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Der Informationsdienst für die Beratungspraxis www.arbrb.de online + Rechtsprechung Individualarbeitsrecht BAG: Nur einmalige Inanspruchnahme von Pflegezeit möglich BAG: Variable Vergütung – Festlegung eines Bonuspools (BONUS I) BAG: Kündigung des Chefarztes eines katho- lischen Krankenhauses wegen Wiederheirat BAG: Verlängerung der Elternzeit nach bil- ligem Ermessen Kollektives Arbeitsrecht BAG: Teilnahmerecht von Auszubildenden an Betriebsversammlungen im Einsatzbetrieb BAG: Kein Zugriff des Gesamtbetriebsrats auf personenbezogene Arbeitnehmerdaten Sonstiges Recht BGH: Garantenpflicht des Arbeitgebers zur Verhinderung von Straftaten Arbeitsrecht kompakt Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis Wann erlaubt das BAG eine Kürzung von Bo- nuszahlungen? (BONUS II) Fröhlich Zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ziel- vereinbarungen (BONUS III) Mues Was ist bei der Beschäftigung von Prokuristen zu beachten? Kleinebrink Besonderheiten bei der Kündigung in der In- solvenz gem. § 113 InsO Schulte Hinweise zu Klagen und Anträgen Prozesskostenhilfe – Mutwilligkeit der beab- sichtigten Rechtsverfolgung Tiedemann Seiten 69–100 PVSt 57190

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Rechtsprechung

Individualarbeitsrecht

BAG: Nur einmalige Inanspruchnahme vonPflegezeit möglich

BAG: Variable Vergütung – Festlegung einesBonuspools (BONUS I)

BAG: Kündigung des Chefarztes eines katho-lischen Krankenhauses wegen Wiederheirat

BAG: Verlängerung der Elternzeit nach bil-ligem Ermessen

Kollektives Arbeitsrecht

BAG: Teilnahmerecht von Auszubildenden anBetriebsversammlungen im Einsatzbetrieb

BAG: Kein Zugriff des Gesamtbetriebsratsauf personenbezogene Arbeitnehmerdaten

Sonstiges Recht

BGH: Garantenpflicht des Arbeitgebers zurVerhinderung von Straftaten

Arbeitsrecht kompakt

Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis� Wann erlaubt das BAG eine Kürzung von Bo-

nuszahlungen? (BONUS II) Fröhlich� Zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ziel-

vereinbarungen (BONUS III) Mues� Was ist bei der Beschäftigung von Prokuristen

zu beachten? Kleinebrink� Besonderheiten bei der Kündigung in der In-

solvenz gem. § 113 InsO Schulte

Hinweise zu Klagen und Anträgen� Prozesskostenhilfe – Mutwilligkeit der beab-

sichtigten Rechtsverfolgung Tiedemann

Datei vom 12. 03. 2012 19:04

Seiten 69–100PVSt 57190

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In diesem HeftTäglich aktualisierter Nachrichtendienst unter www.arbrb.de

Aktuelle Kurzinformationen

Bonusaufsatz in ArbRB online zur Überlastung vonFührungskräften 69

BAG: Vergütungserwartung bzgl. Mehrarbeit 69

BAG: Variable Vergütung – Kein Schadensersatz beiGehaltseinbußen 69

BAG: Kein doppelter Urlaub bei unwirksamer Kündi-gung 69

BAG: Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehin-derung 69

BFH: Steuerliche Folgen der vorzeitigen Beendigungvon Altersteilzeit 69

Formulare zur Familienpflegezeit zum Download 70

Steuerfreie Überlassung von Smartphones und Soft-ware 70

Anwendbarkeit des ArbZG auf Pflegepersonal in Pri-vathaushalten 70

BAG-Terminvorschau April 2012 70

Rechtsprechung

Individualarbeitsrecht

Nur einmalige Inanspruchnahme von PflegezeitBAG, Urt. v. 15.11.2011 – 9 AZR 348/10 71

Festlegung des Bonusvolumens – BindungswirkungBAG, Urt. v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10 71

Kündigung des Chefarztes eines katholischen Kran-kenhauses wegen WiederheiratBAG, Urt. v. 8.9.2011 – 2 AZR 543/10 72

Elternzeit – VerlängerungBAG, Urt. v. 18.10.2011 – 9 AZR 315/10 73

Ausbildung keine Vorbeschäftigung i.S.v. § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfGBAG, Urt. v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10 74

Altersdiskriminierung bei Überleitung in den TVöDBAG, Urt. v. 8.12.2011 – 6 AZR 319/09 74

Außerordentliche Kündigung wegen Arbeitszeit-betrugsBAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10 75

Böswilliges Unterlassen anderweitigen ErwerbsBAG, Urt. v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10 76

Ermittlung der Angemessenheit einer Ausbildungsver-gütungBAG, Urt. v. 23.8.2011 – 3 AZR 575/09 77

Karenzentschädigung – Anrechnung von Arbeitslosen-geldBAG, Urt. v. 14.9.2011 – 10 AZR 198/10 77

Direktionsrecht bei Versetzungen – Zumutbarkeit vonFahrtzeitenBAG, Urt. v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10 78

Aufforderung zur Vorlage einer ärztlichen Bescheini-gungLAG Köln, Urt. v. 14.9.2011 – 3 Sa 597/11 79

Kollektives Arbeitsrecht

Teilnahmerecht von Auszubildenden an Betriebsver-sammlungen im EinsatzbetriebBAG, Beschl. v. 24.8.2011 – 7 ABR 8/10 79

Kein Online-Zugriff auf personenbezogene Arbeitneh-merdaten für den GesamtbetriebsratBAG, Beschl. v. 16.8.2011 – 1 ABR 22/10 80

Nur angestellte Wirtschaftsprüfer mit Prokura sind lei-tende AngestellteBAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10 81

Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall derTarifsukzessionBAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10 81

Sonstiges Recht

BetriebsrentenanpassungBAG, Urt. v. 11.10.2011 – 3 AZR 732/09 82

Garantenpflicht des Arbeitgebers zur Verhinderungvon StraftatenBGH, Urt. v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11 83

Rechtsanwaltskosten als ZwangsvollstreckungskostenArbG München, Beschl. v. 4.1.2012 – 5 Ca 13661/11 84

Gegenstandswert eines Zustimmungsverfahrens zurKündigung eines SchwerbehindertenVG München, Beschl. v. 16.11.2011 – M 18 K 11.532 84

Arbeitsrecht kompakt

Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

RA FAArbR Dr. Oliver Fröhlich� Zur Zulässigkeit der Kürzung von

Bonuszahlungen – Wann erlaubt die aktuelle BAG-Rechtsprechung eine Verringerung des Bonuspools? 85

����� 3/2012 III

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RA FAArbR Werner M. Mues� Mitbestimmung bei Zielvereinbarungen – Umfang-

reiche Beteiligungsrechte des Betriebsrats stellen Fle-xibilität infrage 87

Professor Dr. jur. Wolfgang Kleinebrink� Besonderheiten bei der Beschäftigung von

Prokuristen – Wechselspiel zwischen Arbeits- undHandelsrecht 90

RA FAArbR Dr. Wienhold Schulte� Kündigung in der Insolvenz gem. § 113 InsO – Be-

sonderheiten vor und nach Eröffnung des Insolvenz-verfahrens 94

Hinweise zu Klagen und Anträgen

RiArbG Dr. Jens Tiedemann� Prozesskostenhilfe – Mutwilligkeit der beabsichtig-

ten Rechtsverfolgung – Wann ist eine anhängige Kla-ge zu erweitern oder eine neue Klage zu erheben? 97

Bearbeiter

Der Arbeits-Rechts-Berater (ArbRB)Redaktion: Petra Rülfing (verantw. Redakteurin) . AdrianeBraun (Redaktionsassistentin), Anschrift des Verlags, Tel.0221/93738-186 (Redaktions-Sekr.) bzw. -499 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), Fax 0221/93738-906 (Redaktions-Sekr.) bzw. -943 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), E-Mail:[email protected], Internet: www.arbrb.deRechtsprechung: RA FAArbR Dr. Ulrich Boudon . RAFAArbR Axel Braun . RA FAArbR Axel Groeger . RAinFAinArbR Dr. Jessica Jacobi . RAin FAinArbR Ursel Kappel-hoff . RA FAArbR Prof. Dr. Stefan Lunk . RAin FAinArbR Dr.Cornelia Marquardt . RA FAArbR Werner M. Mues . RA RolfOetter . RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz . RA FAArbR Dr.Stefan Sasse . RA FAArbR Dr. Gerhard Schäder . RA FAArbRDr. Stefan Seitz . RA FAArbR Dr. Norbert WindelnArbeitsrecht kompakt: RAin FAinArbR Dr. Annett Böhm .RAin FAinArbR Dr. Andrea Bonanni . RA FAArbR Dr. BorisDzida . RA FAArbR Dr. Oliver Ebert . RA FAArbR Dr. OliverFröhlich . RA FAArbR Prof. Dr. Björn Gaul . RA FAArbR Dr.Detlef Grimm . Ass. jur. Prof. Dr. Wolfgang Kleinebrink . Ri-ArbG Michael H. Korinth . RA FAArbR Dr. Jörg Laber . RAFAArbR Christoph Legerlotz . RA FAArbR Christian Moder-egger . RAin FAinArbR Dr. Nathalie Oberthür . RAin Dr. Bar-bara Reinhard . RA FAArbR Prof. Dr. Martin J. Reufels . RAFAArbR Dr. Johannes Schipp . RA FAArbR Dr. WienholdSchulte . RiArbG Dr. Jens TiedemannAnmerkung der Redaktion: Weitere Informationen zu denAutoren finden Sie unter www.arbrb.de („Das ArbRB-Team‘‘).

Hinweis der RedaktionDieser Ausgabe liegen die Beilagen „Buch aktuell‘‘, Sack Me-diengruppe, „Anwaltsformularbuch Arbeitsrecht‘‘, „SeminarAktuelles Arbeitsrecht‘‘ und „Seminar Das neue Mediations-gesetz‘‘, alle Verlag Dr. Otto Schmidt, bei.Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.

IV Inhalt ����� 3/2012

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Aktuelle Kurzinformationen

Bonusaufsatz in ArbRB online zurÜberlastung von Führungskräften

Exklusiv in der ArbRB-Datenbank ArbRB online unterhttp://www.arbrb.de stellen wir Ihnen einen Aufsatz zurVerfügung mit dem Titel „Vermeidung von Burn-outund anderen Belastungsstorungen bei Fuhrungskraf-ten‘‘. RA FAArbR Peter Rölz und RA Dr. Christian Vel-ten analysieren in diesem Beitrag die besondere Situationvon Führungskräften und zeigen auf, mit welchen ar-beitsrechtlichen Gestaltungsmitteln einer Überlastungvorgebeugt werden kann.Um den Aufsatz zu lesen, loggen Sie sich bitte unterhttp://www.arbrb.de mit Ihren Login-Daten aus Heft 1/2012 (innere Umschlagsseite) ein. Sie können den Auf-satz dann über den Verzeichnisbaum („Inhalt/Der Ar-beits-Rechts-Berater/2012/Heft 3/Aufsatz‘‘) aufrufen.Oder Sie gehen auf „Suchen‘‘ und geben in das Feld „Su-che‘‘ z.B. das Stichwort „Belastungsstörungen‘‘ ein.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.2.2012

BAG: Vergütungserwartung bzgl.Mehrarbeit

Eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitneh-mer bei betrieblichem Erfordernis ohne besondere Ver-gütung zu Mehrarbeit verpflichtet ist, ist nach einer aktu-ellen Entscheidung des BAG gem. § 307 Abs. 1 Satz 2BGB unwirksam. Die Vergütung richte sich in diesemFall nach 612 Abs. 1 BGB. Hiernach sei Mehrarbeit zu-sätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nachnur gegen eine Vergütung zu erwarten sei. Eine entspre-chende objektive Vergütungserwartung sei regelmäßiggegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenesEntgelt beziehe (BAG, Urt. v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10).

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.2.2012Quelle: BAG PM Nr. 16/12 vom 22.2.2012

BAG: Variable Vergütung – KeinSchadensersatz bei Gehaltseinbußen

Das BAG hat entschieden, dass Arbeitgeber ohne beson-dere vertragliche Vereinbarung ihren Betrieb nicht so or-ganisieren müssen, dass sich die Höhe der erfolgsabhän-gigen Vergütung der Arbeitnehmer nicht verändert. Esentspreche gerade dem Wesen einer variablen Vergütung,dass deren Höhe von den jeweiligen Marktbedingungenbzw. der jeweiligen Vertriebsorganisation des Arbeit-

gebers abhängig sei (BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR98/11).

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.2.2012Quelle: BAG PM Nr. 14/12 vom 16.2.2012

BAG: Kein doppelter Urlaub bei un-wirksamer Kündigung

Hat ein Arbeitnehmer nach arbeitgeberseitiger Kündi-gung ein neues Arbeitsverhältnis begründet und hat seineKündigungsschutzklage Erfolg, so steht ihm nach eineraktuellen Entscheidung des BAG im Umfang des vonseinem neuen Arbeitgeber gewährten Urlaubs regel-mäßig kein Ersatzurlaubsanspruch gegen den alten Ar-beitgeber zu. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeit-nehmer seine Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissennicht gleichzeitig hätte erfüllen können (BAG, Urt. v.21.2.2012 – 9 AZR 487/10).

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.2.2012Quelle: BAG PM Nr. 15/12 vom 21.2.2012

BAG: Zulässigkeit der Frage nach ei-ner Schwerbehinderung

Im bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeberjedenfalls nach sechs Monaten und damit nach dem Er-werb des Sonderkündigungsschutzes nach der Schwerbe-hinderung des Arbeitnehmers fragen. Das hat das BAGam 16.2.2012 entschieden und darauf hingewiesen, dassdie Frage insbesondere im Zusammenhang mit beabsich-tigten Kündigungen zulässig ist (BAG, Urt. v. 16.2.2012– 6 AZR 553/10).

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.2.2012Quelle: BAG PM Nr. 12 vom 16.2.2012

BFH: Steuerliche Folgen der vorzeiti-gen Beendigung von Altersteilzeit

Wird ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeits-verhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeitbeendet und erhält der Arbeitnehmer für seine in der Ar-beitsphase erbrachten Vorleistungen Ausgleichszahlun-gen, so stellen diese nach einer aktuellen Entscheidungdes BFH Arbeitslohn dar. Solche Ausgleichszahlungenseien sonstige Bezüge i.S.d. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG,so dass sie nach dem Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1Satz 1 EStG zu erfassen seien.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.2.2012Quelle: BFH online

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Formulare zur Familienpflegezeit zumDownload

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftlicheAufgaben (BAFzA) hat unter der Internetadresse http://www.familien-pflege-zeit.de/servicebereich.html einigeFormulare und Merkblätter zur Familienpflegezeit ver-öffentlicht. Hierunter befinden sich z.B. eine Musterver-einbarung zur Familienpflegezeit, ein Formular zurAnmeldung zum Gruppenversicherungsvertrag und einAntrag auf Zertifizierung einer Familienpflegezeitver-sicherung. Merkblätter sowohl für Arbeitnehmer als auchfür Arbeitgeber und eine Berechnungshilfe runden dasAngebot ab.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 9.3.2012Quelle: BAFzA online

Mehr zum Thema: Oberthür, Die neue Familienpflegezeit –Chancen und Risiken der Arbeitszeitreduzierung zur Pflege einesAngehörigen, ArbRB 2011, 376, abrufbar in ArbRB online unterhttp://www.arbrb.de.

Steuerfreie Überlassung vonSmartphones und Software

Die private Nutzung von Computer-Software des Arbeit-gebers wird für die Arbeitnehmer steuerfrei gestellt. Diesgilt auch, wenn der Arbeitgeber seinen ArbeitnehmernDatenverarbeitungsgeräte wie Smartphones oder Tabletsüberlässt. Der Finanzausschuss des Bundestags beschlossam 29.2.2012 eine entsprechende Gesetzesänderung, diein das Änderungsgesetz zum Gemeindefinanzreformge-setz (17/8235) aufgenommen wurde. Die Regelung dientder Steuervereinfachung und soll zudem die Schaffungvon Heimarbeitsplätzen erleichtern.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.2.2012Quelle: Bundestag PM vom 29.2.2012

Anwendbarkeit des ArbZG auf Pfle-gepersonal in Privathaushalten

Auch für ausländische Pflegekräfte, die nach Deutsch-land entsandt wurden und hier in Privathaushalten arbei-ten, gilt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Das hat die Bun-desregierung am 18.1.2012 in ihrer Antwort auf eineKleine Anfrage der Fraktion Die Linke klargestellt (BT-Drucks.: 17/8373). Die werktägliche Arbeitszeit darf da-her im Durchschnitt acht Stunden nicht überschreiten.Außerdem muss eine Ruhezeit von mindestens elf unun-terbrochenen Stunden eingehalten werden.Die Bundesregierung hat allerdings auch auf die Ausnah-mevorschrift in § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG hingewiesen.Danach sind solche Arbeitnehmer vom Anwendungs-bereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen, die inhäuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Per-sonen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erzie-hen, pflegen oder betreuen. Liegen diese Voraussetzun-

gen vor, so findet das Arbeitszeitgesetz nach Auskunftder Bundesregierung auch auf ausländische entsandteArbeitnehmer keine Anwendung.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.2.2012Quelle: Bundestag PM vom 13.2.2012

BAG-Terminvorschau April 2012

17.4.2012 3 AZR 280/10 Berechnung einer Betriebsrente;Berücksichtigung von Altersteil-zeit bei der Ermittlung des ren-tenfähigen Arbeitsverdienstes;Ungleichbehandlung wegen derTeilzeitbeschäftigung; Diskrimi-nierung wegen des Alters

17.4.2012 3 AZR 401/10 Rechtscharakter einer Versor-gungsordnung (Gesamtzusageoder Betriebsvereinbarung); Ab-lösung durch Betriebsverein-barung

18.4.2012 4 AZR 371/10 Auslegung von Tarifverträgen;Bestimmtheit des Feststellungs-antrags

18.4.2012 4 AZR 139/10 Entgeltvergleich; allgemeinver-bindlicher Lohntarifvertrag; Ge-bäudereiniger-Mindestlohnver-ordnung

18.4.2012 10 AZR 95/11 Versetzung an einen anderen Ar-beitsort bei Verlagerung der Pro-duktion, wenn bisher nur eineeinzige Betriebsstätte bestandenhat und der Arbeitsvertrag nichtszu Arbeitsort/ Versetzung enthält

19.4.2012 2 AZR 258/11 Außerordentliche fristlose, hilfs-weise mit sozialer Auslauffristerklärte Kündigung eines ordent-lich unkündbaren, schwerbehin-derten Arbeitnehmers wegen„Stalking‘‘; Vorrangigkeit einerAbmahnung?; Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB;Ausspruch der außerordentlichenKündigung am Tage der zustim-menden Entscheidung des Inte-grationsamts; Personalratsanhö-rung

20.4.2012 9 AZR 540/10 Urlaubsrecht: Verjähren Urlaubs-ansprüche oder treten sie jeweilsbei Übertragung dem neuen Ur-laubsanspruch hinzu? Ist es zu-lässig, im Rahmen einer dauer-haften Personalfreistellung nacheinem Personalanpassungskon-zept nicht erfüllte Urlaubs-ansprüche aus den Vorjahren mitder laufenden Freistellung zuverrechnen?

70 Aktuelle Kurzinformationen ����� 3/2012

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Rechtsprechung

Individualarbeitsrecht

Nur einmalige Inanspruchnahme vonPflegezeit

Für ein und denselben nahen Angehörigen kannPflegezeit lediglich einmal in Anspruch genom-men werden. Dies gilt auch, wenn die in Anspruchgenommene Pflegezeit kürzer als sechs Monateist.

BAG, Urt. v. 15.11.2011 – 9 AZR 348/10(LAG Baden-Württemberg – 20 Sa 87/09)PflegeZG §§ 2, 3, 4

Das Problem: Die Mutter des Klägers ist pflegebedürf-tig. 2009 nahm der Kläger für fünf Tage Pflegezeit gem.§§ 3, 4 PflegeZG in Anspruch. Vor Inanspruchnahmedieser Pflegezeit teilte er der beklagten Arbeitgeberinmit, dass er sechs Monate später, nochmals im Jahr 2009,für zwei Tage Pflegezeit in Anspruch nehmen werde.Diesem Ansinnen widersprach die Beklagte. Im Dezem-ber 2009 informierte der Kläger die Beklagte dann, dasser Ende 2010 für fünf Tage seine Mutter pflegen wolle.Das Gericht hatte nunmehr nach zulässiger Antragsände-rung in der Revisionsinstanz darüber zu entscheiden, obdem Kläger noch Pflegezeit zum Zweck der Pflege sei-ner Mutter zusteht, nachdem er bereits eine Woche Pfle-gezeit in Anspruch genommen hatte.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG bestätigtedie die Feststellungsklage abweisenden Entscheidungender Vorinstanzen. Die Auslegung der §§ 2 bis 4 Pfle-geZG ergebe, dass der Anspruch durch die einmalige In-anspruchnahme der Pflegezeit, auch wenn sie kürzerals die maximale Zeitdauer der Pflegezeit sei, erloschensei. Es handele sich um ein einmaliges Gestaltungsrecht.Das Gesetz wolle die Verlängerung der Pflegezeit nur un-ter den einschränkenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 1Satz 2 und 3 PflegeZG zulassen. Dies würde aber durchdie Möglichkeit der mehrfachen Inanspruchnahme nachggf. kurzer Unterbrechung der Pflegezeit ausgehebelt.Zudem würde die Möglichkeit der mehrfachen Inan-spruchnahme zu sachwidrigen Uberschneidungen mitder kurzzeitigen Pflege gem. § 2 PflegeZG führen.Denn der Arbeitnehmer könnte dann, ohne an die stren-gen Vorgaben des § 2 PflegeZG gebunden zu sein, diePflichten aus dem Arbeitsvertrag jederzeit durch einseiti-ge Erklärung zum Ruhen bringen.

Konsequenzen für die Praxis: Das BAG hat in dieserersten Grundsatzentscheidung das Problem der Möglich-keit der mehrfachen Inanspruchnahme von Pflegezeitpraxisgerecht gelöst. Es hat darüber hinaus klargestellt,dass § 3 PflegeZG dem Arbeitnehmer ein einseitiges

Gestaltungsrecht einräumt. Einer Freistellungserklärungdes Arbeitgebers bedarf es nicht.Offengelassen hat das Gericht allerdings, ob es mit § 3Abs. 1 PflegeZG vereinbar ist, dass der Arbeitnehmerdie Pflegezeit im Wege einer einmaligen Erklärung aufmehrere getrennte Zeitabschnitte verteilt. Ungeklärt istauch noch, ob die zeitliche Höchstbeschränkung desPflegezeitanspruchs nur für dasselbe Arbeitsverhältnisgilt.Hinsichtlich der Kurzpflegezeit gem. § 2 PflegeZG hatdas Gericht klargestellt, dass diese für eine bereits pfle-gebedürftige Person nur bei wesentlicher Änderung derPflegesituation in Betracht kommt.

Beraterhinweis: Arbeitnehmer, welche Pflegezeit inAnspruch nehmen wollen, müssen darauf hingewiesenwerden, dass sie sich lediglich einmalig entscheiden kön-nen. Die maximale Pflegezeit von sechs Monaten stehtnicht wie ein „Zeitguthaben‘‘ zur Verfügung, welchesnach und nach verbraucht werden kann.�

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse, Göhmann Rechtsanwälte,Magdeburg

Mehr zum Thema: Böhm, Richtige Antragstellung bei Pflegezeit– Sonderkündigungsschutz on/off, ArbRB 2011, 320, abrufbar inArbRB online unter http://www.arbrb.de.

Festlegung des Bonusvolumens – Bin-dungswirkung

Die Festlegung eines Bonusvolumens in bestimm-ter Höhe und die Mitteilung hierüber an die Mit-arbeiter stellen noch keine verbindliche Fest-legung eines individuellen Bonus gem. § 315 BGBdar.

BAG, Urt. v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10(LAG Hessen – 7 Sa 44/10)BGB § 315

Das Problem: Der Kläger war Investmentbanker bei derD-Bank, die nachfolgend auf die C-Bank verschmolzenwurde. In den Jahren 2005 bis 2007 hatte der KlägerBoni zwischen ca. 160.000 � und 325.000 � erhalten. ImAugust 2008 legte der Vorstand einen Bonuspool vonmind. 400 Mio. � fest. Darauf basierend erhielt der Klä-ger einen „Bonusbrief‘‘, in dem vorläufig ein Bonusi.H.v. 140.000 � festgelegt wurde. Dieser stehe unter demVorbehalt eines Reviews für den Fall, dass sich im Rah-men der Aufstellung des Jahresabschlusses die Ergebnis-situation des Arbeitgebers wesentlich verschlechtere.Nachdem im Zuge eines solchen Reviews im Februar2009 die Zahlungen um 90 % gekürzt wurden, klagt derKläger die Differenz ein und stützt sich dabei darauf,dass mit dem „Bonusbrief‘‘ eine Leistungsbestimmunggem. § 315 BGB getroffen worden und die Kürzung un-

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billig ohne wirtschaftliche Gründe erfolgt sei. Im Übri-gen bestehe der Anspruch auf der Grundlage betriebli-cher Übung.

Die Entscheidung des Gerichts: Wie die Vorinstanzenweist das BAG die Klage ab. Der Senat setzt sich dabeiumfangreich mit der Bedeutung der Festlegung eines Bo-nusvolumens auseinander, wobei es branchentypischnicht auf Mitbestimmungsrechte im Sinn des BetrVG an-kam. Durch die Bekanntgabe der Entscheidung übereinen garantierten Bonuspool von 400 Mio. � wurde,wie der Senat ausführt, keine Leistungsbestimmungvorgenommen, weil individuelle Boni der begünstigtenArbeitnehmer daraus weder ganz noch teilweise ableitbarwaren. Es handle sich lediglich um einen Faktor, der indie spätere Leistungsbestimmung einzubeziehen sei.Auch in dem Bonusbrief sei kein ausdrückliches oderkonkludentes Vertragsangebot auf Zahlung von Boni inbestimmter Höhe gemacht worden; hierin liege auch kei-ne endgültige Leistungsbestimmung. Die Erklärung zieleerkennbar darauf ab, dass der Gesamttopf lediglich einFaktor für die spätere Bestimmung eines vertraglichenBonusanspruches sei.Allerdings sei es widersprüchlich und treuwidrig i.S.v.§ 242 BGB, von einer in diesem Sinn anzuerkennendenSelbstbindung ohne Hinzutreten besonderer Umstandewieder Abstand zu nehmen. Solche sachlichen Umstän-de lägen hier aber vor wegen der deutlich verschlechter-ten wirtschaftlichen Entwicklung des Arbeitgebers.Deren Berücksichtigungsfähigkeit ergebe sich aus derVorläufigkeit der Festsetzung. Diese nehme Bezug aufdie wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, die naturge-mäß erst im Zuge des Jahresabschlusses endgültig fest-stehe. Daher fehle es zu einem früheren Zeitpunkt bereitsan einem Rechtsbindungswillen. Angesichts eines opera-tiven Fehlbetrags von rund 6 Mrd. � und einer Kapital-zufuhr von rund 18 Mrd. � von dritter Seite wird die Kür-zung der „vorläufig‘‘ festgesetzten Boni hier als ange-messen angesehen.

