Offene Tore 2003_1

download Offene Tore 2003_1

of 60

Transcript of Offene Tore 2003_1

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    1/60

    OFFENE TOREBEITRGE ZU EINEM NEUEN CHRISTLICHEN ZEITALTER

    1/03

    Jorge Luis Borges:1 . . . . Emanuel Swedenborg

    Thomas Noack:Glaubensmomente:Wort zum Tage

    2 . . Deutschland Radio Berlin

    Thomas Noack:3 . . Sag Ja zum Himmelreich

    Josef Winiger:Deutung heidnischerMythen im inneren Sinn,

    1. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . 6Thomas Noack:Die SintflutZusammenschau ihresinneren Sinnes . . . . . . . . . 25

    Leserbriefe, Nachrichten . . . 43

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    2/60

    Herausgeber:Swedenborg-Verlag, Apollostr. 2,

    Postfach, CH-8032 Zrich, Schweiz 01-383 59 44 Fax: 01-382 29 44

    Swedenborg-Verlag Zrich,Auslieferungslager Deutschland,

    In der Burg 4, D-78345 Moos-Weiler, 07732-6887 (Vlker auch

    nach 18:00) Fax: 07732-55901Homepage des Swedenborg-

    Zentrums und des Swedenborg-Verlags: www.swedenborg.chSchriftleitung: Thomas NoackE-mail: [email protected]

    Konten des Swedenborg-Verlags:Postgiro Zrich 80-2158-8 / Postgiro

    Stuttgart 8780-708 (BLZ 600 100 70)Bezug:

    Die Zeitschrift erscheint viermaljhrlich. Abbestellung ist nur zum

    Ende eines Jahrgangs mglich;sptestens bis zum 30. September.

    Einzelheft: sFr. 8. / 4.50Jahrgang: sFr. 30. / 17.

    Interessenten knnen sie ein Jahr

    lang gratis abonnieren.Fr den Inhalt sind die Autoren

    selbst verantwortlich. DieSchriftleitung legt Wert auf dieDarstellung unterschiedlicherStandpunkte, sofern sie ihren

    eigenen Zielen nicht schon imAnsatz widersprechen.

    Auskunft beim Verlag oder einer

    der folgenden Anschriften:

    Sw. Zentrum Berlin 030-825 60 45Fontanestr. 17A, D-14193 Berlin

    Alfred Dicker 08171-488399Beuersbergerstr. 37,D-82515 Wolfratshausen

    Wilfrid Ihle 0234-170 26Heuversstr. 16, D-44793 Bochum

    Arnulf Kreuch u. Fax 04131-37997Liegnitzer Str. 1, D-21339 Lneburg

    Christian Gleie 030-791 73 65Schlostrae 93, D-12163 Berlin.

    Dagmar Strau 08752-7811Adalbert-Stifter-Weg 5,D-84072 Au-Hallertau

    Dr. Eberhard Zwink 07172-21513Kelterstr. 4,D-73547 Lorch-WaldhausenJean Vidil 021-323 78 77, CP 310,rue Caroline 21, CH-1000 Lausanne 4Helmut Zangerle 0662-58 4 24Tiefenbachstr. 19, A-5161 Elixhausen

    Abkrzungen oft zitierter WerkeEmanuel Swedenborgs:HG Himmlische Geheimnisse

    EO Die Enthllte OffenbarungOE Offenbarung Johannis erklrtHH Himmel und Hlle

    WCR Die wahre christl. ReligionLW Die Gttl. Liebe und WeisheitGV Die Gttliche VorsehungEL Eheliche & buhlerische LiebeNJ Vom Neuen Jerusalem

    VH Vier Hauptlehren der

    Neuen Kirche

    OFFENE TOREBEITRGE ZU EINEM NEUEN CHRISTLICHEN ZEITALTER

    VIERTELJAHRESSCHRIFT 47. JAHRGANG ISSN 0030-0101

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    3/60

    OFFENE TORE 1/03 1

    Emanuel Swedenborg

    Viel grer als die anderen

    wanderte einst dieser Mann entrckt unter den Menschen.Sprach er,

    so rief er bei ihrem geheimen Namen die Engel.Er betrachtete das, was irdische Augen niemals sehen:

    Die glhende Geometrie,kristallen das Bauwerk Gottes,

    aber auch den Unflat des Malstroms aller hllischen Gelste.Er wusste, wie der Grieche,

    dass die Tage der Zeit nur Spiegel des Ewigen sind.

    Im trockenen Latein verzeichnete er die letzten Dinge ohne Weil und Aber.

    Jorge Luis Borges

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    4/60

    2 OFFENE TORE 1/03

    Glaubensmomente: Wort zum TageGesendet im Deutschlandradio Berlin am 20.10.02

    von Thomas Noack

    Liebe Hrerin, lieber HrerIn einem Kirchenlied heit es:

    Herz und Herz vereint zusammen sucht in Gottes Herzen Ruh.

    Lasset eure Liebesflammen lodern auf den Heiland zu. Er das Haupt,

    wir seine Glieder, er das Licht und wir der Schein, er der Meister, wir

    die Brder, er ist unser, wir sind sein.

    An die Stelle selbstzufriedener Abschlieung gegenber anderenKonfessionen ist heute ein ernstes Fragen nach der Einheit derKirche getreten. Auf der anderen Seite nimmt der Glaube aber immerpersnlichere Formen an und wird sich kaum noch vereinheitlichenlassen. Ist die Einheit damit nicht in unerreichbare Ferne gerckt ?

    Emanuel Swedenborg sah das Wesentliche der Religionen imTun des Guten:

    Alle Religion ist eine Angelegenheit des Lebens, und ihr Leben

    besteht im Tun des Guten.

    Die Einheit der Konfessionen und Religionen sollte nicht in derVereinheitlichung ihrer Lehren gesucht werden. Denn das Wesent-liche der Religionen besteht im Tun des Guten. Und darin knnenwir uns trotz unterschiedlicher Lehren als die Kinder eines Gotteserleben. Alle Religionen sind Wege zu Gott und somit kann jederMensch selig werden, der seine Religion zu einer Sache seines Le-

    bens macht.Die Christen untereinander sind gespalten, weil den Glau-

    bensgemeinschaften die Reinhaltung ihrer Lehren wichtiger ist, alsdie Reinigung ihrer Herzen. Swedenborg schrieb:

    In der Christenheit unterscheiden sich die Kirchen nach ihren

    Lehren. Daher nennen sie sich rmisch-katholische, lutherische,

    calvinische oder reformierte und evangelische Kirche usw. Man

    nennt sie so lediglich aufgrund ihrer Dogmen und Bekennt-

    nisschriften. Ganz anders verhielte es sich, wenn man die Got-

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    5/60

    OFFENE TORE 1/03 3

    tes- und Nchstenliebe zur Hauptsache des Glaubens machenwrde. Dann nmlich wren die Lehren nur noch verschiedeneMeinungen in den Geheimnissen des Glaubens. Und die wahrenChristen wrden sie dem Gewissen jedes einzelnen berlassenund in ihrem Herzen sagen: Ein wahrer Christ ist ohnehin nur, wer

    christlich, nmlich wie es der Herr gelehrt hat, lebt. So wrde ausden verschiedenen Kirchen eine einzige entstehen. All die Streitig-keiten, die nur aus der Lehre hervorgehen, wrden verschwinden.Ja, der gegenseitige Hass wrde sofort aufhren und das Reich desHerrn knnte auf Erden Wirklichkeit werden.

    Diese Ideen regten den Swedenborgianer Charles Bonneyan, ein Parlament der Religionen ins Leben zu rufen. Es tagte1893 und gilt heute als der Beginn des interreligisen Dialogs.Zum 100. Jahrestag 1993 nahm dieses Parlament eine Erklrungzum Weltethos an. Sie geht von einem gemeinsamen Bestand an

    Werten aus. Der Glaube, der sich seiner ethischen Konsequenzenbewusst wird und zur Tat reift, kann die Religionen und Konfessi-onen zusammenfhren.

    Sag Ja zum Himmelreichvon Thomas Noack

    Dein Reich komme. So beten und bitten wir im Vaterunserum das Kommen seines Reiches. Und selbstverstndlich glaubenwir, dass wir dieses Reich begren wrden, wenn es erscheinenwollte. Denn wir bitten ja darum und Jesus sagt: Bittet, so wird

    euch gegeben. Doch angesichts des Gleichnisses von den Arbei-tern im Weinberg stellt sich die Frage: Nhmen wir es wirklich freu-dig auf oder vielleicht doch eher nur murrend zur Kennt nis? Wrees uns recht oder wrden auch wir uns entrsten, auch wir, diewir beten: Dein Reich komme?

    Die Bitte um das Himmelreich beinhaltet die Bereitschaftzur Bue: Tut Bue, denn das Himmelreich ist nahe herbeige-kommen! Diese Aufforderung steht am Anfang der Predigt vom

    Himmelreich. ndert euer Sinnen und Trachten, denket um und

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    6/60

    4 OFFENE TORE 1/03

    kehret um! Wie dem Tag die Morgenrte, so geht dem nahendenHimmelreich dieser Herold voran, der uns zuruft: Kinder Adams,wandelt eure Sinnesart! Denn wie soll der neue Tag anbrechen,wenn nicht die Gnadensonne zuvor die alte Nacht besiegen und

    ihre Sttte blutrot frben darf?Daher lasse dich infrage stellen von der groen Gte Gottes!Ihr Wille ist es offenbar, allen denselben Lohn zu zahlen, allen Ar-beitern des Weinbergs, ob sie sich nun am Morgen oder am Abendhaben einstellen lassen. Im Vaterunser beten wir: Dein Wille ge-schehe wie im Himmel so auf Erden. Und wenn er geschieht,dann ist das Geschrei gro, dann trachten wir danach, diese himm-lische Ordnung zu unterlaufen. Wenn alle denselben Lohn erhal-

    ten, dann bruchten alle erst um die elfte Stunde erscheinen. Soknnten wir seiner Gte den Boden entziehen und wieder unsereOrdnung aufrichten, gleicher Lohn fr gleiche Arbeit.

    Wollen wir uns wirklich nicht infrage stellen lassen? Kinder Adams, hrt die Fragen eures Herrn, und geht in euch, nderteuren Sinn! Denn so spricht der Herr: Freund, ich behandle dichnicht ungerecht; bist du nicht mit mir um einen Denar bereinge-kommen?

    Ungerechtigkeit sollten wir ihm nicht vorwerfen, denn denBund, den er frh mit uns geschlossen hat, den hat er gewiss nichtgebrochen. Der Vorwurf, den wir ihm machen, der fllt auf uns zu-rck. Das Gesetz klagt uns an. Wir wittern berall Ungerechtigkeit,weil wir selbst ungerecht sind. Gleicher Lohn fr gleiche Arbeit,das klingt gut, schliet aber auch in sich: Auge um Auge, Zahnum Zahn. Auch das ist gleicher Lohn fr gleiche Arbeit. Wann darfseine Gnadensonne endlich aufgehen? Sie bricht das Gesetz nicht,

    oh nein, aber sie bringt es zum Schmelzen wie die Sonne im Frh-ling den Schnee des kalten, lieblosen Winters, so dass aus ihm daslebendige Wasser frei flieender Erbarmungen wird.

    Ist es mir nicht erlaubt, mit dem Meinen zu tun, was ichwill?

    Den Lohnarbeitern mag der Lohn gehren, aber sicher nichtder ganze Gott, sicher nicht das Gttliche in seiner Flle. Mit demLohn in der Tasche ziehen sie von dannen, und der Herr schaut

    ihnen nach, mit einer Trne im Auge. Wollen wir seine Knechte

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    7/60

    OFFENE TORE 1/03 5

    bleiben oder seine Kinder werden? Wir beten doch: Unser Vaterim Himmel, also wollen wir seine Kinder werden. Deswegen fortmit der Verdienstmentalitt, denn was den Knechten verschlossenbleibt, das steht den Kindern offen, das Herz ihres Vaters. Weilihnen nichts gehrt, deswegen gehrt ihnen alles. Selig die Ar-men im Geiste, ihnen gehrt das Himmelreich. Wren wir so armund htten wir alle Dinge gelassen und uns selbst, dann httenwir unseren Vater gefunden und den Himmel dazu, denn dort ister Zuhause. Doch solange wir noch whnen, einen Anspruch aufdies und das zu haben, sind wir armselige Knechte und manchmalauch murrende, wenn wir nmlich wieder einmal erfahren ms-sen, dass es mehr gibt als Mein und Dein: Die Liebe, das Lchelnunserer Kinder, die Wrme und das Licht der Sonne und die Luftzum Atmen.

