit tatsächlich erteilt worden). Aufgrund Ersitzung könne die Gemeinde das Grundstück behalten, ohne dafür weiter-hin Erbbauzins zahlen zu müssen.

Ich glaube kaum, dass die Eigentümerin dieses Urteil versteht und innerlich akzeptiert.499

Der BGH beschäftigte sich v.a. mit drei Fragekomplexen:

– Die Gemeinde hatte sich zur Bauleitplanung verpflichtet. Dies war unwirksam. Es war aber vom übrigen Vertrag trennbar und stand dessen Wirksamkeit i.ü. daher nicht entgegen.

– Der Vertrag hätte aber der kommunalaufsichtlichen Genehmigung bedurft. Denn die Verpflichtung zur Zahlung von Erbbauzins ist ein kreditähnliches Geschäft. Mangels Genehmigung war daher der Erbbaurechtsvertrag unwirksam.

– Da das Erbbaurecht der Gemeinde aber bereits seit mehr als dreißig Jahren im Grundbuch eingetragen war, hatte sie es ersessen. Die Ersitzung trägt ihren Rechtsgrund in sich. Die Eigentümerin kann nicht Rückabwicklung nach Bereiche-rungsrecht verlangen. Der Erbbauzins als bloße Belastung des Erbbaurechts bleibt unwirksam. Die Gemeinde kann also das Erbbaurecht ohne weitere Zahlungen behalten.

b) Unwirksame, aber abtrennbare Verpflichtung zur Bauleitplanung

Betrachten wir zunächst die unwirksame Verpflichtung zur Baulandausweisung. Dass sich die Gemeinde nicht zur Baulandausweisung verpflichten darf, wissen wir heute alle. Damals – 1974 – wusste es der beurkundende Kollege offenbar nicht.

Das Verbot erfasst auch die an die Nichtaufstellung gekoppelte Erhöhung des Erbbau-zinses.

(Rn. 9) „a) Der Vertrag war allerdings mit dem vereinbarten Inhalt sowohl nach § 134 BGB als auch nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Unwirksam war die in Art. 1 Nr. 5 ErbbV begründete Verpflichtung der Gemeinde, einen inhaltlich näher bestimmten Bebauungsplan innerhalb einer bestimmten Zeit aufzustellen. Das verstieß gegen das - nunmehr in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB geregelte - Verbot, nach dem solche Verträge wegen der mit ihnen verbundenen Beschränkungen des gemeindlichen Planungsermessens nichtig sind (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2015 - V ZR 307/13, Rn. 10; BGH, Urteil vom 8. Juni 1978 - III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 390; Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 22; BVerwG, NJW 1980, 2538, 2539). Ebenfalls

499 Kritisch gegenüber dem Ergebnis auch Amann, DNotZ 2017 (erscheint demnächst); Becker, ZfIR

2016, 413, 414; Wilhelm, NJW 2017, 193, 195.

S. 368 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

unwirksam war die in Art. 1 Nr. 5 ErbbV vereinbarte bedingte Verpflichtung des Vaters des Klägers, auf eine Erhöhung des Erbbauzinses bei Aufstellung eines Bebauungsplans zu verzichten. Diese Vertragsbestimmung war wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil die Gemeinde sich dadurch eine unzulässige Gegenleistung für den Erlass eines Bebauungsplans hatte versprechen lassen (vgl. Senat, Urteil vom 18. September 2009 - V ZR 2/09, NVwZ 2010, 398 Rn. 15).“

Der restliche Erbbaurechtsvertrag ist aber davon unberührt. Er ist objektiv teilbar und die Beteiligten wollten auch dessen Fortgeltung, wie eine salvatorische Klausel im Vertrag und auch der spätere Vertragsvollzug bewiesen.

(Rn. 11) aa) „Der Erbbaurechtsvertrag ist teilbar. Der Vertrag kann nach Aussonderung der nichtigen Teile als selbständiges Rechtsgeschäft auf Bestellung eines Erbbaurechts mit einem wertgesicherten Erbbauzins von 1 DM/m2 Bestand haben. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Parteien den Vertrag über Jahrzehnte hinweg auch so vollzogen haben.

(Rn. 12) ...

(Rn. 13) cc) Das Berufungsgericht nimmt auch zu Recht an, dass der Erbbaurechtsvertrag ohne die nichtigen Bestimmungen nach § 139 BGB auf Grund der salvatorischen Klausel aufrecht-zuerhalten ist, weil die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass der Vertrag ohne den nichtigen Teil nicht geschlossen worden wäre. Ohne Erfolg wendet die Revisionserwiderung dagegen ein, dass die Aufrechterhaltung einzelner Bestimmungen nach dem hypothetischen Parteiwillen nicht in Betracht komme, weil § 139 BGB unanwendbar sei, wenn sich aus dem Zweck der Verbotsnorm eine abweichende Regelung ergebe (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333, 1335).

Auch der Zweck des Koppelungsverbotes erfordert keine Gesamtnichtigkeit. Das Koppelungsverbot soll lediglich die Abwägung bei der Planung sichern. Dafür genügt, wenn die Verpflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplanes unwirksam ist.

(Rn. 14) „(1) Der Zweck des Verbots gebietet es nicht, Verträge, in denen eine Gemeinde eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplans eingegangen ist, auch ohne diese Bestim-mung als insgesamt nichtig anzusehen. Das Verbot soll eine ungebundene und umfassende Abwägung der in § 1 Abs. 6 BauGB bezeichneten Belange gewährleisten, die Gemeinden aber nicht vor allen Nachteilen aus dem Abschluss von Verträgen bewahren, die sie im Hinblick auf die von ihrem Vertragspartner erwartete Aufstellung eines bestimmten Bebauungsplans abgeschlossen haben (vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 2015 - V ZR 307/13, Rn. 10 f.). Das Verbot erfordert nur, dass diejenigen Vertragsbestimmungen keine Wirksamkeit entfalten, welche die Gemeinde unmittelbar zum Erlass eines bestimmten Bebauungsplans verpflichten, es steht jedoch einer Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen nach den in § 139 BGB bestimmten Grundsätzen nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 22; BVerwG, NJW 1980, 2538, 2539).“

Zudem schadet die Unwirksamkeit der Pflicht zur Baulandausweisung nur dem Eigen-tümer. Wenn er den Vertrag im übrigen (also mit dem zulässigen Inhalt) vollziehen will, kann sich der durch die Gemeinde nicht auf eine mögliche Erstreckung der Unwirksamkeit auf den restlichen Vertrag berufen.

(Rn. 15) „(2) Die Beklagte kann die Gesamtnichtigkeit des Erbbaurechtsvertrags auch nicht daraus herleiten, dass ihre Rechtsvorgängerin sich eine unzulässige Gegenleistung (den Verzicht auf eine Erbbauzinsanhebung) für einen von ihr aufzustellenden Bebauungsplan hat versprechen lassen. Diese Koppelung besteht infolge der Nichtigkeit der darauf bezogenen Vertragsbestim-

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mungen nicht. Die Unwirksamkeit dieser Vertragsbestimmung ist nur für den Kläger nachteilig, der ungeachtet dessen den Vertrag weiter durchführen will. Unter diesen Umständen ist der Beklagten die Geltendmachung der Gesamtnichtigkeit des Erbbaurechtsvertrags versagt. Eine Partei kann sich nämlich nach Treu und Glauben nicht unter Berufung auf § 139 BGB von ihren Vertragspflichten insgesamt befreien, wenn nur die den anderen Teil begünstigenden Vertrags-bestimmungen unwirksam sind und dieser dennoch am Vertrag festhalten will. Der andere Teil kann dann der Geltendmachung der Gesamtnichtigkeit die Einrede der Arglist entgegensetzen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1983 - IX ZR 95/81, WM 1983, 267, 268; Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589; Urteil vom 30. Januar 1997 - IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684, 686).

c) Genehmigungserfordernis für Verpflichtung zur Zahlung von Erbbauzins

Die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmt sich nach der bei Abschluss des Erbbau-rechtsvertrages geltenden Fassung der Niedersächsischen Gemeindeordnung.

Anders wäre dies nur, wenn jetzt das Genehmigungserfordernis ganz weggefallen wäre und damit auch alte, noch schwebend unwirksame Verträge wirksam sein sollten. Dies ist aber nicht der Fall, da § 120 Abs. 6 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes vom 17.12.2010 - NKomVG (Nds. GVBl. S. 576) einen § 92 Abs. 6 NGO inhaltsgleichen Genehmigungsvorbehalt enthält (Rn. 17).

§ 92 Abs. 6 Niedersächsische Gemeindeordnung lautete:

(Abs. 6) „Die Begründung einer Zahlungsverpflichtung, die wirtschaftlich einer Kreditverpflichtung gleichkommt, bedarf der Genehmigung der Kommunal-aufsichtsbehörde. Absatz 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich für die Begründung von Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der laufenden Verwaltung.“

Der BGH grenzt wirtschaftlich ab: Wirtschaftlich liegt eine Kreditgewährung vor, wenn die Gemeinde jetzt die volle Leistung erhält, aber erst später dafür zahlen muss, weil die an sich fällige Zahlung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird.

(Rn. 19) „c) Nach § 92 Abs. 6 Satz 1 NGO (die Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfas-sungen der anderen Länder enthalten gleichlautende Bestimmungen) bedarf die Begründung einer kreditähnlichen Zahlungsverpflichtung der Gemeinde der Genehmigung durch die Kommunal-aufsichtsbehörde. Ob ein Vertrag eine derartige Verpflichtung der Gemeinde begründet, ist nach dem Zweck des Genehmigungserfordernisses zu beurteilen. Dieses soll verhindern, dass unter Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeiten des Privatrechts die kommunalrechtlichen Bestimmun-gen über die Kreditaufnahme umgangen werden. Eine solche Umgehung liegt vor, wenn das betreffende Rechtsgeschäft bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu dem gleichen Erfolg führen würde wie die Aufnahme eines Kredits. Das ist der Fall, wenn die Gemeinde im laufenden Haus-haltsjahr im Wesentlichen die volle Leistung erhält, die dafür zu erbringende Gegenleistung jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen muss (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 23; OLG Dresden, OLG-NL 2001, 268, 270). Allerdings kommt nicht jede Verpflichtung, die eine Gemeinde zur Erlangung einer Leistung im laufenden Haushaltsjahr eingeht und die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, einer genehmigungsbedürftigen Kreditaufnahme gleich (Senat, Urteil vom 2. April 2004 - V ZR 105/03, WM 2004, 2183). Maßgebliches Kriterium für ein kreditähnliches Geschäft ist die Fällig-keit der Zahlungsverpflichtung der Gemeinde. Ist die Gegenleistung der Gemeinde an sich mit der Leistung ihres Vertragspartners fällig, wird die Zahlung aber auf eine spätere Zeit hinaus-

S. 370 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

geschoben, handelt es sich um ein kreditähnliches Rechtsgeschäft (OLG Dresden, aaO). Anders ist es dagegen, wenn - wie bei einem Miet- oder Pachtvertrag (BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 23) - die Zahlung ein Entgelt für die jeweils gewährte Nutzungsmöglichkeit darstellt.“

Ist die Gemeinde Erbbaurechtsnehmerin und muss sie einen Erbbauzins zahlen, so erhält sie das Erbbaurecht sofort, muss aber den Erbbauzins erst später (über die Jahre verteilt) zahlen. Dies sei wirtschaftlich wie eine Kreditgewährung.

(Rn. 21) „aa) Ein Erbbaurechtsvertrag ist allerdings nicht schon dann genehmigungsbedürftig, wenn eine Gemeinde Erbbaurechtsnehmerin ist. Ob und welches Entgelt der Erbbauberechtigte für die Bestellung eines Erbbaurechts zahlen soll, steht im Belieben der Vertragsparteien; die Gegen-leistung ist kein wesentliches Merkmal eines Erbbaurechtsvertrags (Senat, Urteil vom 23. Oktober 1957 - V ZR 270/56, RdL 1958, 7, 9; Urteil vom 27. Februar 1970 - V ZR 49/67, NJW 1970, 944). Ein unentgeltlich oder gegen eine einmalige Zahlung im laufenden Haushaltsjahr bestelltes Erbbaurecht begründet keine kreditähnliche Zahlungsverpflichtung.

(Rn. 22) bb) Ein Erbbaurechtsvertrag bedarf jedoch als kreditähnliches Rechtsgeschäft der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde, wenn er eine Verpflichtung der Gemeinde begründet, einen Erbbauzins zu zahlen.

(Rn. 23) (1) Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses auf einer im Erbbaugrundbuch eingetragenen Erbbauzinsreallast (dinglicher Erbbauzins) oder allein auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht (schuldrechtlicher Erbbauzins). Rechtlich betrachtet bestehen zwar Unterschiede insoweit, als bei Vereinbarung eines dinglichen Erbbauzinses die Bestellung des Stammrechts (der Erbbauzinsreallast), jedoch nicht die aus diesem zu leistenden wiederkehrenden Zahlungen die Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts ist (Senat, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 18/09, NJW 2010, 224 Rn. 9; von Oefele, MittBayNot 2011, 55), während die Verpflichtung zu wiederkehrenden Zahlungen beim schuldrechtlichen Erbbauzins in der Regel die Leistung ist, die der Schuldner um der Begründung oder der Übertragung des Erbbaurechts willen übernommen hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 18/09, NJW 2010, 224 Rn. 10). Für die Entscheidung der Frage, ob der Erbbaurechtsvertrag ein kreditähnliches Geschäft im Sinne der Gemeindeordnungen der Länder ist, kommt es jedoch nicht auf den Rechtsgrund der Verpflichtung, sondern allein darauf an, ob die Gegenleistung der Gemeinde für einen Erwerb im laufenden Haushaltsjahr in die kommenden Haushaltsjahre verlagert wird. Solche Rechtsgeschäfte der Kommunen sind im Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Gemeinden und an einem Erhalt ihrer dauernden Leistungsfähigkeit einem Genehmigungsvorbehalt durch die Kommunalaufsicht unterworfen (vgl. OLG Dresden, OLG-NL 2001, 268, 270).“

Der BGH versucht insbesondere, den Erbbauzins von der Miet- oder Pachtzahlung zu differenzieren.

(Rn. 25) „(a) Für den Grundstückseigentümer sind die Erbbauzinsen einer Miete oder einer Pacht wirtschaftlich vergleichbare Einkünfte. Er erhält mit dem Erbbauzins wie bei einer Miete oder Pacht eine Verzinsung des Bodenwerts für das dem Vertragspartner gewährte Recht zur Nutzung seines Grundstücks (vgl. Grziwotz, Das Erbbaurecht in der Finanzierungspraxis, S. 78).

(Rn. 26) (b) (aa) Für den Erbbauberechtigten stellt der Erbbauzins dagegen ein Entgelt dar, das er künftig für das dingliche Recht zahlen muss, welches ihn berechtigt, auf dem fremden Grund-stück ein Bauwerk zu haben. Die Gegenleistung wird nicht bei Erwerb des Erbbaurechts geleistet, sondern in den kommenden Jahren erbracht, in denen das Erbbaurecht besteht. Insofern wird die Fälligkeit der Gegenleistung - ähnlich wie bei einer Stundung - über den bei einem Rechtskauf üblichen Zeitpunkt hinaus, abweichend von dem Grundsatz der Zug-um-Zug-Leistung,

S. 371 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

in die Zukunft verschoben. Damit liegt das wesentliche Merkmal eines kreditähnlichen Rechts-geschäfts (vgl. Senat, Urteil vom 2. April 2004 - V ZR 105/03, WM 2004, 2183, 2184) vor.“

Rechtlich führt er zur Abgrenzung an, dass der Erbbauberechtigte die Gegenleistung – das Erbbaurecht (auf einmal erhält, während der Mieter die Gebrauchsgewähr nur suk-zessive erhält). Wirtschaftlich sei das Erbbaurecht häufig eine Alternative zum kreditfinanzierten Grundstückserwerb (was m.E. etwas schief ist, weil der Erbbau-berechtigte zwar Eigentümer des Gebäudes, für das Grundstück aber doch nur nutzungsberechtigt ist).

(Rn. 27) (bb) Einzuräumen ist allerdings, dass bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses sich nicht von derjenigen zur Zahlung der Miete oder der Pacht aus einem langfristigen Vertragsverhältnis unterscheidet. Der Abschluss eines Erbbaurechts-vertrags mit einer Verpflichtung der Gemeinde zur Zahlung eines Erbbauzinses ist jedoch nicht - wie die Revision meint - deswegen dem Abschluss eines langfristigen Miet- und Pachtvertrags mit einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung gleichzustellen. Zwar sind Erbbauzinsen den Mieten und Pachten vergleichbare Zahlungen; die dafür erworbenen Rechte unterscheiden sich jedoch grundlegend. Mit dem Erbbaurecht erwirbt der Erbbaurechtsnehmer für die gesamte Vertragszeit ein - über die für die Miet- und Pachtverträge geltende zeitliche Begrenzung von 30 Jahren (§ 544 BGB) hinausgehendes - dingliches Recht an dem Grundstück, das hinsichtlich seiner Übertragbarkeit, Beleihbarkeit und der Rechte gegenüber Dritten dem Eigentum an dem Grundstück weitgehend gleichsteht. Aus diesen Gründen stellt sich der Erwerb eines Erbbau-rechts unter wirtschaftlichen Aspekten - weit öfter als der Abschluss eines Miet- und Pachtvertrags - als eine Alternative zu einem kreditfinanzierten Grundstückserwerb dar.

Schließlich führt der BGH den Sinn und Zweck der Regelung an.

(Rn. 28) „(c) Vor diesem Hintergrund ist die Zuordnung der Erbbaurechtsverträge, in denen sich die Gemeinden zur Zahlung von Erbbauzinsen verpflichten, zu den kreditähnlichen Rechts-geschäften auch vom Zweck des Genehmigungsvorbehalts in den Gemeindeordnungen der Länder geboten, Umgehungen von genehmigungspflichtigen Kreditgeschäften zu verhindern. Eine Gemeinde kann ihre künftige Leistungsfähigkeit auch dadurch gefährden, dass sie statt eines finanzierten Grundstückskaufs einen Erbbaurechtsvertrag mit der Verpflichtung zur Zahlung von Erbbauzinsen abschließt, der - was die bauliche Nutzung des Erbbaugrundstücks betrifft - zu einem im Wesentlichen gleichen Ergebnis wie ein Kauf führt.“

Nach niedersächsischem Landesrecht besteht bei Geschäften der laufenden Verwal-tung kein Genehmigungserfordernis. Darüber ging der Erbbaurechtsvertrag für den Sportplatz natürlich hinaus.

Da die Kommunalaufsicht die Genehmigung versagt hatte, war der Erbbaurechts-vertrag unwirksam.

