Ohne EU-einheitliche Triebfahrzeug- Zulassung keine...

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779 54 (2005), H. 12 — Dezember Thema des Monats: Triebfahrzeug- Entwicklungslinien in Europa ETR Spezial: Grenzüberschreitendes Zulassungsprocedere 1 Vision und Wirklichkeit: Die Liberalisierung des EU-Eisenbahnmarktes Seit der EU-Erweiterung von 15 auf 25 Mitgliedsstaaten im Frühjahr 2004 ste- hen Europas Eisenbahnen in einem noch härteren Wettbewerb mit Lkw, Bus und Binnenschiff, Pkw und Flugzeug als bis- lang. Auf nunmehr knapp 450 Millionen Menschen angewachsen, nimmt über- dies der Austausch von Gütern und Per- sonen innerhalb und mit der Union er- heblich zu. Bis 2015, so ein im Auftrag des bundesdeutschen Verkehrsministeri- ums erstelltes Gutachten, wächst die auch der vom Schweizer Prognos-Institut vorgelegte „European Transport Report 2002“ für den Zeitraum von 1998 bis 2010 bzw. 2015 eine auf den ersten Blick beachtliche Steigerung von 40 bis 50 Prozent voraus. Dies bedeutet ein Wachstum des Marktanteils der Schiene von 13,5 (1998) auf 14,5 Prozent (2015). Über die Gesamtspanne 1991 bis 2015 betrachtet, bleibt der Straßengüterver- kehr jedoch eindeutiger Gewinner des Wettlaufs um Kilometer und Tonnage: Er dürfte unterm Strich um gut 100 Pro- zent zulegen, bilanziert Prognos. Deutlicher noch klafft die Entwicklungs- Transportleistung im Güterverkehr allein in Deutschland um bis zu 65 Prozent auf rund 700 Milliarden Tonnenkilometer (Tkm) jährlich an. Nicht viel anders sieht es in Österreich aus. Mit einem Unter- schied allerdings: Seit 1999 gelang es der Bahn, ihren Marktanteil von 34 Prozent im Güterverkehr zu halten. Ihr Wachs- tum entsprach damit dem des gesamten österreichischen Güterverkehrs. EU-weit rechnen Experten mit einem Zu- wachs von rund 37 Prozent. Dem euro- päischen Schienengüterverkehr sagt nicht nur das „Weißbuch“ der Brüsseler EU-Kommission (Option C), sondern Ohne EU-einheitliche Triebfahrzeug- Zulassung keine grenzenlose Bahn Europa wächst, und mit ihm der Druck der Straße: Sollen Europas Eisenbahnen im Wettbewerb mit Lkw und Bus, Pkw und Flugzeug sowie angesichts ungehemmt anschwel- lender Verkehrsströme nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten, brauchen sie dringlicher denn je EU-weit einheit- lich zugelassene Lokomotiven, Triebwagen und Triebzüge. Dieses Zulassungsprocedere muss nicht nur praxistaugli- chen, wirtschaftlichen und einheitlichen europäischen Standards der Interoperabilität genügen, sondern ebenso allgemein verbindlichen wie strengen Maßstäben in punk- to Qualität und Sicherheit. Trotz der damit verbundenen Kompetenzverlagerung nach Brüssel fällt den bis dato weitgehend autonom agierenden nationalen Zulassungsbehörden eine entscheidende Rolle bei der Integration der historisch gewachsenen techni- schen Besonderheiten ihrer jeweiligen Eisenbahninfra- strukturen in das gesamteuropäische Zulassungsreglement für Triebfahrzeuge zu. Dabei erweisen sich unterschiedli- che Spurweiten und Bahnstromsysteme weit weniger als Hemmschuhe auf den Gleisen einer grenzenlosen, weil in- teroperablen EU-Bahn als die Vielfalt konventioneller Zug- sicherungs- und Leitsysteme. Neben der Homologierung von Triebfahrzeugen stellt daher die Einführung des ein- heitlichen europäischen digitalen Zugleit- und Sicherungs- systems ETCS/ERTMS sowie dessen Kompatibilität mit den vorhandenen Systemen eine wesentliche Herausforderung für einen funktionierenden liberalisierten EU-Eisenbahn- markt dar. Das von der EU-Kommission bislang stets favori- sierte formale Recht auf freien Netzzugang reicht dafür nicht aus. Ministrialrat, Leiter der Gruppe Schiene im Bundes- ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. – Anschrift: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technik, Sektion II, Grup- penleitung Schiene, Radetzkistraße 2, A- 1030 Wien E-Mail: [email protected] Dr. Karl-Johann Hartig Dipl.-Ing. Edmund H. Schlummer President Locomotives and Freight. – Anschrift: Bombardier Transportation, Holländische Straße 195, D-34127 Kassel E-Mail: edmund.schlummer@ de.transport.bombardier.com Abteilungsleiter Fahrzeuge und Betrieb im Eisenbahn- Bundesamt. – Anschrift: Eisenbahn-Bundesamt Vorgebirgsstr. 49, D-53119 Bonn. E-Mail: [email protected] Dr.-Ing. Andreas Thomasch

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Thema des Monats: Triebfahrzeug-Entwicklungslinien in Europa

ETR Spezial: GrenzüberschreitendesZulassungsprocedere

1 Vision und Wirklichkeit: Die Liberalisierung des EU-Eisenbahnmarktes

Seit der EU-Erweiterung von 15 auf 25Mitgliedsstaaten im Frühjahr 2004 ste-hen Europas Eisenbahnen in einem nochhärteren Wettbewerb mit Lkw, Bus undBinnenschiff, Pkw und Flugzeug als bis-lang. Auf nunmehr knapp 450 MillionenMenschen angewachsen, nimmt über-dies der Austausch von Gütern und Per-sonen innerhalb und mit der Union er-heblich zu. Bis 2015, so ein im Auftragdes bundesdeutschen Verkehrsministeri-ums erstelltes Gutachten, wächst die

auch der vom Schweizer Prognos-Institutvorgelegte „European Transport Report2002“ für den Zeitraum von 1998 bis2010 bzw. 2015 eine auf den ersten Blickbeachtliche Steigerung von 40 bis 50Prozent voraus. Dies bedeutet einWachstum des Marktanteils der Schienevon 13,5 (1998) auf 14,5 Prozent (2015).Über die Gesamtspanne 1991 bis 2015betrachtet, bleibt der Straßengüterver-kehr jedoch eindeutiger Gewinner desWettlaufs um Kilometer und Tonnage:Er dürfte unterm Strich um gut 100 Pro-zent zulegen, bilanziert Prognos.

Deutlicher noch klafft die Entwicklungs-

Transportleistung im Güterverkehr alleinin Deutschland um bis zu 65 Prozent aufrund 700 Milliarden Tonnenkilometer(Tkm) jährlich an. Nicht viel anders siehtes in Österreich aus. Mit einem Unter-schied allerdings: Seit 1999 gelang es derBahn, ihren Marktanteil von 34 Prozentim Güterverkehr zu halten. Ihr Wachs-tum entsprach damit dem des gesamtenösterreichischen Güterverkehrs.