    Oder blickt dein Auge bse, weil ich gtig bin? Bedenkedoch: Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauterist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Wenn aber dein Auge bseist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, dasin dir ist, Finsternis ist, wie gro wird dann die Finsternis sein!

    Er lsst seine Sonne aufgehen ber Bse und Gute und lsstregnen ber Gerechte und Ungerechte. Und deswegen verfins-tert sich dein Gemt? Deswegen ziehen Neid und Migunst auf?

    Wenn schon vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind, warumsollten sie dann nicht erst recht vor seiner Liebe alle gleich vielwert sein? Bedenke dies und werde still! Dein Widerstand gegenden gtigen Gutsbesitzer ist dein Widerstand gegen das Himmel-reich. Sag Ja zum Himmelreich! Gib deinen Widerstand auf! Es istdir so nahe gekommen. Darum lasse dich besiegen von der gro-en Gte Gottes.

    Lesungen: Exodus 16,2-21; Matthus 20,1-16Lehre: Erklrte Offenbarung 194

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    8/60

    6 OFFENE TORE 1/03

    Deutung heidnischer Mythen

    im inneren Sinn

    von Josef Winiger

    1. Teil

    Es ist Wasser aus der Quelle, von der die .Alten den Mythos erdichtet

    haben, dass sie durch den Huf des Pferdes Pegasos aufgebrochen und

    nachher den 9 Musen geweiht worden sei; unter den Hufen verstan-

    den sie die Erfahrungen, aus welchen natrliche Einsicht kommt und

    unter den 9 Musen verstanden sie Erkenntnisse und Wissenschaftenaller Art. Dergleichen nennt man heute Mythen. Allein es waren Ent-

    sprechungen Emanuel Swedenborg

    Christen und Heiden

    Der Begriff des Heidentums stammt aus dem Alten Testamentund bezeichnete dort im geschichtlichen Sinn identisch mitdem Buchstabensinn (Coronis 31) alle nichtjdischen Vlker,deren Religionen dadurch vom wahren Glauben ausgegrenzt wur-den. In dieser begrifflichen Trennung kann das Urbild oder die Ideeder heute noch aktuellen Trennung Rechtglubiger von Unrecht-glubigen gesehen werden, worauf sich folgende kumenische

    uerung Swedenborgs bezieht (zitiert aus F. Horn 1994, S. 309):

    Die Kirche gliche dem Himmel, wenn alle in ihr ttige Liebe

    bten. Wre das Gute das eigentliche Merkmal der Kirche undnicht das Wahre ohne das Gute die ttige Liebe und nicht derbloe Glaube so wre die Kirche eine Einheit und die Abwei-chungen in den Glaubenslehren und im ueren Gottesdienstbildeten kein Hindernis.

    Wenn nun der Glaube an Gott und ein daraus abgeleitetesHandeln das Wesen der Religion ausmachen, kann dann nachder christlichen Verkndigung berhaupt noch von Heidentum

    im geschichtlichen Sinne die Rede sein, wo ein Glauben an gtt-

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    9/60

    OFFENE TORE 1/03 7

    liche und an himmlische Wesen besteht und eine davon abgelei-tete Ethik? Einer Antwort darauf muss die Einsicht Swedenborgsvorausgeschickt werden, dass jede Kirche dreifach ist, innerlichoder himmlisch, mittel oder geistig, und uerlich oder natrlich

    (Coronis 39). Obschon es im inneren oder himmlischen Sinn nureine Kirche geben kann, weil es nur einen Herrn gibt, spricht Swe-denborg immer wieder in der Mehrzahl von Kirchen. Das kannsich also nur auf den mittleren geistigen, oder auf den uerlichnatrlichen Aspekt des Kirchenbegriffes beziehen. Im geistigenSinne sind Kirchen Gemeinschaften, die dasselbe glauben, unddas hinwiederum fllt mit dem Begriff der Religion zusammen,wo von Religionen in der Mehrzahl gesprochen wird. Demzufolge

    sind heidnische Religionen Kirchen im geistigen Sinne. Dies zeigt,dass die Kirche des Herrn ber die ganze Erde verbreitet ist, weiles auf der ganzen Erde, bei allen Heidenvlkern Religionengibt, wenn auch besonders da, wo man den Herrn und das Wortanerkennt. Wer jedoch kann beurteilen, ob beispielsweise nord-amerikanische Indianer mit dem groen Geist (Wakan tanka)oder Polynesier mit Tangaroa den Herrn gemeint haben odernicht? Ethische Regeln kannten sie jedenfalls samt einer daraus

    abgeleiteten sittlichen Lebensfhrung, wie das die Ethnographie(Vlkerkunde) fr alle von uns so genannten Wilden nachweisenkann, obschon festzustellen ist, dass die jeweils fr gut gehaltenenethisch-sittlichen Forderungen wie bei uns auch von einigeneingehalten, von andern durchbrochen wurden. Die sich christ-lich nennenden Missionare jedoch sind selbstverstndlich davonausgegangen, dass derartige heidnische Religionen den Herrnnicht anerkennten, weil sie weder seinen Namen Jesus-Christus

    kennen noch das Wort. Swedenborg indes sagt, die Kirche seibesonders dort, wo das Wort bekannt sei, und man daher denHerrn kenne. Hierzu gilt es in erster Linie zu verstehen, was er mitbesonders gemeint hat.

    Mit besonders grenzt Swedenborg die christliche Kirche vonden lteren berlieferungen der israelitischen, der noch lterennoachischen und der allerltesten adamischen Kirche ab. Das Be-sondere ist demnach das Wissen um den Herrn als Jesus-Christus

    und die Kenntnis seines Evangeliums, whrend das Allgemeine

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    10/60

    8 OFFENE TORE 1/03

    der Religionen der Glaube an Gott und ein danach ausgerichtetesHandeln ist. Darin besteht kein Unterschied zwischen den Reli-gionen und somit auch keine Trennung zwischen verschiedenengeistigen Kirchen, die alle durch den Gottesglauben miteinander

    verbunden sind. Aus diesen berlegungen lsst sich ableiten, dassdie unterschiedlichen Konfessionen oder Glaubensbekenntnisseauch innerhalb des Christentums nicht mittlere oder geistige Kir-chen sind, sondern uerlich natrliche; damit sind soziale Institu-tionen gemeint, die Tempel bauen und diese Gebude, worin sieihre je besonderen Lehren predigen, wiederum Kirchen nennen.

    Auf diesem natrlichen Verstndnis des Kirchenbegriffs beruhtunter anderem auch das Miverstndnis, in der Neuen Kirche

    eine neue christliche Konfession als Sekte zu sehen, die von Swe-denborg gegrndet worden sei. Ihm jedoch ging es im Gegenteildarum, die geistige Einheit der Religionen wieder herzustellen, in-dem er den inneren Sinn der christlichen Heilsbotschaft darlegte,in dessen Zentrum er den Glauben an das Gttlich-Menschlich desHerrn Jesus-Christus stellte.

    Wer an die Einheit von Gttlichkeit und Menschlichkeit glaubt,an das Gttliche der Humanitt, und daraus die Konsequenz der

    ttigen Nchstenliebe zieht, ist ein Mitglied der christlichen Kirche(im geistigen Sinn dieses Ausdrucks), auch wenn er seine Vorstel-lungen (Glaubenslehren) und die Form seines Dienstes am Le-bensganzen (Gottesdienst) nicht mit allen andern Glubigen teilt.Davon ausgehend kann man sich fragen, inwieweit auch Heiden(im angezeigten Buchstabensinne dieses Ausdrucks) an das Gtt-liche im Menschlichen glauben und geglaubt haben. Diesbezg-lich ist eine von Paulus, dem Apostel der Heidenvlker, auf dem

    Aeropag in Athen den Griechen gehaltene Predigt aufschlussreich(Apostelgeschichte 17,22-28):

    Mnner von Athene, ich sehe euch, dass ihr in allen Stckenallzu aberglubig seid. Ich bin herdurch gegangen, und habegesehen eure Gottesdienste, und fand einen Altar, darauf wargeschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkndige ich euchdenselbigen, dem ihr unwissend Gottesdienst thut. Gott, der dieWelt gemacht hat, und alles, was darinnen ist, sintemal er ein

    Herr ist Himmels und der Erden, wohnet er nicht in Tempeln mit

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    11/60

    OFFENE TORE 1/03 9

    Hnden gemacht. Sein wird auch nicht von Menschenhndengepfleget, als der jemandes bedrfte, so er selber jedermannLeben und Odem allenthalben gibt. Und hat gemacht, dass voneinem Blute aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdbo-den wohnen, und hat Ziel gesetzt, zuvor versehen, wie lange und

    weit sie wohnen sollen. Dass sie den Herrn suchen sollen, ob siedoch ihn fhlen und finden mchten, und zwar: Er ist nicht fernevon einem jeglichen unter uns. Denn in ihm leben, weben undsind wir, als auch etliche Poeten bei euch gesagt haben: Wir sindseines Geschlechts.

    Paulus rumt damit etlichen Poeten der Griechen ein, dasssie die Wahrheit gefunden htten, Gott in menschlicher Gestalt

    vorzustellen, obschon er den gegenwrtigen Athenern vorwirft,sie seien aberglubisch, indem sie ihrer vielen Gtter in Tempelnvon Hnden gemacht pflegen wrden. Wenn wir uns im Folgen-den damit beschftigen werden, was jene griechischen Dichtergedacht haben, die den Herrn gesucht haben, stolpern wir zuerstber den Gegensatz zwischen den monotheistischen Vorstellun-gen aus jdisch-christlicher Tradition und jenen polytheistischenGottesvorstellungen, die von da aus als hervorstechendstes

    Merkmal des Heidentums empfunden worden sind. Sprachlichist hierzu immerhin anzumerken, dass das Wort Gtter selbstim Neuen Testament vorkommt. Setzt man sich eingehender mitder altgriechischen Religion und ihren Mythen auseinander, findetsich demgegenber die Vorstellung eines einzigen herrschendenGottes vor allem bei den lteren Dichtern des 8. Jahrhundertsv.Chr. sehr deutlich ausgeprgt: Bei Homer ist Zeus ein Gott-Vater,der ber alle anderen Gtter herrscht, und Hesiod hat mit seiner

    Theogonie hauptschlich zeigen wollen, dass Zeus der Reprsen-tant und Garant einer kosmischen Ordnung sei, die er verkrpere,und die aus der Leere eines Chaos hervorgegangen sei. Da Swe-denborg sagt, Gott sei ein Gott der Ordnung wovon es nur einegeben kann steht die Bedeutung des Zeus zumindest bei Homerund Hesiod dem Eingottglauben nahe. Die Mehrzahl der Gtterindes verkrpert bei den Griechen geistige Wesenheiten niedrige-rer Ordnungen, die verschiedene Aspekte des Wollens verkrpern

    und begrifflich durch ihre Eigenschaft der Unsterblichkeit verbun-

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    12/60

    10 OFFENE TORE 1/03

    den sind. Mit ihren verschiedenartigen Neigungen erinnern dieseGtter in vielem an das, was Swedenborg ber die Engel und dievon ihnen gebildeten Gesellschaften berichtet, die ebenfalls ber-natrliche Wesen und normalerweise sinnlich nicht wahrnehmbarsind, jedoch ber die sterblichen Menschen Macht haben. Liestman von da her bei Swedenborg (Wahre christliche Religion),

    die Vorstellung einer Mehrzahl von Gttern, sowohl imAltertum als auch in der Gegenwart, verdankt ihre Entstehungallein der Tatsache, dass man das Gttliche Sein nicht verstandenhat,

    wird doch zu fragen sein, wer was nicht verstanden habe undwarum. Damit jedoch ffnet sich das weite Feld der vernnftigenInterpretation antiker Texte, die im Falle der griechischen berlie-ferungen eng mit der griechischen Sprache und ihrer bersetzungin moderne Sprachen verbunden ist. Sich gerade mit griechischerMythologie und Sprache zu befassen, scheint mir fr ein umfassen-deres Verstndnis des Religisen vor allem auch deshalb ntzlich,weil der Urtext des Neuen Testaments in dieser Sprache vorliegt.Ein Nachdenken ber den Zusammenhang zwischen Sprache,Denken, Wirklichkeit, wie ein Buchtitel des Linguisten B. L. Whorf(1963) lautet, wird deshalb fr den Religionsforscher unerlsslich.

