Optimierung der Primärversorgung durch RGKpP fileFachhochschule Burgenland Department Gesundheit...

180
Fachhochschule Burgenland Department Gesundheit Management im Gesundheitswesen Optimierung der Primärversorgung in den österreichischen Gemeinden, durch die Implementierung von „Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen“- am Beispiel Bezirk Gänserndorf. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in Business Management im Gesundheitswesen Autorin: Stephanie Elisabeth Walla, BA Personenkennzeichen: 1410269005 Betreuer: Dr. Thomas Czypionka Datum: 27.07.2016 Fachhochschule Burgenland – Department Gesundheit Steinamangerstraße 21 Tel.: 05/7705 E-Mail: [email protected] 7423 Pinkafeld Fax: 03357/45370-1010 Homepage: www.fh-burgenland.at

Transcript of Optimierung der Primärversorgung durch RGKpP fileFachhochschule Burgenland Department Gesundheit...

Fachhochschule Burgenland

Department Gesundheit

Management im Gesundheitswesen

Optimierung der Primärversorgung in den

österreichischen Gemeinden, durch die

Implementierung von „Regionalen

Gesundheits- und Krankenpflegepersonen“-

am Beispiel Bezirk Gänserndorf.

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in

Business

Management im Gesundheitswesen

Autorin: Stephanie Elisabeth Walla, BA

Personenkennzeichen: 1410269005

Betreuer: Dr. Thomas Czypionka

Datum: 27.07.2016

Fachhochschule Burgenland – Department Gesundheit

Steinamangerstraße 21 Tel.: 05/7705 E-Mail: [email protected]

7423 Pinkafeld Fax: 03357/45370-1010 Homepage: www.fh-burgenland.at

Department Gesundheit

I

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre hiermit, dass ich die Masterarbeit selbständig verfasst habe. Die von mir

verwendeten Hilfsmittel habe ich angegeben, Zitate kenntlich gemacht.

Franzensdorf am, 27.07.2016

Ort, Datum Unterschrift

Department Gesundheit

II

KURZFASSUNG

Problemstellung: Der Begriff Primärversorgung umfasst eine Gesundheitsversorgung die für

Einzelpersonen und deren Familien in jeder Phase ihrer Entwicklung, eine kontinuierliche

Fürsorge auf Basis der individuellen Wünsche und Bedürfnisse gewährleistet. Der Fokus liegt

hier auch auf der ganzheitlichen systemischen Pflege und Betreuung eines Menschen, speziell

in seinem häuslichen Setting, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Akutbereich

und anderen medizinischen- therapeutischen Einrichtungen. Trotz zahlreicher internationaler

und nationaler Forderungen, konnte einer flächendeckenden Umsetzung dieses Konzeptes im

österreichischen Gesundheitssystem, noch nicht nachgekommen werden.

Methodik: Mittels Literaturrecherche erfolgte die Darstellung bestehender allgemeiner

Versorgungskonzepte, eine Erhebung der aktuellen Schwächen und

Schnittstellenproblematiken im österreichischen primären Gesundheitsversorgungsystem,

sowie eine Zusammenfassung internationaler „Primary Nursing“ beziehungsweise „Public

Health Nursing“ Konzepte. Sechs Expertinnen und Experten, partiell mit Erfahrungswerten im

primären Versorgungssektor, sowie aus dem operativen Gesundheitsversorgungssektor

wurden für die Beantwortung der gestellten Forschungsfragen, sowie für die

Ergebnisdarstellung herangezogen und im Rahmen qualitativer halb standardisierter

Interviews zu der Thematik befragt.

Ergebnisse: Die Ergebnisse dieser Arbeit stellen eine Vielzahl an Blickwinkeln hinsichtlich der

Schnittstellenproblematik und Schwächen bezogen auf die Primärversorgung dar.

Demgegenüber stehen zahlreiche europäische gut funktionierende pflegerische

Versorgungskonzepte auf Basis der Gesundheitsförderung und –beratung, sowie einer

Optimierung des Schnittstellenmanagements und einer Vernetzung der medizinisch-

therapeutischen Versorgungsebenen. Die vorliegende Arbeit erläutert mit Hilfe der Ergebnisse

aus der Empirie und Theorie, die mögliche Konzipierung, Implementierung und den daraus

resultierenden Nutzen einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson, auf Ebene

der österreichischen Primärversorgung.

Schlussfolgerung: Zahlreiche Konzipierungen durch die österreichische Bundesregierung,

die extramurale Versorgungsebene flächendeckend und langfristig zu optimieren, sind bisher

nicht schlüssig umgesetzt worden, was sich durch die weiterhin bestehenden in sich

geschlossenen Versorgungssysteme widerspiegelt. Durch die Implementierung einer

Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson (RGKpP) in Anlehnung an die

bestehenden europäischen Konzepte wie beispielsweise die „Community Nurse“, könnte eine

Department Gesundheit

III

dauerhafte Verbesserung der Versorgung im häuslichen Setting, sowie der

Schnittstellenproblematik herbeigeführt werden.

ABSTRACT

Description of problem: The term ‘primary care’ encompasses health care that provides for

continuous welfare on the basis of individual wishes and needs of individuals and their families

in all stages of their development. There is an additional focus on the holistic and systemic

care and support of an individual, especially in a domestic setting, also emphasising the

cooperation with acute and other medical and therapeutic institutions. Despite numerous

national and international demands, no comprehensive or nationwide implementation of this

concept in the Austrian health system could be attained.

Methodology: The description of current general care concepts, an inquiry into present

weaknesses and transition problems in the Austrian primary health care system and a

summary of international ‘Primary Nursing’ and ‘Public Health Nursing’ concepts respectively

were compiled following intensive literature research. Six experts, some of which having had

experience in the primary care sector and the operative health care sector, were asked to

answer research questions, used for the discussion of the results and questioned about the

issues in qualitative, semi-standardised interviews.

Results: The results of this thesis present a number of viewpoints on the transition problems

and weaknesses regarding primary care. In contrast to this, there are a multitude of efficiently

operating caregiving service concepts in Europe on the basis of health promotion and

counselling, the optimisation of transition management systems and the interconnection of

medical and therapeutic care levels. The thesis at hand discusses a possible

conceptualisation, implementation and the resulting benefit of a regional medical and health

care professional, i.e. nurse, in Austrian primary care with the help of theoretical and empirical

data.

Conclusion: Numerous conceptualisations of the Austrian federal government to optimise

extramural care on a long-term and area-wide basis have not been implemented successfully,

which is reflected by the still-existent self-contained care systems. By introducing the concept

of a regional medical and health care professional, i.e. nurse, similar to European systems that

are already in use, e.g. the ‘community nurse’, a permanent improvement of domestic health

care and transition problems could be achieved.

Department Gesundheit

IV

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ACSC Ambulatory Care Sensitive Conditions

AEDL Aktivitäten und Essentielle Erfahrungen des täglichen

Lebens

AMS Arbeitsmarktservice

AschG ArbeitnehmerInnenschutzgesetz

BIQG Bundesinstitut für Qualitätssicherung im

Gesundheitswesen

BMASK Bundesministerium für Arbeit und Konsumentenschutz

BMG Bundesministerium für Gesundheit

BPGG Bundespflegegeldgesetz

B-VG Bundes Verfassungsgesetz

bzw. beziehungsweise

CCIV Competence Center integrierte Versorgung

CM Case Management

DMP Disease Management Programme

EM Entlassungsmanagement

EIGER Erforschung innovativer geriatrischer Hausbesuche

GuKG Gesundheits- und Krankenpflegegesetz

G-ZG Gesundheits- Zielsteuerungsgesetz

IGSS Integrierte Gesundheits- und Sozialsprengel

IV Integrierte Versorgung

NHS National Health Service

ÖBIG Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen

Department Gesundheit

V

PHC Primary Health Care Center

QSPG Qualitätssicherung Pflegegeld

RGKpP Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson

STGKK Steiermärkische Gebietskrankenkassa

SMART Spezifisch-Messbar-Akzeptiert-Realistisch- Terminiert

SVB Sozialversicherung der Bauern

WHO World Health Organisation

z.B. zum Beispiel

Department Gesundheit

VI

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG ............................................................................... 1

1.1 Relevanz und Aktualität des Themas ................................................................... 5

1.2 Nutzen der Arbeit für die Praxis ........................................................................... 6

1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage........................................................................ 6

1.4 Methodik und Vorgehensweise ............................................................................ 7

2 BEGRIFFSERKLÄRUNG UND ABGRENZUNG ......................... 8

2.1 Definitionen ............................................................................................................ 8

2.1.1 Primärversorgung .................................................................................................... 8

2.1.2 Intra- und Extramurale Versorgung .........................................................................10

2.2 Allgemeine Versorgungskonzepte ......................................................................10

2.2.1 Integrierte Versorgung ............................................................................................11

2.2.2 Disease Management .............................................................................................12

2.2.3 Case Management .................................................................................................13

2.2.4 Care Management ..................................................................................................17

2.2.5 Entlassungsmanagement .......................................................................................18

3 SCHNITTSTELLENPROBLEMATIK IM ÖSTERREICHISCHEN

GESUNDHEITSWESEN ............................................................ 19

3.1 Integrierte Gesundheits- und Sozialsprengel (IGSS) .........................................21

3.2 Strukturelle Schwächen aktueller Versorgung ...................................................21

3.3 Systemische Anforderungen ...............................................................................29

4 KONZEPTE DER „REGIONALEN GESUNHEITS UND

KRANKENPFLEGEPERSONEN“ (RGKPP) IM

INTERNATIONALEN VERGLEICH ........................................... 33

4.1 Public Health Nursing ..........................................................................................34

4.2 District Nurse in Großbritannien .........................................................................35

Department Gesundheit

VII

4.3 Buurtzorg- ein innovatives Modell aus den Niederlanden .................................36

4.4 Präventive Hausbesuche in Dänemark ...............................................................37

4.5 Projekt EIGER- Erforschung innovativer geriatrischer Hausbesuche ..............39

4.6 „Rund ums Alter“ in Deutschland .......................................................................40

4.7 Gemeinsamkeiten der internationale Konzepte..................................................41

4.7.1 Die Begrifflichkeit RGKpP in Anlehnung an die Konzepte .......................................44

5 NUTZEN DER RGKPP AUS EXPERTEN UND

EXPERTINNENSICHT ............................................................... 45

5.1 Methodik ................................................................................................................45

5.2 Methodenbegründung ..........................................................................................45

5.2.1 Auswahl der Experten und Expertinnen ..................................................................46

5.2.2 Konstruktion der Interviewleitfäden .........................................................................47

5.2.3 Durchführung der Interviews ...................................................................................48

5.2.4 Auswertung der Interviews- Inhaltsanalyse nach Mayring .......................................49

5.2.5 Entwicklung des Kategorieschemas .......................................................................50

5.3 Ergebnisdarstellung der Experten- und Expertinneninterviews ......................50

5.3.1 Gesundheitspolitische Situation und Bedarfseinschätzung im Kontext der

Primärversorgung .................................................................................................................52

5.3.2 Pflege- und Betreuungssituation im häuslichen Setting ..........................................60

5.3.3 Schnitt- und Nahtstellenmanagement der verschiedenen Versorgungsebenen im

Österreichischen Gesundheitssystem ..................................................................................64