Konsequenzen für die Praxis: Vor dem Hintergrund derFinanzmarktkrise mag die Geltendmachung der Klage-forderung nach Grund und Höhe ein etwas außergewöhn-liches Beispiel dafür sein, wie man vorgehen kann, wennder Ruf erst ruiniert ist. Über den Einzelfall hinaus istdie Entscheidung aber sehr instruktiv im Hinblick aufden Umgang mit Bonustöpfen. Durch die Verkündung ei-nes solchen geht der Arbeitgeber eine Selbstbindungein, aus der er sich nur im Ausnahmefall wieder wirdlosen können, wenn auch die Fixierung des Topfes selbstnoch keinen unmittelbaren Anspruch von Arbeitnehmernaus dem Kreis der Begünstigten begründet. Wichtig dürf-te auch sein, die Vorlaufigkeit von Zusagen und dieVerknüpfung mit einem bestimmten Mindestergebnis desJahresabschlusses deutlich in den Wortlaut jeglicher Zu-sagen aufzunehmen.

Beraterhinweis: Soweit eine Leistungsbestimmung un-billig ist, kann das Gericht seine Überlegungen anstellederjenigen des Arbeitgebers setzen. Vorsicht ist geboten,soweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Be-tracht kommen: Die Festlegung des Bonusvolumens so-wie die abstrakte Überschreibung des Kreises der be-

günstigten Arbeitnehmer sind mitbestimmungsfrei, dieFestlegung des Verteilungsschlüssel ist mitbestimmungs-pflichtig. Erfolgt in diesem Rahmen die Verteilung sach-widrig, etwa unter Verletzung von Gleichbehandlungs-grundsätzen, kann dies auch zur „Sprengung des Bud-gets‘‘ führen.�

RA FAArbR Axel Braun, Luther Rechtsanwaltsgesell-schaft mbH, Köln

Mehr zum Thema: Fröhlich, Zur Zulässigkeit der Kürzung vonBonuszahlungen – Wann erlaubt die aktuelle BAG-Rechtsprechungeine Verringerung des Bonuspools?, ArbRB 2012, 85, abrufbar inArbRB online unter http://www.arbrb.de.

Kündigung des Chefarztes eines ka-tholischen Krankenhauses wegen Wie-derheirat

Auch bei Kündigungen wegen Enttäuschung derberechtigten Loyalitätserwartungen eines kirchli-chen Arbeitgebers kann die Interessenabwägungim Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass demArbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeit-nehmers zumutbar und die Kündigung deshalbunwirksam ist.Abzuwägen sind das Selbstverständnis der Kir-chen einerseits und das Recht des Arbeitnehmersauf Achtung seines Privat- und Familienlebensandererseits. (Amtl. LS)

BAG, Urt. v. 8.9.2011 – 2 AZR 543/10(LAG Düsseldorf – 5 Sa 996/09)GG Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 1, 140; WRVArt. 137 Abs. 3;EMRK Art. 8, 9, 11, 12; KSchG § 1; AGG §§ 1, 7, 9;Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO) Art. 3, 5

Das Problem: Der Kläger ist seit 2000 in einem katho-lischen Krankenhaus als Chefarzt tätig. Nachdem sichseine erste Ehefrau 2005 von ihm getrennt hatte, lebte erseit 2006 mit seiner jetzigen Frau zusammen. Dies warder Beklagten bekannt. Nach der Scheidung von seinerersten Ehefrau heiratete der Kläger im August 2008 seinejetzige Frau standesamtlich. In den folgenden Wochenfanden zwischen den Parteien Erörterungen und Beratun-gen statt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis imMärz 2009 ordentlich.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Kündigung ist so-zial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG.Die stets notwendige Abwägung der rechtlich geschütz-ten Interessen der Parteien muss bei Kündigungen auskirchenspezifischen Grunden dem Selbstverstandnisder Kirchen ein besonderes Gewicht beimessen(BVerfG, Beschl. v. 4.6.1985 – 2 BvR 1718/83 u.a.,BVerfGE 70, 138 = MDR 1985, 908 = ArbRB online).Die Einbeziehung kirchlicher Arbeitsverhältnisse in dasstaatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu deneigenen Angelegenheiten der Kirche i.S.v. Art. 140 GG,Art. 137 Abs. 3 WRV nicht auf. Welche kirchlichenGrundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsver-hältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach denvon der verfassten Kirche anerkannten Maßstaben.

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Individualarbeitsrecht

Page 9: online - ArbRB · BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10 81 Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall der Tarifsukzession BAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10 81 Sonstiges

Die nach Art. 5 Abs. 2 GrO als Kündigungsgrund in Be-tracht kommende Wiederheirat eines verheirateten Ar-beitnehmers rechtfertigt nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrOeine Kündigung, wenn der betroffene Mitarbeiter leitendtätig ist. Nach § 9 Abs. 2 AGG berührt das Verbot unter-schiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht dasRecht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäf-tigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ih-res jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen. Art. 9und 11 EMRK gewährleisten, dass sich Menschen auf-grund ihrer religiösen Auffassung zusammenfinden undihre Angelegenheiten nach Maßstäben ordnen können,die nicht vom Staat oder der jeweils herrschenden öffent-lichen Meinung über die Natur des Menschen korrigiertwerden dürfen. Das gilt auch, wenn die betreffendenAuffassungen einer Bevölkerungsmehrheit unplausibel,rückwärtsgerichtet oder irrational erscheinen mögen.Die Arbeitsgerichte haben allerdings zwischen diesenRechten der Religionsgemeinschaft einerseits und demRecht der Arbeitnehmer auf Achtung ihres Privat- undFamilienlebens (Art. 8 EMRK) andererseits abzuwägen(EGMR, Urt. v. 23.9.2010 – Beschwerde-Nr. 425/03 u.1620/03, ArbRB 2010, 294 [Kotthaus], ArbRB online).Das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Ar-beitsverhältnisses wurde entscheidend geschwächt durchfolgende drei Umstände, aus denen nach Ansicht desBAG hervorgeht, dass sie selbst von einer ausnahmslosenDurchsetzung ihrer sittlichen Ansprüche zur Wahrung ih-rer Glaubwürdigkeit nicht immer ausgeht:� Erstens kann die Beklagte nach Art. 3 Abs. 2 GrO

mit leitenden Tätigkeiten auch nichtkatholische Per-sonen betrauen.

� Zweitens hat die Beklagte mehrfach (nichtkatho-lische) Chefärzte beschäftigt, die als Geschiedene er-neut geheiratet haben.

� Drittens hat sie das ehelose Zusammenleben desKlägers seit Herbst 2006 gekannt und hingenom-men.

Konsequenzen für die Praxis: Das BAG zieht mit derEntscheidung die verfassungsrechtlich gebotenen Kon-sequenzen (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR1481/04, BVerfGE 111, 307) aus den Urteilen desEGMR.

Beraterhinweis: Das BAG geht dennoch weiter vomverfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungs-recht der Religionsgemeinschaften aus. Insoweit geltenunterschiedliche Loyalitätsanforderungen in den beidengroßen Kirchen (dazu Richardi in Groeger, Arbeitsrechtim öffentlichen Dienst, Teil 14 Rz. 63 f., 70 ff.). Auchdie „gelebte Praxis‘‘ ist, wie das Ergebnis zeigt, von ent-scheidender Bedeutung.�

RA FAArbR Axel Groeger, Redeker Sellner Dahs, Bonn

Mehr zum Thema: Wortmann, Kündigung im kirchlichen Arbeits-verhältnis – Die aktuelle EGMR-Rechtsprechung und weitere Be-sonderheiten, ArbRB 2011, 52, abrufbar in ArbRB online unterhttp://www.arbrb.de.

Elternzeit – Verlängerung

Die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er demAntrag eines Elternteils auf Verlängerung der El-ternzeit nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG zustimmt,ist entsprechend § 315 Abs. 1 BGB nach billigemErmessen zu treffen.

BAG, Urt. v. 18.10.2011 – 9 AZR 315/10(LAG Baden-Württemberg – 10 Sa 59/09)BEEG §§ 15 Abs. 2, 16 Abs. 1 u. 3; BGB § 315; ZPO§§ 308 Abs. 1, 894

Das Problem: Die Parteien streiten im Wesentlichenüber eine Verlängerung der Elternzeit. Die Klägerinnahm zunächst Elternzeit für ein Jahr. Weniger als siebenWochen vor Ablauf der Elternzeit verlangte sie unter Be-rufung auf ihren Gesundheitszustand eine Verlängerung.Dies lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, siehabe bereits anders disponiert. Außerdem habe die Klä-gerin die siebenwöchige Anmeldefrist nicht eingehalten.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG hat die Revi-sion der Klägerin für begründet gehalten und die Sachean das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dem Urteilsind im Wesentlichen zwei Aussagen zu entnehmen:� In formeller Hinsicht hält das BAG bei einem An-

trag auf Verlängerung der Elternzeit die bei einemErstverlangen einzuhaltende Anmeldefrist von sie-ben Wochen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG) nicht ent-sprechend für anwendbar.

� In materieller Hinsicht hat der Arbeitgeber seineEntscheidung über die Zustimmung zur Verlänge-rung gem. § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG nach billigemErmessen zu treffen. Welche Kriterien hierbei eineRolle spielen, lässt das BAG offen.

Konsequenzen für die Praxis: Die Konstellation, diedem BAG vorlag, hat in der Rechtsprechung Seltenheits-wert, ist aber von höchster Bedeutung für Eltern. § 16Abs. 3 Satz 1 BEEG sieht lediglich vor, dass der Arbeit-geber bei einem Verlängerungswunsch seine Zustim-mung zu erteilen hat. Unter welchen Voraussetzungendiese zu erteilen ist, sagt das Gesetz nicht.Eltern in Elternzeit können auch noch einen Tag vor Ab-lauf der Elternzeit eine Verlängerung beantragen. Ob derArbeitgeber bei der Ausübung billigen Ermessens einespäte Verlängerungsanzeige zu Lasten des Arbeitneh-mers berücksichtigen kann, bleibt abzuwarten.

Beraterhinweis: Eltern in Elternzeit ist anzuraten, mög-lichst fruhzeitig ein Verlängerungsbegehren anzuzeigen.Je früher dieses erfolgt, desto schwieriger wird es für denArbeitgeber sein, eine Verlängerung abzulehnen – ins-besondere aus organisatorischen Grunden.�

RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn LüerWojtek, Köln

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Individualarbeitsrecht

Page 10: online - ArbRB · BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10 81 Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall der Tarifsukzession BAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10 81 Sonstiges

Ausbildung keine Vorbeschäftigungi.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG

Ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeits-verhältnis i.S.d. Vorbeschäftigungsverbots füreine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10(LAG Berlin-Brandenburg – 8 Sa 1783/09)TzBfG § 14 Abs. 2

Das Problem: Der Kläger hatte von 1969 bis 1973 einAusbildungsverhältnis bei der Beklagten absolviert.2008 – mehr als 30 Jahre später – schloss er mit der Be-klagten einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauervon einem Jahr, der den Hinweis enthielt:Die Befristung erfolgt entsprechend dem Beschäftigungsför-derungsgesetz.

Später erhebt der Kläger Entfristungsklage und machtgeltend, die Beklagte könne sich nicht auf die sachgrund-lose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG stützen.Dem stehe sein Ausbildungsverhältnis in den Jahren1969 bis 1973 entgegen.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Entfristungsklagehatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Das BAGstützt sein Urteil auf zwei Gesichtspunkte:Erstens gelte ein Berufsausbildungsverhaltnis nicht alsVorbeschaftigung i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. DerGesetzeszweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfordere es nicht, Berufsausbil-dungsverhältnisse mit Arbeitsverhältnissen gleichzuset-zen. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezwecke, Befristungs-ketten zu verhindern. Die befristete Übernahme in einArbeitsverhältnis im Anschluss an die Berufsausbildungbegründe wegen des Ausbildungszwecks des Berufsaus-bildungsverhältnisses keine Gefahr einer Kettenbefris-tung, sondern trage dazu bei, den früheren Auszubilden-den in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern undeine „Beschaftigungsbrucke‘‘ in ein unbefristetes Ar-beitsverhältnis zu schaffen.Zweitens seien die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG auch deshalb nicht erfüllt, weil das Be-rufsausbildungsverhaltnis im Zeitpunkt des vereinbar-ten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses weituber drei Jahren zuruckgelegen habe. Eine Vor-beschäftigung i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei nichtgegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr alsdrei Jahre zurückliege. Dies ergebe sich aus einer verfas-sungsorientierten Auslegung der Vorschrift, die einzeitlich eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG erfordere.

Konsequenzen für die Praxis: Die vom BAG bereits2011 vorgenommene einschränkende Auslegung des§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, nach der eine Vorbeschäfti-gung für die sachgrundlose Befristung unschädlich ist,wenn sie mehr als drei Jahre vor dem Beginn der neuenBefristung zurückliegt (BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR716/09, MDR 2011, 1427 = ArbRB 2011, 130 [Boudon],ArbRB online), ist zu begrüßen. An dieser Auffassunghält das BAG auch nach der teilweise geäußerten Kritik

im Schrifttum – zu Recht – fest. Insoweit hätte es an sichkeiner Befassung mehr mit der Frage bedurft, ob ein Be-rufsausbildungsverhältnis eine Vorbeschäftigung i.S.d.§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG darstellt. Gleichwohl hat sichdas BAG mit dieser Frage befasst und auch insoweitRechtssicherheit geschaffen. Das Urteil ist ubertragbarauf andere Rechtsverhältnisse, die eine Ausbildung zumInhalt haben, wie etwa Praktika oder Volontariate.Auch sie stehen, wenn der Schwerpunkt in der Ausbil-dung liegt, einer späteren Befristung nach § 14 Abs. 2TzBfG nicht entgegen.

Beratungshinweis: Der Arbeitsvertrag des Klägers ent-hielt einen Hinweis auf das – bereits seit mehr als15 Jahren außer Kraft getretene – Beschaftigungsforde-rungsgesetz. Weil dieses Gesetz der Vorläufer desTzBfG war, konnte daraus kein Ausschluss einer Befris-tung nach § 14 Abs. 2 TzBfG abgeleitet werden. Gleich-wohl besteht bei der Benennung von Rechtsgrundlagenfür die Befristung im Arbeitsvertrag das Risiko, dass die-ser Hinweis so ausgelegt wird, dass eine Berufung aufandere Befristungsgründe ausgeschlossen wird. Vor die-sem Hintergrund ist anzuraten, Befristungsgründe im Ar-beitsvertrag nicht anzugeben, es sei denn, dies ist aus be-stimmten Gründen unvermeidbar, weil z.B. ein Tarifver-trag dies vorsieht oder es sich um eine Zweckbefristunghandelt.�

RA FAArbR Prof. Dr. Martin Reufels, Heuking KühnLüer Wojtek, Köln

Mehr zum Thema: Moderegger, Voraussetzungen der sachgrund-losen Befristung – Neue Gestaltungsspielräume durch Lockerungdes „Zuvor-Beschäftigungsverbots‘‘, ArbRB 2011, 180, abrufbarin ArbRB online unter http://www.arbrb.de.

Altersdiskriminierung bei Überlei-tung in den TVöD

§ 6 Abs. 1 TVÜ-Bund, der die Überleitung derVergütungsregelungen vom BAT in den TVöD re-gelt, verletzt nicht das Verbot der Altersdiskrimi-nierung.Die Pflicht zur „Anpassung nach oben‘‘ wegender unzulässigen altersbezogenen Grundver-gütung im BAT endet mit der Ablösung durch eindiskriminierungsfreies Entgeltsystem.

BAG, Urt. v. 8.12.2011 – 6 AZR 319/09(LAG Köln – 8 Sa 1016/08)Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC)vom 12.12.2007 Art. 28; RL 2000/78/EG Art. 1, 2, 6;GG Art. 3 Abs. 1; AGG § 3 Abs. 2 u.a.

Das Problem: Die Parteien stritten über die Auswirkun-gen der Altersdiskriminierung im Vergütungssystem desBundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) auf die neue Zu-ordnung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD). Der EuGH hatte festgestellt, dass die Vergütungnach Lebensaltersstufen im BAT zwar gegen das unions-rechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt. BeiAblösung des BAT durch ein diskriminierungsfreies Sys-tem unter Wahrung des im BAT erreichten Besitzstands

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Individualarbeitsrecht

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dürften die diskriminierenden Wirkungen jedoch über-gangsweise fortbestehen (EuGH, Urt. v. 8.9.2011 – Rs.C-297/10 u. Rs. C-298/19 – Hennigs, ArbRB 2011, 335[Groeger], ArbRB online).Die klagende Arbeitnehmerin ist der Ansicht, sie werdedurch die Überleitungsregelung gleichwohl in ihrenRechten verletzt. In ihrem Fall seien die Überleitungsvor-schriften nicht zur Besitzstandswahrung geeignet gewe-sen. Zudem hätten die Regelungen sie gegenüber ver-gleichbaren Arbeitnehmern ungerechtfertigt benachtei-ligt.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG bestätigt dieklageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen. DieArbeitnehmerin sei durch die Überleitungsregelung nichtdiskriminiert worden. Durch die Entscheidung des EuGHstehe fest, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 TVU-Bund an sichnicht altersdiskriminierend sei, auch wenn diese Be-stimmung noch an die altersbezogene Grundvergütungim BAT anknüpfe. Dies gelte auch, wenn die Überleitungin den TVöD – wie hier – nach Inkrafttreten des AGGerfolgt sei.Das Argument der Klägerin, in ihrem spezifischen Fallhabe das Überleitungsrecht zu einer Perpetuierung derAltersdiskriminierung geführt, griff nicht durch. Ent-scheidend sei, dass sich die Vergütung ab einem be-stimmten Zeitpunkt allein anhand der im TVöD vorgese-henen Kriterien und damit nicht mehr anhand des Altersentwickeln würde. Eine vorübergehende Vergütung ausder höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Ver-gütungsgruppe („Anpassung nach oben‘‘) habe aus-schließlich zur Beseitigung der Altersdiskriminierunginnerhalb des diskriminierenden Systems zu erfolgen(vgl. BAG, Urt. v. 10.10.2011 – 6 AZR 148/09, ArbRB2012, 37, [Jacobi], ArbRB online).Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlungstand der Arbeitnehmerin keine höhere Vergütung zu, ob-wohl die neue Entgeltstruktur erhebliche nachteilige fi-nanzielle Folgen für sie hatte. Das Ziel, das neue Entgelt-system unter Wahrung sozialer Besitzstände einzuführen,habe ungeachtet der altersdiskriminierenden Wirkungder Vergütungsregelung des BAT eine Anknüpfung andie in diesem Tarifvertrag erreichte Vergütung gerecht-fertigt. Dabei sei nicht zuletzt der weite Gestaltungsspiel-raum zu berücksichtigen, der den Tarifvertragsparteienals selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durchArt. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie zukomme.

Konsequenzen für die Praxis: Das BAG bestätigt dieRechtsprechung des EuGH, wonach das Entgeltsystemdes TVoD und die Übergangsregelungen des TVU-Bundals solche diskriminierungsfrei sind. Darüber hinausstellt es klar, dass individuelle finanzielle Einbußen grds.keine andere Beurteilung rechtfertigen.

Beraterhinweis: Die Entscheidung gibt Anlass, noch-mals daran zu erinnern, dass arbeitsvertragliche Verwei-sungen auf die Regelungen des BAT dringend geprüftbzw. überarbeitet werden sollten. An der altersdiskrimi-nierenden Wirkung der Regelungen des BAT bestehtmittlerweile kein Zweifel mehr.�RAin FAinArbR Dr. Christina Suberg, Suberg Kanzlei für

Arbeitsrecht, München

Außerordentliche Kündigung wegenArbeitszeitbetrugs

Eine vom Arbeitnehmer vorsätzlich fehlerhaft do-kumentierte Arbeitszeit ist an sich geeignet, einenwichtigen Grund zur außerordentlichen Kündi-gung darzustellen.

BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10(LAG Niedersachen – 9 Sa 1913/08)BGB §§ 241 Abs. 2, 626 Abs. 1; ZPO § 286

Das Problem: Die Parteien streiten über die Rechts-mäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Ar-beitszeitbetrugs. Die Klägerin, die aufgrund ihrer Be-triebszugehörigkeitsdauer nach § 14 MDK-T nur nochaus wichtigem Grund kündbar war, nahm an einemGleitzeit-System teil. Aufgrund der geltenden Dienst-vereinbarung war sie verpflichtet, Beginn und Ende derAnwesenheitszeit minutengenau im elektronischen Zeit-erfassungssystem einzugeben. Die Dienstvereinbarungsah ausdrücklich vor, dass im Fall von Unregelmäßigkei-ten und Missbrauch grds. disziplinarische bzw. arbeits-rechtliche Maßnahmen folgen.Die Klägerin hat unstreitig an mindestens sieben Arbeits-tagen 13 bis 28 Minuten fehlerhaft in der Zeiterfassungdokumentiert. Gegen die fristlose Kündigung wandte siesich u.a. mit dem Einwand, viel Zeit mit der Suche nacheinem Parkplatz verbracht zu haben. Die Arbeitszeit be-ginne bereits, wenn sie die Parkplatzeinfahrt der Dienst-stelle durchfahre und nicht erst mit dem Betreten desDienstgebäudes. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG hat das kla-geabweisende Urteil des LAG bestätigt: Der Sachverhaltsei bereits ohne seine besonderen Umstande „an sich‘‘d.h. typischerweise als wichtiger Grund für eine Kündi-gung geeignet. Der vorsätzliche Verstoß gegen die Ver-pflichtung, die abgeleistete – vom Arbeitgeber nurschwer zu kontrollierende – Arbeitszeit korrekt zu doku-mentieren, sei ungeachtet der strafrechtlichen Würdi-gung ein schwerer Vertrauensbruch. Der Arbeitgebermüsse auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeitder am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmervertrauen können. Durch die im Zeitraum der Beobach-tung täglich erfolgte fehlerhafte Angabe habe die Arbeit-nehmerin systematisch und damit nicht mehr nur fahr-lassig gehandelt.Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände desFalls sowie unter Abwägung der Interessen beider Ver-tragsteile sei auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnis-ses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – hier der fikti-ven ordentliche Kündigungsfrist von zwölf Monaten –nicht mehr zumutbar gewesen. Eine Hinnahme diesesVerhaltens durch den Arbeitgeber sei offensichtlich unddamit auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlos-sen gewesen sei. Das auf Heimlichkeit angelegte vorsätz-liche und systematische Fehlverhalten wiege besondersschwer. Die erforderliche Vertrauensgrundlage erscheinedaher auch nach Ausspruch einer Abmahnung nichtmehr wiederherstellbar, zumal die Dienstvereinbarung

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Individualarbeitsrecht

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ausdrücklich auf arbeitsrechtliche Schritte im Fall einesMissbrauchs hingewiesen habe.

Konsequenzen für die Praxis: Das Urteil bestätigt dielangjährige Rechtsprechung zur verhaltensbedingtenKündigung insbesondere im Bereich der Vertrauensstö-rung.

Beraterhinweis: Auf Arbeitgeberseite empfiehlt sich,vertraglich für den Fall von Missbrauchsfällen auf ar-beitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kün-digung hinzuweisen.Aus Arbeitnehmersicht sollte der Betriebsrat mit demArbeitgeber ein abgestuftes Sanktionssystem bei Miss-brauchsfällen durch Betriebsvereinbarung verhandeln.So könnte für langzeitbeschäftigte Mitarbeiter im Wegeder Betriebsvereinbarung eine vorherige Abmahnungund erst im weiteren Wiederholungsfall der Aussprucheiner fristlosen Kündigung geregelt werden. Vorausset-zung ist jedoch, dass dies auch ein evt. zugrunde liegen-der Tarifvertrag zulässt.�

RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Dr. Ditz und Part-ner, Rastatt

Böswilliges Unterlassen anderweitigenErwerbs

Die Beschäftigung des Arbeitnehmers mit einerTätigkeit, die objektiv nicht vertragsgemäß ist,macht diese im Rahmen der Prozessbeschäftigungnicht ohne weiteres unzumutbar. § 11 Satz 1 Nr. 2KSchG regelt nicht die Rechte und Pflichten ausdem Arbeitsvertrag, sondern die Obliegenheit desArbeitnehmers, einen zumutbaren Zwischenver-dienst zu erzielen.

BAG, Urt. v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10(LAG Düsseldorf – 7 Sa 422/10)KSchG § 11 Satz 1 Nr. 2; BGB § 615 Satz 2

Das Problem: Der Arbeitnehmer, überwiegend tätig alsHausmeister im Innenbereich, wird zum 17.4.2007 inden Außenbereich zur Durchführung gärtnerischer Ar-beiten („Wohnumfeldpflege‘‘) versetzt. Die Klage gegendie Versetzung wird rechtskräftig zugunsten des Arbeit-nehmers entschieden. Ab dem 16.4.2007 war der Arbeit-nehmer längerfristig arbeitsunfähig krank, worauf ihmdie Arbeitgeberin am 19.5.2008 zum 31.12.2008 per-sonenbedingt kündigt. Nach seiner Genesung wird derArbeitnehmer ab 18.6.2008 bis Dezember 2008 in derWohnumfeldpflege eingesetzt. Mit der Kündigungs-schutzklage obsiegt der Arbeitnehmer ebenfalls rechts-kräftig. Seit dem 16.7.2009 wird er wieder als Hausmeis-ter im Innenbereich beschäftigt.Vorliegend fordert der Arbeitnehmer von der Arbeitgebe-rin Annahmeverzugslohn für die Zeit zwischen Ablaufder Kündigungsfrist und erneuter vertragsgemäßer Be-schäftigung (5.1.2009 bis 15.7.2009). Die Arbeitgeberinverweigert dies. Sie habe dem Arbeitnehmer die Zwi-schenbeschaftigung in der Wohnumfeldpflege angebo-ten. Der Arbeitnehmer habe dies jedoch abgelehnt unddamit böswillig seine Erwerbsobliegenheit verletzt.

