Oberkieferteleskopprothese aus Sekundär- und...

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2 Quintessenz Zahntech 2014;40(6):2–14 CASE REPORT GEROPROTHETIK Oberkieferteleskopprothese aus CAD/CAM-gefertigten Primär-, Sekundär- und Tertiärstrukturen Sekundärkronen aus dem Hochleistungspolymer PEEK Christian Hannker, Nicole Meier Die Vielfältigkeit an Materialien, Konzepten und Fertigungstechnologien lassen die Optio- nen für die Versorgung eines zahnlosen Patienten steigen. Da sich viele Patienten mit einer konventionellen Totalprothese nicht mehr zufriedengeben, gewinnt die Implantattherapie zunehmend an Bedeutung. Für den Zahntechniker ist dies Grund zur Überlegung, wie einer immer größer werdenden Patientengruppe mit rationellen Arbeitskonzepten eine äs- thetische Lösung geboten werden kann. Die digitale Fertigung ist eine Möglichkeit, um die zur Verfügung stehenden Materialien bestmöglich einzusetzen. Im dargestellten Fall wurde eine Patientin im Oberkiefer mit einer Teleskopprothese auf sechs Implantaten versorgt. Um von den Vorteilen der digitalen Fertigung (Effizienz, Präzi- sion) profitieren zu können, sollten möglichst viele Komponenten CAD/CAM-gestützt er- arbeitet werden. Bisher haben die Autoren die Sekundärkronen als dünne Metallkäppchen gegossen oder galvanisiert. Dieses Konzept hat sich gut bewährt, allerdings entstand eine Einleitung Zusammenfassung Bei der Herstellung einer Teles- kopprothese bildeten bislang die Sekundärteile eine Lücke im digitalen Prozessablauf. Das Autorteam zeigt, wie diese nun mit einem Blank aus hochrei- nem PEEK (Juvora Dental Disc, Juvora) geschlossen werden kann. Es wird dargestellt, wie CAD/CAM-gefertigte Sekun- därkronen in den Fertigungs- weg integriert werden und ein durchdachtes Behandlungs- konzept ergänzen. Indizes Geroprothetik, Teleskoppro- these, Implantatprothetik, CAD/CAM, Primärstrukturen, Sekundärstrukturen, Tertiär- strukturen, sekundärkronen aus PMMA

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Case RepoRtGeRopRothetik

Oberkieferteleskopprothese aus CAD/CAM-gefertigten Primär-, Sekundär- und Tertiärstrukturensekundärkronen aus dem hochleistungspolymer peek

Christian Hannker, Nicole Meier

Die Vielfältigkeit an Materialien, Konzepten und Fertigungstechnologien lassen die Optio-nen für die Versorgung eines zahnlosen Patienten steigen. Da sich viele Patienten mit einer konventionellen Totalprothese nicht mehr zufriedengeben, gewinnt die Implantattherapie zunehmend an Bedeutung. Für den Zahntechniker ist dies Grund zur Überlegung, wie einer immer größer werdenden Patientengruppe mit rationellen Arbeitskonzepten eine äs-thetische Lösung geboten werden kann. Die digitale Fertigung ist eine Möglichkeit, um die zur Verfügung stehenden Materialien bestmöglich einzusetzen.

Im dargestellten Fall wurde eine Patientin im Oberkiefer mit einer Teleskopprothese auf sechs Implantaten versorgt. Um von den Vorteilen der digitalen Fertigung (Effizienz, Präzi-sion) profitieren zu können, sollten möglichst viele Komponenten CAD/CAM-gestützt er-arbeitet werden. Bisher haben die Autoren die Sekundärkronen als dünne Metallkäppchen gegossen oder galvanisiert. Dieses Konzept hat sich gut bewährt, allerdings entstand eine

Einleitung

ZusammenfassungBei der Herstellung einer Teles-kopprothese bildeten bislang die Sekundärteile eine Lücke im digitalen Prozessablauf. Das Autorteam zeigt, wie diese nun mit einem Blank aus hochrei-nem PEEK (Juvora Dental Disc, Juvora) geschlossen werden kann. Es wird dargestellt, wie CAD/CAM-gefertigte Sekun-därkronen in den Fertigungs-weg integriert werden und ein durchdachtes Behandlungs-konzept ergänzen.

