Oliver Kloss 2005 Deal des Jahrzehnts - Schroeder-Putin-Pakt

download Oliver Kloss 2005  Deal des Jahrzehnts - Schroeder-Putin-Pakt

of 3

Transcript of Oliver Kloss 2005 Deal des Jahrzehnts - Schroeder-Putin-Pakt

  • 8/9/2019 Oliver Kloss 2005 Deal des Jahrzehnts - Schroeder-Putin-Pakt

    1/3

    Der Deal des Jahrzehnts Milliarden fr Putin und Millionen fr SchrderOliver Kloss

    Kommentar, gesendet im Dezember 2005 in Kritik & Kreation im radio blauEs gab schon vor Gerhard Schrder eine Tradition deutscher Bundeskanzler, sich derFreundschaften zu Diktatoren nicht zu schmen.Man denke zum Beispiel an Helmut Schmidt. Gleich nach seinem China-Besuchschloss er sich der Meinung der dortigen Machthaber an und gelangte zurberzeugung: Demokratie sei fr Chinesen einfach nicht die gemeRegierungsform.Auch Helmut Kohl zeigte sich tyrannophil: Noch 1998 kurz vor dem Sturz desindonesischen Diktators lobte er General Suharto als seinen persnlichen Freund.Dabei sei erinnert, dass sich die Familie Suhartos in der Zeit der Diktatur ein

    Vermgen in Hhe der gesamten Staatsschulden Indonesiens zugeeignet hatte.Auch der Kotau zum Besuch bei der Chinesischen Volksarmee bekannt fr ihrMassaker an Studenten auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens fiel Kohlnicht schwer.

    An diese Tradition konnte Gerhard Schrder anknpfen.So fiel in Deutschland 2002 kaum mehr als Skandal auf, was zum Beispiel inZeitungen der Schweiz auf Titelseiten Beachtung fand:Da war zu lesen, Medienkanzler Gerhard Schrder habe sich den russischen

    Prsidenten Wladimir Putin fr 7,1 Milliarden Euro in eine Talk-Show eingeladen.

    Solche Urteile sind gewiss sarkastisch berspitzt und natrlich in dieser Weisevollkommen unberechtigt. Doch worum ging es wirklich?

  • 8/9/2019 Oliver Kloss 2005 Deal des Jahrzehnts - Schroeder-Putin-Pakt

    2/3

    Weshalb bekommt ein Land, das unter anderem Gold, Gas und l exportiert, alsokeinesfalls als zahlungsunfhig angesehen werden kann, 7,1 Milliarden EuroSchulden erlassen? Und dies sogar, obwohl es sich nicht um einen Staat handelt, derim Bereich demokratischer Spielregeln im vergangenen Jahrzehnt irgendwelcheFortschritte aufweisen knnte? Mutet das nicht rtselhaft an? 7,1 Milliarden Eurosind nicht wenig. Die sogenannten Hartz-Reformen wurden mit der Einsparung

    einer geringeren Summe begrndet. Aus aktuellem Anlass lohnt es daran nocheinmal zu erinnern.

    Der eigentliche Skandal in den auslndischen Medien war weniger der Schulden-Erlass als solcher. Zu denken gab den Kommentatoren strker die vollkommeneBedingungslosigkeit!Wann schenkt schon eine Regierung Milliarden mglicher Staatseinnahmen wegohne auch nur den Versuch zu unternehmen, dem Steuerzahler zu zeigen, dass dieWelt dadurch irgendwie gebessert worden sei?

    Es kommt durchaus gar nicht so selten vor, dass die Schulden eines rmeren Landes

    gestrichen werden, wenn der Glubiger ohnehin nicht mehr glaubt, etwaszurckbekommen zu knnen. Doch blicherweise knpft der Partner, der zuUngunsten seiner Steuerzahler Grozgigkeit walten lsst, wenigstens Bedingungenan die Streichung der Schulden.

    Schrder htte zum Beispiel fragen knnen: Wladimir, was ist dir einWaffenstillstand in Tschetschenien wert?Oder harmloser: Wie wre es mit einerAmnestie fr politische Hftlinge in Russland?Selbst ein beilufig und kleinlaut geuertes Angebot htte zumindest fr dieMedien noch den Eindruck erwecken knnen, Gerhard Schrder seienMenschenrechte etwas wert. Etwa so: Bitte Wladimir, entlasse doch wenigstens diepolitischen Journalisten aus den Gefngnissen, dann will ich nicht kleinlich sein beiden 7 Milliarden Euro!Unter Duzfreunden und vermeintlich lupenreinen Demokraten drften solcheoffenen Worte doch nicht vollkommen ausgeschlossen sein.

    Aber wie verlief der Deal wirklich?WDR-Intendant Fritz Pleitgen schrieb die Einladung an Wladimir Putin. Er wurde frDienstag, 9. April 2002, mit Gerhard Schrder in die Talk-Show von Alfred Biolekgeladen.