5.3.4 Vorteile internationaler Primärversorgungskonzepte ...............................................71

5.3.5 Umsetzung und Nutzen von RGKpP in den österreichischen Gemeinden ..............74

6 DARSTELLUNG DER UMSETZUNGSMÖGLICHKEIT EINER

RGKPP IN ÖSTERREICH AM BEISPIEL BEZIRK

GÄNSERNDORF ....................................................................... 82

6.1 Regionale Determinanten .....................................................................................82

6.1.1 Marktsegmentierung und Zielgruppe ......................................................................87

Department Gesundheit

VIII

6.2 Darstellung des Berufsbildes der RGKpP ...........................................................88

6.2.1 Aufgabenprofil ........................................................................................................90

6.3 Rechtlicher Hintergrund .......................................................................................92

6.4 Finanzierung .........................................................................................................92

7 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSBETRACHTUNG UND

AUSBLICK ................................................................................. 93

7.1 Zusammenfassung ...............................................................................................93

7.2 Beantwortung der Forschungsfragen .................................................................95

7.3 Diskussion .......................................................................................................... 102

7.4 Schlussfolgerungen und Ausblick .................................................................... 103

8 VERZEICHNISSE .................................................................... 104

8.1 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 104

8.1.1 Literaturquellen ..................................................................................................... 104

8.1.2 Internetquellen ...................................................................................................... 107

8.1.3 Gesetzestexte ....................................................................................................... 112

8.2 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 113

A ANHANG ................................................................................. 114

A.1 Einverständniserklärung zum Interview ................................................................... 114

A.2 Interviewleitfaden B1 ................................................................................................. 115

A.3 Interviewleitfaden B2 ................................................................................................. 116

A.4 Interviewleitfaden B3 ................................................................................................. 117

A.5 Interviewleitfaden B4 ................................................................................................. 118

A.6 Interviewleitfaden B5 ................................................................................................. 119

A.7 Interviewleitfaden B6 ................................................................................................. 120

A.8 Transkription Interview I ............................................................................................ 121

A.9 Transkription Interview II ........................................................................................... 128

Department Gesundheit

IX

A.10 Transkription Interview III ........................................................................................ 136

A.11 Transkription Interview IV ....................................................................................... 143

A.12 Transkription Interview V ....................................................................................... 151

A.13 Transkription Interview VI ....................................................................................... 160

Department Gesundheit

1

1 EINLEITUNG

Im Jahr 1978 hat die WHO in der Deklaration von Alma Ata festgelegt, was die primäre

Gesundheitsversorgung beinhalten sollte. Im Fokus stehen dabei immer die Gesundheit des

Menschen und seine Familie in ihrem häuslichen Setting (WHO, 1978, www).

Mit dem Gesundheitsreformgesetz 2013, dem sogenannten Gesundheits-

Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) wurde durch den österreichischen Nationalrat im Mai 2013 ein

wesentlicher Schritt in der von der WHO geforderten Richtung gesetzt. Die sogenannte

Zielsteuerung Gesundheit hat laut § 2 dem Geltungsbereich „in struktureller und

organisatorischer Hinsicht alle intra- und extramuralen Bereiche des österreichischen

Gesundheitswesens sowie betroffene Nahtstellen zu umfassen.“

Das Gesetz deklariert im § 3 unteranderem neuartige Begrifflichkeiten die auch zu einer

Optimierung der Primärversorgung beitragen sollen. Wesentliche Inhalte sind hierbei unter

anderem der „Best Point of Service“- eine kurative Versorgung die jeweils zum richtigen

Zeitpunkt am richtigen Ort mit optimaler medizinischer und pflegerischer Qualität

gesamtwirtschaftlich möglichst kostengünstig erfolgen soll. Die „Integrierte Versorgung“- eine

patientenorientierte gemeinsame und abgestimmte sektorenübergreifende

Gesundheitsversorgung, welche auch eine Prozess- und Organisationsintegration umfasst.

„Interdisziplinäre Versorgungsmodelle“- welche die Zusammenarbeit von Ärztinnen/Ärzten

unterschiedlicher Fachbereiche sowie von nicht-ärztlichen Gesundheitsdiensteanbietern

(diplomiertes Pflegepersonal, Physiotherapeutinnen/Physiotherapeuten, usw.) fördern sollen,

sowie der Fokus auf „Public Health“, wobei die Schaffung von gesellschaftlichen Bedingungen,

Umweltbedingungen und Bedingungen einer bedarfsgerechten sowie effektiven und

effizienten gesundheitlichen Versorgung, wesentlich sind.

Im § 5 des Gesundheits- Zielsteuerungsgesetz werden klar die neuen Prinzipien, Ziele und

Handlungsfelder im österreichischen Gesundheitswesen definiert.

Es geht hervor, dass laut § 5 Abs. 1 Z. 1 die Gesundheitsförderung und Prävention forciert

werden muss, sowie laut Abs. 3 Z. 3 der Bereich der Primärversorgung („Primary Health Care“)

nach internationalem Vorbild auch im niedergelassenen Bereich zu stärken ist (RIS, 2013,

www).

Im österreichischen Gesundheitssytem gibt es verschiedene Konzeptionen die im Fokus einer

funktionierenden Primärversorgung stehen. Das Entwicklungspotential der Primärversorgung

in Österreich wurde vom Bundesministerium erkannt und die vorhandenen Ressourcen

genutzt und ausgebaut (BMG, o.J., www).

Department Gesundheit

2

Beispiele hierfür stellen die Integrierte Versorgung, oder das Disease Management Programm

„Therapie Aktiv“ dar.

Das Competence Center Integrierten Versorgung wurde von der österreichischen

Sozialversicherung vor dem Hintergrund und dem Ziel gegründet, patientenorientierte und

standardisierte Behandlungskonzepte zu entwickeln (CCIV, o.J., www). Deutschland hat die

integrierte Versorgung bereits als Leistungssektoren- und Fachübergreifende

Versorgungsdisziplin gesetzlich verankert (Mühlbacher& Ackerschott, 2007, S.20).

Das Konzept der Integrierten Versorgung hat seine Ausrichtung auf verschiedenen Ebenen

des Gesundheitssektors. Einerseits bei der Versorgung chronisch Kranker im Sinne der

Verbesserung des Nahstellenmanagements, andererseits bei der Vor- und Nachsorge in der

Akutversorgung (Amelung & Janus, 2005, S. 14- 16).

Ein weiteres Versorgungskonzept, im Sinne der Primärversorgung, sind die sogenannten

Disease Management Programme. DMP haben die Betreuung chronisch kranker Personen,

durch Früherkennung, Prävention und strukturierter Versorgung im zentralen Fokus. Das

größte in Österreich implementierte Disease Management Programm ist „Therapie Aktiv-

Diabetes im Griff“ welches in allen Bundesländern im niedergelassenen medizinischen

Versorgungsbereich implementiert wurde (STGKK, o.J., www).

Weitere Betreuungsformen im Sinne der Primärversorgung sind das Case- und

Caremanagement, sowie das Entlassungsmanagement als Schnittstellenkoordinator. Diese

Konzepte arbeiten im Sinnen der Ressourcenförderung und der Stärkung des Empowerment

eines betreuungsbedürftigen Menschen. Das in den USA entwickelte Case Management ist

ein Prozess der Zusammenarbeit mit dem Patienten, der Patientin, bei dem die optimalen

Gesundheitsdienstleistungen eingeschätzt, geplant, umgesetzt und koordiniert werden

(Ehlers, 2011, S. 14-17). Das Caremanagement hingegen fokussiert sich nicht auf die

Betreuung einer Einzelperson, sondern hat seinen Schwerpunkt in der Betreuung von

homogenen Patientengruppen (ebd., 2011, S. 18). Das Entlassungsmanagement soll den

Übergang von der stationären Pflege, in die häusliche Betreuung organisieren und

unterstützen. Um die Kontinuität der Behandlung und Betreuung durch einen nahtlosen

Übergang sicherzustellen, muss ein umfassendes, frühzeitig einsetzendes, sektorenüber-

greifenden Versorgungsmanagement gewährleistet werden (BMG, 2016, www).

Ein Großteil dieser Konzepte hat die Optimierung von Versorgungsabläufen im Fokus.

Wesentlich bei der Primärversorgung ist jedoch auch die Versorgung im häuslichen Sektor.

Department Gesundheit

3

Florence Nightingale (1820-1910), Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege,

sowie Pionierin im Sanitätswesen der Gesundheitsfürsorge in Großbritannien, machte zum

Thema „Public Heath Nursing” bereits folgende prägende Aussagen: „ A District Nurse must

be of a higher class and have fuller training than a hospital nurse, because she has no hospital

appliances at hand at all; and because she has to make notes of the case for the doctor, who

has no one but her to report to him. She is his staff of clinical clerks, dressers and nurse. (…)

A District Nurse must “nurse the room” as well as the patient and teach the family to nurse the

room. (…)” (1878, zitiert nach Montaeiro, 1985, S.184).

Was Florence Nightingale hier bereits im 19. Jahrhundert beschrieben hat, ist ein Tätigkeitsfeld

der Gesundheits- und Krankenpflege welches zwar in zahlreichen nord- und

westeuropäischen Ländern wie beispielsweise in Großbritannien, Niederlanden, der Schweiz

oder in den skandinavischen Ländern, unter anderem Dänemark gelebt wird, jedoch in

Österreich in dieser Form noch nicht etabliert ist. Die sogenannte „District Nurse“ wie

Nightingale sie sinngemäß erläutert, hat ihren Schwerpunkt im niedergelassenen,

extramuralen Bereich. Anders als bei der in Österreich wirkenden Hauskrankenpflege, hat die

„District Nurse“ oder auch „Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ (RGKpP)1

ihren Fokus nicht nur auf die pflegerische Versorgung kranker Menschen, sondern auch auf

die Gesundheitsförderung und Prävention, sowie die Förderung des Empowerment

hilfsbedürftiger Personen, ebenso wie deren Angehörigen im häuslichen Setting. Dies stellt

wiederum einen wesentlichen Schwerpunkt der Prinzipien, Ziele und Handlungsfelder des

Gesundheits Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) dar (RIS, 2013, www).

Gemäß § 16 Abs.3 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), ist die

Gesundheitsförderung im Rahmen des interdisziplinären Tätigkeitsbereich, sogar ein

wesentlicher Bestandteil des Aufgabengebietes der Angehörigen des gehobenen Dienstes für

Gesundheits- und Krankenpflege.

1 Der Terminus „RGKpP – Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ ist eine zum Zwecke

dieser Arbeit verwendete Begrifflichkeit und stellt somit keine gängige, literaturgestützte Begrifflichkeit

für „Public Health Nurse“ oder „District Nurse“ dar.

Department Gesundheit

4

„(3) Der interdisziplinäre Tätigkeitsbereich umfasst insbesondere:

1. Wirkung bei Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten und Unfällen sowie zur

Erhaltung und Förderung der Gesundheit,

2. Vorbereitung der Patienten oder pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen auf die Entlassung aus einer Krankenanstalt oder Einrichtung, die der Betreuung pflegebedürftiger Menschen dient, und Hilfestellung bei der Weiterbetreuung,

3. Gesundheitsberatung und

4. Beratung und Sorge für die Betreuung während und nach einer physischen oder

psychischen Erkrankung (RIS, 2016, www).“

Die aktuelle Versorgungsstruktur in Österreich hat den gehobenen Dienst der Gesundheits-

und Krankenpflege in der Betreuung hilfsbedürftiger kranker Menschen, sowohl im

intramuralen als auch im extramuralen Bereich gut integriert und dieser zählt zu den

wichtigsten Bestandteilen des Systems.