IndizesGeroprothetik, Teleskoppro-these, Implantatprothetik, CAD/CAM, Primärstrukturen, Sekundärstrukturen, Tertiär-strukturen, sekundärkronen aus PMMA

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Lücke im digitalen Fertigungsablauf. Im Beitrag wird beschrieben, wie Sekundärkronen nun CAD/CAM-gefertigt werden konnten. Grundlage bildet ein in der Zahnmedizin relativ neues Material: PEEK (Polyetheretherketon).

Seit einiger Zeit können PEEK-Gerüste aus industriell hergestellten Blanks (Juvora Dental Disc, Juvora Dental Ltd., Lancashire, UK) gefertigt werden, womit eine weitere Hürde im digitalen Fertigungsprozess genommen wurde (Abb. 1).

Primärkronen aus Zirkonoxid = CAD/CAM-gestützt gefertigtSekundärkronen aus PEEK = CAD/CAM-gestützt gefertigtTertiärstruktur aus Titan = CAD/CAM-gestützt gefertigtReiseprothese aus Komposit = CAD/CAM-gestützt gefertigt

Die Patientin konsultierte die Zahnarztpraxis und wünschte die Neuanfertigung ihres in-suffizienten Zahnersatzes im Oberkiefer. Im Bereich der Frontzähne trug sie eine keramisch verblendete Geschiebebrücke sowie eine partielle Prothese (Abb. 2). Die Pfeilerzähne wa-ren parodontal stark geschädigt und hatten einen entsprechend hohen Lockerungsgrad. Bei einer exakten Diagnose wurde klar, dass die Zähne nicht erhalten werden können. Keiner war für die ordnungsgemäße Verankerung einer prothetischen Versorgung geeig-net. Für die relativ junge Patientin war es unvorstellbar, mit einer Totalprothese versorgt zu werden. Sie wollte einen – in ihren Worten – „festsitzenden“ Zahnersatz, somit war die Implantattherapie das Mittel der Wahl. Ein etwas ungewöhnlicher Wunsch: Die Patientin wünschte sich ein Goldinlay in ihrem neuen Zahnersatz. Ihr Ehemann, Goldschürfer am Rhein, lieferte selbstgeschürftes Reingold bei.

Bei der Beratung und der Diskussion über die prothetischen Therapiemöglichkeiten wurde den Bedürfnissen der Patientin ebenso Rechnung getragen wie den anatomischen Voraussetzungen und dem zahntechnisch Machbaren. Eine nicht immer leichte Aufgabe, die neben fachlicher Kompetenz ein teamorientiertes Arbeiten sowie Gespür für den Patien-ten erfordert. Die Entscheidung fiel in diesem Fall auf eine Teleskopprothese. Die Akzeptanz von Teleskopprothesen hinsichtlich der Ästhetik, dem Prothesenhalt, dem Tragekomfort und der Kaueffizienz ist seitens der Patienten nach Erfahrung der Autoren als durchweg positiv zu bewerten.

KasuistikDie Ausgangssituation

abb. 1 Fräsen eines Gerüsts aus industriell hergestellten, hochreinen PEEK-Blanks (Juvora Dental Disc, Juvora Dental Ltd.).

abb. 2 Der vorhandene Zahnersatz im Oberkiefer war auf parodontal stark geschä-digten Pfeilerzähnen verankert.

