Open Source Studie Schweiz 2021 Hier passt alles

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Die Open Source Studie 2021 zeigt, dass heute 97 Prozent der Schweizer Firmen und Behörden quelloffene Lösungen einsetzen. Der wichtigste Grund dafür sind offene Standards, denn bei Open Source Software gilt stets «Interoperability by Design». VON MATTHIAS STÜRMER Open Source Studie Schweiz 2021 Hier passt alles 60 WISSEN Studie

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Die Open Source Studie 2021 zeigt, dass heute 97 Prozent der Schweizer Firmen und Behörden quelloffene Lösungen einsetzen. Der wichtigste Grund dafür sind offene Standards, denn bei Open Source Software gilt stets «Interoperability by Design».

VOn MATTHIAS STÜRMER

Open Source Studie Schweiz 2021

Hier passtalles

60 WISSEn Studie

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Die Open-Source-Umfrage 2021 der Forschungsstelle für Digitale Nachhaltigkeit der Uni Bern und des Fachverbands swissICT zeigt auf, dass Open Source

Software in der Schweiz sehr verbreitet ist: Von den 163 antwortenden CEOs, CIOs, CTOs und IT-Fachleuten gaben 97 Prozent an, dass sie in einem oder mehreren Bereichen Open Source Software einsetzen – 2018 waren es 95 Pro-zent, 2015 erst 92 Prozent.

Eindrücklich ist insbesondere das grosse Wachstum der sogenannten «Vielnutzer» von Open Source Software auf einen Wert von 49 Prozent. Fast die Hälfte der Unterneh-men und Behörden – alles Mitglieder von swissICT und der Schweizerischen Informatikkonferenz – gab an, dass sie in mehr als 14 der 28 abgefragten Bereichen Open Source Software nutzen. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den 29 Prozent «Vielnutzern» 2018 und den gerade einmal 21 Prozent Power Usern im Jahr 2015.

«no one haS Been fired for BuYing linuX»Dieser Trend belegt die verstärkte Durchdringung von Open Source Software in immer weiteren Bereichen der moder-nen Informatik und betont einmal mehr die Relevanz von Open-Source-Lösungen in der fortschreitenden digitalen Transformation. Quelloffene Software hat also das ur-sprüngliche Nischendasein aus der Server-Admin-Ecke de-finitiv verlassen. Auch zeigt dies einmal mehr ein typisches Phänomen bei Open Source Software: Alle nutzen sie, bloss die wenigsten reden darüber. So müsste der bekannte Spruch «No one has been fired for buying IBM» wohl schon bald lauten «No one has been fired for buying Linux».

Dieser Meinung sind auch die Antwortenden. Auf die Frage hin, wie sich die Bedeutung von Open Source Soft-ware in den letzten drei Jahren verändert hat, antworteten über zwei Drittel (67 Prozent), dass die Relevanz «stark» oder «eher zugenommen» hat. Im Jahr 2018 waren es 60 Prozent, die so antworteten, sodass dieses Jahr die hohe Relevanz quelloffener Applikationen offenbar noch inten-siver wahrgenommen wird. Nur gerade knapp 6 Prozent der Befragten gaben an, dass die Relevanz eher abgenommen habe, niemand kreuzte «stark abgenommen» an.

SelBStBeStimmteS handeln im digitalen raumEin neues, wichtiges Argument für Open Source Software ist gemäss den Antworten die «digitale Souveränität», die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im digitalen Raum. Nutzer von Open Source Software ha-ben also die Wichtigkeit der reduzierten Herstellerabhän-gigkeit und die dadurch besseren Verhandlungsmöglich-keiten bei Software-Anschaffungen erkannt. Aber es gibt auch weiterhin Hindernisse beim Einsatz von Open Source Software: So wurde beispielsweise in den Umfrageresulta-ten bemängelt, dass bei vielen Open-Source-Projekten

der autormatthias Stürmerist Leiter Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit, Universität Bern.

www.digitale­nachhaltigkeit.unibe.ch

«Quelloffene Software hat das Nischendasein

verlassen»Matthias Stürmer

Computerworld 6–7/2021 www.computerworld.ch 61

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unklar sei, wie sie finanziert werden. Und neben den unkla-ren Geschäftsmodellen ist nach wie vor der Vendor Lock-in mit bestehenden proprietären Systemen einer der wich-tigsten Hinderungsgründe bei der weiteren Verbreitung von Open Source Software.