Laut GuKG §16 Abs. 3 ist die Gesundheitsförderung und –beratung in bestimmten Settings

ein nicht unerheblicher und wichtiger Bestandteil des Berufsbildes einer diplomierten

Gesundheits- und Krankenpflegeperson. (ebd., www) Diese Funktionen, als

Gesundheitsförderer und Gesundheitsförderinnen beziehungsweise Berater und

Beraterinnen, auch im Sinne der Angehörigenberatung fehlen trotz gesetzlicher Verankerung

unter anderem im G-ZG, als eigenständiges Aufgabengebiet in der Primärversorgung in

Österreich.

Eine weitere Problematik beim Thema Optimierung der Primärversorgung, liegt im Bereich des

Schnitt- und Nahtstellenmanagements, sowie der mangelnden Kommunikation und

Vernetzung der einzelnen Dienstleister auf den horizontalen und vertikalen

Versorgungsebenen. Das Versorgungsystem stellt für den Laien oft eine schwer

durchschaubare Vielfalt an Angeboten dar. Kur und Rehabilitation, Prävention und auch die

Palliativversorgung, in verschiedenen Formen der stationären-, teilstationären-, ambulanter,

Kurzzeit-, 24 Stunden- oder Tagespflege. Neben dem Angebot der Pflege an sich, gibt es

verschiedene Formen der sozialen Unterstützung, Selbsthilfegruppen und ehrenamtlich Helfer

(Ehlers, 2011, S.76). Auch die Palette an Hilfsmitteln und Medizinprodukten ist breit gefächert

und für den Laien oft unüberschaubar. Die finanziellen Aufwendungen, welche durch Pflege-

und Betreuungskosten entstehen, sind für Betroffene oft unvorhersehbar und alleine nicht

Department Gesundheit

5

tragbar. Ebenso wie der administrative Aufwand bei der Organisation von Anträgen und

Förderungen.

1.1 Relevanz und Aktualität des Themas

Die gesellschaftliche Bedeutung der Familienpflege ist enorm: 80% der pflegebedürftigen in

Österreich, werden informell durch Angehörige im häuslichen Umfeld gepflegt (Seidl, 2006,

S.12). Die Familien und Laienpflege ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil des

Pflegesystems und der Pflegevorsorge in Österreich, über deren Organisation und

Finanzierung jedoch keine gesammelten Daten vorliegen, und somit das Ausmaß und die

Kosten der informellen Pflege kaum bekannt sind. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa

zwei bis drei Mrd. Euro pro Jahr an „Kosten“ für die informelle Pflege anfallen, wenn die von

den unbezahlten Betreuungskräften eingesetzte Zeit mit fiktiven Löhnen bewertet werden.

Die Differenz zwischen Pflegegeldbeziehern und der Anzahl an tatsächlich pflegebedürftigen

Menschen in Österreich lässt jedoch eine weitaus höhere Zahl an Personen die durch

Angehörige betreut werden, vermuten (ÖBIG, 2005, S.I). Mit der Einführung des Pflegegeldes

in Österreich wurde erstmals in Europa eine Maßnahme gesetzt, die es ermöglicht,

aufkommende Kosten, die durch die Betreuung pflegebedürftiger Menschen zu Hause

entstehen, zu decken und dadurch die betreuenden Angehörigen zu entlasten. Die prinzipiell

freie Verfügbarkeit über das Pflegegeld erlaubt es bedürftigen Personen, auch von ihren

Angehörigen oder einer anderen privaten Person, wie es die 24- Stunden- Pflege darstellt,

Betreuungsleistungen „zuzukaufen“. Innerfamiliäre Betreuungskapazitäten sind, aufgrund

verschiedener soziodemographischer Verschiebungen tendenziell seit Jahren im Abnehmen

(vgl. ÖBIG, 2005, S.11).

Hinzu kommt die Zunahme chronischer Erkrankungen und Multimorbidität, sowie vielfältige

gesellschaftliche Entwicklungsprozesse die sich im Zuge des demografischen Wandels

ergeben, zu strukturellen und ökonomischen Entwicklungen führen, die eine Umstrukturierung

des Anforderungsprofils der Pflege unabdingbar machen. In der Literatur ist einstimmig zu

erkennen, dass nicht nur den Bereichen Gesundheitsförderung und Beratung auch in Bezug

auf pflegende Angehörige zukünftig mehr Bedeutung zugesprochen werden sollte, sondern

auch dem Bedarf an Koordination und Steuerung zwischen den Schnittstellen im Rahmen des

Case Managements. Dies führt nicht nur zur Erweiterung des bisherigen Aufgabenfeldes des

gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich, im speziellen im

Sektor der Primärversorgung, sondern bietet auch die Chance, dass sich neue innovative

Department Gesundheit

6

Handlungsfelder im Sinne einer Schnittstelle zu Public Health erschließen (Schmitt, 2011, S.

21).

1.2 Nutzen der Arbeit für die Praxis

Im Primären Versorgungsystem zahlreicher europäischer Länder haben sich bereits

verschiedenste Ausprägungen von „Public Health Nursing“ implementiert. Die „District Nurse“

in Großbritannien, die „Community Nurses“ in den Niederlanden oder Schweden, oder die

„Gemeindekrankenschwester in Deutschland“ um nur einige Beispiele zu nennen. Allen voran

stehen als Hauptaufgabe die präventiven Besuche durch eine diplomierte Gesundheits- und

Krankenpflegeperson im häuslichen Setting. Die Ziele der verschiedenen Modelle decken sich

mit den bestehenden systemischen Schwächen und Anforderungen in der Primärversorgung,

die sich durch den bereits erwähnten demographischen Wandel und der damit

einhergehenden Multimorbidität, sowie einer Verschiebung des Anspruches an das

Gesundheitssystems ergeben.

Der Fokus liegt hier vor allem bei der Optimierung der extramuralen Versorgung, der

Förderung des Schnittstellenmanagements, sowie einer Förderung des Empowerment der

Familienpflege, sowie das der älteren Gesellschaft um langfristig eine Kostenreduktion im

Langzeitpflegebereich herbeizuführen.

Durch die Erhebung der aktuellen strukturellen Schwächen in der österreichischen

Primärversorgung, auch im Hinblick auf das Schnittmanagement, wird im Rahmen dieser

Arbeit komplementär dazu durch Theorie und Empirie versucht das Berufskonzept einer

Community Nurse, einer „Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ für die

Gemeindeversorgung am Beispiel des Bezirkes Gänserndorf zu erstellen, sowie den Nutzen

auf der Micro-, Meso- und Makroebene zu belegen und dadurch wiederum den Weg für eine

Implementierung in der Praxis zu ebnen.

1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage

Ziel der Arbeit ist es, die Schwächen und die Schnittstellenproblematik in der

Primärversorgung im österreichischen Gesundheitswesen aufzuzeigen, sowie darzustellen

inwiefern die positiven Facetten einer „Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson-

(RGKpP)“ in Anlehnung an die „Community Nurses“ für die ländliche österreichische

Versorgungsstruktur, zur Problemlösung beitragen können.

Department Gesundheit

7

Daraus und aus der oben beschriebenen Problemstellung ergeben sich folgende

Forschungsfragen

- Welche strukturellen Schwächen bestehen hinsichtlich der Schnittstellenproblematik

im österreichischen primären Versorgungssystem?

- Wie könnte das Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson

(RGKpP) zur Optimierung der Primärversorgung in den österreichischen Gemeinden

gestaltet sein?

- Welchen Nutzen hat die Implementierung von regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen (RGKpP) aus vergleichender Sicht mit bestehenden

internationalen Konzepten, sowie aus Expertensicht, für die österreichische

Primärversorgung.

1.4 Methodik und Vorgehensweise

Als Forschungsdesign werden neben einer Literaturrecherche für die Hinführung zur Thematik,

für die Beantwortung der Forschungsfragen, qualitative halb standardisierte Interviews

gewählt. Interviewteilnehmer sind je zwei Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus der Experten/

Expertinnen- Operativen– und Betroffenenebene. Als Richtlinie für die Interviews dient ein

eigens erstellter Interviewleitfaden.

Die Auswertung der Daten erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Ziel

der gewählten Methodik ist es, durch die breit gefächerte Wahl an Interviewteilnehmer/-

Teilnehmerinnen einen 360 Grad Blick auf die Thematik „Schnittstellenproblematik“,

„Optimierung der Primärversorgung“ sowie „Implementierung von regionalen Gesundheits-

und Krankenpflegepersonen“ zu erhalten und in das Ergebnis in die Erstellung des

Berufskonzeptes einfließen zu lassen.

Department Gesundheit

8

2 BEGRIFFSERKLÄRUNG UND ABGRENZUNG

2.1 Definitionen

In den folgenden Kapiteln werden die Begriffe „Primärversorgung“, „intra- und extramurale

Versorgung“, sowie verschiedener Versorgungskonzepte näher erläutert. Zur besseren

Verständlichkeit der Thematik werden als Einstieg die wichtigste Begrifflichkeiten dieser

Thesis erklärt und definiert.

2.1.1 Primärversorgung

Die Definition von Primärversorgung, welche den Hauptfokus dieser Arbeit widerspiegelt, ist

jene der WHO-Deklaration von Alma Ata Nr. IV (1978), welche besagt, dass

„Unter primärer Gesundheitsversorgung eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu

verstehen ist, die auf praktischen, wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptablen

Methoden und Technologien basiert und die für Einzelpersonen und Familien in der

Gesellschaft durch deren vollständige Beteiligung im Geiste von Eigenverantwortung

und Selbstbestimmung zu für die Gesellschaft und das Land in jeder Phase ihrer

Entwicklung bezahlbaren Kosten flächendeckend bereitgestellt wird. Sie bildet einen

integralen Bestandteil sowohl im Gesundheitssystem eines Landes, (…). Sie ist die

erste Ebene, auf der Einzelpersonen, Familien und die Gemeinschaft in Kontakt mit

dem nationalen Gesundheitssystem treten, so dass die Gesundheitsversorgung so

nahe wie möglich an Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen gerückt wird, und stellt

das erste Element eines kontinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung dar“

(WHO, 1978,www).

Laut § 3 Abs. 7 des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) wird unter der

„Primärversorgung (Primary Health Care): Die allgemeine und direkt zugängliche erste

Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden

Grundversorgung verstanden. Sie soll den Versorgungsprozess koordinieren und

gewährleistet ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung. Sie berücksichtigt auch

gesellschaftliche Bedingungen“ (RIS, 2013, www).

Department Gesundheit

9

Auch das österreichische Bundesministerium für Gesundheit, hat sich zum Ziel gesetzt die

Primärversorgung im Gesundheitswesen zu optimieren. „Mit der Primärversorgung Neu soll

die bestehende Form der Primärversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte

weiterentwickelt werden. Durch das Zusammenwirken von Ärztinnen und Ärzten und

den verschiedenen anderen Gesundheitsberufen soll sie im Vergleich zur heutigen

Situation in einer organisatorisch gestärkten Form umfassende Funktionen

übernehmen können. So soll sie als stark versorgungswirksame erste, leicht und

jederzeit zugängliche Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Anliegen

und Problemen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sollen neben ärztlicher Versorgung

auch therapeutische Angebote oder Angebote der Gesundheitsförderung zur

Verfügung stehen“ (BMG, o.J., www).