– Allerdings hatte die Grundstückseigentümerin vorgetragen, die Kommunalaufsicht habe 1975 ein Negativzeugnis zu dem Vertrag erteilt. Damit wäre er wirksam geworden (und die spätere Genehmigungsversagung ins Leere gegangen – Rn. 46).

– Da das OLG dies nicht geprüft hatte, verwies der BGH an das OLG zurück.

d) Ersitzung des Erbbaurechts ist bereicherungsfest

Die Gemeinde stand aber seit mehr als 30 Jahren als Erbbauberechtigte im Grundbuch und nutzte das Erbbaurecht auch als Eigenbesitzerin. Sie hatte das Erbbaurecht damit

S. 372 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

ersessen (§ 900 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB)

(Rn. 32) „a) Die Beklagte ist allerdings auf Grund des 30jährigen Bestehens ihrer Eintragung als Inhaberin des Erbbaurechts und ihres Eigenbesitzes durch Buchersitzung (§ 900 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB) Erbbauberechtigte geworden. Diese Vorschriften finden auf das Erbbaurecht An-wendung (…). Behördlicher Genehmigung bedarf der Rechtserwerb durch Ersitzung nicht (…). Da der Erbbauzins jedoch nicht Inhalt des Erbbaurechts ist, führt die Ersitzung nach § 900 BGB allein nicht zu einer Pflicht des Erbbauberechtigten, den im Erbbaurechtsvertrag vereinbarten Erbbauzins zu zahlen.“

Umgekehrt konnte der Grundstückseigentümer die Erbbauzinsreallast nicht ersitzen, weil nur Rechte, die zum Besitz berechtigen, ersessen werden können.

(Rn. 33) „b) Die Pflicht ergibt sich allerdings in der Regel aus der eingetragenen Erbbauzins-reallast. So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Beklagte hat das Erbbaurecht nämlich ohne die eingetragene Erbbauzinsreallast ersessen. Die Erbbauzinsreallast war infolge der Versagung der kommunalaufsichtsrechtlichen Genehmigung des Erbbaurechtsvertrags nicht wirksam bestellt worden. Der Kläger konnte die Reallast nicht nach § 900 Abs. 2 Satz 1 BGB ersitzen, da sie kein Recht ist, dass zum Besitz des Grundstücks berechtigt oder deren Ausübung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist. Mit Ablauf der Frist für die Ersitzung ist daher ein sog. erbbauzinsloses Erbbaurecht entstanden. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 900 BGB auf andere Rechte an Grundstücken verstieße gegen den Wortlaut des Gesetzes und gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, da Anträge, die Ersitzung auf die Hypothek zu erstrecken, im Gesetzgebungsverfahren abgelehnt wurden (vgl. Prot. II, S. 4320 ff. = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 574 ff.). Daher ist auch der von Heck (Grundriss des Sachenrechts, 1930, § 45 Anm. 4 a) vertretenen Auffassung nicht zu folgen, nach der derjenige, der sein Recht nur auf den Buchinhalt stützen kann, die buchmäßigen Belastungen mit in Kauf nehmen soll. Sie kann zudem zu unsachgemäßen Ergebnissen führen. Im hier zu beurteilenden Fall liefe es dem Zweck des Genehmigungserfordernisses zuwider, wenn die Beklagte trotz Versagung der Genehmigung - und damit entgegen dem mit dem Vorbehalt verfolgten Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltswirtschaft und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit der Gemeinden - infolge der Tabular-ersitzung den Erbbauzins über 60 Jahre weiterzahlen müsste. Geboten ist allerdings im Einzelfall eine dem Zweck des Genehmigungsvorbehalts entsprechende Korrektur nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die das Berufungsgericht allerdings auch vorgenommen hat (siehe unten IV.2).“

Die Ersitzung heilt jedoch nicht den schuldrechtlichen Vertrag. Es gibt hierfür keine § 311b Abs. 1 S. 2 BGB entsprechende Regelung.

(Rn. 34) „c) Erst recht nicht geheilt worden ist der schuldrechtliche Vertrag über die Bestellung des Erbbaurechts mit dem sich daraus ergebenden Anspruch auf den schuldrechtlichen Erbbauzins. Die Vorschriften über die Ersitzung (§ 900 Abs. 1 Satz 1, § 937 Abs. 1 BGB) ordnen den Erwerb des Eigentums nach einer bestimmten Besitzzeit an, bei einem Grundstück nach dem Bestehen einer Eintragung (sog. Buchbesitz) und einem Eigenbesitz von 30 Jahren, bei einer beweglichen Sache nach einem Eigenbesitz von zehn Jahren. Sie sehen jedoch nicht die Heilung des Rechtsgeschäfts vor, auf Grund dessen der Besitz erlangt wurde. Eine Heilung des Grundgeschäfts ist auch vom Zweck der Buchersitzung nicht begründet. Dass der bisherige Rechtsinhaber sein nicht gebuchtes Recht verliert, beruht auf dem öffentlichen Interesse, ein dauerndes Auseinanderfallen von Recht und Grundbuchlage zu vermeiden, nachdem die Ansprüche aus dem nicht eingetragenen Recht nach Eintritt der Verjährung nicht mehr durchsetzbar und damit inhaltsleer geworden sind (Prot. II, S. 3673 = Mugdan, Materialien, S. 573). Die Heilung des unwirksamen Grundgeschäfts ginge über das mit der Buchersitzung verfolgte Ziel hinaus. Dies folgt aus den Erwägungen, mit denen eine Erstreckung der Tabularersitzung auf die Hypothek abgelehnt wurde. Die Ersitzung sollte nicht auch die Mängel

S. 373 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der Forderung heilen, von deren Bestand die Hypothek abhängig sei (Prot. II, S. 4372 = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 575).“

Das ist doch ein starkes Stück: Die Gemeinde darf das Erbbaurecht behalten, muss aber nichts dafür zahlen! Würde man aber eine Zahlungspflicht der Gemeinde aus § 242 BGB konstruieren, so umginge man das Genehmigungserfordernis.

(Rn. 35) „d) Die Beklagte muss die Vereinbarung über den Erbbauzins auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegen sich gelten lassen, obwohl sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, alles zu tun, um die Genehmigung des Vertrags herbeizuführen (zu dieser Pflicht aus dem Vertragsschluss: Senat, Urteil vom 25. Juni 1976 - V ZR 121/73, BGHZ 67, 34, 35; Urteil vom 10. Juli 1998 - V ZR 76/97, VIZ 1998, 577). Ein solches treuwidriges Verhalten der Gemeinde vermag einen Anspruch des Vertragspartners auf Erfüllung nicht zu begründen. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass die zum Schutz öffentlich-recht-licher Körperschaften geschaffenen gesetzlichen Regelungen durch die Berufung auf Treu und Glauben nicht außer Kraft gesetzt werden können (BGH, Urteil vom 10. März 1959 - VIII ZR 44/58, WM 1959, 672, 673; Urteil vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70, NJW 1972, 940, 941; Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 174). Die den Aufsichtsbehörden zugewiesene Zuständigkeit darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein genehmigungs-bedürftiges Rechtsgeschäft wegen des gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden Handelns der Gemeinde als wirksam behandelt wird, wenn die Genehmigung nicht eingeholt oder versagt wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1955 - II ZR 328/53, NJW 1955, 985; Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, S. 148).“

Muss die Gemeinde dann aber nicht das Erbbaurecht wieder herausgeben – etwa aus Bereicherungsrecht? Schließlich ist die zugrundeliegende Verpflichtung zur Bestellung des Erbbaurechts mangels Genehmigung unwirksam. Der BGH verneint einen Rückübertragungsanspruch. Die Ersitzung ist bereicherungsfest, weil sie ihren Rechtsgrund in sich trägt. Dies ist in der Literatur strittig und war vom BGH bisher lediglich für die Fahrnisersitzung entschieden.

(Rn. 39) „Der Erwerb durch Ersitzung trägt seinen Rechtsgrund in sich und schließt Ansprüche gegen den Erwerber aus ungerechtfertigter Bereicherung aus.

Ansonsten müsste man doch wieder auf den alten Erwerbsgrund vor 30 Jahren zurückgreifen und diesen prüfen – was die Ersitzung gerade vermeiden will.

(Rn. 40) (1) Dass mit dem Ersitzungserwerb im Interesse der Rechtssicherheit eine endgültige Regelung eintreten und ein Rückgriff auf Bereicherungsansprüche nicht möglich sein sollte, ergibt sich zwar nicht aus dem - insoweit unergiebigen - Wortlaut der Vorschriften über die Ersitzung (§§ 900, 937 BGB), findet im Gesetz aber darin eine Stütze, dass das Recht der Ersitzung im Gegensatz zu den folgenden Erwerbstatbeständen (vgl. §§ 951, 977 BGB) keine Ausgleichs-ansprüche für den Rechtsverlust enthält. Dies entspricht der Vorstellung des historischen Gesetzgebers, nach der die Ersitzung den Mangel deckt, der dem sofortigen Erwerb des Eigentums entgegenstand (vgl. Motive III, S. 350 = Mugdan, Materialien, Bd. 3, S. 195). Bei der Buch-ersitzung ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Vorschrift den Nutzen habe, dass derjenige, der nach dreißigjährigem Besitz originär das Eigentum erwerbe, auch die Einreden aus einem etwaigen Mangel seines Erwerbs zurückweisen könne, und das missliche Zurückgreifen auf lange Zeit zurückliegende Eigentumserwerbsakte vermieden werde (vgl. Prot. II, S. 3674 = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 573).

S. 374 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 41) (2) (a) Für die Gegenauffassung sprechen keine zwingenden Gründe mehr. Sie wurde vor allem darauf gestützt, dass die nach zehnjährigem Besitz eintretende Fahrnisersitzung nach § 937 BGB den Rechtsgrund nicht in sich tragen könne, weil der Anspruch aus dem Mangel des Grundgeschäfts auf Herausgabe des Geleisteten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gegen den Erwerber bis zum Ablauf der nach § 195 BGB aF dreißigjährigen Verjährungsfrist durchgesetzt werden könne (RGZ 130, 69, 73). Dieses Argument ist infolge der Verkürzung der für die Bereicherungsansprüche geltenden Verjährungsfristen nach §§ 195, 199 BGB auf drei bzw. zehn Jahre weggefallen (vgl. PWW/Prütting, BGB, 10. Aufl., § 937 Rn. 8).

Der BGH entscheidet damit anders als das Reichsgericht im sogenannten Menzel-Fall entschieden hatte (RGZ 130, 69).

Sonst sieht der BGH Wertungswidersprüche: Eine Leistungskondiktion wäre (bei einem Grundstück) nach 10 Jahren verjährt (§§ 196, 199 Abs. 4 BGB), während bei der Ersitzung sonst nach 30 Jahren die Verjährung für die Nichtleistungskondiktion erst beginnen würde. Das passt nicht.

(Rn. 42) (b) Die Annahme, dass die Ersitzung den Rechtsgrund in sich trägt, hat dagegen den Vorzug, dass sie einen Wertungswiderspruch zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion vermeidet. Warum der Eigentümer zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet sein soll, wenn er den Besitz durch eine Leistung des früheren Eigentümers erhalten hat, dagegen von dem Anspruch verschont bleiben soll, wenn er auf andere Weise den Besitz erlangt hat, ist nicht nachvollziehbar (vgl. Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 937 Rn. 10). Solche Sonderregeln für die Leistungs-kondiktion sind bei einem nicht an dem rechtsgeschäftlichen Erwerb, sondern an den Eigenbesitz anknüpfenden, originären Erwerbstatbestand nicht zu rechtfertigen (vgl. MüKoBGB/Baldus, 6. Aufl., § 937 Rn. 53).

2. Stimmt die BGH-Entscheidung?

a) Unbehagen am Ergebnis

Soweit die dogmatischen Ausführungen des BGH. Das ist alles nachvollziehbar.

Dennoch bleibt ein Unbehagen am Ergebnis.

– Das Ergebnis würde völlig passen, wenn die Gemeinde im Jahr 1974/1975 das nicht gezahlt hätte, was sie schuldete und sich der Eigentümer (oder dessen Erbin) erst jetzt rührt. Dann hätte man gesagt: Selber schuld. Das ist mehr als 30 Jahre her. Ersessen ist ersessen. Und es gibt keine Bereicherungsansprüche. Aus und basta.

– Hier war es aber ein Erbbaurecht. Die Gemeinde zahlte über fast 40 Jahre anstandslos. Erst als sie den Sportplatz offenbar nicht mehr brauchte, fiel ihr ein, dass der Vertrag möglicherweise unwirksam war. Der Eigentümer und dessen Erbin hatten aber zuvor keinen Anlass, sich über die Wirksamkeit des Vertrages Gedanken zu machen.

– Der Vertrag ist unwirksam, ja. Aber dann kann die Gemeinde doch nicht einfach den Sportplatz behalten. Wenn die Gemeinde nichts mehr zahlen muss, aber den Sportplatz herausgeben muss, das würde mir einleuchten. (Zugegeben stellt sich dann die Frage, ob die Gemeinde einen Ersatz für den Restwert ihrer Anlagen erhält – die die Eigentümerin vermutlich so nicht brauchen kann.)

S. 375 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Wie könnte man dieses Unbehagen in einen vernünftigen juristischen Ansatzpunkt fassen? Selber ist mir außer § 242 BGB nicht viel eingefallen. Aber den zitiert bekanntlich jeder - vom Studenten bis zum BGH, wenn ihm das Ergebnis irgend-wie nicht passt, aber die Argumente ausgehen.

– Vielleicht wird der Fall ja gar nicht dogmatisch entschieden, sondern durch Ver-gleich. Denn nachdem der Fall wieder vor dem OLG ist, haben die Beteiligten und das Gericht ja noch eine Chance, einen im Ergebnis sinnvollen Vergleich auszu-handeln.

Wir wollen uns aber die Entscheidung inhaltlich näher anschauen. Denn wenn das Ergebnis nicht stimmt, stimmt möglicherweise etwas an der Begründung nicht. Wenn man nicht weiter weiß, aber Zeit zum Nachschlagen hat, schaut man in die Literatur. Mir sind zwei längere Besprechungen ersichtlich, einmal ein Aufsatz von Wilhelm (NJW 2017, 193) und einer von Amann (für die DNotZ vorgesehen), dessen Manu-skript mir Kollege Dr. Amann dankenswerterweise vorab zur Verfügung gestellt hat.

b) Genehmigungserfordernis

Beim Genehmigungserfordernis könnte man durchaus am Ergebnis des BGH zweifeln.

– Der BGH grenzt zur Miete ab. Dies könnte man aber auch anders sehen.

– Weil die Abgrenzung nicht so eindeutig ist, schlägt Amann vor, alle Vereinbarungen bis zu 30 Jahren Laufzeit als genehmigungsfrei anzusehen (weil die auch schuldrechtlich über einen Miet- oder Pachtvertrag möglich wären) und nur Vereinbarungen, die über 30 Jahre hinausgehen, dem Genehmigungs-erfordernis zu unterwerfen (weil die nur dinglich möglich sind).

– Möglicherweise werden sich Verwaltungsgerichte mit der Genehmigungsbedürf-tigkeit befassen (etwa wenn eine Kommune auf Versagung der Genehmigung hin Feststellung beantragt, dass der Vertrag gar nicht genehmigungsbedürftig ist).

– Denkbar ist auch, dass der jeweilige Landesgesetzgeber Erbbaurechtsverträge ausdrücklich genehmigungsfrei stellt.

Für die Praxis ist mit dem BGH-Urteil aber jetzt erst einmal entschieden, dass eine Erbbaurechtsbestellung für eine Gemeinde gegen Erbbauzins genehmigungsbedürftig ist. (Natürlich müssen Sie erst in das jeweilige Landesrecht reinschauen. Aber dort dürfte sich fast immer ein Genehmigungserfordernis für die Kreditaufnahme finden – jedenfalls oberhalb gewisser Grenzen).

– Der Notar muss auf das Genehmigungserfordernis nach § 18 BeurkG hinweisen.

– Außerdem empfiehlt Amann, zumindest vorsorglich auch alle Dienstbarkeiten, Nießbrauch etc. bei denen die Gemeinde ein zeitlich gestrecktes Entgelt zahlt, von der Kommunalaufsicht genehmigen zu lassen.

S. 376 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) Bereicherungsanspruch trotz Ersitzung?

Der offensichtlichste Ansatzpunkt, an dem eine andere Meinung vertreten kann, ist das Verhältnis von Ersitzung und Bereicherung.

– Das Reichsgericht hatte im Menzelfall500 Bereicherungsansprüche trotz Ersitzung zugelassen. Im Jahr 1908 hatte die Nichte Adolf Menzels der Münchener Pinako-thek 66 Gemälde ihres verstorbenen Onkels geschenkt. Im Jahr 1918 klagte sie auf Rückgabe, weil sie zum Schenkungszeitpunkt entmündigt und möglicherweise geschäftsunfähig war. Die Pinakothek berief sich auf Ersitzung. Das Reichsgericht gab der Schenkerin jedoch einen Bereicherungsanspruch, der (aufgrund der nach damaligem Recht noch 30-jährigen Verjährung) noch nicht verjährt war.

– Wilhelm501 will dagegen mit dem Reichsgericht Bereicherungsrecht anwenden. Ihm genügt, damit in der dogmatischen Frage Stellung bezogen zu haben. Was das für den entschiedenen Sachverhalt bedeutet, sagt er nicht. (Vielleicht erwartet er auch, dass dies jeder ohnehin erkennt.) Nachdem der Erbbaurechtsvertrag bis zur Versagung der Genehmigung nur schwebend unwirksam war, entsteht ein Bereicherungsanspruch erst mit der Genehmigungsversagung – also hier erst im Jahr 2012. Erst dann läuft die 10-jährige Verjährungsfrist (wobei egal ist, ob man die 10 Jahre aus § 196 BGB oder aus § 199 Abs. 4 BGB entnimmt). Der Eigentümerin wäre also geholfen.

– Zunächst war mir die dogmatische Position des BGH gerade in diesem Punkt sympathisch: Mit dem Ablauf der Ersitzungsfrist muss Schluss sein. Kein Herum-stöbern in alten Akten. Aber das bereicherungsrechtliche Ergebnis passt besser. Dies spricht doch dafür, einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich zuzulassen.

– Wenn wir aber den Fall gedanklich abwandeln und annehmen, eine Grundstücks-veräußerung hätte einem Genehmigungserfordernis unterlegen – und dies wäre übersehen worden. Dann wäre mir schon deutlich unwohler bei dem Gedanken, nunmehr bereicherungsrechtlich die ganze Chose nach Jahrzehnten wieder aufrollen zu müssen. Von daher bleibt im Ergebnis doch meine Skepsis gegenüber dem Bereicherungsrecht. Denn wenn irgend möglich, sollte man das Dickicht des Bereicherungsrechts meiden, weil man nie weiß, wo man am Ende herauskommt. (Vielleicht ist das nur mein Problem mit dem Bereicherungsrecht; aber ich bin immer wieder über bereicherungsrechtliche Ergebnisse überrascht.)

d) Wann beginnt die Ersitzungsfrist?