Die Entscheidung des Gerichts: Entgegen den Vor-instanzen spricht das BAG dem Arbeitnehmer keinenAnnahmeverzugslohn zu. Zwar habe sich die Arbeit-geberin infolge der unwirksamen Kündigung nach dem31.12.2008 im Annahmeverzug befunden. Hierauf müssesich der Arbeitnehmer jedoch anrechnen lassen, was erzu verdienen böswillig unterlassen habe (§ 11 Satz 1Nr. 2 KSchG). Maßgeblich sei, ob dem Arbeitnehmer dieAufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ge-wesen sei, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls an-komme. Nichtvertragsgemäße Arbeit sei nicht ohne wei-teres unzumutbar.Dies gelte auch vorliegend: So habe sich die Versetzungin die Wohnumfeldpflege zwar als unwirksam erwiesen;dies mache es für den Arbeitnehmer jedoch noch nichtvon vornherein unzumutbar, dort bis zum rechtskräftigenAbschluss des Kündigungsschutzprozesses zu arbeiten.Dies zeige der gesetzliche Regelfall der böswillig bei ei-nem anderen Arbeitgeber unterlassenen Arbeit, die not-wendigerweise auf einer anderen vertraglichen Grund-lage stattfinde.Die dem Arbeitnehmer zugewiesene Tätigkeit in derWohnumfeldpflege sei auch zumutbar. So handele essich um einen Teil der Aufgaben eines Hausmeisters.Hiermit sei auch weder eine Änderung des Arbeitsortsnoch eine Herabstufung verbunden gewesen. Die Zumut-barkeit werde zudem durch die Tätigkeit des Arbeitneh-mers in der Wohnumfeldpflege zwischen Juni und De-zember 2008 bestätigt.Unerheblich sei, dass keine dringenden Gründe dafürvorgelegen hätten, dem Arbeitnehmer eine objektiv ver-tragswidrige Tätigkeit anzubieten. Dies sei lediglich einKriterium für böswilliges Unterlassen i.S.v. § 615 Satz 2BGB im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis, indem der Arbeitnehmer vertragsgemäße Arbeit erwartendürfe. Im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehe dagegennach Ablauf der Kündigungsfrist und vor einer rechts-kräftigen Entscheidung Unsicherheit über den Bestanddes Arbeitsverhältnisses.

Konsequenzen für die Praxis: Dass für den Arbeitneh-mer auch eine objektiv vertragswidrige Beschäftigungzumutbar sein kann, hatte das BAG – seinerzeit in Abän-derung der bisherigen Rechtsprechung – bereits zuvorentschieden (vgl. BAG, Urt. v. 7.2.2007 – 5 AZR 422/06,MDR 2007, 890 = ArbRB 2007, 170 [Lunk], ArbRB on-line). Neu ist die Differenzierung zwischen § 11 KSchGund § 615 Satz 2 BGB: Aus welchen Gründen der Ar-beitgeber nicht die vertragsgemäße, sondern eine andereArbeit anbietet, ist im Rahmen von § 11 Satz 1 Nr. 2KSchG, also bei einer Beschäftigung nach Ablauf derKündigungsfrist unerheblich. Anders ist dies bei § 615Satz 2 BGB (vgl. BAG, Urt. v. 7.2.2007 – 5 AZR 422/06,MDR 2007, 890 = ArbRB 2007, 170 [Lunk], ArbRB on-line).

Beraterhinweis: § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG und § 615Satz 2 BGB sind zwar inhaltsgleich, wie das BAG auchhier betont. Man muss aber aus der vorliegenden Ent-scheidung ableiten, dass die Zumutbarkeitskriterienunterschiedlich zu gewichten sind, je nachdem, ob esum die Beschäftigung im laufenden Arbeitsverhältnis

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Individualarbeitsrecht

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oder nach Ablauf der Kündigungsfrist geht. Vor Ablaufder Kündigungsfrist sind an die Zumutbarkeit also höhe-re Anforderungen zu stellen (vgl. auch HWK/Krause,§ 615 BGB Rz. 94).�

RAin FAinArbR Ursel Kappelhoff, Vahle Kühnel Becker,FAeArbR, Hamburg

Ermittlung der Angemessenheit einerAusbildungsvergütung

Bleibt die Ausbildungsvergütung für einen Alten-pflegeschüler in Einrichtungen der Diakonie ummehr als 20 % hinter den in den Allgemeinen Ar-beitsvertragsrichtlinien (AVR) geregelten Sätzenzurück, ist sie unangemessen. Der Träger derpraktischen Ausbildung hat dann die vollen AVR-Sätze zu zahlen.

BAG, Urt. v. 23.8.2011 – 3 AZR 575/09(LAG Sachsen-Anhalt – 5 Sa 339/08)AltPflG i.d.F. bis 31.12.2007 § 17 Abs. 1; BGB §§ 123,241, 242, 280, 311 Abs. 2 Nr. 1, 612a; BAföG § 1;SGB III §§ 11 f., 19

Das Problem: Der Kläger begann im August 2006 seineAusbildung zum Altenpfleger bei dem Beklagten, einerEinrichtung der Diakonie. Im Ausbildungsvertrag warvereinbart, dass keine Ausbildungsvergütung gezahltwerde, „da der Auszubildende (...) von der Agentur fürArbeit oder einem anderen Kostenträger eine (...) finan-zielle Förderung erhält‘‘.Für August und September 2006 erhielt der Kläger Leis-tungen nach dem SGB II. Darüber hinaus erhielt er abAugust 2006 monatlich Leistungen nach dem BAföG.Der Ausbildungsvertrag eines anderen Altenpflegeschü-lers des Beklagten verwies hinsichtlich der Ausbildungs-vergütung auf die Tarifregelungen des öffentlichenDienstes. Nach dem Wegfall des Bezugs von Leistungennach dem SGB II, beansprucht der Kläger eine Ausbil-dungsvergütung i.H.v. 707,19 � monatlich entsprechendder tariflichen Ausbildungsvergütung im öffentlichenDienst.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG sprach demKläger eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 674,38 � mo-natlich zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 17 Abs. 1AltPflG a.F. Danach habe der Ausbildungsträger demSchüler eine angemessene Ausbildungsvergutung zuzahlen, soweit nicht Ansprüche auf Unterhaltsgeld nachdem SGB III oder Übergangsgeld nach den Vorschriftenfür die berufliche Rehabilitation oder andere vergleich-bare Leistungen gewährt würden.Die Vergutungsregelung im Ausbildungsvertrag sei alsvon § 17 Abs. 1 AltPflG a.F. zum Nachteil des Schülersabweichende Vereinbarung nichtig (§ 22 AltPflG). DerKläger habe auch keine öffentlichen Leistungen i.S.v.§ 17 AltPflG a.F. erhalten, die den Anspruch beschränk-ten. Bei der Festlegung der Angemessenheit der Ausbil-dungsvergütung sei auf die Verkehrsanschauung abzu-stellen, wofür die einschlägigen Tarifvertrage den wich-tigsten Anhaltspunkt bildeten.

Im Streitfall seien allerdings nicht die Tarifverträge desöffentlichen Dienstes maßgeblich, sondern die im kirch-lichen Rechtsetzungsverfahren erlassenen AVR. Unter-schreite die vereinbarte Ausbildungsvergütung – wie vor-liegend – die dort geregelten Sätze um mehr als 20 %,so sei sie unangemessen. Rechtsfolge sei, dass der Be-klagte die volle in den AVR geregelte Vergütung schulde,hier 674,38 �. Eine geltungserhaltende Reduktion kom-me nicht in Betracht.

Konsequenzen für die Praxis: Das BAG führt mit die-sem Urteil seine Rechtsprechung zur Beurteilung derAngemessenheit arbeitsvertraglicher Klauseln am Maß-stab der Regelungen der Diakonie fort. So hatte das Ge-richt bereits Änderungen arbeitsvertraglicher Regelun-gen, die zu finanziellen Einbußen der Arbeitnehmer vonnicht mehr als 20 % führten, als angemessen angesehen(BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, ArbRB online).Ob die aufgestellte 20-%-Grenze auf Fälle übertragbarist, in denen nicht die Diakonie Träger der Ausbildungist, bleibt offen. Ebenso naheliegend erscheint es, dievom BAG aufgestellten Grundsätze zur Sittenwidrigkeitvon Lohnabreden und die dort genannte Zwei-Drittel-Grenze (BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/08, MDR2009, 1117 = ArbRB 2009, 255 [Marquardt/Vogt],ArbRB online) anzuwenden.

Beraterhinweis: Eine Verpflichtung zur Zahlung einerangemessenen Ausbildungsvergütung findet sich auch in§ 17 Abs. 1 BBiG. Möchte ein Ausbilder eine zu Lastendes Auszubildenden von den einschlägigen Tarifverträ-gen abweichende Ausbildungsvergütung zahlen, solltediese 80 % der ublicherweise gezahlten Vergutungnicht unterschreiten. Andernfalls riskiert der Ausbildermangels eindeutiger Rechtsprechung die Unwirksamkeitder entsprechenden Abrede; dies hätte die Verpflichtungzur Zahlung der vollen angemessenen Vergütung zur Fol-ge.�

RAin FAinArbR Katrin Scheicht, RA Dr. Tobias Elster,Norton Rose LLP München

Karenzentschädigung – Anrechnungvon Arbeitslosengeld

Es begegnet Bedenken, Arbeitslosengeld auf eineKarenzentschädigung aus einem nachvertragli-chen Wettbewerbsverbot anzurechnen.

BAG, Urt. v. 14.9.2011 – 10 AZR 198/10(LAG Niedersachsen – 2 Sa 449/09)BGB § 615 Satz 2; HGB §§ 74, 74c; KSchG § 11 Satz 1Nr. 3; SGB III § 133; SGB III i.d.F. bis 31.12.2003 § 148

Das Problem: Die Parteien vereinbarten ein nachver-tragliches Wettbewerbsverbot, das hinsichtlich der An-rechnung von anderweitigen Einkünften auf die Karenz-entschädigung auf die gesetzlichen Vorschriften verwies.Der Kläger erhielt während des Bezugs der Karenzent-schädigung Arbeitslosengeld. Die Beklagte rechnete aufdie Karenzentschädigung das um fiktive Lohnsteuer, So-lidaritätszuschlag und Arbeitnehmeranteil zur Sozialver-sicherung erhöhte Arbeitslosengeld an, soweit es zusam-

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Individualarbeitsrecht

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men mit der Karenzentschädigung 110 % der letztenBruttovergütung überstieg. Der Kläger verfolgt mit sei-ner Klage die Auszahlung der vollen Karenzentschädi-gung.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Klage wurde in al-len drei Instanzen stattgegeben. Das BAG äußert Beden-ken, ob Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenz-entschädigung angerechnet werden kann. Der Bezug vonArbeitslosengeld beruhe nicht auf der Verwertung derArbeitskraft i.S.d. § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB. Arbeits-losengeld sei ein Lohnersatz und werde von der Solidar-gemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als So-zialleistung aufgebracht. Nach der Aufhebung von § 148SGB III sei zweifelhaft, ob noch eine gesetzliche Grund-lage für eine Anrechnungsmöglichkeit bestünde.Dies bedürfe vorliegend jedoch keiner abschließendenEntscheidung, weil die Einkünfte des Klägers aus Ka-renzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengelddie Anrechnungsgrenze des § 74c Satz 1 Satz 1 HGBnicht erreichten. Selbst wenn zugunsten der Beklagteneine Anrechnungsmöglichkeit unterstellt würde, bestün-de der geltend gemachte Anspruch des Klägers, weil al-lenfalls der tatsächliche Auszahlungsbetrag, nicht jedochein fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneterBruttobetrag angerechnet werden dürfe. AnderweitigeEinkünfte aus unselbständiger Beschäftigung seien zwarnach dem Bruttoarbeitslohn anzusetzen. Das Sozialver-sicherungsrecht kenne jedoch weder ein „Netto-‘‘ nochein „Brutto‘‘-Arbeitslosengeld.

Konsequenzen für die Praxis: Auch wenn das BAG dieFrage der Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Ka-renzentschädigung nicht abschließend entschieden hat,sollte sich die Praxis darauf einstellen, dass Arbeits-losengeld nicht angerechnet werden darf. Die Ausfüh-rungen des BAG sind eindeutig.

Beraterhinweis: Die Frage der Anrechnung stellt sichnicht nur beim Bezug von Arbeitslosengeld, sondernauch bei anderen Sozialleistungen, wie z.B. dem Kurz-arbeitergeld, dem Krankengeld oder dem Insolvenz-geld. Teilweise hat das BAG in der Vergangenheit eineAnrechnung anerkannt. Ob dies auch zukünftig der Fallsein wird, dürfte nach den Ausführungen des BAG imvorliegenden Fall bei reinen Lohnersatzleistungen zu be-zweifeln sein.�

RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn LüerWojtek, Köln

Direktionsrecht bei Versetzungen –Zumutbarkeit von Fahrtzeiten

Die sozialversicherungsrechtliche Regelung zu zu-mutbaren Pendelzeiten in § 121 Abs. 4 SGB IIIkann für die Frage, ob eine Versetzung arbeits-rechtlich zumutbar ist, nicht herangezogen wer-den.Bei einer örtlichen Verlagerung von qualifiziertenArbeitsaufgaben besteht regelmäßig ein berech-tigtes Interesse des Arbeitgebers i.S.v. § 106 Satz 1

GewO, § 315 BGB, die Aufgaben auch am neuenArbeitsort vom bisherigen Personal wahrnehmenzu lassen. Der Arbeitgeber muss dennoch einevom Arbeitnehmer geltend gemachte Weiterbe-schäftigungsmöglichkeit am bisherigen Arbeitsortprüfen und diese ggf. in die Interessenabwägungeinbeziehen.

BAG, Urt. v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10(LAG Sachsen – 6 Sa 104/09)GewO § 106; BGB § 315; SGB III § 121 Abs. 4

Das Problem: Die Parteien streiten um die Wirksamkeiteiner Versetzung. Die in D wohnende Arbeitnehmerin istseit 1993 in Vollzeit für das Landesjugendamt tätig. IhrArbeitsort war durchgängig die Zweigstelle in D. Auf-grund einer Verwaltungsreform wurde die Zweigstelleaufgelöst und die Arbeitnehmerin nach C versetzt. Ihreinfacher Arbeitsweg zur neuen Arbeitsstelle dauert beiNutzung öffentlicher Verkehrsmittel rund zwei Stunden.Die Arbeitnehmerin wehrt sich gegen die Versetzung.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG hat das derKlage stattgebende Urteil des LAG aufgehoben und dieSache zurückverwiesen. Der Arbeitsort sei vertraglichnicht festgelegt. Dieser habe sich durch die über 15-jäh-rige Tätigkeit auch nicht auf D konkretisiert. Die Verset-zung nach C müsse daher lediglich billigem Ermesseni.S.v. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB entsprechen.Entgegen dem LAG könne hierfür aus den Regelungen,wie sie das Sozialrecht in § 121 Abs. 4 SGB III für zu-mutbare Pendelzeiten festlege, kein Maßstab abgeleitetwerden. Denn § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB setzteneine individuelle Abwagung der wechselseitigen Inte-ressen der Arbeitsvertragsparteien voraus. Diese schlös-se eine starre Anwendung sozialrechtlicher Zumutbar-keitsregeln aus.Maßgebend seien im Rahmen einer räumlichen Verset-zung folgende Gesichtspunkte:� Das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an kur-

zen Pendelzeiten und einem geringen finanziellenAufwand sei ein wesentliches Kriterium.

� Dem seien die dienstlichen Gründe des Arbeitgebers,die zur Ausübung des Direktionsrechts geführt hät-ten, gegenüberzustellen.

Würden bei einer Verwaltungsreform qualifizierte Auf-gaben verlagert, bestünde regelmäßig ein berechtigtesInteresse des Arbeitgebers, diese am neuen Arbeitsortvom eingearbeiteten Personal wahrnehmen zu lassen.Dem seien wiederum die Interessen des Arbeitnehmersan einer Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsortgegenüberzustellen. Dabei seien auch außervertraglicheVor- und Nachteile, soziale Lebensverhaltnisse und fa-miliare Pflichten zu berücksichtigen. Mache ein Arbeit-nehmer konkrete alternative Beschäftigungsmöglichkei-ten am alten Arbeitsort geltend, müsse der Arbeitgeberdiese zudem prüfen und in die Interessenabwägung miteinbeziehen.

Konsequenzen für die Praxis: Das BAG verwirft denteilweise noch in der Instanzrechtsprechung zu § 121SGB III vertretenen Ansatz (so LAG Hamm, Urt. v.24.5.2007 – 8 Sa 51/07, ArbRB online), nachdem es be-

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Individualarbeitsrecht

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reits dessen Übertragung auf die Gestaltung von Sozial-plänen abgelehnt hatte (vgl. BAG, Urt. v. 6.11.2007 – 1AZR 960/06, MDR 2008, 457 = ArbRB 2008, 113[Braun], ArbRB online).

Beraterhinweis: Will der Arbeitnehmer erreichen, dassder Arbeitgeber alternative Beschäftigungsmöglichkeitenam alten Arbeitsort im Rahmen seiner Ausübung billigenErmessens zu prüfen hat, muss er diese konkret geltendmachen. Hierfür kommen nur gleichwertige Tätigkeitenin Betracht, auf die der Arbeitnehmer im Wege des Di-rektionsrechts versetzt werden kann.�

RAin FAinArbR Ursel Kappelhoff, RA FAArbR Dr. ArturKühnel, Vahle Kühnel Becker, FAeArbR, Hamburg

Aufforderung zur Vorlage einer ärzt-lichen Bescheinigung

Die Aufforderung des Arbeitgebers nach § 5Abs. 1 Satz 3 EFZG bedarf weder einer Begrün-dung des Arbeitgebers noch eines Sachverhalts,der Anlass für ein rechtsmissbräuchliches Verhal-ten des Arbeitnehmers gibt. (Amtl. LS)

LAG Köln, Urt. v. 14.9.2011 – 3 Sa 597/11(ArbG Köln – 8 Ca 2519/11)EFZG § 5 Abs. 1 Satz 3

Das Problem: Ist der Arbeitnehmer länger als drei Ka-lendertage arbeitsunfähig krank, so hat er dem Arbeit-geber spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eineärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit undderen voraussichtliche Dauer vorzulegen. Nach § 5Abs. 1 Satz 3 EFZG ist der Arbeitgeber jedoch berech-tigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zuverlangen. Die Parteien streiten über die Frage, ob derArbeitgeber ein solches Verlangen begründen bzw. obhierfür ein Sachverhalt vorliegen muss, der Anlass fürdie Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltensdes Arbeitnehmers gibt.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG Köln ver-neint dies und bestätigt damit die Entscheidung der Vor-instanz. Sowohl aus dem eindeutigen Wortlaut des § 5Abs. 1 Satz 3 EFZG als auch aus der Gesetzessystema-tik folge, dass die Aufforderung des Arbeitgebers, dieArbeitsunfähigkeitsbescheinigung früher vorzulegen,keiner Begrundung und keiner sachlichen Rechtfer-tigung bedürfe. Insbesondere könne das Verlangen auchnicht auf die Einhaltung billigen Ermessens überprüftwerden, denn § 5 EFZG enthalte im Vergleich zu § 106GewO eine speziellere Regelung für den Bereich derNachweispflicht. Im Hinblick auf die Aufforderung desArbeitgebers nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bleibe es so-mit allein bei den allgemeinen gesetzlichen Schrankender Willkür sowie des Verbots diskriminierenden Verhal-tens.

Konsequenzen für die Praxis: Die aufgeworfeneRechtsfrage ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt,wobei die Auffassung des LAG Köln die wohl herr-schende Meinung widerspiegelt (so etwa auch LAGSchleswig-Holstein, Urt. v. 13.10.2009 – 2 Sa 130/09,

ArbRB online; ErfK/Dörner, 12. Aufl., § 5 EFZG Rz. 12;Schaub, ArbRHdb, 14. Aufl., § 98 Rz. 121; a.A. HWK/Schliemann, 4. Aufl., § 5 EFZG Rz. 36). Gegen die Ent-scheidung des LAG Köln ist die Revision beim BAG an-hängig (Az. 5 AZR 886/11), so dass auf eine baldigeKlärung gehofft werden darf.

Beraterhinweis: Betrifft die Aufforderung des Arbeit-gebers einen einzelnen Arbeitnehmer, so ist der Betriebs-rat in Ermangelung eines kollektiven Tatbestands hierbeinicht zu beteiligen (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 17.9.2008 –8 Sa 1454/07, ArbRB online). Sofern der Arbeitgeber je-doch generelle Anordnungen über die frühere Vorlagevon Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erlässt, so be-trifft dies die betriebliche Ordnung i.S.v. § 87 Abs. 1Nr. 1 BetrVG und löst ein Mitbestimmungsrecht desBetriebsrats aus (BAG, Beschl. v. 25.1.2000 – 1 ABR 3/99, MDR 2000, 890, ArbRB online).�RA FAArbR Dr. Norbert Windeln, LL.M., avocado rechts-

anwälte, Köln

Mehr zum Thema: Schulte/Karlsfeld, Anzeige- und Nachweis-pflichten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – „Doppelirr-tum‘‘ auf beiden Seiten und Konsequenzen, ArbRB 2011, 341, ab-rufbar in ArbRB online unter http://www.arbrb.de.

Kollektives Arbeitsrecht

Teilnahmerecht von Auszubildendenan Betriebsversammlungen im Ein-satzbetrieb

Auszubildende eines reinen Ausbildungsbetriebs,die ihre praktische Ausbildung in einem anderenUnternehmen des Konzerns absolvieren, sind be-rechtigt, an Betriebsversammlungen in diesemEinsatzbetrieb teilzunehmen.Der aufgrund eines Zuordnungstarifvertrags neugewählte Betriebsrat tritt in einem Beschlussver-fahren in die Verfahrensstellung des bis dahin be-teiligten Betriebsrats ein.

BAG, Beschl. v. 24.8.2011 – 7 ABR 8/10(LAG Hamm – 10 TaBV 55/09)BetrVG §§ 3 Abs. 1, 42 Abs. 1, 43 Abs. 1 u. 3, 44; AÜG§ 14 Abs. 2

Das Problem: Die Beteiligten stritten über das Recht derAuszubildenden eines reinen Ausbildungsbetriebs, anBetriebsversammlungen des Betriebs teilzunehmen, demsie zur Ausbildung zeitweilig zugewiesen sind. DerStammarbeitgeber schließt Ausbildungsvertrage; dietatsachliche Ausbildung erfolgt bei einem anderenKonzernarbeitgeber (Stamm- und Einsatzbetrieb). DerBetriebsrat des Einsatzbetriebs beraumte eine außer-ordentliche Betriebsversammlung an und lud die in sei-nen Zuständigkeitsbereich fallenden insgesamt 164 Aus-zubildenden des Stammarbeitgebers ein. Hiergegenwandte sich letzterer. Voraussetzung der Teilnahme sei

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Kollektives Arbeitsrecht

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das Bestehen eines Arbeitsvertrags mit dem Einsatz-arbeitgeber, woran es hier fehle.

Die Entscheidung des Gerichts: Im Gegensatz zur Vor-instanz gab das BAG dem Antrag des Betriebsrats statt.Zwar hatte sich während des Rechtsbeschwerdeverfah-rens durch Abschluss eines neuen Tarifvertrags gem. § 3BetrVG die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung ge-ändert. Das BAG ging jedoch davon aus, dass der neueBetriebsrat als Funktionsnachfolger den Rechtsstreit fort-setzen konnte. Voraussetzung hierfür sei, dass die vorund nach der Änderung von den Betriebsräten jeweils re-präsentierten organisatorischen Einheiten zuverlässigvoneinander abgegrenzt werden könnten, was hier derFall sei.Nach § 42 Abs. 1 BetrVG bestehe die Betriebsver-sammlung zwar aus den Arbeitnehmern des Betriebs,wozu gem. § 5 Abs. 1 BetrVG nur solche Personen zähl-ten, mit denen der Arbeitgeber einen Vertrag geschlos-sen habe. Das Teilnahmerecht der Auszubildenden ander Betriebsversammlung folge daher nicht aus § 42Abs. 1 BetrVG. Es ergebe sich aber aus einer analogenAnwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 AUG. Es liege näm-lich eine planwidrige Lücke vor, da der Gesetzgeber dasProblem der Zuweisung von Auszubildenden zu einemBetrieb außerhalb des Vertragsarbeitgebers nicht gesehenhabe. Bei Leiharbeitnehmern habe der Gesetzgeber dasvergleichbare Problem u.a. durch Einräumung eines Teil-nahmerechts an den Betriebsversammlungen im Entlei-herbetrieb gelöst.

Konsequenzen für die Praxis: Inhaltlich ist die Ent-scheidung nachvollziehbar; sie hat freilich finanzielleAuswirkungen. Denn bekanntlich gewährt die Recht-sprechung den Teilnehmern an einer während der Ar-beitszeit durchzuführenden Betriebsversammlung gem.§ 44 Abs. 1 BetrVG einen eigenstandigen Vergutungs-anspruch, so dass auch Mitarbeiter, die während des Ur-laubs, der Elternzeit oder eines Arbeitskampfes an Ver-sammlungen teilnehmen, Anspruch auf Vergütung haben(HWK/Diller, 4. Aufl., § 44 BetrVG Rz. 23). Die Ent-scheidung kann also vergütungsrechtliche Konsequenzenhaben, wobei das BAG nicht darüber zu befinden hatte,gegen welchen Arbeitgeber sich vorliegend ein solcherAnspruch richten würde. Unberührt bleibt auch das Teil-nahmerecht an Versammlungen beim Stammarbeitgeber,auch wenn dies hier nicht praxisrelevant werden dürfte.