EU-weit rechnen Experten mit einem Zu-wachs von rund 37 Prozent. Dem euro-päischen Schienengüterverkehr sagtnicht nur das „Weißbuch“ der BrüsselerEU-Kommission (Option C), sondern

Ohne EU-einheitliche Triebfahrzeug-Zulassung keine grenzenlose Bahn

Europa wächst, und mit ihm der Druck der Straße: SollenEuropas Eisenbahnen im Wettbewerb mit Lkw und Bus,Pkw und Flugzeug sowie angesichts ungehemmt anschwel-lender Verkehrsströme nicht noch weiter ins Hintertreffengeraten, brauchen sie dringlicher denn je EU-weit einheit-lich zugelassene Lokomotiven, Triebwagen und Triebzüge.Dieses Zulassungsprocedere muss nicht nur praxistaugli-chen, wirtschaftlichen und einheitlichen europäischenStandards der Interoperabilität genügen, sondern ebensoallgemein verbindlichen wie strengen Maßstäben in punk-to Qualität und Sicherheit.

Trotz der damit verbundenen Kompetenzverlagerung nachBrüssel fällt den bis dato weitgehend autonom agierendennationalen Zulassungsbehörden eine entscheidende Rollebei der Integration der historisch gewachsenen techni-schen Besonderheiten ihrer jeweiligen Eisenbahninfra-strukturen in das gesamteuropäische Zulassungsreglementfür Triebfahrzeuge zu. Dabei erweisen sich unterschiedli-che Spurweiten und Bahnstromsysteme weit weniger alsHemmschuhe auf den Gleisen einer grenzenlosen, weil in-teroperablen EU-Bahn als die Vielfalt konventioneller Zug-sicherungs- und Leitsysteme. Neben der Homologierungvon Triebfahrzeugen stellt daher die Einführung des ein-heitlichen europäischen digitalen Zugleit- und Sicherungs-systems ETCS/ERTMS sowie dessen Kompatibilität mit denvorhandenen Systemen eine wesentliche Herausforderungfür einen funktionierenden liberalisierten EU-Eisenbahn-markt dar. Das von der EU-Kommission bislang stets favori-sierte formale Recht auf freien Netzzugang reicht dafürnicht aus.

Ministrialrat, Leiter derGruppe Schiene im Bundes-ministerium für Verkehr,Innovation und Technologie. –

Anschrift: Bundesministerium für Verkehr,Innovation und Technik, Sektion II, Grup-penleitung Schiene, Radetzkistraße 2, A-1030 Wien

E-Mail: [email protected]

Dr. Karl-Johann Hartig

Dipl.-Ing. Edmund H. Schlummer

President Locomotives andFreight. –

Anschrift: BombardierTransportation, Holländische Straße 195, D-34127 Kassel

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Abteilungsleiter Fahrzeugeund Betrieb im Eisenbahn-Bundesamt. –

Anschrift: Eisenbahn-BundesamtVorgebirgsstr. 49, D-53119 Bonn.

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Dr.-Ing. Andreas Thomasch

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schere im Personenverkehr auseinander.„Das ist so, als ob ganz Italien nochmalsin Urlaub ginge“, hatte Prognos-Ge-schäftsführer Nikolai Lutzky bereits1990, mitten in der Gründungseuphoriedes neuen, grenzenlosen Europa, alleZukunftsszenarien im Personenverkehrauf den Punkt gebracht. Die Zahlen, die

er präsentierte, lasen sich so: Bis 2010schwillt Europas Personenverkehr um 74Prozent oder 25 Millionen „Reisefälle“an. Die als Folge der Grenzöffnungen zubefürchtende Reise- und Pendlerwelle,warnte Lutzky damals, überrollt dannnicht nur die zentral gelegenen „Trep-penhäuser Europas“ Deutschland, Öster-

reich und Schweiz, sondern auch Rest-Jugoslawien, Polen, Tschechien und dieSlowakei.

Die Wirklichkeit hat alle damaligenPrognosen längst übertroffen. Das wur-de deutlich, als Deutschland – Haupt-transitland der EU - vor nunmehr fünfJahren eine Zwischenbilanz zog. DenZahlen des auf dem Stichjahr 1997 basie-renden „Verkehrsbericht 2000“ zufolgebrachte es der Personenverkehr auf eineJahresleistung von insgesamt 943 Milli-arden Personenkilometern (Pkm). Mit740 Milliarden Pkm belegte die Straßeklar Platz eins. Weit dahinter folgte deröffentliche Straßenpersonenverkehr mit83 Milliarden Pkm, während die Schienemit 74 Milliarden Pkm Rang drei ein-nahm. Schlusslicht war das Flugzeug mit36 Mrd. Pkm. Angesichts dieses empiri-schen Befunds unterstellte der deutscheVerkehrsminister Zuwächse von wenigs-tens 20 Prozent im Personenverkehr derJahre bis 2015. Das entspräche einer Jah-restransportleistung von 1,13 BillionenPkm.

In der Alpenrepublik Österreich schwollnach Öffnung des „Eisernen Vorhangs“und Erweitung der EU vor allem der inOst-West-Richtung fließende Güterver-kehr um knapp 50 Prozent an. AktuellePrognosen gehen von einer Steigerungum weitere 25 Prozent bis 2015 aus. DieFolgen sind absehbar: Der Ost-West-Transit überlagert die schon in der Ver-gangenheit starken Nord-Süd-Verkehre.Nicht nur in den engen Alpentälernführt dies zu einer für die Bevölkerungunerträglichen Situation, sondern auchin den Ballungszentren.

An diesem Szenario hat sich bis heutenicht wirklich etwas geändert. Landstra-ßen und Autobahnen sehen sich weiter-hin einer wahren Lkw-Invasion ausge-setzt, während die Schiene Kapazitätenfrei hat. Die Hintergründe: Gütertrans-porte auf der Schiene gelten in der Pro-duktion als immer noch zu teuer. Nachwie vor arbeiten die Bahnen meist defi-zitär, und nach wie vor müssen sie Wett-bewerbsnachteile gegenüber Straße undLuftfahrt – wie etwa Mineralölbesteue-rung oder Wegekosten – aus eigener Ta-sche bezahlen.

Zu teuer kommen den Bahnen überdiesdie im grenzüberschreitenden Verkehreingesetzten Triebfahrzeuge. Rund 33Prozent der Anschaffungskosten einerim Schnitt drei Millionen Euro teurenmodernen Elektrolokomotive entfallenso auf „nicht traktionsgebundene“ Fak-

Thema des Monats: Triebfahrzeug-Entwicklungslinien in Europa

ETR Spezial: GrenzüberschreitendesZulassungsprocedere

Bild 1: Die unterschiedlichen Stromsysteme in West- und Zentraleuropa

Bild 2: Die wichtigsten Zugsicherungssysteme in Europa

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toren, kalkuliert die Bahnindustrie. Dazuzählen insbesondere die aus den jeweili-gen nationalen Signal- und Sicherungs-systemen resultierenden, in aller Regelmehrmaligen Zulassungskosten. Sie ver-ursachen immerhin zwischen 20 und 40Prozent Mehrkosten des aufgewende-ten Kapitals. Zwar bereitet die Überwin-dung der Europas Eisenbahnalltag be-herrschenden fünf unterschiedlichenStromsysteme (Bild 1) und mehr als einDutzend aktiver Zugsicherungssystemeden Lokomotiv-, Triebwagen- und Trieb-zugbauern technisch längst keine grund-sätzlichen Probleme mehr (Bild 2, 3).Doch dafür treiben zeitaufwendige Län-derzulassungen und umfängliche siche-rungstechnische Ausrüstungen den Preisfür Mehrsystem-Triebfahrzeuge unwei-gerlich in die Höhe.