Amann will die Ersitzungsfrist erst mit der Genehmigungsversagung beginnen lassen.

500 RGZ 130, 69. 501 Wilhelm, NJW 2017, 193, 196 f.

S. 377 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Sein Argument ist, dass erst dann ein Herausgabeanspruch besteht. Daher kann man dem Eigentümer erst ab diesem Zeitpunkt vorhalten, er hätte tätig werden müssen, um den Rechtsverlust durch Ersitzung zu vermeiden.

– Das ist ein beachtliches Argument. Denn die Ersitzung soll grundsätzlich mit der Verjährung des Herausgabeanspruchs auch das Recht erlöschen. Daher ist der Fristablauf der Ersitzung gehemmt, solange die Verjährung des Herausgabe-anspruchs gehemmt ist (§ 900 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 939 BGB). Aber dass auch der Ersitzungsbeginn einen Herausgabeanspruch erfordert, steht so bisher nicht in den Kommentaren zu § 900 BGB.

– Amanns Argument hat den Charme, dass man im Ersitzungsrecht bleibt und sich nicht in das Dickicht des Bereicherungsrechts begeben muss.

– Das Ergebnis passt auch hier im Fall eines Erbbaurechts – aber m.E. nicht (oder jedenfalls deutlich weniger) bei einem unerkannt genehmigungsbedürftigen Grund-stückskauf.

– Wird der Fristbeginn herausgeschoben, ersitzt der Erwerber bei einem (nur) schwebend unwirksamen Vertrag später als bei einem von vornherein unwirk-samen Vertrag. (D.h. vorliegend hätte sich die Gemeinde darauf berufen müssen, dass die unzulässige Koppelung an die Baulandausweisung den ganzen Vertrag infiziert). Dagegen kann man argumentieren, dass bei einem von vornherein unwirksamen Vertrag der Eigentümer auch vom ersten Tag an Anlass hätte, gegen den Eigenbesitzer vorzugehen – während er bei einem schwebend unwirksamen Vertrag diesen Anlass objektiv erst mit der endgültigen Unwirksamkeit (Genehmi-gungsversagung o.ä.) hat. Nur: In beiden Fällen weiß der Eigentümer i.d.R. nicht, dass er etwas tun müsste. Daher wird er in beiden Fällen keinen Anlass sehen, gehen den Besitzer (und vermeintlichen Eigentümer) vorzugehen.

Insgesamt zögere ich daher, eine derartige Verschiebung des Fristbeginns anzu-nehmen.

e) Kann die Ersitzung besser sein als ein wirksamer Erwerb?

An einem zweiten Punkt entscheidet der BGH zwar nicht gegen das RG, aber gegen einen Altmeister des Sachenrechts, Philipp Heck. Noch einmal im Auszug die dies-bezügliche Argumentation des BGH:

– Zunächst stellt der BGH fest, dass auch – und gerade – die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses und damit auch die Erbbauzinsreallast der kommunal-aufsichtlichen Genehmigung bedurfte und daher mangels Genehmigung nicht wirksam bestellt war.

– Der Eigentümer konnte die Erbbauzinsreallast auch nicht seinerseits ersitzen. Denn das Gesetz ermöglicht nur eine Buchersitzung von Rechten, die zum Besitz des Grundstücks berechtigen oder jedenfalls nach Besitzschutzvorschriften geschützt sind (§ 900 Abs. 2 BGB).

S. 378 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 33) „b) … Die Erbbauzinsreallast war infolge der Versagung der kommunalaufsichts-rechtlichen Genehmigung des Erbbaurechtsvertrags nicht wirksam bestellt worden. Der Kläger konnte die Reallast nicht nach § 900 Abs. 2 Satz 1 BGB ersitzen, da sie kein Recht ist, dass zum Besitz des Grundstücks berechtigt oder deren Ausübung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist.“

– Insoweit wird jeder der Argumentation des BGH zustimmen. Anders kann man dies für die Argumente sehen, mit denen der BGH die Auffassung von Heck ablehnt. Die These von Heck ist einfach und einleuchten: Wer aufgrund Grund-bucheintragung ersitzt, kann nicht mehr ersitzen, als was im Grundbuch eingetragen ist. Im Grundbuch eingetragene Rechte muss er gegen sich gelten lassen.

Mit Ablauf der Frist für die Ersitzung ist daher ein sog. erbbauzinsloses Erbbaurecht entstanden. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 900 BGB auf andere Rechte an Grundstücken verstieße gegen den Wortlaut des Gesetzes und gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, da Anträge, die Ersitzung auf die Hypothek zu erstrecken, im Gesetzgebungs-verfahren abgelehnt wurden (vgl. Prot. II, S. 4320 ff. = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 574 ff.). Daher ist auch der von Heck (Grundriss des Sachenrechts, 1930, § 45 Anm. 4 a) vertretenen Auffassung nicht zu folgen, nach der derjenige, der sein Recht nur auf den Buchinhalt stützen kann, die buchmäßigen Belastungen mit in Kauf nehmen soll. Sie kann zudem zu unsachgemäßen Ergebnissen führen. Im hier zu beurteilenden Fall liefe es dem Zweck des Genehmigungserforder-nisses zuwider, wenn die Beklagte trotz Versagung der Genehmigung - und damit entgegen dem mit dem Vorbehalt verfolgten Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltswirtschaft und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit der Gemeinden - infolge der Tabularersitzung den Erbbauzins über 60 Jahre weiterzahlen müsste. Geboten ist allerdings im Einzelfall eine dem Zweck des Genehmigungsvorbehalts entsprechende Korrektur nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die das Berufungsgericht allerdings auch vorgenommen hat (siehe unten IV.2).“

– Das erste Argument des BGH ist, dass damit im Ergebnis auch die Erbbauzins-reallast wirksam würde – gewissermaßen huckepack infolge der Ersitzung des Erbbaurechts. Dagegen hält der BGH, dass der Gesetzgeber eine Buchersitzung einer Reallast ausgeschlossen hat – aber eben nur eine direkte Ersitzung. Im vorlie-genden Fall muss man entscheiden: Entweder man gibt dem Erwerber mehr, als er bei einem wirksamen Verfügungsgeschäft erhalten hätte – oder man erkennt die Erstarkung der Reallast huckepack über die Ersitzung des belasteten Rechts an. Eine ganz saubere Lösung gibt es nicht: Entweder man ändert den Inhalt des vereinbarten Rechtsgeschäfts – oder man lässt die indirekte Erstarkung einer Rechtsposition zu, die nach dem vom Gesetz nicht direkt ersessen werden kann. Ganz sauber sind beide Lösungen nicht. Der BGH hat sich für die dogmatisch wahrscheinlich klarere Lösung entschieden. Mir sagt die Lösung mehr zu, die zu einem vernünftigen Ergebnis führt.

– Das zweite Argument des BGH ist, dass der Zweck des Genehmigungserforder-nisses ausgehebelt wird, wenn die Gemeinde letztlich doch zahlen muss. Das stimmt. Es liegt aber daran, dass sich die Gemeinde auch die ganze Zeit nicht um die Genehmigung gekümmert hat. Warum sollte dies nun nur zu Lasten des Eigentümers gehen?

S. 379 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

M.E. könnte man auf der Rechtsfolgenseite berücksichtigen, dass der Erbbauzins nur huckepack infolge der Ersitzung des Erbbaurechts erstarkt:

– Wenn die Eigentümerin jetzt Zahlung des Erbbauzinses verlangt, ist ihr Anspruch m.E. begründet.

– Ich würde aber dem Erbbauberechtigten das Recht geben, die Zahlung des Erb-bauzinses zu verweigern, wenn er im Gegenzug das Erbbaurecht löschen lässt – wenn sich also die Beteiligten so stellen, wie sie bei einer Rückabwicklung des unwirksamen Erbbaurechtsvertrages stünden. Die Stadt könnte also wählen, ob sie sich auf die Ersitzung beruft oder nicht. Beruft sie sich auf die Ersitzung, muss sie auch deren Konsequenzen tragen und den Erbbauzins zahlen.

– Das Wahlrecht würde ich darauf stützen, dass der Erbbauzins nur huckepack erstarkt ist – nur als Folge der Ersitzung des Erbbaurechts. Wenn der durch die Ersitzung Begünstigte diesem Schutz gar nicht will, muss er m.E. die an diesen Schutz anknüpfenden Belastungen auch nicht tragen.

– Dogmatisch fällt mir als Grundlage hier tatsächlich nicht mehr als der Taschen-spielertrick ein, mich auf § 242 BGB zu berufen.

– Die Rückabwicklung würde ich aber nur ex nunc zulassen; sonst kommt man ins Gebüsch. Einen Ersatzanspruch für die bestehenden Gebäude und Anlagen würde ich nur zulassen, soweit dadurch der Grundstückswert noch erhöht ist. (Hier müsste man wohl doch auf Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zurückgreifen.)

3. Beauftragung eines Maklers durch eine Gemeinde (OLG Frankfurt, 30.9.2015 - 19 U 19/15)

a) Kommunalrechtliches Schriftformerfordernis beschränkt die Vertretungs-macht des Gemeindeorgans (und ist kein Formerfordernis)

Die Gemeindeordnungen diverser Bundesländer schreiben für Verpflichtungs-erklärungen durch Gemeindeorgane Schriftform vor (z.B. Art. 38 Abs. 2 BayGO; § 54 GemO BW; § 71 HessGO; § 49 GemO RP; § 60 Abs. 1 SächsGO).

– Dies ist kein Formerfordernis i.S.d. § 125 BGB, sondern beschränkt die Vertre-tungsmacht des jeweiligen Gemeindeorgans.502

– Auch die tatbestandlichen Anforderungen an die „Schriftform“ im Sinne dieser landesrechtlichen Vorschriften weichen teilweise von den Anforderungen an die Schriftform nach § 126 BGB ab. So verlangen etwa Art. 38 Abs. 2 BayGO oder

502 BGH BB 1972, 628 = DVBl 1972, 778 = DÖV 1972, 717 = NJW 1972, 940, 941; DVBl 1979,

514 = DÖV 1979, 609 = MDR 1979, 381 = NJW 1980, 117, 118; DNotZ 1994, 474 = NJW 1994, 1528 = WM 1994, 551; DtZ 1997, 222; BGHZ 147, 381 = DVBl 2001, 1273 = NJW 2001, 2626 = RNotZ 2001, 44; OLG Brandenburg BauR 2014, 1831 = IBR 2014, 554; OLG Frankfurt OLG Report Mitte 2/2015 Anm 8

S. 380 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

§ 49 GemO RP auch die Angabe der Amtsbezeichnung bei der Unterschrift; § 70 GO LSA (oder § 43 LKO RP aF) auch die Beifügung des Dienstsiegels. Soweit aber nichts Abweichendes geregelt ist, entsprechen die Voraussetzungen der Schriftform im Sinne dieser Vorschriften hingegen wohl denen des § 126.

– Ist nach einer solchen kommunalrechtlichen Vorschrift Schriftform erforderlich, wurde die Erklärung aber nicht schriftlich abgegeben, so ist die Erklärung unwirksam. Dies ergibt aber aus der fehlenden Vertretungsmacht (§ 164 BGB) und nicht aus Formunwirksamkeit (§ 125 S. 1 BGB).

– Allerdings wird die Frage, wann die erufung auf die Unwirksamkeit gegen Treu und Glauben verstößt, ähnlich wie bei der Formnichtigkeit behandelt so dass eine Berufung auf die Unwirksamkeit nur ausnahmsweise versagt wird.503

b) Maklerauftrag bedarf der Schriftform nach § 71 HessGemO (OLG Frankfurt, 30.9.2015 - 19 U 19/15)

Die folgende Entscheidung des OLG Frankfurt betraf das Schriftformerfordernis nach § 71 Abs. 2 Hessische Gemeindeordnung. Die Vorschrift lautet:

§ 71 Hessische Gemeindeordnung - Vertretung der Gemeinde

(1) Der Gemeindevorstand vertritt die Gemeinde. Erklärungen der Gemeinde werden in seinem Namen durch den Bürgermeister oder dessen allgemeinen Vertreter, innerhalb der einzelnen Arbeitsgebiete durch die dafür eingesetzten Beigeordneten abgegeben. Der Gemeindevorstand kann auch andere Gemeindebedienstete mit der bgabe von Erklärungen beauftragen.

(2) Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform oder müssen in elektronischer Form mit einer dauerhaft überprüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Sie sind nur rechtsverbindlich, wenn sie vom Bürgermeister oder seinem allgemeinen Vertreter sowie von einem weiteren Mitglied des Gemeindevorstands unterzeichnet sind. Dies gilt nicht für Geschäfte der laufenden Verwaltung, die für die Gemeinde von nicht erheblicher Bedeutung sind, sowie für Erklärungen, die ein für das Geschäft oder für den Kreis von Geschäften ausdrücklich Beauftragter abgibt, wenn die Vollmacht in der Form nach Satz 1 und 2 erteilt ist.

(3) Bei der Vollziehung von Erklärungen sollen Mitglieder des Gemeindevorstands ihre Amts-bezeichnung, die übrigen mit der Abgabe von Erklärungen beauftragten Gemeindebediensteten einen das Auftragsverhältnis kennzeichnenden Zusatz beifügen.

Schon an der Überschrift und Systematik der Vorschrift sieht man, dass es um eine Vertretungsregelung geht, nicht um eine Formvorschrift.

OLG Frankfurt, Urt. v. 30.9.2015 - 19 U 19/15,

n.v. – zitiert nach Juris -

Beauftragung eines Maklers durch Gemeinde ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung und bedarf daher der Schriftform

503 OLG Naumburg LKV 2005, 470; OVG Rheinland-Pfalz NVwZ 1988, 947; VG Mainz KommJur

2006, 479 = NVwZ-RR 2006, 274.

S. 381 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Sachverhalt:

– Ein Makler machte gegenüber der Gemeinde Ansprüche auf Maklerlohn geltend.

– Er war damit vor dem LG Wiesbaden gescheitert, weil kein schriftlicher Maklervertrag abgeschlossen war.

Das OLG Frankfurt bestätigte dies:

– Der Maklervertrag hätte der Schriftform bedurft, weil über ein Geschäft der lau-fenden Verwaltung, das für die Gemeinde nicht von Bedeutung ist, hinausging.

(Rn. 24) „Geschäfte der laufenden Verwaltung sind dabei nur solche, die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen, Alltagsgeschäfte, die ihrer Natur nach im gewöhnlichen Betriebsverlauf regelmäßig wiederkehren. Durch die behauptete konkludente Fortführung der Vereinbarung vom 12.12.2003 sollte die Gemeinde eine in ihrem Ausmaß im Einzelnen nicht bestimmte Zahlungsverpflichtung eingehen. Dabei handelte es sich weder um ein seiner Natur nach im gewöhnlichen Betriebsablauf regelmäßig wiederkehrendes Geschäft noch um eine Maßnahme, die in ihrem Umfang und in ihrer finanziellen Tragweite von sachlich weniger erheblicher Bedeutung gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1989 - III ZR 100/87 - zit. n. Juris). Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der Vielzahl der von dem Kläger behaupteten Geschäfte und deren Umfang.“

– Es erfolgte auch keine schriftliche Genehmigung.

(Rn. 25) „Eine Genehmigung scheidet mangels Einhaltung der Form aus. Zwar kann die Beru-fung auf die Nichteinhaltung der Formerfordernisse im Einzelfall gegen § 242 BGB verstoßen. Insoweit enthält § 71 Abs. 2 Satz 1 HGO jedoch nicht nur eine bloße Formvorschrift, sondern zugleich eine Regelung der Vertretungsmacht. Vorschriften über die Vertretungsmacht der zur Vertretung berufenen Organe können aber, soweit sie - wie hier - eine Gesamtvertretung anordnen, nicht durch den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben außer Kraft gesetzt werden ( BGH, Urteil vom 10.05.2001 - III ZR 111/99 - zit. n. Juris).“

Eine nachträgliche Genehmigung (oder vorherige Einwilligung) des zuständigen Vertretungsorgans der Gemeinde (Gemeinderat oder – im zugrundeliegenden Fall – Magistrat der hessischen Gemeinde) würde den Mangel der Vertretungsmacht heilen (§ 177 Abs. 1 BGB) oder doch einer Berufung auf den Mangel der Vertretungsmacht entgegenstehen (§ 242 BGB).

– Dies hatte der BGH für den Fall entschieden, dass zumindest einer von zwei Gesamtvertretern der Gemeinde seine Erklärung formgerecht abgegeben hatte.

BGH, Urt. v. 22.06.1989 – III ZR 100/87,

MDR 1990, 419 = NVwZ 1990, 403 = WM 1990, 407

(Rn. 23) „In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine Gemeinde auch dann eine vertragliche Verpflichtung eingehen kann, wenn bei der Abgabe der verpflichtenden Erklärung die gesetzlichen Vertretungserfordernisse nicht beachtet worden sind. Das darin liegende Hindernis wird zumindest in den Fällen, in denen eine formgerechte Erklärung eines von zwei Gesamtvertretern vorliegt, durch das materielle Einverständnis des Gemeinderats

S. 382 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

als des für die Willensbildung der Gemeinde maßgeblichen Beschlußorgans überwunden (vgl. BGH Urteile vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70 = NJW 1972, 940 = WM 1972, 616; vom 8. Juni 1973 - V ZR 72/72 = BGHWarn 1973 Nr. 149 = NJW 1973, 1494, 1495; Senatsurteile vom 1. Dezember 1983 - III ZR 38/82 = LM BGB § 133 C Nr. 54; BGHZ 92, 164, 174 - jeweils m.w.Nachw.); dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Zustimmung der Verpflichtungserklärung vorangeht oder nachfolgt.“

– Das OLG Frankfurt hatte dies auch auf den Fall ausgedehnt, in dem gar keine formgerechte Erklärung vorlag (weil nur ein Vertretungsberechtigter gehandelt hatte, der aber sonst vertretungsbefugt gewesen wäre).

OLG Frankfurt, Urt. v. 25.06.2013 - 11 U 94/12

Gemeindehaushalt 2013, 260

Mangels Schriftform unwirksame Erklärung eines hessischen Bürgermeisters wird durch Geneh-migung des Magistrats Gemeinderats wirksam

1. Ein Kaufvertrag kann seitens einer hessischen Gemeinde auch durch konkludentes Handeln des Bürgermeisters abgeschlossen werden.

2. Ist ein Vertrag wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 71 HGO schwebend unwirksam, wird er durch eine Genehmigung des Gemeindevorstandes nach § 177 BGB wirksam.