Beraterhinweis: Bedeutung erlangt die Entscheidungnicht nur wegen der nicht unerwarteten Analogie zu § 14Abs. 2 AÜG, sondern auch wegen der Ausführungenzum Einfluss geanderter betriebsverfassungsrecht-licher Strukturen auf anhangige Beschlussverfahrenim Besonderen und die Funktionsnachfolge im Rahmender Betriebsverfassung im Allgemeinen. Dies ist insoweitzu begrüßen, als die praktischen Folgen einer gem. § 3BetrVG modifizierten betriebsverfassungsrechtlichenRepräsentation nach wie vor nicht vollständig geklärtsind (vgl. etwa HWK/Gaul, 4. Aufl., § 3 BetrVGRz. 44).�RA FAArbR Prof. Dr. Stefan Lunk, LATHAM & WATKINS

LLP, Hamburg

Kein Online-Zugriff auf personenbe-zogene Arbeitnehmerdaten für denGesamtbetriebsrat

Der Gesamtbetriebsrat ist nicht Träger des Über-wachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG undkann daher auch nicht die Einrichtung eines On-line-Zugriffs zur Wahrnehmung dieses Über-wachungsrechts verlangen.Ein vom Betriebsrat uneingeschränkt geltend ge-machter Online-Zugriff auf personenbezogeneArbeitnehmerdaten überschreitet die Grenzendes Informationsrechts aus § 80 Abs. 2 BetrVGund nimmt dem Arbeitgeber sein Vorprüfungs-recht.

BAG, Beschl. v. 16.8.2011 – 1 ABR 22/10(LAG Nürnberg – 4 TaBV 61/07)BetrVG §§ 50 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 5, 80 Abs. 2 Satz 1u. 2 Halbs. 1, Abs. 1 Nr. 1, 74 Abs. 1 Satz 2

Das Problem: Der Gesamtbetriebsrat begehrt einen le-senden Online-Zugriff auf Dateien mit personenbezo-genen Arbeitnehmerdaten. Er meint, sein Kontrollrechtergebe sich aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Zuvor hattenGesamtbetriebsrat und Arbeitgeber eine Gesamtbetriebs-vereinbarung zum Thema EDV und Arbeitnehmerdaten-schutz abgeschlossen.

Die Entscheidung des Gerichts: Ebenso wie das LAGhat das BAG den Antrag abgewiesen. Der Gesamt-betriebsrat ist nicht Trager des Uberwachungsrechtsaus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Zuständig für dessenWahrnehmung ist allein der Betriebsrat. Bei der Gel-tendmachung von Rechtsansprüchen, die lediglich vomVorliegen der im Gesetz bestimmten Tatbestandsvoraus-setzungen abhängig sind, findet § 50 Abs. 1 Satz 1BetrVG keine Anwendung, weil derartige Sachverhaltekeiner weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteienbedürfen. Hierunter fallen auch die Beteiligungssachver-halte nach § 80 Abs. 1 BetrVG, da das Überwachungs-recht ausschließlich vom Vorliegen eines der dort auf-geführten Katalogtatbestände abhängig ist.

Konsequenzen für die Praxis: Für die Praxis relevantdürften die weiteren Ausführungen des BAG zum On-line-Zugriff sein. Das Gericht weist nämlich darauf hin,dass der vom Gesamtbetriebsrat geltend gemachte gene-relle lesende Online-Zugriff überdies die Grenzen desInformationsrechts aus § 80 Abs. 2 BetrVG uber-schreitet. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG er-füllt der Arbeitgeber den Informationsanspruch des Be-triebsrats durch Vorlage von Unterlagen. Diese haben ei-nen feststehenden Inhalt, wodurch der Arbeitgeber prü-fen kann, ob aus den Unterlagen Informationen hervor-gehen, die in keinem Zusammenhang mit der geltend ge-machten Überwachungsaufgabe stehen. Insoweit hat derArbeitgeber ein Vorprufungsrecht und kann die Über-mittlung auf die vorlagepflichtigen Daten beschränken.Dieses Recht wird ihm aber genommen, wenn der Be-triebsrat lesenden Online-Zugriff bekommt, welcher sichnicht auf eine konkrete Datei an einem konkreten Stich-tag bezieht.

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Kollektives Arbeitsrecht

Page 17: online - ArbRB · BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10 81 Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall der Tarifsukzession BAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10 81 Sonstiges

Beraterhinweis: Das Kontrollrecht aus § 80 BetrVGliegt zwar grds. beim örtlichen Betriebsrat. Dieser hataber die Möglichkeit, über § 50 Abs. 2 BetrVG den Ge-samtbetriebsrat oder über §§ 58 Abs. 2, 50 Abs. 2BetrVG den Konzernbetriebsrat zu beauftragen.�

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse, Göhmann Rechtsanwälte,Magdeburg

Nur angestellte Wirtschaftsprüfer mitProkura sind leitende Angestellte

§ 45 Satz 1 und 2 Wirtschaftsprüferordnung(WPO) sind verfassungskonform einschränkenddahin auszulegen, dass nur diejenigen angestelltenWirtschaftsprüfer leitende Angestellte i.S.d. § 5Abs. 3 Satz 2 BetrVG sind, denen Prokura erteiltwurde.

BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10(LAG Baden-Württemberg – 17 TaBV 2/09)WPO § 45 Satz 2 i.V.m. Satz 1; BetrVG § 5 Abs. 3Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 u. Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, 12Abs. 1, 20 Abs. 1

Das Problem: Die Arbeitgeberin und der bei ihr gebilde-te Gesamtbetriebsrat streiten darüber, ob der bei der Ar-beitgeberin, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ange-stellte Wirtschaftsprufer mit Prokura (K.) leitenderAngestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG ist. Die Arbeit-geberin meint, angestellte Wirtschaftsprüfer seien auf-grund der Fiktion des § 45 Satz 2 WPO unabhängig vonden Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG stetsleitende Angestellte. Der Gesamtbetriebsrat vertritt dage-gen die Auffassung, § 45 Satz 2 WPO sei verfassungs-widrig.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG gibt der Ar-beitgeberin recht. Mit Blick auf den Gleichheitssatz nachArt. 3 Abs. 1 GG ist § 45 Satz 2 i.V.m. Satz 1 WPO zwarverfassungskonform einschrankend dahin auszulegen,dass die Vorschrift nur angestellte Wirtschaftsprüfer er-fasst, denen Prokura erteilt ist. Diese Voraussetzung er-füllt vorliegend K. aber.Mit der Einordnung als leitende Angestellte i.S.d.BetrVG ist eine Minderung des arbeitsrechtlichenSchutzes verbunden, der verfassungsrechtlich aufgrundder Schutzpflichten aus der Berufsfreiheit nach Art. 12Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20Abs. 1 GG geboten ist. Der Wegfall dieses Schutzes istnur wegen der Arbeitgebernahe von leitenden Ange-stellten und der damit einhergehenden Gefahr einer Inte-ressenkollision im Verhältnis zum Betriebsrat sachlichgerechtfertigt. Die Ungleichbehandlung von angestelltenWirtschaftsprüfern und Arbeitnehmern anderer Berufs-gruppen wie z.B. angestellten Rechtsanwälten über-schreitet den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumdaher nur dann nicht, wenn § 45 Satz 1 und 2 WPO ver-fassungskonform einschränkend ausgelegt wird. Ist näm-lich einem angestellten Wirtschaftsprüfer Prokura er-teilt, kann daraus typisierend auf eine unternehmerische

Leitungsmacht im Innenverhältnis und damit auf Arbeit-gebernähe geschlossen werden.

Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung stelltklar, dass für angestellte Wirtschaftsprüfer mit Prokurader arbeitsrechtliche Schutz aus dem BetrVG und ArbZGgegenüber Arbeitnehmern anderer beratender Berufs-gruppen reduziert ist.Ebenfalls am 29.6.2011 hat der Siebte Senat entschieden,dass angestellte Rechtsanwälte und Steuerberater inWirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften imRegelfall keine leitenden Angestellten i.S.v. § 5 Abs. 3BetrVG sind. Eine entsprechende Anwendung von § 45Satz 2 WPO komme insoweit nicht in Betracht (BAG,Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 5/10, ArbRB 2011, 337[Braun], ArbRB online).

Beraterhinweis: Das Gericht weist ausdrücklich daraufhin, dass eine bloße Titularprokura nicht reicht, damitder angestellte Wirtschaftsprüfer zum leitenden Ange-stellten wird. Die Minderung des arbeitsrechtlichenSchutzes ist nur dann gerechtfertigt, wenn unternehmeri-sche Aufgaben auch tatsächlich wahrgenommen werden.Die allgemein übliche Gesamtprokura ist hingegen aus-reichend; Einzelprokura ist nicht erforderlich.�

RAin FAinArbR Dr. Jessica Jacobi, Kliemt & Vollstädt,Berlin

Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall der Tarifsukzession

Die „Wahrung‘‘ des sozialen Besitzstandes i.S.d.§ 17 HVFG kann es erfordern, den Arbeitnehmerin einem ersten Schritt einer BAT-Vergütungs-gruppe zuzuordnen und in einem zweiten Schrittdie Überleitung nach dem TVÜ-Länder vor-zunehmen.Die gesetzliche Verpflichtung zur Wahrung einerbestimmten Lohn- und Vergütungsgruppe undBeschäftigungszeit ist als Arbeitnehmerschutzvor-schrift zwingend.

BAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10(LAG Hamburg – 2 Sa 202/09)Gesetz über den Hamburgischen Versorgungsfonds – An-stalt öffentlichen Rechts – (HVFG) § 17; Tarifvertrag zurÜberleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-Lund zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder)§§ 1 Abs. 1, 4, 5, 6, 11

Das Problem: Der Kläger war ursprünglich bei einemstädtischen Krankenhaus beschäftigt. Für den Fall derVeräußerung der Mehrheitsbeteiligung an der Kranken-hausbetriebsgesellschaft räumt § 17 HVFG den Betroffe-nen ein Rückkehrrecht „unter Wahrung der beim LBKHamburg erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe undBeschäftigungszeit‘‘ ein.Nach der Privatisierung des Krankenhauses übte der Klä-ger sein Rückkehrrecht aus. Er war ursprünglich an denMTV Angestellte AVH gebunden, der im Wesentlichendem BAT entsprach. Zum 1.1.2007 erfolgte eine Überlei-tung in den TV-KAH, der im Wesentlichen dem Tarifver-

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Kollektives Arbeitsrecht

Page 18: online - ArbRB · BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10 81 Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall der Tarifsukzession BAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10 81 Sonstiges

trag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in denTV-L entspricht (TVÜ-Länder). In dem neu abgeschlos-senen Arbeitsvertrag erfolgte eine Eingruppierung ineine Entgeltgruppe. Die Differenz zum früheren Entgeltwurde als nicht dynamische anrechenbare ubertarifli-che Zulage gewährt. Entgelterhöhungen sowie eine Hö-hergruppierung haben die Besitzstandszulage dann auf-gezehrt. Der Kläger fordert daraufhin u.a. die Weiterge-währung der Besitzstandszulage.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG hat die kla-geabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen auf-gehoben und das Verfahren zur weiteren Tatsachenauf-klärung an das LAG zurückverwiesen.Das BAG versteht unter der Wahrung des Besitzstandesi.S.d. § 17 HVFG, dass der rückkehrende Angestellte indie Vergütungsgruppe eingruppiert wird, die der zuvormaßgeblichen entspricht. Sei eine unmittelbare Rückfüh-rung aufgrund der zwischenzeitlichen Änderung des Ta-rifsystems nicht möglich und lägen keine gesetzlichenÜberleitungsvorschriften vor, sei es Aufgabe der Arbeits-gerichte, durch erganzende Auslegung eine Überleitungzu finden, die dem Schutzzweck der gesetzlichen Rege-lung gerecht werde. Da das Rückkehrrecht aus § 17HVFG ein Arbeitnehmerschutzrecht sei, könne der Ar-beitnehmer auf diesen Schutz nicht verzichten.Das BAG nimmt in einem ersten Schritt eine „fiktive‘‘Eingruppierung in eine BAT-Vergütungsgruppe vor undzieht in einem zweiten Schritt die Überleitungsvorschrif-ten des TV-L heran. Dabei stellt es klar, dass sich eineAufspaltung der von den Rückkehrern zu einem be-stimmten Zeitpunkt erreichten Vergutungshohe in ei-nen – vermeintlich – tariflichen und einen übertariflichenTeil sowie die Anrechnung von Letzterem insbesondereauf Tariferhöhungen und Höhergruppierungen verbietet.

Konsequenzen für die Praxis: Zunächst stellt das BAGklar, dass die Wahrung des Besitzstandes im Fall derAusübung eines Rückkehrrechts nicht lediglich einenSchutz vor einer Entgelteinbuße verlangt, sondern einevollwertige Rückkehr in ein tarifliches Entgeltsystem.Eine Aufspaltung des früheren Entgelts in einen ver-meintlich tariflichen sowie einen übertariflichen Teilscheidet daher jedenfalls in Fällen des § 17 HVFG undbei vergleichbaren gesetzlichen Regelungen aus. Die Er-wägungen des BAG dürften sich auch auf sonstige Fälleunverzichtbarer Arbeitnehmerrechte übertragen lassen.Die Praxis muss daher zukünftig verstärkt beachten, dassim Fall eines Rückkehrrechts auch nach einer Tarifsuk-zession das spatere Tarifentgelt dem vorherigen Tarif-entgelt entsprechen muss und gerade kein Tarifentgeltmit (abschmelzender) Zulage darstellt.

Beraterhinweis: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeit-nehmer müssen bei der Überführung eines Rückkehrersin ein neues Tarifsystem und bei Abschluss eines neuenArbeitsvertrags im Rahmen des vom BAG vorgegebenenVerfahrens prüfen, ob die neue Tarifgruppe tatsächlichden vorherigen Besitzstand wahrt. Ist dies nicht der Fall,läuft der Arbeitgeber Gefahr, sich langfristig an eine

übertarifliche Zulage zu binden, die er ursprünglich nichterbringen wollte.�RA FAArbR Dr. Stefan Seitz und RA FAArbR Dr. Joachim

Trebeck, LL.M., Schlütter Bornheim Seitz, Köln

Sonstiges Recht

Betriebsrentenanpassung

Die Mitteilung des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 4BetrAVG über das Unterbleiben einer Renten-anpassung muss so hinreichend detailliert sein,dass der Versorgungsempfänger sich ein eigenesBild machen kann.

BAG, Urt. v. 11.10.2011 – 3 AZR 732/09(LAG Hamm – 9 Sa 280/09)BetrAVG § 16 Abs. 4

Das Problem: Die Parteien streiten über die Verpflich-tung zur Anpassung einer Betriebsrente. Die Beklagte istmit eigenen Beschäftigten am Markt tätig und zugleichKonzernobergesellschaft. Am 1.7.2006 schrieb sie ihreBetriebsrentner an und führte dabei aus, dass der durch-schnittliche Jahresüberschuss im Konzern in den Jahren2003 bis 2005 lediglich 4,53 % vom Eigenkapital betra-gen habe und damit unterhalb der Grenze liege, die dasBAG für das Erfordernis einer Betriebsrentenerhöhungfestgelegt habe. Auch sei eine Besserung nicht zu erwar-ten. Abschließend erfolgte eine Belehrung nach § 16Abs. 4 BetrAVG.Der Kläger widersprach erst mit Schreiben vom19.10.2006 und rügte im Wesentlichen, dass die Informa-tionen des Schreibens zu unspezifisch seien. Er machteeinen Anspruch auf eine erhöhte Betriebsrente unter Zu-grundelegung des Kaufkraftverlustes geltend.

Die Entscheidung des Gerichts: Nach Abweisung derKlage in erster Instanz hat das LAG dem Kläger eine er-höhte Betriebsrente zugesprochen. Das BAG schließtsich dem LAG an und führt dabei zunächst aus, dass einArbeitgeber nicht verpflichtet sei, die Anpassung je-weils drei Jahre nach dem individuellen Leistungs-beginn zu prüfen. Eine Anpassung könne gesammelt füralle laufenden Leistungen eines Jahres vorgenommenwerden, wenn sich die erste Anpassung nicht unange-messen – um mehr als sechs Monate – über den Drei-Jahres-Zyklus hinaus verschiebe. Alle weiteren Anpas-sungen müssten jedoch im Rhythmus von drei Jahrenerfolgen.Die Fiktionswirkung von § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG,dass nämlich eine unterbliebene Anpassung bei Versäu-mung der dreimonatigen Widerspruchsfrist auch späternicht mehr nachgeholt werden muss, könne jedoch nurein Schreiben entfalten, das die Gründe für eine unter-bliebene Anpassung „darlege‘‘. Der Arbeitgeber sei da-mit gehalten, dem Versorgungsempfänger die entschei-denden Grunde für das Ausbleiben einer Anpassung –

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Sonstiges Recht

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die Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und Eigen-kapitalausstattung – so detailliert zu erklaren, dass derVersorgungsempfänger selbst nachvollziehen könne,weshalb seine Betriebsrente nicht angepasst werde.Im Streitfall sei dem Schreiben des Arbeitgebers – unab-hängig davon, ob man konsolidierte Konzernzahlen oderEinzelabschlussinformationen mitteilen müsse – nicht zuentnehmen, auf welcher Datengrundlage er zu dem Er-gebnis gekommen sei, dass die Eigenkapitalrendite4,53 % betrage. Auch habe er nicht mitgeteilt, weshalber davon ausgehe, auch in den folgenden Jahren keineausreichende Eigenkapitalrendite erwirtschaften zu kön-nen. Da das Schreiben mithin nicht hinreichend detail-liert und damit rechtlich wirkungslos gewesen sei, habeder Kläger auch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist (§ 16Abs. 4 Satz 2 BetrAVG) die Anpassung seiner Betriebs-rente geltend machen können.

Konsequenzen für die Praxis: Obwohl das BAG selbstin der Entscheidung nur eine Bestätigung und Fortent-wicklung seiner ständigen Rechtsprechung sieht, dürftees durch das Urteil zu einer erheblichen Verscharfungzu Lasten der Arbeitgeber kommen. Mit der Anforde-rung eines hinreichenden Detaillierungsgrades der Infor-mation verschiebt der Senat das Problem auf die prozess-rechtliche Ebene, und jeder Praktiker weiß um die enor-me Steuerungswirkung des Begriffes der „hinreichendenSubstantiierung‘‘ bei komplizierten Prozessen gerade inerster Instanz.

Beraterhinweis: Hinsichtlich des Anpassungsbedarfs istdarauf zu achten, dass der richtige Index zur Bemes-sung der gesteigerten Lebenshaltungskosten heran-gezogen wird. Für Zeiträume vor dem 1.1.2003 ist diesder Preisindex für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mittlerenEinkommens, für die Zeit danach der Verbraucherpreis-index. Dabei ist auf den am Anpassungsstichtag verfüg-baren und veröffentlichten Index abzustellen, wobei aufden Basiswert zu achten ist.�

RA FAArbR Axel Braun, Luther Rechtsanwaltsgesell-schaft mbH, Köln

Garantenpflicht des Arbeitgebers zurVerhinderung von Straftaten

Aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vor-gesetzter kann sich eine Garantenpflicht zur Ver-hinderung von Straftaten nachgeordneter Mit-arbeiter ergeben. Diese bezieht sich auf die Ver-hinderung betriebsbezogener Straftaten. Strafta-ten, die der Mitarbeiter nur bei Gelegenheit sei-ner Tätigkeit im Betrieb begeht, sind davon nichtumfasst.

BGH, Urt. v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11(LG Siegen – 6 Ss 25/11)StGB §§ 13, 27, 224, 323c

Das Problem: Der Angeklagte war Vorarbeiter in einemstädtischen Bauhof. Ein in einer anderen Kolonne tätigerArbeitnehmer wurde über Jahre wiederholt Opfer demü-

tigender körperlicher Übergriffe von drei Beschäftigtenaus der Kolonne des Angeklagten, bei denen diese Knüp-pel, Ketten oder andere Werkzeuge einsetzten. Der Ge-schädigte erlitt u.a. Frakturen und wurde teilweise nachden Taten hilflos liegengelassen. Bei den Misshandlun-gen war der Angeklagte anwesend. Eine aktive Tatbetei-ligung in Form psychischer Unterstützung hatte er nichtgeleistet.

Die Entscheidung des Gerichts: Der BGH prüft eineBeihilfe zur gefährlichen Körperverletzung durch Un-terlassen (§§ 224, 27, 13 StGB). Das setzt eine über diefür jedermann geltende Handlungspflicht hinausgehendeGarantenstellung voraus. Eine sich auch auf Vorgesetz-te erstreckende Garantenpflicht des Arbeitgebers im Inte-resse nachgeordneter Arbeitnehmer kann sich aus demArbeitvertrag – abgeleitet aus § 618 Abs. 1 BGB i.V.m.14 Abs. 1 Nr. 1 StGB – ergeben. Das hatte der Senat füreinen Geschäftsführer beim Verstoß gegen Sorgfalts-pflichten beim Transport gefährlicher Abfälle angenom-men, wenn gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen wirdund der Geschäftsführer das nicht verhindert (BGH, Urt.v. 25.6.2009 – 4 StR 610/08, BGHR StGB § 222 Pflicht-verletzung Nr. 9). Konkret verneint der BGH eine Garan-tenpflicht, weil sich der Geschädigte nicht im personel-len Verantwortungsbereich des Angeklagten befand.Der BGH prüft einen weiteren Anknüpfungspunkt fürdie Garantenstellung: Je nach den Umständen des Ein-zelfalls soll sie sich aus einer dem Arbeitgeber obliegen-den und vom Angeklagten im Rahmen des Arbeitsver-hältnisses übernommenen Pflicht zur Uberwachungnachgeordneter Arbeitnehmer mit dem Inhalt der Ver-hinderung von Straftaten zum Nachteil anderer nach-geordneter Arbeitnehmer ergeben. Gegenstand einer sol-chen Garantenpflicht sei jedoch nur die Verhinderungbetriebsbezogener Straftaten. Straftaten, die nur beiGelegenheit der Tätigkeit in Betrieb begangen wordenseien, betreffe diese Pflicht nicht.Betriebsbezogen sei eine Straftat, wenn sie einen innerenZusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Be-gehungstäters – nicht der des Unterlassenden – oder mitder Art des Betriebs aufweise. Diese Begrenzung der Ga-rantenhaftung gelte unabhängig davon, welche tatsäch-lichen Umstände für die Begründung der Garantenstel-lung im Einzelfall maßgeblich seien. Der Arbeitgeberhabe keine Garantenstellung für Taten voll verantwort-lich handelnder Arbeitnehmer, die nicht Ausfluss seinemBetrieb oder dem Tätigkeitsfeld seiner Mitarbeiter spezi-fisch anhaftender Gefahren seien und sich außerhalb sei-nes Betriebs genauso ereignen könnten. Das sei auchhier so.Denkbar sei aber noch eine Strafbarkeit nach § 323cStGB wegen unterlassener Hilfeleistung.

Konsequenzen für die Praxis: Der BGH tritt Tendenzenzu einer weitergehenden Haftung entgegen. Allerdingsprüft er die Betriebsbezogenheit auch unter dem Aspekteiner Schikanierung als Teil einer „Firmenpolitik‘‘und der Ausnutzung im Betrieb eingeräumter arbeits-technischer Machtbefugnisse zur Tatbegehung. Alleinaus der Wiederholung über Jahre kann das aber nicht ab-geleitet werden, ebenso wenig wie der Arbeitgeber für

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Sonstiges Recht

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eine abstrakt „in der Betriebsgemeinschaft angelegte Ge-fahr‘‘ (so die Bundesanwaltschaft) verantwortlich ge-macht werden kann.

Beraterhinweis: Arbeitgeber müssen auch die Verant-wortlichkeit aus § 130 OWiG bzw. § 14 StGB beachten.Sie sollten ein System zur Verhinderung von Straftatenzu Lasten der Mitarbeiter schaffen und evaluieren.�RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, Loschelder Rechtsanwäl-

te, Köln

Rechtsanwaltskosten als Zwangsvoll-streckungskosten

Die durch die Vollstreckung der Hauptsache ent-stehenden Rechtsanwaltskosten können gem.§ 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit dem Hauptsachetitelvollstreckt werden, auch wenn der Hauptsache-anspruch bereits erfüllt wurde.

ArbG München, Beschl. v. 4.1.2012 – 5 Ca 13661/11ZPO §§ 788 Abs. 1 Satz 1, 769 Abs. 1, 767, 707, 719,732; ArbGG § 62 Abs. 1 Satz 2

Das Problem: Die Parteien hatten in einem Kündigungs-schutzverfahren einen Vergleich abgeschlossen. Diesersah u.a. Zahlungsverpflichtungen und die Verpflichtungzur Erteilung eines Zeugnisses vor. Da die Schuldnerintrotz Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist er-füllte, leitete der Rechtsanwalt der Gläubigerin dieZwangsvollstreckung durch Zustellung der vollstreck-baren Ausfertigung ein, wodurch eine 3/10 ZV-Gebührentstand. Nach Erfüllung der Hauptsache forderte derSchuldner die vollstreckbare Ausfertigung heraus, wasdie Gläubigerin verweigerte. Daraufhin erhob dieSchuldnerin Vollstreckungsgegenklage und beantragtegleichzeitig die vorläufige Einstellung der Zwangsvoll-streckung.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht wies denEinstellungsantrag zurück. Er ist zwar zulassig. § 62Abs. 1 Satz 2 ArbGG gilt nicht für die Einstellung derZwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO, da zwi-schen den §§ 707, 719 ZPO einerseits und den §§ 732,769 ZPO andererseits zu differenzieren ist. Der Antragist jedoch unbegrundet, da die Vollstreckungsgegenkla-ge keine hinreichende Erfolgsaussicht hat. Nach § 788Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Kosten der Zwangsvollstre-ckung zusammen mit dem Hauptsacheanspruch bei-zutreiben, können also mitvollstreckt werden. Für dieZwangsvollstreckungskosten ist ein selbständiger, ge-sonderter Vollstreckungstitel nicht notwendig. Diesgilt auch, wenn die Hauptsache bereits erfüllt ist. Demsteht ebenfalls nicht entgegen, dass § 788 Abs. 2 ZPOdie Möglichkeit eröffnet, die Zwangsvollstreckungskos-ten durch das Vollstreckungsgericht gesondert festsetzenzu lassen.

Konsequenzen für die Praxis: Ein Antrag nach § 788Abs. 2 ZPO macht Sinn, wenn die Höhe der ZV-Kostenumstritten ist. Die Festsetzungsmöglichkeit führt abernicht dazu, dass die Rechtsanwaltskosten nicht aus demHauptsachetitel selbst vollstreckt werden können.

