Oberflächen

26
Prof. Dr. M. Bredol PC III 49 Oberflächen Die Existenz von Ober- und Grenzflächen hat sowohl thermodynamische als auch kinetische Konsequenzen. Thermodynamisch gesehen bringt die Unterbrechung der Kontinuität einer Phase eigene Energiebeiträge hervor: Oberflächen- und Grenzflächenenergie. An einem Kristall ist leicht einzusehen, daß dieser Energiebeitrag positiv ist: Die Oberflächenatome spüren jenseits der Oberfläche nicht mehr die stabilisierende Wirkung des Gitters, ihre Energie wird höher liegen als diejenige der im Kristallineren befindlichen Atome. Daher muß zur Vergrößerung der Oberfläche Energie aufgebracht werden. Diese Beiträge sind bisher in der Behandlung der Thermodynamik einfacher Systeme vernachlässigt worden. Die abgeleiteten Beziehungen gelten daher nur für den Fall, daß der Anteil des oberflächennahen Materials gegenüber dem Volumenmaterial sehr klein ist. Disperse System und Systeme mit sehr kleinen Abmessungen sind damit häufig nicht mehr beschreibbar. In den einfacheren Fällen (Kristalle, einfache Flüssigkeiten) sind Grenzflächen thermodynamisch instabil, das System neigt dazu, die kleinstmögliche Oberfläche einzunehmen. Daher findet man beim Sintern von Pulvern auch immer eine Vergröberung der Korngröße. Kinetisch gesehen können Ober- und Grenzflächen in vielfältiger Weise den Reaktionsmechanismus beeinflussen und katalytisch wirksam werden.

Transcript of Oberflächen

Page 1: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 49

OberflächenDie Existenz von Ober- und Grenzflächen hat sowohl

thermodynamische als auch kinetische Konsequenzen.

Thermodynamisch gesehen bringt die Unterbrechung der Kontinuität

einer Phase eigene Energiebeiträge hervor: Oberflächen- und

Grenzflächenenergie.

An einem Kristall ist leicht einzusehen, daß dieser Energiebeitrag

positiv ist: Die Oberflächenatome spüren jenseits der Oberfläche nicht

mehr die stabilisierende Wirkung des Gitters, ihre Energie wird höher

liegen als diejenige der im Kristallineren befindlichen Atome.

Daher muß zur Vergrößerung der Oberfläche Energie aufgebracht

werden.

Diese Beiträge sind bisher in der Behandlung der Thermodynamik

einfacher Systeme vernachlässigt worden. Die abgeleiteten

Beziehungen gelten daher nur für den Fall, daß der Anteil des

oberflächennahen Materials gegenüber dem Volumenmaterial sehr klein

ist.

Disperse System und Systeme mit sehr kleinen Abmessungen sind

damit häufig nicht mehr beschreibbar.

In den einfacheren Fällen (Kristalle, einfache Flüssigkeiten) sind

Grenzflächen thermodynamisch instabil, das System neigt dazu, die

kleinstmögliche Oberfläche einzunehmen. Daher findet man beim

Sintern von Pulvern auch immer eine Vergröberung der Korngröße.

Kinetisch gesehen können Ober- und Grenzflächen in vielfältiger Weise

den Reaktionsmechanismus beeinflussen und katalytisch wirksam

werden.

Page 2: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 50

So ist auf Oberflächen fester Partikel häufig der Stofftransport erheblich

schneller als im Volumen.

Auf Oberflächen adsorbierte Moleküle können ganz andere Reaktivität

zeigen als entsprechende gasförmige Moleküle.

Dieses Verhalten ist Grundlage der heterogenen Katalyse.

Ein ganz eigenes Gebiet wird durch die Kolloidchemie gebildet. Diese

beschäftigt sich ausschließlich mit heterogenen Systemen. Diese

können klassisch sein (Dispersionsfarben, Klebstoffe usw), bieten aber

auch eine Vielzahl von Möglichkeiten für neue, bisher völlig unbekannte

Systeme (Nanopartikel, Sol-Gel-Chemie, Mesophasen,

Flüssigkristalle...).

OberflächenspannungSystematisch gesehen wird die Oberflächenspannung durch das

entsprechend formulierte totale Differential von G definiert:

GdG∂T∂

-------

A P,Td

G∂P∂

-------

A T,Pd

G∂A∂

-------

P T,Ad+ +=

Den Koeffizienten für dA nennt man Oberflächen- oder

Grenzflächenspannung:

γ G∂A∂

-------

P T,=

In dieser Notation gibt die Grenzflächenspannung an, wieviel reversible

Arbeit geleistet werden muß, um die Grenzfläche um den Betrag dA zu

vergrößern. Die Einheit von γ ist daher J/m2 = N/m.

Flüssigkeiten mit hoher Oberflächenspannung sind Hg (0.472 N/m) und

Wasser (0.073 N/m) , organische Flüssigkeiten weisen geringere Werte

auf (Benzol 0.029 N/m).

Page 3: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 51

Offenbar ist die Größe der Oberflächenspannung von der inneren

Struktur der Flüssigkeit abhängig. Da ihr Wert positiv ist, neigen alle

Flüssigkeiten dazu, als Tropfen Kugelgestalt anzunehmen.

Die Oberflächenspannung läßt sich erniedrigen, wenn die Struktur der

Oberfläche selbst verändert wird. Das ist die Grundlage der Funktion

von Seifen.