Aus Sicht der Bahnindustrie stellt sich dieEntwicklung des Triebfahrzeugmarkts,seiner Rahmen- und Randbedingungenseit dem Fall der politischen Grenzen inEuropa, der Herstellung des europäi-schen Binnenmarkts und der beginnen-den Marktöffnung ausgesprochen wi-dersprüchlich dar. Einerseits verloren dieStaatsbahnen allmählich ihr Schienen-monopol und richteten sich mehr undmehr als unternehmerisch denkendeund handelnde Schienenverkehrsbetrei-ber in Staatsbesitz aus. Andererseitsführte dies zu einer Neuverteilung derRollen im seit Jahrzehnten eingespieltenVerhältnis von Bahnen und Bahnindus-trie. Statt durch die Zentralämter der al-ten Staatsbahnen definierte Entwick-lungs- und Produktionsvorgaben fürTriebfahrzeuge zu erhalten, sollte die In-dustrie nun um den Zuschlag für Aufträ-ge wetteifern, für die lediglich das An-forderungsprofil definiert war.

Dieser Paradigmenwechsel und der Mit-te der 90er Jahre spürbar einsetzendeWettbewerb brachte neben Preisverfall,Qualitätsproblemen, zahlreichen halb-gegorenen Fahrzeuglösungen und eineroftmals inkonsistenten Bestellpolitikschließlich den heute tragenden Anfor-derungskanon hervor: Von der Bahnin-dustrie erwarten die Bahnen vor allemReady-to-Run-Traktionsmittel, die denzuweilen höchst unterschiedlichen An-forderungen der einzelnen Länder ge-nügen und über alle erforderlichen be-hördlichen Zulassungen verfügen.Zugleich fordert der Fahrzeugmarkt kos-tengünstige Traktionsmittel, die sichüberdies durch eine hohe Zuverlässigkeitund Verfügbarkeit auszeichnen. Als min-destens ebenso unerlässlich gelten kurzeLieferzeiten, um die Bahngesellschaften

in die Lage zu versetzen, rasch auf neueAnforderungen des Marktes zu reagie-ren. Dabei setzen die Bahnen vorzugs-weise auf wettbewerbsfähige, erprobteund wirtschaftliche Komplettlösungenfür neue Lokomotiven, Triebwagen undTriebzüge.

Mehr als 15 Jahre nach der „Stundenull“ des neuen, grenzenlos handelndenund wandelnden Europa treten dessenaugenfälligste Widersprüche offen zuta-ge:

� rasant wachsende Verkehre, aber kei-ne Chancengleichheit der Schiene mitden übrigen Verkehrsträgern;

� Öffnung der Verkehrsmärkte, aberunzulängliche Wettbewerbsregeln;

� wachsende europäische Integration,aber kaum ausreichend definierteverkehrspolitische Rahmenbedingun-gen der EU sowie allenfalls im Ansatzharmonisierte technische Normenund Richtlinien bei den Eisenbahnen.

2 Formal und überreguliert: Interoperabilität auf EuropasGleisen

Was also war aus dem Ruder gelaufen inden Verkehrsmärkten der erweitertenEuropäischen Union? Mangelte es an Li-beralisierungsvisionen, am politischenWillen? Oder knirschte es im Schaltge-triebe nationaler und gesamteuropäi-scher Interessen, so dass die Politik demMarkt stets hinterher lief?

Am Anfang – kaum dass die politischenGrenzen gefallen waren – stand das ge-schriebene Wort. Es war dies die Visionvon der grenzenlosen Mobilität im euro-päischen Güter- und Personenverkehr zuLande, zu Wasser und in der Luft. 1991bereits ließ die EU-Kommission den Wor-

ten Taten folgen und verabschiedete dieRichtlinie 440. Darin skizzierte sie erst-mals einen für alle Bahnen der Gemein-schaft freien Zugang zu den Netzen derjeweils anderen Bahnen. Ferner sah dieRichtlinie die rechnerische respektive be-triebswirtschaftliche Trennung vonBahnnetz und Bahnbetrieb vor. Vier Jah-re später präzisierte die Kommission ihreLiberalisierungsziele durch Festlegungvon Rahmenbedingungen zur Nutzungder Bahn-Infrastruktur, beschrieb Ver-fahren wie Sicherheitsbescheinigungen,Trassenzuweisungen und Trassenpreise.Die so dringliche technische Harmonisie-rung erwähnte sie jedoch mit keinemWort.

Zahlreiche Mitgliedsländer mit hoch in-tegrierten ehemaligen Staatsbahnenzeigten unterdessen wenig Interesse anweiteren Liberalisierungsschritten, wuss-ten diese in Brüssel sogar zu verhindern.Mehr noch: Selbst Bahnen, die sich imZuge ihrer nationalen Bahnreformen be-reits in verschiedene, relativ selbständi-ge Unternehmen divisionalisiert hatten,traten gegen Ende der 90er Jahre wie-der den Rückzug unters Dach integrier-ter Konzerne an. Diese Entwicklung liefden Intentionen der EU-Kommission zu-wider, die ihre Forderung nach Marktli-beralität im „Weißbuch“ von 1996 noch-mals bekräftigt hatte. Nur Eisenbahnver-kehrsunternehmen ohne Staatsmono-pol, nur weitgehend deregulierte, geöff-nete Märkte, die vollständige Trennungvon Infrastruktur und Eisenbahnbetriebsowie der Konkurrenz Dritter ausgesetz-te Bahnunternehmen, formulierte dieKommission darin, stärken nachhaltigdie Wettbewerbsfähigkeit der Schienegegenüber der Straße und tragen letzt-lich zu deren Revitalisierung bei.

Auf der Grundlage der im EG-Vertrag fi-xierten politischen Ziele transeuropäi-scher, interoperabler Eisenbahnnetzestellte die Union dann weitere Weichenvon strategischer Bedeutung. So verab-

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Bild 3: Die Platzierung der vielen Antennen für die Zugsicherungssysteme im Unterflurbereichdes Fahrzeuges ist problematisch

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schiedete sie „Gemeinsame Leitlinien fürden Aufbau eines transeuropäischenVerkehrsnetzes“, den künftigen Haupt-achsen der EU-Infrastruktur, entschiederstmals über Bestandteile einiger Richt-linien zur technischen Harmonisierungnationaler Vorschriften und erließ 1999eine erste Richtlinie zur Eisenbahninter-operabilität, die zunächst nur den Hoch-geschwindigkeitsverkehr berührte.

Auf den Gleisen vor allem der europäi-schen Güterbahnen kam davon vorerstwenig an. Der Wettbewerb blieb unter-entwickelt, die nach endlosen Diskussio-nen erzielte freiwillige Vereinbarung, sogenannte Freight Freeways auf einigender Hauptgüterkorridore quer durchEuropa einzurichten, Stückwerk. Dassdie Freeways zahlreiche ähnliche Projek-te anstoßen mochten, wie die EU-Kom-mission gehofft hatte, erwies sich alsTrugschluss. Die EU-Kommission gingdennoch weiter und schnürte alle ihrerAuffassung nach erforderlichen Ingre-dienzien eines liberalisierten Eisenbahn-marktes zu einem Paket, das Anspruchund Rechtsrahmen präziser als bislang fi-xierte.