Wo quelloffene SoftWare eingeSetzt WirdSeit 2012 wird in der Umfrage der konkrete Einsatzbereich von Open Source Software abgefragt. Und seit Anbeginn der Fragestellung stehen Programmiersprachen wie JavaScript, Python, Ruby, Java oder PHP ganz zuoberst im Ranking.

Und selbst auf dem ersten Rang war 2021 noch kleines Wachstum möglich: So setzen nun 82 Prozent der Antwor-tenden Open-Source-Programmiersprachen ein. Auch die folgenden Plätze mit Web-Servern wie Apache oder Nginx, Server-Betriebssystemen wie SUSE, Red Hat oder Debian, und Datenbanken sind gleich geblieben bzw. verzeichnen kleinere und grössere Wachstumsschübe. Den grössten Sprung mit 15 Prozent können die Open-Source-Daten-banken verzeichnen: So setzen nun mit 78 Prozent über drei Viertel der befragten Unternehmen und Behörden MariaDB, MySQL, PostgreSQL und weitere SQL- und No-SQL-basierte Open-Source-Datenspeicher wie MongoDB oder Hadoop ein. Da anzunehmen ist, dass Datenbanken meist in geschäfts-kritischen Applikationen zum Einsatz kommen, erklärt dies erneut die oben genannte Feststellung, dass die Relevanz von Open Source Software weiter zugenommen hat.

BelieBter feuerfuchSNeben den so wichtigen serverseitigen Open-Source- Lösungen zeigt die Auswertung der Umfrage von 2021 auch, dass insbesondere Open-Source-Desktop-Anwendungen an Boden gewonnen haben: Stand der Client-Bereich 2018 noch auf Platz 8 mit 56 Prozent Verbreitung, sind es jetzt mit einem Plus von 19 Prozent bereits 75 Prozent der Fir-men und Verwaltungsstellen, die quelloffene Programme an den Arbeitsplätzen ihrer Mitarbeitenden zur Verfügung stellen. Dabei belegt der Webbrowser Firefox von Mozilla mit 88 Prozent Verbreitung weiterhin den ersten Platz bei den Open-Source-Desktop-Applikationen.

Weiter zugenommen hat auch der Open-Source-Anteil im Security-Umfeld. So setzten 2018 noch 63 Prozent der Antwortenden quelloffene Sicherheitstechnik wie Anti-viren-Software, Firewalls und Krypto-Tools wie ClamAV, GPG, OpenSSH, OpenVPN oder OpenSSL ein. Dieses Jahr sind es bereit 72 Prozent. Diese Entwicklung hängt wohl auch mit den wachsenden Cyberbedrohungen mit Ran-somware etc. zusammen, für deren Bekämpfung es fort-laufend Updates und neue Technologien braucht.

open-Source-SchuB Bei cloud-technologienNeben Programmiersprachen werden in der Software-Ent-wicklung auch Open Source Developer Frameworks und App likationskomponenten immer beliebter. Programmier-bibliotheken wie Node.js, Angular oder Spring verzeichnen ein Wachstum um 8 Prozent von 62 Prozent auf 70 Prozent, auch wenn sie wegen der vorgepreschten quelloffenen Desktop-Anwendungen einen Rang eingebüsst haben und somit von Platz 6 auf Platz 7 gerutscht sind.