Eines der wesentlichen Ziele in der Umsetzung der Gesundheitsreform, ist die Schaffung

neuer Strukturen der Primärversorgung. Der Fokus liegt dabei zukünftig

Versorgungsstrukturen im niedergelassenen Bereich anzubieten, die den veränderten

Bedürfnissen der Patienten und Patientinnen besser entsprechen. Zwei in Wien etablierte

Pilotprojekte, sogenannte „Primary Health Care Center (PHC)“ haben als Hauptaufgabe, ein

bedarfsorientierten Service im niedergelassenen Bereich in Form von bedarfsgerechten

Öffnungszeiten vor allem in den Tagesrandzeiten und an den Wochenenden anzubieten.

Gleichzeitig sollen damit aber auch Steuerungseffekte erzielt werden, um die viel teureren

Spitalsambulanzen endlich zu entlasten. Beide Pilotprojekte kümmern sich insbesondere um

die kontinuierliche Versorgung von chronisch kranken, multimorbiden und geriatrischen

Patienten und Patientinnen (Weilguni, 2015, www).

Ein Beispiel für einen Gesundheitsberuf wie vom BMG beschrieben, welcher durch das

Zusammenwirken mit den Hausärzten und Hausärztinnen eine vorsorgewirksame

Kontaktstelle darstellen könnte sind, wie sie auch in internationalen Primären

Versorgungskonzepten Anwendung finden (s. Kapitel 4), sogenannte „Community Nurse“ oder

auch „Gemeindekrankenschwestern“. Diese Berufsgruppen bestehen aus professionellen

Pflegefachkräften die als Schnittstelle zwischen dem Intra- und Extramuralen

Versorgungsbereich agieren.

Department Gesundheit

10

2.1.2 Intra- und Extramurale Versorgung

Der Intramurale Bereich (lateinische intra- „innen/ hinein“ und murus- „Mauer“ (Duden, o.J.,

www)) bezieht sich auf die stationäre Versorgung innerhalb einer Krankenanstalt, oder

anderen Gesundheits- oder Betreuungseinrichtung. Gemäß Art. 10- 15 des B-VG ist der

Großteil der Bereiche des Gesundheitswesens primär auf Bundesebene geregelt wird. Dies

gilt allerdings nicht für den intramuralen Bereich (stationäre und ambulante Versorgung

innerhalb einer Gesundheitseinrichtung). Hier legt der der Bund zwar die Gesetzte fest, die

Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung obliegt jedoch den Bundesländern.

Extramurale, ambulante, soziale oder mobile Dienste auch „offene Betreuung“ genannt,

umfassen neben pflegerischer Betreuung auch medizinische Tätigkeiten, wie die Versorgung

durch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen (Schaffenberger & Pochobradsky, 2004, S.6).

Die sogenannten „Ambulanten Dienste“ stellen nach Ertl & Krater (2002) ein Synonym für

extramurale Dienste oder mobile Dienste dar und sind Pflege- und Betreuungsangebote, die

es Klienten und Klientinnen ermöglichen, im eignen Wohnbereich ihre Selbsthilfepotentiale zu

fördern, zu ergänzen und zu ersetzten (S.28). Hier ist im wesentlichen die Sozialversicherung

für die Organisation und Finanzierung verantwortlich.

Generell bilden auf Bundesebene das Sozialversicherungsrecht und die Gesetze auf Basis

der Finanzausgleichsverhandlungen sowie der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen

Bund und Ländern den Regulierungsrahmen für die Bereitstellung und die Finanzierung von

Sozial- und Gesundheitsleistungen. Seit 2008 umfasst die die Gesundheitsplanung in

Österreich neben dem stationären Sektor, sowohl den Bereich der Rehabilitation, aber auch

den ambulanten Sektor und den Pflegebereich, soweit dieser im Rahmen des

Schnittstellenmanagements für die Gesundheitsversorgung von Bedeutung ist

(Hofmarcher,2013, S. 29).

2.2 Allgemeine Versorgungskonzepte

Im folgenden Unterkapitel werden verschiedene Versorgungsformen und Konzepte welche im

Zusammenhang mit der Thematik dieser Arbeit stehen, erläutert. Dem demographischen

Wandel, als auch der Entwicklung von Public Health in den letzten Jahrzenten ist es zu

verdanken, dass verschiedene Versorgungsmodelle auch in der Österreichischen

Primärversorgung entwickelt wurden. Die Entwicklung dieser Konzepte beruht auf dem

Streben nach Effizienz und Effektivität, denn die Versorgung im Gesundheitssystem kann

letztlich nicht mehr nur auf der Ebene der Krankenversorgung basieren. Soziale, politische und

Department Gesundheit

11

gesellschaftliche Aspekte müssen ebenso berücksichtigt werden, wie auch der individuelle

Gesundheitszustand. Die nachstehenden Konzepte bieten einen Einblick in die derzeitige

österreichische primäre Versorgungsstruktur, deren konkrete Umsetzung und Anwendung

findet in Österreich nur mit geringfügigem Ausmaß und Erfolg statt.

2.2.1 Integrierte Versorgung

Laut dem Competence Center der Integrierten Versorgung (CCIV) bietet Die internationale

Fachliteratur ein breites Spektrum an Definitionen zu dem Begriff der integrierten Versorgung.

Alle beinhalten jedoch den Grundaspekt des Versorgungsansatzes. Das CCIV versteht unter

der integrierten Versorgung (IV) eine patientenorientierte,

kontinuierliche, sektorenübergreifende, interdisziplinäre und nach standardisierten

Behandlungskonzepten ausgerichtete Versorgung (CCIV, o.J., www).

Auf Grundlage der im Gesundheitswesen zu bewältigenden Herausforderungen, wie die

veränderte Altersstruktur, die Zunahme chronischer Erkrankungen und Mehrfach-

erkrankungen sowie Über-, Unter- und Fehlversorgung – müssen laut Aussage des CCIV

Abgrenzungen zwischen den einzelnen Sektoren überwunden werden. Hinzu kommt, dass mit

begrenzten Mitteln das bestmögliche Ergebnis in der medizinischen Versorgung erzielt werden

soll. Im Jahr 2006 wurde des Competence Center Integrierte Versorgung von der

österreichischen Sozialversicherung mit dem Primären Ziel gegründet, sich auf dem Gebiet

der integrierten Versorgung als Nahtstelle zwischen Versicherten, Vertragspartnern,

Sozialversicherungsträgern und Gebietskörperschaften zu etablieren, um als zentraler

Ansprechpartner auf dem Gebiet der integrierten Versorgung zu fungieren (ebd., o.J., www).

In Deutschland wurde die integrierte Versorgung bereits gesetzlich verankert. Mühlbacher &

Ackerschott (2007) definieren die integrierte Versorgung nach den gesetzlichen

Bestimmungen wie folgt: „Die Integrierte Versorgung ist nach §140a Abs. 1 SGB V „eine

verschiedene Leistungssektoren Übergreifende [...], oder eine interdisziplinär-

fachübergreifende Versorgung“ der Versicherten. Der Gesetzgeber sieht vor, dass sich

niedergelassene Ärzte, Kliniken, ambulante und stationäre

Rehabilitationseinrichtungen, Apotheken und andere Leistungserbringer in

Versorgungsnetzwerken organisieren. Es wird also die Integration verschiedener

Leistungssektoren (z.B. ambulant und stationär) oder die Kooperation von

unterschiedlichen Fachgruppen (z.B. Hausärzten und Fachärzten) gewünscht“ (S. 20).

Laut Amelung und Janus (2005, S. 21) zielt Integrierte Versorgung darauf ab, „vor- und

nachgelagerte Bereiche wie z.B. Prävention und Rehabilitation in die Versorgungskette zu

Department Gesundheit

12

integrieren und auf diese Weise eine Versorgung „ohne Nahtstellen“ zu ermöglichen. Diese

Sichtweise impliziert, dass langfristig und über Sektorengrenzen hinweg geplant, investiert und

koordiniert wird.“

Bei der integrierten Versorgung wird hier zwischen Produkt- und Institutionsintegration

unterschieden. Unter Produktintegration wird dabei die Indiktionsversorgung, sprich die

Versorgung bei (chronischen) Erkrankungen verstanden. Eine Ausrichtung hierbei sind die

sogenannten Disease Management Programme (s. Kapitel 2.2.2) deren Ziel die Optimierung

der Kommunikations- und Kooperationsabläufe auf verschiedenen Leistungsebenen darstellt.

Eine weitere Perspektive stellen die Komplexfallpauschalen dar, welche einen wirtschaftlich

optimierten Leistungskomplex darstellen. Bei größeren operativen Eingriffen sind im Sinne

der Versorgung und Nachsorge zahlreiche Einzelschritte nötig, welche zu einem Schnittstellen

übergreifenden Leistungs- bzw. Versorgungsprozess und im Sinne einer

Wertschöpfungskettenoptimierung zusammengefasst werden können.

Die Indikationsversorgung beschreibt hingegen den Patientenfluss beziehungsweise die

sogenannte Patienten- und Patientinnenkarriere auf einerseits horizontaler Ebene, das heißt

auf ebener ähnlicher Organisationen in einem System und andererseits auf vertikaler

Versorgungsebene, sprich die Einbeziehung von vor bzw. nachgelagerten Dienstleistungen,

mit dem Ziel die Wertschöpfungskette zu komplettieren und einen kontinuierlichen

Patientenfluss sicherzustellen (Amelung und Janus, S.14-16).

2.2.2 Disease Management

Im Rahmen der in Kapitel 2.2.1 beschriebenen Integrierten Versorgung wird laut Egger (2011,

S.4) zwischen indikations- oder populationsbezogenen Ansätzen beziehungsweise laut

Amelung und Janus (2005, S.14) zwischen Produkt- und Institutionsintegration unterschieden.

Indikationsbezogenen Modelle, oder wie in der Definition von Amelung und Janus die

Produktintegration, sind auf die Versorgung von Patienten und Patientinnen mit einer

bestimmten Erkrankungen abgestimmt. Der Fokus von Disease Management Programmen,

der bekanntesten Form indikationsbezogener Versorgungsformen und der Produktintegration,

liegt darin Behandlungsabläufe über die Nahtstellen hinaus und über einen längeren Zeitraum,

für chronisch Kranke Personen zu strukturieren. Klar definierte Behandlungsleitlinien sollen

dabei die Beeinträchtigung, welche durch chronische Erkrankungen verursacht werden

reduzieren und den Allgemeinzustand der Patienten und Patientinnen verbessern.

Ein Disease Management Programm soll weiters Patienten und Patientinnen die unter

chronischen Krankheiten leiden, durch Früherkennung, Prävention, strukturierte Versorgung

Department Gesundheit

13

und Behandlung vor Folgeschäden weitgehend bewahren. Wichtiges Element ist die

Patienten- und Patientinneneinbindung und –Schulung (STGKK, www).

Das bekannteste Beispiel für ein Disease Management Programm in Österreich, ist das

sogenannte „Therapie Aktiv- Diabetes im Griff“. Es ist das erste und zum jetzigen Stand auch

das einzige strukturierte Betreuungsprogramm für Österreicher und Österreicherinnen mit

Diabetes Mellitus Typ 2. Das Programm hat zum Ziel für Menschen mit diesem chronischen

Erkrankungsbild eine regelmäßige medizinische Betreuung und Kontrolle zu gewährleisten.

Durch die Bereitstellung eines einheitlichen Dokumentationsbogens, sollen die Ärzte und

Ärztinnen einen optimalen Überblick über den individuellen Krankheitsverlauf ihrer Patienten

und Patientinnen haben (Pongratz, Hofer, Langsenlehner, Mayer & Sauermann 2016, S.2).

