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    KOBILANZ VON BIOETHANOL

    EI N E L I T E R A T U R S T U D I E

    Drte Bernhardt

  • 2 Germanwatch

    ZusammenfassungDie Studie kobilanz von Bioethanol gibt einen berblick ber vorhandene ko-bilanzstudien zu Ethanol und fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen. Die Lite-raturauswertung erfolgte im Rahmen des Dialogprojektes von Germanwatch zumThema Ser Sprengstoff fr die entwicklungspolitische und kologische Debatte.Die Studie kommt zu den Ergebnissen, dass Biokraftstoffe und auch Ethanol einenBeitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten knnen, aber der nach-haltige Anbau durch z.B. groen Flchenverbrauch problematisch bleibt. Zur Beur-teilung verschiedener wirtschaftlich interessanter kobilanzoptionen sind jedoch nochergnzende Analysen notwendig. Die Ethanolnutzung erffnet die Mglichkeit zurVerringerung der Abhngigkeit von l und Devisen in Nord und Sd.

    Impressum

    Autorin:Drte Bernhardt

    Herausgeber:Germanwatch e.V.Bro Bonn Bro BerlinDr. Werner-Schuster-Haus Vostr. 1Kaiserstr. 201 D-10117 BerlinD-53113 Bonn Telefon 030/288 8356-0, Fax -1Telefon 0228/60492-0, Fax -19

    Internet: http://www.germanwatch.orgE-mail: [email protected]

    September 2006

    Bestellnr.: 06-1-12

    ISBN 3-939846-02-3

    Diese Publikation kann im Internet abgerufen werden unter:http://www.germanwatch.org/handel/eth06.htm

    Dieses Projekt wird finanziell von der Nordrhein-Westflischen Stiftung fr Umwelt und Entwicklung gefr-dert. Die Frderer bernehmen keine Gewhr fr die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollstndigkeit derAngaben sowie fr die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geuerten Ansichten und Meinungen mssennicht mit denen der Frderer bereinstimmen.

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    Inhalt

    1 Einleitung ...................................................................................................... 4

    2 Biokraftstoffe - Grundlagen ........................................................................ 5

    2.1 Biokraftstoffe.................................................................................................. 5

    2.2 Ethanol und Ethyl-Tertir-Butylether (ETBE) ............................................... 5

    2.3 Kurzbeschreibung weiterer Biokraftstoffe (Biodiesel, Pflanzenl, BtL,Biogas, Wasserstoff)....................................................................................... 7

    2.4 Produktionsmengen ........................................................................................ 8

    2.5 Politische Rahmenbedingungen ................................................................... 10

    3 kobilanzen ................................................................................................ 12

    3.1 Einleitung ..................................................................................................... 12

    3.2 CO2-Studie, FVV.......................................................................................... 12

    3.3 Innovationen bei der Bioethanolerzeugung und ihre Auswirkungen aufEnergie- und Treibhausgasbilanzen, Schmitz............................................... 21

    3.4 Well-to-Wheels-Report, CONCAWE/EUCAR/JRC.................................... 23

    3.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen................................................. 26

    4 Literaturliste ............................................................................................... 30

    5 Anhang ........................................................................................................ 33

    5.1 A 1: Literaturverzeichnis CO2-Studie........................................................... 33

    5.2 A 2: Publikationen, die in der CO2-Studie nicht analysiert werden, weil..... 375.2.1 keine Primrdaten aufgefhrt werden........................................................... 375.2.2 aktuellere Publikationen der gleichen Autoren vorliegen ............................ 385.2.3 keine Primrdaten, sondern ausschlielich Daten anderer Autoren

    betrachtet werden.......................................................................................... 385.2.4 sie nicht mehr auf dem aktuellen Stand sind (1995 und lter) ..................... 395.2.5 sonstige Begrndungen vorliegen ................................................................ 40

    5.3 A 3: Literaturlisten Innovationen bei der Bioethanolerzeugung und ihreAuswirkungen auf Energie- und Treibhausgasbilanzen ............................. 42

    5.3.1 12 Studien, die genauer analysiert wurden................................................... 425.3.2 berblick ber ausgeschlossene Studien...................................................... 43

    5.4 A 4: Executive Summary Well-to-Wheels-Report (Auszug) ....................... 44

    6 Abkrzungsverzeichnis .............................................................................. 47

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    1 EinleitungDie vorliegende Literaturexpertise kobilanz von Bioethanol entstand im Rahmeneines Dialogprojektes von Germanwatch zum Thema Ser Sprengstoff fr die ent-wicklungspolitische und kologische Debatte, das von Mrz 2005 bis Oktober 2006durchgefhrt wird. Vor dem Hintergrund der anstehenden gravierenden Vernderungen inder europischen Zuckerwirtschaft, die hochrelevant fr die Bauern hier und im Sden,fr die Zuckerindustrie und fr die Umwelt sind, untersucht die Nord-Sd-Initiative Ger-manwatch am Beispiel von Nordrhein-Westfalen die mit der Reform der Zuckermarkt-ordnung der Europischen Union (ZMO) einhergehenden kologisch-sozialen Auswir-kungen in Deutschland, aber auch die Auswirkungen der berproduktion von Zucker aufEntwicklungslnder. Gemeinsam mit den Betroffenen (Stakeholder) werden geeigneteLsungsmglichkeiten errtert.

    Es stellt sich u.a. die Frage, ob die Verwendung von Ethanol aus Zuckerrben/-rohr einekologisch und sozial wnschenswerte Alternative fr die Zuckerbauern im Sden und inDeutschland ist? Die hohen lpreise, die absehbaren Konflikte um l und den Druck,mehr fr den Klimaschutz zu tun, haben weltweit massiv die Alternative Ethanol auf derBasis von Zuckerrohr bzw. -rben, Mais etc. als Ersatz fr l, aber auch in der Elektrizi-ttserzeugung forciert. Der Preis fr Ethanol ist sprunghaft gestiegen und viele erwarteneinen weiteren Anstieg. Die Vereinten Nationen, die G8 und die Europische Union set-zen politische Programme zum vermehrten Einsatz von Bio-Sprit (u.a. Ethanol) um. DasBeispiel Brasilien zeigt, dass die Produktion von Bioethanol in den Lndern des Sdenszum Wirtschaftsfaktor werden kann und zudem hilft, die Abhngigkeit von Erdlimpor-ten zu reduzieren.

    Sinnvoll ist die Produktion von Bioethanol allerdings nur, wenn die kobilanz stimmtund weder konomische noch soziale Kriterien dagegen sprechen. Die vorliegende Lite-raturexpertise gibt einen berblick ber vorhandene kobilanzstudien zu Ethanol. Dadiese sehr zahlreich sind, sind vor allem Studien identifiziert worden, die einen gutenberblick geben und zudem neueren Datums sind. In Kapitel 3 werden sie im Einzelnenvorgestellt. Am Ende des Kapitels findet sich eine Zusammenfassung der Ergebnisse undes wird den Fragen nachgegangen, welche Chancen die Bioethanol-Produktion in Nord-rhein-Westfalen, Deutschland bzw. der Europischen Union hat und wie Entwicklungs-lnder von der Bioethanol-Produktion profitieren knnen. Kapitel 2 enthlt grundlegendeErkenntnisse ber die Produktion von Bioethanol und anderen handelsblichen Biokraft-stoffen. Informationen ber Produktionsmengen und -Standorte sowie ein berblick berdie wichtigsten politischen Rahmenbedingungen der Ethanol-/Biokraftstoffproduktionfinden sich am Ende von Kapitel 2.

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    2 Biokraftstoffe - Grundlagen

    2.1 BiokraftstoffeVon allen regenerativen Kraftstoffen weist Bioethanol1 weltweit die grte Verbreitungauf. Bioethanol kann Ottokraftstoffe, also Benzin und Superkraftstoffe, ersetzen, whrendPflanzenl und Biodiesel fr Dieselmotoren geeignet sind. Bioethanol kommt vor allemin unterschiedlichen Mischungsanteilen mit Ottokraftstoff zum Einsatz. Zu den Biokraft-stoffen zhlt man auch Methan aus Biogas oder die in der Entwicklung befindlichenSynthese- oder BTL-Kraftstoffe (vom Englischen: biomass-to-liquid).

    Biokraftstoffe kommen der Automobil- und Minerallindustrie sehr entgegen, da sieBenzin und Diesel in vielen Parametern hneln und in hochentwickelten Verbrennungs-motoren mit verhltnismig einfachen Anpassungsmanahmen eingesetzt werden kn-nen. Abgesehen von Biomethan, das dieselbe chemische Zusammensetzung wie Erdgashat, sind Biokraftstoffe flssig und damit leicht zu speichern und ber das bestehendeTankstellennetz verteilbar. Sie verfgen ber eine hnlich hohe Energiedichte wie kon-ventionelle Kraftstoffe und engen die Reichweite der Fahrzeuge demzufolge nicht ein.

    Bei der Verbrennung von biogenen Kraftstoffen wird CO2 frei - dies jedoch nur in derMenge, in der es die pflanzlichen Rohstoffe zuvor im Wachstum aus der Atmosphregebunden haben. Die CO2-Bilanz ist damit weitgehend neutral. Obwohl zur Herstellungdes Bio-Kraftstoffs Energie aufgewendet wird, die in der Regel aus fossilen Quellenstammt, knnen im Vergleich zur Verbrennung von Diesel- und Ottokraftstoffen groeMengen CO2 eingespart werden. Biogene Kraftstoffe leisten so einen entscheidendenBeitrag zum Klimaschutz. Ihr langfristiger Einsatz kann jedoch nur als kologisch be-zeichnet werden, wenn im Verkehrssektor sowohl die Energieeinspar- als auch die Ener-gieeffizienzpotenziale genutzt werden und auch die kobilanz positiv ausfllt.

    2.2 Ethanol und Ethyl-Tertir-Butylether (ETBE)Bioethanol

    Bioethanol ist ein Alkohol und kann aus Zuckerrben, Zuckerrohr, Getreide, Kartoffelnund anderen organischen Grundstoffen wie Holz oder Stroh gewonnen werden. Der E-nergiegehalt von Ethanol betrgt nur etwa zwei Drittel des Energiegehalts von Ottokraft-stoff2. Das fhrt besonders bei modernen Fahrzeugen mit komplexer Regelungstechnik zuentsprechenden Mehrverbruchen. Auf der anderen Seite hat Ethanol bessere Verbren-nungseigenschaften. Es erhht die Oktanzahl und fhrt ber eine hhere Kompression desMotors zu einer Wirkungsgradverbesserung.

    In Brasilien wird Ethanol vor allem aus Zuckerrohr und in den USA aus Mais produziert.In Europa sind dagegen Weizen und Zuckerrben die wichtigsten Rohstoffe. In Deutsch-land hat traditionell auch die Kartoffel eine groe Bedeutung fr die Ethanolerzeugung.Die Hlfte des von der Bundesmonopolverwaltung fr Branntwein bernommenen Etha-nols kommt aus kleinen landwirtschaftlichen Brennereien, die auf Kartoffelbasis arbeiten.Die groen modernen Ethanolanlagen verarbeiten berwiegend Getreide. Groe Hoff-

    1 Als Bioethanol bezeichnet man Ethanol, das ausschlielich aus regenerativer Biomasse hergestellt wurde.

    Chemisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen Bioethanol und anders hergestelltem Ethanol.2 Die unteren Heizwerte betragen 21,06 MJ/l bzw. 35,7 MJ/l.

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    nungen werden auf die Bioethanolgewinnung aus Lignozellulose gesetzt, die gegenwrtignoch nicht grotechnisch erprobt ist. Gegenstand intensiver Forschungsbemhungen sinddie Erhhung der Ethanolausbeute aus Getreideganzpflanzen, die Optimierung derFruchtfolge sowie der Einsatz von mehrjhrigen Energiepflanzen zur Kraftstofferzeu-gung.