Ein grosses Wachstum können wiederholt die Open-Source-Cloud-Technologien verzeichnen. Vor drei Jahren rangierten Lösungen wie Docker & Co. noch auf Platz 9 mit 56 Prozent Verbreitung. Dieses Jahr sind Cloud-Lösungen

Computerworld 6–7/2021 Quelle: OSS Studie 2021

In welchen Bereichen setzt Ihre Organisation Open Source Software heute ein oder plant den Einsatz?

Programmiersprachen z. B. JavaScript, Python, Ruby, Java, PHP

Web-Server z. B. Apache, Nginx

Server-Betriebssystem z. B. SUSE, Red Hat, Debian

Datenbanken und NoSQL-DBs z. B. MariaDB, MySQL, PostgreSQL, Hadoop

Desktop-Anwendungen z. B. Firefox, LibreOffice, GIMP

Sicherheit, Firewalls, Verschlüsselung z. B. ClamAV, GPG, OpenSSH, OpenVPN, OpenSSL

Software Components, Frameworks z. B. Angular, Node.js, Spring, Git

Cloud Computing, Micro Services z. B. Docker, Kubernetes, OpenStack, Consul

CMS, DMS z. B. WordPress, TYPO3, Drupal, Alfresco

Middleware, Application Server z. B. Kafka, ActiveMQ, Liferay, Tomcat, JBoss

Continuous Integration/Continuous Delivery z. B. GitLab, Jenkins, GoCD, Travis CI

Kommunikation z. B. BigBlueButton, Jitsi, Threema, Mattermost

System- und Netzwerkmanagement, Monitoring z. B. Prometheus, Icinga, Nagios

DevOps, IT Automation z. B. Ansible, SaltStack, Puppet, Dokku

Interne Search Engine z. B. Elasticsearch, Lucene, Solr

Identity and Access Management (IAM) z. B. OpenLDAP, Keycloak, midPoint, OpenIDM

Desktop-Betriebssysteme z. B. Ubuntu, SUSE, Fedora

Fachanwendungen branchenspezifische Open-Source-Anwendungen

Cloud Storage z. B. Nextcloud, OwnCloud, Seafile

SOA, Web Services, Rules Engines z. B. Sopera, WSS4J, CLIPS

E-Learning z. B. Moodle, ILIAS, OLAT

Business Analytics, Data Warehousing z. B. JasperReports, Pentaho, BIRT, MetaBase

Secrets Management z. B. Vault, Knox, Keywhiz

Digital Workflow z. B. Caluma, OTRS, jBPM, iTop

E-Commerce z. B. NOPCommerce, Magento, OpenCart

Groupware (E-Mail, Kalender, Kontakte etc.) z. B. OpenXchange, Zimbra, Kolab

Customer Relationship Management (CRM) z. B. Hitobito, SuiteCRM, SugarCRM, vTiger

Enterprise Resource Planning (ERP), Buchhaltung z. B. Odoo, metasfresh, Tryton, Adempiere

2021 2018 2015

82,2 %78,9 %78,9 %78,3 %

71,4 %69,0 %

77,6 %70,9 %

68,0 %77,6 %

62,9 %68,0 %

75,0 %56,3 %

29,0 %71,7 %

62,9 %49,0 %

69,7 %62,0 %

45,5 %69,1 %

55,9 %33,5 %

63,8 %60,1 %

54,0 %59,9 %

55,4 %52,5 %

58,6 %

55,3 %

53,3 %44,6 %

36,5 %52,6 %

39,9 %

51,3 %44,6 %

27,0 %44,1 %

28,2 %23,0 %

38,8 %28,6 %

26,0 %38,8 %

42,7 %

33,6 %31,0 %

31,6 %32,4 %

25,5 %26,3 %

20,7 %15,5 %

24,3 %24,4 %

11,5 %23,0 %

19,7 %20,2 %

18,5 %15,1 %16,4 %

12,5 %11,2 %11,7 %

14,0 %9,9 %11,7 %12,5 %

9,2 %8,0 %

4,5 %

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auf Rang 8 mit einem Plus von 13 Prozent in 69 Prozent aller Behörden und Unternehmen zu finden. Dies zeigt, wie wichtig Open Source einmal mehr beim Betrieb von Micro-services und APIs geworden ist.