Die Oberflächenspannung hat eine wichtige Konsequenz für einen

kleinen Flüssigkeitstropfen: da die Freie Enthalpie bei Verkleinerung der

Oberfläche sinkt, wirkt eine Kraft auf die Oberfläche des Tropfens, die

einem zusätzlichen Druck entspricht. Dem wirkt die begrenzte

Kompressibilität des Tropfens entgegen. Der im Gleichgewicht wirkende

zusätzliche Druck erhöht den Dampfdruck des Tröpfchens.

Eine Flüssigkeit zeigt verteilt in feinen Tröpfchen einen höheren

Dampfdruck als in kompakter Form.

Die Druckabhängigkeit des Dampfdrucks ist leicht zu verstehen.

Bei einer Druckänderung dP auf die Flüssigkeit ändern sich das

chemische Potential von Flüssigkeit und Gasphase jeweils um Vm(l)dP

( P =Gesamtdruck= Dampfdruck + Zusatzdruck) bzw. Vg(l)dP

(P=Dampfdruck). Unter Benutzung der Zustandsgleichung des idealen

Gases ergibt sich

Die Gleichung wird für das Gas integriert von P*, dem Dampfdruck ohne

Zusatzdruck, bis zum neuen Dampfruck P und für die Flüssigkeit vom

alten Gesamtdruck (P*) bis zum neuen Gesamtdruck (P~P*+∆P). Mit

druckunabhängigem Molvolumen der flüssigen Phase liefert die

Integration

RTPd

P------ V

ml( ) Pd=

RTlnP

P∗------ V

ml( ) P∆=

Page 4: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 52

Dieses Ergebnis läßt sich umformen zu

P P∗e

Vm l( ) P∆RT

---------------------

=

Welcher Druck durch die Oberflächenspannung ausgeübt wird, läßt sich

leicht am Kräftegleichgewicht einer Luftblase in einer Flüssigkeit

berechnen. Für die Veränderung der Oberfläche bei Änderung des

Blasenradius gilt:

dA = 4π(r+dr)2 - 4πr2 = 8πrdr

Damit muß nun eine reversible Arbeit dw verbunden sein:

dW = γ8πrdr

Die wirkende Kraft ist dann

F = γ8πr

Im Kräftegleichgewicht gilt dann

4πr2 Pin = 4πr2 Pex + γ8πr

oder

Pin = Pex + 2γ / r

Der zusätzliche Druck durch Oberflächenspannung ist daher 2γ / r und

somit der Dampfdruck eines Tröpfchens

Kelvin-Gleichung

Laplace-Gleichung

P P∗e

Vm l( )2γrRT

---------------------

=

Page 5: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 53

Einsetzen der Zahlenwerte für Wasser liefert:

r / nm P/P*

---------------------------

1000 1.0011

100 1.0106

10 1.1115

5 1.235

1 2.88

Offenbar tritt das Phänomen der Dampfdruckerhöhung erst bei sehr

kleinen Radien auf, bei denen an sich auch schon Quanteneffekte

auftreten können.

Trotzdem führen die (wenn auch kleinen) Unterschiede im Dampfdruck

zu wichtigen Konsequenzen.

Keimbildung: ein kondensierender Dampf (Regenwolke) erzeugt

spontan kleinste Cluster der Flüssigkeit; diese haben erhöhten

Dampfdruck, lösen sich daher wieder auf.

Kondensation ist nur möglich, wenn spontan sehr große Cluster

entstehen (unwahrscheinlich) oder wenn Kondensationskeime (Staub,

Fremdstoffe) vorliegen.

Ohne Kondensationkeime kann Übersättigung, Unterkühlung

stattfinden. Anwendung : Nebelkammer in der Kernphysik.

Ostwaldreifung: liegen Tröpfchen (allgemein: Partikel) unterschiedlicher

Größe nebeneinander vor, dann weisen diese größenabhängigen

Dampfdruck auf.

Insgesamt trachtet das System danach, seine Oberfläche zu

verkleinern: es tritt Teilchenwachstum ein.

Dabei verdampfen die kleinen Teilchen schneller als die großen: die

großen Teilchen wachsen auf Kosten der kleineren.

Echt monodisperse Systeme zeigen daher kein Größenwachstum !

Page 6: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 54

Wegen der entgegengesetzten Krümmung ist der Dampfdruck einer

Flüssigkeit im Inneren einer Blase niedriger als gewöhnlich. Gegenüber

der Situation in einem Tröpfchen ist nur ein Vorzeichenwechsel nötig:

P P*e

2γVm

l( )−

rRT=

Daraus lät sich das Phänomen der Überhitzung einer Flüssigkeit

verstehen: beim Erreichen der Siedetemperatur entstehen kleinste

Dampfblasen, die jedoch wieder kollabieren, da der Dampfdruck

erniedrigt ist. Auch Sieden ist nur durch unwahrscheinliche spontane

Bildung großer Blasen oder durch Fremdbekeimung möglich

(Siedesteine, Blasenkammer).

Kapillarwirkung

Die Oberflächenspanung mit resultierendem Zusatzdruck auf eine

Flüssigkeit bewirkt auch die sogenannten Kapillarkräfte. Darunter wird

verstanden, daß das Eintauchen einer Kapillaren in eine Flüssigkeit, die

diese benetzt, dazu führt, daß der Flüssigkeitsspiegel innerhalb der

Kapillaren höher liegt als außerhalb.