Als Wesensmerkmale dieses offenen Ei-senbahnmarktes beschreibt die EU darin:

� die Herstellung von Chancengleich-heit und eines funktionierendenWettbewerbs zwischen den Eisen-bahnunternehmen

� die Förderung des Marktes und des

Netzzugangs neuer Eisenbahnunter-nehmen

� den gesicherten Zugang zur Schienen-infrastruktur für alle berechtigtenOperateure

� den Schutz der miteinander im Wett-bewerb stehenden Eisenbahnunter-nehmen vor Missbruch durch Markt-beherrschung

� die gegenseitige Verknüpfung derNetze und Bahnen zum größtmögli-chen Nutzen der Bahnkunden.

Um diese essentiellen Bestandteile auchdurchzusetzen, verlangte die Kommissi-on, vier entscheidende Kompetenzenaus der Zuständigkeit des einzelnen Ei-senbahnunternehmens herauszulösenund einer neutralen Institution zu über-tragen:

� die Konzessionsvergabe� die Festlegung von Infrastrukturbe-

nutzungsentgelten� die Ausstellung von Sicherheitsbe-

scheinigungen� die Trassenzuweisungen.

Derweil Brüssel noch debattierte, schufder Markt Fakten. Längst hatten Verla-der und Logistikdienstleister auf die ra-sante Europäisierung der Warenströmereagiert. Für DaimlerChrysler, für die eu-ropäischen Automobilzulieferer insge-samt existierten die alten nationalenGrenzen zu diesem Zeitpunkt längstnicht mehr als Hindernisse einer opti-mierten Güterverteilung, analysierte

Professor Uwe Clausen, Leiter des Fraun-hofer-Instituts für Materialfluss und Lo-gistik in Dortmund, 2004 vor Bombar-dier-Kunden.

Es verwundert daher nicht weiter, dass al-len voran die Güterbahnen des vereintenEuropa zur Selbsthilfe griffen: Unter-stützt vom Internationalen Eisenbahnver-band UIC und dessen Projekt „Trans-Eu-ropean Rail Freight Network“ (TERFN),unterzeichneten sie 2002 das Rahmenab-kommen Rail Net Europe (RNE). Seitdemgilt auf Europas Gütergleisen das „One-Stop-Shop“-Prinzip: Ganz gleich, wie vie-le Ländernetze durchfahren werden,stets haben internationale Frachtkundennur einen Ansprechpartner.

Dennoch, bei der Überwindung dertechnischen Hindernisse auf dem Wegzur grenzenlosen europäischen Eisen-bahn versprachen einstweilen nur elek-trische Mehrsystem-Lokomotiven und –eher langfristig – das im Aufbau befind-liche einheitliche, digitale europäischeZugleit- und -sicherungssystem ETCS/ERTMS (European Train Control System/European Rail Traffic Management Sys-tem) Abhilfe (Bild 4). Dessen flächende-ckende, europaweite und somit betrieb-lich wie betriebswirtschaftlich relevanteEinführung dauert dem InternationalenEisenbahnverband UIC zufolge noch we-nigstens zehn bis fünfzehn Jahre. Im-merhin stehen die Ausrüstung von ins-gesamt 30.000 Triebfahrzeugen und gut165.000 Kilometern Gleisen auf derAgenda, wie das „White Paper on Trans-port“ der EU konstatiert. Mit schät-zungsweise bis zu 15 Milliarden Euro In-vestitionsvolumen stellt ETCS fürSchieneninfrastruktur- wie Bahnbetrei-ber somit eine nicht unerhebliche finan-zielle Herausforderung dar. Auch die fürden reibungslosen Güter- und Personen-verkehr auf den wichtigsten Nord-Süd-sowie Ost-West-Magistralen erforderli-chen Zwei- und Viersystem-Elektroloksschlagen im Vergleich zu Einsystem-Ma-schinen bei den Bahnen mit Mehrkostenvon zehn bis 25 Prozent zu Buche.

2004 endlich präsentierte die EU-Kom-mission nach zahlreichen kontroversenDiskussionen ihr Eisenbahnpaket II. Esenthielt, was als längst überfällig galt:die Richtlinie 04/49/EG, die erstmals An-forderungen eines einheitlichen Sicher-heitsniveaus der Eisenbahnverkehrsun-ternehmen und auch der Infrastruktur-betreiber zunächst im Bereich der TEN-Netze formulierte, eine Verordnungüber die Einrichtung der EuropäischenEisenbahnagentur (European Rail Agen-

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Bild 4: Das modulare ETCS System von Bombardier für die grenzüberschreitenden TRAXX Lo-komotiven E 186 von Angel Trains Cargo. Es erlaubt den Betrieb sowohl mit ETCS als auch mitden konventionellen Zugsicherungssystemen

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cy ERA), die künftig die Einhaltung vonSicherheit, technischer Kompatibilitätund Interoperabilität auf den Gleisender EU koordinieren soll, sowie eine wei-tere Richtlinie, mit der das bisherige En-semble der Interoperabilitätsstandardsverfeinert wurde.

Im Juni 2005 folgte schließlich die „Ver-ordnung über die Interoperabilität deskonventionellen transeuropäischen Ei-senbahnsystems“, die auf einer entspre-chenden Richtlinie von Europa-Parla-ment und Europäischem Rat aus demJahr 2001 basiert.

Den Schlussstein bildet einstweilen daserst im Entwurf existierende Eisenbahn-paket III. Es beinhaltet Richtlinien zumeinheitlichen europäischen „Lokführer-schein“ und zur Marktöffnung im Perso-nenverkehr bis 2010. Damit liegen allewichtigen Bestandteile des rechtsver-bindlichen Regelwerks für ein interoper-ables Eisenbahnsystem der Union – wieSystemsicherheit und technische Harmo-nisierung von Rollmaterial und Infra-struktur – entweder im Entwurf oder be-reits unterschrieben auf dem Tisch deseuropäischen Hauses.

Im Bereich der Transeuropäischen Eisen-bahn-Netze (TEN) tritt EU-Recht an dieStelle der bislang auf nationalen gesetz-lichen Vorschriften fußenden Zulas-sungsverfahren. Es gelten dann jene In-teroperabilitätsrichtlinien, die nach Auf-fassung der EU-Mitgliedsländer nichtnur die technische Kompatibilität derTriebfahrzeuge sowie auch der Schnitt-stellen und Infrastrukturen im Gesamt-system Eisenbahn gewährleisten, son-dern letztlich als Mittel zu diesem Zweckden freien Zugang zu Netzen und Märk-ten sichern sollen.

Ebenfalls zu den verankerten Grundan-forderungen zählen Sicherheit, Zuverläs-sigkeit, Verfügbarkeit, Gesundheit undUmweltschutz. Die Richtlinien stützensich ihrerseits auf das Regelwerk dertechnischen Harmonisierung, deren tra-gende Säulen die Technical Specificati-ons of Interoperability (TSI) bilden. DieseTSI legen TEN-kompatible Harmonisie-rungseckwerte im Sinne technischer Spe-zifikationen, Normen und Standardsfest. Zusammen mit der „Richtlinie überdie Eisenbahnsicherheit“ stellen sie dieNormen auf, die interoperable Bahn-technik und Triebfahrzeuge in Europaerfüllen müssen.