zeichnet Sich eine teilWeiSe Sättigung aB?Zwar finden sich die Content-Management-Systeme Word-Press, TYPO3 oder Drupal mit 64 Prozent Verbreitung im-merhin in fast jeder dritten Organisation, sie sind aber auf-grund ihres Wachstums von «nur» 4 Prozent von Rang 7 auf Rang 9 abgerutscht. Offenbar scheint sich hier langsam eine Sättigung abzuzeichnen. Weiterhin in den Top 10 der Einsatzgebiete liegen Open Source Middle ware und Appli-cation Server wie beispielsweise Kafka, ActiveMQ, Liferay,

Tomcat oder JBoss. Mit einer Zunahme von 4,5 Prozent stehen diese wichtigen Open-Source-Systeme bei knapp 60 Prozent der Antwortenden im produktiven Einsatz.

Erstmals wurde dieses Jahr der Einsatz abgefragt von Technologien für Continuous Integration/Continuous Deli-very (CI/CD) wie GitLab, Jenkins, GoCD und Travis CI. Und siehe da: Mit 59 Prozent Verbreitung werden diese moder-nen Tools für die effiziente Software-Entwicklung bereits von über der Hälfte der befragten Unternehmen und Behör-den verwendet. Dieser Trend schlägt sich auch nieder im Bereich DevOps und IT Automation mit Ansible, SaltStack oder Puppet: Von 40 Prozent Verbreitung im Jahr 2018 wer-den nun mit 53 Prozent bei über der Hälfte der Befragten entsprechende Open-Source-Lösungen eingesetzt.

Die nutzung quelloffener Software ist in den letzten drei Jahren sprunghaft an­gestiegen. Was hinter dem Boom steckt und wo die Open Source Community noch Hausaufgaben machen muss, erklärt Matthias Stürmer von der Forschungs­stelle Digitale nachhaltigkeit der Univer­sität Bern. Interview: George Sarpong

Computerworld: Die Ergebnisse der ak tuellen Open Source Studie sind da. Welches waren die grössten Veränderun­gen während der letzten drei Jahre im Schweizer Open­Source­Markt?Matthias Stürmer: Erfreulich ist, dass sich Open Source Software gemäss Umfrage in immer weitere Einsatzgebiete ausbreitet. 2018 gab es erst 29 Prozent «Vielnutzer», jetzt sind es mit 49 Prozent bereits fast die Hälfte der Antwortenden, die in 15 oder mehr der 28 abgefragten Einsatzgebiete Open Source verwenden. Einen grossen Sprung nach vorn haben beispielsweise die Open-Source-Desktop-Anwendungen und die Cloud-Technologien gemacht.

CW: Ein Hemmschuh ist der Mangel an fir­meninternem Open­Source­Wissen. Ande­rerseits hat sich die Anzahl der professio­nellen Vielnutzer von Open­Source­Lösun­gen mit 49 Prozent fast verdoppelt. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?Stürmer: Dieser Effekt lässt sich gut mit der wachsenden Anzahl Open-Source-Service-anbietern erklären. Wenn IT-Abteilungen Open Source einsetzen wollen, geht das oft-mals rascher mit einem externen Lieferanten, der kompetent unterstützen kann. Der Markt ist am Wachsen, das OSS Directory listet über 200 aktive Open-Source-Anbieter auf.