Durch die Benetzung liegt innerhalb der Kapillaren eine gekrümmte

Flüssigkeitsoberfläche vor. Wenn man annimmt, daß diese etwa

halbkugelförmige Form einnimmt, ist der Druck direkt am Meniskus um

2γ/r kleiner als der allgemeine Umgebungsduck.

Außerhalb der Kapillaren herrscht der Umgebungsdruck, so daß effektiv

Flüssigkeit in die Kapillare gedrängt wird, bis daß der hydrostatische

Druck der Flüssigkeitssäule im Gleichgewicht ist mit der Druckdifferenz

2γ/r.

Page 7: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 55

Daraus folgt:2γr

ρgh= bzw. h2γ

ρgr=

Für Wasser bedeutet dieser Zusammenhang, daß es in einer Kapillaren

mit dem Radius 0.2 mm um 7.3 cm emporsteigt.

Der Effekt ist groß genug, um als Meßmethode für die Bestimmung der

Oberflächenspannung dienen zu können.

Nicht benetzende Flüssigkeiten (z.B. Hg auf Glas) zeigen

erwartungsgemäß den gegenteiligen Effekt: Kapillardepression.

Unvollständige Benetzung wird allgemein durch die Größe des

Kontaktwinkels charakterisiert. Dazu wird das Dreiphasen-

Gleichgewicht Substrat/Flüssigkeit/Gasphase betrachtet.

Gas (g)Flüssigkeit (l)

Festkörper (s)

Θ

γlg

γsg

γsl

An der Dreiphasengrenze greifen drei Kräfte an, die aus den drei

vorliegenden Grenzflächenspannungen resultieren. Im Gleichgewicht

muß die Summe der Kräfte gleich Null sein:

γsg

γsl

γlg

Θcos+=

Die Oberflächenspannung der Flüssigkeit ist unabhängig meßbar,

während die Oberflächenspannung des Festkörpers und die

Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Festkörper im

allgemeinen nicht bekannt sind.

Page 8: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 56

Daher wird häufig noch eine Benetzungsspannung als Differenz

definiert:σ

sgγ

sl− γ

lgΘcos= =

Die Benetzungsspannung ist daher direkt durch Messung des

Kontaktwinkels zugänglich. Sie kann positiv oder auch negativ sein:

Θ < 90o: Benetzungsspannung ist positiv, der Festkörper wird durch die

Flüssigkeit benetzt.

Θ > 90o: Benetzungsspannung ist negativ, der Festkörper wird durch die

Flüssigkeit nicht oder unvollständig benetzt.

Θ = 180o: absolute Unbenetzbarkeit

Θ = 0o: vollständige Benetzung, die Flüssigkeit breitet sich als Film aus

(Spreitung), efindet keine Tropfenbildung statt.

Benetzbarkeit ist für viele Prozesse Voraussetzung: Waschen, Kleben,

Löten u.a.

Kontaktwinkel werden direkt in speziellen Mikroskopen vermessen.

Typische Werte:

Flüssigkeit Festkörper Kontaktwinkel Θ (o)

Wasser Wolle 160

Wasser Nickel 27

Wasser Glas 0

Quecksilber Glas 140

Quecksilber Stahl 154

Benzol Glas 6

Page 9: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 57

Oberflächenaktive Substanzen

Oberflächenaktive Substanzen reichern sich an der Grenzfläche

zwischen zwei Phasen an und nehmen dort Einfluß auf die

Grenzflächenspannung.

Es soll nun eine Beziehung zwischen der Oberflächenanreicherung und

der Veränderung der Oberflächenspannung hergestellt werden.

Dazu werden zwei Phasen α und β betrachtet, die eine ebene

Grenzfläche σ ausbilden. Die Freie Grenzflächenenthalpie ist dann

definiert als die Differenz zwischen der Freien Enthalpie dieses Systems

und der Summe der Freien Enthalpien der Einzelphasen:

G σ( ) G G α( ) G β( )+[ ]−=

Die Freien Enthalpien der (isolierten) Einzelphasen ergeben sich, wenn

ihre Zusammensetzungen als homogen bis an die Grenzflächen

angenommen werden.

Analog wird die Stoffmengendifferenz an der Grenzfläche für eine der

Komponenten J definiert:

nJ σ( ) nJ nJ α( ) nJ β( )+[ ]−=

Wird dabei auf die Grenzfläche bezogen, erhält man den

Oberflächenüberschuß als Stoffmenge pro Flächeneinheit:

ΓJ

nJ

σ( )

σ=

ΓJ und nJ(σ) können sowohl positiv als auch negativ sein.

Page 10: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 58

Um die gewünschte Beziehung herzustellen, wird zunächst das totale

Differential für G formuliert:

Gd S Td− V Pd γ σd µJ

nJd

J

∑+ + +=

Anwendung auf die Definitionsgleichung für die Freie

Oberflächenenthalpie liefert (die Grenzfläche besitzt kein Volumen):

G σ( )d S σ( ) Td− γ σd µJ

nJ σ( )d

J

∑+ +=

Im Gleichgewicht sind die chemischen Potentiale jeder Komponente in

beiden Phasen und an der Grenzfläche gleich, so daß die

entsprechenden Zuordnungen in der Gleichung entfallen können:

µJ

α( ) µJ

β( ) µJ

σ( )= =

Integration bei konstanter Temperatur liefert

G σ( ) γσ µJnJ σ( )

J

∑+=

Daraus läßt sich wiederum ein totales Differential formulieren:

Gd σ( ) γ σd σ γd µJ

ndJ

σ( )J

∑ nJ

σ( ) µdJ

J

∑+ + +=

Im Vergleich mit dem eingangs notierten totalen Differential (bei

konstanter Temperatur) muß demnach gelten:

σ γd nJ σ( ) µdJ

J

∑+ 0= bzw. γd ΓJ

µdJ

J

∑−=

Gibbs-Gleichung der Oberflächenspannung

Page 11: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 59

Wenn die Grenzfläche eben ist, reichert sich nur die oberflächenaktive

Substanz an:

γd ΓS

µdS

−=

Die Veränderung des chemischen Potentials wiederum ist bekannt (im

Gleichgewicht ist das chemische Potential an der Grenzfläche gleich

dem in den Phasen); für verdünnte Lösungen:

µS

d RT ln cd=

und somit

γd RTΓS

cd

c−=

bzw.γ∂c∂

T

RTΓS

c−=

Daraus kann direkt abgelesen werden:

Wenn sich eine Substanz an der Grenzfläche anreichert, dann reduziert

sie die Grenzflächenspannung.

Wenn sie sich abreichert, dann erhöht sie die Grenzflächenspannung.

Aus der Konzentrationsabhängigkeit der Grenzflächenspannung kann

umgekehrt der Oberflächenüberschuß abgelesen werden.

OberflächenfilmeStatt einer Lösung mit Oberflächenüberschuß lassen sich häufig auch

Oberflächenfilme erzeugen. Sind diese nur eine Moleküllage dick,

spricht man von Langmuir-Blodgett-Schichten. Sie lassen sich durch

direkten Auftrag auf Flüssigkeitsoberflächen herstellen.

Page 12: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 60

Im Gegensatz zu den Anreicherungen oberflächenaktiver Substanzen an

der Oberflächebefindet sich ein Langmuir-Blodgett- Film nicht mit der

Flüssigkeit im Gleichgewicht.

Daher auch die Bezeichnung: schwerlösliche, unlösliche Monoschicht.

Erzeugungsvorgang: Spreitung

Manche Systeme spreiten spontan (z.B. Öl auf Wasser), andere

benötigen Spreitungshilfsmittel (leicht flüchtige Lösungsmittel).

Gespreitete, monomolekulare Schichten sind seit langem bekannt aus

der Beobachtung, daß mit Öl Wasserflächen geglättet werden können.

Franklin schätzte aus diesem Effekt (1 Teelöffel Öl auf 2000 m2 Wasser)

die Filmdicke zu 2.4 nm ab - etwa eine Moleküllage. Der Effekt wurde

früher zur Erleichterung der Landung von Wasserflugzeugen oder

Raumkapseln genutzt.

Triebkraft der Spreitung ist die Minimierung der Grenzflächenspannung.

Spreitungsdruck:

πS = γ1 - (γ2 + σ12)

γ1 : Oberflächenspannung der Substratflüssigkeit

γ2 : Oberflächenspannung der spreitenden Flüssigkeit

σ12 :Grenzflächenspannung zwischen Substrat und Oberflächenfilm

Spreitung tritt ein, wenn πS>0. Typisch ist daher die Spreitung von

Oberflächen mit geringer Oberflächenspannung (org. Flüssigkeiten) auf

Flüssigkeiten mit hoher Oberflächenspannung (Wasser, Quecksilber).

Ist die filmbildende Substanz partiell löslich in de Substratflüssigkeit,

dann tritt Desorption in die Volumenphase ein und somit Übergang in

die Gleichgewichts-Lösungen oberflächenaktiver Substanzen.

Quantitative Untersuchungen von Oberflächenfilmen und

Anreicherungsschichten sind mit der Langmuir-Pockels-Filmwaage

möglich. Sie beruht auf der Charakterisierung der zweidimensionalen

Kompression der Oberflächenfilme.

Page 13: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 61

Zur Ausbildung einer Monoschicht mit reproduzierbarem

Kompressionsverhalten muß die Molekülstruktur bipolar sein

(Verankerung der Schicht in der Oberfläche).

Wenn durch Kompression die größtmögliche Packungsdichte erreicht

ist, kann Filmkollaps eintreten: polymolekulare Schichten mit nicht

reproduzierbaren Strukturen.

Aus der Fläche des Film und der Menge der eingesetzten Moleküle läßt

sich der mittlere Platzbedarf A pro Molekül ermitteln. Die MEßkurven

heißen daher π/A-Isothermen.

Die Oberflächenschichten können auch auf ihr Fließverhalten und ihre

elektrische Ladung hin direkt untersucht werden.

Oberflächenfilme können sich bezüglich ihres Kompressionsverhaltens

Gas-analog, Flüssigkeits-analog oder Festkörper-analog verhalten.

Anwendungen von Oberflächenfilmen:

Monoschichten können durch Eintauchen geeigneter Substrate auf

diese überführt werden. Wird dieser Vorgang wiederholt, lassen sich

gezielt polymolekulare Aufbauschichten reproduzierbarer Struktur

erzeugen.

Es lassen sich auch Filmstapel aus unterschiedlichen Materialien

aufbauen. Ebenso können die Filme selbst Mischfilme sein, z.B. solche

mit eingelagerten Farbstoffen.

Mit solchen Methoden sind hochgradig anisotrope Strukturen

zugänglich, die z.B. als Modelle für biochemische, photochemische und

elektrooptische Prozesse dienen können.