Die TSI für den Hochgeschwindigkeits-verkehr besitzen bereits seit dem 1. De-

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zember 2002 Rechtskraft innerhalb derEU. Sie umfassen die TSI Fahrzeuge, Zug-steuerung, Zugsicherung, Signalgebung,Energie und Infrastruktur. Beschlossenwurde auch das erste Paket der TSI fürdas konventionelle Eisenbahnsystem derEU. Dazu gehören die TSI Güterwagen,Zugsteuerung, Zugsicherung, Signalge-bung, Verkehrsbetrieb und Verkehrs-steuerung, Lärm und Telematik Güter-verkehr. Auf deren Sprachfassungen imeuropäischen Amtsblatt warten die Län-derzulassungsbehörden schon seit An-fang des Jahres.

Für den Zeitraum 2007 bis 2009 ist dieVerabschiedung der Pakete 2, 3 und 4ins Auge gefasst. Sie enthalten die TSITunnelsicherheit, Luftverschmutzung,Transport behinderter Personen, die TSILokomotiven und Triebzüge, Reisezug-wagen, Energie und Infrastruktur sowiedie TSI Instandhaltung und TelematikPersonenverkehr.

Für die Definition des Anforderungska-talogs an die jeweiligen TSI zeichnet ei-ne Expertengruppe verantwortlich, diesich aus Vertretern von Eisenbahnen,Bahnindustrie und Zulieferern zusam-mensetzt. Die eigentliche Standardisie-rungsarbeit leisten anschließend die eu-ropäischen Normierungsgremien CEN/CENELEC und ETSI (Europäisches Komi-tee für Normung/ Europäisches Komiteefür elektrotechnische Normung, Euro-päisches Normungsinstitut für Telekom-munikation).

Leiten lassen sich die Gremien von vierGrundprinzipien, wie sie in Brüssel be-reits 1985 beschlossen worden waren(Ratsdokument 85/C136/01):

1. Beschränkung der Harmonisierungauf grundlegende Sicherheitsanfor-derungen

2. Erarbeitung technischer Spezifikatio-nen/ Normen

3. Freiwilligkeit als Basis für die Anwen-dung der technischen Spezifikatio-nen/ Normen

4. Richtlinienkonformität bei Anwen-dung der Spezifikationen/ Normen.

Diese Leitlinien waren insofern vongrundsätzlicher Bedeutung, als (techni-sche) Normen, die diese vier Grundsätzebeachten, entscheidend zur Deregulie-rung beitragen und Staat, Wirtschaftund Bürger von überflüssigen und ent-wicklungshemmenden Detailregelun-gen entlasten. Dies entspricht denGrundsätzen des neuen europäischenKonzepts für die technische Harmonisie-rung und Normung. Danach legen dieRichtlinien lediglich fest, welche grund-legenden Anforderungen Schienenfahr-zeuge erfüllen müssen, so bald sie in denVerkehr gebracht werden, nicht jedoch,auf welchem Weg dies technisch zu er-reichen ist. Dies bedeutet nicht mehr,aber auch nicht weniger: Sollen techni-sche Normen in den Status einer Rechts-norm gehoben werden, so muss sich diesauf das Notwendige beschränken.

Um das Ziel der Interoperabilität aufEuropas Gleisen zu erreichen, ist es er-forderlich, den allgemeinen Grundsatzder Freiwilligkeit bei der Anwendungvon Normen durch deren Rechtsverbind-lichkeit zu ersetzen. Dies betrifft alle eu-ropäischen Normungsaufträge aus denInteroperabilitätsrichtlinien bzw. derennachgeordneten technischen Spezifika-tionen (TSI).

Über diesem Rechts- und Richtlinienfun-dament erhebt sich das Gebäude der europäischen Prüf-, Zertifizierungs- undInbetriebnahmeverfahren für Vollbahn-Fahrzeuge, darunter Lokomotiven,Triebwagen und Triebzüge. Als dessen

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Eckpfeiler stechen die so genanntengrundlegenden Anforderungen und dasBewertungs- und Inbetriebnahmever-fahren hervor: Wer künftig EU-weitTriebfahrzeuge in Verkehr bringen will,muss deren Sicherheit, Zuverlässigkeitund Interoperabilität nachweisen, siedurch Zertifizierungsstellen, den Be-nannten Stellen (Notified Bodies), EU-konform bewerten lassen und eine Inbe-triebnahmegenehmigung durch dieEisenbahn-Sicherheitsbehörden der Mit-gliedsländer – beispielsweise des deut-schen Eisenbahn-Bundesamts (EBA) – be-sitzen. Als Benannte Stelle arbeitetgegenwärtig in Deutschland die unab-hängige Zertifizierungsstelle EISEN-BAHN-CERT (EBC). Sie kooperiert mitweiteren akkreditierten Inspektionsstel-len, Produkt- und Qualitätszertifizierernsowie Prüflaboren.

In Österreich wurden mehrere akkredi-tierte Benannte Stellen mit der Prüftä-tigkeit beauftragt. Sie kooperierenebenfalls zum einen untereinander überein österreichisches und ein europäi-sches Netzwerk, zum anderen mit akkre-ditierten Inspektionsstellen und Prüfla-bors. Darüber hinaus entwickelt dieösterreichische Eisenbahnbehörde zur-zeit gemeinsam mit den Bahnen ein Las-tenheft für die EG-Prüfung der einzel-nen Teilsysteme, um den BenanntenStellen eine Prüfanleitung an die Handzu geben.

Wenngleich die Konturen des Neuenjetzt immer deutlicher zutage treten, dieEU-weite Harmonisierung der Bahntech-nik und die Übersetzung des EU-Eisen-bahnrechtrahmens in nationale Gesetzeund Verordnungen dürfte noch Jahre inAnspruch nehmen und zu einem Neben-

einander von alten und neuen Regelnführen (Bild 5). Nicht zuletzt wegen derunerwartet langen ETCS/ERTMS-Migrati-onsphase, der Erneuerung, Umrüstungund Nachrüstung von Fahrzeugen undFahrzeugteilsystemen bleibt vorerstauch jener Bodensatz nationaler Vor-schriften erhalten, der den technischen,topografischen und betrieblichen Beson-derheiten der jeweiligen Länder ge-schuldet ist. Hier spielt der abschaltbarausgelegte INTEGRA-Permanentmagnetdes schweizerischen Zugsicherungssys-tems ZUB ebenso eine Rolle wie bei-spielsweise die auf den alpinen Steilram-pen Österreichs geforderte Nachbrems-funktion oder die besonders hohenBrandschutzanforderungen an Trieb-fahrzeuge.

Gleichzeitig deuten sich im Prozess dertechnischen Harmonisierung auchSchwachstellen und Defizite an. Sie dro-hen einerseits den einst pragmatischenAnsatz „Harmonisierung, Homologie-rung und Europäische Zulassung des Erforderlichen“ zu verlassen, die Zulas-sungsverfahren bürokratisch aufzublä-hen und zusätzlich zur ETCS-Problematikzeitintensiv und kostenträchtig zugestal-ten. Andererseits beschwören sie die Gefahr herauf, die Instrumente der tech-nischen Harmonisierung durch Überre-glementierung und Mehrfachprüfungenabzustumpfen. So hat gerade die Akkre-ditierung von Prüf- und Zertifizierungs-stellen sowohl für das GesamtsystemBahn als auch einzelne Teilsysteme,Fach- und Komponentenbereiche inner-halb von Teilsystemen zu einer Vielzahlvon Zertifizierern und Prüfern geführt.Sollen die für die Sicherheit der Eisen-bahnen zuständigen nationalen Behör-den Gesamt- wie Teilsysteme eindeutigvalidieren können, bedürfen Arbeitsin-halte und Verfahren dieser Zertifizie-rungsstellen daher der Koordinierungund Harmonisierung auf gesamteuro-päischer Ebene.