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Nur in enger Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker lässt sich in einem solch komplexen Fall das Behandlungsoptimum erzielen. Die korrekte Planung ist (fast) alles. Neben der zahnmedizinischen Diagnose gehörten das Dental Imaging, ein Wax-up sowie ein Mock-up aus Polyurethan (Picopoly, picodent, Wippefürth) dazu. Anhand einer ersten Aufstellung (ideale prothetische Position) sowie der anatomischen Gegebenheiten (dreidimensionales Röntgenbild) erfolgte die Planung der Implantatpositionen. Die Extrak-tion der nicht erhaltungsfähigen Zähne 13, 14, 23 und 24 wurde behutsam vorgenommen und eine im Vorfeld angefertigte Oberkiefer-Interimsprothese eingegliedert. Zeitgleich er-folgte im Unterkiefer eine Parodontalbehandlung im Sinne einer geschlossenen Kürettage. Nach einer fünfmonatigen Ausheilzeit wurden ein beidseitiger externer Sinuslift im Prämo-laren- und Molarenbereich sowie eine laterale Kieferkammverbreiterung in den Bereichen 12 bis 14 und 22 bis 24 vorgenommen. Für die Augmentation kam autologer Knochen in Form eines Knochenspans aus dem retromolaren Unterkieferbereich zum Einsatz. Zwei Monate später konnten sechs Implantate (Camlog Promote Plus, Camlog, Wimsheim) im Oberkiefer inseriert werden. Nach der sechsmonatigen Einheilphase präsentierten sich ide-ale Gingivaverhältnisse. Das Kontrollröntgenbild zeigte optimale Voraussetzungen. Die Im-plantate wurden freigelegt. Die prothetische Behandlungsphase begann sieben Monate später.

Der präzise Transfer der Implantatpositionen vom Mund des Patienten auf das Modell ist ein fehleranfälliger Arbeitsschritt; Übertragungsfehler können schnell das „Aus“ für eine langzeitstabile Versorgung bedeuten. Die Autoren bevorzugen die offene Abformtechnik. Auf dem Situationsmodell wurde ein individueller Abformlöffel gefertigt, der im Bereich der Schraubenöffnung des Abformpfostens offen gestaltet war. Nach dem Aufschrauben der Abformpfosten überprüfte der Zahnmediziner die exakte Passung des Löffels (Abb. 3 und 4), wobei u. a. darauf geachtet wurde, dass die aus den Öffnungen herausragenden Hal-teschrauben den Löffel nicht berührten. Die Abformung erfolgte mit einem Polyether-Ab-formmaterial. Für die Arretierung der im Labor vorbereiteten Bissschablone dienten bei der vertikalen Relationsbestimmung spezielle Kappen auf den Implantatpfosten (Abb. 5). Die Bestimmung der horizontalen Lagebeziehung wurde mit einem Gesichtsbogen vorgenom-men.

Planung

abb. 3 Nach Freilegung der sechs Implantate wurden die Abformpfosten aufgesetzt.

abb. 4 Die Überprüfung des individuellen Abformlöffels.

abb. 5 Die Bestimmung der vertikalen Dimension. Spezielle Kappen dienen der Arretierung der Bissschablone.

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Nach der Modellherstellung erfolgte entsprechend der Planung die Aufstellung der Zähne. An diesem Punkt sei darauf hingewiesen, dass trotz aller Faszination für die digitalen Möglichkeiten das fundierte zahntechnische Wissen (z. B. Aufstellregeln) beherrscht wer-den muss; das kann nicht an eine „Maschine“ übergeben werden. Bei der Zahnaufstellung respektive der Einprobe spielt zudem die enge Interaktion mit dem Zahnmediziner eine entscheidende Rolle. Das Set-up wurde im Mund der Patientin probiert und phonetische, funktionelle sowie ästhetische Parameter wurden evaluiert. Die Aufstellung integrierte alle Wünsche der Patientin sowie des Behandlungsteams und wurde mithilfe eines Silikonschlüs-sels fixiert. Nun bot das Set-up die ideale Vorlage für die Herstellung der Teleskopprothese.