Filmdruckmesser

Trog mit z.B. Wasser

Monoschicht

Schubbarriere

Page 14: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 62

Kolloidale Systeme

Unter kolloidalen Systemen versteht man disperse Systeme kleinster

Teilchen, die nicht mehr spontane Phasentrennung durchführen.

Beispiel sind Nebel, Rauch, Emulsionen, Schäume, Milch.

Dispersionen fester Partikel in Flüssigkeiten (Kieselsäure) oder in

Feststoffen (Rubinglas) werden auch Sol gennannt.

Die Eigenschaften kolloidaler Systeme werden wesentlich durch die

Natur der vorliegenden Grenzflächen bestimmt.

1. Sterische Stabilisierung besteht darin, daß auf der Oberfläche der zu

dispergierenden Teilchen große Moleküle angeheftet sind (Polymere,

Amphipile), die die zur Aggregation nötige Annäherung der Partikel

durch sterischen Ausschluß verhindern.

Die kinetische Stabilisierung instabiler kolloidaler Systeme gegen

Aggregation kann im wesentlichen über zwei Mechanismen erfolgen:

Flokkulation bezeichnet die Zusammenballung dispergierter Teilchen zu

größeren Einheiten (Aggregation). Dabei wird die Grenzfläche

tatsächlich verkleinert.

Unter Sedimentation wird die Trennung der Bestandteile im Schwerefeld

verstanden. Dieser Effekt ist naturgemäß für Dispersionen relativ großer

Teilchen wichtig. Sedimentation verkleinert nicht zwangsläufig die

Grenzfläche.

Hydropile (lyophile) Kolloide sind thermodynamisch stabil, sie quellen

(Gelatine, Polyacrylsäure ...)

Hydrophobe (lyophobe) kolloidale Systeme sind thermodynamisch

instabil (z.B. dispergierte Pigmente). Wenn hier von "stabilen"

Dispersionen oder Suspensionen gesprochen wird, ist damit kinetische

Stabilität gemeint.

Zwei Effekte können die Metatstabilität überwinden: Sedimentation und

Aggregation / Flokkulation.

Page 15: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 63

2. Elektrostatische Stabilisierung erfolgt durch das Vorliegen von

elektrischen Oberflächenladungen gleicher Polarität auf allen Teilchen,

die die Annäherung der Teilchen verhindern.

Dieser Mechanismus kann nur wirksam werden, wenn die Ionenstärke

der Lösung nicht zu groß ist, da sonst die Ladungen durch

Abschirmung unwirksam werden ("Aussalzen").

Die elektrischen Ladungen können durch Adsorption geladener

Teilchen oder durch Hydrolyse der Partikel selbst entstehen.

Häufig kann die Aufladung in Abhängigkeit vom pH-Wert der

Hintergrundlösung sowohl negativ als auch positiv sein. Liegt gerade

keine Ladung vor, spricht man vom isoelektrischen Punkt.

Beide Mechanismen können prinzipiell keine Stabilisierung gegen

Sedimentation bieten, die folglich durch Erhöhung der Viskosität oder

durch Rühren verhindert werden muß. Als Faustregel kann gelten, daß

Partikel , die größer als ein Mikrometer sind, nicht mehr

sedimentationsstabil dispergiert werden können.

Allerdings können wirklich flokkulationsstabile koloidale Systeme durch

Aufrühren wieder hergestellt werden, da ja die Grenzfläche durch

Sedimentation nicht verkleinert worden ist.

Sedimentationstabilität wird durch die Brown'sche Molekularbewegung

vermittelt. Darunter ist die unter dem normalen Lichtmikroskop

erkenntliche ungeordnete Bewegung suspendierter Partikel zu

verstehen.

Sie kommt dadurch zustande, daß die Partikel auf molekularer Ebene

beständig Stößen ausgesetzt sind, die aus der Wärmebewegung der

Moleküle herrühren.

Wenn die Partkel klein genug sind, führt der Impulsübertrag zu der

beobachtbaren ungeordneten Bewegung, die dem gerichteten

Schwerefeld entgegenwirkt. Die mikroskopische Beobachtung solcher

Bewegung ist daher ein direkter Nachweis der Flokkulationsstabilität.

Page 16: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 64

Kolloidale Systeme mit Partikeln im Durchmesserbereich oberhalb von

100 nm (abhängig vom Brechungsindex) erscheinen trüb bis milchig

(Streuung auffallenden oder durchfallenden Lichts).

Unterhalb von 50 nm (abhängig von Brechungsindex und

Konzentration) könne die Systeme auch transparent erscheinen

("wasserklar"). Trotzdem bleiben die dispergierten Partikel optische

Inhomogenitäten, an denen Licht getreut werden kann. Mit

entsprechend intensiven Lichtquellen (Lasern) können daher auch

"transparente" Systeme untersucht werden.

Laserbeugungsmethoden gehören daher mittlerweile zu den

wichtigsten Methoden, um die Partikelgröße und

Partikelgrößenverteilung in kolloidalen Systemen zu bestimmen.

Ein andere wichtige Gruppe von Verfahren befaßt sich damit, das

Oberflächenpotential (Zeta-Potential) geladener kolloidaler Partikel zu

bestimmen. Geschieht das in Abhängigkeit vom pH-Wert, läßt sich der

isoelektrische Punkt bestimmen. Geeignete Methoden sind die

Elektrophorese (Beweglichkeit im elektrischen Feld) sowie

elektroakustische Methoden (Bewegung der geladenen Partikel in

elektromagnetischen Hochfrequenzfeldern führt zu akustischen

Signalen).