    Aus chemischer Sicht gibt es hinsichtlich der Beimischung von Bioethanol zu Benzinkeine Beschrnkung. In Deutschland ist gem der DIN EN 228 eine 5-prozentige Beimi-schung zu Ottokraftstoffen durch die Minerallhersteller zulssig (E05). Normale Ben-zinmotoren knnen ohne Modifikation mit E10, d.h. 10 % Ethanol betrieben werden, dasin den USA grtenteils eingesetzt wird. In Brasilien ist die Beimischung von 25 % Etha-nol ins Normalbenzin bereits Pflicht. Nach kostengnstiger Umrstung knnen auch ge-whnliche Fahrzeuge mit E25 fahren. Weltweit bedeutender ist die Zumischung von85 % Bioethanol. Das sogenannte E85 kann nicht in gewhnlichen Motoren eingesetztwerden. Dazu sind speziell entwickelte Motoren notwendig, die in der Lage sind, zwi-schen verschiedenen Mischungsverhltnissen umzuschalten (Flexible-Fuel-Vehicles).Diese Motorentechnik ist ebenso wie reine Ethanolmotoren bereits technischer Standardin Schweden und Brasilien. Flexible-Fuel-Vehicles (FFV) sind zuerst fr den brasiliani-schen und den US-amerikanischen Markt entwickelt worden. In Europa fahren lediglichin Schweden eine nennenswerte Menge von Autos mit Bioethanol. FORD hat im vergan-genen Jahr als erster Hersteller zwei FFV-Modelle in den deutschen Markt eingefhrt(Schneider 2005, 10). Die Markteinfhrung von Bioethanol erfolgte hierzulande nur lang-sam. In jngster Zeit kann eine dynamischere Entwicklung beobachtet werden. Bei-spielsweise ist die Zahl der Ethanoltankstellen in Deutschland von einigen wenigen imJahr 2005 auf ca. 40 Mitte 2006 angewachsen (s. www.e85.biz). Die von der Bundesre-gierung geplante Beimischungspflicht zum Ottokraftstoff kann diesen Prozess beschleu-nigen.

    Das wesentlichste Hemmnis fr die Verbreitung von Bioethanol als Kraftstoff ist derDampfdruck. In Beimischungen von unter 5 % fhrt eine Ethanolbeimischung zu einergeringfgigen Erhhung des Dampfdruckes des Benzin-Ethanolgemisches. Vor allem beihohen sommerlichen Temperaturen knnte dies dazu fhren, dass die Vorgaben der 10.BImSchV nicht eingehalten wrden. Technisch liee sich dieses Problem lsen durcheine konstante Beimischung durch die Mitglieder des Tauschkreises deutscher Raffine-rien oder die Entfernung von Komponenten mit hohem Dampfdruck bereits beim Raffi-nationsprozess, d.h. vor der Beimischung von Ethanol. Die damit verbundenen hherenKosten scheuen die Raffinerien jedoch. Auch eine rechtliche Lsung wre denkbar.

    Ethyl-Tertir-Butylether (ETBE)

    Ethanol lsst sich mittels einer chemischen Synthese in Ethyl-Tertir-Butylether (ETBE)umwandeln. ETBE besteht zu 47 % aus Ethanol und zu 53 % aus dem fossil gewonnenenIsobuten. Es darf nach DIN EN 228 als Oktanzahlverbesserer Ottokraftstoffen bis zu15 % beigemischt werden und kann das bisher verwendete und aus Methanol hergestelltefossile Antiklopfmittel Methyl-Tertir-Butylether (MTBE) ersetzen. Bisher machen vorallem Frankreich und Spanien, aber in jngster Zeit auch Deutschland davon Gebrauch(ObservER 2004, 46). Bestehende MTBE-Anlagen knnen ohne groen Aufwand alsETBE-Anlagen genutzt werden, da lediglich von der Herstellung eines Ethers auf einanderes Ether umgestellt werden muss. Im Gegensatz zur Ethanolbeimischung bestehenhier keine grundstzlichen technischen Probleme, denn Ether sind als sauerstoffhaltigeKraftstoffkomponenten gut mit Kohlenwasserstoffen mischbar, weisen keine Dampf-

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    druckanomalie wie Ethanol auf und sind wenig wasseranziehend. (Schmitz u.a. 2003,156ff)

    2.3 Kurzbeschreibung weiterer Biokraftstoffe (Biodiesel,Pflanzenl, BtL, Biogas, Wasserstoff)

    Neben Ethanol und Ethyl-Tertir-Butylether gehren auch Biodiesel und Pflanzenle zuden derzeit im Einsatz befindlichen Biokraftstoffen. Im Folgenden werden sie kurz be-schrieben. Auf einige heute noch nicht grotechnisch hergestellte Biokraftstoffe mit gro-em Entwicklungspotenzial wie Biogas, Biomass-to-Liquid (BtL) oder Wasserstoff wirdam Ende des Kapitels kurz eingegangen.

    Biodiesel

    Biodiesel (FAME - Fatty Acid Methylester) ist seit Jahren ein marktgngiger Treibstoff,der berwiegend durch Umesterung mittels Methanol von Pflanzenlen, aber auch aussekundren Rohstoffen, wie recycelten len oder Fetten, hergestellt wird. In Europa, dasden grten Markt darstellt, wird Biodiesel berwiegend aus Raps (RME - Rapslme-thylester) und in deutlich geringerem Umfang auch aus Sonnenblumen, recyceltem Pflan-zenl sowie Tierfett bzw. Altspeisefetten und -len hergestellt. In Nordamerika sind dieAusgangsstoffe vor allem Sojabohnen und in kleineren Mengen Canola. In Sdostasienwird Biodiesel aus Palml und in geringem Umfang auch aus Kokosnussl produziert.

    Biodiesel lsst sich in reiner oder beigemischter Form in Dieselfahrzeugen verwenden.Laut Dieselkraftstoffnorm DIN EN 590, die 2004 in Kraft trat, drfen fossilem Diesel biszu 5 % Biodiesel beigemischt werden. Etwa 1900 Tankstellen bieten in Deutschland Bio-diesel an (BMU 2006a, 11).

    Reines Pflanzenl

    Reines Pflanzenl wird derzeit nur in geringen Mengen als Kraftstoff genutzt. In denUSA wird berwiegend Sojal eingesetzt, whrend in Deutschland vor allem dezentralgepresstes Rapsl Verwendung findet. Grundstzlich knnen auch andere Pflanzenle alsKraftstoff genutzt werden. Probleme bereitet manchmal die Sicherung einer gleichblei-bend hohen Kraftstoffqualitt. Sie ist jedoch eine wesentliche Nutzungsvoraussetzung. Dadas l nur einen kleineren Anteil der l-Pflanzen ausmacht, ist die Nutzung der brigenPflanzenteile ebenfalls von groer Bedeutung. Beispielsweise wird der nach dem Heraus-pressen der lanteile verbleibende sogenannte Presskuchen als hochwertiges Viehfutterverwendet.

    Biomass-to-Liquid (BtL)

    BtL-Kraftstoffe (Biomass-to-Liquid, deutsch: Biomasse zu Flssigkeit) bezeichnet flssi-ge Kraftstoffe, die aus Biomasse synthetisiert werden. Sie werden vor allem aus ligno-zellulosehaltigen festen Materialien wie Stroh und Holz hergestellt. Es knnen aber auchandere Biomasserohstoffe vergast werden. Da die gesamte Biomasse genutzt wird, ist derHektar-Ertrag bedeutend hher als bei der 1. Generation von Biotreibstoffen (Bioethanolund Biodiesel), die aus Feldfrchten gewonnen werden. BtL-Kraftstoff wird auch Synfueloder Sunfuel genannt.

    Zunchst werden die biogenen Ausgangsstoffe zu einem Synthesegas umgewandelt, ausdem sich dann verschiedene Kraftstoffsorten erzeugen lassen (Designerkraftstoffe). Diesesind zu 100 % und ohne Umstellung in herkmmlichen Motoren einsetzbar, knnen aberauch vollkommen neu entwickelt und auf moderne Motoren abgestimmt werden. Da BtL-Kraftstoffe keine zustzliche Infrastruktur bentigten, frdert die Minerall- und Auto-

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    mobilindustrie ihre Entwicklung. Derzeit liegt der Schwerpunkt der BtL-Entwicklung beider Entwicklung und Herstellung von Dieselkraftstoffen, die unter den HandelsnamenSunDiesel oder Eco-Par vertrieben werden.

    Biogas

    Biogas besteht hauptschlich aus Methan und Kohlenstoffdioxid. Der wertgebende, ener-getisch genutzte Anteil ist das Methan. Biogas wird berwiegend aus Glle mit Hilfe vonKofermenten biogenen Ursprungs durch anaerobe Vergrung gewonnen. Hauptschlichwird Biogas in Blockheizkraftwerken (BHKW) zur gekoppelten Strom- und Wrmeer-zeugung eingesetzt. Die Steuerermigung auf Erdgas behindert derzeit die Nutzung vonBiogas als Kraftstoff, da der finanzielle Anreiz durch die Steuerbefreiung fr Biogas imVergleich zum fossilen Pendant gering ausfllt. Auf die Qualitt von Erdgas aufbereitetesBiogas kann durch das Erdgasnetz durchgeleitet oder direkt in Gasautos als Kraftstoffverwendet werden. Dies gilt auch fr zu Flssiggas (Propan, Butan) weiterverarbeitetesBiogas.

    Wasserstoff

    Wasserstoff bietet zahlreiche Vorteile gegenber konventionellen Kraftstoffen. Er knntebeispielsweise in einer Brennstoffzelle mit vergleichsweise hohem Wirkungsgrad einge-setzt werden. Das Ausgangsprodukt Wasser ist bei dem einfachsten Verfahren der Was-serstofferzeugung, der Elektrolyse, in ausreichendem Mae vorhanden, bei der Verbren-nung von Wasserstoff bilden sich nur wenig Schadstoffe, und bei seiner Erzeugung auserneuerbaren Energiequellen entstehen keine Treibhausgasemissionen; die natrlichenErdl-Ressourcen bleiben erhalten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Probleme.Wasserstoff und Sauerstoff sind unter bestimmten Voraussetzungen leicht brennbar, eineeffiziente und umweltschonende Erzeugung von Wasserstoff ist bisher nicht sicher ge-stellt und darber hinaus ist die notwendige Infrastruktur noch nicht vorhanden. Die Wir-kungsgrade von Fahrzeugen mit wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotoren liegenderzeit fr Neufahrzeug bei 26 %. Brennstoffzellenprototypfahrzeuge erreichen schonheute Fahrzeugwirkungsgrade von ber 37 % (Bundesregierung 2004, 22). Fr eine be-deutsame Markteinfhrung bedarf es jedoch einer weiteren Kostenreduktion.

    Das blichste Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff aus Biomasse ist die Biomasse-vergasung. Sie kann bei geringeren Temperaturen als Kohlevergasung stattfinden undfhrt zu einem wasserstoffreichen Synthesegas. Verschiedene Vergasertypen und -verfahren stehen fr die Wasserstoffproduktion bereit. Die Vergasung von Biomasse isteine der energieeffizientesten Erzeugungspfade fr Wasserstoff und kommt als Brcken-technologie fr die Einfhrung einer Wasserstofftechnologie in Frage. Weitere Mglich-keiten der Herstellung von Wasserstoff aus Biomasse ist die Vergrung (Biogas), dieFermentation von wasserstoffhaltigen Zwischenprodukten, die Pyrolyse sowie die Was-serstoffgewinnung aus Algen.

    2.4 Produktionsmengen

    Bioethanol macht mit 90 % den Hauptanteil der weltweiten Biokraftstofferzeugung aus,die brigen 10 % entfallen auf Biodiesel (BMU, Worldwatch Institute, GTZ 2006, 4). Beiden Biokraftstoffen lie sich in den vergangenen Jahren eine dynamische Entwicklungbeobachten. Noch in den 90er Jahren beispielsweise betrug die Ethanolproduktion 15-20 Mrd. Liter, um sich bis zum Jahr 2005 auf 36 Mrd. Liter in etwa zu verdoppeln (Flavin2006, 4). Die bedeutendsten Produktions- und auch Exportlnder sind Brasilien und dieUSA. Sie vereinen 59 % bzw. 36 % der Bioethanol-Produktion auf sich (WI 2005, 13).

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    Die grten Importeure sind Japan und die Europische Union (BMU, Worldwatch In-stitute, GTZ 2006, 5). Im Gegensatz zum Biodieselmarkt, der zu 95 % von Europa - undnamentlich Deutschland - dominiert wird, spielt die Europische Union im Bioethanol-markt nur eine untergeordnete Rolle (WI 2005, 11ff). Im Jahr 2004 betrug die Produkti-onsmenge in der EU-25 weniger als 500.000 Tonnen Bioethanol. Davon entfielen aufSpanien 40 %, Frankreich 21 %, Schweden 11 % und auf Polen 7 % (ObservER 2004,46). Es ist jedoch zu erwarten, dass durch die Reform der Zuckermarktordnung, diejngsten Aktivitten der Europischen Union zur Frderung des Biokraftstoffsektors, dieWTO- sowie Mercosur-Verhandlungen eine erhebliche Umstrukturierung des Bioetha-nolmarktes erfolgen wird.