Im vorliegenden Fall hatte der Magistrat aber nachträglich nichts genehmigt (Rn. 26).

S. 383 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

III. Grundstücksverkehrsgesetz (CH)

1. Grundstücksverkehrsgenehmigung verstößt nicht gegen europarechtliches Beihilfeverbot (EuGH, 16.7.2015 - C-39/14)

Eine Entscheidung des EuGH aus jüngster Zeit bestätigte, dass der deutsche Gesetz-geber im Grundstücksverkehrsgesetz vorsehen durfte, die Genehmigung wegen eines zu hohen Kaufpreises zu versagen.

EuGH, Urt. v. 16.7.2015 - C-39/14,

NVwZ 2015, 1747

Genehmigungsversagung wegen zu hohen Kaufpreises nach § 9 GrdStVG verstößt nicht gegen europarechtliches Beihilfeverbots nach Art. 107 AEUV

Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die es zum Schutz der Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung verbietet, ein landwirtschaftliches Grundstück an den Höchstbietenden einer öffentlichen Ausschreibung zu verkaufen, wenn dessen Angebot nach Ansicht der zuständigen örtlichen Behörde in einem groben Missverhältnis zu dem geschätzten Wert des Grundstücks steht, nicht als staatliche Beihilfe qualifiziert werden kann, sofern die Anwendung dieser Regelung zu einem Preis führen kann, der möglichst nahe beim Marktwert des betroffenen landwirtschaftlichen Grundstücks liegt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

a) Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die BVVG (Bodenverwertungs- und –verwal-tungs GmbH) im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung Gebote für ein landwirt-schaftliches Grundstück in der Altmark von 2,6 ha erhalten.

– Das Höchstgebot betrug 29.000,- EUR. Die BVVG verkaufte an diese Kaufinter-essenten. Es waren Hobby-Landwirte.

– Der Landkreis versagte jedoch die Genehmigung nach Grundstücksverkehrsgesetz, weil der Kaufpreis mehr als 50% über dem Verkehrswert liege (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 GrstVG).

– Im gerichtlichen Verfahren hatte ein Sachverständiger festgestellt, dass der Verkehrswert des Kaufgrundstücks zwischen 13.600,- und 14.200,- EUR liege. Das Beschwerdegericht sah daher die Versagung als rechtmäßig an.

– Der BGH wurde im Rahmen der Rechtsbeschwerde angerufen. Er legte daraufhin dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

(Rn. 17) „Steht Art. 107 Abs. 1 AEUV einer nationalen Regelung wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG entgegen, welche es zur Verbesserung der Agrarstruktur einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung wie der BVVG im Ergebnis verbietet, ein zum Verkauf stehendes landwirtschaftliches

S. 384 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Grundstück an den Höchstbietenden einer öffentlichen Ausschreibung zu verkaufen, wenn das Höchstgebot in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des Grundstücks steht?“

b) Staatliche Beihilfe?

Zunächst mag überraschen, dass die Frage nach einer staatlichen Beihilfe aufgeworfen wurde.

– Aber die Anteile an der BVVG stehen der BvS (Bundesanstalt für vereinigungs-bedingte Sonderaufgaben) zu. Daher kann ein verbilligter Verkauf durch die BVVG eine staatliche Beihilfe sein.

– Auch ist bzw. war im Unionsrecht geregelt, dass der sich bei einem Bietverfahren ergebende Kaufpreis grundsätzlich keine Subvention darstellt. Hier stützte sich die Genehmigung aber auf das Argument, dass das Bietverfahren einen höheren als den Verkehrswert ergeben habe.

Mitteilung der Kommission vom 10. Juli 1997 betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (ABl. C 209, S. 3)

Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 1

„Der Verkauf von Bauten oder Grundstücken nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahren (ähnlich einer Versteigerung) und die darauf folgende Veräußerung an den meistbietenden oder den einzigen Bieter stellt grundsätzlich einen Verkauf zum Marktwert dar und enthält damit keine staatliche Beihilfe. …“

Der EuGH prüfte die Vorschrift des § 9 GrdstVG:

§ 9 GrdstVG

(1) Die Genehmigung darf nur versagt oder durch Auflagen (§ 10) oder Bedingungen (§ 11) eingeschränkt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass

1. die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet oder

2. durch die Veräußerung das Grundstück oder eine Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen und dem Veräußerer gehören, unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt würde oder

3. der Gegenwert in einem groben Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.

(4) Wird das Grundstück für andere als land- oder forstwirtschaftliche Zwecke veräußert, so darf die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 3 nicht versagt werden.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass nur die Kommission feststellen kann, ob im konkreten Fall eine Beihilfe vorliegt. Der EuGH kann nur staatliche Normen auslegen und der mitgliedstaatlichen Behörde Auslegungshilfen geben. Daher rührt auch die Zurückhaltung des EuGH vor konkreten Aussagen im vorliegenden Fall.

Der EuGH stellt fest:

S. 385 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Eine Veräußerung unter Verkehrswert kann eine staatliche Beihilfe sein (Rn. 29).

– Wird zu dem im Rahmen eines öffentlichen Bietverfahrens ermittelten Preis veräußert, liegt grundsätzlich keine Veräußerung unter Verkehrswert vor.

(Rn. 32) „Zur Methode des Verkaufs an den Meistbietenden hat der Gerichtshof in einer Rechtssache, in der es um den Verkauf durch die öffentliche Hand eines ihrer Unternehmen ging, bereits entschieden, dass, wenn dieser Verkauf im Wege eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrens erfolgt, vermutet werden kann, dass der Marktpreis dem höchsten Angebot entspricht, wobei erstens festzustellen ist, ob dieses Angebot verpflichtend und verlässlich sei, und zweitens, ob es nicht gerechtfertigt sei, andere wirtschaftliche Faktoren als den Preis zu berücksichtigen (Urteil Land Burgenland u. a./Kommission, C‑214/12 P, C‑215/12 P und C‑223/12 P, EU:C:2013:682, Rn. 94).“

– Es ist jedoch möglich, dass das Bietverfahren zu einem Preis über dem Verkehrs-wert liegt. Hier formuliert der EuGH sehr vorsichtig:

(Rn. 39) „Gleichwohl lässt sich nicht ausschließen, dass unter besonderen Umständen die Methode des Verkaufs an den Meistbietenden nicht zu einem dem Marktwert des fraglichen Objekts entsprechenden Preis führt, so dass es gerechtfertigt ist, auch andere Faktoren als den Preis zu berücksichtigen.

(Rn. 40) Dies könnte u. a. dann der Fall sein, wenn, wie der Generalanwalt in Nr. 71 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, das Höchstgebot aufgrund seines offensichtlich spekulativen Charakters deutlich über den sonstigen im Rahmen einer Ausschreibung abgegebenen Preisgeboten und dem geschätzten Verkehrswert des Objekts liegt.

(Rn. 41) Unter solchen Umständen wäre nämlich die Methode des Verkaufs an den Meistbietenden nicht geeignet, den Marktwert des fraglichen Grundstücks widerzuspiegeln.

(Rn. 42) Folglich kann eine nationale Regelung, nach der die zuständige nationale Behörde unter diesen Umständen ein nach ihrer Auffassung in einem Missverhältnis stehendes Angebot ausschließen und die Genehmigung des Verkaufs des Grundstücks, auf das sich dieses Angebot bezieht, versagen kann, nicht als „staatliche Beihilfe“ angesehen werden, sofern ihre Anwendung zu einem Preis führen kann, der im Einklang mit der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung möglichst nahe beim Marktwert des fraglichen Grundstücks liegt.

(Rn. 43) Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof, wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht über alle Informationen darüber, anhand welcher Methoden die zuständigen örtlichen Behörden bzw. die von den nationalen Gerichten bestellten Sachverständigen im Rahmen der Durchführung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG die Grundstückspreise schätzen.

(Rn. 44) Insbesondere lassen sich den dem Gerichtshof vorgelegten Akten weder die Markt-indikatoren noch die Bewertungsmaßstäbe entnehmen, die bei der Ermittlung des tatsächlichen Marktwerts eines landwirtschaftlichen Grundstücks zugrunde gelegt werden.

(Rn. 45) Der Gerichtshof ist daher nicht in der Lage, festzustellen, ob die Anwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung, wie es die in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung verlangt, tatsächlich zu einem Preis führen kann, der möglichst nahe beim Marktwert des fraglichen Grundstücks liegt.

(Rn. 46) Es ist somit Sache des vorlegenden Gerichts, eine solche Beurteilung im Ausgangsverfahren vorzunehmen.

(Rn. 47) Im Rahmen dieser Prüfung wird es sich insbesondere zu vergewissern haben, ob die Methode der Bewertung der landwirtschaftlichen Flächen mit einem Aktualisierungsmechanismus verbunden ist, der die Entwicklung des Marktpreises berücksichtigt, so dass die abgegebene Schätzung möglichst genau dem aktuellen Marktwert dieser Flächen entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe, C‑239/00, EU:C:2010:778, Rn. 43).

S. 386 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 48) Zudem wird das vorlegende Gericht nach Maßgabe des Sachverhalts des Ausgangs-verfahrens und insbesondere der Modalitäten, nach denen das in dieser Rechtssache in Rede stehende Ausschreibungsverfahren abgelaufen ist, festzustellen haben, ob das Höchstgebot dem Marktwert des fraglichen Grundstücks entspricht oder ob auch andere Faktoren als der Preis zu berücksichtigen sind, die die Anwendung der in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG genannten Maßnahme rechtfertigen können.

Wenn die Regelung eine Beihilfe wäre, so würde dies nicht durch ihren guten Zweck – den Schutz landwirtschaftlicher Betriebe – entfallen.

(Rn. 49) „Die deutsche Regierung macht insoweit geltend, diese Maßnahme sei durch Erfordernisse des Schutzes der Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe gerechtfertigt.

(Rn. 50) Insbesondere solle sie ermöglichen, dass Berufslandwirte nicht mit so hohen Anschaffungskosten für zusätzliche Grundstücke belastet würden, dass die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe bedroht wäre.

(Rn. 51) Dieses Vorbringen reicht jedoch für sich allein nicht aus, um die Maßnahme von vornherein von der Einordnung als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV auszunehmen.

(Rn. 52) Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs unterscheidet diese Bestimmung nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen (vgl. Urteil 3M Italia, C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).“

Vielmehr müsste der Mitgliedstaat – wenn eine Beihilfe vorläge, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann – diese Beihilfe vorab der Kommission mitteilen (Notifikationsverkahren). Sonst macht allein unterlassen schon das Unter-lassen der Mitteilung die Beihilfe rechtswidrig.

2. Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften über Unzulässigkeit staat-licher Beihilfen bei Auslegung des GrdstVG (BGH, 29.4.2016 - BLw 2/12)

Der BGH zog dann die Konsequenzen dieser Auslegung durch den EuGH für das Ausgangsverfahren und änderte seine Rechtsprechung, was unter dem Verkehrswert zu verstehen sei.

BGH, Beschl. v. 29.4.2016 - BLw 2/12,

AUR 2016, 298 = DNotZ 2016, 951 = NZM 2016, 725 = NotBZ 2016, 421

Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften über Unzulässigkeit staatlicher Beihilfen bei Auslegung des GrdstVG

1. Unter dem Wert des Grundstücks im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG ist nicht mehr dessen innerlandwirtschaftlicher Verkehrswert, sondern dessen Markt-wert zu verstehen. Dieser Wert bestimmt sich nach dem Preis, den Kaufinter-essenten - auch Nichtlandwirte - für das Grundstück zu zahlen bereit sind (Aufgabe von Senat, Beschluss vom 2. Juli 1968, V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 300).

S. 387 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Preis und dem Wert des Grund-stücks gestützte Versagungen von Verkäufen an den Meistbietenden in einem offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahren sind nur dann rechtmäßig, wenn das Höchstgebot nicht den Marktwert widerspiegelt, sondern spekulativ überhöht ist. Maßgebendes Kriterium dafür sind in erster Linie die in dem jeweiligen Verfahren abgegebenen Gebote

a) Maßgebend ist künftig der Marktwert, nicht mehr der innerlandwirt-schaftliche Verkehrswert

Wie er im ersten Leitsatz ausführt, geht der BGH nicht mehr von einem besonderen „innerlandwirtschaftlichen“ Verkehrswert aus, sondern der Verkehrswert bestimmt sich auch danach, was Nicht-Landwirte für die Fläche zu zahlen bereit sind, also nach dem Marktwert.

(Rn. 18) „a) Die auf ein grobes Missverhältnis des Höchstgebots zu dem durch ein Gutachten ermittelten innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert gestützte Genehmigungsversagung durch die Beteiligte zu 4 entspricht allerdings der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG. Der Wert des Grundstücks im Sinne dieser Vorschrift war danach nach dem Preis zu bestimmen, der bei dem Verkauf von einem Landwirt an einen anderen erzielt wird (Senat, Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 300; Beschluss vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021, 1022; Beschluss vom 25. April 2014 - BLw 5/13, NJW-RR 2014, 1168 Rn. 17). Diese Auslegung beruhte auf dem Zweck des Gesetzes, Erschwerungen des zur Verbesserung der Agrarstruktur erforderlichen Landerwerbs infolge überhöhter Preise zu verhindern (BVerfGE 21, 87, 90; Senat, Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 299; Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, WM 1976, 849, 850). Die auf den Betriebs-ertrag angewiesenen Berufslandwirte sollten nicht mit so hohen Anschaffungskosten für den Erwerb ihrer Grundstücke belastet werden, dass die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe bedroht wäre (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 1963 - V BLw 18/63, RdL 1964, 69; Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 299; Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, WM 1976, 849, 850; Beschluss vom 25. April 2014 - BLw 5/13, NJW-RR 2014, 1168 Rn. 18). Die Genehmigung konnte danach nicht für Veräußerungen erteilt werden, bei denen der vereinbarte Preis den Ertragswert des Grundstücks weit überstieg und der Mehrpreis nicht durch die Erwartung einer Bebaubarkeit des Grundstücks in absehbarer Zeit gerechtfertigt war (Senat, Beschluss vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021, 1022).

(Rn. 19) b) Nach der auf den Vorlagebeschluss ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann diese Rechtsprechung nicht aufrechterhalten werden. Unter dem Wert des Grundstücks im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG ist nicht mehr dessen innerland-wirtschaftlicher Verkehrswert, sondern dessen Marktwert zu verstehen. Dieser Wert bestimmt sich nach dem Preis, den Kaufinteressenten - auch Nichtlandwirte - für das Grundstück zu zahlen bereit sind.“

b) Gebote in Bietverfahren zeigen grundsätzlich den Marktwert

Nach dem zweiten Leitsatz kann man den Marktwert grundsätzlich aus den Geboten eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrens entnehmen. Eine Vermutung spreche dafür, dass das Höchstgebot dem Marktpreis entspreche.

S. 388 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 25) „a) Der Senat kann die Genehmigung nach § 22 Abs. 3 GrdstVG nicht erteilen. Es ist nämlich nicht schon auf Grund des von den Beteiligten zu 2 und 3 abgegebenen Höchstgebots davon auszugehen, dass der Preis nicht in einem groben Missverhältnis zum Marktwert des Grundstücks steht. Dem steht entgegen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union nicht die Rechtsauffassung der Beteiligten zu 1 bestätigt hat, nach der die Versagung der Genehmigung zu einem Verkauf eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks an den in einem offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahren Meistbietenden stets eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Nach der Auffassung des Gerichtshofs spricht zwar eine Vermutung dafür, dass das in einem solchen Verfahren abgegebene Höchstgebot dem Marktpreis entspricht (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015, C-39/14, aaO Rn. 14, 15 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 24. Oktober 2013 „Burgenland/Kommission“, C-214/12 P, C-215/12 P und C-232/12 P, EU:C:2013:682 Rn. 94, 95).“

Im Einzelfall kann das Höchstgebot aber auch spekulativ überhöht sein.

(noch Rn. 25) „Diese Vermutung greift aber nicht immer, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Methode des Verkaufs an den Meistbietenden nicht zu einem dem Marktwert des Objektes entsprechenden Preis führt. Das kann der Fall sein, wenn das Höchstgebot auf Grund seines offensichtlich spekulativen Charakters deutlich über den sonstigen im Rahmen einer Ausschreibung abgegebenen Preisgeboten und dem geschätzten Verkehrswert des Grundstücks liegt (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015, C-39/14, aaO Rn. 39, 40).“

Ob das Höchstgebot repräsentativ ist oder dem Marktwert entspricht, ist anhand des konkreten Ausschreibungsverfahrens zu entscheiden.

– Liegt das Höchstgebot nahe bei den anderen Geboten, so greift die Vermutung, dass es dem Verkehrswert entspricht.

– Liegt das Höchstgebot dagegen deutlich über den anderen Geboten, spricht dies dafür, dass es spekulativ überhöht ist.

(Rn. 26) „b) Ob die Versagung der Genehmigung des Verkaufs an den Meistbietenden durch die Beteiligte zu 1 zu einem Preis führt, der möglichst nahe beim Marktwert des fraglichen Grund-stücks liegt und deshalb keine staatliche Beihilfe darstellt, muss gemäß dem Urteil des Gerichts-hofs konkret-individuell nach Maßgabe des Sachverhalts und insbesondere der Modalitäten des Ausschreibungsverfahrens entschieden werden (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015, C-39/14, aaO Rn. 48). Der Gerichtshof verweist in diesem Punkt auf die Schlussanträge des Generalanwalts. Dieser unterscheidet danach, ob das Höchstgebot deutlich über den sonstigen Angeboten und dem geschätzten Verkehrswert oder nahe an den anderen Geboten gelegen hat. Nur in dem ersten Fall sei davon auszugehen, dass das Höchstgebot spekulativ sei und der geschätzte Wert eher dem Verkehrswert entspreche, während in dem zweiten Fall diese Annahme nicht gerecht-fertigt sei und die streitige Regelung daher Elemente einer staatlichen Beihilfe enthalte (Schluss-anträge des Generalanwalts vom 17. März 2015, C-37/14, EU:C:2015:175 Rn. 71 und 72). Sollte schließlich nur ein Angebot abgegeben worden sein, seien wiederum die üblichen Methoden zur Ermittlung des Verkehrswerts durch ein Gutachten heranzuziehen (Schlussanträge, aaO Rn. 74).“

Nur wenn sich aus dem jeweiligen Einzelsachverhalt ergibt, dass das Höchstgebot spekulativ überhöht ist, kann ihm der Zuschlag versagt werden. Für diese Prüfung verwies der BGH zurück.