CW: Die digitale Souveränität wird für An­wender wichtiger. Gibt es ein neues Be­

wusstsein für Vendor Lock­ins, liegt es an der GDPR oder welches sind die Treiber?Stürmer: Ich bin sicher, dass sich das Be-wusstsein der IT-Verantwortlichen bezüglich Abhängigkeiten von der Big-Tech-Industrie und auch von lokalen Software-Lieferanten verändert. Noch vor einigen Jahren war es den meisten Leuten egal, wo ihre Daten gespeichert sind, heute spielt es immer häu-figer eine wichtige Rolle. Kein Wunder also, bauen Microsoft und Google grosse Rechen-zentren in der Schweiz.

CW: Wie wurde die Open­Source­nutzung durch die Pandemie beeinflusst?Stürmer: Corona hat sicher die IT-Nutzung erhöht, fast alle globalen und nationalen IT-Anbieter haben durch die Verschiebung ins Home Office einen Boom erlebt. So werden

auch zahlreiche Open-Source-Technologien für die New-Work-Trends der dezentralen Kol-laboration und virtuellen Kommunikation eingesetzt. Dazu zeigen wir in der Studie de-taillierte Ergebnisse zur Nutzung von Open-Source-Chat-Lösungen (wie Threema und Signal), Omnichannel-Tools (Slack-Alternati-ven wie Rocket.Chat und Mattermost) und Video-Conferencing-Lösungen (wie BigBlue-Button und Jitsi).

CW: Wo es Licht gibt, entstehen auch Schatten. Welche Probleme gibt es mit Open­Source­Technologien, die noch gelöst werden müssen?Stürmer: Wir haben leider erneut feststellen müssen, dass Open-Source-ERP- und Open-Source-CRM-Lösungen gar nicht vom Fleck kommen. Für mich ist das ein Rätsel, gibt es doch zahlreiche sehr gute Open-Source-ERPs wie Odoo oder metasfresh. Die Erklärung ist wohl einfach, dass die proprietären Ange-bote noch besser und attraktiver sind – und vor allem noch intensiver vermarktet wer-den, vermute ich.

CW: «Unsicherheiten bezüglich Open­Sour­ce­Lizenzen und rechtliche Risiken» haben zugenommen. Woran liegt das und wie könnte ein Lösungsvorschlag aussehen?Stürmer: Diese Entwicklung hat mich auch erstaunt! Ich hätte vermutet, dass sich nach 30 Jahren das Know-how bezüglich Open-Source-Lizenzen und Copyleft etwas verbrei-tet hat. Aber vielleicht kümmern sich viele auch erst um solche Lizenzfragen, wenn sie sich vertiefter mit Open Source befassen und Open Source in geschäftskritischen Orten einsetzen. Ausserdem gibt es Trends wie die Server Side Public License (SSPL), die neue Fragen aufwerfen. In der Studie haben wir dazu einen Fachbeitrag von Prof. Simon Schlauri publiziert.

«Der Open­Source­Markt ist am Wachsen»

Matthias Stürmer leitet die Forschungs­stelle Digitale nachhaltigkeit der Universität Bern

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open Source ermöglicht remote WorkEbenfalls zum ersten Mal wurden dieses Jahr aufgrund der Covid-19-Pandemie die Unternehmen und Behörden zur aktuellen Thematik der Open-Source-Video- und -Chat-Kommunikation befragt. Obwohl im Alltag oft über Micro-soft Teams, Zoom oder WhatsApp kommuniziert wird, hat

über die Hälfte (55 Prozent) der Antwortenden dennoch angegeben, dass sie Open-Source-Technologien einsetzen wie BigBlueButton, Jitsi, RocketChat, Signal, Threema oder Mattermost. Zugenommen haben ebenfalls interne Inde-xierungs- und Suchtechnologien wie beispielsweise Elas-ticsearch, Apache Lucene oder Apache Solr. Obwohl sie zwar im Ranking von Platz 12 auf Rang 15 abgerutscht sind, werden diese mächtigen Werkzeuge von 45 Prozent im Jahr 2018 nun mit 52 Prozent bei mehr als der Hälfte der Umfrageteilnehmenden eingesetzt.