Mindestens ebenso problematisch er-scheint die Sicherheitsbewertung vonZertifikaten und Prüfergebnissen, diePrüfer und Zertifizierer außerhalb desdurch EU- und nationale Gesetze gere-gelten Bereichs erteilen und ausstellen.Auch dort herrscht eine breite Vielfaltvon Prüfstellen und Zertifizierern vor.Deren Prüfqualität darf überdies alsdurchaus unterschiedlich gelten. DieserUmstand stellt Benannte Stellen wie Si-cherheitsbehörden bei der Verifizierungvor nicht unerhebliche Schwierigkeiten.Letztlich zeichnen ja die Sicherheitsbe-hörden im Rahmen der Inbetriebnahme-

Thema des Monats: Triebfahrzeug-Entwicklungslinien in Europa

ETR Spezial: GrenzüberschreitendesZulassungsprocedere

Bild 6: Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Stellen konnte die Zulas-sung für die SBB Re 482 und BLS Re 485 für den Verkehr zwischen Deutschland und derSchweiz in kurzer Zeitdauer erfolgen. Beide Lokomotiven sind identisch

Bild 5: Führertisch derBR 185 für den Be-trieb zwischenDeutschland undFrankreich. InfolgeuneinheitlicherSchnittstellen müssendie Bedienelementefür die französischenZugsicherungssystemeals Aufsatz montiertwerden

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genehmigung von Fahrzeugen oderFahrzeugteilsystemen auch für deren Si-cherheitsbewertung insgesamt verant-wortlich.

Gleichwohl existiert keine vertretbareAlternative zum eingeschlagenen Wegder europäischen „Harmonisierung, Ho-mologierung und Zulassung“ auch derTriebfahrzeuge. Darüber herrscht imGrundsatz weitgehend Einigkeit zwi-schen Bahnindustrie, Bahnen, Infrastruk-turunternehmen, nationalen und euro-päischen Behörden sowie der Politik.Nur reicht der bloße gute Wille aus, deneingeleiteten Harmonisierungsprozessvon seinen Webfehlern zu befreien, ihnangesichts der komplizierten, langwieri-gen Beteiligung von nunmehr 25 EU-Mitgliedsstaaten gar zu beschleunigen?

3 Kompromiss und Pragmatis-mus: Cross Acceptance imDreieck Deutschland – Öster-reich – Schweiz und darüber hinaus

Die Zeit drängt. Bombardier als Welt-marktführer bei Entwicklung und Bauelektrischer Lokomotiven zum Beispielweiß, welch Zeit- und Kostenaufwanddie Zulassung selbst modernster inter-operabler und mehrsystemfähiger Elek-

trolokomotiven der Lokplattform TRAXXbereitet. Je nach Land dauern die Zulas-sungsverfahren der vor allem im grenz-überschreitenden Güterverkehr einge-setzten Lokomotiven wenige Monate –oder aber Jahre. Die Kosten dafür belau-fen sich zuweilen – wie etwa in Frank-reich – auf mehrere Millionen Euro. In al-ler Regel schöpfen die nationalenBehörden ihre Entscheidungsspielräumezugunsten der zulassenden Stelle vollaus.

Aufgrund seiner Erfahrungen in denletzten Jahren, einer nachhaltigen Prä-senz in den berührten Ländern und dankeines regen Austausches mit den jeweili-gen Behörden und Bahnbetreibernkonnte Bombardier beispielsweise dieDauer des Zulassungsprocederes seinerLokomotiven mittlerweile deutlich ver-ringern (Bild 6). In außerordentlich kur-zer Zeit und zudem vorfristig erhielt sodie Mehrsystem-Maschine TRAXX F140MS Ende 2004 ihre Italien- und Schweiz-Zulassung als Re 484 (Bild 7). Auch diebewährte, bei Railion Deutschland als BR185.1 laufende TRAXX F140 AC1 ver-dankt ihre Zulassung für die Verkehrezwischen Deutschland und Österreichbzw. Deutschland, Österreich und derSchweiz diesem speziellen Know-how.Als derzeit einziger Hersteller hat Bom-bardier damit eine in Deutschland, Ös-terreich und der Schweiz zugelassene

Wechselstrom-Lokomotive im Portfolio.Da die Dauer der Zulassungsverfahrengrundsätzlich und unmittelbar auf dieKosten durchschlägt, reduziert sich soauch der finanzielle Aufwand für die Zu-lassung.

Als außerordentlich wertvoll und vorteil-haft für die enge Abstimmung und Ko-ordination der Zulassungsaktivitätenzwischen Herstellern und zuständigennationalen Behörden erwies sich in die-sem Zusammenhang die Einrichtung derinternationalen Arbeitsgemeinschaft Zu-lassung, der AG CH/D/I/A. An ihr sind dieZulassungsbehörden Deutschlands, Ös-terreichs, der Schweiz und Italiens – EBA,BMVIT, BAV und Cesifer – sowie seitjüngstem auch die niederländische IVNals zuständige Behörde beteiligt.

Cross Acceptance, gegenseitige Aner-kennung, heißt dieser von Bahnen undBahnindustrie ausdrücklich begrüßte Zu-lassungspragmatismus. Die Ende der90er Jahre von EBA, BMVIT und BAV ein-geleitete Kooperation vereinfacht, har-monisiert und vereinheitlicht nämlichdie Homologierung aller durchzuführen-den Prüf-, Validierungs- und Zulassungs-prozesse und hat deren multilateraleAnerkennung zum Ziel. Seitdem verfah-ren Deutschland, Österreich und dieSchweiz – die wegen ihrer Länderkürzelso genannten DACH-Staaten – nach dem

Thema des Monats: Triebfahrzeug-Entwicklungslinien in Europa

ETR Spezial: GrenzüberschreitendesZulassungsprocedere

Bild 7: Die SBB Cargo Re 484 im Shuttle-Verkehr zwischen der Schweiz und Italien

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Grundsatz: Wurde ein für den grenz-überschreitenden Verkehr bestimmtesTriebfahrzeug bereits in einem der Län-der zugelassen, so akzeptieren und an-erkennen grundsätzlich auch die übri-gen Staaten der Arbeitsgemeinschaftwesentliche Sicherheitsbewertungenund Nachweise.