Beraterhinweis: Für Gläubiger stellt es ein immer wie-der auftretendes Ärgernis dar, dass der Schuldner einesVergleichs nicht innerhalb angemessener Frist erfüllt.Führt der Rechtsanwalt daher Zwangsvollstreckungs-maßnahmen durch Zustellung der vollstreckbaren Aus-fertigung durch (diese ist Voraussetzung für das Entste-hen der Vollstreckungskosten: BGH, Beschl. v. 18.7.2003– IXa ZB 146/03, MDR 2003, 1381) und erfüllt derSchuldner daraufhin (wie in der Praxis häufig), kann derGläubiger die Rechtsanwaltskosten mit dem Hauptsache-titel vollstrecken. Gerichtsvollzieher sollten auf die zu-treffende Entscheidung des Arbeitsgerichts hingewiesenwerden.�RA FAArbR Dr. Gerhard Schäder, Dr. Schäder & Schittko

Rechtsanwälte und Partnerschaft, München

Gegenstandswert eines Zustimmungs-verfahrens zur Kündigung einesSchwerbehinderten

Der Gegenstandswert eines Rechtsstreits hinsicht-lich der Zustimmung des Integrationsamtes zurKündigung eines Schwerbehinderten ist auf dasdreifache Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmersfestzusetzen, wenn der Rechtsstreit für den Ar-beitnehmer von wirtschaftlich höherer Bedeutungist als der Auffangwert (5.000 �).

VG München, Beschl. v. 16.11.2011 – M 18 K 11.532RVG § 33 Abs. 1

Das Problem: Der Kläger war zu einem durchschnitt-lichen Bruttomonatsgehalt i.H.v. 12.516,66 � bei derSchuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfah-ren eröffnet wurde, beschäftigt gewesen. Er klagte gegeneinen Bescheid des Integrationsamtes, der feststellte,dass die Zustimmung nach § 88 Abs. 5 Satz 2 SGB IXwegen Zeitablaufs als erteilt gilt. Nachdem sich die Par-teien im arbeitsgerichtlichen Verfahren verglichen hatten,wurde der Rechtsstreit eingestellt. Der Klägervertreterbeantragte, den Gegenstandswert für das Verfahren aufdas dreifache Bruttomonatsgehalt festzusetzen, da derKläger im Fall der Feststellung der Rechtswidrigkeit derZustimmung im Insolvenzverfahren die Lohnforderun-gen als Masseverbindlichkeiten hätte realisieren können.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht setzte denGegenstandswert antragsgemaß auf drei Brutto-monatsgehalter fest.

Konsequenzen für die Praxis: Nach Nr. 39.1 des Streit-wertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist derStreitwert eines Verfahrens über die Rechtmäßigkeit derZustimmung zur Kündigung eines Schwerbehindertenmit dem Regelwert von 5.000 � anzusetzen. Da es sichdabei nur um einen Regelstreitwert handelt, kann ein ab-weichender Wert festgesetzt werden, wenn konkrete An-haltspunkte dafür bestehen (ebenso VGH München,Beschl. v. 11.5.2010 – 12 C 10.1026).

Beraterhinweis: Auch wenn sich die Gerichte und dieRechtsschutzversicherungen an den Regelwert halten, istdennoch eine anderweitige Bewertung möglich, wenn zu

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Sonstiges Recht

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

einer wesentlich hoheren wirtschaftlichen Bedeutungkonkret vorgetragen wird. Auch wenn das BVerwGeine entsprechende Anwendung des § 42 Abs. 4 GKGablehnt (BVerwG, Beschl. v. 16.12.1992 – 5 C 39/89,MDR 1993, 584; anders: Hessischer VGH, Beschl. v.23.12.1987 – 9 TE 3288/86, AnwBl. 1988, 488), kann

bei der Berechnung eine Anlehnung an die Norm erfol-gen und eine entsprechende Festsetzung erreicht wer-den.�RA FAArbR Dr. Gerhard Schäder, Dr. Schäder & Schittko

Rechtsanwälte Partnerschaft, München

Arbeitsrecht kompakt

Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

� Zur Zulässigkeit der Kürzung von BonuszahlungenWann erlaubt die aktuelle BAG-Rechtsprechung eine Verringerung des Bonuspools?

von RA FAArbR Dr. Oliver Fröhlich*

Das BAG hat in zwei Entscheidungen von Oktober 2011aufgezeigt, welchen Gestaltungsspielraum Arbeitgeberhaben können, die den Arbeitnehmern durch arbeitsver-tragliche Regelung eine in ihrem Ermessen stehende va-riable Vergütung zugesagt haben (BAG, Urt. v.12.10.2011 – 10 AZR 746/10 u. 10 AZR 649/10). Zu-gleich wird deutlich, wie eine Betriebsvereinbarung denArbeitgeber bindet und die Position der Arbeitnehmerstärkt.

I. Ausgangskonstellation

Die Parteien stritten jeweils um die Zahlung eines Bonus,der seine Grundlage einerseits in einer individualvertrag-lichen Zusage eines Ermessensbonus und andererseits ineiner Betriebsvereinbarung hatte.

1. Individualvertragliche Zusage eines Bonus

Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertragbeinhaltete eine Regelung über eine zusätzliche variableVergütung. Diese sollte unter Berücksichtigung der Er-tragslage der Bank nach Leistungsgesichtspunkten jähr-lich individuell neu festgelegt werden.Im August 2008 beschloss der Vorstand der Bank denMitarbeitern der Investmentsparte, in der auch der Klä-ger arbeitete, einen Bonuspool i.H.v. 400 Mio. � zur Ver-fügung zu stellen, worüber die Beschäftigten auch infor-miert wurden. Der Kläger hatte noch im Dezember 2008einen Brief bekommen, wonach sein Bonus vorläufig auf140.000 � brutto festgesetzt werde und die Bank sichvorbehalte, die vorläufige Bonusfestsetzung zu überprü-

fen und – falls erforderlich – den Betrag der vorläufigenBonusfestsetzung zu reduzieren.Im Februar 2009 wurde dem Kläger dann mitgeteilt, dasser eine um 90 % gekürzte Bonuszahlung erhalte. DerKläger klagte – erfolglos – auf die Zahlung der Differenzi.H.v. 123.164 � brutto.

2. Betriebsvereinbarung zur variablen Vergütung

Bei derselben Bank existierte eine Betriebsvereinbarungüber das Bonussystem im Tarifbereich. Diese sah vor,dass der Vorstand den Bonuspool für tariflich vergüteteMitarbeiter in Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis derBank festlegt. Weiter war in der Betriebsvereinbarungu.a. die Verteilung dieses festgelegten Bonuspools gere-gelt.Im August 2008 beschloss der Vorstand die Festlegungeines Bonuspools i.H.v. 400 Mio. �, was auch gegenüberden entsprechend Beschäftigten im Tarifbereich kom-muniziert wurde. Die Bank hatte im Geschäftsjahr 2008ein negatives operatives Ergebnis von über sechs Mrd. �erreicht.

3. Hintergrund

Die Entscheidungen des BAG1 sind vor dem Hintergrundder Bankenkrise 2008 mit großer öffentlicher Aufmerk-samkeit verfolgt worden, da unangemessene Bonuszah-lungen an Investmentbanker teilweise als mitursächlichfür die Bankenkrise angesehen wurden.Der Gesetzgeber hat in Reaktion hierauf u.a. das Vor-standsvergütungsgesetz und die Institutsvergütungsver-ordnung beschlossen. Hiermit sollten angemessene Ver-gütungssysteme gewährleistet werden, die auf einennachhaltigen Unternehmenserfolg ausgerichtet sind undMisserfolg nicht belohnen.2 Diese Neuregelungen habenin den Entscheidungen des BAG allerdings noch keine

* Rechtsanwälte Ulrich Weber & Partner GbR, Köln, www.ra-weber-partner.de.

1 BAG v. 12.10.2010 – 10 AZR 746/10, ArbRB 2012, 71(Braun), ArbRB online.

2 Siehe hierzu: Fröhlich, ArbRB 2010, 312 ff., ArbRB online.

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Rolle gespielt. Vielmehr konnten die Fälle mit grund-legenden arbeitsrechtlichen Instrumenten gelöst werden.

II. Gestaltungsspielraum

1. Ermessensbonus

Der Arbeitsvertrag zwischen der Bank und dem Mit-arbeiter des Investmentbereichs begründete lediglich ei-nen Anspruch des Arbeitnehmers, dass die Bank bei derFestlegung der variablen Vergütung die Grundsatze desbilligen Ermessens beachtete. In diesem Zusammen-hang kommt die gesetzliche Auslegungsregelung in§ 315 BGB zur Anwendung.

a) Leistungsbestimmung

Die Leistungsbestimmung (hier: die Festlegung des Bo-nus) erfolgt in einem solchen Fall durch Erklärung ge-genüber den anderen Teil, wobei die Bestimmung eineeinseitige empfangsbedürftige Willenserklärung in Aus-übung eines Gestaltungsrechts darstellt.3 Eine Leistungs-bestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die we-sentlichen Umstande des Falls abgewogen und die bei-derseitigen Interessen angemessen berucksichtigt wor-den sind. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, in demder Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffenhat.4

b) Gestaltungsspielraum

Die Ausübung der einseitig getroffenen Leistungsbestim-mung nach § 315 BGB hat rechtgestaltende Wirkungund ist regelmäßig unwiderruflich. Dies dient derRechtssicherheit und auch dem Schutz der Vertragspar-tei, die sich auf die Verbindlichkeit der ihr gegenüber ge-troffenen Bestimmung verlassen und auch ihr Verhaltendarauf einrichten darf. Die Leistungsbestimmung kon-kretisiert damit den Leistungsinhalt und durch die Be-stimmung erfolgt eine verbindliche Festlegung.Bei der Bestimmung besteht allerdings ein Gestaltungs-spielraum5 und nicht nur eine Entscheidung ist richtig.Vielmehr kommt es darauf an, ob sich die Bestimmungnoch in den Grenzen der Billigkeit hält. Eine solcheLeistungsbestimmung liegt aber nur vor, wenn sie die zubestimmende Leistung konkret festlegt.

c) Konsequenzen für den Streifall

aa) Keine konkrete Leistungsbestimmung

Im Streitfall stellte die Festlegung des Bonuspools nochkeine konkrete Leistungsbestimmung dar, da der Arbeit-nehmer die Höhe seines individuellen Bonus hierdurchweder ganz noch teilweise bestimmen konnte.

Beraterhinweis: Erst die konkrete Ausübung des Leis-tungsbestimmungsrechts führt zur Verbindlichkeit undBindung des Bestimmungsberechtigten.�

Eine Leistungsbestimmung war im Fall auch nicht durchden Bonusbrief von Dezember 2008 erfolgt, da die Bankausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Mitteilung hinge-wiesen und auch klargestellt hatte, dass sie sich vor-behält, die vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen.Die abschließende Festlegung und damit die konkrete

Leistungsbestimmung im Einzelfall sollte eben erst nocherfolgen.

bb) Berücksichtigung der Mitteilungen im Rahmendes Ermessens

Anders als das LAG in der Vorinstanz,6 das die Fest-legung des Bonuspools i.H.v. 400 Mio. � und die diesbe-zügliche Mitteilung an die Beschäftigten wohl nur alseine unverbindliche Ankündigung angesehen hatte, hatdas BAG dieses mitgeteilte Bonusvolumen allerdingsals einen bei der Ausubung des Ermessens im Rahmender Leistungsbestimmung wesentlichen Faktor berück-sichtigt.

Beraterhinweis: Die Festlegung und Mitteilung einesBonuspools bzw. Bonustopfes ist im Einzelfall noch kei-ne konkrete Leistungsbestimmung. Es handelt sich aberum einen maßgeblich in die Ermessensabwägung ein-zubeziehenden Gesichtspunkt.�

Der mitgeteilte Bonuspool ist Ausgangsbasis für die Be-stimmung des individuellen Bonus, von der nicht abge-wichen werden kann, ohne dass dafür besonders ge-wichtige Umstande vorliegen. In Anbetracht des negati-ven operativen Ergebnisses von über sechs Mrd. � hatdas BAG das Vorliegen solcher besonders gewichtigenUmstände hier jedoch angenommen, weshalb die erhebli-che Reduzierung der ursprünglich vorgesehenen Bonus-zahlung billigem Ermessen entsprach.Das BAG hat leider nicht näher konkretisiert, wann ge-nau derart „besonders gewichtige Umstände‘‘ vorliegen,derentwegen von einem Bonuspool als Ausgangsbasisfür die Bestimmung des individuellen Bonus abgewichenwerden kann und darf.

Beraterhinweis: Die Wahrung billigen Ermessens istübrigens nicht davon abhängig, ob der Arbeitgeber demArbeitnehmer bereits vorprozessual mitteilt, welche Um-stände und Interessen er bei seiner Leistungsbestimmungeingestellt hat. Eine materiell-rechtliche oder prozessualePräklusion des Arbeitgebers existiert nicht. Es kommt al-lein darauf an, ob die vom Arbeitgeber getroffene Leis-tungsbestimmung objektiv billigem Ermessen ent-spricht.�

2. Betriebsvereinbarung

Anders wurde allerdings ein Fall7 bewertet, in dem derBonus seine Grundlage nicht in einer individuellen Zusa-ge hatte, sondern vielmehr in einer Betriebsvereinbarung.Diese sah die Festlegung des Bonuspools durch denArbeitgeber vor und regelte die Verteilung des Pools.In dieser Konstellation hat das BAG den Beschluss, einenBonuspool i.H.v. 400 Mio. � zur Verfügung zu stellen,als Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts bewertet.

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

3 Erman/Hager, BGB, 12. Aufl., § 315 Rz. 16.4 BAG v. 25.10.2010 – 10 AZR 275/09, ArbRB 2010, 361 (Ran-

ge-Ditz), ArbRB online.5 Erman/Hager, BGB, § 315 Rz. 21.6 LAG Hess. v. 20.9.2010 – 7 Sa 44/10, ArbRB online.7 BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 649/10.

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

a) Keine Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers

Die Betriebsvereinbarung hatte der Bank zwar ein einsei-tiges Leistungsbestimmungsrecht i.S.d. § 315 BGB ein-geräumt, welches sich auf die Festlegung des Bonuspoolsbezog. Die daran anschließende Verteilung der Gelderauf die einzelnen Mitarbeiter war aber in der Betriebsver-einbarung konkret geregelt. Hierin liegt der maßgeblicheUnterschied zu dem vorstehend genannten Fall einerLeistungsbestimmung im Einzelfall.Mit der Feststellung des Bonustopfes ist hier, so dasBAG, eine Leistungsbestimmung nach § 315 BGB ab-schließend erfolgt. Eine einseitige Neubestimmung desBonuspools war nach seiner Festsetzung nicht mehrmöglich; auch eine – mit dem Betriebspartner vereinbar-te – einvernehmliche Anpassung des Bonuspools warnicht erfolgt. Da Betriebsvereinbarungen gem. § 77Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend geltenund der klagende Arbeitnehmer die Voraussetzungen fürdie Bonusgewährung nach der Betriebsvereinbarung er-füllt hatte, hatte er einen Anspruch auf die variable Ver-gütung – und zwar trotz des negativen Unternehmens-ergebnisses.

b) Unwiderruflichkeit der Leistungsbestimmung?

Bemerkenswert ist die Auseinandersetzung des BAG mitder Problematik der der Rechtssicherheit und dem Schutzder nicht bestimmungberechtigten Vertragspartei dienen-den Unwiderruflichkeit der einmal getroffenen einseiti-gen Leistungsbestimmung. Nach der Feststellung, dassdie einseitige Leistungsbestimmung grds. unwiderruf-lich ist, führt das BAG nämlich weiter aus, etwas ande-res könne bei Dauerschuldverhaltnissen und mit ihnenvergleichbaren, auf Dauer angelegten sonstigen Rechts-verhältnissen gelten. Das soll der Fall sein, wenn sich

durch die Änderung der tatsächlichen oder rechtlichenVoraussetzungen eine ursprünglich der Billigkeit ent-sprechende Leistungsbestimmung nachtraglich als un-billig und unbrauchbar erweist. In solchen Fällen kön-ne eine Änderung der Leistungsbestimmung gestattetoder sogar geboten sein.Vor dem Hintergrund, dass im Fall der Zusage eines indi-viduellen Ermessensbonus das Vorliegen „besonders ge-wichtiger Umstände‘‘ für eine Abweichung von dem mit-geteilten Bonuspool bejaht wurde, hätte man hier vertief-te Ausführungen erwartet, ob nicht ausnahmsweise ausGründen der Billigkeit eine Neubestimmung der Leis-tung gestattet und geboten sein muss. Richtigerweisemüssten die Überlegungen der ausnahmsweise mögli-chen Neubestimmung der Leistung aus Gründen der Bil-ligkeit auch dann angestellt werden, wenn sich das ein-seitige Leistungsbestimmungsrecht aus einer Betriebs-vereinbarung ergibt. Der kollektive Hintergrund desLeistungsbestimmungsrechts begründet nämlich keinenWertungsunterschied.In solchen Fallkonstellationen obliegt es dem Arbeit-geber als eine Anspruchsvoraussetzung auch das Errei-chen eines bestimmten Unternehmensergebnisses zunennen. Unterbleibt dies, wie im entschiedenen Fall,kann trotz eines negativen Ergebnisses ein Bonus-anspruch bestehen. Die Entscheidung macht daher deut-lich, wie wichtig es für einen Arbeitgeber ist, beizeiteneine – eigentlich selbstverständliche – Grundvorausset-zung in die Bonusregelung aufzunehmen.

Beraterhinweis: Bei der Gestaltung von Bonussystemensollte stets darauf geachtet werden, auch eine bestimmteSchwelle zu nennen, bei deren Unterschreitung eine Bo-nuszahlung ausscheidet.�

� Mitbestimmung bei ZielvereinbarungenUmfangreiche Beteiligungsrechte des Betriebsrats stellen Flexibilität infrage

von RA FAArbR Werner M. Mues*

Erst kürzlich hat das BAG entschieden, dass Arbeitgeberohne besondere vertragliche Vereinbarung nicht ver-pflichtet sind, den Betrieb so zu organisieren, dass sichdie Höhe der erfolgsabhängigen Vergütung der Arbeit-nehmer nicht verändert (BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR98/11). Eine Leistungsstörung kann in der Praxis aller-dings nicht nur auf individualrechtlicher Ebene Proble-me bereiten. Denn Zielvereinbarungen unterliegen gem.§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in erheblichem Umfang derMitbestimmung des Betriebsrats, wobei die Grenzennicht immer klar sind. Nachfolgend soll aufgezeigt wer-den, wie weit das Mitbestimmungsrecht konkret reichtund mit welchen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten

Arbeitgeber einer „Mitbestimmungsfalle‘‘ entkommenkönnen.

I. Zweck und Inhalt von Zielvereinbarungen

Bei der „Führung durch Zielvereinbarungen‘‘1 handelt essich um eine Methode der Unternehmensführung. Hier-mit soll eine Ergebnisoptimierung durch Leistungssteige-rung unter Einsatz von variablen Vergütungsanreizen er-reicht werden.Dabei wird wie folgt vorgegangen:� Aus übergeordneten strategischen Unternehmenszie-

len werden Einzelziele für Arbeitnehmergruppenund Arbeitnehmer abgeleitet.

� Für deren Erreichung innerhalb eines definiertenZeitraums wird ein entsprechend dem Grad der

* CBH – Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner, Köln.1 „Management by Objectives‘‘ (MBO).

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Zielerreichung berechnetes zusätzliches variablesEntgelt gezahlt.

Anspruchsgrundlage für den variablen Vergütungs-bestandteil (Bonus, Prämie) ist eine Vereinbarung im Ar-beitsvertrag. Daneben steht ein abstrakt-generelles Re-gelwerk über das System der Zielvereinbarungen, ausdem sich dann die für den Arbeitnehmer konkret gelten-de Regelung ergibt.

II. Zweck und Inhalt der Mitbestimmung des Be-triebsrats

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat einumfassendes Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf allegenerellen kollektiven Entlohnungsregelungen. DasMitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Struktur desLohnes und dessen Vollziehungsformen, aber nicht aufdie Lohnhöhe.2 Es soll nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVGAngemessenheit und Durchsichtigkeit des betriebsinter-nen Lohngefüges sowie die innerbetriebliche Lohn-gerechtigkeit gewährleisten. Damit dient das Mitbestim-mungsrecht der Verteilungsgerechtigkeit im Betrieb.3

Dieser Zweck des Mitbestimmungsrechts kommt grds.auch bei einem System der variablen Vergütung nachZielvereinbarungen zum Tragen.4

III. Umfang der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1Nr. 10 BetrVG bei Zielvereinbarungen

1. Bestimmung des Anteils der variablen Vergütung

Zur betrieblichen Lohngestaltung gehören� die Festlegung des Verhältnisses von festen zu varia-

blen Einkommensbestandteilen sowie� die Festlegung des Verhältnisses der variablen Ein-

kommensbestandteile untereinander.Bei diesen Entscheidungen hat der Betriebsrat mit-zubestimmen. Sinn und Zweck des Mitbestimmungs-rechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist es, einen Aus-gleich zu schaffen zwischen dem berechtigten Interessedes Arbeitgebers an einer leistungsabhängigen Vergütungund den Belangen der Belegschaft bei der Ausgestaltungdes Entgeltsystems.5

Beraterhinweis: Bei der nachtraglichen Variabilisie-rung eines Teils der bisherigen Fixvergütung könnensich Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt der In-haltskontrolle ergeben.�

2. Ergebnisabhängige Staffelung der variablen Ver-gütung

Das Mitbestimmungsrecht besteht auch bei der Fest-legung der Bezugsgrößen.

Beispiel

Mitbestimmungspflichtig ist etwa die Frage, ob bei Erreichen einerbestimmten Umsatzgrenze die Provisionssatze linear, progressivoder degressiv verlaufen, sowie die abstrakte Staffelung der Sätzeder variablen Vergütung.6

3. Zuordnung einzelner Artikel zu Provisionsgrup-pen

Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bezieht sich zwarnicht auf den Geldfaktor, aber auf alle anderen Elemente,die das System im Einzelnen ausgestalten und zu einemin sich geschlossenen System machen. Danach unterliegtauch die Zuordnung der einzelnen Artikel zu den Provisi-onsgruppen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsratsnach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.7

4. Zuordnung von Geldbeträgen zu Leistungsgraden

Der Betriebsrat hat bei einem Prämiensystem nach § 87Abs. 1 Nr. 10 BetrVG über den Verlauf der Pramien-kurve mitzubestimmen. Dazu gehört auch die Zuord-nung von Geldbeträgen zu bestimmten Leistungsgra-den.8

5. Festlegung der Punktzahl bei einem Punktesys-tem

Ist ein Vergütungssystem derart ausgestaltet, dass mit je-dem Abschluss eines bestimmten Geschäfts eine be-stimmte Zahl von Provisionspunkten verdient und jederProvisionspunkt einheitlich mit einem bestimmten Geld-betrag vergütet wird, so unterliegt die Festlegung derPunktzahl für jedes Geschäft der Mitbestimmung desBetriebsrats. Die Bestimmung des Geldbetrags je Pro-visionspunkt ist mitbestimmungsfrei.9

6. Verwendung von Formularen

Die Verwendung von Formularen für die individuellenZielvereinbarungen und deren Inhalte unterliegen als Re-gelung des Verfahrens der Zielvereinbarungen ebenfallsder Mitbestimmung des Betriebsrats.

Beraterhinweis: Ein beiderseits unterzeichnetes Formu-lar sollte die Erklärung beinhalten, dass die Zielverein-barung nur fur die vereinbarte Periode als Ergänzungdes Arbeitsvertrags gilt.�

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

2 BAG v. 6.12.1988 – 1 ABR 44/87, NZA 1989, 479 = EzA§ 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 23 =ArbRB online.

3 BAG v. 24.4.2001 – 1 AZR 583/00, NZA 2002, 55 = EzA § 87BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 71 = ArbRB on-line.

4 LAG Düsseldorf v. 20.3.2007 – 8 TaBV 15/07, LAGE § 98ArbGG 1979 Nr. 48a = ArbRB online.

5 BAG v. 6.12.1988 – 1 ABR 44/87, NZA 1989, 479 = EzA§ 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 23 =ArbRB online.

6 So schon BAG v. 29.3.1977 – 1 ABR 123/74, BAGE 29, 103 =EzA § 87 BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 2 = ArbRB online.

7 BAG v. 26.7.1988 – 1 AZR 54/87, NZA 1989, 109 = EzA § 87BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 16 = ArbRB online; v.25.6.1996 – 1 AZR 853/95, ArbRB online.

8 BAG v. 16.12.1986 – 1 ABR 26/85, NZA 1987, 568 = EzA§ 87 BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 14 = ArbRB online.

9 BAG v. 13.3.1984 – 1 ABR 57/82, NZA 1984, 2145 = EzA§ 87 BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 10 = ArbRB online.

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7. Definition der Anforderungen an zulässige Ziele

Die abstrakten Anforderungen an zulässige Ziele unter-liegen ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats.Hierzu gehören insbesondere� Klarheit und Eindeutigkeit,� Erreichbarkeit und Messbarkeit,� Beeinflussbarkeit und Zumutbarkeit der Ziele sowie� deren Zugehörigkeit zur vertragsgemäßen Beschäfti-

gung des Arbeitnehmers.Der Betriebsrat kann auch die Festlegung einer maxima-len Anzahl zulässiger Ziele und die Begrenzung des An-teils von Gruppenzielen verlangen.

Beraterhinweis: Für alle einzelnen Ziele muss im Vo-raus geklärt sein, dass Beurteilungsmaßstäbe und Mess-verfahren für die Zielerreichung tatsächlich existieren.�

8. Regelung der Konsequenzen bei Leistungsstörung

Regelungen über die Auswirkung einer Zielverfehlungaufgrund von Umständen, die vom Arbeitgeber zu ver-treten sind, sind ebenfalls von der umfassenden Mit-bestimmung gedeckt. Dies schließt die konkrete Ver-pflichtung zur Zahlung eines Durchschnitts aus frühe-ren Zielvereinbarungsperioden für bestimmte Situationenein.10

MusterformulierungBeruht das Nichterreichen von Zielen auf Ursachen,die der Arbeitgeber zu vertreten hat, ist die Prämie fürdiese Ziele auf der Basis des Durchschnitts des Zieler-reichungsgrads der letzten zwei Halbjahre zu ermit-teln.

9. Regelung von Meinungsverschiedenheiten

Auch eine Regelung des Verfahrens über die Beilegungvon Meinungsverschiedenheiten – sowohl bei der Ziel-vereinbarung als auch bei der Bestimmung des Grads derZielerreichung – etwa durch Einrichtung einer betriebli-chen Schlichtungsstelle unterliegt der Mitbestimmunggem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Zielvereinbarungen.