Einen der grössten Wachstumsschübe haben jedoch die Open-Source-Identity-and-Access-Management(IAM)- Plattformen wie OpenLDAP, Keycloak, midPoint oder Open-IDM erfahren. Von 24 Prozent Verbreitung 2018 werden diese Lösungen für Single Sign-on und andere Authen - ti fizierungsanforderungen nun bei über 44 Prozent der Unternehmen und Behörden genutzt – ein Plus von 16 Pro-zent, was einen Sprung von Platz 18 auf Platz 16 ergibt.

kampf um deSktop- und cloud-kundenDeutlich gewachsen ist von 29 Prozent auf 39 Prozent auch die Verbreitung des Desktop-Betriebssystems Linux. Je-doch von 43 Prozent auf 39 Prozent etwas nachgelassen haben die Open-Source-basierten Fachanwendungen. Und nur wenig zugenommen (von 31 Prozent auf 34 Prozent) hat die Verbreitung quelloffener Cloud-Speichersysteme wie Nextcloud oder OwnCloud. Offenbar sind Microsoft One-Drive und Google Drive wohl starke proprietäre Konkurren-ten für die ansonsten sehr mächtigen Datenspeicherungs-systeme auf eigenen Servern.

Computerworld 6–7/2021 Quelle: OSS Studie 2021

Anzahl Einsatzbereiche quelloffener Software

OSS-Nutzer (mind. 1 Bereich)

Vielnutzer (15 und mehr Bereiche)

mehr als 22 Bereiche:

15–21 Bereiche:

8–14 Bereiche:

1–7 Bereiche:

Null-Nutzer:

2021 2018 2015

96,7 %94,8 %

92,1 %49,3 %

28,6 %21,4 %

4,6 %2,3 %3,3 %

44,7 %26,3 %

18,1 %28,9 %

40,8 %35,3 %

18,4 %25,4 %

35,3 %3,3 %

5,2 %7,9 %

In der neuen Arbeitswelt müssen die Mitarbeitenden von unterschied-lichen Orten aus kommunizieren und zusammenarbeiten können. Dazu braucht es gute Tools, die stabil und performant funktionieren. Hier sind sieben unterschiedliche Open-Source-Werkzeuge vorgestellt, die für diese neue Arbeit der dezentralen Kollaboration praktisch sind und gleichzeitig die digitale Souveränität gewährleisten:

1. BigBlueButton (https://bigbluebutton.org) eignet sich ideal für kleine und grosse Online-Meetings und Webinare, da über diese quelloffene Video-Conferencing-Plattform 2 bis 200 Teilnehmende gut kommunizieren und interagieren können. Neben Video- und Audio-Kommunikation bietet BigBlueButton auch Breakout-Räu-me, Chats, gemeinsame Notizen, Umfragen, Screensharing, Folien-Upload, Whiteboards und Video-Sharing.

2. Rocket.Chat (https://rocket.chat) ist als Open-Source-Alternative zu Slack für die asynchrone, dezentrale Kommunikation innerhalb einer Firma oder eines grösseren Teams geeignet. Es können einer-seits direkte Chat-Nachrichten an andere Mitglieder verschickt werden. Andererseits lassen sich auch einfach eigene Public oder Private Groups bilden, um sich über ein bestimmtes Projekt oder ein Thema auszutauschen.

3. LibreOffice (https://libreoffice.org) ist seit über 10 Jahren eine her-vorragende Alternative zu Microsoft Office. Die Open Source Office Suite enthält alle notwendigen Funktionen, um umfangreiche Tex-te zu verfassen, Daten in Tabellen zu verarbeiten, Präsentationen zu halten oder Grafiken zu zeichnen. Und mit Collabora Online in-nerhalb von Nextcloud können auch mehrere Personen gleich zeitig an LibreOffice-Dokumenten arbeiten und Dateien teilen.