    Entsprechung als Sinnvermittlung

    In der Apostelgeschichte (14,11-13) die wie ihr Name sagt eine geschichtliche Erzhlung ist, wird von einer amsanten Be-gebenheit berichtet, die sich im kleinasiatischen Stdtchen Lysira

    in Lykaonien (heute Anatolien in der inneren Trkei, Gegend derStadt Konya, deren Name sich davon ableitet) zugetragen hat, dieein helles Licht auf die Miverstndnisse wirft, die unausweichlichscheinen, wo Menschen verschiedener Sprachen, Kulturen undReligionen zusammentreffen:

    Da aber das Volk sahe, was Paulus gethan hatte, erhoben sieihre Stimme und sprachen auf Lycaonisch: Die Gtter sind denMenschen gleich geworden und zu uns hernieder gekommen

    Und nenneten Barnabam Jupiter und Paulus Mercurius, dieweil

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    13/60

    OFFENE TORE 1/03 11

    der das Wort fhrte. Der Priester aber Jupiters, der vor ihrer Stadtwar, brachte Ochsen und Krnze vor das Tor, und wollte opfernsamt dem Volk

    Dieser Vorfall zeugt unmiverstndlich von einer Frmmig-

    keit die ohne weiteres damit rechnete, Gttern und mithingeistigen Wesenheiten auf Erden zu begegnen, entsprechendder Versicherung Swedenborgs, die allerltesten (antiquissimi),vorsintflutlichen Menschen htten noch direkt mit den Engelnverkehrt. Anklnge daran scheinen sich in der kleinasiatischenLandbevlkerung erhalten zu haben, wohingegen die hauptstd-tischen Athener von Paulus als auf intellektuelle Neuigkeiten ver-sessene Vorwitzige charakterisiert worden sind, die ihn ihrerseits

    einen Lotterbuben tituliert haben.Im grogriechischen Kulturbereich, worin diese Erzhlungspielt, wurde nicht von Jupiter gesprochen, wie Luther bersetzthat, sondern von Zeus, den die Rmer mit ihrem Jupiter identifi-zierten, gleicherweise wie sie im griechischen Hermes ihren Mer-kur als Entsprechung erkannten. Das Amsante dieses Berichtesbesteht darin, dass der von Statur eher unscheinbare Paulus frHermes genommen wurde, sein Begleiter Barnabas jedoch als der

    ber ihm stehende hchste Gott der Griechen, Zeus. Das erklrtsich aus dem Umstand, dass Paulus das Wort fhrte; denn Hermeswar bei den Griechen der Gtterbote und in dieser Eigenschaft so-zusagen das Sprachrohr Gottes. Dessen Funktion (Wirkungsweise)in der geistigen Welt war es nicht nur, den Verkehr im Himmel undauf Erden herzustellen, sondern zwischen den drei Bereichen (oderReichen) der Gtterwelt, der Menschenwelt und dem Hades derverstorbenen Menschengeister zu vermitteln. Als Gtterbote hat

    Hermes den irdischen Menschen den Willen Gottes kundgetan,und als Seelenfhrer hat er sie ins unterweltliche Jenseits gelei-tet (K. Kernyi, 1941, Hermes der Seelenfhrer). Mit seinemCaducus genannten Zauberstab (worum sich zwei Schlangen ineiner Doppelhelix winden, und welcher heute als Emblem der Me-diziner gilt), konnte er Menschen auerdem vom Wachzustand inden Schlaf oder auch in den Tod befrdern. Deshalb war er auchein Herr der Trume, die eine kommunikative Brcke zwischen

    innerseelischem Erleben und uerlichem Weltverstndnis bilden.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    14/60

    12 OFFENE TORE 1/03

    Ferner ist Hermes als Erfinder der Sprache berliefert und als Gott,der an allen Grenzbergngen in Erscheinung trat, die er betreuteund bewachte. Grenzen oder Abgrenzungen jedoch knnen ber-schritten werden. Das heit lateinisch transcendere, hinberge-

    hen. Deshalb ist in Hermes ein geistiges Wesen zu sehen, das dieTranszendenz reprsentiert und gewhrleistet. Wo Merkur spternur noch als Gott des Handels und Verkehrs verstanden wurde,ist dessen ursprnglicher geistiger Sinn vergessen worden, indemman nur noch einen Teil seiner natrlichen Erscheinungsformenim Auge behielt.

    Das Hinbergehen von geistigen Inhalten von einem zumandern menschlichen Individuum erleben wir alltglich bei jeder

    Mitteilung, meist ohne uns Gedanken darber zu machen, dass dasSprechen und Verstehen die sprachliche Kommunikation eintranszendentaler Vorgang ist. Die Kommunikation (lat. commu-nicatio), welche Hermes in der umfassendsten Bedeutung seinesNamens personifiziert, ist uns eine so groe Selbstverstndlichkeit,dass wir die communio, wie lateinisch die Gemeinschaft heit, alsihren Effekt (oder ihre Nutzwirkung) nur entdecken, indem wirber die Funktionsweise der Sprache eingehend nachdenken. In

    der deutschen Sprache entspricht dem Fremdwort Kommunika-tion die Mitteilung; darin steckt dieselbe Aussage, dass erst diebermittlung irgendwelcher Bedeutsamkeiten aus MenschenMitmenschen als Mit-Teilhaber desselben Wissens macht. WeilGemeinschaft Soziett auf Mitteilung oder Kommunikationberuht, besteht auch ein enger Zusammenhang zwischen denSozialwissenschaften und den Kommunikationswissenschaften.Unter den letzteren hat sich aus der Beschftigung mit den je

    eigenen und mit fremden Sprachen (Philologie) die Frage heraus-gelst, wie sprachliche Mitteilung berhaupt zustandekomme; einProblem, das heute als Sachgebiet der Linguistik gilt. Das Spre-chen-Knnen als Besitz einer Sprache ist nmlich nicht mit dem

    Wissen zu verwechseln, wie das Mitteilen funktioniert. Das lsstsich gleichnishaft mit all jenen Leuten erklren, die zwar ein Autobesitzen und damit herumfahren knnen, jedoch ohne zu wissen,wie es im Detail konstruiert ist und funktioniert. Der Linguist ist so-

    zusagen ein Mechaniker der sprachlichen Systeme. Die Linguistik

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    15/60

    OFFENE TORE 1/03 13

    nimmt dem Sprechen-Knnen seine Selbstverstndlichkeit, indemsie die Vorgnge und Gesetze analysiert, die sprachliche Kommu-nikation ermglichen. Im Unterschied zur Philologie, die mehrSprachgeschichte als Untersuchung des Wesens von Sprache ist,ist die Linguistik so eng mit der Erkenntnistheorie verbunden, wiedie Sprache mit dem Denken. Dies zu erkennen, war Swedenborgein Vorlufer der modernen Linguistik, was der folgende Neben-satz belegt, den er bezeichnenderweise im Zusammenhang mitder Beschreibung der Geister des Planeten Merkur aus einemGesprch mit dem Geiste des Aristoteles niedergeschrieben hat(Erdkrper im Weltall 38):

    weil alles Denken, und folglich auch die menschliche Sprache

    nach den aus der geistigen Welt stammenden Gesetzen der Ana-lytik vor sich geht

    Dass die Kenntnis dieser Gesetze der Analytik mit dem zu-sammenfllt, was Swedenborg sonst als Wissenschaft von denEntsprechungen bezeichnet hat, lsst sich schon anhand dereinfachsten linguistischen Erkenntnisse zeigen, wie nun kurz aus-gefhrt werden soll, um damit eine Brcke zwischen Sprachwis-senschaft und Entsprechungslehre zu schlagen, die ein Hinber-

    schreiten ermglicht.Jede Rede (was griechisch sowohl mythos als auch logos be-

    deuten kann) setzt sich aus Wrtern zusammen, die ihre Elementebilden. Wrter jedoch werden linguistisch als Zeichen aufgefasst,die aus einfacheren Zeichen (Lauten, Buchstaben) kombiniertsind, und ihrerseits zu Stzen verbunden, komplexere Aussagenermglichen. Die Bedingung, dass Wrter und Stze verstandenwerden knnen, ist, dass sie nach den Regeln der Kunst des Spre-

    chens gebildet werden und dass der Empfnger dieselben Regelnkennt und anwendet wie der Sender; dann nmlich kennen undsprechen sie dieselbe Sprache. Das Wort (im Buchstabensinne die-ses Wortes) steht somit auch im Zentrum der Linguistik, die ana-lysiert, wie eine verstndliche Rede zustandekommt. Die Phonetikbeschreibt die Regeln, wie in einer bestimmten Sprache aus Lauten

    Wrter als geregelte Lautfolgen gebildet werden, die Grammatikjene andern Regeln, wie aus Wrtern verstndliche Stze gebildet

    werden. Immer beziehen sich diese Regeln auf die Verbindung

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    16/60

    14 OFFENE TORE 1/03

    einer sinnlich wahrnehmbaren Form mit einem zugehrigenInhalt als dessen Bedeutung. Dementsprechend ist das Zeichendefinierbar als Verbindung eines Bedeutenden (lat. signifcans) miteinem Bedeuteten (lat. significat). Diese Verbindung wird im Falle

    der sprachlichen Zeichen gelernt. Um seinen Zweck erfllen zuknnen, muss jedes Zeichen folgende drei Eigenschaften haben:Erstens muss es der sinnlich wahrnehmbaren Welt zugehren,und deshalb eine materielle Grundlage haben, zweitens musses eine bestimmte, unverwechselbare Form haben, und drittensmuss es, um etwas bezeichnen zu knnen, diesem bezeichnetenEtwas seiner Bedeutung entsprechen. Die Entsprechung be-zieht sich also auf die Verbundenheit zwischen dem Bedeutenden

    (Form) und dem Bedeuteten (Inhalt), die das Zeichen, das Wortoder das Symbol ausmacht. Daraus ergibt sich, dass die Spracheselber durch Entsprechungen zustandekommt. Entsprechungensind gewissermaen die Atome oder Elemente des kommuni-kativen Geschehens berhaupt. Ist dies einmal erkannt, wird erstdie Komplexitt von Swedenborgs Lehre der Entsprechungen inihrer ganzen Tiefe begreiflich; Entsprechung ist ein Sammel- oderberbegriff fr viele verschiedene Arten von Gleichsinnigkeiten.

    Dafr bentzen wir heute vorab das Fremdwort Analogien; dasgriechische Adjektiv analogos indes wird im Wrterbuch mit ent-sprechend (oder allenfalls gleichsinnig) bersetzt. Analogien kn-nen sich auf sehr Verschiedenartiges beziehen; das soll an einigen,die Sprache betreffenden Beispielen illustriert werden:

    A. Die Schrift entspricht der Rede, indem sie mittels graphischenZeichen dasselbe darstellt, nachbildet oder reprsentiert, wiedas Sprechen mittels Lautfolgen. Hier handelt es sich um einHinbergehen oder Hinberwechseln auf der sinnlichen Ebene,nmlich vom Akustischen zum Visuellen. Das eine kann ins an-dere bertragen oder bersetzt werden.

    B. bertragung oder bersetzung ist von einer Sprache in eineandere mglich, insoweit einander entsprechende Ausdrucks-mglichkeiten in beiden Sprachen gefunden werden knnen.Hier bezieht sich die Analogie auf die Funktionen (Wirkungs-

    weisen) sprachlicher Zeichen und Regeln oder auf das, was

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    17/60

    OFFENE TORE 1/03 15

    Swedenborg im obigen Zitat die Gesetze der Analytik genannthat. Die Ebene, worauf sich diese Gleichsinnigkeit bezieht, kanndementsprechend die sprachlogische genannt werden.

    C. Auf der formalen Ebene knnen einer Ausdrucksform (z. B.

    einem Wort) verschiedene Bedeutungsinhalte entsprechen.Beispielsweise kann Esel sowohl ein Tier meinen, das sich zu-weilen strrisch benimmt, als auch einen Menschen vergleich-baren Charakters. Die Mglichkeit, derartige Vergleichungenoder Entsprechungen als Ausdrucksmittel zu bentzen, werdenMetaphern genannt, abgeleitet vom griechischen Verb meta-phero (verlegen, wechseln, auswechseln, verwechseln, etwasbertragen). Was in solchen Fllen der Auswechselung mit

    einem Wort jeweils gemeint sei, die buchstbliche (Tier) oderdie bertragene Bedeutung (Charakter), ergibt sich aus demKontext, worin es steht.