Bei einer solch komplexen Arbeit wird die Gingivamaske zur Pflicht. Es empfiehlt sich, mit einem relativ harten Material zu arbeiten und somit Ungenauigkeiten zu minimieren. Wird das Emergenzprofil im Bereich der Implantataustritte zirkulär leicht radiert, kann eine op-timale Abstützung des Hart- sowie des Weichgewebes erreicht werden.2,6 Allerdings darf diese Radierung einen Winkel von 45° nicht überschreiten. Für die Herstellung der Primär-teile wurde das Modell sowie das Set-up im Laborscanner digitalisiert und sechs Käppchen wurden konstruiert, welche später mit der Titanbasis verklebt werden sollten (Hybrid-Abut-ment). Beim virtuellen Aufwachsen sorgten Messwerkzeuge und Modelliervorgaben für ein effizientes Vorgehen (Abb. 6 und 7). Der Software-Vorschlag für die Abutments musste le-diglich individualisiert und Austritts- sowie Emergenzprofil definiert werden. Für maximale Haftkraft wurde die zirkuläre Mindesthöhe von 7 mm eingehalten. Generell sollte die Wand-stärke von Zirkonoxid-Primärkronen 0,3 mm nicht unterschreiten. Die Einschubrichtung der Primärteile wurde automatisch parallelisiert. Mit dem Ein- und Ausblenden des Set-ups konnten die Modellationen in ihrer Ausdehnung überprüft und dann die Primärkronen im Fräsgerät umgesetzt werden. Gewählt wurde ein polychromatischer Zirkonoxid-Blank (Ka-tana, Kuraray Europe GmbH, Hattersheim am Main). Das Charmante an diesem Blank ist sein fließender Farbverlauf. Ohne Einfärben erhielten die Autoren Gerüstkronen mit sanften Farbabstufungen. Die Passung der Primärteile auf den Titanbasen war gut, in der Farbe wirkten sie warm und natürlich. Im Fräsgerät wurden mit einer wassergekühlten Turbine und diamantierten Schleifkörpern hochglatte Oberflächen realisiert. Da die Primärkrone die

Herstellung der Primärteile

abb. 6 und 7 Die virtuelle Modellation der sechs Primär-teile.

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Fügeflächen für eine Doppelkrone darstellt, ist auf eine absolut plane Gestaltung zu achten. Jede kleine Unebenheit kann die Passung und Friktion gefährden (Abb. 8 und 9). Danach konnten die Zirkonoxid-Käppchen auf den Titanbasen mit einem selbsthärtenden Befesti-gungskomposit (Multilink Hybrid, Ivoclar Vivadent) verklebt werden.

Auch die Sekundärteile sowie das Tertiärgerüst sollten digital gefertigt werden. Guss- sowie Galvanotechnik sind für Sekundärkronen bewährte Methoden, allerdings treten immer wieder Fehler auf, die einen reibungslosen Arbeitsablauf behindern können. Das CAD/CAM-gestützte Herstellen ist nach Erfahrung der Autoren hinsichtlich Präzision und Effizienz dem konventionel-len Vorgehen definitiv überlegen. In der CAD-Software wurden Sekundärteile und Tertiärgerüst modelliert. Dank des in der Software hinterlegten Set-ups konnte das Gerüst exakt unter die an-zustrebende prothetische Zahnstellung gebracht werden. Für die Sekundärteile kam ein in der Zahnmedizin junges Material zum Einsatz: PEEK (Abb. 10 und 11). Die Tertiärstruktur wurde in

Digitale Herstellung der Gerüstkomponenten

abb. 8 und 9 Die in Zirkonoxid umgesetzten und polierten Primärteile auf dem Modell.

abb. 10 Die virtuelle Modellation der Sekundärteile. abb. 11 Die in PEEK gefrästen Sekundärteile (Juvora Dental Disc). Der Hochleistungskunststoff verspricht optimale chemische sowie mechanische Eigenschaften.