Beraterhinweis: Die betriebliche Schlichtungsstellekann nur Regelungsfragen entscheiden, nicht jedochRechtsfragen. Die Anrufung des Arbeitsgerichts durchden Arbeitnehmer kann sie nicht ausschließen.�

10. Erzwingbarkeit und Nachwirkung

Zu all diesen einzelnen Regelungsgegenständen hat derBetriebsrat auch ein Initiativrecht; im Streitfall ent-scheidet die Einigungsstelle gem. §§ 87 Abs. 2, 76Abs. 5 BetrVG.

Ist die Entscheidung der Einigungsstelle aus der Sichtdes Arbeitgebers dermaßen unerträglich, dass sich fürihn die Sinnfrage für das gesamte System der Zielverein-barungen stellt, kann er die durch den Spruch der Eini-gungsstelle zustande gekommen Regelung zwar grds.kundigen. Er bleibt jedoch nicht nur für die Dauer derdurch das Gesetz in § 77 Abs. 5 BetrVG oder durch denSpruch der Einigungsstelle hiervon abweichend vorgege-benen Kündigungsfrist an die Regelung gebunden, son-dern auch für den Zeitraum der Nachwirkung gem. § 77Abs. 6 BetrVG bis zum Abschluss einer Neuregelung,die im Streitfall wiederum durch ein anderes Einigungs-stellenverfahren herbeigeführt werden muss.

IV. Abgrenzung zu anderen Mitbestimmungstat-beständen

1. Verhaltensregelung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

Zielvereinbarungen betreffen regelmäßig nicht das Ord-nungsverhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, so dassdas Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVGzumeist nicht einschlägig ist. Dies kann nur ganz aus-nahmsweise dann anders sein, wenn es um die Regelungder Art und Weise der Durchfuhrung von Mitarbeiter-fordergesprachen mit Zielvereinbarung unter Einsatzhierzu vorgegebener Formulare für einen standardisiertenAblauf der Gesprächsführung geht.11

2. Festsetzung akkordähnlicher Leistungsentgeltegem. § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG

Auch der in § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG angesprocheneMitbestimmungstatbestand ist bei Zielvereinbarungen re-gelmäßig nicht einschlägig. Ein dem Akkord- und Prä-mienlohn vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt liegtnur vor, wenn eine Leistung des Arbeitnehmers gemes-sen und mit einer Bezugsleistung verglichen und dasnach dem Verhältnis der gezeigten Leistung zur Bezugs-leistung bemessene Entgelt für eben diese gezeigte Leis-tung gezahlt wird.12 Dies trifft auf Provisionen und damitauch auf Boni aus Zielvereinbarungen nicht zu.Der Schutz des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat rea-lisiert sich daher bei Zielvereinbarungen nur auf der in§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG angesprochenen Ebene einerRegelung der abstrakt-generellen Rahmenbedingungender Leistungsgewährung, nicht aber auf der Ebene derFestsetzung der konkreten Geldfaktoren.

V. Überwachungs- und Kontrollrechte des Betriebs-rats gem. § 80 BetrVG

Der Betriebsrat kann bei Bestehen eines kollektiven Ziel-vereinbarungssystems die Einsichtnahme in die kon-kret abgeschlossenen Zielvereinbarungen verlangen,soweit dies zur Überwachung der Umsetzung dieses Sys-tems erforderlich ist. Der Anspruch ergibt sich aus derPflicht des Arbeitgebers nach § 80 Abs. 2 Satz 1BetrVG, den Betriebsrat zur Durchführung seiner ge-setzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unter-richten.13

Die Einsicht in die Gehaltslisten ersetzt dieses Rechtnicht, da in diesen Listen lediglich vermerkt ist, dass dieentsprechenden Mitarbeiter Boni erhalten haben, aber

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

10 Hierzu: BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, BAG PM Nr. 14/12.

11 Vgl. hierzu LAG BW v. 12.6.1995 – 16 TaBV 12/94, ArbRBonline.

12 BAG v. 22.10.1985 – 1 ABR 67/83, NZA 1986, 296 = EzA§ 87 BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 11 = ArbRB online.

13 ArbG München v. 10.11.2010 – 38 BV 257/10, AuR 2011,79 = ArbRB online.

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

nicht, aufgrund welcher einzelner Absprachen, Gesprä-che, Beurteilungen oder Zielvereinbarungen dies gesche-hen ist.14

Beraterhinweis: Nach den Grundsätzen der Entschei-dung des BAG vom 10.10.200615 kann über die Einsicht-nahme hinaus ein Anspruch auf Überlassung von Kopienbestehen.�

VI. Einzelvertragliche Vereinbarungen

Im Normalfall einer freiwilligen Leistung kann ein Ar-beitgeber sich von einer für ihn nicht mehr akzeptablenBetriebsvereinbarung ohne Nachwirkung dadurch befrei-en, dass er die Entscheidung über die vollständige Ein-stellung der freiwilligen Leistung trifft und die Betriebs-vereinbarung mit dieser Begründung kündigt.

Beraterhinweis: Bis zur Kommunikation der Absichteiner vollständigen Einstellung der Leistung kann derArbeitgeber an deren Gewährung gebunden bleiben.16�

Bei Zielvereinbarungen ist ihm diese Option verschlos-sen, wenn er in den Arbeitsvertragen mit seinen Arbeit-nehmern eine weiterhin geltende Verpflichtung zur Zah-lung eines variablen Vergütungsbestandteils nach Maß-gabe von Zielvereinbarungen eingegangen ist.Wichtig! Damit kommt es darauf an, ob in den Arbeits-verträgen eine – auch im Hinblick auf die Rechtspre-chung zur Inhaltskontrolle – wirksame Auffanglosungfür den Fall der vorbehaltenen Abschaffung des varia-blen Vergutungsbestandteils etwa durch Umwandlungin eine Aufstockung der Festvergütung vorgesehen wird.Nur dann hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Ziel-vereinbarungen abzuschaffen, und kann sich unter Ein-haltung anwendbarer Fristen von einem für ihn unvertret-baren Ergebnis der Mitbestimmung befreien.

MusterformulierungWird die Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarun-gen von einer Seite gekündigt, ist der Arbeitgeber be-rechtigt, ab dem Ablauf der Kündigungsfrist den va-

riablen Bonus in Höhe eines Grads der Zielerreichungvon 100 % des Durchschnitts der letzten drei Zielver-einbarungen durch eine Erhöhung der Fixvergütungum denselben Betrag zu ersetzen, bis in freien Ver-handlungen mit dem Betriebsrat ohne Entscheidungeiner Einigungsstelle eine neue Betriebsvereinbarungabgeschlossen wird.

Nur auf diesem Wege hat der Arbeitgeber die Wahl, ent-weder Ergebnisse der Mitbestimmung zu akzeptierenoder auf die Leistungsmotivation durch Vergütungsanreizzu verzichten.

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse

Zielvereinbarungen sind als Instrument der Unterneh-mensführung mit einer im Detail sehr weitreichendenMitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10BetrVG verbunden. Hierdurch können die Effektivitätund der Nutzen des Führungsinstruments aus Sicht desArbeitgebers infrage gestellt werden. Wegen des Zusam-menwirkens von individualrechtlich begründeter Bin-dung an die Gewährung eines variablen Vergütungs-bestandteils und der Nachwirkung mitbestimmter Rege-lungen ist ein Ausweg aus der „Mitbestimmungsfalle‘‘nur durch entsprechende Vorsorge auf der Ebene der in-dividualrechtlichen Vertragsgestaltung eröffnet. Hatder Arbeitgeber sich die Umwandlung des variablen Ver-gütungsbestandteils in den Anstellungsverträgen nicht inwirksamer Weise konkret geregelt vorbehalten, bleibt erdauerhaft in dem „Perpetuum mobile‘‘ der Mitbestim-mung des Betriebsrats bei seinen Zielvereinbarungen ge-fangen.

� Besonderheiten bei der Beschäftigung von ProkuristenWechselspiel zwischen Arbeits- und Handelsrecht

von Professor Dr. jur. Wolfgang Kleinebrink *

Die Prokura ist lediglich eine im Handelsrecht geregeltebesondere gesetzliche Gestaltung einer rechtsgeschäft-lich erteilten Vertretungsmacht. Aus ihr können sich den-noch arbeitsrechtliche Besonderheiten ergeben. Diesehängen ihrerseits davon ab, wie die Prokura handels-rechtlich ausgestaltet ist. Wichtige arbeitsrechtliche Fol-gen bei der Beschäftigung von Prokuristen sollen des-halb im folgenden Beitrag unter Berücksichtigung dergewählten handelsrechtlichen Gestaltung beleuchtet wer-den.

I. Handelsrechtliche Gestaltung

Für die Beurteilung der arbeitsrechtlichen Auswirkungender Beschäftigung eines Prokuristen ist handelsrechtlichvon Bedeutung, wie das Innenverhältnis ausgestaltet undob der Prokurist alleine oder nur zusammen mit anderenzur Vertretung berechtigt ist.

14 LAG Nürnberg v. 17.11.2009 – 6 TaBV 41/09, AiB 2010, 482.15 BAG v. 10.10.2006 – 1 ABR 68/05, ArbRB 2007, 41 (Sasse),

ArbRB online = EzA § 80 BetrVG 2001 Nr. 6.16 BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 20/09, MDR 2011, 734 = ArbRB

2011, 73 (Mues), ArbRB online = EzA § 87 BetrVG 2001 Be-triebliche Lohngestaltung Nr. 23.

* Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände e.V. (VBU),Wuppertal; Honorarprofessor an der Hochschule Niederrhein.

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1. Prokura als besondere Vertretungsmacht

Die Prokura ist eine handelsrechtliche Vollmacht. Sieverleiht dem Prokuristen keine gesetzliche Vertretungs-macht, sondern lediglich eine in § 49 HGB gesetzlichumschriebene Vertretungsmacht.Der Umfang der Prokura ergibt sich aus § 49 Abs. 1HGB. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gericht-lichen und außergerichtlichen Geschaften und Rechts-handlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbesmit sich bringt. Erfasst sind damit nicht nur die täglichenRechtsgeschäfte, sondern z.B. auch die Begründung undBeendigung von Dauerschuldverhältnissen wie Arbeits-verhältnissen. Nicht mehr zum „Betrieb eines Handels-gewerbes‘‘ gehören Grundlagengeschafte, d.h. Rechts-handlungen, die die Struktur des Unternehmens betreffenwie z.B. die Einstellung des Handelsgeschäfts.1

Unerheblich ist, ob der Prokurist im Innenverhaltnis zuseinem Arbeitgeber berechtigt war, diesen Vertrags-schluss zu tätigen.

2. Das Innenverhältnis – Prokura ohne Arbeitsver-trag

Die Prokura ist nicht von einem Arbeitsvertrag abhängig.Im Innenverhältnis zwischen dem Unternehmensträgerund dem Prokuristen kann zwar ein Dienstvertrag beste-hen, dies ist aber nicht zwingend notwendig.2

Beraterhinweis: In der Praxis muss daher vorsorglichimmer zunächst geprüft werden, ob überhaupt arbeitsver-tragliche Beziehungen bestehen, wenn die Eigenschaftals Arbeitnehmer von Bedeutung ist.�

3. Einzel- und Gesamtprokura

Die arbeitsrechtlichen Auswirkungen, die sich aus derBeschäftigung eines Prokuristen ergeben, hängen teilwei-se von der Art der erteilten Prokura ab:� Eine Einzelprokura, die nach §§ 48 ff. HGB den

gesetzlichen Standardfall darstellt, begründet dieweitestgehende Vertretungsmacht. Der Prokuristkann das Rechtsgeschäft grds. allein tätigen.

� Die Prokura kann auch an mehrere Personen gemein-schaftlich erteilt werden (Gesamtprokura, § 48Abs. 2 HGB). Handelt nur einer von mehreren Ge-samtprokuristen, ist er nach § 177 BGB ein Vertreterohne Vertretungsmacht.3

� Eine gemischte – oder unechte – Gesamtprokuraist gegeben, wenn ein Prokurist nur gemeinsam mit

Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern oder Vor-standsmitgliedern, d.h. den Organen einer Gesell-schaft, Vertretungsmacht hat bzw. ein solcher organ-schaftlicher Vertreter nur zusammen mit einem Pro-kuristen handeln kann.4

Beraterhinweis: Umstritten ist, ob die Prokura bei ei-nem Betriebsübergang bestehen bleibt, wenn das Ar-beitsverhältnis des Prokuristen übergeht.5�

II. Vertragsgestaltung

1. Erteilung

Die Prokura kann bereits zu Beginn des Anstellungsver-hältnisses erteilt werden.

Beraterhinweis: Empfehlenswert ist dies allerdingsnicht, da zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nichtfeststeht, ob der Angestellte das mit der Erteilung einerProkura verbundene Vertrauen rechtfertigt. Ratsam istdeshalb, die Erteilung im Anstellungsvertrag erst für ei-nen späteren Zeitpunkt vorzusehen, sofern das Anstel-lungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch ungekündigtbesteht.�

MusterformulierungZwischen den Parteien des Arbeitsvertrags besteht Ei-nigkeit, dass dem Angestellten zum ... (Datum) Ein-zelprokura erteilt wird, sofern das Anstellungsverhält-nis zu diesem Zeitpunkt noch ungekündigt besteht.Der Angestellte wird die Prokuraerteilung dann an-nehmen.

2. Widerruf

a) Widerrufsrecht

Eine einmal erteilte Prokura kann nach § 52 Abs. 1 HGBgrds. vom Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden. DerArbeitnehmer kann allerdings weiter seine vertragsgemä-ße Vergütung verlangen. Den Bestand des Arbeitsver-hältnisses berührt ein derartiger Widerruf nicht. Dies er-gibt sich aus § 168 Satz 2 BGB.

Beraterhinweis: Endet das Arbeitsverhältnis, erlischtnach § 168 Satz 1 BGB allerdings damit auch die Pro-kura.�

Die Möglichkeit zum Widerruf hat der Arbeitgeber auchdann, wenn im Arbeitsvertrag die Erteilung der Prokuravorgesehen und ein Recht zum Widerruf nicht vereinbartist. Eine Beschränkung des Widerrufsrechts wäre grds.mit § 52 Abs. 1 HGB nicht vereinbar.6 Auch das Verspre-chen, jemandem Prokura zu erteilen, ist deshalb nicht er-zwingbar.7

Beraterhinweis: Die freie Widerrufbarkeit der Prokuraist ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn hierfür gesell-schaftsrechtliche Gründe bestehen. Ein Entzug der Pro-kura ist entsprechend §§ 117, 127 HGB insbesondere nuraus wichtigem Grund möglich, wenn ein von der organ-schaftlichen Vertretung ausgeschlossener Gesellschaftereiner Personengesellschaft im Gesellschaftsvertrag zumProkuristen bestellt wurde.8�

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

1 Vgl. LAG München v. 5.9.1986 – 3 Sa 446/86; Besgen/Nadler,Handbuch Führungskräfte, Teil 1 Rz. 133; Schmidt, Handels-recht, 5. Aufl., S. 465; s. aber auch § 49 Abs. 2 HGB.

2 Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 16 III. 1. b) S. 459.3 Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Saenger, Gesell-

schaftsrecht, 2. Aufl., D 1 Rz. 233.4 Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Saenger, Gesell-

schaftsrecht, 2. Aufl., D 1 Rz. 236.5 Bejahend Gaul, Der Betriebsübergang, S. 182 ff.; ablehnend

Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Saenger, Gesell-schaftsrecht, 2. Aufl., D 1 Rz. 241; Commandeur/Kleinebrink,Firmen- und Betriebsübergang, 2. Aufl., Rz. 389 ff.

6 BAG v. 26.8.1986 – 3 AZR 94/85, ArbRB online.7 Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., S. 478.8 BGH v. 27.6.1955 – II ZR 232/54, BGHZ 17, 392 (396).

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b) Folgen eines Widerrufs

Lehnt es der Arbeitgeber ab, einem Angestellten Prokurazu erteilen oder eine widerrufene Prokura zu erneuern,nachdem der Anlass ihrer Entziehung weggefallen ist, sostellt dies allein keinen wichtigen Grund dar, der eine au-ßerordentliche Kundigung des Arbeitnehmers nach§ 626 Abs. 1 BGB rechtfertigt. Ein solcher wichtigerGrund kann aber gegeben sein, wenn es dem Angestell-ten nach den besonderen Umstanden des Einzelfalls un-zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis ohne Prokura fort-zusetzen. In diesem Fall kann dem außerordentlich kün-digenden Angestellten nach § 628 Abs. 2 BGB ein An-spruch auf Ersatz des durch die Beendigung des Dienst-verhältnisses entstehenden Schadens zustehen.9 Außer-dem ist ein vertraglicher Schadensersatzanspruch denk-bar, wenn eine Prokura vertragswidrig widerrufen – odernicht erteilt – wird.10

Im Anstellungsvertrag sollte vor diesem Hintergrunddas Recht zum Widerruf aufgenommen werden, umeventuelle Schadensersatzansprüche zu vermeiden unddem Arbeitnehmer das Recht zur außerordentlichen Kün-digung zu nehmen. Ferner kann geregelt werden, dasseine Gehaltszulage für die Stellung als Prokurist entfällt,wenn die Prokura nicht mehr besteht.

MusterformulierungDie Prokura kann vom Arbeitgeber jederzeit widerru-fen werden. Für die Dauer ihres Bestehens erhält derArbeitnehmer eine monatliche Gehaltszulage i.H.v. ...� brutto.

III. Arbeitsrechtliche Auswirkungen

Die arbeitsrechtlichen Auswirkungen einer Prokura zei-gen sich insbesondere im Betriebsverfassungsrecht undbei der Anwendbarkeit von Schutzgesetzen zugunstendes Prokuristen.

1. Geltung des BetrVG

Aus der Erteilung einer Prokura kann sich ergeben, dassder Angestellte allein dadurch zum leitenden Angestell-ten wird und nur noch eingeschränkt unter das BetrVGfällt.

a) Prokurist als leitender Angestellter

Das Betriebsverfassungsgesetz findet, soweit in ihmnicht ausdrucklich etwas anderes bestimmt ist, nach § 5Abs. 3 BetrVG keine Anwendung auf leitende Ange-stellte. Leitender Angestellter ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2Nr. 2 BetrVG u.a. ein Arbeitnehmer, der� Prokura hat und� bei dem die Prokura im Verhältnis zum Arbeitgeber

nicht unbedeutend ist.Unerheblich ist, mit welchem Umfang die Prokura in dasHandelsregister eingetragen wurde. Entscheidend ist al-lein die tatsachliche Durchfuhrung des Arbeitsverhält-nisses und damit die Aufgabenzuweisung, d.h. nebendem rechtlichen Können die inhaltliche Durchführungund damit das tatsächliche Dürfen.11

Der Prokurist muss einen erheblichen Entscheidungs-spielraum besitzen und maßgeblichen Einfluss auf dieUnternehmensführung ausüben, weil es sonst an demvom Gesetzgeber für den Personenkreis der leitendenAngestellten angenommenen Interessengegensatz zumBetriebsrat fehlen würde.12 Verlangt wird deshalb, dassder Prokurist unternehmerische Fuhrungsaufgabenwahrnimmt.13 Nicht ausreichend ist insoweit, wenn derProkurist lediglich eine Stabsfunktion innehat, da der un-ternehmerische Einfluss dann auf das Innenverhältniszum Unternehmer beschränkt ist.

b) Betriebsverfassungsrechtliche Folgen

aa) Grds. keine Anwendbarkeit des BetrVG

Handelt es sich bei dem Prokuristen um einen leitendenAngestellten i.S.d. BetrVG, greifen dessen Regelungengrds. nicht. Dieser fällt stattdessen unter das Sprecher-ausschussgesetz. Der Arbeitgeber trägt aber das Risiko,die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Prokuris-ten falsch zu beurteilen.

Beraterhinweis: Wird einem Arbeitnehmer währenddes Bestands des Anstellungsverhältnisses eine Prokuraerteilt, die ihn erst zum leitenden Angestellten i.S.d.BetrVG macht, unterliegt diese Beförderung für sich ge-nommen nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebs-rats nach § 99 BetrVG.14�

bb) Ausnahme

Das BetrVG findet aber nach § 5 Abs. 3 BetrVG aus-nahmsweise auch auf leitende Angestellte Anwendung,wenn dies ausdrucklich bestimmt ist. Eine beabsichtigteEinstellung oder personelle Veranderung eines leiten-den Angestellten ist z.B. nach § 105 BetrVG dem Be-triebsrat rechtzeitig mitzuteilen.

Beispiel

Eine solche Veranderung ist gegeben, wenn einem AngestelltenProkura erteilt und er damit zum leitenden Angestellten befördertwird oder die einem Angestellten erteilte Prokura widerrufen under dadurch wieder zum „normalen‘‘ Angestellten herabgestuftwird.15

Beraterhinweis: Wird allerdings im Zusammenhangmit der Erteilung der Prokura oder des Widerrufs einerProkura der Arbeitsvertrag geändert, braucht der Arbeit-geber dies dem Betriebsrat nicht mitzuteilen.16�

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

9 BAG v. 26.8.1986 – 3 AZR 94/85, ArbRB online; v. 17.9.1970– 2 AZR 439/69, DB 1971, 391.

10 BAG v. 26.8.1986 – 3 AZR 94/85, ArbRB online.11 HSWGNR/Rose, 8. Aufl., § 5 BetrVG Rz. 173.12 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, ArbRB 2009, 327 (Lunk),

ArbRB online; v. 11.1. 1995 – 7 ABR 33/94, ArbRB online.13 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/98, ArbRB 2009, 327 (Lunk),

ArbRB online; v. 22.2.1994 – 7 ABR 32/93, ArbRB online.14 BAG v. 29.1.1980 – 1 ABR 49/78, DB 1980, 1946; v. 5.2.1977

– 1 ABR 22/76, ArbRB online.15 KR/Etzel, 9. Aufl., § 105 BetrVG Rz. 16.16 KR/Etzel, 9. Aufl., § 105 BetrVG Rz. 26.

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cc) Befugnis zum Abschluss von Betriebsverein-barungen

Da der Prokurist keine Grundlagengeschafte vorneh-men darf,17 ist er auch nicht berechtigt, für den Unter-nehmensträger Betriebsvereinbarungen mit dem Be-triebsrat abzuschließen, die in die Unternehmensorga-nisation eingreifen.

Beispiel

Dies ist bei einem Interessenausgleich und Sozialplan der Fall,die Betriebseinschränkungen oder Betriebsstilllegungen zum Ge-genstand haben.18

Hierzu bedarf es einer gesonderten Ermachtigungdurch den Unternehmensträger, wenn derartige Verein-barungen zu dessen Lasten gelten sollen. Liegt eine sol-che gesonderte Ermächtigung nicht vor, handelt der Pro-kurist ohne Vertretungsmacht.

2. Geltung von Arbeitnehmerschutzgesetzen

Es gibt keine allgemeine gesetzliche Regelung, ob einProkurist unter arbeitsrechtliche Schutzgesetze fällt odernicht. Dies hängt vielmehr vom persönlichen Geltungs-bereich des jeweiligen Gesetzes ab.

a) Kündigungsschutzgesetz

aa) Leitender Angestellter i.S.d. KSchG

Die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungs-schutzgesetzes gelten nach § 14 Abs. 2 KSchG nicht un-eingeschränkt für Geschäftsführer, Betriebsleiter undahnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selb–standigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitneh-mern berechtigt sind.Zur selbständigen Einstellung oder Entlassung sind nursolche Arbeitnehmer berechtigt, die eine entsprechendeBefugnis formal im Außenverhältnis haben.19 Die Befug-nis muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeit-nehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Ar-beitnehmer erfassen. Diese formalen Voraussetzungenerfüllt ein Arbeitnehmer, dem Einzelprokura erteilt wur-de, da er im Außenverhältnis nach § 50 Abs. 1 HGB um-fassend zu derartigen personellen Maßnahmen berechtigtist.Allein ausreichend ist die formal bestehende Vertre-tungsmacht – und damit die Prokura – aber nicht. DiePersonalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tä-tigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht „nur

auf dem Papier stehen‘‘. Sie muss tatsächlich ausgeübtwerden.20 Hieran fehlt es, wenn der Prokurist tatsächlichnicht in einem größeren Umfang einstellt oder entlässt.

bb) Rechtsfolgen

Handelt es sich demnach bei einem Prokuristen um einenleitenden Angestellten i.S.d. KSchG, ist der Bestands-schutz eingeschränkt. Kündigt ein Arbeitgeber dem Pro-kuristen fristgerecht, so kann auf Antrag des Arbeit-gebers das Arbeitsverhältnis auch dann aufgelost wer-den, wenn das Gericht die Kündigung nicht für sozial ge-rechtfertigt hält und das Arbeitsverhältnis damit eigent-lich fortbesteht. Als Zeitpunkt für die Auflösung des Ar-beitsverhältnisses hat das Gericht nach § 9 Abs. 2 KSchGden Tag festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertig-ter Kündigung geendet hätte.Allerdings hat das Arbeitsgericht auf einen entsprechen-den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG denArbeitgeber in diesem Fall zur Zahlung einer angemes-senen Abfindung zu verurteilen. Grenzen für die Höheder vom Gericht festzusetzenden Abfindung bestimmt§ 10 KSchG.

b) Arbeitszeitgesetz

Das Arbeitszeitgesetz ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZGu.a. nicht anzuwenden auf leitende Angestellte i.S.d. § 5Abs. 3 BetrVG. Handelt es sich bei dem Prokuristendemnach um einen leitenden Angestellten im betriebs-verfassungsrechtlichen Sinn, ist das ArbZG auf ihnnicht anwendbar.

c) Sonstige Arbeitnehmerschutzgesetze

Eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmerschutzgesetze findetauf Prokuristen selbst dann Anwendung, wenn es sichbei ihnen um leitende Angestellte im betriebsverfas-sungsrechtlichen oder kündigungsschutzrechtlichen Sinnhandelt. Ihr persönlicher Anwendungsbereich umfasstalle Arbeitnehmer.