(Rn. 27) „c) Auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Preis und dem Wert des Grundstücks gestützte Versagungen von Verkäufen an den Meistbietenden in einem offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahren sind danach nur dann rechtmäßig, wenn das Höchstge-bot nicht den Marktwert des Grundstücks widerspiegelt, sondern spekulativ überhöht ist. Das ist in

S. 389 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

dem Genehmigungsverfahren nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG zu prüfen. Maßgebendes Kriterium dafür sind in erster Linie die in dem jeweiligen Verfahren abgegebenen Gebote. Da es an den erforderlichen Feststellungen zu dem in dem von der Beteiligten zu 1 durchgeführten Bieter-verfahren abgegebenen Geboten bislang fehlt, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich.“

c) Anmerkung

Warum behauptet der EuGH, dass das Höchstgebot dem Verkehrswert entspreche?

– Will man den Verkehrswert genau beziffern, so wird man bei tatsächlichen Verkäufen eher die besonders hohen und die besonders niedrigen Kaufpreise außer Acht lassen und die mittleren Kaufpreise irgendwie gewichten. So würden es Ökonomen machen und so macht es etwa der Gutachterausschuss.

– Das Höchstgebot als Verkehrswert zu nehmen, kann man damit begründen, dass bei einem Verkauf auf dem freien Markt vermutlich der Höchstbietende den Zuschlag erhalten würde und das Grundstück damit um diesen Preis verkauft würde – und damit der Höchstpreis in die Bewertung durch den Gutachteraus-schuss etc. einfließen würde.

– Die Gebote sind zwar nur die Schätzungen der Bietenden, zu welchem Preis sie sich eine Chance ausrechnen, das Grundstück zu erhalten. Also werden sie etwas mehr bieten, als sie an anderen Geboten erwarten. Sie werden also eher einen Tick mehr bieten, als was sie für den Verkehrswert halten. Aber jeder Bieter muss damit rechnen, am Ende beim Wort genommen zu werden und tatsächlich den gebotenen Preis zahlen zu müssen. Daher wird er auch nicht mehr bieten, als er zu zahlen bereit ist. Zunächst als beschreibt das Höchstgebot (wenn es denn nahe an den übrigen Geboten liegt) in etwa die Obergrenze der Spanne, innerhalb derer der Verkehrswert liegt. Da am Ende aber dieser Bieter den Zuschlag erhielte, verschiebt sich der Verkehrswert zu dieser Obergrenze hin.

– Problematisch ist die Engführung auf das jeweilige Verfahren, weil dies von Sonderfaktoren beeinflusst sein kann. Allgemein dürften in einem Markt mit Angebotsknappheit (wie derzeit) in Versteigerungen tendenziell eher Preise über anderen Verkäufen zu erzielen sein, weil bei Versteigerungen grundsätzlich jeder mitbieten kann, während bei freihändigen Verkäufen die Verkäufer vielleicht nur an jemanden verkaufen, den sie als kennen und mögen und daher den erzielbaren Kaufpreis nicht ganz ausreizen. Dies kann im Einzelfall bei der Versteigerung zu einer spekulativen Übersteigerung führen, wenn ein Erwerber befürchtet, sonst gar nicht zum Zug zu kommen. Die Landwirtschaftsgerichte haben hier aber nach der BGH-Entscheidung zumindest die Möglichkeit, bei Geboten einzugreifen, die deutlich von den anderen Geboten im jeweiligen Verfahren abweichen.

Noch offen erscheint mir, wie der BGH ein von einem Makler durchgeführtes Biet-verfahren bewerten würde. Hier müsste sich das Landwirtschaftsgericht wohl im Einzelfall ansehen, ob das Verfahren als offen, transparent und bedingungsfrei war.

S. 390 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Verpachtung an den Käufer vom Landwirtschaftsgericht aufzuheben, weil sie das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht vereitelt (BGH, 29.4.2016 - BLw 2/15)

Bei der Umgehung von Genehmigungserfordernissen oder Vorkaufsrechten sind die Beteiligten bekanntlich erfinderisch. Um einen solchen Fall geht es auch in:

BGH, Beschl. v. 29.4.2016 - BLw 2/15,

AUR 2016, 298 = NZM 2016, 725,

Verpachtung eines Grundstücks, das siedlungsrechtlichem Vorkaufsrecht unterliegt, durch vorkaufsverpflichteten Verkäufer kann ungesunde Verteilung der Bodennutzung bedeuten

1. Unterliegt ein nach § 2 Abs. 1 GrdstVG genehmigungsbedürftiger Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht (§ 4 Abs. 1 RSG), stellt die gleichzeitige oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft vorgenommene Verpachtung des Grundstücks von dem Verkäu-fer an den Käufer eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG dar.

2. Das Landwirtschaftsgericht hat in den Beanstandungsverfahren nach §§ 7, 8 LPachtVG den zu einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung führenden Landpachtvertrag nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LPachtVG auch dann aufzuheben, wenn der Vertrag seiner Ansicht nach nicht wirksam zustande gekommen oder nichtig ist.

a) Sachverhalt

Aus der Zeitschiene des Sachverhalts springt die Umgehungsabsicht ins Auge:

– 02.08.2013: Kaufvertragsschluss über landwirtschaftliche Grundstücke,

– 21.08.2013: Genehmigungsbehörde teilt mit, dass ein landwirtschaftliches Unter-nehmen Interesse an der Vorkaufsrechtsausübung hat.

– 26.08.2013: Verkäufer verpachten dem Käufer die Grundstücke für 9 Jahre.

– September 2013: Behörde verlängert Genehmigungsfrist auf 3 Monate.

– 04.10.2013: Kaufvertragsparteien verlängern den Pachtvertrag auf 30 Jahre.

– 07.10.2013: Kaufvertragsparteien heben den alten Kaufvertrag auf und schließen am selben Tag einen neuen Kaufvertrag zum gleichen Kaufpreis unter Hinweis auf den mittlerweile bestehenden Pachtvertrag.

– 13.11.2013: Behörde übt siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht aus und fordert zur Aufhebung des Pachtvertrages auf.

In dem gerichtlichen Verfahren war nur die Beanstandung des Landpachtvertrages angegriffen, nicht die Vorkaufsrechtsausübung.

S. 391 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

b) Landpachtverkehrsgesetz

Nach dem Landpachtverkehrsgesetz vom 08.11.1985504

– hat der Verpächter „den Abschluß eines Landpachtvertrags durch Vorlage oder im Falle eines mündlichen Vertragsabschlusses durch inhaltliche Mitteilung des Land-pachtvertrags der zuständigen Behörde anzuzeigen“ (§ 2 LPachtVG);

– kann die „zuständige Behörde ... einen anzuzeigenden Landpachtvertrag oder eine anzuzeigende Vertragsänderung beanstanden“ (§ 4 LPachtVG).

– „Kommen die Vertragsteile der Aufforderung nicht nach, gilt der Landpachtvertrag oder die Vertragsänderung mit Ablauf der Frist als aufgehoben, sofern nicht vorher ein Vertragsteil einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat.“ (§ 7 Abs. 2 S. 2 LPachtVG).

– „Stellt ein Vertragsteil den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, kann das Landwirtschaftsgericht entweder feststellen, dass der Landpachtvertrag nicht zu beanstanden ist, oder den Landpachtvertrag aufheben“ (§ 8 Abs. 1 S. 1 HS. 1 LPachtVG).

Die Beanstandungsgründe des § 4 LPachtVG entsprechen im wesentlichen den Versagungsgründe des § 9 GrstVG.

§ 4 LPachtVG – Beanstandung

(1) Die zuständige Behörde kann einen anzuzeigenden Landpachtvertrag oder eine anzuzeigende Vertragsänderung beanstanden, wenn

1. die Verpachtung eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung, insbeson-dere eine ungesunde Anhäufung von land- und forstwirtschaftlichen Nutz-flächen, bedeutet,

2. durch die Verpachtung ein Grundstück oder eine Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen, unwirtschaftlich in der Nutzung aufgeteilt wird oder

3. die Pacht nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrag steht, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist.

(2) Eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 liegt in der Regel vor, wenn die Verpachtung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

(3) ...

504 BGBl 1985 I, 2075.

S. 392 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

c) BGH, 29.4.2016 - BLw 2/15

Das Landwirtschaftsgericht kann den Landpachtvertrag unabhängig von den von der Behörde angeführten Gründen selbst prüfen. Hier war der Tatbestand der ungesunden Verteilung der Bodennutzung relevant.

(Rn. 13) „aa) Der Beanstandungsgrund der ungesunden Verteilung der Bodennutzung entspricht inhaltlich dem für eine Versagung der Genehmigung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG. Die Vorschriften über die Beanstandungsgründe in § 4 Abs. 1 und der Auslegungsgrundsatz in § 4 Abs. 2 LPachtVG sind den Bestimmungen in § 9 Abs. 1 u. 2 GrdstVG nachgebildet worden (BT-Drucks. 10/508, S. 9). Das gesetzliche Instrument der Beanstandung solcher Pachtverträge dient der Abwehr im agrarstrukturellen Interesse unerwünschter Verpachtungen (Senat, Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 17/75, AgrarR 1976, 317, 318 - noch zu der § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG entsprechenden Bestimmung in § 5 Abs. 1 Buchstabe d des Landpachtgesetzes).

(Rn. 14) Danach liegt eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung in der Regel vor, wenn sich aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass die Verpachtung bereits unternommenen oder von den zuständigen staatlichen Stellen beabsichtigten konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Liegen solche Maßnahmen nicht vor, kann die Verpachtung trotzdem ausnahmsweise eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung bedeuten. Es müssen dann aber wenigstens nachteilige Auswirkungen auf die Agrarstruktur erkennbar sein. Eine solche Annahme ist nur im Rahmen der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes und der in den einzelnen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Grundgedanken gerechtfertigt (BVerfG, RdL 1967, 92, 94; Senat, Beschluss vom 11. November 1976 - V BLw 6/76, BGHZ 67, 330, 331).

Hier hätte der Pachtvertrag die geplante Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts wirtschaftlich für längere Zeit ins Leere laufen lassen.

(Rn. 15) „bb) Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts als richtig dar. Unterliegt ein nach § 2 Abs. 1 GrdstVG genehmigungsbedürftiger Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht (§ 4 Abs. 1 RSG), stellt die gleichzeitige oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft vorge-nommene Verpachtung des Grundstücks von dem Verkäufer an den Käufer eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG dar. Dies gilt auch dann, wenn der Pächter ein Haupterwerbs- oder ein Nebenerwerbslandwirt ist, der nach § 4 Abs. 3 LPachtVG einem Haupterwerbslandwirt gleichsteht. Solche Verpachtungen sind agrarstrukturell unerwünscht, weil sie die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vereiteln oder erschweren.“

Denn für den Drittkäufer ist der Pachtvertrag nach Vollzug des Kaufvertrages irrelevant und überflüssig, weil er dann ohnehin als Eigentümer nutzungsberechtigt ist. Einzige Wirkung (und einziger Zweck) des Pachtvertrages ist, den Vorkauf für den Vorkaufsberechtigten weniger attraktiv zu machen.

(Rn. 16) „(1) Dass dies der Zweck einer derartigen Verpachtung ist, ergibt sich daraus, dass der Pachtvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer nur dann Bedeutung erlangt, wenn nicht der Käufer, sondern ein Dritter Eigentümer des landwirtschaftlichen Grundstücks wird. Erwirbt nämlich der Käufer das Eigentum, so erlischt das Pachtverhältnis insgesamt durch Konfusion (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 189/09, NJW-RR 2010, 1237 Rn. 18), weil sich dann alle vertraglichen Rechte und Verpflichtungen in einer Person vereinigen und „niemand sein eigener Schuldner sein kann“ (BGH, Urteil vom 1. Juni 1967 - II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218; Urteil vom 11. Dezember 1981 - V ZR 222/80, NJW 1982, 2381, 2382).

S. 393 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 17) (2) Ein Landpachtvertrag, der nur für das Siedlungsunternehmen und für den Erwerber, an den das Grundstück weiter veräußert werden soll, Bedeutung erlangt, steht dem mit dem Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG verfolgten agrarstrukturellen Zweck entgegen. Zugleich wird das mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 4 RSG verfolgte Ziel durch den Pachtvertrag unterlaufen.“

Zweck des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ist, dass der erwerbende Landwirt das erworbene Grundstück auch selbst für seinen landwirtschaftlichen Betrieb nutzen kann. Das ging nicht, wenn das Grundstück anderweitig verpachtet ist.

(Rn. 18) „(a) Nach dem Zweck des Versagungsgrunds in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG soll der vorhandene landwirtschaftliche Grundbesitz in erster Linie den Landwirten zugutekommen und vorbehalten bleiben, die ihn selbst bewirtschaften (Senat, Beschluss vom 11. Juli 1961 - V BLw 20/60, RdL 1961, 229; Beschluss vom 26. November 2010 - BLw 14/09, NJW-RR 2011, 521 Rn. 10; Beschluss vom 28. November 2014 - BLw 2/14, NJW-RR 2015, 553 Rn. 19). Das siedlungs-rechtliche Vorkaufsrecht ist ein positives Lenkungsmittel zur Verbesserung der Agrarstruktur, mit dessen Hilfe Land in die Hände aufstockungswürdiger oder ansiedlungswilliger Landwirte gelangen soll (Senat, Beschluss vom 9. Mai 1985 - BLw 9/84, BGHZ 94, 299, 304). Das Siedlungsunternehmen wird durch das Vorkaufsrecht in die Lage versetzt, für diesen Zweck landwirtschaftliche Grundstücke zu erwerben (Senat, Beschluss vom 31. Januar 1967 - V BLw 32/66, RdL 1967, 97, 98; Beschluss vom 11. November 1976 - V BLw 6/76, BGHZ 67, 330, 332; vgl. auch Beschluss vom 13. Dezember 1991 - BLw 8/91, BGHZ 116, 348, 351).

(Rn. 19) (b) Die Verpachtung eines verkauften landwirtschaftlichen Grundstücks durch den Ver-käufer an den Käufer läuft dem von dem Grundstückverkehrsgesetz verfolgten agrarstrukturellen Ziel zuwider, indem sie jeden anderen Erwerber des Grundstücks auf Grund des gesetzlichen Eintritts in den Pachtvertrag (§ 593b, § 566 Abs. 1 BGB) - jedenfalls für die Dauer der Pachtzeit - von einer Selbstbewirtschaftung der erworbenen Flächen ausschließt. Die Verpachtung des verkauften Grundstücks an den Käufer verhindert damit zugleich das mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Siedlungsunternehmen nach § 4 Abs. 1 RSG regelmäßig verfolgte agrar-strukturelle Ziel, das mit Hilfe staatlicher Mittel erworbene Grundstück einem aufstockungs-bedürftigen oder ansiedlungswilligen Landwirt zwecks Schaffung oder Verbesserung seiner auf Landwirtschaft gegründeten Existenz zur Bewirtschaftung zu übertragen.

d) Aufhebung trotz möglicher Nichtigkeit

Der BGH ließ dahinstehen, ob der Pachtvertrag möglicherweise sogar nichtig sei – etwa als Umgehung des Vorkaufsrechts (Rn. 24).

Denn dies zu prüfen liege außerhalb der Kompetenz der Landwirtschaftsgerichte.

(Rn. 26) „(2) Der Senat nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass in den Genehmigungs-verfahren und in den Beanstandungsverfahren (§ 1 Nr. 1 und 2 LwVfG) die zivilrechtliche Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts von dem Landwirtschaftsgericht grund-sätzlich nicht zu prüfen ist (Senat, Beschluss vom 30. Januar 1951 - V Blw 57/49, RdL 1951, 129; Beschluss vom 8. April 1952 - V BLw 63/51, RdL 1952, 300, 301; Beschluss vom 2. März 1953 - V BLw 103/52, RdL 1953, 129; Beschluss vom 4. Februar 1964 - V BLw 13/63, RdL 1964, 98, 99; Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, AgrarR 1977, 65).

Er gibt sogar seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach ausnahmsweise eine offensichtliche Nichtigkeit zu berücksichtigen sei (was man im vorliegenden Fall hätte bejahen können).

S. 394 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 27) „(3) Ausnahmsweise zu berücksichtigen sei allerdings eine offensichtliche Nichtigkeit des Vertrags; diese führe dazu, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens fehle (Senat, Beschluss vom 8. April 1952 - V Blw 63/51, RdL 1952, 300, 301; vgl. auch Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, AgrarR 1977, 65). Daran hält der Senat jedoch nicht fest. Das Landwirtschaftsgericht hat in den Beanstandungsverfahren nach §§ 7, 8 LPachtVG den zu einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung führenden Landpacht-vertrag nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LPachtVG auch dann aufzuheben, wenn der Vertrag seiner Ansicht nach nichtig ist.“

Denn auch wenn der Vertrag nichtig sei, bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, ihn ggf. gerichtlich aufzuheben – so wie man auch nichtige Verträge anfechten könne. Zweck des Beanstandungsverfahrens ist, dass schädliche Landpachtverträge nicht durch-geführt werden. Dies gilt erst recht für nichtige Verträge.

(Rn. 28) „Es verhält sich in diesen Fällen ähnlich wie bei der Anfechtung nichtiger Rechts-geschäfte. Das begriffslogische Argument, dass ein zivilrechtlich unwirksamer Vertrag im Beanstandungsverfahren nicht aufgehoben werden könne (vgl. OLG Freiburg, RdL 1953, 215; OLG Schleswig, RdL 1953, 331), berücksichtigt nicht, dass in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass auch nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 23; Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 18). Das Absehen von einer Aufhebung des Land-pachtvertrags im Hinblick auf dessen zivilrechtliche Nichtigkeit liefe dem Zweck des Beanstan-dungsverfahrens zuwider, dafür zu sorgen, dass agrarstrukturell schädliche Landpacht-verträge nicht durchgeführt werden.

S. 395 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

IV. Instandhaltungsrücklage bei Grunderwerbsteuer (K)

BFH, Urt. v. 2.3.2016 - II R 27/14, BFHE 253, 271 = BStBl. II 2016, 619 = NJW 2016, 2207 (m. Anm. Drasdo) = NZI 2016, 786 (m. Anm. Keller) = NZM 2016, 651 (m. Anm. Sauren) = MittBayNot 2017, 99 = DStR 2016, 1108 = ZfIR 2016, 504.

1. Manchmal liegt man falsch......

2015 hatten wir das Urteil des FG Sachsen zur Behandlung der Instandhaltungsrücklage bei der Grunderwerbssteuerbemessung in Fällen der Versteigerung eines Wohnungseigentums besprochen.