Laut Pongratz, Langsenlehner, Hofer & Mayer (2016, S. 5) bildet das Kernstück des Disease

Management Programms, die Vereinbarung von Therapiezielen zwischen dem „Therapie

Aktiv“-Arzt und Ärztin sowie –Patient und Patientin (bzw. auch gemeinsam mit Angehörigen)

mittels „Therapie Aktiv“-Zielvereinbarung oder dem Diabetespass. Die individuelle Situation

der Patienten und Patientinnen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Entscheidung des

Patienten oder der Patientin, dieses Therapieziel mitzutragen. Es gilt, die Risikoeinschätzung

mit der Lebenssituation und -planung der Betroffenen abzugleichen und danach gemeinsam

Ziele zu formulieren. Die Kernelemente von „Therapie Aktiv“ bilden das Patienten- und

Patientinnenempowerment, sowie Schulungen zum Selbstmanagement und Fortbildungen um

die diabetesspezifischen Kenntnisse laufend zu erweitern. Auch das Qualitäts-,

Organisations-, und Datenmanagement spielen eine Rolle wobei wie bereits beschrieben, der

Dokumentationspass und einheitliche Checklisten wesentlich sind. Der Fokus liegt ebenso auf

den laufenden medizinischen und ökonomischen Evaluationen der gesetzten Interventionen

und Behandlungspfade, die als Entscheidungshilfe für Abweichungen von evidenzbasierten

Behandlungspfaden dienen können (ebd., S. 2-3).

2.2.3 Case Management

Ein Beispiel für das im Kapitel 2.2.2 erwähnte populationsbezogene Modell, welches sich der

Versorgung von Patienten- und Patientinnengruppen eines bestimmten Setting, oder

regionalen Kriterien widmet, ist das sogenannte Case Management (CM) (Eger, 2011, S.4).

Der vor über 30 Jahren in den USA entstandene und auch in Europa durchgesetzte Begriff

des „Case Management“ bezieht sich auf den „Case“- Fall, Sache oder Angelegenheit und

übernimmt die Verknüpfungsaufgabe zwischen den Anbietern von Diensten und Klienten und

Klientinnen in ihren sozialen und gesundheitlichen belangen (Ertl & Kratzer, 2001, S. 67-69).

Department Gesundheit

14

Einen Aufschwung erlebte das Case Management in den 90er-Jahren durch die Verbreitung

des sogenannten „Managed Care“ (übersetzt: „gelenkte Versorgung“) im Gründungsland

USA (Wendt, 2015, S. 27). Wendt (2015, zitiert nach Baumberger, 1996) definieren Managed

Care als „einen Prozess, um den Nutzen der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung im

Rahmen der zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel zu maximieren. (…) Die erbrachten

Dienstleistungen werden auf der Ebene des Falls überwacht, um sie ständig zu verbessern

und die staatlichen Zielvorgaben für die öffentliche Gesundheit ebenso wie den individuellen

Bedarf an Gesundheitsversorgung zu erreichen.“

Anders als in den USA mit verschiedensten Förderprogrammen, kam es in Großbritannien zur

Einführung der „Community Care“ als gemeinnütziges Versorgungssystem mit dem

Instrument des Case Management. Im Jahr 1988 definierte die Britische Regierung in einem

„White Paper“ das Konzept der Community Care als „lokale Bereitstellung der Dienste und der

Unterstützung, welche Menschen mit Problemen des Alters (…) benötigen, um fähig zu sein,

weitgehend unabhängig in ihrer eignen Wohnung oder vergleichbaren Wohnformen leben zu

können“ (ebd., 2015, S.21).

Laut Ertl & Kratzer (2010 S. 67-69) ist es mithilfe des Case Management möglich

psychosoziale und medizinisch- pflegerische Dienste, sowie bestimmte Personen oder

Zielgruppen zu koordinieren. Die Unterstützung für die betroffene Zielgruppe liegt in der

Hilfestellung der Auswahl und Inanspruchnahme der vielfältigen Angebote des

Gesundheitssystems. Das heißt, im Case Management erhält eine einzelne Person mit ihren

individuellen Bedürfnissen die unmittelbare organisatorische Unterstützung.

Müller & Haider (2008, S. 80) definieren Case Management weiters als eine auf den Einzelfall

ausgerichtete Methode zur Förderung des Behandlungserfolges, sowie der Patienten- und

Patientinnenorientierung und der Partizipation im Sinne des Empowerment. Im Fokus steht

immer der akute Handlungsbedarf eines Individuum „Case“, in einer abgegrenzten Zeitspanne

der Krankengeschichte des Patienten bzw. der Patientin und ist zumeist von einem hohen

Versorgungsaufwand gekennzeichnet. Ziel ist laut Müller & Haider (ebd.) auch die Optimierung

von Leistungserbringung- und Finanzierung durch eine einheitliche Fallbearbeitung und

bedient sich hierfür einer standardisierten Vorgehensweise mittels eines Regelkreises. (s.

Abbildung 1)

Department Gesundheit

15

Abbildung 1: Case Management Regelkreis, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Moxley, D. (1989, S.18)

In der Literatur gibt es verschiedene Darstellungsarten des CM Regelkreis. Ehlers (2011, S.

31) beispielsweise hat in ihrer Darstellung des Prozessablaufes vor dem Assessment noch

den Schritt der Klärungsphase implementiert und die Phasen der Umsetzung sowie des

Monitoring in einer Phase zusammengefasst. Wendt (2015, S. 129) stellt die Phasen des Case

Management idem wie oben dargestellt von Moxley D. dar.

- In der Phase des Assessment geht es primär um die Einschätzung und

Bedarfsklärung des Einzelfalles. Handelt es sich bei der betroffenen Personen um

einen „Case“, geht es im ersten Schritt darum den individuellen Versorgungsbedarf zu

erheben. Zu berücksichtigen sind dabei Defizite in Hinblick auf sozialer-,

wirtschaftlicher-, medizinischer-, sowie pflegerischer Ebene. In der Pflege können auch

Modelle zur Erfassung der Pflegebedürftigkeit, das sogenannte AEDL – „Aktivitäten

Assessment

(Erhebung des Versorgungsbedarf)

Planung

(individulle Bedarfsplanung unter Berücksichtigung d.

regionalen Versorgungsbedarf)

Umsetzung/ Intervention

(Organisation der Leistungen)

Beobachtung/ Monitoring

(Begleitung/ Überwachung/ ggf.

Änderung der Maßnahme)

Evaluierung( Fremd- und

Selbstbewertung nach Betreuungsende des Case Management)

Department Gesundheit

16

und existentielle Erfahrungen des Lebens“ Modell von Krohwinkel 1992

weiterentwickelt, bei der Bedarfserhebung eine wesentliche Rolle spielen (Wendt,

2015, 142ff). Ehlers (2011, S.39-40) fügt hinzu, dass auch die Bedürfnisse,

Erwartungen, Probleme und Fähigkeiten des Individuum berücksichtigt werden

müssen. Außerdem muss die Falleinschätzung das soziale Umfeld mit berücksichtigt

werden. Für die Datensammlung werden meist standardisierte Erhebungsinstrumente

verwendet.

- In der Phase der Zielvereinbarung und Hilfeplanung wird mit Hilfe der aus dem

Assessment gezogenen Informationen, gemeinsam mit dem Klienten bzw. der Klientin

Zielsetzungen, auch zur Erhöhung des Verständnis und der Akzeptanz der weiteren

Schritte, ein Versorgungsplan zur Verbesserung gegebener Defizite erstellt.

Wesentlich sind dabei die Berücksichtigung des regionalen Versorgungsangebotes,

sowie die Einbindung des Kunden sowie dessen soziales Umfeld (Wendt, 2015, S.

154ff).

Ehlers (2011, S. 54) spricht bei der Zielsetzung von Kurz- und Langfristigen Zielen,

sowie von unterschiedlichen Zielebenen. Es wird zwischen den für den Klienten und

die Klientin motivierenden „Globalzielen“, die seinen Visionen und Vorstellungen, den

„Rahmenzielen“, die sich aus den Einzelschritten der Globalziele ableiten und den

„Handlungszielen“ die nach den „SMART-Kriterien“ formuliert und vom Case Manager/

der Case Managerin mitgesteuert werden, unterschieden.

- Der nächste Schritt des oben dargestellten CM Regelkreises, ist die wesentliche Phase

der kontrollierten Umsetzung/ Intervention. Der Case Manager oder die Case

Managerin hat hier die Aufgabe bei der Organisation des geplanten Hilfe- und

Versorgungsbedarfs unterstützend Tätig zu sein.

- Im Monitoring geht es um eine kurz- und mittelfristige Beobachtung der veranlassten

Maßnahmen. Wichtig ist hier die Überprüfung des Case Managers bzw. der Case

Managerin ob die Leistungen so erbracht werden, wie sie gemeinsam geplant wurden

und zur Erfüllung der Zielsetzung beitragen. Eine Adaptierung des Versorgungsplanes

ist in dieser Phase möglich (ebd., 2015, S. 160ff).

- Am Ende jedes CM- Prozesses steht die Reflexion und Fremd-, sowie Selbstbewertung

des Verlaufes. Die Evaluation beinhaltet einerseits die Auswertung des Verlauf der im

Rahmen des CM Prozesses festgelegten und auch erbrachten Leistungen, als auch

die beobachteten Veränderungen im Hilfebedarf während des gesamten Verlaufes.

Auch die Kommunikation zwischen Case Manager bzw. Case Managerin und den

Department Gesundheit

17

Klienten und Klientinnen, ebenso wie die Erreichung der gesetzten Ziele (Ehlers, 2011,

S.69). Wendt (2015, S.166ff) spricht im Rahmen der Evaluation auch von einem

sogenannten „Reassessment“ bei dem die anfänglichen Einschätzung mit dem Ist

Stand nach der Durchführung des Prozesses, verglichen wird.

Wer das Case Management im konkreten Einzelfall übernimmt, hängt von der jeweiligen

Situation vor Ort ab. Das können sowohl Pflegende, Angehörige anderer Dienste als auch

Ärzte und Ärztinnen oder spezielle Case Manager und Managerinnen sein. Mit dem Case

Management können die Vorbereitungen für ein koordiniertes Schnittstellenmanagement

zwischen stationärer und extramuraler Versorgung getroffen werden, welche letztlich eine

sichere Weiterbetreuung des Individuums garantieren (Ertl & Kratzer, 2001, S. 67- 71).

Den Nutzen von Case Management sehen Müller & Haider (2008, S.80) neben einer

Steigerung der Versorgungsqualität und der Ressourcenentlastung für medizinische

Versorgungseinrichtungen, auch in der stärkeren Kunden- und Kundinnenorientierung durch

individuelle Leistungserbringung. Jedoch bleibt im Gegensatz zum therapeutischen Nutzen

des Konzeptes, die Eignung von Case Management zur Ressourcenentlastung des

Gesundheitssystems bisher weitgehend unberücksichtigt. Einer der Gründe hierfür liegt in dem

nicht bewerteten wirtschaftlichen Nutzen des Konzeptes im Rahmen der Forschung.

Bei aller Personenorientierung darf nicht der systembezogenen Erfolg des Case Management

außer Acht gelassen werden. Ziel ist es immer Unter-, Über-, oder Fehlversorgung zu

vermeiden und eine Optimierung des Ressourceneinsatz zu erzielen (Wendt, 2015, S.168).