Beispiele

Anwendbar sind etwa das MuSchG,21 BEEG,22 PflegeZG,23 das Fa-milienpflegeZG24 oder das TzBfG.25

IV. Fazit

Aus der Erteilung einer Prokura können sich erheblichearbeitsrechtliche Folgen ergeben. Ob und ggf. in wel-chem Umfang dies der Fall ist, bestimmt sich regelmäßignicht allein nach der arbeitsrechtlichen Stellung des Pro-kuristen als Arbeitnehmer, sondern auch nach der Aus-gestaltung der Prokura und dem Innenverhältnis zum Un-ternehmen. Dieses Wechselspiel gilt es zu beachten, umFehler bei einer Beurteilung der arbeitsrechtlichen Aus-wirkungen einer Prokura zu vermeiden.

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

17 Siehe oben unter I.1.18 LAG München v. 5.9.1986 – 3 Sa 446/86, BB 1987, 194.19 BAG v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, ArbRB 2011, 364 (Range-

Ditz), ArbRB online; v. 18.11.1999 – 2 AZR 903/98, ArbRBonline.

20 BAG v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, ArbRB 2011, 364 (Range-Ditz), ArbRB online; v. 24.3.2011 – 2 AZR 674/09, ArbRB on-line; v. 10.10.2002 – 2 AZR 598/01, ArbRB 2003, 70 (Mar-quardt), ArbRB online.

21 Siehe § 1 Nr. 1 MuSchG.22 Siehe § 15 Abs. 1 Satz 1 BEEG.23 Siehe §§ 2 Abs. 1, 3 PflegeZG.24 Siehe § 2 Abs. 2 FPfZG i.V.m. § 7 PflegeZG.25 Siehe § 6 TzBfG.

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� Kündigung in der Insolvenz gem. § 113 InsOBesonderheiten vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

von RA FAArbR Dr. Wienhold Schulte *

Gerät ein Arbeitgeber in die Insolvenz, gelten die kündi-gungsrechtlichen Vorschriften grds. weiter. Weder der An-trag auf Eröffnung des Verfahrens noch die Eröffnungdes Insolvenzverfahrens selbst ändern etwas daran. Inder Praxis wird das häufig von – auch vorläufigen – In-solvenzverwaltern, aber auch auf Arbeitnehmerseitenicht richtig eingeschätzt. Darüber hinaus finden sich in§ 113 InsO einige kündigungsrechtlich relevante Sonder-vorschriften, die im Folgenden dargestellt werden.

I. Kündigung im Eröffnungsverfahren

Im Zeitraum zwischen dem Eingang des – zulässigen (!)– Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beimzuständigen Insolvenzgericht bis zur Eröffnung des Ver-fahrens (sog. Eröffnungsverfahren) gelten die Vorschrif-ten des § 113 InsO noch nicht.1 Dessen Bestimmungensind erst nach Eröffnung des Verfahrens anwendbar. ImEröffnungsverfahren bestehen allerdings nach der Insol-venzordnung einige formelle Besonderheiten.

1. Kündigungsbefugnis

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt derSchuldner Arbeitgeber und deshalb grds. zum Aussprucheiner Kündigung befugt. Das Insolvenzgericht trifft je-doch gem. § 21 InsO Sicherungsmaßnahmen, bestelltinsbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter, § 21Abs. 2 Satz 1 InsO. Dabei hat das Insolvenzgericht dieWahl zwischen der Bestellung eines „starken‘‘ oder„schwachen‘‘ vorläufigen Insolvenzverwalters. DieseEntscheidung hat Einfluss auf die Kündigungsbefugnis.

a) Vorläufiger (starker) Verwalter mit Verwaltungs-und Verfügungsbefugnis

Erlässt das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungs-verbot gegen den Schuldner, geht die Verwaltungs- undVerfügungsbefugnis über sein Vermögen auf den vorläu-figen Insolvenzverwalter über, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO.Damit steht diesem auch die – alleinige – Kündigungs-befugnis zu. Der „starke‘‘ vorläufige Verwalter muss sichauch nicht mit dem Schuldner abstimmen. Vom Schuld-ner selbst ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam.

b) Zustimmungsvorbehalt durch (schwachen) vor-läufigen Verwalter

Im Regelfall bestellt das Gericht keinen „starken‘‘ Ver-walter; dies geschieht vielmehr nur dann, wenn derSchuldner oder die für das Schuldnerunternehmen Han-delnden nicht mehr in der Lage oder bereit sind, das Un-ternehmen weiter zu führen. Die Bestellung eines „star-ken‘‘ Verwalters stellt also die Ausnahme dar, weil ver-hindert werden soll, dass bereits im Eröffnungsverfahrenvom vorläufigen Verwalter Verbindlichkeiten zu Lastender Masse begründet werden können, § 55 Abs. 2 InsO.

aa) Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung

Bei einem „schwachen‘‘ vorläufigen Insolvenzverwalterordnet das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt an. Dieshat zur Folge, dass Verfügungen und damit auch Kündi-gungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläu-figen Verwalters wirksam sind, §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO,22 Abs. 2 InsO.

Beraterhinweis: Ohne vorherige Zustimmung des„schwachen‘‘ vorläufigen Verwalters ausgesprocheneKündigungen sind unwirksam.�

bb) Zurückweisung der Kündigung

Selbst eine mit Zustimmung des vorläufigen Verwaltersausgesprochene Kündigung kann allerdings unwirksamwerden, wenn die Zustimmung nicht gleichzeitig mitder Kundigung schriftlich vorgelegt wird. Arbeitneh-mer können dann die Kündigung gem. § 182 Abs. 3i.V.m. § 111 Satz 2, 3 BGB zurückweisen.2

Die Zurückweisungserklärung muss eindeutig sein.Nach Ansicht des BAG reicht es aus, wenn sich derGrund der Zurückweisung aus den Umständen eindeutigergibt und für den Vertragspartner erkennbar ist; die feh-lende Ermächtigungsurkunde muss nicht ausdrücklichbeanstandet werden.3

Beraterhinweis: Vorläufige Insolvenzverwalter werdenzweckmäßigerweise ihre Zustimmung durch Unterschriftauf dem Kündigungsschreiben dokumentieren. Bei deranwaltlich erklärten Zurückweisung ist § 174 BGB zubeachten.�

2. Kündigungsgrund: Betriebsstilllegung

Auch im Insolvenzverfahren gilt der allgemeine Kündi-gungsschutz. Die Betriebsstilllegung stellt die sozialeRechtfertigung für eine betriebsbedingte Kündigung dar.Auch der „starke‘‘ vorläufige Verwalter kann das Schuld-nerunternehmen aber nur mit vorheriger Zustimmungdes Insolvenzgerichts stilllegen, § 22 Abs. 1 Satz 2Nr. 2 InsO. Der 6. Senat des BAG4 hat allerdings ent-

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

* Schulte & Karlsfeld, Fachanwälte für Arbeitsrecht, Münster.1 Vgl. BAG v. 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, MDR 2005, 1175 =

ArbRB 2005, 294 (Sasse), ArbRB online; so auch Berscheid,NZI 2000, 1 (4), m.w.N. in Fn. 44; a.A. FK-InsO/Eisenbeis,§ 113 Rz. 11; vgl. zum Problem auch Schulte in Tschöpe,AHB-Arbeitsrecht, Teil 3 I Rz. 26.

2 Vgl. BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, NZA 2003, 909(910) = ArbRB 2003, 206 (Berscheid), ArbRB online; vgl.auch Moll/Boewer, MAH Arbeitsrecht, § 45 Rz. 129 m.w.N.

3 Vgl. BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, NZA 2003, 909(910) = ArbRB 2003, 206 (Berscheid), ArbRB online; zur Er-klärung gem. § 174 BGB vgl. auch BAG v. 18.12.1980 – 2AZR 980/78, NJW 1981, 2374, ArbRB online.

4 Vgl. BAG v. 27.10.2005 – 6 AZR 5/05, MDR 2006, 935 = DB2006, 955 ff. = ArbRB 2006, 137 (Müller-Mundt), ArbRB on-line; KR/Weigand, §§ 113, 120 ff. InsO Rz. 4 m.w.N.

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schieden, dass diese Vorschrift keine Kündigungsschutz-norm ist, weil das, was der vorläufige Insolvenzverwalterim Außenverhältnis bewirken kann, zu unterscheiden istvon dem, was er im Innenverhältnis darf.5

Beraterhinweis: Auch ohne Zustimmung des Insolvenz-gerichts kann deshalb eine betriebsbedingte Kündigungwegen der Betriebsstilllegung ausgesprochen werden.�

3. KündigungsfristenWie schon eingangs festgestellt, gelten die Vorschriftendes § 113 InsO noch nicht im Eröffnungsverfahren. Dieshat zur Folge, dass die für das Arbeitsverhältnis gelten-den gesetzlichen, tarifvertraglichen oder vertraglichenFristen – unter Beachtung des Günstigkeitsprinzips –weiter zu beachten sind.

II. Kündigung nach Eröffnung des Insolvenzverfah-rens

Nach Eröffnung des Verfahrens übt der Insolvenzverwal-ter kraft seines Amtes ohne jede weitere Einschränkungdie Arbeitgeberrechte aus und kann auf die Sonderrege-lung des § 113 InsO zurückgreifen, die den Zweck hat,die Kostenbelastung aus den nach Verfahrenseröffnungweiter bestehenden Arbeitsverhältnissen zur Förderungvon Unternehmenssanierungen zu begrenzen.6

1. Durchbrechung vereinbarter Kündigungshinder-nisse, § 113 Satz 1 InsO

a) § 113 Satz 1 Halbs. 1 InsODer Insolvenzverwalter kann gem. § 113 Satz 1 Halbs. 1InsO ohne Rücksicht auf eine vereinbarte VertragsdauerKündigungen aussprechen und damit auch befristete Ar-

beitsvertrage kundigen. Diese Arbeitsverträge sind re-gelmäßig bereits so gestaltet, dass sie auch während derBefristung ordentlich kündbar sind. Anwendbar ist dieVorschrift deshalb vor allem auf befristete Anstellungs-verträge mit Organen.

b) § 113 Satz 1 Halbs. 2 InsO

Die zweite Alternative dieser Vorschrift ist dagegen fürdie Praxis von großer Bedeutung. Der Insolvenzverwal-ter kann danach auch dann ordentlich kündigen, wenndieses Recht durch individualrechtliche oder kollektiv-rechtliche Normen ausgeschlossen ist.7

Beispiele

Damit werden auch altersgeschutzte Arbeitsverhaltnisse ordent-lich kündbar.8 Zudem sind auch sog. Standortsicherungsverein-barungen im Insolvenzverfahren nicht relevant; der Ausschluss be-triebsbedingter Kündigungen wird gem. § 113 Satz 1 InsO durch-brochen.9 Die Vorschrift des § 113 Satz 1 InsO durchbricht darüberhinaus auch den Schutz, den § 323 Abs. 1 UmwG betroffenen Be-schäftigten vor einer Verschlechterung ihrer kündigungsrechtlichenStellung für die Dauer von zwei Jahren gewährt.10

2. Besondere Kündigungsfrist, § 113 Satz 2 InsO

Die bei ordentlichen Kündigungen grds. zu beachtendenKündigungsfristen, gleich ob aus Gesetz, Tarifvertragoder vertraglicher Vereinbarung, werden durch § 113Satz 2 InsO auf max. drei Monate verkürzt.

Beraterhinweis: In der Praxis prüfen Insolvenzverwal-ter häufig nicht, ob eine kurzere Frist für eine ordentli-chen Kündigung gilt, und kündigen stattdessen mit derDrei-Monats-Frist. Dabei wird der Charakter der Frist alsHöchstfrist übersehen.�

Auf Arbeitnehmerseite wird gelegentlich verkannt, dassverlängerte gesetzliche Kündigungsfristen nur für die Ar-beitgeberkündigung gelten, also Arbeitnehmer mit derGrundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB kündigenkönnen. Etwas anderes gilt nur bei längeren Kündigungs-fristen aufgrund Tarifvertrags oder vertraglicher Abrede.

3. Nachkündigung

Hat der Schuldner, evtl. mit Zustimmung des vorläufigenVerwalters im Eröffnungsverfahren mit einer längerenKündigungsfrist gekündigt, die weit über den Zeitpunktder Eröffnung des Verfahrens hinausgreift, kann der In-solvenzverwalter eine erneute Kündigung mit derHöchstfrist des § 113 Satz 2 InsO aussprechen, um dasArbeitsverhältnis evtl. zu einem früheren Zeitpunkt wirk-sam zu beenden.11 In diesem Fall spricht der Insolvenz-verwalter keine hilfsweise Kündigung aus, sondern eineselbständige Kündigung mit der Maximalfrist von dreiMonaten.

a) Kündigungsgrund

Die Nachkündigung kann auf denselben Kundigungs-grund gestützt werden, selbst wenn die erste Kündigungschon gem. § 7 KSchG wirksam geworden ist. Das giltauch und insbesondere für den Kündigungsgrund der Be-triebsstilllegung, der durch die erste Kündigung nichtverbraucht ist.12

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

5 So auch Moll/Boewer, MAH Arbeitsrecht, § 45 Rz. 129; a.A.LAG Düsseldorf v. 8.5.2003 – 10 (11) Sa 246/03, LAGE InsO,§ 22 Nr. 1, ArbRB online; LAG Hamburg v. 16.10.2003 – 8 Sa63/03, ZIP 2004, 869 (872), ArbRB online.

6 Vgl. BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, MDR 2008, 47 =ArbRB 2007, 355 (Müller-Mundt), ArbRB online = DB 2008,1329, unter Verweis auf MüKoInsO/Hefermehl, § 55 Rz. 162;vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rz. 1.

7 Vgl. dazu Schulte in Tschöpe, AHB-Arbeitsrecht, Teil 3 IRz. 22.

8 Vgl. statt aller BAG v. 19.1.2000 – 4 AZR 70/99, NZA 2000,658 ff., ArbRB online, mit Verweis auf Senat, Urt. v. 16.6.1999– 4 AZR 191/98, NZA 1999, 1331 ff., ArbRB online (gleich-zeitig auch zur verfassungsrechtlichen Prüfung eines Versto-ßes gegen Art. 9 Abs. 3 GG, der verneint wird).

9 Vgl. BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 107/05, NZA 2006, 661 =ArbRB 2006, 168 (Lunk), ArbRB online.

10 Vgl. BAG v. 22.9.2005 – 6 AZR 526/04, MDR 2006, 936,ArbRB online = NZA 2006, 658.

11 Vgl. BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 255/02, MDR 2004, 37 =NZA 2003, 1086 ff.; vgl. Berscheid, Arbeitsverhältnisse in derInsolvenz 1999, 5, m.w.N. in Fn. 64; a.A. ArbG Köln v.8.12.1998 – 4 (15) Ca 5991/98, NZI 1999, 282; dagegen Leit-haus, NZI 1999, 254 ff., mit überzeugenden Gründen unterHinweis auf die Anfechtungsproblematik bei einer Kündigungvor Eröffnung des Verfahrens, also der „ersten‘‘ Kündigung.

12 Vgl. BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 15/02, NZA 2004, 343 =ArbRB 2003, 300 (Berscheid), ArbRB online; LAG Hamm v.21.11.2001 – 2 Sa 1123/01, ArbRB 2002, 136 (Mues), ArbRBonline.

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b) Sonderfall: Aufhebungsvertrag

Haben die Parteien vor Eröffnung des Verfahrens das Ar-beitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag einvernehmlichzu einem Zeitpunkt beendet, der ab Eröffnung des Ver-fahrens noch länger als drei Monate dauert, kann undmuss vom Insolvenzverwalter eine frühere Beendigungdurch Nachkündigung geprüft und evtl. umgesetzt wer-den.13

Im Regelfall wird die Abfindung aus diesem Auf-hebungsvertrag erst am – vereinbarten – Ende des Ar-beitsverhältnisses zu zahlen sein. Ist sie schon vorher ge-zahlt worden, kann sie nur unter den einschränkendenVoraussetzungen einer Insolvenzanfechtung gem.§§ 129, 130 InsO zurückgefordert werden.Bei vor Eröffnung des Verfahrens abgeschlossenen Auf-hebungsverträgen sind die Abfindungsansprüche Insol-venzforderungen,14 auch wenn der Abfindungsansprucherst nach Insolvenzeröffnung entsteht. Ist die Abfindungvor Eröffnung des Verfahrens bereits gezahlt, liegt einFall der inkongruenten Deckung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1oder Nr. 2 InsO vor. Das gilt selbst dann, wenn der„schwache‘‘ Verwalter zugestimmt hat. Er kann nach Er-öffnung des Verfahrens als Insolvenzverwalter auch in ei-nem solchen Fall die eigene Handlung anfechten und dieAbfindung zurückfordern.15 Das gilt nicht, wenn der vor-läufige „starke‘‘ Verwalter die Vereinbarung getroffenhat. Er begründet durch einen solchen Vertrag gem. § 55Abs. InsO eine Masseverbindlichkeit.

Beraterhinweis: Insolvenzverwalter haben nicht nur dasRecht, eine Nachkündigung auszusprechen, sondernauch die Pflicht zu prüfen, ob dies zu einer Entlastungder Masse führen kann, weil sie sich sonst Regress-ansprüchen der Gläubiger aussetzen! Vor der Nachkündi-gung ist der Betriebsrat erneut anzuhören gem. § 102Abs. 1 BetrVG.�

4. Besonderheiten der betriebsbedingten Kündi-gung

Die betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer Be-triebsschließung im Eröffnungsverfahren ist schon ange-sprochen worden.16 Auch nach Eröffnung gelten grds.dieselben Voraussetzungen, allerdings mit folgenden Be-sonderheiten.

a) Bei Betriebsschließung

Will der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfah-rens den Betrieb schließen, bedarf auch er einer Zustim-mung – jedoch nicht der des Insolvenzgerichts (wie imEröffnungsverfahren), sondern der des Glaubigeraus-schusses, § 158 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter sollnämlich gehindert werden, bereits vor dem Berichtster-min Fakten zu schaffen, die später nicht mehr rückgängigzu machen sind.17 Fehlt die Zustimmung, hat das aberauf die Wirksamkeit der Kundigung nach der Recht-sprechung des 6. Senats des BAG keinen Einfluss.

b) Sozialauswahl

Auch in der Insolvenz gelten bei der Sozialauswahl grds.die Kriterien des § 1 Abs. 2 KSchG (Betriebszugehörig-

keit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehin-derung).Im Gemeinschaftsbetrieb, gebildet von mehreren Un-ternehmen, erstreckt sich die Sozialauswahl grds. aufalle Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs.18 Be-schließt der Insolvenzverwalter allerdings, den Betriebeines insolventen Unternehmens, das zusammen mit ei-nem anderen einen Gemeinschaftsbetrieb führt, stillzule-gen, wird damit gleichzeitig der Gemeinschaftsbetriebaufgelost.19 Die Sozialauswahl erstreckt sich dann nurauf die Beschäftigten des insolventen Unternehmens undentfällt bei der Betriebsschließung im Ergebnis.Im Übrigen stellt die Betriebsstilllegung eine Betriebs-anderung i.S.d. § 111 BetrVG dar und löst auch in derInsolvenz neben der Sozialplanpflicht auch die Pflichtzum Abschluss eines Interessenausgleichs aus.

Beraterhinweis: Der Interessenausgleich kann mit einerNamensliste versehen werden mit der Folge, dass die So-zialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu prüfenist.�

Wird einer von mehreren Geschäftsbereichen geschlos-sen, kann auch in der Insolvenz die Sozialauswahl nichtauf diesen einen Geschäftsbereich beschränkt bleiben.Vielmehr hat der Insolvenzverwalter eine geschäftsüber-greifende Sozialauswahl vorzunehmen.20

III. Zusammenfassung

Die Insolvenz hat auf den Inhalt und den Bestand des Ar-beitsverhältnisses grds. keinen Einfluss. Besonderheitenergeben sich für das Arbeitsverhältnis erst nach Eroff-nung des Insolvenzverfahrens im Regelungsbereichvon § 113 InsO.Abgesehen von Formproblemen beim Ausspruch derKündigung im Eröffnungsverfahren mit Blick auf dasZustimmungserfordernis des „schwachen‘‘ vorläufigenInsolvenzverwalters, gewährt § 113 InsO dem Insolvenz-verwalter nach Eröffnung des Verfahrens im Wesentli-chen zwei Sonderrechte:� Zum einen kann er befristete Arbeitsverhältnisse,

falls sie nicht ohnehin als kündbar vereinbart sind,vor Ablauf der Frist durch Kündigung mit derHöchstfrist von drei Monaten beenden und

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Arbeitsrechtsfragen aus der Praxis

13 Vgl. Steindorf/Regh, Arbeitsrecht in der Insolvenz, München2002, § 3 Rz. 399.

14 Vgl. BAG v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, MDR 2008, 575 =DB 2008, 764 ff. = ArbRB 2008, 108 (Schäder), ArbRB on-line.

15 Vgl. BAG v. 27.10.2004 – 10 AZR 123/04, NZI 2005, 641 ff.,ArbRB online.

16 S.o. unter I. 2.17 Vgl. dazu auch FK-InsO/Wegener, § 158 Rz.1.18 Vgl. ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 322 m.w.N. zur Rechtspre-

chung des BAG.19 Vgl. BAG v. 13.9.1995 – 2 AZR 954/94, NZA 1996, 307 (für

den Fall eines Liquidationsbeschlusses); vgl. auch Schulte inTschöpe, AHB-Arbeitsrecht, Teil 3 I Rz. 49 m.w.N.

20 BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, NZA 2005, 892 = ArbRB2005, 101 (Braun), ArbRB online.

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Hinweise zu Klagen und Anträgen

� zum anderen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhält-nis nicht mehr ordentlich kündbar ist, aufgrund derSondervorschrift des § 113 Satz 1 InsO ordentlichkündigen und hat dabei lediglich die Höchstfrist vondrei Monaten gem. § 113 Satz 2 InsO zu beachten.

Dabei „stört‘‘ ihn die Regelung in § 113 Satz 3 InsOnicht. Hiernach hat er zwar in diesen Fällen den „Verfrü-hungsschaden‘‘ zu ersetzen. Dieser kann aber lediglichals Insolvenzforderung von der Arbeitnehmerseite gel-tend gemacht werden.

Hinweise zu Klagen und Anträgen

� Prozesskostenhilfe – Mutwilligkeit der beabsichtigten RechtsverfolgungWann ist eine anhängige Klage zu erweitern oder eine neue Klage zu erheben?

von RiArbG Dr. Jens Tiedemann*

Prozesskostenhilfe (PKH) ist für Arbeitnehmer, die wederüber eine Gewerkschaft Rechtsschutz erhalten noch pri-vat rechtsschutzversichert sind, häufig die einzige Mög-lichkeit, ohne Furcht vor finanziellen Konsequenzen ihreRechte in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit geltendzu machen. Gleichzeitig soll aber ein Missbrauch dessog. „Armenrechts‘‘ verhindert werden. Der Gesetzgeberhat daher in §§ 114 ff. ZPO – die gem. § 11a Abs. 3ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrengelten – festgelegt, dass PKH trotz wirtschaftlicher Be-dürftigkeit zu versagen ist, wenn die beabsichtige Rechts-verfolgung mutwillig erscheint. Neuere Entscheidungendes BAG führen dazu, dass Mutwilligkeit auch dann vor-liegen kann, wenn die Verpflichtung zur kostengünstige-ren Rechtsverfolgung verletzt wird (BAG v. 8.9.2011 – 3AZB 46/10 und BAG v. 17.2.2011 – 6 AZB 3/11). Vorlie-gend soll dargestellt werden, unter welchen konkretenVoraussetzungen eine Rechtsverfolgung als mutwillig er-scheint und welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen,wenn PKH deswegen abgelehnt wird.

1. Einleitung

Gemäß § 11a Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO er-hält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführungnicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann,auf Antrag PKH, wenn� die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidi-

gung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (positi-ve Voraussetzung) und

� nicht mutwillig erscheint (negative Voraussetzung).Während die hinreichende Aussicht auf Erfolg die mate-rielle Begründetheit des Anspruchs betrifft, wird von der

Frage der Mutwilligkeit in erster Linie die verfahrens-maßige Geltendmachung des Anspruchs erfasst.1

2. Definition „Mutwilligkeit‘‘

Nach der Rechtsprechung des BAG, die derjenigen desBGH folgt,2 ist eine Rechtsverfolgung oder -verteidigungin der Regel mutwillig, wenn eine wirtschaftlich leis-tungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerech-ter und vernunftiger Einschatzung der Prozesslagevon ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in glei-cher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstige-rer Weg offensteht und dieser Weg ebenso erfolgverspre-chend ist.Eine Mutwilligkeit in diesem Sinne liegt deshalb regel-mäßig vor, wenn� eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe da-

für vorbringt, warum sie ihre Ansprüche gegen die-selbe andere Partei nicht mit einer Klage, sondernmit – die Kosten der Rechtsverfolgung erhöhenden –Teilklagen geltend macht, oder

� nicht plausibel erklärt, aus welchen Gründen sie ei-nen neuen Prozess anstrengt, obwohl sie das gleicheKlageziel wegen der degressiven Kosten- und Ge-bührentabellen kostengünstiger im Wege der Erwei-terung einer bereits anhängigen Klage hätte errei-chen können.3

Der Umstand, dass es im Ermessen des Arbeitsgerichtssteht, die separaten Rechtsstreitigkeiten zu verbinden,ändert hieran nichts. Die mögliche Verbindung von Ver-fahren nach § 147 ZPO soll der Prozessökonomie undnicht der Bewilligung von PKH dienen.4

Beraterhinweis: Vereinfachend kann man hiernach sa-gen, dass angesichts des degressiven Anstiegs der An-walts- und Gerichtsgebühren im Rahmen der „Mutwillig-keit‘‘ i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO die Klageerweiterung die„Regel‘‘ und die Erhebung einer neuen, isolierten Klagedie „Ausnahme‘‘ darstellt.�

* Der Verfasser ist Richter am ArbG Frankfurt/M.1 BAG v. 8.9.2011 – 3 AZB 46/10, ArbRB online, MDR 2012,

49 = NJW 2011, 3260 (3261).2 Vgl. Zöller/Geimer, 28. Aufl., § 114 ZPO Rz. 30 ff. m.w.N.3 BAG v. 17.2.2011 – 6 AZB 3/11, ArbRB online, MDR 2011,

922 = NJW 2011, 1161 (1162).4 LAG Rh.-Pf. v. 5.11.2010 – 9 Ta 218/10, ArbRB online.