Ich hatte dazu505 und auch in einem Aufsatz in der DStR506 verkündet, aufgrund der Rechtsprechung des BFH507 aus dem Jahr 1991 komme gar kein anderes Ergebnis in Betracht, als dass auch nach neuem WEG die Instandhaltungsrücklage weiter von der Grunderwerbssteuer befreit bleibe, da der BFH folgendes angeführt hatte:

„Das Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung nach dem WEG stellt eine mit einer Geldforderung vergleichbare Vermögensposition dar. .......Die insoweit bestehenden Ansprüche der Wohnungseigentümer sind zwar zweckgebunden und für die einzelnen Wohnungseigentümer – nach überwiegender Rechtsauffassung in der Literatur – nicht frei verfügbar. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß die in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel den einzelnen Wohnungseigentümern ihrem Anteil an der Instandhaltungsrückstellung entsprechend im Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht nach § 16 Abs. 2 WEG unmittelbar zugute kommen.“

Daraus hatte ich den Schluss gezogen, es habe sich auch nach neuem WEG nichts geändert und folgerichtig werde der BFH die Instandhaltungsrücklage auch weiter freistellen.

2. Der BFH

Jetzt hat der BFH entschieden und ich lag falsch.

505 Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2014/2015, S. 22. 506 Kesseler, DStR 2015, 1104. 507 BFH, Urteil vom 09.10.1991 - II R 20/89, BStBl. II 1992, 152 = DStR 1992, 26 = MittRhNotK 1991, 328.

S. 396 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

In der Entscheidung ging es ausdrücklich nur um den Fall, dass im Versteigerungsverfahren der Zuschlag erteilt und entsprechend nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG das Meistgebot besteuert werden musste.

Die Gründe, die der BFH für die Besteuerung des Meistgebotes ohne Abzug der Instandhaltungsrücklage anbringt, sind folgende:

„Die anteilige Instandhaltungsrückstellung ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft und damit nicht Vermögen des von der Zwangsversteigerung betroffenen Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts.“ (Rz. 13)

„Die Wohnungseigentümer haben keinen Anteil am Verwaltungsvermögen, über den sie verfügen oder in den ihre Gläubiger vollstrecken können.“ (Rz. 16)

„Die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet kraft Gesetzes eine schuldrechtliche Sonderrechtsbeziehung, aus der sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten ergibt, die untrennbar mit dem Sondereigentum an der Wohnung und dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum verbunden sind. Bei der Versteigerung einer Eigentumswohnung wird der Ersteher mit dem Zuschlag Eigentümer der Wohnung und auf Grund Gesetzes zugleich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Mitgliedschaft kann für sich allein nicht Gegenstand einer gesonderten Zwangsversteigerung sein.“ (Rz. 18)

Letztlich ist es also die Gebundenheit des Vermögens in der Eigentümergemeinschaft, die dem BFH die Zurechnung zur Bemessungsgrundlage sachgerecht erscheinen lässt.

Der BFH sieht in seinem Urteil keinen Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung, weil dem in Form des Kaufvertrages ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. Es könne deshalb offen bleiben, ob an der Rechtsprechung für den Kaufvertrag festzuhalten sei.

3. Folgen für den Grundstückskaufvertrag

Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH, ob beim Grundstückskaufvertrag die Bemessungsgrundlag entsprechend der bisherigen Praxis um die Instandhaltungsrücklage zu mindern ist.

Es spricht allerdings nichts dafür, dass der BFH den Fall des Kaufvertrages, so er diesen zur Entscheidung vorgelegt bekommen sollte, anders behandeln wird. Wer sich die vorstehenden Argumente des Gerichts genau ansieht, erkennt, dass diese gleichermaßen beim normalen Grundstückskaufvertrag gelten.

S. 397 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Entsprechend ausgefallen ist die Aufnahme der Entscheidung in der Literatur. Alle vorstehend zitierten Anmerkungen begrüßen das Urteil und gehen gleichzeitig von der Anwendbarkeit auf den Grundstückskaufvertrag aus.

Solange die Finanzverwaltungen die Ausweisung der Instandhaltungsrücklage noch zulassen, sollte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Ich möchte aber wie schon 2015 empfehlen, die Beteiligten auf das Risiko hinzuweisen, dass sich die Verwaltungspraxis entsprechend der Überlegungen des BFH ändern könnte.

Meinen entsprechenden Baustein habe ich schon seit dem Urteil des FG Sachsen umgestellt und nutze den Wortlaut, um mit den Beteiligten das Thema zu erörtern:

Formulierungsvorschlag:

Auf die hier veräußerte Einheit entfällt ein Anteil an der

Instandhaltungsrücklage, für den die Beteiligten auch in Kenntnis der aktuellen

Rechtsprechung die Grunderwerbssteuerfreiheit beantragen. Die Höhe der

anteiligen Rücklage beziffern die Beteiligten – ohne dass dies ein

Beschaffenheitsmerkmal des Kaufgegenstandes ist - aufgrund der Angaben des

Verwalters mit € *** zum Stand ***.

S. 398 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

V. Erbschaftsteuerliches Steuerprivileg für Eigenheim (CH)

1. Zur Wiederholung

a) Gesetzestatbestand

Ich beginne mit einer alten Bauernregel, die ich frisch und frei erfunden habe: „Wer wenig Kinder hat oder viel Geld, braucht hohe Erbschaftsteuerfreibeträge oder ein langes Leben.“

Möglichweise hilft dann die Steuerbefreiung für das selbstgenutzte Familienwohnheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG:

§ 13 ErbStG - Steuerbefreiungen

(1) Steuerfrei bleiben

1. …

4. b) der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). 2Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. 3Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. 4Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. 5Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert;

4. c) der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt. 2Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. 3Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. 4Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. 5Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb

S. 399 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert;

Erbt der Ehegatte, ist Nr. 4b) anzuwenden, erbt ein Kind, ist Nr. 4c) anzuwenden.

Der einzige Unterschied ist, dass beim Kind die Privilegierung auf 200 qm Wohn-fläche beschränkt ist (bei größerer Wohnfläche nur anteilige Privilegierung), während beim Ehegatten auch mehr als 200 qm Wohnfläche privilegiert sind.

Die beiden wichtigsten Tatbestandsmerkmale für die Privilegierung des Familien-heims im Erbfall sind:

– Eigennutzung durch den Erblasser zu Wohnzwecken bis zum Erbfall,

– unverzüglicher Beginn und 10 Jahre Dauer der Selbstnutzung durch den privile-gierten Erwerber (während bei der Überlassung an den Ehegatten unter Lebenden bekanntlich keine gesetzliche Mindestdauer für die Eigennutzung angeordnet ist).

b) BFH-Entscheidungen aus dem Jahr 2015

Im letzten Jahr hatte Prof. Kesseler508 Ihnen zwei BFH-Entscheidungen vorgestellt.

Beide Entscheidungen griff die Finanzverwaltung mittlerweile auf:

Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 3.3.2016 zu §§ 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c, 13c, 13a ErbStG,

BStBl. I 2016, 280

– BFH, Urt. v. 23.6.2015 – II R 13/13, NZM 2015, 837 = ZEV 2015, 656 = ZfIR 2015, 778.

Eigennutzung des Erwerbers fehlt, wenn dieser von Anfang an an der Eigen-nutzung gehindert ist. Die „zwingenden Gründe“ des Satz 5 betreffen nur den späteren Wegfall der Eigennutzung. (Das war der Fall des Professors, der in einer anderen Stadt einen Lehrauftrag mit vereinbarter Residenzpflicht hatte).

Anmerkung: M.E. hätte man die Steuerbefreiung genauso mit der Begründung ablehnen können, dass die vereinbarte Residenzpflicht kein objektiver Hinderungsgrund ist. Die Begründung über den Zeitpunkt der Hinderung klingt aber neutraler.

Die Finanzverwaltung würde dem Professor auch keine Steuerbefreiung gewähren – wohl aber dem selber pflegebedürftigen Erben, der wegen seiner Pflegebedürftigkeit

508 Kesseler, in: Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelle Probleme der Vertragsgestaltung im Immobilien-

recht 2015/2016, DAI-Tagungsskript Feb./März 2016, S. 176 ff.

S. 400 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

von vornherein nicht in die Immobilie einziehen kann (also z.B. der Witwe des Erb-lassers, die bereits im Pflegeheim ist):

„1. Der BFH hat in dem Urteil vom 23. Juni 2015, II R 13/13 (BStBl II 2016 S. 223) die Steuerbefreiung für die Zuwendung eines Familienheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG abgelehnt, weil der Erwerber aus beruflichen Gründen von vornherein gehindert war, die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen.

Dessen ungeachtet ist es hinsichtlich der Befreiung weiterhin als unschädlich anzu-sehen, wenn die Pflegebedürftigkeit des Erwerbers im Zeitpunkt des Erwerbs die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt oder ein Kind wegen seiner Minderjährigkeit im Zeitpunkt des Erwerbs rechtlich gehindert ist, einen Haushalt selbstständig zu führen. Insoweit liegen im Zeitpunkt des Erwerbs objektiv zwin-gende Gründe vor, die den Erwerber an der Selbstnutzung hindern. An R E 13.4 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Satz 3 und 4 sowie Abs. 7 Satz 4 und 5 ErbStR 2011 wird festgehalten.“

– BFH, Urt. v. 23.6.2015 - II R 39/13, DNotI-Report 2015, 149 = DStR 2015, 2066 = MittBayNot 2016, 86 = NZM 2015, 834 = ZEV 2015, 658,

Nach Satz 4 kann bei Miterben oder Vermächtnisnehmern kann der die Privilegierung § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. c ErbStG in Anspruch nehmen, bei dem das privilegierte Vermögen im Rahmen der Nachlassteilung oder Testamentserfüllung landet.

Die ertragssteuerrechtliche 6-Monats-Frist für die Rückwirkung der Erbausein-andersetzung auf den Todeszeitpunkt ist für die Privilegierung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. c ErbStG irrelevant.

Aber Vorsicht: Die Eigennutzung muss unverzüglich beginnen! Nur die Erbaus-einandersetzung hat Zeit.

Und doppelte Vorsicht: Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil zwar für den entschiedenen Fall des § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. c ErbStG an (ebenso bei Übertragung auf den überlebenden Ehegatten im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b ErbStG).

Für andere erbschaftsteuerliche Steuerbegünstigungen (insbes. für Betriebs-vermögen) verlangt die Finanzverwaltung aber grundsätzlich eine Erbauseinander-setzung innerhalb der 6-Monats-Frist, sofern nicht im Einzelfall besondere Gründe für die Verzögerung vorliegen.

„2. Der BFH hat in dem Urteil vom 23. Juni 2015, II R 39/13 (BStBl II 2016 S. 225) entschieden, dass der in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG gesetzlich vorgesehene Begünstigungstransfer auf den Erben, auf den das begünstigte Vermögen übergeht, auch dann eintritt, wenn die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung erst ca. 15 Monate nach dem Erbfall erfolgt ist und die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung selbst erfüllt sind. Entsprechendes soll auch hinsichtlich des Begünstigungstransfers bei der Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG gelten.

S. 401 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Nach H E 13.4 „Freie Erbauseinandersetzung“ und H E 13c „Freie Erbauseinander-setzung“ ErbStH 2011 ist in der Regel in den Fällen der freien Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften eine steuerliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls als zeitnah anzuerkennen, wenn die Auseinandersetzungsvereinbarung innerhalb von sechs Monaten erfolgt (unter Verweis auf BMF-Schreiben vom 14. März 2006, BStBl. I Seite 253, Tz. 8).

Erfolgt die Erbauseinandersetzung erst nach mehr als sechs Monaten, kann der Begünstigungstransfer in begründeten Ausnahmefällen (z. B aufgrund von Erb-streitigkeiten, Erstellung von Gutachten o. ä.) gewährt werden. Der Steuer-pflichtige hat die Gründe darzulegen, die eine Erbauseinandersetzung innerhalb des Sechsmonatszeitraums verhindert haben.

Bei der Steuerbefreiung für das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b bzw. 4c ErbStG kann von einer unverzüglichen Selbstnutzung des Erwerbers zu eigenen Wohnzwecken ausgegangen werden, wenn die tatsächliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken unverzüglich beginnt, die Erbauseinandersetzung jedoch erst anschließend und nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums erfolgt.

Der Begünstigungstransfer (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 3 und 4, § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 3 und 4 bzw. § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG) führt zu einer Erhöhung der Begün-stigung, wenn ein Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen erhält und hierfür dem übertragenden Miterben nicht begünstigtes Vermögen überlässt. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelnen Vermögensgegen-stände nach derselben Vorschrift (z. B. nach § 13c ErbStG) begünstigt sind, da der überlassende Miterbe die Begünstigung nicht mehr in Anspruch nehmen kann (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 4, § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 bzw. § 13c Abs. 2 Satz 2 ErbStG).

Die o. g. Ausführungen gelten für den Begünstigungstransfer bei der Steuerbefrei-ung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 13b Abs. 1 ErbStG entsprechend (§ 13a Abs. 3, § 13b Abs. 3 ErbStG und H E 13a.3 „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH 2011.“

Wenn Betriebsvermögen vorhanden ist, sollte daher die Erbauseinandersetzung (zu-mindest für das Betriebsvermögen) binnen sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgen.

2. Nachversteuerung bei Weiterübertragung des geerbten, selbstgenutzten Familienheims trotz Nutzungsvorbehalts (FG Hessen, 15.02.2016)

In der Entscheidung, die ich Ihnen jetzt vorstellen will, ging es um den Wegfall der Privilegierung nach Satz 5:

– Nach dem Gesetzeswortlaut entfällt die Privilegierung rückwirkend, wenn die Nutzung innerhalb der 10-Jahres-Frist endet.

S. 402 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Nach Finanzverwaltung und Rechtsprechung entfällt die Privilegierung aber auch, wenn Eigentum und Nutzung später auseinanderfallen.

Damit kann es bei einer Überlassung eines geerbten Familienheims zu einer Nachversteuerung kommen.

Hessisches Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 15.02.2016 - 1 K 2275/15,

DStRE 2016, 1447 = EFG 2016, 734 = ZEV 2016, 346

Nachversteuerung bei Weiterübertragung des geerbten, selbstgenutzten Familienheims trotz Nutzungsvorbehalts

a) Sachverhalt

Nach dem Tod der Mutter erbte der Sohn das Familienheim und bezog es unver-züglich. Im Erbschaftsteuerbescheid wurde keine Erbschaftsteuer festgesetzt. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis:

„Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohn-zwecken gehindert. Die Aufgabe der Selbstnutzung ist nach § 153 Abs. 2 AO anzeigepflichtig. Die Anzeige ist unverzüglich an das Finanzamt zu richten.“

Vier Jahre nach dem Tod der Mutter übertrug der Sohn das Hausgrundstück an seine beiden Kinder. Er behielt sich den Nießbrauch und ein Dauerwohnrecht (?) vor. Darauf erließ das Finanzamt einen neuen Erbschaftsteuerbescheid und setzte eine Steuer fest.

Der Erbe war erstaunt, weil er das Familienheim ja weiterhin nutzte.

b) Steuerliche Privilegierung entfällt rückwirkend, wenn Eigentum und Nutzung binnen zehn Jahren auseinanderfallen

Beim Erwerb müssen Eigentum und Eigennutzung zusammenfallen; nur dann (und nur insoweit) ist der Erwerb privilegiert.

Dies ergibt sich aus Satz 1 der jeweiligen Vorschrift: „Erwerb … des Eigentums oder Miteigentums …, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist“

Den Wegfall der Privilegierung regelt das Gesetz ausdrücklich nur, wenn die Eigennutzung vor Ablauf der 10-Jahres-Frist endet (Satz 4).

Das Finanzgericht Hessen sah dies aber genauso, falls das Eigentum vorher veräußert wird. Denn das Gesetz soll nur den selbst nutzenden Eigentümer schützen:

S. 403 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

(Rn. 27) „So wurde die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG gerade zu dem Zweck geschaffen, zu verhindern, dass der Erwerber sein Eigentum an dem Familienheim aufgeben muss, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Dementsprechend ist die Nachversteuerungsregelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG im Gesamtzusammenhang der Steuerbefreiungsnorm auszulegen. Da eine Steuerbefreiung nur dann zu gewähren ist, wenn der Erwerb des Eigentums und die tatsächliche Nutzung zu Wohnzwecken zusammenfallen, ist nach Überzeugung des Senats eine Nachversteuerung regelmäßig vorzunehmen, wenn eines der beiden Tatbestandsmerkmale entfällt. Anhaltspunkte dafür, dass dem Gesetzgeber im Rahmen der Nachversteuerung das Merkmal des Eigentums verzichtbar erschien, während er am Merkmal des Wohnens festgehalten hat, sind nicht ersichtlich. Dem Senat erscheinen hierfür auch keine Gründe plausibel.“

In der Literatur ist die Frage strittig:

– Eine Meinung entscheidet so wie das FG Kassel.

– Eine andere Meinung sieht mit dem Gesetzeswortlaut nur als schädlich an, wenn die Eigennutzung endet.

– Eine vermittelnde Meinung stellt darauf ab, warum und an wen veräußert wird. Die unentgeltliche Weiterübertragung innerhalb der Familie löse keine Nachversteue-rung aus.

Im Verfahren machte der Erbe auch Vertrauensschutz geltend, weil die Belehrung im Steuer-bescheid missverständlich gewesen sei bzw. er sie missverstanden habe. Da die Belehrung aber nur den Gesetzeswortlaut zitierte, wischte das FG dieses Argument vom Tisch.

c) Revisionsentscheidung des BFH zu erwarten (II R 38/16)

Ebenso wie das FG Hessen (Kassel) entschied auch das

FG Münster, Urt. v. 28.09.2016 - 3 K 3757/15 Erb,

EFG 2016, 2077 = DStZ 2017, 8 = NJW-Spezial 2017, 7 = ZEV 2017, 60

Das FG Münster ließ die Revision zum BFH zu. Die Revision ist beim BFH unter AZ: II R 38/16 anhängig. Daher ist eine höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten.

d) Keine Rechtsbelehrungspflicht des Notars, allenfalls Warnpflicht

Droht einem Beteiligten eine unerwartete Haftung – oder auch eine unerwartete Steuer, fragt man sich als Notar natürlich sofort: Hätte der Notar darüber belehren müssen? Und muss ich als Notar künftig darüber belehren?

Klare Antwort: Nein, es besteht keine Pflicht zur Rechtsbelehrung hierüber.

S. 404 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

– Über Steuerfragen muss der Notar nur belehren, soweit dies ausnahmsweise gesetzlich geregelt ist – ggf. auch noch für eine infolge eines Erwerbs drohende steuerliche Haftung (z.B. nach § 75 AO).

– Bei einer Schenkung muss der Notar darauf hinweisen, dass möglicherweise Schenkungsteuer anfallen kann.

– Das ist aber etwas anderes, als wenn nachträglich ein Privilegierungstatbestand für einen früher bereits verwirklichten Steuertatbestand wegfällt.

Allenfalls kann im Einzelfall eine Warnpflicht bestehen – oder, wie die Recht-sprechung es nennt, eine betreuende Belehrungspflicht.