Pate stand bei dem erfolgreichen, weilwirtschaftlich effizienten und vom Auf-wand her schlanken Cross Acceptance-Verfahren die vor Jahrzehnten verein-barten zwischenstaatlichen Regelungenfür den internationalen Austausch vonGüterwagen (RIV und RIC). Ins Auge fälltdaher sofort der auf Praktikabilität aus-gerichtete Charakter dieser von denDACH-Ländern vereinbarten sicherheits-technischen Anforderungen an die Zu-lassung von Triebfahrzeugen. Überein-stimmend grenzen sie die Verantwort-lichkeiten zwischen Herstellern und Be-treibern sowie der für die Sicherheit ver-antwortlichen Zulassungsbehörden klarvon einander ab. Indem sie nur das füreinen freien Marktzugang Notwendige,nicht jedoch das Mögliche harmonisie-ren, stellen die Zulassungsregeln dietechnische Kompatibilität und Interope-

rabilität der Fahrzeuge in den Transport-märkten sicher, wahren aber zugleichdie Herstellerspielräume, innovative undkostengünstige Fahrzeugkonstruktio-nen auf den Markt zu bringen. Dafürkönnen Bahnindustrie und Zulassungs-behörden auf eindeutig definierte Min-destsicherheitsanforderungen nach denanerkannten Regeln der Technik zurück-greifen. Ebenso eindeutige Definitionengelten für die vom Hersteller vorzule-genden Zulassungsunterlagen, Prüfbe-richte und Gutachten, um die erforderli-che Gesamtsicherheitsbewertung einesTriebfahrzeugs durch die Zulassungsbe-hörden zu erlangen. Homologiert sindselbstverständlich auch die für eineSchnittstellenuntersuchung und Bewer-tung des Zusammenspiels eines Trieb-fahrzeugs mit den übrigen Teilsystemender Eisenbahn benötigten Mindestun-terlagen.

Bahnindustrie, Bahnen und Zulassungs-behörden ziehen eine positive Bilanz desCross Acceptance-Verfahrens bei der Zu-lassung von Lokomotiven, Triebwagenund Triebzügen in den jeweiligen Län-dern. Sie verweisen vor allem darauf,dass die auf diese Weise spezifiziertenund qualifizierten Prozesse zu erhebli-chen Kostenoptimierungen bei allen Be-teiligten geführt haben.

Dieser pragmatische und effiziente Min-desthomologierungsansatz, der Homo-logierung und Zulassung in einem einzi-gen Prozess realisiert, empfiehlt sichdaher auch zur unmittelbaren Anwen-dung in der Europäischen Union. Mehrnoch: Fahrzeughersteller, Besteller wieVerkehrsunternehmen oder Leasing-Ge-sellschaften und die Zulassungsbehör-den nicht nur der betroffenen europäi-schen, sondern auch außereuropäischerLänder hielten so schon bald ein praxis-taugliches und einheitliches Zulassungs-konzept in Händen. Da der Schienengü-terverkehr angesichts seiner rasantfortschreitenden Industrialisierung undwegen des starken Wettbewerbsdrucksder Straße auf unbürokratische, kosten-günstige und sichere Zulassungsnormenwartet, liegt nichts näher, als die techni-schen Harmonisierungsziele auf der Ba-sis gegenseitiger Anerkennung Schrittfür Schritt und Land für Land zunächstentlang allen wichtigen Hauptgüterkor-ridoren der EU umzusetzen.

Nach Auffassung der beteiligten Zulas-sungsbehörden muss die Erarbeitungder inhaltlichen Prüfung und Validie-rung von Triebfahrzeugen im Rahmeneines zu vereinbarenden gemeinsamen

Thema des Monats: Triebfahrzeug-Entwicklungslinien in Europa

ETR Spezial: GrenzüberschreitendesZulassungsprocedere

Homologierungsverfahrens der EU-Län-der in mehreren Schritten erfolgen. Die-se Schritte sähen so aus:

� Vereinbarung gemeinsamer Sicher-heitsanforderungen (einheitliche Si-cherheitsziele)

� Vereinbarung von Kompatibilitätsan-forderungen (erforderliche Mindest-kompatibilität)

� Harmonisierung der Prozessgestal-tung und des Prozessmanagements(Umfang und Inhalte der Prüfprozes-se, Vermeidung unnötiger redundan-ter Prüfungen)

� Überwindung nationaler rechtlicherVorgaben (Reduzierung und Vermei-dung unnötiger nationaler adminis-trativer Zwänge)

� Abgrenzung der Verantwortlichkei-ten zwischen Hersteller (Produkthaf-tung), Betreiber (Betreiberverantwor-tung) und der Sicherheitsverantwor-tung der Zulassungsbehörden

� eindeutige Definition der von den Zulassungsbehörden erforderlichenMindestsicherheitsanforderungen undder für die erforderliche Gesamtsicher-heitsbewertung vorzulegenden Zulas-sungsunterlage, Prüfberichte und Gut-achten

� eindeutige Definition der für dieSchnittstellenuntersuchung und Be-wertung der Kohärenz des Fahrzeugszu den anderen Teilsystemen erfor-derlichen Mindestunterlagen.

Alles in allem aber hängt die technischeHarmonisierung auf Europas Gleisenmindestens ebenso entscheidend davonab, ob es der EU und ihren Mitgliedslän-dern gelingt, das Tempo der ETCS-Ein-führung auf den Magistralen des Güter-und Personenverkehrs deutlich zu erhö-hen. Da nicht zuletzt die Umrüstung derzahlreichen Alt-Fahrzeuge die ETCS-Mi-grationskosten in die Höhe treibt, zah-len sich hier gezielte EU-Finanzhilfen be-reits mittelfristig aus: Interoperabilitätals Investition in die langersehnte Wett-bewerbsfähigkeit des europäischenSchienenverkehrs. Der alte Traum vonder Lokomotive, die ebenso problemlosvon Kopenhagen nach Neapel rollt wiedie Konkurrenz auf der Straße, dieserTraum würde endlich wahr.

4 Ausblick und Zusammenfassung

Die bis Ende der 90er Jahre eher zögerli-che Liberalisierung auf Europas Gleisen

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und europäische wie nationale Zulas-sungsbehörden sowie nicht zuletzt dieKunden der Eisenbahnen.

Vertiefendes SchrifttumSCI/Verkehr: Der Weltmarkt für Bahntechnik (Kurz-fassung), Köln 2003.UIC, Europäische Integration der Eisenbahnfor-schung, Paris 1998.Haase, Dagmar: Rail Net Europe. Gateway to Euro-pean Rail Infrastructure, Vortrag „Transport 2003“,München 2003.Liberalisierungsindex Bahn 2004 untersucht erstmalsauch neue Mitgliedsstaaten der Europäischen Uni-on, Presseinformation Deutsche Bahn AG v.11.05.2004.Bahn frei für Europa. Allianz pro Schiene e.V., Berlin2002.Leenen, Maria; Neumann, Lars: Der deutsche Bahn-markt – Marktanalyse 2004 bis 2009. In: Internatio-nales Verkehrswesen (56) 9/2004, S. 395-398.Clausen, Uwe: Verkehrsströme und Logistikanforde-rungen im Europa der Zukunft. Grenzenloser Schie-nengüterverkehr in Europa, Vortrag (als Ms.), Dei-desheim, 05.05.2004.Informationszentrum Beton (Hrsg.): Perspektivenund Konzepte für Mobilität und Infrastruktur, Köln2001.Informationszentrum Beton (Hrsg.): StatistischesKompendium Mobilität. Mobilitätskongress 2000,Köln 2000.Prognos AG (Hrsg.): Verkehr im neuen Europa, Basel1990.Deutsches Verkehrsforum: Mobilität für Deutsch-land. Fakten und Forderungen, Berlin 2005.Auswirkungen der Richtlinie 91/440 und ihrer ergän-zenden Bestimmungen auf die mittel- und osteuro-päischen Länder, UIC-Positionspapier, Paris 1999.Paneuropäische Korridore und paneuropäischesNetz, UIC-Papier, Paris 2000.UIC und Deutsche Bahn AG (Hrsg.): UIC ERTMS Con-ference 2003, Leipzig 2003.Verband intern. Newsletter des Verbandes derBahnindustrie in Deutschland VDB (Berlin), Nr. 12005, S. 7 f.Das Ziel einer gerechten Anlastung der Infrastrukt-urkosten wird deutlich verfehlt. VDV-Positionspa-pier, Köln 2003.Neue wirtschaftliche und administrative Hürdenwürden die Integration des europäischen Eisen-bahnmarktes behindern. Stellungnahme des VDV,Köln 2004.Regelwerk auf Europakurs. Projektbericht. In: Bru-nel Newsletter 17, Ausgabe 3 2004, S. 4.