2.2.4 Care Management

Im Gegensatz zum Case Management kümmert sich das Care Management um die bedürfnis-

und bedarfsorientierte Versorgung in einer bestimmten Region, z.B.: einer Gemeinde oder

eines Bezirkes, für eine spezifische Zielgruppe wie beispielsweise pflegebedürftige ältere

Menschen (Ertl & Kratzer, 2001, S. 69). Weiters ist Care Management auch der ergänzende

Teil zum individuellen Case Management. Vordergründig ist die Netzwerkarbeit im

Gesundheitssystem. Um ein individuelles Case Management anbieten zu können, ist es nötig,

auf der Systemebene mit den nötigen Dienstleistern wie z.B. ambulanten Einrichtungen,

Hauskrankenpflege, Spitäler, Ärzte und Behörden in Kontakt zu treten und in Zusammenarbeit

mit diesen die anschließende Versorgung sicherzustellen (Malteser Care Ring, o.J., www).

Nach Ehlers (2011, S.18) umschreibt der Begriff Care Management „die fallübergreifenden

Strategien und Tätigkeiten von Case Managern und Einrichtungen, die das Ziel verfolgen, die

Department Gesundheit

18

Versorgung für, unter anderem eine bestimmte Zielgruppe zu verbessern.“ Im Unterschied

zum Case Management ist ein wesentliches Merkmal des Care Management, die

Zusammenarbeit und Vernetzung von Professionen, um über einzelne Fälle hinaus, die

Versorgung von bestimmten Patienten- und Patientinnengruppen wie zum Beispiel Menschen

mit Diabetes zu verbessern. Ein anderer Verwendeter Begriff ist auch

„Versorgungsmanagement“.

2.2.5 Entlassungsmanagement

Klassen & Müller (2009, S. 15) sehen das Entstehen von Versorgungsdefiziten im

Gesundheitswesen häufig aufgrund der starken Segmentierung der Branche und daraus

resultierenden Defiziten beim Leistungstransfer zwischen den einzelnen

Gesundheitsdienstleistern. Durch eine Schnittstellenoptimierung zwischen dem intra- und

extramuralen Bereich werden, laut Klassen & Müller (ebd.) eine Verbesserung der

Versorgungsqualität sowie eine Entlastung der stationären Versorgung erwartet. Ein Beispiel

für derartige Initiativen ist das Entlassungsmanagement (EM) in den Krankenhäusern. Klassen

& Müller (2009, zitiert nach Coleman, 2003) definieren das EM wie folgt:

„Entlassungsmanagement wird als standardisierte Maßnahme definiert, die für PatientInnen

mit multiplem Versorgungsbedarf im Anschluss an die Krankenhausentlassung pflegerische,

medizinische und soziale Dienstleistungen organisiert.“

„Entlassungsmanagement ist demnach eine Leistung des Krankenhausträgers mit dem Ziel,

im Bedarfsfall logistische Arrangements für die poststationäre Versorgung zu treffen, die

beteiligten Akteure zu informieren und deren Handlungen zu koordiniere.“ (ebd., zitiert nach

Kennedy, 1988).

Gittler-Hebenstreit (2006, S. 10) geht noch einen Schritt weiter und sieht den Fokus im

pflegerischen Entlassungsmanagement in der Beratung, Vorbereitung und Festigung

ambulanter Pflegearrangements für poststationär Pflegebedürftige durch Laienpflege. Die

individuelle Pflegeberatung im Rahmen des EM hat zum Ziel, Pflegebedürftige und deren

Angehörige zu unterstützen, die weitere häusliche Versorgung allein bewältigen zu können

und eine Kontinuität bei der der medizinischen und pflegerischen Versorgung gewährleisten

zu können.

Department Gesundheit

19

3 SCHNITTSTELLENPROBLEMATIK IM

ÖSTERREICHISCHEN GESUNDHEITSWESEN

Das im Kapitel 3.3. beschriebene „Burrtzorg Modell“ enthält unter anderem wesentliche

Aspekte für das Konzeptes von RGKpP. Die Gründe, warum die im vorangegangenen Kapitel

beschriebenen Konzepte, im Österreichischen Gesundheitswesen, trotz ihrer zahlreichen

nachweislich positiven Facetten, in der österreichische Primärversorgung (noch) nicht

umgesetzt wurden, sind vielseitig.

Eine Herausforderung besteht darin, dass das Berufsbild der Community Nurse (bzw. auch

der Family Health Nurse, District Nurse oder Public Health Nurse) in Österreich noch gänzlich

unbekannt sind. Die Verbindung sozialer und pflegerischer Kompetenzen im Berufsbild der

Sozialbetreuung im Bereich der Altenarbeit war ein erster Schritt im Ausbildungssystem, dem

allerdings wie auch in der Einleitung dieser Arbeit bereits erwähnt wurde, in der Praxis keine

konkreten Umsetzungsschritte folgten. Auch in der aktuellen Debatte um die GuKG- Novelle

spielt das Berufsbild der Community Nurse keine Rolle. Die Förderung der Selbst- Pflege,

rehabilitativer und präventiver Interventionen ist auch in der mobilen Gesundheits- und

Krankenpflege sowie bei den Sozialdiensten in Österreich nicht fremd, allerdings wird darauf

hingewiesen, dass Rahmenbedingungen nicht erlauben, solche Konzepte umzusetzen.

Es bedarf einem fundamentalen Umdenkprozess um im Sinne ganzheitlicher und

systemischer Pflege und Betreuung, Interventionen für das Individuum, nicht nur in der

mobilen Pflege, sondern in Zusammenarbeit mit dem Akutbereich und den stationären

Einrichtungen zu gestalten. Organisationsentwicklung sowie spezielle Aus- und Weiterbildung

für Pflegekräfte in diesem Sinne wären gefragt, um echte soziale Qualitätsverbesserungen

und langfristige ökonomische Gewinne in der österreichischen Primärversorgung zu genieren

(Leichsenring, 2015, S. 24). Pflege- und betreuungsbedürftige Menschen benötigen generell

mehr als eine Dienstleistung im Gesundheitswesen und müssen meist zeitgleich verschiedene

Einrichtungen in Anspruch nehmen. Die verschiedenen Dienste und Anbieter sollten

aufeinander abgestimmt sein und somit eine so genannte Pflegekette (s. Abbildung 2) bilden

(Ertl& Kratzer, 2001, S. 44).

Department Gesundheit

20

Abbildung 2: Pflegekette- Stufenaufbau der Pflege und Betreuung alter Menschen, Quelle: Eigene Erstellung in

Anlehnung an Ertl & Kratzer (2001, S.45)

Egal welche Dienste die pflege- und betreuungsbedürftigen Personen in Anspruch nehmen,

eine wesentliche Voraussetzung ist es das die verschiedenen Leistungen so aufeinander

abgestimmt sind und ein durchgängiges System ohne Lücken und Hürden ergeben. Um diese

Durchlässigkeit zu gewährleisten, müssen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der einzelnen

Einrichtungen innerhalb der Pflegekette bereit und fähig sein zu kommunizieren, zu

kooperieren und die betroffenen Personen im System zu koordinieren (ebd., 2001, S. 45).

Genau an diesem Punkt der Primärversorgung wäre speziell in den österreichischen

Gemeinden, eine sogenannte „Regionale Gesundheits- und Krankenpflegperson“ in

Anlehnung an internationale Modelle (s. Kapitel 4) sinnvoll. Ausgebildete Fachkräfte die vor

allem ältere pflege- und betreuungsbedürftige, sowie chronisch kranke Personen durch das

System begleiten und als Schnittstellenmanager und -managerinnen fungieren.

KH

Geriatriezentrum

Pflegezentrum

Pflegestation

Wohnheim

Betreutes Wohnen

Integrativ- gertiatrisches und/ oder therapeutisches Tageszentrum

Ambulanter Gesundheits- und Sozialdienst

Informelle Hilfe

Department Gesundheit

21

3.1 Integrierte Gesundheits- und Sozialsprengel (IGSS)

Die Forderung nach einer organisatorische Vernetzung und Koordination der Leistungen im

Gesundheits- und Sozialwesen gehen nach Ertl & Kratzer (2001) bereits auf die siebziger

Jahre zurück. In der Regierungserklärung 1990 wurde die Absicht geäußert, ein

österreichisches Netzwerk von Gesundheits- und Sozialsprengel, einzurichten. 1992 wurde

vom österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) im Auftrag des

Bundesministeriums, Grundlagen und Empfehlungen für einen flächendeckenden Aufbau von

IGSS erarbeitet. Beim Modell der IGSS handelt es sich um ein Programm, das die

extramuralen, teilstationären und stationären Leistungsanbieter im Gesundheits- und

Sozialwesen aus der regionalen Ebene (Bezirke, Gemeinden) organisatorisch vernetzt. Das

Ziel der IGSS ist ein koordiniertes, dauerhaftes, flächendeckendes und qualitatives Angebot

von sozialen, pflegerischen und medizinischen Leistungen sicherzustellen und die

Gesundheitsvorsorge und -förderung auszubauen. Das Modell der IGSS bedeutet, dass die

Initiative zur Vernetzung und Koordination von Bundes-, Länder-, und/ oder Gemeindebene

kommt, jedoch die Gestaltung der Angebotspalette durch die Angebotsorganisationen

entsprechend der regionalen Bedürfnislage erfolgt (S.62-63).

Das Organisationsmodell wurde trotz der bestehenden Forderungen sowohl auf europäischer

Ebene (s. Kapitel 1) als auch auf nationaler Ebene in keinen der neun österreichischen

Bundesländer in seiner vorgesehenen Form umgesetzt. Lediglich Tirol hat sich bei seinem

Versorgungskonzept an der geplanten Struktur von integrierten Gesundheits- und

Sozialsprengeln orientiert (ebd., S. 62).

3.2 Strukturelle Schwächen aktueller Versorgung

In der Praxis der österreichischen Gesundheits- und Krankenpflege herrscht auf allen

Versorgungsebenen, so auch in der Primärversorgung ein krankheits- und defizitorientiertes

Pflegeverständnis. Gesundheitsfördernde und präventive pflegerischen Maßnahmen, vor

allem der Aspekt der Gesundheitsberatung, finden kaum bewusst statt. Wie es Schaeffer

(2000, zitiert nach Schmitt 2011) beschreibt, ist der Versorgungsalltag nach wie vor in vielen

Bereichen durch eine einseitige Akzentuierung körperbezogener Maßnahmen und

„handwerklicher Pflege“ geprägt, während edukative, anleitende und beratende Aufgaben

einer auf Gesundheitserhalt und Autonomie zielenden Pflege eher vernachlässigt werden.

Weiters besteht laut Fick et al. (2004, zitiert nach Schmitt 2011) zum einen bislang ein

Widerspruch einer gesundheitsförderlichen und präventiven Ausrichtung der Pflege, wie in der

Department Gesundheit

22

Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz festgelegt und einem Bedarf an

konzeptionellen Grundlagen und Präzisierungen dieser pflegerischen Anteile andererseits.

Eine weitere Ursache für die begrenzte Umsetzung pflegerischer Gesundheitsförderung,-

prävention und -beratung in der Praxis, lassen unter anderem auch die schwierigen

strukturellen Rahmenbedingungen in der Pflege, sowie mangelndes gesundheits-

wissenschaftliches Wissen vermuten (S. 22).