    D. Spiegelbildlich dazu kann auf der inhaltlichen Ebene dieselbeBedeutung auf formal verschiedene Arten dargestellt werden.Sofern es sich nicht einfach um verschiedene sprachliche For-mulierungen handelt, die denselben Sinn ergeben, spricht man

    von (Sprach-)Bildern, Sinnbildern, Gleichnissen, Allegorienoder Parabeln dann, wenn es sich um bildhafte Beschreibun-gen eines Sachverhaltes handelt, wofr die Sprache keine klarverstndlichen abstrakten Begriffe zur Verfgung hlt. Weildie obgenannten Bezeichnungen verschiedenartig gebrauchtwerden, lassen sich die vielen Spielformen dieses Verfahrensmit ihrer Hilfe kaum przise gegeneinander abgrenzen. Ein-gesetzt werden diese Ausdrucksmittel vor allem in Fllen, wo

    ein bestimmtes innerseelisches Erleben zum Ausdruck gebrachtwerden soll, das sich schwerlich anders darstellen liee dennmittels der beschreibenden Erzhlung eines uerlichen Ver-haltens, das ihm entspricht. Ein schnes Beispiel dafr ist JesuGleichnis vom Samariter als Antwort auf die Frage: Wer istmein Nchster? Wie knnte eine seelische Einstellung ohnedie Darstellung eines entsprechenden Verhaltens so deutlichbeschrieben, und wie anders die gestellte Frage so klar beant-

    wortet werden?

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    18/60

    16 OFFENE TORE 1/03

    Einige Religionshistoriker und Mythenforscher wie beispiels-weise M. Grant (1964) haben die Meinung vertreten, in der Antikeseien religise Texte zwecks Geheimhaltung ihrer wahren Bedeu-tung vor dem gemeinen Volk, das sie entheiligen wrde, ab-

    sichtlich verschlsselt worden, und man brauche deshalb nur denCode zu finden, womit sie wieder entschlsselt werden knnten.Demgegenber hat Jesus immer wieder gesagt, wer Ohren hatzu hren, der hre!, und so darauf hingewiesen, dass Verstnd-nisbarrieren nicht vom Sprecher sondern vom Zuhrer aufgestelltwerden. Es ist ihr ausschlielich natrliches (materialistisches)Denken und Sprachverstndnis, das Zuhrer daran hindert, deninneren Sinn einer metaphorischen oder allegorischen Ausdrucks-

    form zu verstehen, die sich auf eine innerseelische, materiell nichtgreifbare Wirklichkeit bezieht. Auf dieser tieferen Schicht des Welt-erlebens denken wir weniger in Worten als in bildhaften Vorstel-lungen, die als Urbilder oder Ideen das Fundament der Wortspra-che bilden. Das Gebude der Sprache hat also bildlich gesprochenmehrere Stockwerke, deren Grundrisse einander entsprechen, undes liegt an den Bewohnern, in welcher Etage oder auf welcherEbene des Verstehens sie sich aufhalten.

    Ist jede Sprache ein System komplizierter Vernetzungen aufmehreren Ebenen des Entsprechens, entspricht sie ihrerseits demDenken, dessen angemessenste Ausdrucksform sie ist. Sie ist je-doch nicht die einzige, uns zur Verfgung stehende Ausdrucks-form; Gefhle beispielsweise knnen wir gestisch oder mimischgenauer darstellen als sprachlich. Die Gestik und die Mimik (aufdie Swedenborg im Zusammenhang der bereinstimmung bezie-hungsweise Entsprechung zwischen dem Gesichtsausdruck und

    der Gemtsverfassung verschiedentlich zu sprechen kommt), sindSysteme averbaler Kommunikation. Wie die Verhaltensforschungan Tieren gezeigt hat, verstndigen sich diese hauptschlichmittels einer solchen Krpersprache, die auf Entsprechungenzwischen Appetenzen oder Affekten und bestimmten Haltungenoder Bewegungsablufen beruht. Im zwischenmenschlichen

    Verkehr kennen wir weitere averbale Zeichensprachen, alltglichbeispielsweise als Verkehrssignale. Einen weniger alltglichen An-

    wendungsbereich der Erkenntnis, dass alle regelmig typischen

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    19/60

    OFFENE TORE 1/03 17

    Formen von Gegenstnden eine ihnen je entsprechende Bedeu-tung haben, hat die Archologie gefunden; sie bringt Funde auseiner grauen Vorzeit, die noch keine Schrift kannte, dennoch zumsprechen, indem sie die Entsprechungen zwischen den Formen

    und den Zwecken von Gertschaften die ihren Sinn ausmachen entziffernd errt, wo ein Steinbeil oder eine Pfeilspitze deu-tend als solche erkannt werden.

    Solcherart Erkenntnisvorgnge fallen begrifflich nicht mehrin den Bereich der Sprachwissenschaft oder Linguistik, weshalbdafr die Bezeichnung Semiotik erfunden worden ist, was sich alsBedeutungslehre verdeutschen lsst. Darin mitenthalten ist dieLinguistik nur mehr ein Teilbereich oder Spezialfall der Untersu-

    chung des Entsprechenden zwischen Bedeutendem (Formen) undBedeutetem (Zwecken, Sinninhalten). Dass die averbalen Formen-sprachen untereinander und auch mit der Wortsprache wiederumdurch Entsprechungen verkoppelt sind, fhrt zum Schluss, dasLeben insgesamt bringe sich selber durch mannigfaltigste Ent-sprechungen zum Ausdruck; denn Leben verstehen heit nichtsanderes, als die Entsprechungen kennen, die Leben ausdrcken.Da diese unendlich weitlufig sind, verstehen wir immer nur einen

    kleinen Ausschnitt davon. Wie dieses Verstehen oder Erkennen, wasLeben sei, vor sich geht, bleibt sich jedoch in allen Ausschnittenoder Themenbereichen darin gleich, dass wir Vorgefundenes seies in uns selber oder auerhalb deuten; denn deuten heit, denErfahrungen eine Bedeutung geben oder, was dasselbe ist, einenSinn. Leben verstehen bedeutet somit, den Sinn des Lebens zuverstehen. Die Entsprechungslehre Swedenborgs luft darauf hi-naus, dass Leben nicht in den Einzelwesen selber ist, sondern in

    deren Beziehungen zueinander. Beziehungen herstellen jedochheit kommunizieren, und das hinwiederum verlangt, einander zuverstehen. Deshalb nennt Swedenborg die Wissenschaft von denEntsprechungen die Wissenschaft der Wissenschaften; sie alleinist in der Lage, jener seit dem Turmbau von Babel herrschendenSprachverwirrung etwas entgegenzusetzen, wodurch sich die zahl-reichen Muttersprachen, Fachsprachen und Bildersprachen als Mit-tel zur Herstellung menschlicher Gemeinschaft ins Gegenteil eines

    Hindernisses verkehrt haben, Fremdes verstehen zu knnen.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    20/60

    18 OFFENE TORE 1/03

    Aus der Antike sind uns zahlreiche Texte berliefert, die unszuweilen befremden, entweder weil sie Dinge sagen, die wir un-schicklich finden, oder weil wir gar nicht verstehen, was sie aussa-gen sollen, da sie von Dingen berichten, die wir fr unmglich hal-ten, beispielsweise von der Existenz von Wesen, die halb Menschund halb Tier seien. Dergleichen nennt man heute Mythen; alleines waren Entsprechungen. Diese Einsicht Swedenborgs besagtindirekt, dass es an uns selber liegt, falls wir in derartigen Erzh-lungen lediglich ein Spiel ungezgelter Phantasie sehen. Abersie fhrt uns noch nicht dazu, eine mythische Bildersprache wiejene der alten Griechen zu verstehen. Dazu bruchten wir einenbersetzer als Vermittler. Aufzuzeigen, dass dieser Vermittler dieSprache selber sein kann, ist die Absicht dieser Schrift. Indem dieSprache bildlich in Hermes selber verkrpert gedacht wird, ber-nimmt der Gott der Kommunikation die Funktion, uns die Bedeu-tung der Mythen mitzuteilen, und wird dadurch zu einem Boten,der das Hinberschreiten transcendere vom gttlichen Sinnzu dessen menschlichem Verstndnis ermglicht. Deshalb ist nachihm die Hermeneutik benannt. Das erklrt K. Kernyi (1941, 103)folgendermaen:

    Nicht ohne Grund galt Hermes fr den Erfinder der Sprache.Es gehrt zur hermetischen Weisheit der griechischen Spracheselbst, zu ihren geistreichsten Zufallstreffern, dass das Wort frdas einfachste stumme Steinmal: herma, von dem der Name desGottes stammt, rein lautlich dem lateinischen sermo entspricht.Das in dieser Bedeutung im Griechischen nicht vorkommendeherma, bildet das Grundwort zu hermeneia, der Erklrung Her-mes ist hermeneus, Mittler durch Sprache

    ber das Vorgehen und die Regeln der Hermeneutik, wiedie Kunst der Textauslegung heit, die ohne Befolgung strengerRegeln keine Kunst wre, hat Swedenborg nicht viel berichtet,weil ihm die Bedeutungen mythischer Texte direkt durch Gese-henes und Gehrtes mitgeteilt worden sind. Dass es auch einenindirekten Weg dahin gibt, der sich verstandesmig nachvoll-ziehen lsst, soll im Folgenden anhand eines Beispiels aus dergriechischen Mythologie dargelegt werden. Absichtlich wurde

    dazu keines der groen und bekannten Themen gewhlt, die

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    21/60

    OFFENE TORE 1/03 19

    sich um Gestaltungen wie Herakles und seine Arbeiten, Jason undseine Argonautenfahrt oder Theseus und dessen berwindung desMinotaurus ranken; Anhand eher unscheinbarer, und auf Anhiebvielleicht kurios anmutender Erzhlungen, soll vielmehr aufgezeigt

    werden, dass auch in ihnen ein innerer Sinn verborgen liegt,dessen Verstndnis dem heutigen Menschen zu verstehen helfenkann, was in unser aller Seelen vorgeht.

    Name und Abstammung

    Die folgende Untersuchung gilt zwei weiblichen Gestalten, die ihrden roten Faden spinnen sollen: Prokris und Pasipha. Beide kom-

    men getrennt in Erzhlungen vor, worin sie zu andern mythischenFiguren in Beziehung treten; gemeinsam jedoch erscheinen sie ineiner Geschichte, worin sie zu Gegenspielerinnen werden. Da-durch ist diese Erzhlung geeignet, die Verwobenheit mythischerGestalten und Themen (Mythologeme) untereinander, samt jenerder verschiedenen Quellen darzustellen, worin sie vorkommen.Die folgende Fassung stammt aus der Sammlung des Apollodoros,genannt Mythographos, der um 140 v. Chr. in Athen gelebt haben

    soll. Wie der bersetzer und Herausgeber L. Mader (1963) nach-weist, kann diese Sammlung in der vorliegenden Form jedocherst nach 61 v. Chr. verffentlicht worden sein. Der betreffende

    Abschnitt steht in Buch III. 197ff:

    Als Pandion starb, teilten seine Shne den vterlichen Besitz,und zwar erhielt Erechtheus die Herrschaft, Butes das Priestertumder Athene und des Poseidon-Erechtheus. Erechtheus ehelichtePraxithea, die Tochter des Phrasimos und der KephisostochterDiogeneia, die ihm drei Shne gebar, Kekrops, Pandoros undMetion, und vier Tchter, Prokris, Kreusa, Chtonia und Oreithyia,die spter Boreas raubte.

    Mit Chtonia vermhlte sich Butes, mit Kreusa Xuthos undmit Prokris Kephalos, des Deion Sohn. Die letztere gab sich freinen goldenen Kranz, den er ihr schenkte, dem Pteleon hin. VonKephalos dabei berrascht, flchtete sie zu Minos. Dieser fhltesich zu ihr hingezogen und berredete sie, ihm zu Willen zu sein.

    Wenn sich aber ein Weib Minos hingab, war es verloren. Denn,

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    22/60

    20 OFFENE TORE 1/03

    da er so viele Frauen zu umarmen pflegte, hatte ihn Pasiphavergiftet, und wenn er einer andern beiwohnte, verseuchte ersie mit Lebewesen, die den Tod verursachten. Er besa jedocheinen schnellen Hund und einen treffsicheren Spie, und dafrberlie sich Prokris seiner Umarmung, wobei sie ihm allerdings

    von der Kirkeischen Wurzel zu trinken gab, um keinen Schaden zuerleiden. Dann wieder, aus Furcht vor Minos Weib, kam sie nachAthen zurck, wo sie sich mit Kephalos vershnte und mit ihmjagte, war sie doch eine gewandte Jgerin. Einst aber erkannteKephalos sie bei der Verfolgung eines Wildes im Dickicht nicht,warf den Speer und traf sie tdlich. Auf dem Areshgel wurde ergerichtet, und der Spruch lautete auf dauernde Verbannung.