DLVO- TheorieDie elektrostatische Stabilisierung von kolloidalen Systemen kann auch

quantitativ verstanden werden. Dazu betrachtet man die kolloidalen

Partikel zusammen mit der elektrisch geladenen, unbeweglichen Hülle

adsorbierter Ionen. Das elektrische Potential auf der Oberfläche dieses

Gebildes wird elektrokinetisches oder Zeta-Potential genannt.

Das so geladene Teilchen ist dann weiterhin von einer diffusen,

beweglichen Hülle aus Gegenionen umgeben, ähnlich der Situation bei

einem einzelnen Ion. Die innere und äußere Schicht auf dem Partikel

heißen zusammen elektrische Doppelschicht.

Page 17: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 65

Die Derjaguin-Landau-Verwey-Overbeck (DLVO) Theorie betrachtet nun

die Anziehungskräfte zwischen den suspendierten Partikeln (v.d.Waals-

Kräfte) zusammen mit der gegenseitigen Abstoßung durch die

elektrische Doppelschicht.

Echtes Gleichgewicht wird erreicht, wenn die Doppelschicht

überwunden wird und die Partikel sich vereinigen können. Dazu ist aber

eine hohe Aktivierungsenergie aufzubringen.

Kinetisch stabil (metastabil) ist dagegen auch eine Situation, bei der

sich v.d.Waals-Wechselwirkung und elektrostatische Abstoßung ein

zweites Minimum der potentiellen Energie bilden.

Die Dicke der Doppelschicht wird durch die Ionenstärke der tragenden

Lösung bestimmt. Kleine Ionenstärken ermöglichen eine ausgedehnte

Doppelschicht und damit hohe kinetische Stabilität des Kolloids.

Höhere Ionenstärken lassen die Dicke der Doppelschicht schrumpfen,

so daß das zweite Minimum möglich wird.

Noch höhere Ionnestärken lassen die Stabilisierung gänzlich

zusammenbrechen.

Abstand

potenzielle

Energiedicke Doppelschicht

dünne Doppelschicht

Page 18: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 66

Der vollständige Zusammenbruch der Stablisierung wird gewöhnlich als

Koagulation bezeichnet und ist irreversibel.

Die Vorgänge im metastabilen Gebiet des zweiten Minimums werden

gelegentlich im Unterschied zur Koagulation als Flockung bezeichnet.

Solche Flockung kann häufig durch kräftiges Schütteln wieder

rückgängig gemacht werden.

Entsprechend der Abhängigkeit der Dicke der Doppelschicht von der

Ionenstärke sind hochgeladene Ionen wie Al3+ besonders wirksame

Flockungsmittel.

Beispiel: Alaun zur Förderung der Blutgerinnung.

Die Doppelschicht kann auch durch thermische Bewegung der Ionen

zerstört werden, so daß Sole beim Erhitzen ausflocken können (Ricotta-

Käse).

Am isoelektrischen Punkt schließlich ist überhaupt keine

elektrostatische Stabilisierung des Kolloids mehr möglich; hier kann

ebenfalls schnell Koagulation eintreten.

Die tatsächlichen Ladungsverhältnisse auf der Oberfläche kolloidaler

Partikel hängen empfindlich davon ab, in welchem Zustand sich die

Oberfläche befindet.

Beispiel Sulfide: ZnS-Partikel können auf der Oberfläche partiell oder

vollständig oxidiert sein. Die Oberflächenladung entspricht dann eher

der von ZnO als der von ZnS -Partikeln: der isoelektrische Punkt liegt im

neutralen bis basischen Bereich.

Nach Reinigung der Oberfläche von den Oxiden (Waschen in Säure)

stellt sich das Adsorptionsgleichgewicht der eigentlichen ZnS-

Oberfläche ein: isoelektrischer Punkt zwischen pH=1 und pH=2.

Solches Verhalten kann auch gezielt genutzt werden, um durch

Anbringen von Oberflächenschichten das kolloidchemische Verhalten

zu steuern.

Page 19: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 67

Solche Oberflächenschichten können gleichzeitig noch

Schutzfunktionen ausüben (z.B. werden TiO2-Pigmente stets mit einem

Schutzüberzug aus AlOOH und SiO2 versehen) oder die

Absorptionscharakteristik verändern (z.B. Fe2O3).

Die dargestellten lyophoben Systeme benötigen für ihre kinetische

Stabilität Hilfsmittel wie die elektrostatische oder die sterische

Stabilisierung, die durch geeignete Modifikation der Oberfläche oder

Zusätze erzielt werden kann. Ohne diese Hilfsmittel erfolgt irreversible

Koagulation.

Lyophile (hydrophile) Kolloide, die spontan durch Quellen mit einem

Lösungsmittel entstehen (s.o) sind thermodynamisch stabil und damit

im Prinzip beliebig lange haltbar. Wenn das gesamte Lösungsmittel

aufgebraucht worden ist, spricht man auch von einem Gel.

Lyotrope Mesophasen

Seifen und andere amphiphile Substanzen neigen dazu, im

Gleichgewicht bestimmte kolloidale Strukturen in Lösung auszubilden.

In sehr geringer Konzentration liegen die einzelnen Moleküle als echte

Lösung vor.

Ab einer gewissen Schwelle, der kritischen Mizellenkonzentration (cmc),

lagern sich die Moleküle zu charakteristischen Verbänden zusammen,

die im einfachsten Fall Kugelgestalt besitzen. In diesen Mizellen weisen

die hydrophoben Gruppen nach innen, während die hydrophile Gruppen

nach außen weisen, zum Lösungsmittel hin.