Nicht nur die Umsetzung des Aufgabenprofils von Pflegefachkräften im Rahmen des GuKG ist

vor allem im Beratungssektor durch Defizite gekennzeichnet, auch die österreichische

Gesundheitsversorgung, welche aus dem intra- und extramuralen Bereich besteht (s. Kapitel

2.1.2.), charakterisiert sich zunehmend durch mangelnde Koordination und Kooperation in

diesen Sektoren (Haas, 2007, zitiert nach Zapotoczky et al., 2008). Dies führt wiederum zu

einer erheblichen Behandlungsvarianz und somit zur Doppelgleisigkeit, Ineffizienz und einer

daraus resultierenden Behandlungsdiskontinuität. Wesentlich ist auch die Problematik, dass

der Ort der Leistungserbringung nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten berücksichtigt

wird (ebd, 2007, zitiert nach der Sozial und Gesundheitsreform, 2005). Weiters beschreibt

Haas (2007, zitiert nach Schöppl, 2002), dass die vorherrschende Dysfunktion zwischen dem

intra- und extramuralen Bereich, die Gefahr von negativen gesamtgesellschaftlichen Folgen

mit sich bringen kann. Eine Bruchstelle in der Versorgungskette kann zu einem Rückschritt in

der Rekonvaleszenz führen, was sich durch irreparablen Folgen, sowie einem

Autonomieverlust im Alltagsmanagement zeigen kann. Diese negativen Faktoren führen im

schlimmsten Fall zu einem massiven Einschnitt in die Lebensqualität von Individuen und somit

auch in die Gesundheit deren. Weiters betreffen kollektive Folgen die Kostensteigerung im

Gesundheitswesen, die durch beispielsweise Fehlentscheidungen verursacht werden, wie die

frühzeitige Entlassung, oder die zulange Verweildauer von PatientInnen im Krankenhaus

(S.78).

Eger (2011, S. 1ff) gliedert in einem Artikel der Niederösterreichischen Patientenanwaltschaft,

die strukturellen Schwächen, welche einen negativen Einfluss auf die Effizienz und Effektivität

des Gesundheitssystems haben, in folgende Faktoren:

- Sektorale Trennung bei Finanzierung und Verwaltung

Wie auch bei Hofmarcher (2013, S. VIII) beschrieben, ist die Zuständigkeit der

österreichischen Gesundheitsversorgung auf Bundesebene unterschiedlich geregelt.

Besonders hinderlich ist die differente und vor allem getrennte Finanzierung und

Steuerung von Krankenanstalten, den niedergelassenen Bereichen und der Pflege.

Department Gesundheit

23

Die Betreuung erfolgt nicht bedarfsgerecht sondern nach den jeweiligen

Zuständigkeiten der verschiedenen Akteure, was ineffiziente Behandlungsabläufe und

überhöhte Kosten des gesamten Gesundheitssystems zur Folge hat.

Hofmarcher (2013, S. 260) fügt hinzu, dass eine wesentliche Ursache für die

ungenutzten Effizienzpotenziale des österreichischen Gesundheitswesen die

differenten Verantwortlichkeiten und damit in Zusammenhang stehend die differente

Finanzierung ist. Die Vielzahl an untschiedlichen Vergütungssystemen in den

einzelnen Sektoren trägt, wie es Hofmarcher hervorhebt, eindeutig zu den

Ungleichgewichten der Versorgung bei. Ein verbessertes Schnittstellenmanagement

könnte das Ungleichgewicht der Mittelverteilung mildern und zur Kostendämpfung

beitragen.

- Versorgungsdefizite bei Nahtstellen

Nicht durchdachte und ineffiziente Kooperation der Nahtstellen (niedergelassene

medizinische Versorgung/ Krankenhaus/ Pflege) führen zum Einen zu einem

Qualitätsdefitzit der medizinischen Versorgung und verursachen zum Anderen auch

zusätzliche Kosten (Eger, 2011, S.2).

- Mangelnde Vernetzung der einzelnen Dienstleister im Gesundheitswesen

Die Behandlungsprozesse werden durch mangelnde Kommunikation der einzelnen

Nahtstellen unterbrochen. Die Informationsweitergabe fehlt teilweise sogar gänzlich.

Diese Informationsweitergabe ist jedoch ein wesentliches Merkmal für die

ganzheitliche Ablauforganisation eines Heilungsprozesses und ein wichtiger Faktor für

die Patientenzufriedenheit (ebd. S.2). Das Bundesinstitut für Qualität im

Gesundheitswesen (BIQG) führte 2011 im Auftrag des Bundesministeriums für

Gesundheit (BMG) eine sektorenübergreifende Patienten und Patientinnen-

zufriedenheitsbefragung durch, mit dem Ziel die kontinuierliche Optimierung der

Versorgungsprozesse in den verschiedenen Sektoren durch die Kenntnis der

subjektiven Wahrnehmung des Angebots durch Patienten und Patientinnen bewerten

zu können. Die Ergebnisse bestätigen, dass bei der Vernetzung der einzelnen

Gesundheitsdienstleister beziehungsweise im Schnittstellenmanagement generell ein

Verbesserungspotential besteht (Hofmarcher, 2013, S. 58).

Department Gesundheit

24

- Mangelnde einheitliche Dokumentation von Leistungen und Diagnosen

Um nachvollziehbare und vergleichbare Aussagen über Behandlungs- und

Versorgungsprozesse und auch Erfolge treffen zu können, bedarf es einer einheitlichen

Leistungs- und Diagnosedokumentation, welche bis dato im österreichischen

Gesundheitssystem gänzlich fehlt (Eger, 2011, S.2).

- Fehlen definierter Qualitätsstandards

Eger (2011) beschreibt diesen Schwachpunkt des österreichischen

Gesundheitswesens sehr treffend- „Es fehlen mehrheitlich definierte

Qualitätsstandards für die Erbringung in allen Segmenten des Gesundheitswesens,

teilweise was die Voraussetzung für die Erbringung der Leistungen anbelangt, aber

auch was die Erbringung der Leistungen selbst betrifft. Die Qualitätsstandards und die

Darstellung der Ergebnisse der Qualitätsmessung sollen für die PatientInnen

verständlich und nachvollziehbar sein um deren Entscheidungskompetenz zu erhöhen“

(S.2).

Die folgende Grafik, veranschaulicht die „Baustellen“ wie in diesen Kapitel bereits durch Eger

(2011) und Hofmarcher (2013) erläutert, im konkreten:

Abbildung 3: "Baustellen" der integrierten Versorgung, Quelle: Amelung und Janus (2005, S.21)

Department Gesundheit

25

Ein praktisches Beispiel welches die strukturellen Schwächen der österreichischen

Primärversorgung widerspiegelt ist das wie im Kapitel 2.2.2 bereits beschriebene Disease

Management Programm „Therapie Aktiv“. Amelung und Janus (2005, S.20) haben in ihrem

Artikel „Modelle der integrierten Versorgung im Spannungsfeld zwischen Management und

Politik“ bereits klar beschrieben, dass das Modell der integrierten Versorgung welches mit der

Primärversorgung eng verbunden ist, einige wie von den Autoren beschrieben „Baustellen“

aufweist. Es zeichnet sich ab, was eben am Beispiel „Therapie Aktiv“ auch gut in Österreich

zu erkennen ist, dass die geplante integrierte Versorgung, unter anderem auch die Disease

Management Programme, die den eigentlichen Intentionen des Gesetzgebers nicht

entsprechen und somit sich aus politischer Sicht die Frage stellt, ob zu viel Spielraum

eingeräumt wurde.

Das österreichische Disease Management Programm, zur Behandlung von Patienten und

Patientinnen mit Diabetes Mellitus II, welches in Österreich erstmals einen strukturierter

Behandlungsansatz für eine chronische Erkrankung in dieser Breite umgesetzt darstellt, zeigt

jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine zufriedenstellenden Zahlen der Einschreibung. Ein Grund

hierfür ist die mangelnde Akzeptanz durch die Ärzte und Arztinnen, welche einen zusätzlichen

administrativen Aufwand hätten da sie die gesammelten quantitativen Daten ihrer Patienten

und Patientinnen in eine eigene Software, welche auch für internationale Vergleiche dienlich

wäre, eintragen müssten (Beck, Truskaller, Rakovac, Bruner, Zanettin & Pieber, 2009, S.

188). Die Niederösterreichische (NÖ) Ärztekamme hatte Ende März 2010 sogar vor, dem

Programm „Therapie Aktiv“ zu kündigen. Als Gründe wurden laut Aussage der NÖ

Ärztekammer- der nicht nachvollziehbare Schulungsaufwand der Ärzte und Ärztinnen

angegeben. Diese seien laut der Ärztekammer in diesem Bundesland, in der

Diabetikerbetreuung ausgebildet und bedürfen keiner weiteren Schulungen. Letztendlich

konnte doch eine gemeinsame Vereinbarung getroffen werden und dadurch Niederösterreich

als teilnehmendes Bundesland erhalten werden (Czypionka, Kalmar & Ullinsky, 2011, S. 4-5).

Alle vier Sektoren der oben angeführten Grafik (Abbildung 3), können auf die nicht

flächendeckende Umsetzung des DMP „Therapie Aktiv“ herangezogen werden. Im Jahr 2016

betrug die Anzahl der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen in Österreich 19.702 (statista,

2016, www). Im Vergleich dazu beteiligen sich mit Stichtag 1.05.2016 lediglich 6,7% das sind

1329 niedergelassene Ärzte und Ärztinnen an dem DMP „Therapie Aktiv“ (Therapie aktiv,

2016,www).

Department Gesundheit

26

Eine weitere wenig im Vordergrund stehende, jedoch wesentliche strukturelle Schwäche der

aktuellen (Primär-) Versorgung, ist die Betreuung und Unterstützung von pflegenden

Angehörigen. Die Familien- und Laienpflege ist ein unverzichtbarer Bestandteil des

Pflegesystems und der Pflegevorsorge in Österreich, über deren Organisation und

Finanzierung jedoch keine gesammelten Daten vorliegen und somit das Ausmaß und die

Kosten der informellen Pflege nur begrenzt bekannt sind. Schätzungen gehen davon aus, dass

etwa zwei bis drei Mrd. Euro pro Jahr an „Kosten“ für die informelle Pflege anfallen, wenn die

von den unbezahlten Betreuungskräften eingesetzte Zeit mit fiktiven Löhnen bewertet werden.

Aufgrund von Erfahrungen in Österreich und anderen Ländern ist davon auszugehen, dass

ungefähr 80% der pflegebedürftigen Menschen überwiegend informell durch Angehörige

gepflegt werden, wobei diese Pflege zu ca. 80% von Frauen geleistet wird (Quantum Institut,

2007, S. 5-6). Die Pflegesituation geht in den meisten Fällen mit einer hohen Belastung für die

betroffenen Betreuungspersonen einher. Viele Faktoren, wie der Umgang mit den neuen

Lebensumständen, die finanziellen Zusatzkosten, aber auch zahlreiche physische und

psychische Faktoren, wirken als Stressor auf den/ die pflegenden Angehörigen. Oftmals

vernachlässigen die informell Pflegenden auch ihre eigene Gesundheit, was beispielsweise

speziell bei der Betreuung von demenziell Erkrankten, bis hin zu einem Burnout Syndrom

führen kann (Seidel et.al, 2006, s9 ff). Neben der Gewährleistung einer bedarfsgerechten

medizinischen Versorgung, stellt das Thema Demenz auch aus diesem Grund eine große

Herausforderung dar (Kompetenzzentrum -Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, 2010,

S. 514). Im vom Bundesministerium für Arbeit Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) im

Jahr 2008 herausgegebenen Demenzhandbuch wird die Zahl der an Demenz erkrankten

Menschen laut Expertenschätzungen mit rund 100.000 beziffert. Rund 10% der 80-84jährigen

leiden an Demenz, jeder fünfte 85-89jährige und schließlich bereits 40% der 90-95jährigen.