    Eine erste Regel zur Deutung mythischer Gestalten ist im

    lateinischen Sprichwort enthalten: nomen est omen. Nomenheit der Name, whrend omen als Anzeichen oder Vorbedeu-tung zu bersetzen ist. Namen haben demnach als Anzeichendafr zu gelten, was die jeweiligen Namenstrger versinnbild-lichen. Das hat Goethe aufgegriffen, wo er Faust zu Mephisto-pheles sagen lsst:

    Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen

    Gewhnlich aus dem Namen lesen,Wo es sich allzu deutlich weist,Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lgner heit.

    Damit hat Goethe auf den kanaanitischen Baal-Zebul an-gespielt, der ein Herr der Ratten, Wanzen, Luse war, und alsBeel-Zebub in die jdisch-christliche berlieferung vom TeufelBeelzebub eingegangen ist.

    Indessen lassen sich viele der 17 schon im ersten Abschnitt

    unserer Erzhlung nebst Prokris erwhnten Namen nicht so ge-nau bersetzen, dass das Wesen ihrer Trger offen zutage tretenwrde. Das gilt auch fr Prokris selber, deren Name vom Verbprokrino (vor andern auswhlen, vorziehen, vorgezogen werden,beurteilen) abgeleitet ist, weil man nicht wei, ob sie die Ausge-whlte oder die Auserwhlte sei und nicht vielmehr die Aus-whlende oder die Beurteilende. Deshalb muss zur nherenBestimmung auf die allgemein-linguistische Regel zurckgegriffen

    werden, dass der Zusammenhang, worin ein mehrdeutiges Wort

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    23/60

    OFFENE TORE 1/03 21

    steht, die gemeinte Bedeutung eingrenzt. Im fraglichen Abschnittist dieser Kontext zunchst einmal die Familie, als deren MitgliedProkris genannt wird.

    In griechischen Mythen ist es sehr gebruchlich, dass bei der

    Erwhnung eines Namens auch gleich der Vater, die Mutter oderbeide Eltern dazugenannt werden; die vterliche Abstammunghufig in Form eines Beinamens (Epitheton), der auch fr sichallein als Name stehen kann, wie beispielsweise Kronion fr Zeus,der dann einfach Kronossohn heit, oder wie bei den Nereidenals Tchtern des Nereus. In unserem Falle ist der Erzhlung vonder Begegnung zwischen Prokris und Minos, dem Gatten derPasipha, der ganze Stammbaum der Prokris vorangestellt, wo-

    durch man gleich wsste, was es mit ihr auf sich hat, kennte mandie Bedeutungen ihrer Vorfahren, Brder und Schwestern. Dennwie heute noch Personen nach ihrer familiren Herkunft beurteiltwerden, hielten es auch die Griechen; Abstammung und Namebestimmten die Bedeutung einer Person, noch bevor ihr Handelnvon ihrem Wesen zeugte.

    Dass Genealogien (Stammbume) nicht nur in der griechi-schen Mythologie von erstrangiger Bedeutung sind, erklrt sich

    aus einer weiteren mythologischen Deutungsregel, die besagt,dass jedes Wesen, das aus einem andern hervorgeht, eine be-sondere Ausprgung dessen reprsentiert, was der Erzeuger oderdie Gebrerin im inneren Sinn verkrpert. Im Unterschied zu denGeschlechterfolgen im Alten Testament, die sich vorwiegend wenn auch nicht immer auf die mnnliche Abstammungsliniebeschrnken, ist es eine Besonderheit des griechischen Mythos,hauptschlich mit bilinearen Abstammungen zu arbeiten, das

    heit Vater und Mutter zu bercksichtigen. Hierzu ist die Theo-gonia Hesiods das sprechendste Beispiel. Die mnnlich-weiblicheDoppelseitigkeit der Abstammung hat bei der Deutung zwei Kon-sequenzen: Erstens erklrt sich das Wesen eines Kindes als Verkreu-zung dessen, was Vater und Mutter bedeuten; dadurch wird dasKind zum Reprsentanten ihrer Beziehung zueinander. Zweitensist in der elterlichen Beziehung eine Ehe als Symbol einer inneren,kompositorischen Zusammengehrigkeit gegeben, die wiederum

    ein Licht auf die Deutungen beider Partner wirft, die begrifflich

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    24/60

    22 OFFENE TORE 1/03

    irgendwie zusammengehren mssen, hnlich wie ihr entstam-mende Kinder eine sie durch die Eltern verbindende gemeinsameBedeutung haben. Aus diesen Grnden ist es der bersicht halberhilfreich und ratsam, mythisch berlieferte Stammbume gra-phisch aufzuzeichen. Die in unserem Beispiel in Klammern bei-gegebenen (Namens-)Deutungen, die anschlieend begrndetwerden, illustrieren den Sinn eines derartigen berblicks.

    Von Prokris ausgehend, die etwas mit dem Auswhlen oderdem Beurteilen zu tun hat, ist als gemeinsame Bedeutungsebenezusammen mit ihren Geschwistern jene der mentalen Fhigkeitenzu vermuten. Das besttigt sich anhand der Brder Pandoros,bersetzbar als der Allbeschenkte oder Allbegabte und Metion,was eine mnnliche Namensform der Metis ist, die gewhnlich als

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    25/60

    OFFENE TORE 1/03 23

    kluger Rat bersetzt wird. Allbegabung, Klugheit und Urteilsf-higkeit sind alles hervorragende Verstandeseigenschaften. Kekropsindes, dessen Namen kaum bersetzbar ist, hie nach Apollodor(III, 177) auch der erste Knig von Attika, der als halb Mensch und

    halb Schlange beschrieben wird. Nach K. Kernyi (1951) handeltes sich hierbei vielleicht um ein Wortspiel, weil kerkops der Ge-schwnzte heit. Interpretiert man die Schlange als Symbol dernatrlichen Intelligenz (etwa gem dem Ausspruch Jesu, seidklug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben), kann imSchlangenmenschen Kekrops eine Verkrperung der Weltklugheitgesehen werden, die sich als natrliche Intelligenz ebenfalls indie Reihe der obgenannten Fhigkeiten stellen lsst. Krusa scheint

    eine andere Schreibweise von kreiousa zu sein, was Herrin oderGebieterin heit. Worber sie gebietet, ist dem Namen allerdingsso wenig zu entnehmen wie den sprlichen berlieferungen bersie. Ihre Schwester Chtonia ist die weibliche Personifikation derErde als Material, die als Element mit dem Sinnesempfinden in

    Verbindung gebracht werden (worauf noch zurckzukommen seinwird). Demnach wre sie die Empfindung als eine Fhigkeit, dieeinerseits mit der Urteilsfhigkeit (Prokris) eng zusammenhngt,

    andrerseits mit Oreithyia; denn dieser Name setzt sich aus orao(sehend sein, schauen, wahrnehmen, erkennen) und thyia zusam-men, wie die im verzckten Rausch befindlichen Bacchantinnengenannt wurden. Ist sie demnach eine im Rausch Sehende odereine in der Verzckung Schauende, verkrpert sie ebenfalls einementale Fhigkeit, und zwar ekstatisch visionr schauender Art.

    Bemerkenswert an dieser Kinderschar ist auch ihre Siebenzahl.Allerdings gibt es dazu eine abweichende Erzhlung von Ovid (Me-

    tamorphosen VI, 675ff), wonach es sich um 4 Shne und 7 Tchtergehandelt haben soll. In christlicher Tradition hngt die Sieben mitdem Heilsamen (der 7 Sakramente) und dessen Gegenteil (der 7Todsnden) zusammen, whrend sie astrologisch in den 7 Planetenals Ausdrucksformen des Willens erscheint, und von da her mit dennach jenen benannten Wochentagen zusammengeht. Daher kannsie am ehesten als Zahl des geistigen Wollens verstanden werden,dem die fraglichen sieben Kinder als Reprsentationen geistiger F-

    higkeiten entsprechen. Der Zusammensetzung aus 3 mnnlichen

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    26/60

    24 OFFENE TORE 1/03

    und 4 weiblichen Geschwistern entspricht eine Deutung der Drei alsZahl des himmlisch-Dynamischen und der Vier als Zahl des irdisch-Statischen. Addiert ergeben sie die Sieben als Symbol des geisti-gen Wollens, multipliziert hingegen die 12 als Zahl der Ganzheit.

    Auf der Grundlage der vorgetragenen Deutungen ihrerKinder, die regelmig als Verkrperungen oder Darstellungen(repraesentationes) der Beziehung eines Elternpaares zu interpre-tieren sind, knnen nun auch Erechtheus und Praxithea gedeutetwerden: Im Namen der letzteren stecken die Wrter fr Gttin(thea) und fr das Handeln als praktische Beschftigung oder alsbewirkendes Unternehmen (to pragma). Das ergibt verschiedeneDeutungsmglichkeiten zwischen den Extremen einer Gttin der

    Wirksamkeit im Allgemeinen und einer Gttin der konkretenTtigkeit im Besonderen. Weil sich ihre Kinder als mentale Fhig-keiten herausgestellt haben, hat eine Deutung als Gttin der Ver-wirklichung den Vorzug, das Wesen mentaler Fhigkeiten (die 7Kinder) als Geburten eines (weiblichen) Willens zur Verwirklichung(von Leben) zu erklren. Gesttzt wird diese Deutung von jenerder Eltern Praxitheas, deren Mutter Diogenaia leicht als die ausGott Geborene bersetzbar ist. Der Wille zur Verwirklichung (Pra-

    xithea) von Leben kommt daher, dass er aus Gott geboren wird(Diogenaia). Das geschieht aufgrund eines Erzeugenden mnn-lichen Geistes (Vaters) namens Phrasimos, der vom Verb phrazo(deutlich machen, verknden, andeuten) abzuleiten ist undsomit bersetzbar als der Verknder oder der Darstellende,was begrifflich zusammengefasst werden kann als der sich Aus-drckende. Demnach wird alle Verwirklichung (Praxithea) vom

    Willen zum sich darstellenden Ausdruck (Phrasimos) erzeugt, und

    aus einem gttlichen Willen weiblichen Geschlechts geboren (Di-ogenaia). Dazu wird auerdem gesagt, der Erzeuger Diogenaiassei Kephisos gewesen, was als Name, den mehrere Flsse im altenGriechenland getragen haben (worunter einer in der Gegendvon Athen, wo Erechtheus Knig war), nur solange merkwrdigscheint, als die Symbolik des flieenden Swassers nicht geklrtist, wozu ein Exkurs notwendig wird.

    (Fortsetzung folgt im nchsten Heft; das Literaturverzeichnis am Schluss)

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    27/60

    OFFENE TORE 1/03 25

    Die SintflutZusammenschau ihres inneren Sinnes

    von Thomas Noack

    Die Bibelkenntnisse gehen heute in der Flut der Bcher unter.Doch die Erzhlungen von der Sintflut sind meist noch vor-handen. In keiner Kinderbibel fehlen sie. Die folgende Zusammen-schau enthlt Vers fr Vers die biblische Erzhlung von der groenFlut. Auf jedem Vers folgt anschlieend eine mglichst kurzeFormulierung des inneren Sinnes. Dabei habe ich mich an Swe-

    denborgs Auslegung in den Himmlischen Geheimnissen orientiert,aber hier und da auch freiere Formulierungen gewagt, die meinemEmpfinden des inneren Sinnes entspringen, denn der geistige Sinnist kein totes Gebilde, sondern lebendiges Gewebe.

    Die Phantasien der Selbstliebe

    Genesis 6,1. Und es geschah, dass der Mensch anfing sich zumehren auf dem Angesichte des Bodens und Tchter ihnen

    geboren wurden. Bei den Menschen vor der Sndflut nahmen die Begierden ber-hand.

    2. Und die Shne Gottes sahen die Tchter des Menschen, dasssie gut wren und nahmen sich Frauen von allen, die sie er-whlten.

    Die Wahrheiten, die diese Menschen noch aus der ltesten vonGott stammenden berlieferung kannten, verbanden sich mit

    allen mglichen Begierden.3. Und der Herr sprach: Mein Geist wird nicht ewiglich rechtenmit dem Menschen; denn er ist Fleisch, und seine Tage wer-den sein hundertundzwanzig Jahre!

    Die Folge davon war, dass sich die Menschen vom Geist desHerrn nicht mehr leiten lieen, denn sie waren krperlich gewor-den. Um wiedergeboren werden zu knnen muss der Menschaber berreste des Glaubens haben.

    4. In denselben Tagen waren die Nephilim auf der Erde, und

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    28/60

    26 OFFENE TORE 1/03

    auch nachher, da die Shne Gottes zu den Tchtern desMenschen eingingen, und diese ihnen gebaren. Dieselbenwurden die Mchtigen von Alters her, Mnner von Namen.