Der Prozeß ist mit einer positiven Entropieänderung verbunden, da die

Solvathüllen um die großen Einzel moleküle verschwinden und durch

die kleinere Solvathülle um die Mizelle ersetzt werden. Der Effekt ist

größer als der durch die Zusammenlagerung der Einzelmoleküle.

Page 20: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 68

Adsorption an Oberflächen

Das Phänomen des Anhaftens von Substanzen an Oberflächen wird als

Adsorption bezeichnet. Vom Standpunkt der Oberfläche aus läßt sich

ein Bedeckungsgrad θ definieren:

θAnzahl derbesetzten Adsorptionsstellen

Anzahl dervorhandenenAdsorptionsstellen=

Oftmals ist über die Art und Anzahl der Adsorptionsstellen nichts

Genaues bekannt, so daß der Bedeckungsgrad durch das Volumen des

Adsorbats ausgedrückt wird:

θVAdsorbat

VMonolage

=

Bei Bedeckung der Oberfläche mit einer Monolage des Adsorbats ist die

Oberfläche dicht mit dem Adsorbat bepackt; die Adsorbatteilchen

beanspruchen das kleinstmögliche Volumen.

Unter der Adsorptionsgeschwindigkeit wird der Quotient dθ/dt

verstanden.

Bedeckungen und Adsorptionsgeschwindigkeiten werden u.a. bestimmt

durch

> Strömungsmethoden (die adsorbierende Probe entfernt Material aus

der Strömung)

> Gravimetrie (Gewichtszunahme des Substrats durch Adsorption wird

bestimmt)

> Schockdesorption (Adsorbierte Substanz wird wieder desorbiert und

z.B. als Druckerhöhung registriert)

Page 21: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 69

Direkte Untersuchung der Zusammensetzung und Struktur des

Adsorbat-Oberflächenkomplexes ist möglich durch

> XPS oder ESCA (Photoelektronenspektroskopie durch

Röntgenanregung), Zusammensetzung der obersten Atomlagen eines

Präparates

> SIMS (Sekundärionen-Massenspektroskopie), zusätzliche

Tiefeninformation durch gezieltes "Absputtern" von Oberflächenlagen

mit Ionenstrahlen und massenspektroskopische Analyse der Trümmer

> Auger-Elektronenspektroskopie (Emission eines Sekundärelektrons

nach Ionisierung eines tiefliegenden Orbitals)

> LEES (low energy electron diffraction), Elektronenbeugung an der

Oberfläche durch Verwendung energiearmer Elektronen

> STM (Rastertunnelmikroskopie), Bestimmung der

Oberflächentopographie mit atomarer Auflösung durch Abtasten mit

einer atomar feinen Metallspitze und Registrierung des Tunnelstroms

zwischen Probe und Spitze

>AFM (Atomic Force Microscopy), Bestimmung der Topographie mit

sehr hoher Auflösung durch Registrierung der Kraft zwischen der

Oberfläche und einer sehr feinen Spitze.

Physisorption und Chemisorption

Zwei grundlegend unterschiedliche Mechanismen können Triebkraft der

Adsorption sein.

Die Physisorption ist eher unspezifisch und entsteht durch die

(anziehende) v.d.Waals-Wechselwirkung zwischen Adsorbat und

Oberfläche.

Page 22: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 70

Diese Wechselwirkung ist stets vorhanden, aber schwach.

Entsprechend finden sich typische Adsorptionsenthalpien der

Physisorption von etwa -20 kJ/mol.

Solche Enthalpieänderungen reichen nicht zum Bindungsbruch aus, die

adsorbierten Moleküle oder Atome bleiben im wesentlichen unversehrt.

Der ganze Vorgang ist verwandt mit der Kondensation; entsprechend

kann auch mehr als eine Monolage adsorbiert werden.

Chemisorption findet statt, wenn spezifische chemische

Wechselwirkung (Bindungsknüpfung) zwischen Oberfläche und

Adsorbat erfolgt.

Die beobachteten Adsorptionsenthalpien liegen daher in der

Größenordnung von Bindungsenthalpien (typisch 200 kJ/mol). Die

adsorbierten Moleküle können daher durch Chemisorption ganz oder

teilweise zerstört oder umarrangiert werden (z.B. Dissoziation von

Wasserstoff auf bestimmten Metalloberflächen).

Das Vorliegen spezifischer chemischer Wechselwirkung zwischen

Substrat und Adsorbat beschränkt die Chemissorption auf maximal eine

Monolage.

Die Struktur der Oberfläche bei Adsorption von weniger als einer

Monolage hängt von der Wechselwirkung der adsorbierten Teilchen

selbst ab. Es kann anziehende oder abstoßende Wechselwirkung

auftreten; entsprechend bilden sich regelmäßige oder unregelmäßige

Strukturen der Adsorbatschicht aus.

Solche Strukturen können mit moderner Meßtechnik (vor allem STM)

direkt sichtbar gemacht werden und spielen eine entscheidende Rolle

für die Funktion heterogener Katalysatoren.

Die Oberflächenplätze des Substrates können ihrerseits

unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (reguläre Plätze, Defekte,

Versetzungen, Kanten usw.) und somit zusätzlich Anlaß zur

Strukturbildung liefern.

Page 23: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 71

Adsorptionsisothermen

Oberflächen werden bei Kontakt mit einem Gas oder einer Lösung im

Gleichgewicht mit einer bestimmten Menge Adsorbat belegt.