    Auch in Deutschland verzeichneten die Biokraftstoffe ein deutliches Wachstum. Der Ab-satz stieg von 1,1 Mio. Tonnen im Jahr 2004 auf 2,2 Mio. Tonnen im Jahr 2005. Hierdominiert nach wie vor der Absatz von Biodiesel (2005: 1,8 Mio. t). 2005 sind jedocherstmals auch nennenswerte Mengen an Bioethanol (0,22 Mio. t) und Pflanzenl(0,19 Mio. t) zu verbuchen gewesen (s. Abbildung 1, BMU 2006a, 11). Die Produktions-kapazitten fr Bioethanol betragen nach Fertigstellung dreier im Bau befindlichen Anla-gen sowie einer Erweiterung ber 800.000 Tonnen pro Jahr (FNR 2006b). UnsichereRahmenbedingungen sowie hohe Lager- und Logistikkosten werden dafr verantwortlichgemacht, dass keine der neuen Bioethanolanlagen Zuckerrben als Rohstoffbasis ver-wendet (Schmitz in Germanwatch / Lanje, Bernhardt, Zenker 2005: 33). Der Anteil derBiokraftstoffe am Endenergieverbrauch bezogen auf den gesamten Straenverkehr stieg von 2000 bis 2005 von 0,4 % auf 3,6 % (BMU 2006a, 7). Im Jahr 2005 entsprachdies einer Minderung von 7,5 Mio. Tonnen CO2. Im Vergleich dazu betrugen die vermie-denen Emissionen durch die Nutzung erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung58 Mio. Tonnen bzw. bei der Wrmebereitstellung 18,4 Mio. Tonnen (BMU 2006b, 22).

    Abbildung 1: Entwicklung der Energiebereitstellung biogener Kraftstoffe in Deutsch-land (BMU 2006b, 18)

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    2.5 Politische RahmenbedingungenIn diesem Kapitel wird kurz auf die wichtigsten politischen Rahmenbedingungen einge-gangen, die zum Verstndnis des Biokraftstoffmarktes in Deutschland und Europa vonBedeutung sind.

    Bereits in ihrem Weibuch fr Erneuerbare Energien aus dem Jahr 1997 hat sich die Eu-ropische Kommission zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am ge-samten Bruttoinlandsverbrauch (Primrenergieverbrauch) bis 2010 auf 12 % zu steigern(KOM 1997, 11). Die Europische Kommission hat in diesem Zusammenhang auch Zielefr die einzelnen erneuerbaren Energietrger formuliert. Das Ziel fr Biomasse fr dasJahr 2010 betrgt 135 Mio. t Rohlquivalent/a (5628 PJ/a) (KOM 1997, 58). Eine Diffe-renzierung nach biogenen Festbrennstoffen, Biokraftstoffen und Biogas erfolgte nicht.Diese Ziele bilden bis heute die Grundlage fr die Manahmen der Europische Kommis-sion zur Erhhung des Anteils der Biokraftstoffnutzung.

    Die am 8.10.2003 beschlossene Richtlinie zur Frderung der Verwendung von Biokraft-stoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor (Biokraftstoff-Richtlinie, 2003/30/EG) sieht eine sukzessive Steigerung des Mindestanteils von Bio-kraftstoffen an allen verkauften Kraftstoffen von 2 % im Jahr 2005 auf 5,75 % im Jahr2010 vor. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, der Kommission jhrlich Frderma-nahmen und Biokraftstoffabsatz zu melden. Sollten sie die Ziele verfehlen, kann die EUeinzelstaatliche Ziele verbindlich vorschreiben. Nicht durchsetzbar war die Vorgabeverpflichtender Mengenziele sowie die Zwangsbeimischung von Biokraftstoffen zu her-kmmlichen Kraftstoffen. (IE 2005, 4). Deutschland plant im Rahmen eines Biokraft-stoffquotengesetzes zum 01.01.2007 eine Zumischungspflicht fr Bioethanol einzufh-ren.

    Zur Erreichung dieser Ziele sind flankierende Manahmen notwendig. Deshalb hat dieEU am 27.10.2003 die Richtlinie zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmen-vorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischen Strom (Energie-steuer-Richtlinie, 2003/96/EG) beschlossen. Sie erlaubt den Mitgliedsstaaten, unter be-stimmten Bedingungen alle Biokraftstoffe von der Minerallsteuer zu befreien. DieseRegelung gilt sowohl fr Reinkraftstoffe als auch anteilig fr die Zumischung biogenerKomponenten zu fossilen Kraftstoffen. Dabei darf es jedoch nicht zu einer berkompen-sation kommen. In Deutschland sind biogene Reinkraftstoffe bereits seit den 1990er Jah-ren von der Minerallsteuer befreit. Zum 1.1.2004 trat mit der nderung des Mineral-lsteuergesetzes auch die Steuerbefreiung von Beimischungen bis 2009 in Kraft. Um eineberfrderung zu verhindern, hat die Bundesregierung in diesem Jahr im Rahmen desEnergiesteuergesetzes, das das Minerallsteuergesetz ablst, fr Biodiesel und Pflanzen-le eine Besteuerung eingefhrt.

    Die Richtlinie ber die Qualitt von Otto- und Dieselkraftstoffen vom 13.10.1998(98/70/EG) sowie die jeweils gltigen Kraftstoffnormen (z.B. DIN EN 228) begrenzendie Hhe der Beimischung (s. Kap. 2.2. und 2.3). Da diese Grenzwerte der breiterenVerwendung von Biokraftstoffen im Wege stehen, plant die Europische Kommissionz.B. die Grenzwerte fr den Ethanolgehalt noch in diesem Jahr aufzuheben (KOM2006c). Diese und weitere Manahmen zur Frderung der Biomasse-Nutzung und insbe-sondere von Biotreibstoffen, wie z.B. die Einfhrung eines Zertifizierungssystems fr dieBereitstellung der Rohstoffe oder die Bevorzugung der Biokraftstoffe der 2. Generation

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    (z.B. synthetische Biotreibstoffe)3, sind Gegenstand des Aktionsplan fr Biomasse vomDezember 2005 (KOM 2005) sowie der EU-Strategie fr Biokraftstoffe vom Februar2006 (KOM 2006b).

    Ziel des Gesetzes fr den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29.03.2000 (EEG - Er-neuerbare-Energien-Gesetz) ist die Frderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien zurStromerzeugung und die Erhhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromver-sorgung in Deutschland (bis 2010 12,5% und bis 2020 20%). Gemeinsam mit der Ver-ordnung ber die Erzeugung von Strom aus Biomasse vom 21.06.2001 (BiomasseV -Biomasse-Verordnung) wurden damit die Grundlagen fr einen verstrkten Ausbau derStromerzeugung bzw. der gekoppelten Strom- und Wrmebereitstellung auf Biomasseba-sis geschaffen. Mit der jngsten Novellierung des EEG im August 2004 erhlt die Stro-merzeugung aus Biomasse zustzliche Anreize zum Einsatz insbesondere naturbelassenerBiomassen, innovativer Technologien und der Kraft-Wrme-Kopplung (KWK). Der Ein-satz von KWK ist in landwirtschaftlichen Brennereien aufgrund der relativ kleinen Kapa-zitten bereits heute mit bewhrter Technik mglich. Bei Bioethanolanlagen im indus-triellen Mastab ist dies mit herkmmlicher Technik bislang nicht mglich und erfordertinnovative Verfahren (Schmitz in Germanwatch / Lanje, Bernhardt, Zenker 2005, 31).Im Wrmebereich frdert das Marktanreizprogramm fr erneuerbare Energien derBundesregierung Investitionen in die Errichtung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarerEnergien.

    Der europische Rat beschloss am 20.02.2006 u.a. die Verordnung ber die gemeinsameMarktorganisation fr Zucker (318/2006). Kernpunkte der Zuckermarktreform sind eineKrzung des garantierten Mindestpreises fr Zucker um 36 %, grozgige Ausgleichs-zahlungen an die Landwirte sowie ein Umstrukturierungsfonds als Anreiz fr wettbe-werbsschwchere Zuckerhersteller, aus der Produktion auszuscheiden. Fr den Anbauvon Zuckerrben zur Erzeugung von Bioethanol gelten auch knftig keine Quoten. DieKommission wird ihren Vorschlag wiederholen, auf den Anbau von Zuckerrben zurBioethanolproduktion sowohl die Regelung fr den Anbau von nachwachsenden Rohstof-fen (Non-Food-Erzeugnisse) auf stillgelegten Flchen als auch die Energiepflanzenpr-mie anzuwenden. (KOM 2006c, 6)

    3 Bei der Herstellung von Biokraftstoffen der 2. Generation werden nicht nur Pflanzenteile, sondern die

    ganzen Pflanzen genutzt. Sie verfgen ber eine wesentlich bessere CO2-Effizienz als Biokraftstoffe der1. Generation.

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    3 kobilanzen

    3.1 EinleitungEinen guten berblick ber die zahlreichen Studien, die die Umweltwirkungen von Bio-kraftstoffen untersucht und Abschtzungen zu den Kosten- und Mengenpotenzialen vor-genommen haben, gibt die Studie CO2-neutrale Wege zuknftiger Mobilitt durch Bio-kraftstoffe (FVV 2004). Sie wurde 2004 vom IFEU-Institut im Auftrag der Forschungs-vereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV) erstellt und bercksichtigt alleinternationalen, ffentlich zugnglichen Publikationen. In Kapitel 3.2 sind die wichtigstenErgebnisse fr Ethanol dargestellt. Im Anhang befindet sich eine Liste der in diese Unter-suchung einbezogenen Studien (s. A 1), aber auch eine Liste von Studien, die aus unter-schiedlichen Grnden (z.B. keine Primrdaten, ltere Publikationen der gleichen Autor/-innen) vom IFEU-Institut nicht bercksichtigt wurden (s. A 2).

    Ergnzend sind in Kapitel 3.3 die Ergebnisse einer neueren Untersuchung aus dem Jahr2005 zu Bioethanol dargestellt. Ziel der von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung vonNorbert Schmitz vom me Consulting Team erstellten und vom Bundesministerium frVerbraucherschutz, Ernhrung und Landwirtschaft (BMVEL) gefrderten UntersuchungInnovationen bei der Bioethanolerzeugung und ihre Auswirkungen auf Energie- undTreibhausgasbilanzen war die Aufstellung und Bewertung von Energie- und Treibhaus-gasbilanzen fr die Bioethanolerzeugung mit neuen Verfahren und Technologien. DiePrimrerhebung erfolgte auf der Basis einer systematischen Analyse vorliegender Studienzu Energie- und Treibhausgasbilanzen. Im Anhang sind die in die Untersuchung einbezo-genen sowie die zwlf fr die Fragestellung als besonders relevant ausgewhlten Studiendokumentiert (s. A 3).

    Im politischen Kontext ist auch eine Well-to-Wheel-Untersuchung des europischenUmweltverbandes der Minerallwirtschaft (CONCAWE), des europischen Verbandesfr Fahrzeugforschung und -entwicklung (EUCAR) und der Generaldirektion Joint Re-search Centre (JRC) der Europischen Kommission von Bedeutung (CONCAWE, EU-CAR, JRC 2006). Die Studie, die erstmals im Dezember 2003 erschien und deren zweiteAuflage krzlich vorgelegt wurde (Mai 2006), bewertet alternative Kombinationen vonAntrieben und Kraftstoffen hinsichtlich des Energieaufwandes, der Treibhausgasemissio-nen und der Kosten fr Herstellung und Nutzung des Kraftstoffs. In Kapitel 3.4 sind diewesentlichen Ergebnisse fr Ethanol zusammengefasst sowie Kernaussagen zu flssigenBrennstoffen und allgemeinen Erkenntnissen der Studie dokumentiert. Der englischeOriginaltext kann in Auszgen im Anhang nachgelesen werden (s. A 4).

    3.2 CO2-Studie, FVVZiel der Studie CO2-neutrale Wege zuknftiger Mobilitt durch Biokraftstoffe, die2004 vom IFEU-Institut vorgelegt wurde, ist es, wissenschaftlich belastbare Aussagenber die Energie- und Treibhausgasbilanzen sowie ber die weiteren Umweltwirkungen,Kosten- und Potenzialabschtzungen von Biokraftstoffen zu erhalten und den For-schungsbedarf zu identifizieren. In dem von der FVV, der Union zur Frderung von Oel-und Proteinpflanzen e. V. und der Forschungsvereinigung Automobiltechnik e. V. gefr-derten Vorhaben wurden internationale Publikationen zu den jeweiligen Themenfeldernanalysiert und miteinander verglichen. Das IFEU-Institut stellte fest, dass die Ergebnisseund Schlussfolgerungen der einzelnen Forschungsgruppen bisweilen betrchtlich differie-

  • kobilanz von Bioethanol 13

    ren und nicht immer einen direkten Vergleich zwischen den unterschiedlichen Biokraft-stoffoptionen zulassen. Aus diesem Grunde wurden fr die Energieaufwendungen, dieTreibhausgasemissionen sowie die Kosten fr die Bereitstellung von Biokraftstoffen fralle Biokraftstoffe - untergliedert nach der jeweiligen Rohstoffbasis wie z. B. Bioethanolaus Weizen - durch Anpassung, Neuberechnung oder gegebenenfalls Neueinschtzungder Einzelergebnisse der analysierten Studien entsprechende Bandbreiten abgeleitet.

    Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie insbesondere in Bezug zu Ethanol undETBE zusammengefasst.

    Energie- und Treibhausgasbilanzen von Biokraftstoffen

    Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse der Energie- und Treibhausgasbilanzen der analysiertenBiokraftstoffe im Vergleich zu den fossilen Kraftstoffpendants in GJ eingesparte Primr-energie pro Hektar und Jahr bzw. in Tonnen eingesparte CO2-quivalente pro Hektar undJahr. Die negativen Werte bedeuten Vorteile fr die Biokraftstoffe, da in diesem FallPrimrenergie bzw. CO2-quivalent-Emissionen im Gesamtvergleich eingespart werden.Am Nullpunkt sind die CO2-Emissionen ber den gesamten Lebenswegvergleich Bio-kraftstoff minus fossiler Kraftstoff ausgeglichen. Bioethanol wurde mit Ottokraftstoffund ETBE wurde mit fossilem MTBE verglichen.

    Die eingesparte Primrenergie und die vermiedenen Treibhausgasemissionen korrelierenbei den in Abbildung 2 dargestellten Bioethanolen, ETBE, Biodiesel und Pflanzenlenjeweils untereinander sehr eng, so dass die Aussagen bezglich der Primrenergie in glei-chem Mae fr die eingesparten Treibhausgasemissionen gelten.

    Die Energie- und Treibhausgasbilanzen der betrachteten Biokraftstoffe aus Anbaubio-masse im Vergleich zu den fossilen Kraftstoffpendants fallen bei allen Autoren zugunstender Biokraftstoffe aus. Dies gilt nach Auffassung der Autoren uneingeschrnkt, obwohlvereinzelte Studien zum entgegengesetzten Schluss kommen (vgl. z.B. Pimentel 2003).Die Vorteile bezglich der eingesparten Primrenergie und der vermiedenen Treibhaus-gasemissionen pro Hektar sind von allen analysierten Bioethanolen am hchsten, wennfossiler Ottokraftstoff durch Bioethanol aus Zuckerrohr ersetzt wird. Dies lsst sich vorallem auf den hohen Ethanolertrag von 7.000 l / ha zurckfhren. Die zweitgrten Vor-teile weist Bioethanol aus Zuckerrben auf. Auch hierfr ist der vergleichsweise hoheEthanolertrag von ca. 6.000 l / ha mitverantwortlich. Die groe Schwankungsbreite resul-tiert aus den unterschiedlich veranschlagten Zuckerrbenertrgen.

    Die Vorteile der Bioethanolproduktion aus Zuckerrohr gelten jedoch nicht in allen geo-graphischen Rumen der Erde, da der Zuckerrohranbau nur unter tropischen Klimabedin-gungen mglich ist. hnlich verhlt es sich mit dem Anbau von Zuckerrben, die in dengemigten Zonen angebaut werden. Zuckerrben stellen besonders hohe Ansprche anden Boden.

    Solange durch ETBE das fossile MTBE substituiert wird, fllt der Vergleich zwischenETBE und Biodiesel bezogen auf die eingesparte Primrenergie gnstiger fr ETBE aus.Bei den vermiedenen Treibhausgasemissionen kann es abhngig vom betrachteten Roh-stoff und Prozessfhrung auch gegenlufig sein.

    ETBE weist trotz des zustzlichen Prozessschrittes bei allen untersuchten Biomasseroh-stoffen Vorteile gegenber Bioethanol auf. Das gilt auch hier solange ETBE fossilesMTBE ersetzt. Die Ursache dafr ist, dass ETBE das mit relativ hohem Energieaufwandzu produzierende MTBE ersetzt, whrend Bioethanol den im Vergleich zu MTBE gnsti-ger zu produzierenden Ottokraftstoff ersetzt.

  • 14 Germanwatch

    Abbildung 2: Energie- und Treibhausgasbilanzen der analysierten Biokraftstoffe imVergleich zu den fossilen Kraftstoffpendants (FVV 2004, 23).

    Aus der Tatsache, dass ETBE Vorteile gegenber Bioethanol aufweist und Bioethanolaus Zuckerrohr von allen Ethanolen am gnstigsten abschneidet, ziehen die Autoren denSchluss, dass ETBE aus Zuckerrohr die hchsten Vorteile aufweisen wrde.

    Die Produktion von ETBE aus Zuckerrben ist die zweitgnstigste Option: Die grtenVorteile ergeben sich, wenn berdurchschnittlich hohe Zuckerrbenertrge zugrundege-legt werden.

    Beim Vergleich der Bioethanol- mit den Biodiesel-Optionen hngt es von den jeweiligenRohstoffen ab, ob Bioethanol die gnstigere Energie- und Treibhausgasbilanz aufweistals Biodiesel.

    Es ist zu beachten, dass nicht alle kobilanzstudien als reprsentativ angesehen werdenknnen. Urschlich dafr sind die Nichtbercksichtigung oder nur Teilbercksichtigungdes Treibhausgases N2O (Emission bei Dngerbereitstellung, Dngerapplikation etc.), dieNichtbercksichtigung von Kuppelprodukten oder von agrarischen Referenzsystemenbzw. Alternativverwendungen, Basisdaten, die nicht mehr den Stand der Technik wider-

  • kobilanz von Bioethanol 15

    spiegeln (Konversionstechnologie, Dngereinsatzmengen etc.) sowie die Bercksichti-gung von menschlicher Arbeit.

    Die Ergebnisse variieren zudem in Abhngigkeit der getroffenen Annahmen. GroeBandbreiten ergeben sich v.a. aus Unterschieden in den Basisdaten, den Ertrgen, derVerfahrenstechnik und in der Bewertung der Kuppelprodukte.

    Der Betriebsmitteleinsatz in der Landwirtschaft wird in den einzelnen Studien sehr unter-schiedlich bewertet. Beispielsweise reicht der Stickstoffdngereinsatz, der im Bereich derLandwirtschaft oftmals fr den erschpflichen Primrenergieaufwand, die CO2- und N2O-Emissionen hauptverantwortlich ist, in den analysierten Studien zu Bioethanol aus Wei-zen von 53 kg N/ha (Elsayed 2003) bis 195 kg N/ha (Richards 2000, 7). Neben derEinsatzmenge variiert auch der Primrenergieaufwand fr die Bereitstellung von Stick-stoffdngemitteln erheblich. In den Studien zu Bioethanol aus Mais z.B. schwankten dieWerte zwischen 70 MJ / kg N (Pimentel 2003) und 42 MJ / kg N (GM 2001).4

    Auch bei den Ertrgen gibt es eine groe Schwankungsbreite, wobei die angegebenenWerte fr die jeweiligen Bezugsrume durchaus reprsentative Werte darstellen. So lie-gen in den Studien zu Ethanol die Zuckerrbenertrge zwischen 56 t / ha (IFEU 2000,Bezug Deutschland) und 86 t / ha (IFEU 2000, Bezug Niederlande) und die Weizenertr-ge zwischen 2,7 t / ha (S&T 2003) und 9,0 t / ha (ADEME, DIREM 2002). 5

    Von groem Einfluss auf das Ergebnis kann auch das gewhlte Produktionsverfahrensein. Moderne Anlagen und geschickte Prozessfhrung sind in der Regel effizienter alsalte Anlagen und herkmmliche Produktionsweisen.

    In manchen Studien erfolgte keine Anrechnung der Kuppelprodukte (FfE 1999). In derIFEU-Studie (2002) zu Bioethanol aus Zuckerrben variierte die Zuschreibung der Pri-mrenergieaufwendungen und der Treibhausgasemissionen auf das Zielprodukt Bioetha-nol zwischen 15 und 95 %. Bei den Studien zu Bioethanol aus Weizen ergaben sich ver-gleichsweise geringe Vorteile fr Bioethanol, wenn das Gutschriftenverfahren zur An-wendung kam. Bei Anwendung des Allokationsverfahrens fielen die Vorteile fr Bio-ethanol dagegen bis zu viermal hher aus.6

    Bei begrenzt zur Verfgung stehenden Flchen ist fr Biokraftstoffe aus Anbaubiomasseder Flchenbezug von Bedeutung. Werden jedoch die Fahrleistung der mit Bio- bzw.fossilen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeuge analysiert, dann eignet sich der Kilometerbe-zug besser. Letzterer erlaubt auch einen Effizienzvergleich aller Kraftstoffe (aus Anbau-biomasse und aus Reststoffen) untereinander. Die nderung der Bezugsgre verndertin der Regel nicht die Ergebnisrichtung. Ausnahmen besttigen die Regel. So weist z.B.im Gegensatz zur flchenbezogenen Betrachtung Ethanol bei allen untersuchten Biomas-serohstoffen bezogen auf einen Kilometer Vorteile gegenber ETBE auf. Das liegt andem vergleichsweise hohen energiebezogenen Hektarertrag von ETBE.

    Beim Einsatz von organischen Abfallbiomassen wie Altspeisefetten oder Abfallholzmssen grundstzlich deren reale oder potenzielle Alternativverwendungen mit berck-sichtigt werden. Bei den bisherigen Analysen wurden diese aber meist zu Null gesetzt.Werden Abfallbiomassen zur Energiegewinnung eingesetzt, fllt dabei eine mehr oderweniger groe Gutschrift an, die die potenziellen Vorteile des Biokraftstoffes reduziert.Im Extremfall kann der Biokraftstoff durchaus auch schlechter als der fossile Kraftstoff

    4 Quellen zitiert nach FVV 2004, 21.5 Quellen zitiert nach FVV 2004, 21.6 Quellen zitiert nach FVV 2004, 21.

  • 16 Germanwatch

    ausfallen, beispielsweise wenn Sgerestholz nicht direkt energetisch genutzt wird, weildie darin enthaltene Lignocellulose mit gewissen Konversionsverlusten zu einem Bio-kraftstoff verarbeitet wird (FVV 2004, 26).

    Insgesamt liegen fr viele Biokraftstoffe eine Vielzahl von Studien zu Energie- undTreibhausgasbilanzen vor. Das IFEU-Institut nennt jedoch auch Bereiche, zu denen nurwenige bzw. gar keine entsprechenden Studien vorhanden sind. Beispielsweise msstenzur besseren Absicherung der Bandbreite fr einige Biokraftstoffe aus Anbaubiomassenoch ergnzende Analysen durchgefhrt werden. Dazu gehrt z.B. Bioethanol bzw. ET-BE aus Zuckerrohr und aus Kartoffeln. Groer Forschungsbedarf herrscht zudem zu eini-gen Biokraftstoffen aus Reststoffen.

    Weitere Umweltwirkungen von Biokraftstoffen

    Neben der Inanspruchnahme energetischer Ressourcen und Emissionen von Treibhausga-sen gibt es weitere Umweltwirkungen, die mit der Herstellung und Nutzung von Kraft-stoffen verbunden sind. Betrachtet wurden vom IFEU-Institut die fr kobilanzen bli-chen Wirkungskategorien Versauerung (SO2-quivalente SO2, NOx, NH3, HCl, HF, H2S,), Eutrophierung (PO4-quivalente NOx, NH3, NH4+, PO43, NO3) und Photosmog(C2H4-quivalente bzw. NOx-korrig. C2H4-quivalente), fr die Wirkungskategorie O-zonabbau der Einzelparameter Lachgas (N2O) sowie einige toxische Substanzen. DieAnzahl der kobilanzstudien zu den sonstigen Umweltwirkungen ist uerst gering. Hu-fig wurden nicht alle Parameter einer Wirkkategorie bercksichtigt oder die weiterenUmweltwirkungen nicht fr alle Lebenswegabschnitte betrachtet. Zum Photosmog istmeist keine Aussage mglich. Nur zwlf Studien wiesen eine vollstndige Darstellungder weiteren Umweltwirkungen auf. Sogar fr bereits auf dem Markt befindliche Bio-kraftstoffe fehlen eingehende Untersuchungen der weiteren Umweltwirkungen wie bei-spielsweise bei Bioethanol aus Zuckerrohr. Daher sind die Ergebnisse in der Regel nurqualitativ darstellbar. Die Ableitung von Bandbreiten fr die betrachteten Gren analogzur Vorgehensweise bei den Energie- und Treibhausgasbilanzen ist wissenschaftlich nichtbelastbar.