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Titan gefräst (Abb. 12 und 13). Auch die Fertigung des Langzeitprovisoriums – Reiseprothese – erfolgte CAD/CAM-gestützt (Abb. 14 bis 17). Aus einem hochwertigen Kunststoff (innoBlanc GmbH, Engelsbrand) wurde eine exakte Kopie des Set-ups gefräst (Abb. 18 und 19).

peek für die CaD/CaM-gestützte FertigungPEEK wird in der Humanmedizin seit vielen Jahren eingesetzt und hat sich beispielsweise für Hüft- oder Kniegelenke bewährt. PEEK ist bioinert, gewebefreundlich, zytotoxisch unbedenklich, elektrisch nicht leitend sowie thermisch isolierend.3-5 Der teilkristalline Hochleistungskunststoff überzeugt mit seinen guten mechanischen Eigenschaften, sei-nem geringen Gewicht und seiner ausgezeichneten chemischen Beständigkeit (che-misch inert). Mittlerweile können PEEK-Gerüste aus industriell hergestellten Blanks (z. B. Juvora Dental Disc, Juvora Dental Ltd.) gefertigt werden. Ein großer Vorteil, der in dem beschriebenen Fall ausgenutzt werden konnte.

abb. 12 und 13 Die virtuelle Modellation der Tertiärstruktur. Mit dem Ein- und Ausblenden des Set-ups konnte das Gerüst exakt unter die prothetischen Zahnpositionen modelliert werden.

abb. 14 und 15 Sekundärteile (PEEK) und Tertiärgerüst (Titan) werden auf dem Modell aufgepasst und in das Titangerüst werden Fensterungen als Austritt für den Kleber eingeschliffen.

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Jetzt haben wir aus dem Vollen gefräst: Primärteile aus polychromatischem Zirkonoxid, Sekundärteile aus hochreinem PEEK (JUVORA Dental Disc), Tertiärstruktur aus Titan und die Reiseprothese aus Kunststoff. Die Komponenten wurden einzeln und in ihrer Gesamt-heit auf Passung geprüft. Die PEEK-Sekundärkronen saßen ohne Nacharbeit im Titangerüst (Abb. 20 und 21). Da bei der virtuellen Modellation ein leichter Klebespalt angelegt wurde, hatten die Kronen etwas „Spiel“. Auch die Passung der Sekundärteile auf den Primärkronen (Abutments) war hervorragend. Die Lauf- sowie die friktiven Eigenschaften entsprachen exakt den Vorgaben.

abb. 16 und 17 Bei der virtuellen Modellation der Reiseprothese diente das Set-up als Vorlage.

abb. 18 und 19 Die gefräste Reiseprothese aus PMMA.

abb. 20 und 21 Die exakte Passung der PEEK-Sekundärteile in der Tertiärstruktur.

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Der Zahnmediziner erhielt die Hybrid-Abutments, eine Einbringhilfe aus Kunststoff, die Se-kundärteile aus PEEK sowie das Tertiärgerüst und die Reiseprothese. Die Verklebung von Sekundär- und Tertiärstruktur sollte im Mund der Patientin erfolgen, um so die Spannungs-freiheit der Restauration zu gewährleisten. Vor der intraoralen Gerüstfügung wurden die Abutments (Primärteile) in den Mund eingebracht. Da ein häufiges Ein- und Abschrauben von Abutments einen Knocheneinbruch um das Implantat forcieren kann, wurden die Abut-ments bereits jetzt definitiv verschraubt (Abb. 22 und 23). Bei jeder zusätzlichen Entnahme respektive Eingliederung kann die biologische Breite aufgrund des „micro gap“ ein Stück weiter nach apikal „rutschen“,1 ein Szenarium, das es zu verhindern gilt. Die Abutments wurden mit dem empfohlenen Drehmoment fest verschraubt und die Schraubenkanäle mit Teflonband und Komposit verschlossen. Bei der Einprobe des Tertiärgerüsts fixierte der Zahnmediziner die Sekundärkronen. Das Titangerüst passte spannungsfrei und konnte so-mit definitiv mit den PEEK-Sekundärkronen verklebt werden (Multilink Implant, Ivoclar Vi-vadent, Ellwangen). Die PEEK-Kronen wurden hierfür konditioniert (Strahlsand 50 µm und Monobond Plus, Ivoclar Vivadent) (Abb. 24 bis 26). Zum Abschluss dieser Behandlungssit-zung erhielt die Patientin ihre „Reiseprothese“, die in diesem Stadium als Therapeutikum fungierte. Als Prototyp der definitiven Versorgung hat eine solche „Übergangslösung“ eine wichtige Funktion: Patienten bekommen Zeit, sich an die Situation zu gewöhnen und kön-nen gegebenenfalls Änderungswünsche einbringen.