    So entstanden jene malosen Einbildungen der Selbstliebe, diealles Heilige und Wahre vllig verachteten.

    Die Bosheit des Urmenschen und die Schpfung eines neuenMenschentyps

    5. Und der Herr sah, dass des Bsen des Menschen viel ward aufErden, und dass alles Bilden der Gedanken seines Herzens nurbse war den ganzen Tag.

    Der Wille zum Guten begann aufzuhren, so dass es keine innere

    Wahrnehmung des Guten und Wahren mehr gab.6. Und es reute den Herrn, dass Er den Menschen auf Erden ge-macht hatte, und es schmerzte Ihn in Seinem Herzen.

    Da erbarmte sich der Herr des Menschen.7. Und der Herr sprach: Ich will vertilgen den Menschen, den

    Ich geschaffen, von dem Boden vom Menschen bis zum Vieh,bis zum Kriechtier und bis zum Gevgel der Himmel, denn esreut Mich, dass Ich sie machte.

    Denn der Mensch richtete sich selbst zugrunde, und zwar in allenseinen Lebensbereichen, das heit in Wille und Verstand. Deswe-gen erbarmte sich der Herr des Menschen

    8. Aber Noah fand Gnade in den Augen des Herrn. indem Er einen neuen Weg der Wiedergeburt erffnete.

    Das Noahprinzipoder die Wiedergeburt unter den Bedingungen der Snde

    9. Dies sind die Geburten Noahs. Noah war ein gerechter Mannund untadelig in seinen Geschlechtern. Noah erging sich mitGott.

    Dies ist die Wiedergeburt des Menschen, der die Liebe zum Herrnnicht mehr empfinden kann (Noah bedeutet Trost), aber dennochin seiner ueren Lebensttigkeit mit dem Guten und Wahren er-fllt werden soll, weil er nach den gttlichen Lehren handelt.

    10. Und Noah zeugte drei Shne, Sem, Ham und Jafet.

    Diese neue Geburt lsst drei Lehr- und somit Religionstypen zu.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    29/60

    OFFENE TORE 1/03 27

    Der Untergang des Urmenschen

    11. Und die Erde war verdorben vor Gott; und die Erde war erflltmit Gewalttat.

    Die ursprngliche Weise, Mensch zu sein aus der Unmittelbarkeit

    des Herzens, war ganz und gar verloren gegangen.12. Und Gott sah die Erde, und siehe, sie war verdorben, weil

    alles Fleisch seinen Weg verdebt hatte auf Erden. Das Verstndnis des Wahren erlosch, weil der Mensch nur noch

    die leiblichen Bedrfnisse befriedigte.13. Und Gott sprach zu Noah: Das Ende alles Fleisches ist vor

    Mich gekommen, denn die Erde ist erfllt mit Gewalttatdurch sie. Und siehe, ich will sie verderben mit der Erde.

    Damit war der Untergang des Menschen besiegelt, denn dasLeibliche kennt keine Werte, das heit in ihm wohnt kein Willezum Guten.

    Der neue Menschentyp

    a) die Form seines Geistes (Verstandesseite)

    14. Mache dir eine Arche von Gopherholz. Mit Kammern mache

    die Arche und verpiche sie von innen und auen mit Pech. Der neue Menschentyp besteht aus Lsten (leicht entflammba-ren Leidenschaften), was die ganz natrliche Folge seiner bishe-rigen Biographie ist (Sndenfall und Brudermord). Aber er kanngerettet werden, weil sein Geist anders als der des Urmenschen deutlich in verschiedene Bereiche abgetrennt ist, so dass dieBegierden ihn nicht berschwemmen knnen.

    15. Und also sollst du sie machen: Dreihundert Ellen sei die Lnge

    der Arche, fnfzig Ellen ihre Breite und dreiig Ellen ihreHhe. Jedoch sind die Dimensionen seines inneren Lebens die Tiefe der

    Erfahrung des Heiligen, die Wahrheitserkenntnis und die Gteseines Lebens auf einen engen Raum beschrnkt.

    16. Ein Fenster sollst du machen der Arche und es oben vollen-den bis zu einer Elle. Und den Eingang der Arche sollst du andie Seite setzen. Ein unterstes, zweites und drittes Stockwerk

    sollst du machen.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    30/60

    28 OFFENE TORE 1/03

    Aufgrund der Belastung durch die Snde (infolge seiner Bio-graphie) ist dieser Menschentyp nur durch das Verstndnis derhheren Dinge und das Hren des Wortes zugnglich. Aufgrunddieser Einflsse (ffnungen), kann er Wissen erwerben, es geistig

    durchdringen und schlielich zu einem gleichsam inneren Ver-stndnis der Wahrheit gelangen.17. Und Ich, siehe, Ich bringe die Flut von Wassern ber die

    Erde, zu verderben alles Fleisch unter den Himmeln, indem der Geist des Lebens ist. Alles, was auf Erden ist sollverscheiden.

    In der berschwemmung des Bsen und Falschen wird alles Ur-sprngliche, das aber verdorben ist, untergehen und somit der

    Erfahrbarkeit nicht mehr zugnglich sein.18. Aber mit dir will Ich einen Bund aufrichten. Und du sollst indie Arche eingehen, du und deine Shne und dein Weib unddeiner Shne Weiber mit dir.

    Du aber und dein Anhang sollst gerettet werden und neues Le-ben empfangen (mit dem Ursprung verbunden werden).

    19. Und von allem Lebendigen, von allem Fleische sollst du jezwei von allem in die Arche einbringen, auf dass sie mit dir

    am Leben bleiben, ein Mnnliches und ein Weibliches sollensie sein.

    Deswegen soll das, was bei dir noch lebendig oder intakt ist,das Vermgen zu verstehen, gerettet werden. Desgleichen aberauch dein Wille, denn nur im Zusammenspiel von Verstehen undVerwirklichen kann sich dein Leben neu entfalten.

    20. Von dem Gevgel nach seiner Art, und vom Vieh nach seinerArt, von allem Kriechtier des Bodens nach seiner Art, sollen je

    zwei von allen zu dir herein kommen, auf dass sie am Lebenbleiben.

    Daher will ich dein Denken und Wollen bewahren, auch deineniedrigsten Triebe und Absichten. Die Mglichkeit, dass sich ausall dem neues Leben entfaltet, soll erhalten bleiben.

    21. Und du, nimm dir von jeglicher Speise, die gegessen wird,und sammle sie dir, auf dass sie dir und ihnen zur Speiseseien.

    Und weil ich dich nicht untergehen lassen, sondern bewahren

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    31/60

    OFFENE TORE 1/03 29

    will, so rste dich mit dem Lebensnotwendigen aus. Das Gutewerde dir zur Lust und das Wahre eine Bereicherung deinesGeistes.

    22. Und Noah tat es. Nach allem, wie ihm Gott geboten hatte, so

    tat er. Dies ist der Weg, in der Not seines Geistes die Rettung zu erfah-ren. Wer ihn erkennt, verwirklicht ihn.

    b) die Lebendigkeit seines Geistes (Willensseite)

    Genesis 7,1. Und der Herr sprach zu Noah: Geh ein, du undall dein Haus, zur Arche; denn dich habe Ich gerecht vor Mirgesehen in diesem Geschlechte.

    Der Wille wird fr die Wiedergeburt durch das dort befindlicheGute vorbereitet.

    2. Von allem reinen Vieh nimm dir sieben und sieben, einMnnchen und sein Weibchen, und von dem Vieh, das nichtrein ist, je zwei, ein Mnnchen und sein Weibchen.

    Wiedergeboren werden die heiligen Triebe zum Guten und dasmit ihnen verbundene Wahre. Ebenso aber auch die unheiligen

    Triebe zum Bsen und das damit verbundene Falsche.3. Auch von dem Gevgel der Himmel sieben und sieben, einMnnliches und ein Weibliches, auf dass Samen auf der gan-zen Erde erhalten werde.

    Schlielich wird auch das Vermgen zu verstehen wiedergebo-ren, damit der uere Menschen glauben kann. Dieses Verm-gen ist heilig, weil es sich aus der Bereitschaft Gutes zum tunbildet.

    4. Denn in noch sieben Tagen lasse Ich regnen auf Erdenvierzig Tage und vierzig Nchte, und vertilge jegliches Ge-schpf, das ich gemacht habe, von dem Boden.

    Die Versuchung selbst wird durch das intensivere Einwirken desHerrn ausgelst. Die Versuchungen bewirken, dass das Eigenedes Menschen gleichsam vertilgt wird.

    5. Und Noah tat nach allem, das der Herr geboten hatte.

    So geschah es.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    32/60

    30 OFFENE TORE 1/03

    Die Versuchung des Verstandes

    6. Und Noah war sechshundert Jahre alt und die Flut der Wasserwar auf der Erde.

    Die Anfechtungen im Bereich des Verstandes fangen an.

    7. Und Noah und seine Shne und sein Weib und die Weiberseiner Shne mit ihm gingen ein in die Arche vor den Wassernder Flut.

    Der Mensch, der wiedergeboren werden kann, aber aufgrunddes Bsen in ihm Versuchungen ausgesetzt ist, wird beschtzt,weil er Wahres und Gutes und Wahres, das mit Gutem verbun-den ist, hat.

    8. Von dem reinen Vieh und von dem Vieh, das nicht rein war,

    und von dem Gevgel und von allem, das auf dem Bodenkreucht,

    Die guten Triebe, aber auch die Begierden, die Gedanken undalles Vergngliche aus dem Sinnlichen

    9. kamen hinein zwei und zwei zu Noah zur Arche, ein Mnn-liches und ein Weibliches, wie Gott dem Noah gebotenhatte.

    wird beschtzt und somit bewahrt, und zwar in seiner paar-

    weisen Ausprgung als Form (Wahres) und Inhalt (Gutes).10. Und es geschah, dass in sieben Tagen die Wasser der Flut aufder Erde waren.

    Dies, nmlich die Versuchung des Verstndigen, ist der Anfangder Versuchungen.

    Die Versuchung des Willens

    11. Im sechshundertsten Jahre des Lebens Noahs im zweiten Mo-

    nat, am siebzehnten Tage des Monats, an diesem Tage wares, dass alle Brunnquellen des groen Abgrundes sich zerspal-teten, und alle Fenster des Himmels geffnet wurden.

    Der andere Zustand der Versuchung betrifft den Willen und istweitaus schwerer als der den Verstand betreffende. Zugleich ister von der Versuchung des Verstandes nicht zu trennen.

    12. Und vierzig Tage und vierzig Nchte war der Regen auf derErde.

    Die Dauer der Versuchung.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    33/60

    OFFENE TORE 1/03 31

    Der Zweck der Versuchung (Wiedergeburt)

    13. An diesem selbigen Tage ging Noah, und Sem und Ham undJafet, die Shne Noahs und Noahs Weib und die drei Weiberseiner Shne mit ihnen ein in die Arche.

    Der geistige (das heit in sich gespaltene) Mensch wird in denVersuchungen wiedergeboren. Ebenso alles, was zu ihm gehrt:seine drei Daseinsbereiche, seine Verbindung mit Gott im allge-meinen und besonderen.

    14. Sie und alles Wild nach seiner Art und alles Vieh nach seinerArt und alles Kriechtier, das auf der Erde kriecht nach seinerArt und alles Gevgel nach seiner Art, jeder Vogel, alles Ge-flgelte.

    Alles, was diesem Menschen angehrt, wird gerettet: alles geistigGute, alles natrlich Gute, alles sinnlich und krperlich Gute,alles geistig Wahre, alles natrlich Wahre und alles sinnlichWahre.

    15. Und sie gingen ein zu Noah zur Arche zwei und zwei, vonallem Fleisch, in welchem der Geist des Lebens war.

    Das alles wird gerettet und zwar nach Form und Inhalt , weil

    es neues Leben vom Herrn empfngt.Der Zustand des geistigen Menschen

    16. Und die hinein gingen, Mnnliche und Weibliche, von allemFleisch gingen sie hinein, wie Gott ihm geboten hatte, undder Herr schlo hinter ihm zu.

    Die ganze Lebendigkeit des geistigen Menschen wird gerettet,doch der Himmel wird verschlossen.

    17. Und die Flut war vierzig Tage auf der Erde, und die Wassermehrten sich und hoben die Arche auf und sie ward empor-gehoben ber die Erde.

    Infolge der berschwemmung durch das Falsche ist der geistigeMensch Schwankungen zwischen dem Wahren und Falschenausgesetzt.