    Bei den weiteren Umweltwirkungen von Biokraftstoffen hngen die Ergebnisse viel str-ker als bei den Energie- und Treibhausgasbilanzen von den Fragestellungen und Bilanzie-rungsweisen ab. Das IFEU-Institut geht auf die Alternativverwendung bei Kraftstoffenaus Rest- oder Abfallstoffen, die Bereitstellung des Energiebedarfs, die Emissionsortbe-trachtung und die Bercksichtigung von Kuppelprodukten ein.

    Je nach Fragestellung knnen die zu betrachtenden Systemgrenzen fr denselben Bio-kraftstoff deutlich unterschiedlich ausfallen. Das gilt insbesondere, wenn organischeReststoffe oder Abflle als Rohstoffe eingesetzt werden. So kann z.B. bei der kobilanzzu Bioethanol aus Weizen das beim Weizenanbau anfallende Stroh in die Bilanz eingehenoder ein alternativer Verwendungszweck wie Energiegewinnung durch Verbrennunggegengerechnet werden.

    Der Energiebedarf fr die Konversion zum fertigen Biokraftstoff kann sowohl mit bioge-nen als auch fossilen Energietrgern gedeckt werden. Ob Strom aus dem Netz, industrie-eigene Kraft- oder Wrmebereitstellung mittels Erdgas, leichtes oder gar schweres Heizletc. zum Einsatz kommen, hat erheblichen Einfluss auf die NOx- und SO2-Emissionen.Das fhrt fr das genannte Beispiel und der Verbrennung fossiler Brennstoffe sogar zueinem Vorzeichenwechsel beim Photosmog (Beer et.al./CSIRO 2001).

  • kobilanz von Bioethanol 17

    Bei den luftgetragenen Emissionen spielt im Gegensatz zu den Energie- und Klimagasbi-lanzen der Emissionsort eine besonders groe Rolle. Dieser Umstand wurde bisher aus-schlielich in Untersuchungen des IFEU-Instituts bercksichtigt.

    Die Bercksichtigung von Kuppelprodukten, die bei der Bereitstellung des Biokraftstoffsentstehen, erfolgt in der Praxis nicht immer einheitlich. Vorzugsweise sollten Gut-schriften erteilt werden, da dadurch die Realitt besser beschrieben wird (FVV 2004,29). In einigen kobilanzen werden die gemeinsamen Aufwendungen auf die verschiede-nen Produkte aufgeteilt oder die Aufwendungen anhand der Masse, des konomischenWertes oder des Energiegehalts zugeordnet. Die sich daraus ergebenden Unterschiedeknnen teilweise recht drastische ausfallen.

    Wegen den groen Stickstoffemissionen (N2O, NOx, NH3, NO3, NH4+), die im Zusam-menhang mit der landwirtschaftlichen Produktion von Anbaubiomasse entstehen, fllt derVergleich zwischen Bio- und fossilen Kraftstoffen sowohl fr die Versauerung undEutrophierung als auch fr Lachgas qualitativ richtungssicher zu Gunsten der fossilenKraftstoffe aus. Das trifft selbst zu, wenn verschiedene Bilanzierungsarten fr dieEutrophierung (aquatisch und terrestrisch, ber wasser- und luftgetragene Emissionen)Verwendung finden. Dies gilt jedoch nicht fr Biokraftstoffe aus Reststoffen. N2O spieltbei diesen Kraftstoffen in der Regel keine signifikante Rolle. Zur Ermittlung der Vor- undNachteile ist jeweils eine Einzelfallprfung unerlsslich.

    Da nur sehr wenige Studien mehr als etwa fnf Parameter betrachten, fehlen zu den zurko- und Humantoxizitt beitragenden Kohlenwasserstoffe Formaldehyd, Benzol undPolyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder auch Partikeln in der Regelbelastbare Einschtzungen ber den gesamten Lebensweg hinweg. Des Weiteren gibt eskaum wissenschaftliche Erkenntnisse darber, wie sich die Emissionen in unterschiedli-chen Zumischungen in unterschiedlichen Motorenkonzepten verhalten. Das trifft auch aufNOx zu, falls signifikante Emissionsunterschiede auftreten sollten.

    Kosten von Biokraftstoffen

    Die Bereitstellungskosten von Biokraftstoffen stehen nicht im Zentrum dieser Literatur-expertise zur kobilanz von Ethanol, aber ohne ihre Kenntnis lassen sich weder Realisie-rungsoptionen abschtzen noch Nachhaltigkeitsbetrachtungen anstellen. Im Folgendensind die vom IFEU-Institut geprften und zusammengestellten Daten zusammengefasst.

    Die Produktionskosten von Biokraftstoffen setzen sich aus den Rohstoffkosten, den Kos-ten fr den Rohstofftransport, den Konversionskosten, den Einnahmen durch Nebenpro-dukte sowie den Kosten fr die Verteilung zusammen. Um die Vergleichbarkeit zu ge-whrleisten, wurden Steuern und Gewinnaufschlge der Kraftstoffe nicht bercksichtigt.

    Der Vergleich der Bereitstellungskosten macht deutlich, dass fossile Kraftstoffe meistkostengnstiger produziert werden knnen als Biokraftstoffe (siehe Abbildung 3). Es gibtaber auch Flle, in denen sich Biokraftstoffe heute schon zu den Kosten von fossilenKraftstoffen produzieren lassen. Dies gilt z.B. fr Biodiesel aus Altspeisefetten, wennman davon ausgeht, dass keine Rohstoffkosten anfallen und niedrige Konversionskostenangesetzt werden, oder fr Pflanzenl aus Raps und Sonnenblumen, wenn sie unter gns-tigen Bedingungen produziert werden. Die Bereitstellungskosten fr Biodiesel sind in derRegel geringer als fr Bioethanol. Die genannten Zusammenhnge gelten auch fr andereBezge, so z. B. fr Euro pro 100 Kilometer (s. FVV 2004, 34).

  • 18 Germanwatch

    Die Produktion von Biokraftstoffen aus Reststoffen ist in einigen Fllen kostengnstigerals die aus Anbaubiomasse. Es lassen sich jedoch keine eindeutigen Unterschiede fest-stellen. Fr verlssliche Aussagen ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig.

    Abbildung 3: Bereitstellungskosten von Biokraftstoffen im Vergleich zu den Bereitstel-lungskosten von fossilem Kraftstoff in Euro / GJ Kraftstoffinhalt (FVV 2004, 32).

    In den Fllen, in denen Biokraftstoffe gnstiger als fossile Kraftstoffe produziert werdenknnen, sind keine Kosten pro vermiedenen Klimagasemissionen oder eingesparten E-nergietrgern zu verzeichnen, sondern ein Gewinn. Bei den meisten Biokraftstoffenentstehen jedoch Vermeidungskosten, die einer extremen Schwankungsbreite unterliegen.Die Vermeidungskosten sind bei den Biokraftstoffen am hchsten, deren Bereitstel-lungskosten hoch und deren eingesparte Primrenergie bzw. Treibhausgasemissionengering sind (FVV 2004, 34). Ein Beispiel dafr ist Bioethanol aus Kartoffeln.

    Die Bereitstellungskosten sind sehr variabel und nur bedingt miteinander vergleichbar.Das IFEU-Institut gibt dafr folgende Grnde an:

    Die Bereitstellungskosten von fossilen Kraftstoffen sind v.a. von den Konversionskos-ten und dem Rohlpreis abhngig, whrend bei den Biokraftstoffen auch noch andereFaktoren eine groe Rolle spielen knnen. Bei den Kraftstoffen aus Anbaubiomassesind vor allem die Produktionskosten in der Landwirtschaft zu nennen, die in vielenLndern subventioniert wird. Bei den Biokraftstoffen aus Rest- bzw. Abfallstoffen fal-len ggf. entgangene Alternativverwendungserlse und vermiedene Entsorgungskostenins Gewicht.

  • kobilanz von Bioethanol 19

    Die Bereitstellungskosten beziehen sich auf unterschiedliche Bezugsrume, deren na-trliche und wirtschaftliche Voraussetzungen grundverschieden sind, wie z. B. beiBioethanol aus Zuckerrohr in Brasilien bzw. Bioethanol aus Zuckerrbe in Europa.

    Die Bereitstellungskosten basieren auf real vorkommenden Kosten von derzeit auf demMarkt befindlichen Kraftstoffen oder beziehen sich auf zuknftige, heute noch nichtgrotechnisch hergestellte Kraftstoffe.

    Die vorhandenen Kostenabschtzungen decken noch nicht alle Biokraftstoffe ab. So lie-gen beispielsweise zu ETBE keine Kostenabschtzungen vor und bei einigen Biokraft-stoffen (Bioethanol aus Zuckerrohr, Biodiesel aus Sojabohnen) fand keine Aufteilung derBereitstellungskosten auf die Einzelbereiche statt (Rohstoffkosten, Konversionskostenetc.), sodass eine Interpretation nicht mglich ist.

    Potenziale von Biokraftstoffen

    Theoretisch knnte die weltweit jhrlich zuwachsende Biomasse den gesamten weltwei-ten Kraftstoffbedarf abdecken, doch stehen dem Restriktionen durch Flchenkonkurren-zen (Nahrungsmittelproduktion, Naturschutz, nachhaltige Landbewirtschaftung etc.) undNutzungskonkurrenzen (Biomasse fr stoffliche Nutzung, Bioenergietrger zur Strom-und Wrmegewinnung etc.) entgegen. Einhellig ist die Auffassung aller Autoren, dass derAnbau von Nahrungsmitteln eine hhere Prioritt geniet als der Energiepflanzenanbau.Gem einer vom Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit(BMU) in Auftrag gegebenen Potenzialabschtzung aus dem Jahr 2004, die auch Nach-haltigkeitsziele bercksichtigt hat, verringert sich das nutzbare Potenzial in Deutschlandalleine durch Flchenkonkurrenzen erheblich (DLR, IFEU, WI 2004). Aussagen zur Ent-wicklung nach 2010 sind nicht mglich, da bisher kaum Untersuchungen darber vorhan-den sind7. Belastbare Quantifizierungen fr die Europische Union oder Welt stehen e-benfalls noch aus. Fr die Nutzung von Biomasse aus Reststoffen gelten diese Einschrn-kungen nicht.

    Eine weitere fr das Mengenpotenzial entscheidende Gre ist die Verfgbarkeit und dieEffizienz von neuen Produktionstechnologien, zum Beispiel fr Biomass-to-Liquid, E-thanol aus Lignozellulose oder fr Bio-Wasserstoff (FVV 2004, IV). Nach heutigemWissensstand lsst sich nur schwer vorhersagen, wann welche Technologien zur Verf-gung stehen und zum Einsatz kommen werden. Nicht zuletzt ist das Potenzial von Bio-kraftstoffen erheblich davon abhngig, welche politischen Rahmenbedingungen gesetztwerden (Beimischungspflicht, Steuerbefreiung etc.).

    7 Die jngste Verffentlichung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoff Biokraftstoffe eine verglei-

    chende Analyse enthlt ein Szenario 2015 (FNR 2006a).