    Wer eine politische Sendung erwartet hatte, lag natrlich vollkommen falsch. Schondas orthodoxe Weihnachtsfest hatten die beiden Familien miteinander verbracht. Es menschelte mchtig! Schon im Vorfeld erklrte der verantwortliche RedakteurKlaus Michael Heinz ber den Inhalt der Gesprche: Aber eines ist klar, das wirdkeine politische Sendung. Vielmehr interessieren uns die Menschen Putin undSchrder".

    Aber es kam noch besser: Als Sendung an historischem Ort wurde die Biolek-Talk-Show in Szene gesetzt. Die Redaktion, so erklrte Klaus Michael Heinz, habebewusst das Nationaltheater in Weimar als Treffpunkt gewhlt.In dem Gebude trat 1919 jene Nationalversammlung zusammen, welche die erste

    demokratische Verfassung der deutschen Republik beschlossen hatte. Wie sollteeine solche Ankndigung verstanden werden? Doch ein bisschen politisch? Ist sie

  • 8/9/2019 Oliver Kloss 2005 Deal des Jahrzehnts - Schroeder-Putin-Pakt

    3/3

    gar als sehr subtile Kritik an Putin zu verstehen, aber eben so sehr dezent, dass sieihn nicht brskieren kann, weil sie ohnehin keiner bemerkt?Im Foyer dieses geschichtstrchtigen Hauses konnte Talk-Show-Moderator AlfredBiolek mit den Staatsmnnern plaudern: Trivia, was sonst?Dabei hatten sie einen schnen Blick auf die Statuen von Goethe und Schiller.Keine Frage, an so bedeutungsschwerem Orte verbieten sich kritische Fragen fast

    von selbst. Wer frge da nach politischen Hftlingen, wer zeigte sich sogeschmacklos, das Wort Krieg anzusprechen, solange es nicht um klassischeDramen geht?

    Sehr beilufig vermerkten die Medien der Bundesrepublik am 11. April 2002 dasErgebnis zweitgiger Konsultationen.In der Presseerklrung des Bundesfinanzministeriums wurde vermeldet, in dergefundenen Einigung habe sich die russische Regierung zur Zahlung von 500Millionen Euro verpflichtet, die binnen der nchsten zwei Jahre in Raten gezahltwerden.Im Gegenzug erhhe Deutschland den Umfang der Hermes-Brgschaften fr den

    Handel mit Russland auf eine Milliarde Euro.Hermes-Brgschaften sichern das Risiko von Exporten nach Russland ab, das heit imFalle der Zahlungsunfhigkeit des russischen Handelspartners erhlt der deutscheExporteur die Kosten aus Steuergeldern vergolten.

    Zur Pressekonferenz sagte Gerhard Schrder im Duktus guter Nachrichten: Wirhaben einfach eine Paketlsung gemacht.Dazu gehre, dass ein Schadensfall ausder Hermes-Kredit-Brgschaft in Hhe von rund 500 Millionen Euro zu Gunsten desBundes befriedigend gelstworden sei.Deutlicher wurde Die Welt:Schrder erlsst Putin 7,1 Milliarden Euro Schulden.

    Die taz berschrieb das Thema lapidar mit Peanuts fr Freundschaft, teilte mit,dass von geforderten 7,6 Milliarden Euro Russland 500 Millionen in Raten zahlenwolle.Ferner habe Schrder Putin sogar Rckendeckung bei seiner Forderung nachMitspracherecht in der NATO versprochen. Putin forderte die Abschaffung desVetorechtes!

    Zur Zeit schreiben viele Medien ber die teuerste Unterwasser-Pipeline der Welt.Schon lange vor Bekanntwerden des Millionen-Jobs fr Gerhard Schrder imrussischen Staatsunternehmen, dem Gasmonopolisten Gazprom, hatte das polnischeMagazin Wprostfr das Projekt den Namen Schrder-Putin-Paktgeprgt.

    Gemessen an dem, was wir heute wissen, nimmt sich der Sarkasmus der SchweizerZeitung vom April 2002 geradezu nav aus. Aber dereinst konnte nur eine enormhohe Gage fr einen Auftritt Putins mit Schrder in einer deutschen Talk-Showkonstatiert werden.Der einstige Bundeskanzler fhrte das Wort von der privaten Altersvorsorgeschondamals oft im Munde, doch dachte man dabei an Riester und hemmungsloseKrzungen der staatlich garantierten Altersrenten.Wer htte im Jahre 2002 schon zu ahnen gewagt, wie bedacht und weitsichtigGerhard Schrder mit staatlichen Milliarden fr eigene private Millionen Vorsorge

    getroffen hatte?

    Fairer Nachtrag: In einem Dokumentarfilm wurde Alfred Biolek spter gefragt, waser im Leben lieber ungeschehen wnschte. Ihm fiel nur die Schrder-Putin-Show ein.