    18. Und es wurden mchtig die Wasser und mehrten sich sehr aufder Erde, und die Arche ging ber die Wasser dahin.

    Diese Schwankungen nehmen zu.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    34/60

    32 OFFENE TORE 1/03

    Der Untergang des Urmenschen

    19. Und die Wasser wurden sehr, sehr mchtig auf Erden, undes wurden alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel be-deckt.

    Die falschen Vorstellungen wachsen an und berdecken allesGute des Himmels,

    20. Fnfzehn Ellen darber wurden die Wasser mchtig und siebedeckten die Berge.

    so dass praktisch keine ttige Liebe mehr da war.21. Und alles Fleisch verschied, das auf Erden kriecht, an Gevgel

    und an Vieh und an Wild und an allem Gewrm, das auf Er-den wimmelt, und aller Mensch.

    Der entartete Urmensch geht unter und mit ihm all seine Einbil-dungen: seine Neigungen zum Falschen, seine Begierden, seineLste und sein Krperliches und Irdisches. All das geht unter.

    22. Alles, was den Odem des Geistes des Lebens in seiner Nasehatte von allem, das im Trocknen war, starb.

    Die gesamte Nachkommenschaft, die den Geist des Urmenschengeatmet hat, verscheidet, weil ihr die innere Lebensfrische ab-handen gekommen und sie nun ausgemergelt ist.

    23. Und er vertilgte jegliches Geschpf, das auf dem Boden war,vom Menschen bis zum Vieh, zum Kriechtier, und zum Gev-gel des Himmels. Und sie wurden vertilgt von der Erde, undnur Noah verblieb, und was mit ihm in der Arche war.

    So geht der entartete Urmensch mitsamt seiner bsen Natur, sei-nen Begierden, Lsten und falschen berzeugungen unter. Wasbleibt ist der geistige Mensch und sein Lebensinhalt.

    24. Und die Wasser waren mchtig auf Erden hundertundfnfzigTage.

    Das vllige Ende der ursprnglichen Schpfung des Menschen.

    Erster Zustand nach der Versuchung

    Vom Aufhren der Versuchungen

    Genesis 8,1. Da gedachte Gott an Noah und an alles wildeGetier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und

    lie Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    35/60

    OFFENE TORE 1/03 33

    Der Mensch empfindet nun, da die Versuchung abebbt, dass derHerr seiner wieder gedenkt. Zwar sieht es im Gemt des Men-schen noch recht verworren aus: Gedanken der Hoffnung unddes Glaubens werden von Sorgen, Bengstigungen und falschenVorstellungen durchkreuzt; aber schon macht sich ein Einflussbemerkbar, der die berflutung des Geistes mit negativen Ge-danken und Gefhlen vermindert.

    2. Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fens-tern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde ge-wehrt.

    Das Bse der Triebhaftigkeit quillt nicht mehr empor und dasFalsche des Verstandes berschttet den Menschen nicht mehr,womit die Versuchung im allgemeinen aufhrt.

    3. Da verliefen sich die Wasser von der Erde, gehend und zurck-kehrend, und nahmen ab nach hundertundfnfzig Tagen.

    Aber der Mensch schwankt noch eine Zeitlang zwischen demWahren und Falschen hin und her;

    4. Am siebzehnten Tage des siebenten Monats lie sich die Ar-che nieder auf das Gebirge Ararat.

    kommt dann aber innerlich zur Ruhe, das heit wird wiedergebo-ren aus dem neuen Licht der Liebttigkeit.

    5. Es nahmen aber die Wasser immer mehr ab bis auf den zehn-ten Monat. Am ersten Tage des zehnten Monats sahen dieSpitzen der Berge hervor.

    Schlielich lassen die Schwankungen ganz nach, denn das Fal-sche verschwindet, und die ersten groen Glaubenswahrheitenwerden sichtbar. Es sind Wahrheiten aus den religisen Urerfah-rungen im Menschen, die sich nun in ihrer majesttischen Erha-benheit zeigen.

    Zweiter Zustand nach der Versuchung,in sich dreiteiligDreimaliges Aussenden der Taube

    6. Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf, daser gemacht hatte,

    Nach den Versuchungen werden nun erstmals die Wahrheiten

    des Glaubens sichtbar.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    36/60

    34 OFFENE TORE 1/03

    7. und lie einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her,bis die Wasser vertrockneten auf Erden.

    Doch dunkle Gedanken flattern noch im Gemt umher und tr-ben die Einsicht in das Wahre solange, bis das Meer der falschen

    Vorstellungen ausgetrocknet und dem Augenschein entschwun-den ist.8. Danach lie er eine Taube von sich ausfliegen, um zu erfah-

    ren, ob die Wasser sich verlaufen hatten auf Erden. Andererseits erkundet auch das Gute und Wahre die Situation,

    um herauszufinden, ob der Mensch seine falschen Ansichtenbereits aufgegeben hat.

    9. Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fu ruhen konnte, kam

    sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser aufdem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahmsie zu sich in die Arche.

    Aber es kann noch nicht Fu fassen, denn das Falsche ist nochim berfluss vorhanden. Der Mensch glaubt nmlich immernoch, das Gute und Wahre aus eigener Macht verwirklichen zuknnen.

    10. Da harrte er noch weitere sieben Tage und lie abermals eine

    Taube fliegen aus der Arche. In einer zweiten Phase der Aufnahme des Guten und Wahrenkommt die echte Liebesgesinnung zum Vorschein, weswegendieser Abschnitt heiliger ist als der vorangehende.

    11. Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein lblatt hattesie abgebrochen und trugs in ihrem Schnabel. Da merkteNoah, dass die Wasser sich verlaufen htten auf Erden.

    Der Mensch befindet sich zwar, was die Vorgnge in seiner Seele

    angeht, noch in einem Dmmerlicht, aber dennoch erscheintihm bereits ein wenig Wahres, das aus dem echten Glaubens-bewusstsein der spirituellen Liebe herrhrt. Das falsche Denkenist nmlich nicht mehr so gemtsbewegend, dass es hindernknnte.

    12. Aber er harrte noch weitere sieben Tage und lie eine Taubeausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm.

    In einer dritten, ebenfalls heiligen Phase nimmt der Mensch das

    Gute und Wahre schlielich ohne Ichbindung auf; er ist also

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    37/60

    OFFENE TORE 1/03 35

    innerlich frei, den himmlischen Einfluss ohne Selbstbezug herr-schen zu lassen.

    13. Im sechshundertundersten Lebensjahr Noahs am ersten Tagedes ersten Monats waren die Wasser vertrocknet auf Erden.Da tat Noah das Dach von der Arche und sah, dass der Erd-boden trocken war.

    Damit ist die Zeit der Versuchung vorbei; ein neuer Zustand kannbeginnen. Die falschen Vorstellungen haben ihre Macht ber denMenschen verloren, folglich kann das Licht der Glaubenswahr-heiten kraftvoll aufscheinen. Der Mensch anerkennt dieses Lichtnun und glaubt daran, ist also wiedergeboren.

    14. Und am siebenundzwanzigsten Tage des zweiten Monats wardie Erde ganz trocken.

    Auf den Zustand der Versuchungskampfe folgt ein heiliger Zu-stand der Ruhe: die Wiedergeburt.

    Dritter Zustand nach der Versuchung,gleich: erster Zustand der WiedergeburtAuszug aus der Arche

    15. Da redete Gott mit Noah und sprach:

    Da der Herr beim wiedergeborenen Menschen gegenwrtig ist,16. Geh aus der Arche, du und deine Frau, deine Shne und die

    Frauen deiner Sohne mit dir. kann dieser nun den Zustand der Bedrngnis verlassen. Alles Le-

    bendige im Menschen, seine Liebe, die Wahrheiten und die gutenBestrebungen aus dem Wahren knnen sich nun frei auswirken.

    17. Alles Getier, das bei dir ist, von allem Fleisch, an Vgeln, anVieh und allem Gewrm, das auf Erden kriecht, das gehe her-

    aus mit dir, dass sie sich regen auf Erden und fruchtbar seienund sich mehren auf Erden.

    Ebenso tritt alles Belebte in den Zustand der Freiheit: das Ver-stndige und das Wollende des inneren Menschen und dasEntsprechende beim ueren Menschen. Da der innere Mensch

    jetzt auf den ueren einwirkt, wchst das Gute und Wahre beimueren Menschen.

    18. So ging Noah heraus mit seinen Shnen und mit seiner Frau

    und den Frauen seiner Shne,

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    38/60

    36 OFFENE TORE 1/03

    Tatschlich wird der Mensch und alles, was in ihm auf Gott aus-gerichtet ist, nun wahrhaft frei.

    19. dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vgel und alles Gewrm,das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mitseinesgleichen.

    Ebenso das Gute und Wahre des inneren und ueren Men-schen. Die Freiheit besteht darin, dass der geistige Mensch nichtmehr vom Bsen und Falschen seiner Begierden getrieben wird,sondern aus dem Gewissen (oder Bewusstsein) des Guten undWahren handeln kann.

    Vierter Zustand nach der Versuchung,

    gleich: zweiter Zustand der WiedergeburtDie Gottesverehrung

    20. Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allemreinen Vieh und von allen reinen Vgeln und opferte Brand-opfer auf dem Altar.

    Der geistig wiedergeborene Mensch verehrt den Herrn, indem eraus dem Guten der Liebe und dem Wahren des Glaubens ttig ist.

    21. Und der Herrn roch den lieblichen Geruch und sprach in sei-

    nem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchenum des Menschen willen; denn das Dichten und Trachten desmenschlichen Herzens ist bse von Jugend auf. Und ich willhinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getanhabe.

    Diese Verehrung ist dem Herrn angenehm. Der geistige Men-schentyp kann sich vom Herrn nicht mehr dermaen abwendenwie die Nachkommenschaft des ursprnglichen, himmlischen

    Menschentyps. Denn obwohl das Wollen des Menschen durchund durch bse ist, ist nunmehr dennoch im verstndigen Teildes Gemts ein neuer Wille aufgerichtet, das sogenannte Ge-wissen. Dadurch wird der Mensch vom Herrn geleitet und kannnicht mehr so vollstndig verderben.

    22. Solange die Erde steht, soll nicht aufhren Saat und Ernte,Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

    Die Zustnde des ueren Menschen werden hinfort sein: Das

    Wort Gottes wird er hren und reifen lassen. Glaube und Lieb-

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    39/60

    OFFENE TORE 1/03 37

    ttigkeit werden einmal nicht vorhanden und einmal vorhandensein. Auch der wiedergeborene Mensch wird einmal liebttig,einmal nicht liebttig; einmal verstndig, einmal nicht verstn-dig sein.

    Der uere Mensch dient dem inneren Menschen

    Genesis 9,1. Und Gott segnete Noah und seine Shne undsprach: Seid fruchtbar und mehret euch und fllet die Erde.

    Auch dem geistigen, das heit aus Wahrheiten wiedergeborenenMenschen ist der Herr nahe und bewirkt, dass beim uerenMenschen das Gute der Nchstenliebe fruchtbar und das Wahredes Glaubens vermehrt wird.

    2. Frucht und Schrecken vor euch sei ber allen Tieren auf Erdenund ber allen Vgeln unter dem Himmel, ber allem, wasauf dem Erdboden wimmelt, und ber allen Fischen im Meer;in eure Hnde seien sie gegeben.

    Dadurch herrscht der innere Mensch ber den ueren, was zurFolge hat, dass sich der uere Mensch vor dem Bsen seinerBegierden frchtet und vor dem Falschen seiner Gedanken er-schrickt. Jedoch ist das Gute und Wahre, das der uere Menschanscheinend selbstndig hervorbringt, der Besitz des innerenMenschen beim ueren.

    3. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie dasgrne Kraut habe ich es euch alles gegeben.

    Alle Lustgefhle, in denen etwas Gutes und somit Lebendigesenthalten ist, drfen genossen werden. Sie sind eine Strkungfr die Seele. Auch die ganz geringen, weltlichen und krperli-chen Freuden sind dem Menschen nicht verwehrt, denn auch sie

    schaffen einen Nutzen.Die Gefahr der Entweihung

    4. Allein esset das Fleisch nicht mit seinem Blut, in dem sein Le-ben ist!

    Der Eigenwille des Menschen soll mit dem neuen Willen aus demHerrn, dem Willen, Nchstenliebe zu praktizieren, nicht vermischtwerden. Unheiliges soll sich also nicht mit Heiligem verbinden,

    weil das eine Entweihung des Heiligen durch Unheiliges ist.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    40/60

    38 OFFENE TORE 1/03

    5. Auch will ich euer eigen Blut, das ist das Leben eines Jedenunter euch, rchen und will es von allen Tieren fordern undwill des Menschen Leben fordern von einem jeden Men-schen.