  • 20 Germanwatch

    Die Ergebnisse der CO2-Studie auf einen Blick

    Energie- und Treibhausgasbilanzen von BiokraftstoffenErgebnis 1: Die vorhandenen kobilanzstudien decken noch nicht alle Biokraftstoffe abErgebnis 2: Nicht alle kobilanzstudien knnen als reprsentativ angesehen werden: Des-wegen ist die Ableitung von Bandbreiten ntigErgebnis 3: Die Ergebnisse variieren in Abhngigkeit der getroffenen Annahmen, wodurchsich groe Bandbreiten ergebenErgebnis 4: Die Ergebnisse sind von der Art des gegenbergestellten fossilen KraftstoffsabhngigErgebnis 5: Qualitative Ergebnisse fr Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse sind richtungssi-cher: Vorteile bei Energie- und TreibhausgasbilanzenErgebnis 6: Unterschiedliche Fragestellungen bedingen unterschiedliche Bezge und liefernteils die gleichen, teils aber auch unterschiedliche AntwortenErgebnis 7: Groer Forschungsbedarf zu einigen Biokraftstoffen aus Reststoffen wie BTL

    Weitere Umweltwirkungen von BiokraftstoffenErgebnis 8: Die Anzahl der kobilanzstudien zu den sonstigen Umweltwirkungen ist u-erst geringErgebnis 9: Die Ergebnisse hngen stark von Fragestellung und Bilanzierungsweisen abErgebnis 10: Ergebnisse hier nur qualitativ darstellbarErgebnis 11: Unterschiedliche Ergebnisse fr Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse und ausReststoffenErgebnis 12: Meist keine Aussage zu Photosmog mglichErgebnis 13: Groer Erkenntnisbedarf bei toxischen Parametern und Emissionsunterschie-den bei der motorischen Nutzung

    Kosten von BiokraftstoffenErgebnis 14: Die vorhandenen Kostenabschtzungen decken noch nicht alle BiokraftstoffeabErgebnis 15: Die Bereitstellungskosten von fossilen Kraftstoffen sind meist gnstiger alsdie von BiokraftstoffenErgebnis 16: Keine eindeutigen Unterschiede bei Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse ge-genber solchen aus ReststoffenErgebnis 17: Die Vermeidungskosten (Kosten pro vermiedenen Klimagasemissionen bzw.eingesparten Energietrgern) zeigen eine extreme BandbreiteErgebnis 18: Die Ergebnisse sind sehr variabel und nur bedingt miteinander vergleichbar

    Potenziale von BiokraftstoffenErgebnis 19: Generell hohes Potenzial von Biokraftstoffen, was sich jedoch bei Berck-sichtigung von Flchen- und Nutzungskonkurrenzen verringertErgebnis 20: Quantifizierung der Potenziale unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten und Nut-zungskonkurrenzen steht insbesondere fr den Bezug weltweit noch ausErgebnis 21: Zuknftige Entwicklung der Energie- und Treibhausgasbilanzen kann ledig-lich bis 2010 aufgezeigt werdenErgebnis 22: In Zukunft geringerer Primrenergieaufwand und geringere Treibhausgas-emissionen fr Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse im Vergleich zu konventionellen Kraft-stoffenErgebnis 23: Zuknftige Energie- und Treibhausgasbilanzen von Biokraftstoffen aus Rest-stoffen im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen nicht vorhersehbar

  • kobilanz von Bioethanol 21

    3.3 Innovationen bei der Bioethanolerzeugung und ihreAuswirkungen auf Energie- und Treibhausgasbilanzen,Schmitz

    Da der Einsatz von Bioethanol als erneuerbarer Kraftstoff aus klimapolitischen Grndennicht unumstritten ist und vorliegende Studien in Abhngigkeit von den getroffenen An-nahmen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen, fhrte eine Arbeitsgruppe unterder Leitung von Norbert Schmitz vom me Consulting Team im Jahr 2005 die Untersu-chung Innovationen bei der Bioethanolerzeugung und ihre Auswirkungen auf Energie-und Treibhausgasbilanzen durch. Schmitz u.a. hatten bereits im Jahr 2003 im Auftragder Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) eine Neubewertung des Einsat-zes von Ethanol und Methanol aus nachwachsenden Rohstoffen im chemisch-technischenund im Kraftstoffsektor unter besonderer Bercksichtigung von Agraralkohol vorge-nommen (Bioethanol in Deutschland, Schmitz u.a. 2003). Beide Vorhaben erhielten dieUntersttzung des Bundesministeriums fr Verbraucherschutz, Ernhrung und Landwirt-schaft (BMVEL).

    Die Arbeitsgruppe erstellte fr neun Anlagenkonzepte Energie- und Treibhausgasbilan-zen fr die Bioethanolherstellung aus Biomasse. Es wurde jeweils die gesamte Produkti-onskette, ausgehend von verschiedenen Ausgangsstoffen ber die entsprechenden Kon-versionspfade bis hin zum Bioethanol und dessen Synthese zu ETBE untersucht. WeitereWirkkategorien waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Mit den beteiligten Unter-nehmen wurde eine einheitliche Vorgehensweise fr die Datenerhebung vereinbart. Diegefundenen Ergebnisse knnen der Tabelle 1 entnommen werden bzw. sind im Folgendendokumentiert.

    Tabelle 1: Energie- und Treibhausgasbilanzen im Vergleich (Schmitz u.a. 2005, 20)

    Konversionspfad /verwendete Prozess-energie

    Nettoenergiegewinn /Liter Ethanol

    (MJ Output ./. MJ fossilerInput)

    Treibhausgasreduzierung /Liter Ethanol

    (CO2-quivalent/0,647 l Benzin ./. kgCO2-quivalent/ l Ethanol)

    Melasse / Heizl S6,4 MJ 1,19 kg

    Rbensaft / Braunkohle6,6 MJ 0,59 kg

    C-Strke + Melasse /Erdgas 8,9 MJ 1,39 kg

    Getreide / Erdgas6,6 MJ 1,09 kg

    Getreide / Mll14,5 MJ 1,49 kg

    Getreide / Biogas19,2 - 21,3 MJ 1,49 - 1,79 kg

    Stroh / Biogas15,7 - 20,1 MJ 1,89 - 2,15 kg

  • 22 Germanwatch

    Den Berechnungen ging die Analyse zahlreicher Studien zu Energie- und Treibhausgas-bilanzen voraus. Den Schwerpunkt der Untersuchungen bildete Europa, aber zu Ver-gleichszwecken wurde auch die Situation in den USA und in Brasilien bewertet. VieleStudien basieren noch auf veralteten Annahmen und Daten bezglich der verwendetenTechnologien in der landwirtschaftlichen Produktion der Rohstoffe und der Konversiondieser zu Ethanol. Fr zwlf in jngerer Zeit erschienene und als besonders relevant frdie Fragestellungen identifizierte Studien erfolgte eine synoptische Auswertung (Schmitzu.a. 2005, 46ff).

    Auszge aus der Zusammenfassung (Schmitz u.a. 2005, 19ff):

    Bezogen auf den Ausgangsstoff werden die geringsten Belastungen fr die Umweltdurch die Verwendung von Nebenprodukten (Stroh, Melasse, C-Strke) sowie Zuckerr-ben verursacht. Dies liegt an den relativ geringen, der Bereitstellungskette dieser Neben-produkte zuzuschreibenden Aufwendungen sowie dem hohen Ertrag von Zuckerrben jeha. Im Vergleich hierzu ist die Verwendung von Getreide mit hheren Belastungen ver-bunden.

    Die Konversion bietet das grte Optimierungspotenzial in der Erzeugerkette von derlandwirtschaftlichen Produktion bis zur Verwendung im Kraftstoffsektor. Unterschiedli-che Produktionskonzepte wurden in dieser Studie analysiert. Diese reichen von traditio-nellen bereit seit Jahren im Betrieb befindlichen Anlagen bis hin zu Konzepten, die nochim Entwicklungsstadium sind. Auch unterschiedliche Betriebsgren wurden berck-sichtigt. Die fr eine Bioethanolerzeugung in Europa in Frage kommenden Rohstoffe sindWeizen, Roggen, Triticale, Melasse, Zuckerrben und Stroh. Ein weiteres wichtiges Dif-ferenzierungsmerkmal, das erhebliche Auswirkungen auf die Bilanzierungsergebnissehat, ist der fr die Konversion eingesetzte Brennstoff. Sie reicht von Biogas, Erdgas, Mllber Braunkohle bis hin zu schwerem Heizl. Die Verwendung nicht-fossiler Prozess-energie (im Konversionsprozess gewonnenes Methangas, Energie aus Mllverbrennung)entlastet die Treibhausgasbilanz betrchtlich.

    Die Hhe des kumulierten fossilen Primrenergieaufwands wird wesentlich durch diebereitgestellte Prozessenergie, die landwirtschaftlichen Vorketten und die Gutschriftenfr die Kuppelproduktion bestimmt. Am wenigsten fossile Primrenergie bentigen dieKonversionspfade Getreide/Biogas und Stroh/Biogas, weil hier prozessbedingt aus einemTeil der Schlempe Biogas gewonnen wird, das zur Abdeckung des Energiebedarfs derKonversion eingesetzt wird. Hier kommt es zu Nettoenergiegewinnen zwischen 15,7 und21,3 MJ/Liter Ethanol. Sehr gnstig wirkt sich auch die Verwendung nicht-fossiler Ener-giequellen fr die erforderliche Prozessenergie aus. Bei einer Konversionsanlage, dieGetreide verarbeitet und bei der Mll die Quelle der Konversionsenergie ist, wird einEnergiegewinn von 14,5 MJ/Liter realisiert. Bestehende konventionelle Anlagen auf Ba-sis von Melasse, C-Strke und Getreide weisen einen vergleichbaren fossilen Energie-aufwand auf und erreichen Energiegewinne zwischen 6,4 und 8,9 MJ/Liter.

    Die Erzeugung von Bioethanol aus Stroh verzeichnet aufgrund des verwendeten Aus-gangsstoffs und der geringen erforderlichen fossilen Prozessenergie die geringsten Kli-magasemissionen. Entsprechend hoch sind die Treibhausgaseinsparungen: Sie liegenzwischen 1,89 und 2,15 kg CO2-quivalenten pro Liter Ethanol, der herkmmlichen Ot-tokraftstoff direkt ersetzt. Auch die Erzeugung von Ethanol aus Getreide, gekoppelt miteiner Biogas-Anlage, fhrt zu geringen Klimagasemissionen. Bei im Betrieb befindlichenAnlagen schneiden die Konversionspfade Verarbeitung von C-Strke und Getreide, ver-bunden mit der Verwendung nicht-fossiler Prozessenergie, am besten ab. Die Treibhaus-gasreduzierung liegt dabei bei 1,39 bzw. 1,49 k CO2-quivalenten. Die grten Klima-

  • kobilanz von Bioethanol 23

    gasemissionen entstehen bei der Produktion von Ethanol aus Rbensaft und der Verwen-dung von Braunkohle als Energietrger. (Schmitz 2005, 19ff)

    3.4 Well-to-Wheels-Report, CONCAWE/EUCAR/JRCBereits im Jahr 2003 begannen die Generaldirektion Joint Research Centre (JRC) derEuropischen Kommission, die Forschungsvereinigung europischer lgesellschaften frUmwelt-, Gesundheitsschutz und Sicherheit (CONCAWE) und der europische Verbandfr Fahrzeugforschung und -entwicklung (EUCAR) eine Vielzahl zuknftiger Kraftstoffeund Antriebstechniken, die bis zum Jahr 2010 zum Einsatz kommen knnten, hinsichtlichihres Energieverbrauchs und ihrer Treibhausgasemissionen zu untersuchen. Dabei handeltes sich nicht um kobilanzen, denn weder der Energieverbrauch und die Treibhausgas-emissionen, die mit dem Bau bzw. der Entsorgung der Gebude oder der Autos verbun-den sind, noch die weiteren Umweltwirkungen sind Teil der Untersuchungen. Ziel dergemeinsamen Anstrengung ist es, auch die makro-konomischen Kosten abzuschtzenund fr Akzeptanz der Ergebnisse bei allen Stakeholdern zu sorgen.

    Der Untersuchungsrahmen ist in den vergangenen Jahren immer wieder erweitert worden.Der inzwischen vorliegende zweite Well-to-Wheel-Report ist das Ergebnis umfassenderKonsultationen. Er enthlt weitere Kraftstoff- und Antriebstechnik-Kombinationen sowieberarbeitete Kosten- und Potenzialabschtzungen. Im Folgenden wird besonders auf dieErgebnisse zu Ethanol eingegangen.

    Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse der Well-to-Wheel-Untersuchungen von CONCA-WE/EUCAR/JRC im Hinblick auf den erforderlichen Energieaufwand und die Treib-hausgasemissionen von Ethanol. Die Bandbreiten fallen fr die Treibhausgasemissionengrer aus, weil die Stickoxidemissionen eine wichtige Einflussgre darstellen und mitgroen Unsicherheiten verbunden sind. Zuckerrohr und die Umsetzung von Stroh mittelsKraft-Wrme-Kopplung zeigen die besten Ergebnisse.

    Abbildung 4: Well-to-Wheel Energieaufwand und Treibhausgasemissionen von Ethanolim Vergleich zu Benzin gem WTW-Report (CONCAWE, EUCAR, JRC 2006, 35).

  • 24 Germanwatch

    In Europa auf konventionellem Wege erzeugtes Bioethanol fhrt nur zu geringen Ener-gie- und Treibhausgasreduzierungen gegenber Benzin. Beispielsweise lassen sich mitZuckerrben und Weizen bei konventioneller Produktion und der wirtschaftlichsten Nut-zung der Nebenprodukte ca. 23 % des Energieaufwandes und ca. 30 % der Treibhausgas-emissionen sparen.