Einprobe

abb. 22 und 23 Die Hybrid-Abutments werden definitiv eingegliedert. Eine Einbringhilfe dient der präzisen und schnellen Platzierung im Mund.

abb. 24 bis 26 Für eine spannungsfreie Passung erfolgt die Verklebung von PEEK-Sekundär- und Tertiärstruktur (Titan) im Mund der Patientin.

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Von der Überabformung (Abb. 27) wurde ein Meistermodell mit Kunststoffstümpfen aus-gegossen und die Fertigstellung vorbereitet. Mit der Sicherheit im Rücken, dass das Gerüst spannungsfrei passte, lag die volle Aufmerksamkeit auf der ästhetischen sowie funktionellen Umsetzung. Die vorgegebene Zahnform und Funktion (Reiseprothese) wurde nach einigen wenigen individuellen Modifikationen in Wachs übertragen (Abb. 28). Für die Verblendung kam ein lichthärtendes Komposit (SR Nexco, Ivoclar Vivadent) zum Einsatz. Sowohl die physikalischen als auch die lichtoptischen Eigenschaften dieses Materials sind ideal für eine solche Restauration und in diesem Fall das passende Pendant zu den PEEK-Sekundärkronen. Im Vergleich zur Keramik ist Komposit kraftabsorbierend, wodurch es speziell für Implan-tat-Versorgungen optimal geeignet zu sein scheint. Die Sekundärteile aus PEEK boten zu-sätzlich kraftdämpfende Eigenschaften, also eine ideale Materialkomposition.

Fertigstellung

abb. 27 Die Überabformung mit Sekundärkronen und Tertiärge-rüst (verklebt).

abb. 28 Die Übertragung des Set-ups in Wachs.

abb. 29 Das Set-up wird über eine Glasklar-Küvette dupliert. abb. 30 Nach dem Opakern des Gerüsts erfolgte eine erste Dentinpressung.

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Jetzt offenbarte sich der Vorteil der exakten Vorbereitung (Set-up). Die anzustrebende Si-tuation wurde über eine Glasklarküvette dupliert (Abb. 29) und das konditionierte Gerüst in Komposit gepresst (Abb. 30). Somit entstand auf schnellem Weg das homogene Abbild der Reiseprothese, bislang noch in Dentin-Masse. Die Prothese wurde der Küvette entnomme-nen und als Cut-back reduziert. Nach einigen internen Individualisierungen (Effektmasse, Malfarbe) wurde die Schmelzmasse in der Küvette appliziert und auf den „Dentinkern“ gepresst (Abb. 31 und 32). In wenigen Schritten gelang die identische Umsetzung der Planung in die finale Rekonstruktion mit natürlicher Dentin- und Schneidestruktur. Nach der Ausarbeitung wurden die funktionellen Gegebenheiten im Artikulator überprüft und entsprechend eingeschliffen. Mit einem gingivafarbenen Komposit-System (Nexco Gum, Ivoclar Vivadent) wurde eine natürlich wirkende Zahnfleischimitation erarbeitet (Abb. 33).

Wie eingangs erwähnt, ist der Ehemann der Patientin Goldschürfer und es bestand der Wunsch, dass ein kleines Goldinlay den neuen Zahnersatz zierten sollte. Hierfür wurde im Zahn 14 eine Aussparung präpariert (Abb. 34), das Inlay in Wachs modelliert und für das Gießen vorbereitet. Der Gedanke daran, dass der kleine „Klumpen“ reines Gold mühsam von Hand geschürft worden war, vermittelte ein beeindruckendes Gefühl; insbesondere im Kontrast zu dem größtenteils digitalen Fertigungsprozess. Das gegossene Inlay (Abb. 35) konnte ohne großen Aufwand in der Prothese adhäsiv befestigt werden und gab der Ar-

Ein spezieller Wunsch

abb. 31 und 32 Nach einem Cut-back und dem Aufbringen einiger Effektmassen wurde der Dentinkern mit Schmelzmaterial überpresst.

abb. 33 Die gingivalen Anteile sind mit einem Komposit individuell geschichtet und mit einer naturnahen Oberflächentex-tur versehen.