    Die Auslschung der Nchstenliebe durch Hass, Rache und Grau-samkeit rcht sich, indem das Wesen eines solchen Menschengewaltttig wird, das heit das Wollen verhrtet und das Denkenverbittert. So straft sich die Entweihung selbst.

    6. Wer Menschenblut vergiet, dessen Blut soll auch durchMenschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschenzu seinem Bilde gemacht.

    Wer die Nchstenliebe bei sich auslscht, indem er aus Hass- und

    Rachegefhlen handelt, ttet sich selbst, denn er wird seinemeigenen, unwiedergeborenen Willen ausgeliefert und zerstrt dasBild Gottes in sich, nmlich die Nchstenliebe.

    7. Seid fruchtbar und mehret euch und reget euch auf Erden,dass eurer viel darauf werden.

    Wenn der geistige Mensch diese Gefahren meidet und tatsch-lich aus dem neuen Liebeswillen ttig ist, dann wird das Guteund Wahre im inneren und im ueren Menschen zunehmen.

    Der Zustand des geistigen Menschen

    8. Und Gott sagte zu Noah und seinen Shnen mit ihm: Das Wesen des geistigen (= aus Wahrheiten wiedergeborenen)

    Menschen ist folgendes:9. Siehe, ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren

    Nachkommen Der Herr verbindet sich mit diesem Menschen und allem, was bei

    ihm ist, durch die Nchstenliebe.10. und mit allem lebendigen Getier bei euch, an Vgeln, an Vieh

    und an allen Tieren des Feldes bei euch, von allem, was ausder Arche gegangen ist, was fr Tiere es sind auf Erden.

    Und ist in allem gegenwrtig, was bei diesem Menschen wie-dergeboren ist: in der Sphre des Verstehens und des Wollens,im ueren Gedchtniswissen und den Krperfreuden. Nicht nurbei den Menschen innerhalb der Kirche, sondern auch bei denen

    auerhalb ist er gegenwrtig.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    41/60

    OFFENE TORE 1/03 39

    11. Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfortnicht mehr alles Fleisch verderbt werden soll durch die Wasserder Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, diedie Erde verderbe.

    Der Herr verbindet sich mit allen Menschen, die Liebe praktizieren.Der geistige Menschentyp kann nicht mehr zugrunde gehen wieder himmlische Menschentyp, dessen Denken gnzlich von seinemWollen abhngig war und der deswegen, als er vom Herrn abfiel, ineinen todbringenden und alles Leben abwrgenden Wahn geriet.

    Das Bundeszeichen

    12. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich ge-

    schlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigenGetier bei euch auf ewig: Dies ist die sichtbare Seite der Verbindung des Herrn mit dem

    liebttigen Menschen und mit allem, was bei ihm wiedergeborenist und lebt. Es gilt fortwhrend fr alle Menschen, die (geistig)neu geschaffen werden.

    13. Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll dasZeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.

    Der Zustand des wiedergeborenen geistigen Menschen gleichtder Naturerscheinung des Regenbogens: Das geistige Licht desHerrn wird durch das eigene Verstehen (welches an sich falschist) und durch das eigene Wollen (welches an sich bse ist) modi-fiziert und somit bunt (vielfltig) gebrochen. Daher ist das Licht(Verstndnis) des geistigen Menschen dunkel, vergleicht man esmit dem Licht des himmlischen Menschen, denn dem Verstehendes geistigen Menschen ist Falsches und Bses beigemischt. Und

    dennoch ist das buntgefcherte Verstndnis des geistigen Men-schen das sichtbare Zeichen der Gegenwart des Herrn.14. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken ber die Erde

    fhre, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Wenn wegen des Eigenwillens des Menschen der Glaube der Nchs-

    tenliebe, das heit das geistige Licht, nicht erscheint, was nichtbedeutet, dass der Mensch nicht wiedergeboren werden kann ,

    15. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und

    euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    42/60

    40 OFFENE TORE 1/03

    hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. dann wird sich der Herr dennoch erbarmen, in erster Linie

    natrlich gegenber denen, die wiedergeboren sind oder sichwiedergebren lassen, aber auch gegenber dem gesamten

    Menschengeschlecht. Der Mensch ist nun einmal in seiner Wil-lenssphre verdorben, aber das Verstndnisvermgen kann denMenschen nun nicht mehr mit derart aberwitzigen Wahnideenberschwemmen, dass er zugrunde geht wie der ursprngliche,himmlische Menschentyp. Das gilt ganz allgemein fr jedenMenschen.

    16. Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn an-sehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und

    allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Wenn sich das Himmelslicht in der Sphre (Aura) eines Men-schen in bunter Vielfalt (je nach der Beschaffenheit eines jeden)darstellt, dann kann dieser Mensch wiedergeboren werden, sodass der Herr bei ihm durch das Medium der Nchstenliebe ge-genwrtig sein kann.

    17. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, denich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.

    Der Mensch der Kirche soll wissen, dass der Herr nicht nur bei denMenschen innerhalb der Kirche, sondern auch bei denen auerhalbder Kirche gegenwrtig ist, sofern sie Nchstenliebe praktizieren.

    Die drei Mglichkeiten,

    das Prinzip geistige Wiedergeburt zu verwirklichen

    18. Die Shne Noahs, die aus der Arche gingen, sind diese: Sem,Ham und Jafet. Ham aber ist der Vater Kanaans.

    Das Prinzip geistige Wiedergeburt lsst drei Verwirklichungenzu: die Nchstenliebe (innere Kirche), den bloen Glauben (ver-dorbene Kirche) und die rituellen Handlungen (uere Kirche).Aus dem berwiegenden Interesse an den reinen Glaubenswahr-heiten ist der Zeremoniengottesdienst entstanden, dem keinereligise Erfahrung innewohnt und der daher sinnentleert ist.

    19. Das sind die drei Shne Noahs; von ihnen kommen her alleMenschen auf Erden.

    Dies sind die drei Ausprgungen des geistigen Menschen. Aus

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    43/60

    OFFENE TORE 1/03 41

    diesen Grundtypen haben sich alle besonderen Lehren entwi-ckelt, die wahren ebenso wie die falschen.

    Der Wissensrausch,

    oder: Die Gefahr des geistigen Menschen20. Noah aber, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg. Der geistige Mensch wird zunchst in den Lehren seiner Religion

    unterwiesen; das ist der Anfang seines Weges. Dadurch entstehtbei ihm die geistige (= auf Wahrheiten gegrndete) Kirche.

    21. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag imZelt aufgedeckt.

    Wenn er jedoch die Wahrheiten des ihm vermittelten Glaubens

    ausgrbeln will, dann verfllt er Irrtmern, beraubt sich derGlaubenswahrheiten, und verkehrte Ansichten gerade in denzentralen Gegenstnden des Glaubens sind die Folge.

    22. Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Ble sah, sagte eres seinen beiden Brdern drauen.

    Diejenigen, deren Hauptaugenmerk auf die bloe Glaubenslehregerichtet ist (die verdorbene Kirche) und die daher der Ursprungder sich in Riten erschpfenden Kirche sind, bemerken die Irrt-

    mer und verkehrten Ansichten und spotten darber.23. Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer

    beider Schultern und gingen rckwrts hinzu und deckten ih-res Vaters Ble zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damitsie ihres Vaters Ble nicht shen.

    Diejenigen hingegen, denen die Nchstenliebe das Wichtigste ist(die innere Kirche) und die sich dementsprechend verhalten (dieentsprechende uere Kirche), legen die Irrtmer und verkehrten

    Ansichten mit aller Macht zum Guten aus. Ja, sie achten nicht ein-mal auf die Irrtmer und verkehrten Ansichten, sondern entschul-digen sie. So soll man sich verhalten: Auf die Irrtmer und Fehleranderer, die aus Vernnfteleien entstehen, soll man nicht achten.

    24. Als nun Noah erwachte von seinem Rausch und erfuhr, wasihm sein jngster Sohn angetan hatte,

    Wenn der geistige Mensch eines besseren belehrt wird, dannerkennt er, dass das alleruerste Religionswissen und -handeln

    von Haus aus ein Sptter und wenig hilfreich ist.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    44/60

    42 OFFENE TORE 1/03

    25. sprach er: Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brdern einKnecht aller Knechte!

    Der nur uere Religionsbetrieb ist an und fr sich dem gttli-chen Einfluss gegenber nicht aufgeschloen, kann aber geringeDienste leisten, wenn das eigentliche Wesen der Religion, nmlichder Prozess der Wiedergeburt, nicht aus den Augen verloren wird.

    26. Und sprach weiter: Gelobt sei der Herr, der Gott Sems, undKanaan sei sein Knecht!

    Diejenigen hingegen, die den Herrn durch die Verwirklichung derNchstenliebe preisen, werden mit dem Guten erfllt. Der uereGottesdienst kann ihnen als Ausdrucksmittel dienen.

    27. Gott breite Jafet aus und lasse ihn wohnen in den ZeltenSems, und Kanaan sei sein Knecht!

    Auch diejenigen, die die Lehren der Kirche nicht kennen, aberdennoch Nchstenliebe praktizieren, sollen erleuchtet werdenund die Begrenztheit ihrer Ansichten berwinden. Sie werden indas Heiligtum der Liebe aufgenommen werden. Auch ihnen kannder uere Gottesdienst als Ausdrucksmittel dienen.

    28. Noah aber lebte nach der Sintflut dreihundertundfnfzig Jahre,29. da sein ganzes Alter ward neunhundertundfnfzig Jahre,

    und starb.

    Die Dauer und der Zustand der alten Kirche.

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    45/60

    OFFENE TORE 1/03 43

    Leserbriefe

    Von Heinz Grob, KreuzlingenSeit vielen Jahren bestehen nun

    die unseligen Spannungen zwi-schen der Anhngerschaft Lor-bers und denen der Neuen Kir-che. Man erinnert sich an die

    Aufstze Friedemann Horns indieser Zeitschrift, in denen er dasGemeinsame der beiden Neuof-fenbarer herausarbeitete, um auf

    diese Weise hochgehende Wel-len zu gltten. Da der Wasser-spiegel seit einiger Zeit wiedersehr uneben geworden ist, willich nun von der Seite eines ein-fachen Mitglieds der Neuen Kir-che aus versuchen, in seinemSinn weiterzuwirken, wenn auch

    auf einem etwas anderen Weg.Festzuhalten ist: die Diskre-

    panz beruht auf ngsten derSwedenborgianer, die eine Artvon Profanierung der Schrif-ten Swedenborgs und damitdes Begriffs und der InstitutionNeue Kirche befrchten eine

    Vereinnahmung Swedenborgsdurch die Lorberseite, knnteman auch sagen. Ich schlieedaraus, es sei diesmal an derZeit, die Unterschiede der bei-den Autoren zu betonen, umzu zeigen, wo vielleicht die ver-schiedenen Verhaltensweisen

    ihren Ursprung haben knnten.

    Ich drcke mich in dieser Vorrede bewusst konditionalaus, da ich keinen Anspruch aufautoritre Feststellungen hege.

    Mir geht es viel mehr darum, ei-nen Dialog in Gang zu bringen,in dem jeder Beteiligte seineeigenen Ansichten, Wnscheoder Befrchtungen darlegenkann. Meine nachfolgenden

    Ausfhrungen sind in diesemSinn ebenfalls nur als Ausdruck

    persnlicher berlegungen auf-zufassen, fern jeder Absicht, je-manden zu beeinflussen oderabweichende Ansichten kritisie-ren zu wollen.

    Die gegenwrtigen Diver-genzen betreffen grosso modoeine schweizerische und eine

    eher nrdlich-deutsche Seite.Hierzu seien mir die folgendenBemerkungen erlaubt: nrdlichdes Mains ist es blich, offenauf einander zuzugehen, per-snliche Meinungen rckhalt-los zu uern, schnell Kontaktezu knpfen ungeachtet des Vor-

    zeichens. Schweizern ist diesesVerhalten fremd, sie kennen esvor allem in seinen Auswchsenaus der Politik, zumal der Bun-destagsdebatten, und sind ent-sprechend misstrauisch. Sd-lich des Rheins begegnet mansich mit Vorsicht; bei Meinungs-

    uerungen spielt die mutma-

  • 8/3/2019 Offene Tore 2003_1

    46/60

    44 OFFENE TORE 1/03

    liche Aufnahme beim Gegen-part eine groe Rolle. Solangeman sich ber sie nicht im kla-ren ist, hlt man berhaupt den

    Mund oder fhrt eine unver-bindliche Unterhaltung. SchrilleTne gelten als unfein. FranzHoh