    Durch den Einsatz von Kraft-Wrme-Kopplung in Verbindung mit einer Gasturbineverbessern sich diese Werte auf 43 % fr den Energieaufwand und 45 % fr die Treib-hausgasemissionen. Wird jedoch (Braun-)Kohle anstelle von Gas eingesetzt, kann sichdas Ergebnis sogar in das Gegenteil verwandeln. Die Bilanz kann verbessert werden,wenn Nebenprodukte zur Gewinnung von Prozessenergie statt als Tierfutter eingesetztwerden. Bei der Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrben lassen sich auf diese Weisebis zu 73 % des Energieaufwandes und 65 % der Treibhausgasemissionen einsparen.

    Moderne Verfahren, die Holz oder Stroh einsetzen, fhren zu noch greren Einsparun-gen, da ein Teil der Biomasse als Prozessenergie genutzt wird. Die Unterschiede zwi-schen dem Stroh- und Holzeinsatz erklren sich v.a. aus der Verwendung von Prozess-chemikalien.

    Der Well-to-Wheel-Report enthlt u.a. auch Ergebnisse, die fr alle flssigen Brennstoffebzw. grundstzlich gelten. Im Folgenden sind Auszge aus den Schlussfolgerungen, dieCONCAWE/EUCAR/JRC gezogen haben, im Wortlaut dokumentiert. Aussagen, die sichauf Energie- und Treibhausgasbilanzen beziehen, sind in normaler Schrift und zustzlicheAspekte (Verfgbarkeit, Kosten etc.) kursiv dargestellt. Der englische Originaltext befin-det sich im Anhang (s. A 4, CONCAWE, EUCAR, JRC 2006, 3).

    Generelle Beobachtungen

    Eine Analyse des gesamten Lebenswegs, d.h. sowohl der Phase der Bereitstellung desKraftstoffes als auch der Fahrzeugnutzung, bildet die notwendige Grundlage, um dieAuswirkungen zuknftiger Kraftstoffe als auch Antriebskonzepte zu beurteilen.- Sowohl die Kraftstoffbereitstellung als auch die Effizienz des Antriebs bestimmen die

    Hhe der Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs.- Es wurden eine gemeinsame Methodologie und ein gemeinsames Datengerst entwi-

    ckelt, die eine Grundlage fr die Bewertung spezifischer Produktionspfade darstellen.Sie knnen im Zuge der technologischen Weiterentwicklung jeweils auf den neuestenStand gebracht werden.

    Der Einsatz von erneuerbaren Energien und kohlenstoffarmen Kraftstoffen kann zu er-heblichen Treibhausgasreduktionen fhren. Ihr Einsatz erfordert jedoch in der Regel ei-nen hheren Energieeinsatz. Es kommt darauf an, welche Einsatzstoffe und Konversions-pfade im Einzelnen gewhlt werden.

    Die Ergebnisse mssen zudem hinsichtlich vorhandener Mengen, der Machbarkeit, derPraktikabilitt, der Kosten sowie der Nutzerakzeptanz der verschiedenen Produktionspfa-de bewertet werden.

    Derzeit ist der Einsatz von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Rohstoffen noch rechtteuer.- Treibhausgasemissionsreduktionen sind immer mit Kosten verbunden, aber hhere

    Kosten bedeuten nicht automatisch grere Treibhausgasreduktionen.

    Es zeichnet sich kurzfristig kein einzelner Konversionspfad ab, der die bentigten Men-gen kohlenstoffarmer Kraftstoffe liefern knnte.

  • kobilanz von Bioethanol 25

    - Vielmehr bedarf es des Einsatzes verschiedener Technologien und Konversionspfade.- Voraussichtlich werden eine Vielzahl von verschiedenen Kraftstoffen auf den Markt

    kommen.- Die Zumischung von Biokraftstoffen zu konventionellen Kraftstoffen oder ihr Einsatz

    in Nischen sollten in Erwgung gezogen werden, wenn dadurch Treibhausgasemissio-nen zu angemessenen Kosten eingespart werden knnen.

    Die grotechnische Herstellung synthetischer Kraftstoffe oder Wasserstoff aus Kohleoder Gas bietet das Potenzial, durch CO2-Abscheidung und -Speicherung Treibhausgas-emissionen zu reduzieren. Dieses Verfahren verdient weitere Forschungsanstrengungen.

    Moderne Biokraftstoffe und Wasserstoff haben ein greres Potenzial, fossile Brennstoffezu ersetzen, als konventionelle Brennstoffe.

    Hohe Kosten und die Komplexitt zwischen der Rohstoffgewinnung, der Anlagengre,Effizienz und Kosten sind groe Hemmnisse fr die grotechnische Entwicklung dieserVerfahren.

    Der Einsatz erneuerbarer Ressourcen im Verkehrssektor fhrt meist nicht zu den maxi-mal mglichen Treibhausgasreduktionen erneuerbarer Energien.

    Um erneuerbare Energie-Ressourcen, wie z.B. Biomasse und Windenergie, optimal zunutzen, sollten alle Mglichkeiten auf der Nachfrageseite, einschlielich stationrer An-wendungen, in Betracht gezogen werden.

    Alternative flssige Kraftstoffe

    Es gibt bereits zahlreiche Mglichkeiten, alternative flssige Kraftstoffe herzustellen, dieals Zumischung zu konventionellen Kraftstoffen oder in manchen Fllen auch in Rein-form in der vorhandenen Infrastruktur und den vorhandenen Fahrzeugen eingesetzt wer-den knnen.

    Die Einsparung von fossiler Energie und von Treibhausgasemissionen konventionell er-zeugter Biokraftstoffe wie Bioethanol oder Biodiesel sind stark vom gewhlten Produkti-onsverfahren und der Nutzung von Nebenprodukten abhngig.

    Die Treibhausgasbilanz von konventionell erzeugten Biokraftstoffen ist aufgrund derN2O-Emissionen in der Landwirtschaft besonders mit Unsicherheiten behaftet.

    Neben der direkten Beimischung kann Ethanol auch als ETBE dem Benzin beigemischtwerden. Der Verbrauch von Energie und die Treibhausgasemissionen sind direkt abhn-gig von der zugemischten Ethanolmenge.

    Es werden Verfahren entwickelt, die Zellulose von Holz oder Stroh zu Ethanol verwan-deln. Sie haben eine vielversprechende Energie- und Treibhausgasbilanz.

    Die Mengen von Bioethanol oder Biodiesel sind begrenzt. Das Kosten/Nutzen-Verhltnis,das auch die CO2-Vermeidungskosten und die Substitutionskosten nicht-erneuerbarerBrennstoffe bercksichtigt, hngt stark vom gewhlten Konversionspfad, der Nutzung vonNebenprodukten und den Stickoxidemissionen ab. Aus Zellulose gewonnenes Ethanolkann das Produktionspotenzial, auch zu Kosten, die mit herkmmlichen Verfahren erzieltwerden knnen, erheblich vergrern, wenn geringwertige Rohstoffe, wie z.B. Stroh, zumEinsatz kommen.

    Aus Erdgas (Gas-to-Liquid) und Kohle (Coal-to-Liquid) lsst sich Diesel bester Qualittherstellen. Die Treibhausgasemissionen von GTL-Diesel sind jedoch etwas hher als bei

  • 26 Germanwatch

    konventionellem Dieselkraftstoff. CTL-Diesel verursacht erheblich mehr Treibhausgas-emissionen.

    Mittelfristig steht GTL- (und CTL-)Diesel nur in begrenztem Umfang fr Nischenanwen-dungen oder als hochwertiger Diesel zur Beimischung zur Verfgung.

    Derzeit werden neue Biomass-to-Liquid-Verfahren zur Herstellung von synthetischenKraftstoffen entwickelt, die geringere Treibhausgasemissionen verursachen, aber immernoch einen hohen Energieeinsatz erfordern.

    Diese modernen BTL-Verfahren haben das Potenzial erheblich mehr Treibhausgasemis-sionen einzusparen als heute bliche Biomasse-Anlagen. Ihre Entwicklung verdient wei-tere Forschungsanstrengungen.

    Einflussfaktoren wie Flchen- und Biomasseverfgbarkeit, Rohstoffgewinnung, Anla-gengre sowie die Verfgbarkeit effizienter und kostengnstiger Verfahren begren-zen die Anwendung dieser Verfahren.

    3.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungenkobilanz Bioethanol

    Es gibt nur sehr wenige kobilanzstudien, die die blichen Wirkkategorien (Verbrauchfossiler Energietrger, Wirkung auf den Treibhauseffekt, Ozonabbau, Versauerung,Eutrophierung, Human- und kotoxizitt) systematisch bercksichtigen. Selbst fr be-reits auf dem Markt befindliche Biokraftstoffe fehlen oft aussagekrftige Untersuchungender weiteren Umweltwirkungen wie z.B. fr Bioethanol aus Zuckerrohr. Ergebnisse sindin der Regel nur qualitativ darstellbar. Sie hngen u.a. stark davon ab, welche Alternativ-verwendung bei Kraftstoffen aus Rest- oder Abfallstoffen angenommen wird, in welcherForm die Bereitstellung des Energiebedarfs erfolgt, welche Methodik bei der Bercksich-tigung von Kuppelprodukten zum Einsatz kam und ob der Emissionsort beachtet wurde.Lediglich bei den Energie- und Treibhausgasbilanzen knnen Bandbreiten fr die be-trachteten Gren seris ermittelt werden. Hier sind die Ergebnisse in geringerem Um-fang von den Fragestellungen und Bilanzierungsweisen abhngig. Groe Bandbreitenergeben sich v.a. aus Unterschieden in den Basisdaten, den Ertrgen, der Verfahrenstech-nik und in der Bewertung der Kuppelprodukte.

    Wegen der groen Stickstoffemissionen, die im Zusammenhang mit der landwirtschaftli-chen Produktion von Anbaubiomasse entstehen, fllt der Vergleich zwischen Bio- undfossilen Kraftstoffen sowohl fr die Versauerung und Eutrophierung als auch fr Lachgas(N2O) qualitativ richtungssicher zu Gunsten der fossilen Kraftstoffe aus. Eine Ausnahmebilden Biokraftstoffe aus Reststoffen, da Lachgas bei diesen Kraftstoffen in der Regelkeine wesentliche Rolle spielt. Hinsichtlich der Ressourcenschonung und beim Einsparenvon Klimagasen sind die Verhltnisse umgekehrt. Objektiv erlauben diese Ergebnissekeine Bevorzugung fr einen Kraftstoff. Gem den internationalen Normen fr kobi-lanzen (insbesondere ISO 14042) ist aber eine Priorisierung von Umweltwirkungen mg-lich, wenn diese gesellschaftlich anerkannt und kommuniziert wird. Wenn, wie derzeitin weiten gesellschaftlichen Kreisen in Deutschland, der Energieeinsparung und demTreibhauseffekt in der Bewertung die hchste Prioritt eingerumt wird, dann schneidenalle untersuchten Biokraftstoffe besser als die fossilen Alternativen ab (Reinhardt inGermanwatch / Bernhardt u.a. 2005, 18).

    Die eingesparte Primrenergie und die vermiedenen Treibhausgasemissionen korrelierenfr Bioethanol, ETBE, Biodiesel und Pflanzenle jeweils untereinander sehr eng, so dass

  • kobilanz von Bioethanol 27

    Aussagen bezglich der Primrenergie annhernd auch fr die eingesparten Treibhaus-gasemissionen gelten. Am gnstigsten fllt die Energie- und Treibhausgasbilanz von E-thanol aus, wenn fossiler Ottokraftstoff durch Bioethanol aus Zuckerrohr ersetzt wird. Ingemigten Breiten schneidet Ethanol aus Zuckerrben am besten ab, gefolgt von Etha-nol aus Lignozellulose, Weizen, Mais oder Kartoffeln. Bioethanol aus Zuckerrohr weistauch eine bessere Bilanz auf als Pflanzenle aus Sonnenblumen oder Raps. Beim Ver-gleich der Bioethanol- mit den Biodiesel-Optionen hngt es von den jeweiligen Rohstof-fen ab, ob Bioethanol die gnstigere Energie- und Treibhausgasbilanz aufweist als Bio-diesel.

    Trotz des zustzlichen Prozessschrittes wird bei allen untersuchten Biomasserohstoffeneine noch positivere Bilanz erreicht, wenn Ethanol weiter zu Ethyl-Tertir-Butylether(ETBE) verarbeitet wird und das fossile Methyl-Tertir-Butylether (MTBE) ersetzt. Dasliegt daran, dass ETBE das mit relativ hohem Energieaufwand zu produzierende MTBEersetzt, whrend Bioethanol den im Vergleich zu MTBE gnstiger zu produzierendenOttokraftstoff ersetzt. Es wird vermutet, dass ETBE aus Zuckerrohr die hchsten Vorteileaufweisen wrde.