– Danach muss der Notar einen Beteiligten warnen, wenn er sieht, dass der Beteiligte aufgrund der Besonderheit des Falls ein Risiko eingeht, ohne es zu erkennen.

– Voraussetzung ist aber, dass der Notar das Risiko selbst erkennt. D.h. nur wenn der Notar daran denkt, dass die Weiterübertragung möglicherweise eine Nachversteue-rung auslöst, muss er die Beteiligten darauf hinweisen. Er darf sie nicht sehenden Auges in ein von ihnen nicht erkannte Gefahr hineinlaufen lassen.

– Erkennt der Notar aber die Gefahr der Nachversteuerung nicht (etwa weil er die entsprechende Rechtsprechung nicht kennt), muss er auch nicht warnen.

Gefährlich wird es, wenn der Notar ohne Rechtspflicht doch steuerliche Auskünfte gibt. Denn dann haftet er auch dafür, dass diese Auskünfte richtig sind.

3. Nutzung (nur) durch nahe Angehörige ist keine Eigennutzung

Weil wir schon bei § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sind, auch noch eine aktuelle BFH-Entscheidung (die allerdings mehr das Erbrecht als das Immobilienrecht betrifft). Die Entscheidung ist nicht überraschend. Kennen sollte man sie dennoch.

a) Nutzung nur durch nahe Angehörige genügt nicht als Selbstnutzung für Erbschaftsteuerprivileg (BFH, 05.10.2016)

BFH, Urt. v. 05.10.2016 - II R 32/15,

zur Veröffentlichung in BFHE vorgesehen = ZEV 2017, 50 Leitsatz auch in BB 2016, 3029 = ZfIR 2017, 33

Nutzung nur durch nahe Angehörige (hier: Mutter) genügt nicht als Selbstnutzung für Erbschaftsteuerprivileg

Der Erwerb von Wohnungseigentum von Todes wegen durch ein Kind ist nicht steuerbefreit, wenn das Kind die Wohnung nicht selbst nutzt, sondern unentgeltlich

S. 405 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

einem Dritten zur Nutzung überlässt. Das gilt auch bei einer unentgeltlichen Über-lassung an nahe Angehörige.

Sachverhalt:

– Nach dem Tod des Vaters erbte die Tochter dessen Anteil an der von beiden Eltern zusammen selbstgenutzten Eigentumswohnung.

– Die Mutter bewohnt die Wohnung weiterhin. Die Tochter übernachtet dort gelegentlich und nutzt ein Zimmer für die „Verwaltung des Nachlasses“ (wohl für die vom Vater hinterlassenen Akten).

Entscheidung:

Der BFH entschied, dass keine Erbschaftsteuerprivilegierung besteht, weil die Wohnung nicht Lebensmittelpunkt der Tochter ist.

– Die Nutzung durch die Mutter genügt nicht. Denn die Nutzung durch Angehörige ist nicht privilegiert.

– Die (Mit-)Nutzung durch die Tochter stellt nicht deren Lebensmittelpunkt dar.

Unschädlich wäre aber die Mitnutzung durch Angehörige im Rahmen eines gemeinschaftlichen Haushalts:

(Rn. 16) „d) Diese Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG steht im Einklang mit dem BFH-Urteil vom 26. Februar 2009 II R 69/06 (BFHE 224, 151, BStBl II 2009, 480) zur Auslegung von § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG i.d.F. bis zum 31. Dezember 2008. Danach liegt bei einem Familienwohnheim eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Ehegatten auch vor, soweit Verwandte der Ehegatten Räumlichkeiten des Hauses im Rahmen eines gemeinsamen Haus-standes mit den Ehegatten bewohnen. Um eine anderweitige, die Steuerbefreiung anteilig aus-schließende Nutzung des Gebäudes handelt es sich demgegenüber, soweit Verwandte in dem Haus wohnen, ohne mit den Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand zu führen (BFH-Urteil in BFHE 224, 151, BStBl II 2009, 480). Zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich angeführt, dass ein durch die Vorschrift zu schützendes Familiengebrauchsvermögen entweder bei in Hausgemeinschaft mit den Eltern lebenden Kindern anzunehmen ist oder bei Kindern, die unverzüglich nach dem Erwerb das Familienheim selbst zu Wohnzwecken nutzen (BTDrucks 16/11107, S. 9). Die nicht ausdrücklich erwähnte Überlassung des Familienheims bzw. eines Miteigentumsanteils hieran an Angehörige erfüllt daher nicht den Tatbestand der Steuerbefreiung.“

b) Zweitwohnung ist keine Eigennutzung zu Wohnzwecken (BFH, 18.07.2013)

Und weil wir schon dabei sind, sei auch noch eine Entscheidung erwähnt, die der BFH in der eben vorgestellten Entscheidung auch zur Begründung zitiert:

S. 406 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

BFH, Urt. v. 18.07.2013 - II R 35/11,

BFHE 242, 153 = BStBl. II 2013, 1051 = DB 2013, 2547 = DNotZ 2014, 271-275 = ZEV 2013, 688

Zuwendung einer Zweit- oder Ferienwohnung an den Ehegatten ist nicht steuerfrei

Ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittel-punkt des familiären Lebens der Eheleute befindet, ist kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG. Nicht begünstigt sind deshalb Zweitwohnungen oder Ferienwohnungen.

Der BFH geht davon aus, dass es immer nur ein Familienheim geben kann:

(Rn. 15) „Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte mit der Steuerbefreiung für die Zuwendung eines Familienwohnheims der engere Kernbereich der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft privilegiert werden. Zu diesem Kernbereich gehört das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Haus, in dem durch das familiäre Zusammenleben der Lebensmittelpunkt der Familie begründet wird. Demgegenüber ist eine Zweitwohnung oder eine Ferienwohnung nicht mehr dem "engeren" Kernbereich der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zuzuordnen.

(Rn. 16) Diese Vorstellung liegt auch der Neufassung des ErbStG durch das ErbStRG zugrunde. Durch das ErbStRG wurde die Steuerbefreiung für Familienheime auf Erwerbe von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten erstreckt, wobei hierfür u.a. Voraussetzung ist, dass die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG n.F.). Dazu wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sei auch noch gegeben, wenn der überlebende Ehegatte mehrere Wohnsitze habe, das Familienheim aber seinen Lebensmittelpunkt bilde (BT-Drucks 16/11107, S. 8).“

Andernfalls wären vermögende Ehegatten, die mehrere ihnen gehörende Wohnungen zugleich nutzen, gleichheitswidrig begünstigt:

(Rn. 17) „d) Die Einschränkung der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG auf Familien-wohnheime, in denen sich der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Eine Steuerbefreiung, die die Zuwendungen aller zum Zeitpunkt der Übertragung zu eigenen Wohnzwecken genutzten Häuser und Eigentums-wohnungen zwischen Eheleuten erfasst, wäre nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.“

Dies zitiert der BFH auch in seiner Entscheidung vom 05.10.2016. Salopp gesagt: Der BFH mag die Privilegierung nicht und wird sie eng auslegen.

Die BFH-Entscheidung vom 18.07.2013 bezieht sich aber nur auf mehrere gleichzeitig genutzte Wohnungen. Wenn die Ehegatten umziehen, kann einer dem anderen auch wieder einen Anteil am neuen Familienheim steuerfrei schenken. Es gibt keine zeitliche Objektbegrenzung.

S. 407 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

H) Verfahrensrecht

I. Materiell-rechtliche Erklärungen in notarieller Eigenurkunde möglich (CH)

1. Allgemein

a) Nach meinen Ausführungen zur Vollzugsvollmacht im letzten Jahr kamen ein paar Kollegen zu mir und meinten, ob das denn so richtig sei, dass ich mich in der Notarvollmacht auch zu materiell-rechtlichen Erklärungen bevollmächtigen ließe. Sie hätten früher doch gelernt, dass die Vollzugsvollmacht nur für verfahrensrechtliche Erklärungen geht, nicht für materiell-rechtliche Erklärungen.

Das ist etwas schief formuliert:

– Bevollmächtigen lassen kann sich der Notar zu allem, auch zu materiell-rechtlichen Erklärungen. Grenze ist natürlich immer das notarielle Berufsrecht. So darf die Vertretung nie parteilich sein. Das ist bei materiell-rechtlichen Erklärungen tendenziell gefährlich als bei verfahrensrechtlichen Erklärungen.

– Gebrauch macht der Notar von der Vollmacht häufig mittels notarieller Eigen-urkunde. Und die notarielle Eigenurkunde kann nur einem verfahrensrechtlichen Formerfordernis genügen (insbes. § 29 GBO, § 12 HGB). Einem Formerfordernis des materiellen Rechts, etwa einem Beurkundungserfordernis, kann eine Eigen-urkunde nicht genügen. Denn der Notar kann nicht seine eigene Erklärung beurkunden.

b) Bestes Beispiel ist die notarielle Eigenurkunde zum Gebrauch der Doppel-vollmacht bei einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung.

– Nach § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB wird die Genehmigung des Familien- oder Betreuungsgerichts „dem anderen Teil gegenüber erst wirksam, wenn sie ihm durch den Vormund mitgeteilt wird.“ Diese Mitteilung ist eine materiell-rechtl-iche Willenserklärung. Denn der Vormund, Betreuer, die Eltern können – auch wenn die Genehmigung wie beantragt erteilt wurde – dennoch entscheiden, die Genehmigung dem anderen Vertragsteil nicht mitzuteilen und damit den Vertrag nicht wirksam werden zu lassen (etwa wenn ihnen nachträglich doch Zweifel gekommen sind, ob der Vertrag dem Wohl des Kindes bzw. des Betreuten entspricht).

– Die Mitteilung unterliegt aber keinem Formerfordernis des materiellen Rechts. Nur wegen § 29 GBO muss die Mitteilung in öffentlicher Form nachgewiesen werden. Da die Mitteilung erst erfolgen kann, wenn die Genehmigung schon erteilt ist, müssten die Beteiligten nach Genehmigungserteilung nochmals zum Notar

S. 408 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

kommen, damit der Vormund, Betreuer, die Eltern dem anderen Vertragsteil die Genehmigung mitteilen – und der andere Vertragsteil sie entgegennimmt.

– Dies vermeidet man mit der Doppelvollmacht für den Notar. So kann der Notar sowohl die Genehmigung mitteilen wie die Mitteilung entgegennehmen – und dies durch die Eigenurkunde auch in der Form des § 29 GBO in öffentlicher Urkunde festhalten.

Wenn der Notar von der Doppelvollmacht Gebrauch macht, gibt er also in seiner Eigenurkunde eine materiell-rechtliche Willenserklärung ab, die aber nur einem verfahrensrechtlichen Formerfordernis unterliegt.

2. OLG Zweibrücken, 9.11.2015

Das wissen wir alle natürlich längst.509 Trotzdem ist es schön, wenn man es auch in einem obergerichtlichen Leitsatz wiederfindet. Deshalb habe ich Ihnen zitiert:

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.11.2015 - 3 W 54/15,

FGPrax 2016, 73 = NotBZ 2016, 397 = Rpfleger 2016, 342,

Zulässiger Inhalt einer notariellen Eigenurkunde

1. Der Anwendungsbereich der notariellen Eigenurkunde ist nicht darauf beschränkt, verfahrensrechtliche Erklärungen der Beteiligten zu ändern, zu ergän-zen oder zu berichtigen, soweit dies zum grundbuchlichen Vollzug dieser Urkunde erforderlich ist. Sie kann auch materiellrechtliche Erklärungen zum Gegenstand haben, jedenfalls soweit diese dem Geschäftskreis des Notars zuzuordnen sind.

2. Zum Umfang einer dem Notar erteilten Vollmacht, die gerichtliche Genehmi-gung nach § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenzunehmen, dem anderen Teil mitzuteilen und diese Mitteilung für ihn in Empfang zu nehmen.

Sachverhalt war natürlich nicht der Normalfall, in dem sich die Doppelvollmacht schon im Kaufvertrag findet. Vielmehr hatte der Notar übersehen, dass § 1829 BGB anwendbar war.

– Denn es war eine Sachwalterin nach österreichischem Recht bestellt. Dennoch war deutsches Betreuungsrecht anwendbar:

(Rn. 11) „Die Anwendung deutschen Rechts für die hier bestehende Vormundschaft nach öster-reichischem Recht folgt aus Artikel 14 des Haager Übereinkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Wird hiernach eine in einem Vertragsstaat getroffene Maßnahme (hier: Bestellung einer Sachwalterin in Österreich) in einem anderen Vertragsstaat durchgeführt (hier Vertretung durch die Sachwalterin bei einem Grundstücksgeschäft in Deutschland), so bestimmt das Recht dieses anderen Staates die Bedingungen, unter denen sie durchgeführt wird. Ausländi-

509 Vgl. auch den in Teil A) IV. von Prof. Kesseler besprochenen Beschluss des BGH v. 2.12.2015 -

XII ZB 283/15, DNotZ 2016, 195 = FamRZ 2016, 296 = MDR 2016, 229 = NJW 2016, 565 = NotBZ 2016, 114 = ZNotP 2016, 19.

S. 409 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

sche Fürsorgepersonen unterliegen danach bei ihrer Tätigkeit in Deutschland den Genehmigungs-erfordernissen und den Verfahrensbestimmungen des deutschen Betreuungsrechts.“

– Das OLG Zweibrücken bringt uns also auch bei: Wird ein deutsches Grundstück verkauft und steht der Verkäufer unter Betreuung nach einem ausländischen Recht, so gelten nach Art. 14 des Haager Erwachsenenschutzabkommens510 die Genehmigungserfordernisse etc. des deutschen Betreuungsrechts. Sie brauchen sich als Notar also gar nicht mit dem ausländischen Betreuungsrecht befassen – und ebenso das Grundbuchamt oder das Betreuungsgericht.

– Als Nebenbemerkung: Die gesetzliche Vertretung eines minderjährigen Kindes bestimmt sich nach dessen gewöhnlichem Aufenthalt, ebenso Genehmigungs-erfordernisse (Art. 17 Haager Kinderschutzübereinkommen vom 1996 - KSÜ511). Zuständig (etwa für Genehmigungen etc.) sind ebenfalls die Behörden/Gerichte des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 8 Brüssel IIa-VO). Wohnt also ein minderjähriges Kind im Ausland (= gewöhnlicher Aufenthalt), so ist sein (gewöhnliches) Aufenthaltsrecht anzuwenden und sind die Gerichte seines (gewöhnlichen) Aufenthaltsstaates zuständig.512

Bei einem Erwachsenen, der unter Betreuung steht, kann sich der Notar hingegen entspannt zurücklehnen, da deutsches Recht gilt. Der beurkundende Kollege hatte das übersehen (und ich wusste es vorher auch nicht). Dafür hatte er sogar zum österreichi-schen Betreuungsrecht (Sachwalterrecht) nachgelesen – wie wir jetzt wissen, eine überflüssige Fleißarbeit. So ganz wohl war er sich jedoch nicht. Deshalb hatte er sich eine weitere als übliche Vollzugsvollmacht erteilen lassen.

In dem notariellen Vertrag heiß es u.a.:

(Rn. 3) „IX Vollzugsauftrag

2. Die Beteiligten bevollmächtigen den Notar, unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB diese Urkunde zu ergänzen oder abzuändern“

(Rn. 4) X. Genehmigung

Im österreichischen Recht gibt es keine Bestimmung, wonach die vom Bezirksgericht erteilte Ge-nehmigung zur Wirksamkeit des Kaufvertrages dem anderen Vertragsteil mitgeteilt werden muss.“

Diese Vollzugsvollmacht legte das OLG Zweibrücken nun aus. Es kam zu dem Ergebnis, dass sie auch die (von den Beteiligten nicht vorausgesehene) Mitteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung und deren Entgegennahme umfasst.

Und wir haben bei der Gelegenheit auch wieder etwas dazu gelernt.

510 Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen,

BGBl. 2007 II, 324; Umsetzungsgesetz BGBl. 2007 I, 314. 511 Haager Übereinkommen vom 19. 10. 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die

Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern, BGBl. 2009 II, 602.

512 Gutachten, DNotI-Report 2017, 3.

S. 410 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde (SH)

BGH, Urt. v. 10.6.2016 - V ZR 295/14,

DNotZ 2017, 48 = NJW 2017, 175.

Hierzu Elzer, FD-ZVR 2016, 382357; Grziwotz, IMR 2016, 525; Limmer, LMK 2016,

384756.

Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit eines notariellen Vertrages wird nicht

durch die Vorlage eines inhaltlich abweichenden Vertragsentwurfs widerlegt.

1. Sachverhalt

Die Klägerin kaufte vom Beklagten mit notariellem Vertrag ein mit einer Halle bebautes Grundstück. Der endgültige Vertragstext weicht von dem den Parteien vom Notar übersandten Vertragsentwurf in folgenden Punkten ab (Hinzufügungen in der Beurkundung durch Unterstreichung kenntlich gemacht):

„1. Kaufgegenstand

Das Grundstück ist mit einer Halle bebaut, diese mit einer Fläche von 640 qm.

7. Gewährleistung

Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt, er kauft es im gegenwärtigen altersbedingten Zustand zum heutigen Datum mit den Einrichtungsgegenständen.

Im Übrigen wird der Kaufgegenstand übergeben, wie er steht und liegt, ohne Gewähr für das genaue Flächenmaß, Größe, Güte und Beschaffenheit mit Ausnahme der Größe der Halle.“

In der Urkunde ist ferner die Bestätigung der Beteiligten enthalten, dass der Notar über die Bestimmung des § 17 Abs. 2a BeurkG belehrt hat und die Erschienenen ausreichend Gelegenheit hatten, den Entwurf dieser Urkunde zu prüfen und sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.

Da die Fläche der Halle nur 540 m² beträgt und der Beklagte vor Übergabe die Einbauküche entfernt hat, verlangte die Klägerin Schadenersatz in Höhe von knapp fünf und 20.000 € nebst Zinsen

Landgericht und Kammergericht haben die Klage abgewiesen, da es an einer Vereinbarung über eine bestimmte Hallengröße und den Verkauf von Einrichtungsgegenständen fehle. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit

S. 411 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

der notariellen Urkunde sei insbesondere durch Vorlage des Vertragsentwurfes, in dem die maßgeblichen Passagen fehlen, widerlegt.

Tz. 3: „Jedenfalls aber sei der Notarvertrag bezüglich der von dem Entwurf abweichenden Regelungen perplex und unwirksam, da die Parteien - wie sich aus dem einleitenden Hinweis in der notariellen Urkunde auf den Entwurf ergebe - einerseits den Inhalt des Entwurfes hätten gelten lassen wollen, andererseits auch den anderslautenden Wortlaut des nach dem Vorbringen der Klägerin von dem Notar verlesenen Vertragstextes. Ginge man hingegen davon aus, dass die Klägerin den Inhalt des Notarvertrages gewollt habe, der Beklagte dagegen den des Entwurfs, läge hinsichtlich der streitigen Klauseln ein offener Dissens vor.“

2. Entscheidung

Die hiergegen eingelegte Revision ist vor dem BGH erfolgreich.