4. nextcloud (https://nextcloud.com) bietet als Dropbox-Alternative alle notwendigen Features für den unkomplizierten Austausch von Dateien mit dem Unterschied, dass sich alle Daten auf dem eigenen Server (Private Cloud) befinden. So erhält man den Komfort, mittels Desktop- und Mobile-Apps Dokumente auszu-tauschen und gleichzeitig bleibt man unabhängig von Microsoft & Co. Viele Erweiterungsmöglichkeiten machen Nextcloud zu einer mächtigen Open-Source-Kollaborations- und Open-Source-Kom-munikationsplattform.

5. GIMP (https://www.gimp.org) ermöglicht seit 25 Jahren die Bild-bearbeitung ähnlich wie Photoshop. So können eine Vielzahl von Grafikformaten geöffnet und auf verschiedenen Ebenen bearbeitet werden. Eine grosse Anzahl Filter und Werkzeuge ermöglicht die professionelle Bildoptimierung – vom einfachen Freistellen bis zu komplexen Farbveränderungen.

6. KeePass (https://keepass.info) ist im heutigen Dschungel von unzähligen Online-Accounts und Logins eine grosse Hilfe, eigene Passwörter in unterschiedlichen Gruppen sicher und dennoch bedienungsfreundlich abzuspeichern und bei Bedarf aufzurufen. Die zuverlässige Verschlüsselung der Passwörter wird mit mo-dernster Kryptografie sichergestellt.

7. Thunderbird (https://www.thunderbird.net) ist ein mächtiges E-Mail-Programm, mit dem riesige Mengen an Nachrichten ver-arbeitet, gespeichert und durchsucht werden können. Mit prakti-schen Such- und Filtermöglichkeiten behält man den Überblick im E-Mail-Chaos. Und dank Tausender Erweiterungen der Open Source Community lassen sich auch sehr individuelle Funktionen nachinstallieren.

7 quelloffene Lösungen für die neue Arbeitswelt

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Wie nutzt die Schweiz Open Source? Welches sind die neusten Trends bei Program-mier-Frameworks und Cloud-Technologien? Und wie lauten die wichtigsten Gründe für den Einsatz von Open Source Software? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt die neue Open Source Studie von CH Open und swissICT, durchgeführt von der Digitalen Forschungsstelle für Digitale Nachhaltigkeit der Universität Bern.

Veröffentlicht werden die Ergebnisse am Donnerstagnachmittag, 17. Juni 2021, von 14:00 bis 16:30 Uhr im Memox (Europaallee) in Zürich und online auf BigBlue-Button. Ausserdem werden rund ein Dutzend Open-Source-Profis Kurz inputs zu trendigen Open-Source-Technologien und Best Practices geben. Und zum Ab-schluss wird allen Anwesenden ein Corona-konformer Apéro serviert.Weitere Informationen und Anmeldung auf:www.swissict.ch/event/praesentation­der­open­source­studie­2021

Event: Open Source Studie 2021

Immer noch abgeschlagen weit hinten folgen quelloffene Business-Applikationen wie E-Commerce, Groupware, Cus-tomer Relationship Management (CRM) und Enterprise Re-source Planning (ERP). Obwohl Open-Source-Lösungen wie Odoo oder metasfresh Schritt für Schritt an Bekanntheit gewinnen, sind sie in der Masse im Vergleich zu Salesforce oder SAP leider noch kaum verbreitet. Was nicht heisst, dass die Nachfrage nicht da wäre: In den qualitativen Ant-worten der Umfrage wurde mehrfach das Bedürfnis nach guten ERP- und CRM-Lösungen im Open-Source-Bereich genannt. Somit dürfte interessant sein, wie die Antworten und Zahlen in drei Jahren aussehen werden.

freigaBe und unterStützung von open Source SoftWareErstmalig wurde dieses Jahr untersucht, ob die befragten Firmen und Behörden neben der Nutzung von Open Source Software auch selber zu bestehenden externen oder eige-nen Open-Source-Projekten beitragen. Die Ergebnisse zei-gen, dass mit über 60 Prozent der Antwortenden bereits viele der befragten CEOs und IT-Verantwortlichen von swiss-ICT- und SIK-Mitgliedern Open Source Code freigeben oder zumindest schon einmal darüber nachgedacht haben.