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beit einen individuellen Touch (Abb. 36). Nach einer abschließenden Politur und Kontrolle war die Prothese zum Eingliedern bereit (Abb. 37). Die basalen Flächen waren glatt, der Übergang von Prothesenkunststoff zum Sekundärteil war sauber und spaltfrei (Abb. 38). Die Innenflächen der PEEK-Sekundärteile erschienen nach der Fertigstellung der Arbeit so „jungfräulich“ wie direkt nach dem Ausfräsen (Abb. 39).

Die Suprastruktur passte erstklassig auf den Primärteilen (Abutments). Jedwedes Einstellen der Friktion erübrigte sich. Die Laufeigenschaft der PEEK-Sekundärteile auf den Zirkono-xid-Primärteilen war optimal und somit das Ein- und Ausgliedern einfach möglich. Da die Kieferrelationsbestimmung auf dem Tertiärgerüst vorgenommen worden war, war auch im okklusalen Bereich nur eine geringe Adjustierung nötig. Die Prothese wirkte sehr ästhe-tisch und vermittelte der Patientin das sichere Gefühl eines „festsitzenden“ Zahnersatzes (Abb. 40 bis 42). Alle Ansprüche an die Funktion sowie an die Hygienefähigkeit waren erfüllt.

Eingliederung der Arbeit

abb. 34 bis 36 Auf Wunsch der Patientin wurde in den Zahnersatz ein kleines Goldin-lay eingearbeitet.

abb. 37 Nachansicht der fertigen Arbeit. Farbdynamik sowie -intensität und die Textur wirken lebendig und natürlich.

abb. 38 Der Zahnersatz ist zum Eingliedern bereit.

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Vorgestellt wurde die Versorgung eines zahnlosen Kiefers mit einer auf sechs Implanta-ten getragenen Teleskopprothese. Die Gründe für diese Art der prothetischen Therapie waren die gaumenfreie Gestaltung der Prothese sowie deren fester Sitz bei einer zugleich einfachen Abnehmbarkeit. Die zahntechnische Umsetzung erfolgte zu einem Großteil auf digitalem Weg. Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur sowie die Reiseprothese wurde CAD/CAM-gestützt gefertigt, wobei insbesondere die digitale Herstellung der Sekundärteile zu erwähnen ist. Bislang war dies der neuralgische Punkt der digitalen Prozesskette. Mit den digital gefertigten PEEK-Sekundärteilen werden eine verbesserte Friktion, Passgenauigkeit

Fazit

abb. 39 Die basale Ansicht. Die Sekundärteile aus PEEK werden Dank der guten materialtechnischen Eigenschaften (mechanisch, chemisch) kaum Verschleiß zeigen.

abb. 40 bis 42 Die eingegliederte Arbeit fällt im Mund kaum auf und integriert sich gut in die umliegenden Strukturen. Die Laufeigenschaften der PEEK-Sekundärteile auf den Primärteilen gewähren einen fest Halt und eine trotzdem einfache Entnahme des Zahnersatzes.

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sowie weniger intrusive Teleskop-Querverbindungen erzeugt. Zudem können Zahntechni-ker von einer effizienten Herstellung profitieren. In diesem Fall wurde ein Blank aus PEEK gewählt, also ein teilkristalliner Hochleistungskunststoff mit guten mechanischen Eigen-schaften, geringem Gewicht und ausgezeichneter chemischer Beständigkeit. Die Möglich-keit, PEEK nun auch CAD/CAM-gestützt bearbeiten zu können, schließt eine weitere Lücke in der digitalen Fertigungskette.

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ZtM Christian hannkerDentallabor Bellmann & HannkerLudwig-Gefe-Straße 2849448 Hüde bei DiepholzE-Mail: [email protected]

Zt Nicole Meier(Adresse wie oben)