Das Berufungsgericht nehme rechtsfehlerhaft an, zwischen den Parteien sei ein Vertrag mit dem Inhalt des Vertragsentwurfs zustandegekommen.

Entscheidend sei insoweit, dass es sich bei der Kaufvertragsurkunde um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO handele, welche vollen Beweis darüber erbringe dass die Erklärung mit dem sowie beurkundet niedergelegten Inhalt abgegeben wurde.

Zudem bestehe greife für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit.

Tz. 6: „Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen […]. Es reicht nicht, dass die Beweiswirkung erschüttert ist.“

Durch Vorlage des Vertragsentwurfs allein sei die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit nicht widerlegt. Die abweichende Sichtweise des Berufungsgerichts verkenne den Zweck der notariellen Beurkundung und des Beurkundungsverfahrens.

Tz. 8: „Zweck der in § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vorgeschriebenen notariellen Beurkundung von Verträgen über Grundstücke ist es, Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträgen zu bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäftes hinzuweisen und ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung zu eröffnen […]. Mit der Durchführung eines strengen Regeln unterworfenen Beurkundungsverfahrens, insbesondere durch die dem Notar in §§ 17 ff. BeurkG auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten, soll sichergestellt werden, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite vertraut gemachten Beteiligten entspricht.“

Tz. 9: „Die bei Verbraucherverträgen in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG normierte Amtspflicht des Notars […], den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts den Vertragsparteien schon vor der Beurkundung zur Verfügung zu stellen, dient dazu, ihnen Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen, Unklarheiten und Änderungswünsche vorher zu klären und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten […]. Der Entwurf dokumentiert hingegen nicht den abschließenden Parteiwillen. Die Aufgabe des Notars, diesen

S. 412 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

zu ermitteln und den Erklärungen eine Fassung zu geben, die den Absichten und Interessen der Beteiligten gerecht wird […], bringt es gerade mit sich, dass es während der Beurkundungsverhandlung - etwa aufgrund einer Anregung durch den Notar oder aufgrund entsprechender Parteiwünsche - noch zu Änderungen in dem vorab zur Verfügung gestellten Entwurfstext kommen kann […]. Erst mit der in der Beurkundungsverhandlung gefertigten Niederschrift (§§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeurkG) erhalten die Erklärungen der Beteiligten ihre endgültige Form […]. Die notarielle Urkunde dokumentiert, zu welchem Ergebnis die Beurkundungsverhandlung vor dem Notar geführt hat. Die Erklärungen der Beteiligten gelten mit der Beweiskraft des § 415 ZPO als abgegeben.“

Würde man mit dem Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit notarieller Urkunden allein durch Vorlage des Vertragsentwurfs widerlegt werden könne, hätte dies zur Folge, dass nicht den in der Beurkundungsverhandlung abgegebenen Erklärungen, sondern dem vorläufigen Entwurfstext maßgebliche Bedeutung zukäme. Dies sei mit Sinn und Zweck des strengen Anforderungen unterliegenden Beurkundungsverfahrens und der darin begründeten Beweiskraft notarieller Urkunden (§ 415 ZPO) nicht zu vereinbaren.

Dieses Ergebnis werde nicht dadurch relativiert, dass in der notariellen Niederschrift eine Erklärung der Parteien aufgenommen sei, wonach sie ausreichend Gelegenheit zur Prüfung des Entwurfs und einer Auseinandersetzung mit dessen Inhalt hatten. Hieraus lasse sich auch keine Perplexität (Widersprüchlichkeit) der Erklärungen ableiten.

Tz. 12: „Der im Vorspann der Niederschrift aufgenommenen Bestätigung der Parteien kommt nicht - wie das Berufungsgericht meint - der Erklärungsgehalt zu, dass der Entwurfstext rechtsverbindlich gelten soll und bei der sich anschließenden Beurkundungsverhandlung keine Veränderungen erfahren wird. Mit einem solchen Verständnis lässt das Berufungsgericht sowohl den eindeutigen Wortlaut der Erklärung als auch den Zusammenhang, in dem sie abgegeben wurde, außer Acht. Bereits nach ihrem Wortlaut besagt die Erklärung der Parteien nur, dass sie ausreichend Gelegenheit zur Prüfung des Entwurfes hatten. Gegen einen darüber hinausgehenden Erklärungsgehalt spricht auch der Kontext der Erklärungen. Die Bestätigung der Beteiligten wird eingeleitet mit den Worten „Vom Notar über die Bestimmungen des Beurkundungsgesetzes in § 17 (2a) belehrt, erklären die Erschienenen, Hieraus wird deutlich, dass es nicht um die Niederschrift von Willenserklärungen der Beteiligten im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Rechtsgeschäft geht, sondern allein um die Dokumentation der Erfüllung der dem Notar in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG auferlegten Amtspflicht.“

Schließlich hält der BGH noch fest, dass weder ein offener Dissens gemäß § 154 Abs. 1 S. 1 BGB vorliege, da sich nicht beide Parteien bewusst sind, sich noch nicht über alle Vertragspunkte einig geworden zu sein, noch ein versteckter Dissens im Sinne von § 155 BGB, da die Erklärungen der Parteien nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt übereinstimmen und lediglich der Verkäufer mit seiner Erklärungen ggf. einen von deren objektiven Inhalt abweichenden Sinn verbunden hat.

Hierin könne zwar ein zur Anfechtung berechtigenden Irrtum liegen, doch fehle es vorliegend an einer Anfechtungserklärung im Sinne von § 143 Abs. 1 BGB.

S. 413 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

3. Würdigung

Der lehrbuchartig begründeten Entscheidung des V. Zivilsenats ist in vollem Umfang zuzustimmen.

a) Keine übertriebenen Anforderungen an Änderungen gegenüber dem Entwurf

Der BGH betont zu Recht die Funktion des Beurkundungsverfahrens. Mit dieser wäre es nicht vereinbar, wenn Änderungen des zuvor versandten Entwurfs nur im Ausnahmefall bzw. unter jeweils ausdrücklicher Klarstellung in der Urkunde selbst erfolgen könnten, dass diese Änderung im Vergleich zum Entwurf bewusst so vorgenommen wurde.513

Gerade infolge der Beachtung der in § 17 Abs. 1 BeurkG normierten notariellen Amtspflichten – die Erforschung des Willens der Beteiligten, die Klärung des Sachverhalts und die Belehrung der Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts – wird einem juristisch nicht vorgebildeten Laien der genaue Inhalt des Vertragsentwurfs vielfach erstmals im Detail bewusst. Häufig führen genau diese Erläuterungen des Notars zu Änderungswünschen der Beteiligten bzw. zu Konkretisierungen, die vom Notar sodann in den finalen Urkundstext aufgenommen werden. Dadurch, dass § 13 Abs. 1 BGB die Verlesung durch den Notar, die Genehmigung durch die Beteiligten und die eigenhändige Unterschrift fordert, wird eine enge Beziehung zwischen dem gewünschten Inhalt des Rechtsgeschäfts und der konkreten körperlichen Urkunde hergestellt und hierdurch die Richtigkeit des Inhalts im Interesse des Rechtsverkehrs und der Beteiligten gewährleistet.514

Die einigermaßen verwunderlichen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts zu Gunsten des Beklagten, die wohl nur durch fehlende Kenntnis der Vorinstanzen der Bedeutung der Schutzvorschrift des §§ 17 Abs. 2a BeurkG zu erklären sind, sollten ungeachtet der Revisionsentscheidung des BGH aber dafür sensibilisieren, dass es sich empfiehlt, wesentliche Änderungen gegenüber dem Entwurf in ausreichender Weise zu dokumentieren, entweder durch handschriftliche, am Rand unterschriebene Änderungen in der Urkunde selbst oder – im Falle einer Reinschrift bzw. eines Neuausdrucks – durch Aufbewahrung der Vorfassung in der Nebenakte. Eigentlich sowieso eine Selbstverständlichkeit.

b) Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit

Nach Elzer soll es sich bei der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde nicht um eine gesetzliche Vermutung im Sinne von § 292 ZPO,

513 Vgl. Grziwotz, IMR 2016, 525. 514 Zutreffend Limmer, LMK 2016, 384756.

S. 414 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

sondern lediglich um einen Erfahrungssatz handeln. Letzterer führe nicht zur Umkehr der objektiven Beweislast, so dass zur Widerlegung nicht der Beweis des Gegenteils geführt werden müsse, sondern ein Gegenbeweis ausreiche, also die bloße Erschütterung der Vermutung.515 Insoweit sollen die Ausführungen des BGH in Tz. 6 am Ende jedenfalls in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Aussage desselben Senats in seiner Entscheidung vom 9.10.2009 (V ZR 178/08) stehen:

Tz. 15: „Auf tatsächliche Vermutungen, die nicht auf gesetzlicher Anordnung, sondern auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen, findet § 292 ZPO nach ganz herrschender, wenn auch nicht völlig unbestrittener Meinung im Schrifttum keine Anwendung […]. Den tatsächlichen Vermutungen wird nur eine Bedeutung bei der Beweiswürdigung zugemessen, als sie einen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen können (Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 292 Rdnr. 27; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 292 Rdnr. 13; Baumgärtel, in: Festschr. f. Schwab, S. 43, 57; Prütting, S. 57, 58).“516

Dies steht allerdings in Widerspruch zu den klaren Ausführungen des V. Zivilsenats in der vorliegenden Entscheidung. In Textziffer 6 der Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass sich diejenige Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, die Beweislast für deren Vorliegen trägt. Dies hatte zur Folge, dass es aus Sicht des Beklagten, der geltend machte, abweichend vom Inhalt der Urkunde sei weder eine bestimmte Hallengröße zugesagt noch Einrichtungsgegenstände verkauft worden, nicht genügte, lediglich die Beweiswirkung der Urkunde zu erschüttern, sondern er die durch den notariellen Kaufvertrag begründete Vermutung zu widerlegen hatte.

515 Elzer, FD-ZVR 2016, 382357. 516 BGH NJW 2010, 363.

S. 415 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

I) Exkurs: Internationales Gesellschaftsrecht (SH)

I. Kollisionsrechtliche Behandlung von Auslandsgesellschaften

1. Sitztheorie

Sofern der Sitz der Hauptverwaltung einer im Ausland gegründeten Gesellschaft im Inland liegt, führt dies kollisionsrechtlich grundsätzlich zur umfassenden Anwendung des deutschen Gesellschaftsrechts (Sitztheorie). Erst 2008 hat der II. Zivilsenat des BGH dies in einer Entscheidung betreffend eine in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland bestätigt, die nach deutschem Gesellschaftsrecht aufgrund der fehlenden Eintragung als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln sei.517

Hinweis: Sofern der Verwaltungssitz der Gesellschaft in Deutschland liegt, kommt die Wahl einer Kapitalgesellschaft aus einem Drittstaat, mit welchem kein Anerkennungsabkommen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 EGBGB besteht, wegen der nach der Sitztheorie folgenden Behandlung als deutsche Personengesellschaft und der daher fehlenden Haftungsbeschränkung in aller Regel nicht in Betracht.

2. Gründungstheorie

Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit518 findet die Sitztheorie jedoch auf Gesellschaften mit Satzungssitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR (Liechtenstein, Norwegen, Island – nicht: Schweiz, vgl. Art 34 EWR-Abkommen) keine Anwendung. Vielmehr werden derartige Gesellschaften derjenigen Rechtsordnung unterstellt, nach der sie gegründet wurden (Gründungstheorie), was eine umfassende Mobilität der Gesellschaften im Binnenmarkt ermöglicht. Nach §§ 13d ff. HGB sind im Inland ansässige Auslandsgesellschaften lediglich zur Eintragung einer Zweigniederlassung verpflichtet. Gleiches gilt aufgrund des Deutsch-Amerikanischen Freundschaft-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954519 für US-Gesellschaften.

517 BGHZ 178, 192 = DNotZ 2009, 385 – Trabrennbahn; Palandt/Thorn, BGB, Anh Art. 12

EGBGB Rn. 1 ff. 518 Unter anderem EuGH NJW 1999, 2027 – Centros; NJW 2002, 3614 – Überseering; NJW

2003, 3331 – Inspire Art; Palandt/Thorn, BGB, Anh Art. 12 EGBGB Rn. 5. 519 BGBl. 1956 II 487.

S. 416 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

II. BREXIT

Aufgrund der vorstehend beschriebenen EuGH-Rechtsprechung erfreuten sich Kapitalgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten mit geringeren regulatorischen Vorgaben (einfaches Gründungsverfahren, geringeres Mindestkapital etc.) zunächst einer wachsenden Beliebtheit auch in Deutschland, insbesondere die englische Private Limited.

Zwar hat die englische Limited ihre Bedeutung bei Neugründungen infolge der Deregulierung durch das MoMiG und der neu geschaffenen Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) weitgehend eingebüßt; allerdings existiert nach wie vor eine nicht unerhebliche Anzahl von „Scheinauslandsgesellschaften“ in Gestalt der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland. Mit Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wird die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit mangels abweichender Vereinbarungen keine Anwendung mehr finden, sodass nicht mehr die Gründungstheorie, sondern die Sitztheorie eingreift und englische Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland ihre Haftungsbeschränkung einbüßen würden, da sie dann als oHG bzw. GbR zu qualifizieren wären.520

Hinweis: Kapitalgesellschaften aus dem Vereinigten Königreich mit Verwaltungssitz in Deutschland sollten daher rechtzeitig, d.h. vor Ende der Geltung der Gründungstheorie, reagieren und die Rechtsform wechseln, entweder in eine Kapitalgesellschaft eines anderen Staates, für den nach vorstehenden Grundsätzen (siehe Rn. #) die Gründungstheorie weiterhin Anwendung findet, oder in eine deutsche Rechtsform.

1. Asset Deal.

Denkbar ist zunächst ein Asset Deal, also die Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Rechtsverhältnisse auf eine deutsche Kapitalgesellschaft (einschließlich einer UG (haftungsbeschränkt)). Ein Asset Deal hat jedoch den Nachteil der Aufdeckung etwaiger stiller Reserven. Zudem bedarf es bei der Überleitung von Vertragsverhältnissen mangels Gesamtrechtsnachfolge der Zustimmung des Vertragspartners. Schließlich erlischt die Limited nicht von selbst, sondern muss liquidiert werden.521

520 Vgl. nur Freitag/Korch ZIP 2016, 1361 f., Seeger DStR 2016, 1817, 1818 ff;

Weller/Thomale/Benz NJW 2016, 2378, 2380 f., jew m.w.N. 521 Seeger DStR 2016, 1817, 1822 m.w.N.

S. 417 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

2. Grenzüberschreitender Formwechsel

Diese Nachteile würden bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel vermieden, der zwar sekundärrechtlich nicht normiert, aber primärrechtlich aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit522 grundsätzlich zulässig ist.523 Im Gegensatz zu einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (hierzu sogleich) ist ein grenzüberschreitender identitätswahrenden Formwechsel gänzlich steuerneutral möglich.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem englischen High Court dürfte die praktische Umsetzung aber zu nicht unerheblichen, wenn nicht gar in der Kürze der Zeit unüberwindbaren Schwierigkeiten führen, da es im Vereinigten Königreich– anders als in Deutschland – wohl an Präzedenzfällen fehlt. Jedenfalls nach meinen Erfahrungen hat sich der High Court bei seinem Vorgehen bislang wenig von der Rechtsprechung des EuGH beeindrucken lassen.

3. Grenzüberschreitende Verschmelzung

Das Mittel der Wahl dürfte daher die grenzüberschreitende Verschmelzung sein, die die Nachteile des Asset Deals ebenfalls vermeidet und den Vorteil hat, dass sie innerhalb eines normierten Rahmen (§§ 122a ff. UmwG und The Companies (Cross-Border Merger) Regulations 2007, die beide auf der Grundlage der Verschmelzungsrichtlinie524 erlassen wurden) abläuft.

In aller Regel bietet es sich an, im Interesse der Verfahrensvereinfachung in einem ersten Schritt eine Mutter-Tochter-Konstellation durch Einbringung der Limited-Anteile in die GmbH zu schaffen, im Interesse der Buchwertfortführung entweder im Wege der Sachgründung oder im Wege der Sachkapitalerhöhung. Diese Mutter-Tochter-Konstellation bietet im Laufe des weiteren Verschmelzungsverfahrens große Vorteile (insbesondere Entbehrlichkeit der Verschmelzungsprüfung und des -prüfungsberichts, geringere inhaltliche Anforderungen an den Verschmelzungsplan).

522 EuGH NJW 2009, 569 – Cartesio; NJW 2012, 2715 – VALE. 523 KG RNotZ 2016, 618 (Formwechsel einer französischen S.à r.l. in eine GmbH); OLG Nürnberg

RNotZ 2014, 120 (Formwechsel einer luxemburgischen S.à r.l. in eine GmbH); vgl. Melchior GmbHR 2014, R305 zu den aus deutscher Sicht anwendbaren Vorschriften.

524 Richtlinie 2005/56/EG, ABlEU 2005 L 310, 1.

S. 418 Herrler/Hertel/Kesseler – DAI-Immobilienrecht 2016/2017

Aufgrund der hohen Anforderungen des englischen High Court, der die Verschmelzungsbescheinigung auszustellen hat, ist das Verfahren aber durchaus nicht mehr so unkompliziert und preiswert wie in der Anfangszeit525 und auch im Übrigen mit einigen Mühen verbunden.526 In zeitlicher Hinsicht nimmt es in aller Regel mindestens ein halbes Jahr in Anspruch.527

525 Zum Vergleich Herrler/Schneider, Von der Limited zur GmbH, S. 25 ff. 526 So ordnet der High Court mittlerweile ein sog. "hearing date" obligatorisch an, das in London

in persönlicher Anwesenheit eines Gesellschaftsvertreters oder eines Rechtsanwalts stattfindet. Der High Court besteht insoweit auf der Einschaltung eines in England zugelassenen Anwalts, was die Kosten signifikant steigert. Bedenkt man, dass Limiteds in Deutschland typischerweise von Unternehmern mit geringem Kapitaleinsatz und in aller Regel auch geringem Unternehmenswert genutzt werden, wird die grenzüberschreitende Verschmelzung hierdurch mitunter prohibitiv teuer. In zahlreichen Fällen hat der High Court zudem die Rückwirkung der Verschmelzung auf den Bilanzstichtag beanstandet, obwohl diese handelsrechtlich gänzlich irrelevant ist und nur steuerlich eine Rolle spielt.

527 Näher zu den erforderlichen Verfahrensschritten mit Mustertexten: Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2017 (im Erscheinen), § 1 Rn. 36 ff.; § 30 Rn. 10 ff. (Muster).