Tatsächlich veröffentlichen heute insgesamt 30 Prozent der Antwortenden auf GitHub, GitLab oder einer anderen Plattform eigenen Source Code. Dies erstaunt, weil die Frei-gabe von Quelltext unter einer Open-Source-Lizenz für viele Firmen und Behörden doch eine relativ neue Praxis ist und einiges an Erfahrung mit Open Source Communities und Prozessen benötigt. Dabei publiziert die Mehrheit (21 Pro-zent) den Quellcode auf einem organisationseigenen Pro-fil. Nur die Minderheit lässt ihre Mitarbeitenden den Code über ihre privaten GitHub-Profile veröffentlichen.

reputationSvorteil für unternehmen durch freigaBe von open Source SoftWareDie Freigabe über ein offizielles Firmen- oder Behörden-profil bei GitHub ist auch durchaus sinnvoll, denn nur so erhält eine Organisation auch den entsprechenden Repu-tationsvorteil. Dies ist von den genannten Gründen auch der wichtigste, wie die Antwortenden angaben. Daneben wollen sie auch ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit ge-ben, sich weiterzubilden und Erfahrungen zu sammeln. Auch zentral für die Freigabe von Open Source Software ist

die Vernetzung mit anderen IT-Fachleuten – falls einmal Hilfe benötigt werden sollte. Als weiterer Vorteil bei der Ver-öffentlichung von Open Source Code wurde angegeben, dass auf diese Weise Beiträge von anderen wie Bug Fixings und neue Funktionen entgegengenommen werden kön-nen und die neue Anwendung getestet wird. Auch Recrui-ting ist ein bedeutender Grund, der von 68 Prozent der Antwortenden angegeben wurde. Weniger im Vordergrund steht hingegen das Ziel, Branchenstandards zu setzen und dadurch die Marktdurchdringung zu erhöhen. Auch Busi-ness Development für die Kundengewinnung ist nicht von Bedeutung. Die durch einen Kunden erzwungene Freigabe des Quellcodes kam praktisch nie als Antwort vor.

der open Source Benchmark Die Antwortenden konnten zudem mitteilen, wo genau sie ihre Open Source Software veröffentlichen. Bis auf eine Per-son gaben alle GitHub an, die global grösste Plattform für die Entwicklung von Open Source Software. Über 20 kon-krete Links zu den freigegebenen Quellcode-Repositories wurden so entgegengenommen. Diese können nun in das neue Monitoring-Tool «OSS Benchmark Schweiz» (www.ossbenchmark.com) aufgenommen werden, wo die tat-sächliche Anzahl von Projekten, Mitwirkenden, Beiträgen und viele andere Werte laufend gemessen und mit allen über 110 bereits erfassten Schweizer Firmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen verglichen werden.

Ja, die Mitarbeitenden geben Open Source Software auf dem GitHub-Profil der Organisation frei

Ja, die Mitarbeitenden dürfen Open Source Software auf ihrem privaten GitHub-Profil freigeben

Ja, ist geplant oder im Aufbau

Nein, aber wir haben schon darüber nachgedacht

Nein, das kommt für uns nicht infrage

weiss nicht

21,3 % 9,2 %

2,1 %

35,5 %27,7 %

4,3 %

Computerworld 6–7/2021 Quelle: OSS Studie 2021

Veröffentlicht Ihre Organisation Open Source Software?«Fast jede dritte

Organisation veröffentlicht

heute Code auf GitHub und Co.»

Matthias Stürmer

Computerworld 6–7/2021 www.computerworld.ch 65