Vitins, Janis: Bombardier erweitert seine Lokomotiv-familie Traxx. In: eb Elektrische Bahnen, 3/2005. Honegger, Peter; Walther, Jörg: WettbewerbsvorteilLänder-Zulassungen. In: Güterbahnen, 2/2005.Weißbuch der Europäischen Kommission: NeuerStrategievorschlag der Kommission zur Revitalisie-rung der Eisenbahnen in der Gemeinschaft. Kom-missionsdokument KOM (96) 421 vom 30.07.1996.Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 23.07.1991 zurEntwicklung der Eisenbahnunternehmen der Ge-meinschaft: Amtsblatt der EG vom 24.08.1991, L 237,S. 25.Entscheidung 1692/96/EG des europäischen Parla-ments und des Rates vom 23.07.1996 über gemein-schaftliche Richtlinien für den Aufbau eines transeu-ropäischen Verkehrsnetzes: Amtsblatt der EG vom09.09.1996, L 228, S. 1.Beschluss 85/C/136/01 des Rates vom 07.05.1985 übereine Konzeption auf dem Gebiet der technischenHarmonisierung und der Normung: Amtsblatt derEG vom 04.06.1985, S. 1 – 9.Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23.07.1996 überdie Interoperabilität des transeuropäischen Hochge-schwindigkeitsbahnsystems: Amtsblatt der EG vom17.09.1996, L 235, S. 6.Richtlinie 2001/16/EG des Rates vom 19.03.2001 überdie Interoperabilität des konventionellen transeuro-päischen Eisenbahnsystems: Amtsblatt der EG vom20.04.2001, L 110, S. 1.Richtlinie 2004/49/EG des Rates vom 29.04.2004 überEisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zurÄnderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über dieErteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunter-nehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zu-weisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, dieErhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisen-bahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheini-gung: Amtsblatt der EG vom 30.04.2004, L 164 S. 44.DIN EN 50126: Bahnanwendungen - Spezifikationund Nachweis der Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, In-standhaltbarkeit und Sicherheit (RAMS). Beuth Ver-lag Berlin, März 2000.Leitfaden für die Umsetzung der nach dem neuenKonzept und dem Gesamtkonzept verfassten Richtli-nien der Europäischen Kommission: Amt für amtli-che Veröffentlichungen der Europäischen Gemein-schaften, Luxemburg, 2000.Beschluss 93/465/EWG des Rates vom 22.07.1993über die in den technischen Harmonisierungsrichtli-nien zu verwendenden Module für die verschiede-nen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahrenund die Regeln für die Anbringung und Verwen-dung der CE-Konformitätskennzeichnung: Amts-blatt der EG vom 30.08.1993, L 220, S. 23.Thomasch, Andreas: Sicherheitsanforderungen anSchienenfahrzeuge und europäischer Harmonisie-rungsprozess. In: ZEVrail Glasers Annalen 128 (2004),Tagungsband SFT Graz, S. 28 – 47.

Thema des Monats: Triebfahrzeug-Entwicklungslinien in Europa

ETR Spezial: GrenzüberschreitendesZulassungsprocedere

El ferrocarril sin fronteras no será posible sinuna autorización unificada de vehículos automo-tores en la UE

Si las líneas de ferrocarriles europeos no quierensalir peor parados en la competencia con camio-nes y autobuses, automóviles y aviones, así comoen lo referente a flujos crecientes de circulaciónsin cortapisas, necesitan con mayor urgencia quenunca locomotoras y vehículos y trenes automo-tores con una autorización unificada en toda laUE. Este procedimiento de autorización no sólotiene que satisfacer determinadas normas euro-peas de interoperabilidad con carácter práctico,económico y unificado, sino también pautasestrictas y de obligatoriedad general en términosde calidad y seguridad.

ResumenPas de chemin de fer sans frontières en Europe,si l’homologation des véhicules ferroviairesn’est pas unifiée

Si les chemins de fer européens ne veulent pas sefaire distancer encore plus dans la concurrenceavec les camions et les cars, les voitures et les avi-ons, et compte tenu des courants de trafic quigonflent sans restriction, ils ont plus que jamaisbesoin d’urgence, dans toute l’UE, de locomoti-ves, automoteurs et automotrices homologuésde manière unifiée. Cette procédure d’homolo-gation doit satisfaire non seulement à des nor-mes européennes unifiées, économiques et uti-lisables pratiquement, mais aussi à des critèressévères et obligatoires pour tous en matière dequalité et de sécurité.

RécapitulationNo borderless railway without uniform homolo-gations for motive power throughout the Euro-pean Union

If Europe’s railways are not to lose even moreground in competition with heavy goods vehi-cles, buses, motorcars and aircraft and are goingto be able to play their part in coping with thecontinuing unbridled increase in traffic volumes,they need locomotives, railcars, multiple unitsand train sets that have been approved in a uni-fied manner throughout the European Union –and they need these more urgently than ever be-fore. These homologation procedures must notonly satisfy genuinely practical, economic anduniform European standards of interoperability;they must also incorporate strict and universallycompulsory yardsticks as regards quality andsafety.

Résumé

krankte vor allem an der fehlendentechnischen Harmonisierung des Rollma-terials und der Infrastruktur. Die von derEU-Kommission seitdem unter dem Ein-druck der massiven Zuwächse vornehm-lich im Straßenverkehr mit größerer In-tensität verfolgte Erarbeitung einesgesamteuropäischen Regelwerks insbe-sondere für die Zulassung interoperablerTriebfahrzeuge droht allerdings nichtnur angesichts des komplizierten Ab-stimmungsprozesses der 25 EU-Mitglie-der sowie des Widerstreits von nationa-len und europäischen Interessen insStocken zu geraten. Als ein nicht mindergroßer Hemmschuh erweist sich nichtzuletzt der Überregulierungsdrang derEU-Regulierer selbst.

Das von den ZulassungsbehördenDeutschlands, Österreichs, der Schweiz,Italiens und den Niederlanden in engerKoordination mit großen Lokomotivher-stellern wie z. B. Bombardier bereits er-folgreich praktizierte Verfahren derCross Acceptance bei der Homologie-rung und Zulassung von Triebfahrzeu-gen stellt nach Auffassung der Autoreneine echte Alternative zur derzeitigeneuropäischen Homologierungspraxisdar. Cross Acceptance verspricht erstenseindeutige und wirtschaftlich effizienteRegeln, vermeidet zweitens Doppelt-und Dreifachverfahren und gewährleis-tet drittens ein Optimum an Praxistaug-lichkeit sowie überdies die notwendigerasche Umsetzung innerhalb der EU.Gleichwohl erfordert dieser Schritt denunbedingten guten Willen aller Beteilig-ten. Den Nutzen dieses Verfahrens derkurzen Wege und der direkten, Grenzenüberwindenden Kommunikation hättenfreilich alle gleichermaßen: Bahnen wieInfrastrukturbetreiber, Bahnindustrie

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