Die einfache Beschreibung dieses Vorganges nach Langmuir geht von

folgenden Vereinfachungen aus:

> Die Adsorption führt höchstens zu einer Monolage

> Die Oberfläche ist einheitlich, die Bindungsstellen sind gleichwertig

> Keine laterale Wechselwirkung zwischen den Adsorbatmolekülen

Formal kann das durch folgende Reaktion auf der Oberfläche

beschrieben werden (hier für Adsorption aus einem Gas):

A g( ) M Oberfläche( )+ AM Oberfläche( )↔

Für dieses Gleichgewicht lautet das MWG wie folgt:

K

aAM Oberfläche( )

f A( )

P∅ aM Oberfläche( )

=x

AM Oberfläche( )

P A( )

P∅ xM Oberfläche( )

Durch Einsetzen der Definition des Molenbruches erfolgt der Übergang

zu Haftstellenzahlen und der Zahl der besetzten Haftstellen:

K

NAM Oberfläche( ) N

0

N0

P A( )

P∅ N

M Oberfläche( )

NAM Oberfläche( )

P A( )

P∅ N

M Oberfläche( )

= =

Die Anzahl der noch freien Oberflächenplätze kann als Differenz

zwischen der Gesamtzahl und der belegten Anzahl ausgedrückt werden:

Page 24: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 72

K

NAM Oberfläche( )

P A( )

P∅ N

0N

AM Oberfläche( )−( )=

Hieraus erhält man durch einfache Umstellung

P A( )

P∅ KN0 NAM Oberfläche( ) 1

P A( )

P∅ K+

=

Für den Bedeckungsgrad folgt somit

θN

AM Oberfläche( )

N0

P A( )

P∅ K

1P A( )

P∅ K+

= =

Dieser Zusamenhang wird als Langmuir'sche Adsorptionsisotherme

bzeichnet; er stellt aber nur eine spezielle Formulierung des

Massenwirkungsgesetzes dar.

Für Adsorption aus Lösungen läßt sich eine analoge Beziehung

aufstellen; der Partialdruck muß dazu nur durch den Molenbruch der

gelösten, adsorbierten Substanz oder durch das Verhältnis aus

Konzentration und Konzentrationseinheit ersetzt werden.

Da die Langmuir'sche Adsorptionsisotherme ein chemisches

Gleichgewicht beschreibt, können auch chemische Veränderungen des

Adsorbats durch den Adsorptionsvorgang leicht beschrieben werden.

So dissoziiert molekularer Wasserstoff bei der Adsorption auf Pt, Pd

und einigen anderen Metallen; der Adsorptionsvorgang lautet dann

H2(g) + 2 M(Oberfläche) <-----> 2 MH(Oberfläche)

Page 25: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 73

Führt man die Rechnung für dieses Gleichgewicht durch, erhält man für

den Bedeckungsgrad

θN

AM Oberfläche( )

N0

P A( )

P∅ K

1P A( )

P∅ K+

= =

Aus dem Kehrwert des Bedeckungsgrades läßt sich eine linearisierte

Form der Langmuir'schen Adsorptionsisothermen gewinnen:

1

NAM Oberfläche( )

P∅

P A( ) KN0

1

N0+=

Aus der Messung von adsorbierter Stoffmenge und

Gleichgewichtsdruck lassen sich so die Konstanten K und N0

entnehmen.

Alternativ läßt sich die Definition des Bedeckungsgrades über das

Adsorbatvolumen nutzen:

1

VAdsorbat

P∅

P A( ) KVMono

1

VMono+=

Da es sich bei K umeine thermodynamische Gleichgewichtskonstante

handelt, kann die Adsorptionsenthalpie aus ihrer

Temperaturabhängigkeit bestimmt werden. Aus der

Gleichgewichtsthermodynamik ist bekannt:

ln Kd

Td

H∅

R∆

RT2

=

Page 26: Oberflächen

Prof. Dr. M. Bredol PC III 74

Im allgemeinen ist die Adsorptionsenthalpie vom Bedeckungsgrad

abhängig. Daher bestimmt man die Adsorptionsenthalpie zweckmäßig

durch Ermittelung des Druckes bei konstantem Bedeckungsgrad,

jedoch unterschiedlicher Temperatur.

In solchen Fällen spricht man von isosterer Adsorptionsenthalpie:

lnK∂T∂

θ

H∅

Ad∆

RT2

=

Für die Langmuir-Isotherme ist die Ermittlung besonders einfach. Man

schreibt sie in der Form KP/Pø = θ / (1− θ). Für konstanten

Bedeckungsgrad gilt: ln(K) + ln(P/Pø) = const. Oder

ln P P∅

⁄( )∂T∂

θ

lnK∂T∂

−θ

H∅

Ad∆

RT2

−= =

Wenn konstanter Bedeckungsgrad eingehalten wird (z.B. konstantes

Adsorbatvolumen), reicht daher die Auftragung des logarithmierten

Gleichgewichtsdrucks über der reziproken Temperatur, um die isostere

Adsorptionsenthalpie zu ermitteln.

und damit

ln P P∅

⁄( )∂1 T⁄( )∂

θ

H∅

Ad∆

R=

Die Freie Standardadsorptionsenthalpie ∆adGø kann direkt aus der

Gleichgewichtskonstanten der Langmuir-Isothermen entnommen

werden; daher ist auch die Standardadsorptionsentropie bestimmbar.