    Insgesamt besteht hinsichtlich der kobilanz von Bioethanol und anderen Biokraftstoffennoch ein groer Forschungsbedarf. Insbesondere die weiteren Umweltwirkungen wieHuman- und kotoxizitt, Versauerung, Eutrophierung etc. mssen fr alle Lebensweg-abschnitte ermittelt werden. Es fehlen zudem Untersuchungen zu einigen Biokraftstoffenaus Reststoffen, wie z.B. Biomass-to-Liquid (BtL). Zur besseren Absicherung der Band-breiten der Energie- und Treibhausgasbilanzen fr einige Biokraftstoffe aus Anbaubio-masse bedarf es noch ergnzender Analysen z.B. zu Bioethanol bzw. ETBE aus Zucker-rohr und aus Kartoffeln. Da stationre Anwendungen zumeist unter kobilanzgesichts-punkten gegenber der mobilen Verwendung vorteilhafter sind, sollte auch diese Optiongeprft werden.

    Beitrag zur Nachhaltigkeit

    Das wichtigste Ziel bei der Biokraftstoffherstellung und -nutzung sollte die Nachhaltig-keit sein. Das bedeutet, dass ausschlielich sozial vertrgliche, kologisch unbedenklicheund wirtschaftliche Verfahren zum Einsatz kommen sollten. Mittel- bis langfristig knnenwir es uns nicht erlauben, ein nicht-nachhaltiges Produktionssystem aufrechtzuerhalten.Insbesondere in den Entwicklungslndern ist es von groer Bedeutung, dass der Energie-pflanzenanbau Arbeitspltze schafft und die Lebensqualitt besonders im lndlichenRaum verbessert. Alle Akteure sollten angemessen an der Wertschpfung beteiligt sein.Der Energiepflanzenanbau und die Importsubstitution von l sowie der Export von Bio-kraftstoffen wie Ethanol helfen, die Versorgungssicherheit zu verbessern und die natio-nalen Ausgaben in harter Whrung zu reduzieren. Durch den Einsatz von Biokraftstoffenlsst sich die Luftqualitt in den Ballungsrumen verbessern. Darber hinaus knnenBiokraftstoffe einen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen leisten. Angesichts derOligopolisierung von Massenmrkten und dem absehbaren Groeinsatz von Gentechnikim Biospritbereich wird es sehr schwer, die genannten Kriterien durchzusetzen. Die Er-zeugung von Biokraftstoffen ist nicht die erstbeste Lsung der Klimaproblematik, denndie Einsparung von Energieressourcen oder die Steigerung der Energieeffizienz ist immervorzuziehen. Zudem wre der Einsatz von Biomasse zum Ersatz von Kohle im Kraft-werksbereich hinsichtlich der Klimabilanz weit gnstiger.

  • 28 Germanwatch

    Welche Chancen hat die Bioethanol-Produktion in Nordrhein-Westfalen, Deutschlandund in der Europischen Union?

    Die Bioethanolproduktion war bis 2004 in Deutschland - und auch in Nordrhein-Westfalen - nur von geringer Bedeutung. Im vergangenen Jahr sind die Produktionskapa-zitten sprunghaft angestiegen. Der Absatz von Bioethanol betrug 2005 0,22 Mio. Ton-nen (280 Mio. Liter). Grnde dafr sind das gestiegene Preisniveau fr Ottokraftstoffeund die Wirkung des Minerallsteuergesetzes, wonach auch die Beimischungen von Bio-ethanol zu Ottokraftstoffen anteilig steuerbefreit ist. Die geplante Beimischungspflichtvon Bioethanol (Biokraftstoffquotengesetz) wird diese Entwicklung noch begnstigen.Auch in der Europischen Union steigen die Produktionsmengen von Bioethanol. Es istzu erwarten, dass sich u.a. durch die jngsten Aktivitten der EU zur Frderung des Bio-kraftstoffsektors dieser Trend fortsetzen wird.

    Im Zuge der Reform der Zuckermarktordnung erhalten die Bauern in der EuropischenUnion weniger Geld fr ihren Zucker. Die betroffenen Bauern und Zuckerproduzentensuchen nach alternativen Vermarktungsmglichkeiten. Die Herstellung von Bioethanolfr den Kraftstoffmarkt ist eine mgliche Option. Die nordrhein-westflische Landesre-gierung untersttzt u.a. im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Kraftstoffe der Zukunftdie betroffenen Akteure. Sie frdert den Einsatz von Bioethanol E85 als Kraftstoff inFahrzeugflotten der ffentlichen Verwaltung und gibt Zuschsse fr den Ausbau des Bio-ethanol-Tankstellennetzes (MUNLV 2005). Es ist davon auszugehen, dass bei weitersteigenden lpreisen der Weltmarktpreis fr Bioethanol steigen wird. Das Absatzpotenti-al nimmt zu. Dies wrde nicht nur dazu fhren, dass Stilllegungsflchen produktiv ge-nutzt werden, sondern auch dass andere, weniger rentable Anbauprodukte verdrngt wer-den.. Der Wertschpfungsbeitrag fr die Landwirtschaft ist aber eher gering.

    Die Produktion in Deutschland und in der EU steht jedoch im internationalen Wettbe-werb. Bei den bisherigen Weltmarktpreisen ist die deutsche wie auch die europischeBioethanolproduktion auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfhig. Sollte aber der lpreisdauerhaft weiter steigen, lohnt sich auch der Anbau hierzulande. Importzlle bieten der-zeit noch einen gewissen Auenschutz vor preiswerterem Bioethanol vom Weltmarkt(2002: 19,2 /hl, Henke, Klepper, Netzel 2002: 19). Sollten die Verhandlungen in derWTO-Doha-Runde abgeschlossen werden, mssen diese jedoch deutlich abgebaut wer-den.

    Wenig beachtet wurde bisher, dass Deutschland sehr gute Voraussetzungen besitzt, inno-vative technische Lsungen und Verarbeitungsanlagen weltweit zu vermarkten. AuchNordrhein-Westfalen ist als Technologiestandort prinzipiell gut aufgestellt, um an derWertschpfung durch Anlagenbau teilzuhaben. Um in diesem Bereich auch zuknftigBeschftigungsmglichkeiten zu erhalten bzw. zu schaffen, bedarf es sowohl der Export-frderung fr deutsche Technologie (Anpassung von Hermes fr kleine und mittlere Un-ternehmen (KMU), Investitionsbeihilfen etc.) als auch eines funktionierenden inlndi-schen Marktes. Die Bioethanolproduktion kann nur im globalen Kontext gesehen werden.Die politischen Ziele sollten genau definiert sein.

    Wie knnen Entwicklungslnder von der Bioethanol-Produktion profitieren?

    Bisher gibt es unter den Lndern des Sdens nur wenige Ethanol-Exporteure. Die grtensind Brasilien und neuerdings auch China. Durch die Ethanol-Produktion lsst sich dieAbhngigkeit vom l senken. Sie schafft Beschftigung, auch in lndlichen Gegenden,und Untersttzung fr die heimische Landwirtschaft. Darber hinaus werden Treibhaus-gasemissionen sowie Emissionen von Luftschadstoffen (z.B. Blei) gesenkt.

  • kobilanz von Bioethanol 29

    Speziell zu der Frage, ob Ethanol eine Perspektive fr LDC- und AKP-Lnder sein kann,wurde von Germanwatch im Mai 2006 eine Tagung im Rahmen des Zuckerdialog-Projektes durchgefhrt (Germanwatch / Lanje, Rmling 2006). Besonders deutlich wurdedabei, welcher immense Forschungsbedarf bei der Ethanolerzeugung in den AKP- undLDC-Lndern besteht (Germanwatch / Lanje, Rmling 2006: 9). Viele offene Fragenbleiben: Ob ein Einstieg in die profitable Ethanolerzeugung auch die Situation der armenMenschen in diesem Land verbessert oder nur internationale Unternehmen Gewinne ein-fahren, ob ein groer Teil der Bevlkerung durch steigende Lebensmittelpreise wegen desweltweiten Ethanol-Booms hart betroffen sein wird und ob der Anbau fr den Eigenbe-darf - was in der Anfangsphase Abschottungen gegen billige brasilianische Importe not-wendig machen wrde - oder fr den Export in LDCs sinnvoller wre. Das Beispiel Bra-silien zeigt deutlich, dass es in den vergangenen Jahren sowohl Verbesserungen derSchwachpunkte in Bezug auf kologische und soziale Nachhaltigkeit gibt, obwohl ineinigen Regionen viele hufig genannte Kritikpunkte weiter Bestand haben. Besondersder immense Flchenverbrauch fr Ethanol aus Zuckerrohr ist einer der Problempunkte,fr den sich noch keine angemessene Lsung findet. Die Substitution des Nahrungsmit-telanbaus in Lndern, in denen Nahrungsmittelknappheit herrscht, ist bei anhaltendemEthanol-Boom in liberalisierten Mrkten zu befrchten, da die Autobesitzer mehr Kauf-kraft haben als die Menschen am Existenzminimum.

    Wenn sich LDCs dafr entscheiden, sollte eine Untersttzung fr den Aufbau einer Bio-ethanol-Produktion zuerst fr die Eigenversorgung, spter ggf. fr den Export sicherge-stellt werden. Dies kann im Rahmen von bilateralen Partnerschaften (Nord-Sd und Sd-Sd), aber auch durch internationale Organisationen erfolgen. Derzeit kann Bioethanol indie EU zollfrei im Rahmen der Prferenzregelungen Alles auer Waffen, dem Coto-nou-Abkommen mit Lndern Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums sowie ei-nigen weiteren bilateralen Prferenzabkommen importiert werden.

    Im Rahmen der Begleitmanahmen fr Vertragsstaaten des AKP-Zuckerprotokolls, dievon der Reform der Zuckermarktordnung betroffen sind, sollen die Umstrukturierungoder Diversifizierung der Lnder zur Entwicklung des Ethanolsektors genutzt werden.Geplant ist die Entwicklung eines kohrenten Frderpaktes fr Biokraftstoffe in dem auchdie Chancen zur Armutsbekmpfung ein Aspekt sein sollen. Wenn Ethanol - etwa ange-trieben durch die geplante Beimischungspflicht in Deutschland - in groem Mastab indie EU importiert wird, werden vermutlich nur wenige Exportstaaten davon profitieren,LDC wohl kaum. Die Investitionsberlegungen etwa der lbranche zeigen deutlich indiese Richtung.

    Damit die Bioethanolproduktion Nachhaltigkeitskriterien entsprechen kann, sollte dieZertifizierung vorangetrieben werden, ohne unntige Handelshemmnisse zu errichten(Germanwatch / Lanje, Rmling 2006: 33). Allerdings sollte man sich vor der Illusionhten, dass damit die negativen Auswirkungen eines Ethanol-Booms im Griff seien. Zent-rale systemische Auswirkungen - wie etwas steigende Agrarpreise oder die indirekte Ver-drngung der Soja-Anbauflchen in den Regenwald - sind durch flchenbezogene Zertifi-zierung nicht zu regeln.

  • 30 Germanwatch

    4 LiteraturlisteADEME - Agence de lEnvironnement et de la Matrise de lnergie, DIREM La Direction des

    Ressources nergtiques et Minrales (2002): Bilans nergtiques et Gaz Effet de serre desFilires de Production de Biocarburants en France.www.ademe.fr/partenaires/agrice/publications/documents_francais/synthese_bilans_energetiques_fr.pdf.

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    BMU - Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Worldwatch Institute,GTZ - Deutsche Gesellschaft fr Technische Zusammenarbeit (2006): Kraftstoffe aus nach-wachsenden Rohstoffen Globale Potenziale und Implikationen fr eine nachhaltige Land-wirtschaft und Energieversorgung im 21. Jahrhundert. Konferenzhandreichung. GTZ, Berlin.www.gtz.de/de/dokumente/de-Konferenz_Handout-2006.pdf.

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  • kobilanz von Bioethanol 31

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    Germanwatch / Lanje, Kerstin; Rmling, Cornelia (2006): Ethanol aus Zuckerrohr als Perspektivefr AKP- und LDC-Lnder. Dokumentation der Dialogveranstaltung IV in Bonn am 24. Mai2006. Germanwatch, Bonn. www.germanwatch.org/tw/zudoet06n.pdf.

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