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3. Verfassungsrechtlicher Hintergrund

Die vorgenannte Auslegung der „Mutwilligkeit‘‘ i.S.v.§ 114 Satz 1 ZPO beruht auf dem allg. Gleichheitssatz(Art. 3 Abs. 1 GG), dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20Abs. 3 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1GG). Das sich daraus ergebende Prinzip der Rechts-schutzgleichheit und die Garantie des effektivenRechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebieten es, die Si-tuation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Ver-wirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzuglei-chen.Der unbemittelten Partei darf daher die Rechtsverfol-gung und -verteidigung im Vergleich zur bemittelten Par-tei nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der Unbe-mittelte muss grds. ebenso wirksamen Rechtsschutz inAnspruch nehmen können wie ein Bemittelter. Dies er-fordert keine vollige Gleichstellung. Jedoch muss derUnbemittelte einem Bemittelten gleichgestellt werden,der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und diemöglichen Kostenfolgen berücksichtigt.5

Beraterhinweis: Hätte daher eine bemittelte Partei, dievernünftig abwägt und die möglichen Kostenfolgen be-rücksichtigt, begründeten Anlass gehabt, ein gesondertesKlageverfahren anhängig zu machen, anstatt eine bereitsanhängige Klage zu erweitern, ist diese Möglichkeitauch der unbemittelten Partei zu eröffnen.6�

4. Mutwilligkeit: Abwägung im Einzelfall

Für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte Rechtsverfol-gung im Rahmen eines neuen Klageverfahrens mutwilligi.S.v. § 114 Satz 1 ZPO ist, sind – neben zeitlichenAspekten (z.B. bisherige Dauer des Verfahrens) – ver-schiedene Umstände des konkreten Einzelfalls gegen-einander abzuwägen. Dies erschwert die Vorhersehbar-keit der gerichtlichen Entscheidung und die rechts-anwaltliche Beratung des Mandanten.

Beraterhinweis: Im Rahmen des PKH-Antrags sind die-jenigen sachlichen Gründe und Erwägungen plausibeldarzulegen, die den Antragsteller veranlasst haben, einegesonderte Klage zu erheben und damit diese Form derProzessführung zu wählen. Die gleichzeitige Erhebungeiner Zahlungsklage und einer getrennten Kundi-gungsschutzklage, jeweils verbunden mit einem PKH-Antrag, ist mutwillig, so dass PKH für das Verfahren mitdem höheren Aktenzeichen zu versagen ist.7�

a) Pro-Argumente für isolierte Klage

Für die Erhebung einer gesonderten Klage anstelle derErweiterung einer bereits anhängigen Klage können ins-besondere unter dem Gesichtspunkt einer effektivenRechtsverfolgung folgende Erwägungen sprechen:8

� Bei einer Vielzahl inhaltlich nicht miteinander zu-sammenhängender Streitgegenstände wird in der Re-gel die Vermeidung der Überfrachtung des Verfah-rens berechtigten Anlass geben, eine gesonderte Kla-ge zu erheben.

� Die Gefahr einer sonstigen Überlastung des Rechts-streits kann ebenfalls dafür sprechen, mehrereRechtsstreitigkeiten anhängig zu machen.

Beispiel

So wird es oft liegen, wenn die Entscheidung über verschiedeneStreitgegenstände zwar voneinander abhängt, sich aber hinsichtlichder nachrangigen Streitgegenstände besondere Probleme stellen.

� Eine neue Klage wird vernünftigerweise zu erhebensein, wenn durch die Erweiterung der bereits anhän-gigen Klage eine unangemessene oder erheblicheVerzögerung der Entscheidung über den ursprüng-lich geltend gemachten Streitgegenstand zu besorgenist, weil nicht sicher mit einem Teilurteil (§ 301ZPO) gerechnet werden kann.

Beispiel

Dies kann etwa der Fall sein, wenn im neuen Streitkomplex einSachverständigengutachten einzuholen bzw. eine Beweisaufnahmedurchzuführen ist.9

� Bei Bestandsschutzstreitigkeiten, für die nach§§ 61a, 64 Abs. 8 ArbGG eine besondere Prozessför-derungspflicht besteht, wird eine gesonderte Kla-geerhebung zumeist angebracht erscheinen.

b) Pro-Argumente für Klageerweiterung

Die Erhebung einer isolierten Klage wird sich regel-mäßig nicht dadurch rechtfertigen lassen, dass bei einerKlageerweiterung – anders als bei einer neuen Klage –kein zeitnaher Gütetermin mehr stattfinden wird.10 Die„Güteverhandlung‘‘ kann insofern vor der Antragstellungim Kammertermin stattfinden.

Beraterhinweis: Allerdings kann dies anders beurteiltwerden, wenn aufgrund bestimmter Umstände (z.B. dro-hende Insolvenz) mit einem Nichterscheinen der Gegen-seite im Gütetermin und daher mit einem Versäumnis-urteil zu rechnen ist.11�

Gegen eine isolierte Klage spricht es auch, wenn einzel-ne Klagegegenstände der bereits anhängigen Klage vonder Entscheidung über den Klagegegenstand der neuenKlage abhängen.12

Beraterhinweis: Um zu vermeiden, dass PKH wegenMutwilligkeit abgelehnt wird, sollten anwaltliche Beraterim Regelfall weitere Ansprüche grds. in Form von Kla-geerweiterungen geltend machen, was grds. auch nichtnäher zu begründen ist. Allerdings ist im konkreten Ein-zelfall zu prüfen, ob es nicht sachliche Gründe gibt, voneiner Klageerweiterung in einem anhängigen Verfahrenabzusehen und eine separate Klage zu erheben, wenn

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Hinweise zu Klagen und Anträgen

5 Vgl. BVerfG v. 18.3.2003 – 1 BvR 329/03, NJW 2003, 2668(zu II. 2. a der Gründe); v. 11.3.2010 – 1 BvR 3031/08, NJW2010, 1658 (zu II. 2. a der Gründe).

6 BAG v. 8.9.2011 – 3 AZB 46/10, MDR 2012, 49 = NJW 2011,3260 (3261).

7 BAG v. 17.2.2011 – 6 AZB 3/11, ArbRB online, MDR 2011,922 = NJW 2011, 1161 ff.

8 BAG v. 8.9.2011 – 3 AZB 46/10, MDR 2012, 49 = NJW 2011,3260 (3261 f.).

9 Arendt, jurisPR-ArbR 22/2011 Anm. 6; Hess. LAG v.2.11.2011 – 13 Ta 369/11, juris.

10 LAG Hess. v. 2.11.2011 – 13 Ta 369/11, juris.11 Vgl. Arendt, jurisPR-ArbR 22/2011 Anm. 6.12 BAG v. 8.9.2011 – 3 AZB 46/10, MDR 2012, 49 = NJW 2011,

3260 ff.

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dies das Rechtsschutzziel des Mandanten effektiver ver-wirklicht.�

5. Maßgeblicher Prüfungszeitpunkt

Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zurkostengünstigeren Rechtsverfolgung und damit Mutwil-ligkeit i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO vorliegt, muss nach derjüngsten Rechtsprechung des BAG13 nicht erst im Kos-tenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG, son-dern von den Arbeitsgerichten bereits im PKH-Bewil-ligungsverfahren geprüft werden.

a) Meinungsstand

Die jüngsten Entscheidungen des BAG ziehen einenSchlussstrich unter die bisher uneinheitliche Rechtspre-chung der LAG. Während die wohl h.M. diese Prüfungzu Recht bereits im PKH-Bewilligungsverfahren vorneh-men wollte,14 wollen einige LAG einen solchen Verstoßerst im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1RVG berücksichtigen.15

b) Argumentation des BAG

Das BAG ist der h.M. mit überzeugender Begründunggefolgt. Wenn PKH bewilligt wurde, muss die Mutwillig-keit geprüft werden, d.h. es muss der kostenschonendsteWeg gewählt werden, soweit nicht sachliche Gründe füreine isolierte Klage bestehen. Wenn die PKH sodannrichterlicherseits bewilligt wurde, kann aufgrund derBindungswirkung nicht mehr im nachfolgenden Kosten-festsetzungsverfahren vom Urkundsbeamten der Ge-schäftsstelle geprüft werden, ob die durch den Rechts-anwalt verursachten Kosten möglicherweise doch nichtnotwendig waren. Dies ist vielmehr gem. § 48 Abs. 1RVG hinzunehmen.

c) Konsequenzen

Es ist zu erwarten, dass die Landesarbeitsgerichte, diebisher von einer Prüfung im Rahmen des Kostenfestset-zungsverfahrens ausgingen, der neuen Rechtsprechungdes BAG folgen werden. So ist bspw. das Hessische LAGmit einer jüngst ergangenen Entscheidung auf die Liniedes BAG „eingeschwenkt‘‘.16

Beraterhinweis: Wenn das Arbeitsgericht bei seinerrechtlichen Bewertung von einer mutwilligen Klageer-hebung ausgeht, ist der PKH-Antrag insgesamt zurück-

zuweisen („Alles-oder-Nichts-Prinzip‘‘). Eine Teilbe-willigung von PKH hinsichtlich der Kosten, die bei derErweiterung der bisherigen Klage um die Klagegegen-stände aus dem neuen Verfahren entstanden wären, bzw.die Bewilligung von PKH „unter Abzug der durch die ge-trennte Prozessführung entstandenen Mehrkosten‘‘ istnicht möglich.17�

6. Entscheidung über PKH-Antrag

Über den Antrag auf Gewährung von PKH entscheidetder Vorsitzende der jeweiligen Kammer des Arbeits-gerichts ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.Die Entscheidung ergeht gem. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPOohne mundliche Verhandlung.Der entsprechende Beschluss ist, z.B. wenn PKH wegenMutwilligkeit abgelehnt wird, zu begründen, da anderen-falls der Anspruch der antragstellenden Partei auf recht-liches Gehör (Art. 103 GG) verletzt und sie gehindertwürde, das Rechtsmittel sachgerecht zu begründen.18 Erist zudem gem. § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG mit einerRechtsmittelbelehrung zu versehen.

7. Rechtsschutzmöglichkeiten

a) Statthaftes Rechtsmittel

Gegen einen (teilweise) ablehnenden Beschluss des Ar-beitsgerichts ist das statthafte Rechtsmittel die sofortigeBeschwerde nach Maßgabe des § 127 Abs. 2 und Abs. 3ZPO, es sei denn, der Streitwert der Hauptsache über-steigt nicht den in § 511 ZPO genannten Betrag von600 �. Das ist der Wert der Beschwer, der überschrittensein muss, damit die Berufung ohne ausdrückliche Zulas-sung statthaft ist.§ 127 Abs. 2 ZPO ordnet durch den Verweis auf § 511ZPO an, dass im PKH-Verfahren die sofortige Beschwer-de immer dann statthaft ist, wenn gegen eine Entschei-dung in der Hauptsache ohne ausdrückliche ZulassungBerufung eingelegt werden könnte. Die Verweisung auf§ 511 ZPO berücksichtigt allerdings nicht, dass dieStatthaftigkeit der Berufung im arbeitsgerichtlichenVerfahren in § 64 Abs. 2 ArbGG abweichend geregeltist. Hiernach ist die Berufung nicht nur dann ohne beson-dere Zulassung statthaft, wenn der Wert des Beschwerde-gegenstands 600 � (§ 64 Abs. 2 lit. b. ArbGG) übersteigt,sondern unabhängig davon u.a. auch in Rechtsstreitigkei-ten über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (§ 64Abs. 2 lit. c. ArbGG).Die entsprechende Anwendung gem. § 11a Abs. 3ArbGG führt also bei § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO dazu,dass eine sofortige Beschwerde immer dann zulässig ist,wenn in der Hauptsache ohne weiteres die Berufungstatthaft ist.19

Beraterhinweis: Hiernach ist daher die sofortige Be-schwerde gegen ablehnende PKH-Beschlüsse in Be-standsschutzverfahren immer statthaft, soweit die Ab-lehnung nicht allein auf die persönlichen und wirtschaft-lichen Verhältnisse des Antragstellers gestützt wird.�

����� 3/2012 Arbeitsrecht kompakt 99

Hinweise zu Klagen und Anträgen

13 BAG v. 8.9.2011 – 3 AZB 46/10, MDR 2012, 49 = NJW 2011,3260 (3262).

14 Vgl. LAG Rh.-Pf. v. 5.11.2010 – 9 Ta 218/10, ArbRB online;LAG Hamm v. 7.2.2011 – 14 Ta 510/10, ArbRB online; LAGBW v. 27.11.2009 – 1 Ta 19/09, ArbRB online; LAG Schl.-Holst. v. 3.2.2010 – 2 Ta 206/09, juris; LAG Köln v. 11.7.2008– 11 Ta 185/08, ArbRB online.

15 LAG München v. 15.7.2009 – 10 Ta 386/08, JurBüro 2010,26; LAG Berlin v. 27.4.2006 – 17 Ta (Kost) 6012/06, MDR2006, 1438, ArbRB online.

16 LAG Hess. v. 2.11.2011 – 13 Ta 369/11, juris.17 BAG v. 17.2.2011 – 6 AZB 3/11, MDR 2011, 922 = NJW

2011, 1161 (1163).18 Schwab/Weth/Vollstädt, 3. Aufl., § 11a ArbGG Rz. 107.19 BAG v. 8.9.2011 – 3 AZB 46/10, MDR 2012, 49 = NJW 2011,

3260 (3261).

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100 Arbeitsrecht kompakt ����� 3/2012

Hinweise zu Klagen und Anträgen

b) Frist

Die Notfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerdebeträgt abweichend von § 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 569Abs. 1 ZPO einen Monat (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO).Sie beginnt ab Zustellung des Beschlusses.

c) Beschwerdeverfahren

Die sofortige Beschwerde kann sowohl beim Arbeits-gericht als auch beim LAG eingelegt werden.Wird sie beim LAG eingelegt, ist sie dem Arbeitsgerichtzunächst zur Prüfung einer Abhilfeentscheidung vorzule-gen (§ 572 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Trifft das Ar-beitsgericht eine Abhilfeentscheidung ist das Rechts-mittel erledigt. Anderenfalls ist die Akte unverzüglichdem Beschwerdegericht vorzulegen.Die Entscheidung trifft der jeweilige Vorsitzende beimLAG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter(§ 78 Satz 3 ArbGG). Die Entscheidung ergeht ohnemundliche Verhandlung durch Beschluss.

d) Weiteres Rechtsmittel

Gegen die Entscheidung des LAG ist die Rechts-beschwerde zum BAG nur statthaft, wenn sie vom Be-

schwerdegericht ausdrücklich zugelassen wurde (§ 78Satz 2-3 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG).20 Sie ist so-dann binnen einer Notfrist von einem Monat ab Zustel-lung der angefochtenen Entscheidung einzulegen und zubegründen (§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 575 Abs. 1 undAbs. 2 ZPO).

8. Fazit

Die Prüfung der Mutwilligkeit einer beabsichtigtenRechtsverfolgung oder -verteidigung ist im Rahmen desPKH-Bewilligungsverfahrens von entscheidender Bedeu-tung. Die Rechtsprechung wird sich hier noch ausdiffe-renzieren, um Leitlinien für verschiedene Fallkonstella-tionen zu erarbeiten. Umso wichtiger ist es, dass die an-waltlichen Berater bei ihren PKH-Anträgen sorgfältigihre prozessualen Erwägungen nachvollziehbar erläuternund die Gründe darlegen, die für bzw. gegen die beab-sichtigte Form der Prozessführung (Klageerweiterungbzw. Erhebung einer isolierten Klage) sprechen (sollen).Anderenfalls kann sich die Mandatsvergütung ganz an-ders entwickeln als ursprünglich beabsichtigt.

Impressum

Der Arbeits-Rechts-Berater (ArbRB)Redaktion: Petra Rülfing (verantw. Redakteurin) . AdrianeBraun (Redaktionsassistentin), Anschrift des Verlags, Tel.0221/93738-186 (Redaktions-Sekr.) bzw. -499 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), Fax 0221/93738-906 (Redaktions-Sekr.) bzw. -943 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), E-Mail:[email protected], Internet: www.arbrb.deVerlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58,50968 Köln, Postfach 511026, 50946 Köln, Erfüllungsort undGerichtsstand ist Köln.Anzeigenleitung: Thorsten Deuse, Tel. 02 21/9 37 38-4 21,Fax 02 21/9 37 38-9 42, E-Mail: [email protected],gültig ist die Preisliste 9 vom 1.1.2011.Satz: Boyens Offset GmbH & Co. KG, Wulf-Isebrand-Platz 1–3,25746 HeideDruck: rewi druckhaus, Reiner Winters GmbH, Wiesenstr. 11,57537 Wissen. Förderung nachhaltiger Waldbewirt-schaftung und Recycling – nähere Informationen un-ter www.pefc.org. Dieses Produkt wurde auf PEFC-zertifizierten Papieren produziert. PEFC/04-31-0829.Erscheinungsweise: Jeweils zum 20. eines Monats.Bezugspreis: Jahresabonnement 169,– �, Einzelheft 16,90 �.Alle Preise verstehen sich inkl. gesetzlicher MwSt. sowie zzgl.Versandkosten. Die Rechnungsstellung erfolgt jährlich zu Be-ginn des Bezugszeitraumes für das aktuelle Kalenderjahr (ggf.anteilig).Bestellungen bei jeder Buchhandlung sowie beim Verlag. Kün-digungstermin für das Abonnement 6 Wochen vor Jahresschluss.

ISSN 1618-0143Hinweis für den Leser: Der Zeitschrifteninhalt wird nach bes-tem Wissen erstellt, Haftung und Gewähr müssen jedoch wegender Komplexität und des ständigen Wandels der Rechtslageausgeschlossen werden.Leitsätze des Bearbeiters bleiben ohne Kennzeichnung. Soweitein amtlicher Leitsatz abgedruckt wird, ist er als solcher be-zeichnet.Urheber- und Verlagsrechte: Manuskripte werden nur zur Al-leinveröffentlichung angenommen. Der Autor versichert, überdie urheberrechtlichen Nutzungsrechte an seinem Beitrag ein-schließlich aller Abbildungen allein verfügen zu können undkeine Rechte Dritter zu verletzen. Mit Annahme des Manu-skripts (Aufsatz, Entscheidungsbearbeitung) gehen für die Dau-er von vier Jahren das ausschließliche, danach das einfacheNutzungsrecht vom Autor auf den Verlag über, jeweils auch fürÜbersetzungen, Nachdrucke, Nachdruckgenehmigungen unddie Kombination mit anderen Werken oder Teilen daraus. DasNutzungsrecht umfasst insbesondere auch die Befugnis zurEinspeicherung in Datenbanken sowie zur weiteren Vervielfäl-tigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken im Wege fo-tomechanischer, elektronischer und anderer Verfahren ein-schließlich CD-ROM und Online-Diensten.Die Zeitschrift und alle veröffentlichten Beiträge und Abbil-dungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede vom Urheber-rechtsgesetz nicht ausdrücklich zugelassene Verwertung bedarfvorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags. Dies gilt ins-besondere für Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Mi-kroverfilmung und Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wieder-gabe in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien undSystemen. Fotokopien dürfen nur als Einzelkopien für den per-sönlichen Gebrauch hergestellt werden.

20 In den beiden vorliegend besprochenen Entscheidungen desBAG war dies jeweils der Fall.

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Der „Lepke“ in 14. Aufl age bietet Ihnen alle wichtigenrechtlichen Aspekte krankheitsbedingter Entlassungen – unter umfassender Auswertung der kaum noch über-schaubaren Rechtsprechung sowie der maßgeblichenarbeitsrechtlichen Literatur. Erläutert werden Ihnen u. a.:

O die kündigungsrelevanten Gesichtspunkte wegenPfl ichtverletzungen im Zusammenhang mit einerkrankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, etwa beivorgetäuschter Krankheit,

O die Bedeutung und der Beweiswert ärztlicherArbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowieFragen der Darlegungs- und Beweislast,

O das betriebliche Eingliederungsmanagementgemäß § 84 Abs. 2 SGB IX,

O Entlassungen wegen Nikotin- und Internet-abhängigkeit, Glücksspiel-, Alkohol- undDrogensucht,

O die Vermeidung von formellen Fehlern bei derkrankheitsbedingten Kündigung und sonstiger

„Stolperfallen“, O die neue Rechtsprechung des EuGH und des BAG

zur Übertragung von Urlaubsansprüchen beikrankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und derenzeitliche Begrenzung.

Kündigung bei KrankheitHandbuch für die betriebliche, anwaltliche und gerichtliche Praxis

Von Prof. Dr. Achim Lepke, vormals FreieUniversität Berlin, Vorsitzender Richter amLandesarbeitsgericht Berlin a. D., begründetvon Dr. Dirk Neumann, Vizepräsident desBundesarbeitsgerichts i. R. (bearbeitet biszur 3. Aufl age)14., neu bearbeitete Aufl age 2012, LXXXVI, 726 Seiten, fester Einband, Subskriptionspreisbis 31.05.2012 € (D) 106,–, danach € (D) 129,–ISBN 978-3-503-13821-0

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Vollkommen ohne Risiken

und Nebenwirkungen

Weth/Thomae/Reichold (Hrsg.) Arbeitsrecht imKranken haus Herausgegeben von Prof. Dr. StephanWeth, RAin Dr. Heike Thomae, Prof. Dr. Hermann Rei-chold. Bearbeitet von sieben exzellenten Experten. 2. neu bearbeitete Auflage 2011, 1.034 Seiten Lexikonformat, gbd. 99,– €. ISBN 978-3-504-42684-2.

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B e s t e l l e n S i e b e i I h r e r B u c h h a n d l u n g o d e r b e i m Ve r l a g D r. O t t o S c h m i d t · P o s t f a c h 5 1 1 0 2 6 · 5 0 9 4 6 K ö l n

Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitneh-mer eines Krankenhauses weisen vieleBesonderheiten auf. Zum Beispiel diemedizinischen und ärztlichen Anforde-rungen an die Berufsausübung. Oderdie unterschiedlichen, oft auch wech-selnden Träger der Einrichtungen. DasHandbuch Arbeitsrecht im Krankenhausbietet in der 2. Auflage wieder allen arbeitsrechtlichen Beratern wie auchPersonal- und Rechtsabteilungen inKrankenhäusern eine wertvolle prakti-sche Hilfe.

Die erstklassigen Autoren durch-leuchten das Gebilde Krankenhaus eingehend unter allen arbeitsrechtli-chen Aspekten. Zunächst machen siemit den rechtlichen Rahmenbedingun-gen vertraut und geben Ihnen Einblickin die Organisationsstrukturen einesKrankenhauses, bevor dessen spezifi-sche arbeitsrechtliche Grundlagen umfassend dargestellt werden. Deneinzelnen Berufsgruppen – vom Arztbis zur Verwaltung – sind ebenso

separate Kapitel gewidmet wie allenübrigen relevanten Bereichen.

Die 2. Auflage ist umfassend aktualisiert. Eingearbeitet sind zumBeispiel neueste europarechtlicheEntwicklungen – Vertrag von Lissa-bon, EuG/EuGH-Rechtsprechung zuDiskriminierungsfragen, Kranken-hausfinanzierung. Die umfassendegesetzgeberische Tätigkeit mit Pfle-geZG, GenDG, BDSG und MPG-Ver-ordnungen. Auch die umfangreicheneue Rechtsprechung des BAG unddie des BSG zum Status als Kranken-haus finden in der Neuauflage Be-rücksichtigung.

„…das erste und einzige Werk, dassich umfassend den vielen Besonder-heiten dieses Rechtsgebietes widmet.Die insgesamt 7 Herausgeber und Au-toren sind ausgewiesene Kenner derMaterie und garantieren einen hohenund zuverlässigen Standard.“

Dr. Norbert Schwab in NZA 23/08

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� Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Weth/Thomae/Reichold (Hrsg.) Arbeitsrecht im Krankenhausgbd. 99,– 2. ISBN 978-3-504-42684-2

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Page 40: online - ArbRB · BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10 81 Ergänzende Anwendung der TVÜ-Länder im Fall der Tarifsukzession BAG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 AZR 419/10 81 Sonstiges

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�✘ Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Handbuch Führungskräfte 832 Seiten Lexikonformat, brosch. 89,80 € plus Versandkosten. ISBN 978-3-504-42058-1.

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Die personalrechtliche Situation von

Führungskräften ist verzwickt: Die für

Arbeitnehmer entwickelten arbeits-

rechtlichen Grundsätze gelten für sie

nur bedingt, und die zum Anstellungs-

vertrag hinzutretende Organstellung

als Geschäftsführer oder Vorstand

eines Unternehmens wird stark durch

gesellschaftsrechtliche Vorgaben gere-

gelt. Nicht zu vergessen die steuer-

rechtlichen Aspekte, die bei einem

gewinnbringenden Vertragsabschluss

mit einer Führungskraft stets zu be-

rücksichtigen sind.

Dieses neue Handbuch macht

Ihnen die Beratung von Führungs-

kräften leicht: Als Informations- und

Nachschlagewerk erläutert es die per-

sonalrechtlichen Besonderheiten von

Führungskräften in Abgrenzung zu

normalen Arbeitnehmern sowie aus

den drei rechtlichen Blickwinkeln –

Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht,

Steuerrecht. Die Darstellung richtet

sich dabei immer nach dem Verlauf

des Anstellungsverhältnisses.

Das Buch führt den Leser von der Be-

gründung des Anstellungsverhältnis-

ses, über die inhaltliche Ausgestaltung

des Vertrages zu den vielfältigen Fra-

gen und Rechtsfolgen der Beendigung

und dem personalrechtlichen Schicksal

der Führungskraft in Sondersituationen

wie Betriebsübergang und Insolvenz.

In weiteren Kapiteln werden die zu-

nehmenden Pflichten der Führungs-

kräfte aus Datenschutz- und Compli-

ance-Aspekten dargestellt sowie aus-

führlich die wichtigen Grundlagen der

zivil- und steuerrechtlichen Haftung

der Führungskräfte. Ein Kapitel zu

den verfahrensrechtlichen Besonder-

heiten sowie viele Praxistipps, Muster-

formulierungen und Checklisten

runden das Werk ab. Besonderes

Highlight: Die typischen Vertrags-

klauseln aus jeweils arbeits- und

steuerrechtlicher Sicht.

Spitzen-Beratung. Besgen

Handbuch Führungskräfte. Eine kleine

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Spitzen-Beratung.

Besgen Handbuch Führungskräfte Arbeits-, Gesellschafts- und Steuerrecht fürGeschäftsführer, Vorstände und leitende Ange-stellte. Herausgegeben von RA Dr. Nicolai Besgen.Bearbeitet von 12 namhaften Autoren aus deranwaltlichen Praxis. 2012, 832 SeitenLexikonformat, gbd. 89,80 €. ISBN 978-3-504-42058-1.

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