Für das Jahr 2050 wird sich die Zahl der Betroffenen erheblich erhöhen. Vorhergesagt werden

rund 233.800 Fälle, das sind 8,28% der Bevölkerung die über 60 Jahre alt sind (Pochobradsyk,

et.al, 2008, S. 8). Der Wunsch im privaten bzw. familiären Umfeld betreut zu werden, besteht

bei demenziell erkrankten Menschen genauso wie generell bei älteren Menschen, weshalb

Maßnahmen zur Entlastung der pflegenden Angehörigen in verschiedener Hinsicht notwendig

sind (Kompetenzzentrum -Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, 2010, S. 514).

Ein erster Beitrag auch zur Entlastung der pflegenden Angehörigen etablierte sich Ende der

1990er Jahre damals noch „schwarz“, die sogenannte vierte Versorgungsäule, die 24-

Stunden-Betreuung in den Haushalten. Die Betreuung wurde überwiegend durch Migranten

und Migrantinnen aus osteuropäischen Ländern übernommen. Mit der Legalisierung der

Arbeitsverhältnisse der 24-Stunden-Betreuung wurden ab 2007 Voraussetzungen geschaffen,

Department Gesundheit

27

institutionelle Langzeitpflege und Betreuung zu Hause durch nicht professionelle

Pflegedienste, gleichrangig zu behandeln. Schätzungen zufolge wurden 2007, 15.000

Haushalte auf Basis von 14 Tage Schichtbetrieb durch die 24-Stunden-Laienbetreuung

versorgt. Die Mehrheit dieser Personen stammt aus der Slowakei oder Tschechien. Im Jahr

2015 wurden 4487 Anträge auf Gewährung einer Förderung, welche auf Basis der 15a B-VG

Vereinbarung aus dem allgemeinen Steueraufkommen aufgebracht wird, für die Unterstützung

der 24- Stunden- Betreuung eingebracht (BMASK, 2016, S.14).

Seit dem Stichtag 1. Jänner 2009 werden gemäß § 21b Abs. 2 Z 5 Bundespflegegeldgesetz

bestimmte Qualitätsanforderungen im Bereich der Förderung der 24-Stunden-

Betreuungsverhältnisse an die Betreuungskräfte gestellt.

§ 21b Abs. 2 Z 5 des Bundespflegegeldgesetz (BPGG) sieht vor, dass bei Zutreffen der

sonstigen Voraussetzungen eine Förderung gewährt werden kann, sofern vom

Förderungswerber nachgewiesen wird, dass die Betreuungskraft bzw. die Betreuungskräfte

1. über eine theoretische Ausbildung, die im Wesentlichen derjenigen eines/r Heimhelfers/ in

entspricht, verfügt bzw. verfügen oder

2. seit mindestens sechs Monaten die Betreuung der pflegebedürftigen Person nach dem

Hausbetreuungsgesetz oder §§ 159 ff der Gewerbeordnung 1994 sachgerecht durchgeführt

hat bzw. haben oder

3. über eine fachspezifische Ermächtigung zu pflegerischen Tätigkeiten gem. §§ 3b oder 15

Abs. 7 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes bzw. gem. § 50b des Ärztegesetzes

1998 verfügen (RIS, 2010, www).

Ist die Betreuung gem. § 21b Abs. 2 Z 5 lit. b BPGG über einen Zeitraum von sechs Monaten

bestehend, werden darüber hinaus verpflichtende Hausbesuche durch diplomierte

Pflegefachkräfte im Rahmen der „Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege“ unter anderem

durch die Sozialversicherung der Bauern (SVB) durchgeführt, um zu kontrollieren ob dieses

Qualitätserfordernis tatsächlich erfüllt werden (ebd., www).

Diese Kontrollen beziehungsweise die Beratungsfunktion zur Qualitätssicherung der

häuslichen Pflege, vor allem auch im Sinne der Pflege- und Betreuungsberatung der

Angehörigen, sowie der meist laienhaften 24- Stunden- Betreuung, könnte ebenfalls ein

wesentliches Aufgabengebiet, in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für

Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, für Regionale Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen (RGKpP) darstellen.

Department Gesundheit

28

„Im Rahmen dieser Qualitätssicherungsmaßnahmen werden die Betroffenen von DGKP zu

Hause besucht, die die konkrete Pflegesituation und -qualität mittels eines standardisierten

Situationsberichtes erfassen. Der Schwerpunkt der QSPG liegt im Ausgleich des hohen

Informations- und Beratungsdefizites in der häuslichen Pflege und Betreuung, besonders bei

der Gruppe der pflegenden Angehörigen“ (SVB, 2016, www).

Wird von der diplomierten Pflegefachraft im Bereich Pflege und Betreuung ein

Informationsbedarf festgestellt, schlägt die DGKP vor Ort eine qualifizierte Lösung bzw. einen

Lösungsansatz vor.

Die vordergründigen Ziele, die die Qualitätssicherung Pflegegeld (QSPG) im Rahmen der

Hausbesuche verfolgt, sind:

- umfassende Informationsweitergabe. - Anleitung und Schulung der privaten Hauptpflegepersonen.

- Hilfestellung und Beratung beim Umgang mit dementen Menschen.

- Beratung bei der Organisation von Hilfsmitteln etc..

- Information über aktive Selbsthilfegruppen und psychologische Betreuung.

Die wichtigsten Präventivmaßnahmen betreffen die

- Aufklärung über die Gefahren von Stufen, Staffeln, losen Teppichen, fehlenden

Haltegriffen usw., um Stürze zu verhindern,

- richtige und schmerzfreie Lagerung ohne körperliche Anstrengung für die pflegende

Person,

- richtige Ernährung und Flüssigkeitszufuhr – besonders bei Diabetikern

- und die entsprechende Einnahme von Medikamenten

(ebd., www).

Ein aktuelles Ergebnis des österreichischen Pflegevorsorgeberichtes 2014 zeigt, dass der

Bedarf an Beratung und Information unverändert hoch ist. Bei 15.238 Hausbesuchen - das

sind 93,41 % aller Besuche - wurde eine Beratung vorgenommen und wurden

Unterstützungsmaßnahmen empfohlen. Der größte Bedarf besteht beim Thema

„Informationen zum Angebot von sozialen Diensten und Kurzzeitpflege, zu Hilfsmitteln, zum

Pflegegeld sowie zur funktionalen Wohnsituation“ (BMASK, 2014, www).

Department Gesundheit

29

3.3 Systemische Anforderungen

Umstrukturierungen im Gesundheitswesen wie beispielsweise die Einführung der

leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung welche zu verkürzten Verweildauern in den

österreichischen Spitälern geführt hat, regten in Österreich Diskussionen um die Thematik des

Nahtstellenmanagement an (Sagmeister, 2007, S.101). Im Zuge der 73. Vereinbarung im Jahr

2005, gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens,

wurde die Thematik des Nahstellenmanagement gesetzlich geregelt. In dieser Vereinbarung

wurde festgelegt das es Ziel ist, dass alle Akteure des Gesundheitswesens die Schnittstelle

zwischen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen zu Nahtstellen entwickeln. Dabei spielt der

Informationstransfer sowie die Kooperation und Vernetzung eine wesentliche Rolle. Der Fokus

liegt hierbei vor allem in der Verbesserung der Versorgungsqualität sowie einer

patientenorientierten Betreuung (Hofmarcher, 2013, S. 231 ff). Auch das Gesundheits

Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) 2013 beinhaltet zentrale, gesetzlich geregelte Aspekte einer

optimalen Gesundheitsversorgung, auch am primären Versorgungssektor (RIS, 2013, www).

Die demographische Entwicklung zeigt, dass die Zahl der hochbetagten, chronisch kranken

und pflegebedürftigen Menschen bis 2030 um durchschnittlich 37% ansteigen wird (Statistik

Austria, 2014, www). Durch die Verkürzung der Verweildauer wird unter anderem auch diese

Versorgungsgruppe früher aus den Akutspitälern in die extramurale Pflege entlassen. Um die

Kontinuität der pflegerischen Maßnahmen zwischen dem intra- und extramuralen Bereich zu

gewährleisten, ist ein Nahtstellenmanagement notwendig. Wie bereits erwähnt, ist für diese

Umsetzung eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteure vorrangig (Sagmeister, 2007,

S. 101). Hierbei könnte wie auch in Konzepten aus Großbritannien, der Schweiz, Dänemark

oder den Niederlanden (siehe Kapitel 4) eine Regionale Gesundheits- und

Krankenpflegeperson als Verbindungsglied der Nahtstelle eine wesentliche Rolle spielen.

Nicht nur für die Verkürzung der Verweildauer in Akutspitälern ist ein gut funktionierendes

Schnitt- und Nahtstellenmanagement wesentlich, sondern auch bei der Vermeidung einer

stationären Aufnahme im Krankenhaus an sich. Die ACSC- Ambulatory Care Sensitive

Conditions- ein von Weismann et.al. 1992 in den USA entwickeltes Konzept, beschreiben

Krankheitsbilder bei denen durch eine frühzeitige und optimale Betreuung in der

Primärversorgung, Krankenhausaufenthalte vermieden werden können (Czypionka, Rörhling,

Ulinski & Berger, 2014, S. 2). Eine rechtzeitige und effektive Primärversorgung gilt als einer

der wichtigsten Faktoren, um ACSC und dadurch auch die Anzahl an stationären Aufnahmen

zu verringern. Wesentliche maßgebliche Faktoren sind neben der Ärztedichte, auch die

Department Gesundheit

30

Akutbettendichte in Krankenhäusern die einen angebotsinduzierenden Effekt auf die Anzahl

der Krankenhauseinweisungen haben. Auch der Wohnort mit der Struktur der umliegenden

Gesundheitsversorgung hat einen Einfluss. Studien zeigen, dass Menschen aus der Stadt

eher einen negativen Zusammenhang mit ACSC-Aufnahmen aufweisen, als Menschen aus

dem ländlichen Gebiet. Auch das zunehmende Alter spielt bei der Aufnahme ins Krankenhaus

eine Rolle. Einfluss nehmen ebenfalls sozioökonomische Faktoren wie Einkommen,

Beschäftigung und Bildungsniveau, Zugang zur Krankenversicherung ebenso wie ein

möglicher Migrationshintergrund. Auch das Gesundheitsverhalten, der Lebensstil und der

Gesundheitszustand beeinflussen den Zugang zum stationären Versorgungssektor.

Zusammenfassend können fünf Kategorien zur Klassifizierung der Ursachen von

Krankenhauseinweisungen identifiziert werden (Czypionka et.al, 2014, S. 4-7). Die Gründe

können dabei systembezogen (z. B. keine ambulanten Dienste verfügbar), arztbezogen (z. B.

kein optimales Monitoring), medizinisch (z. B. Nebenwirkungen von Medikamenten),

patientenbezogen (z. B. spätes Aufsuchen medizinischer Hilfe) und sozial (z.B. mangelnde

soziale Unterstützung) sein. Die Primärversorgung, welche die erste allgemeine und direkte

zugänglichen Kontaktstelle für Menschen mit gesundheitlichen Problemen darstellt, gilt bei

allen Altersgruppen als wichtiger Ansatzpunkt zur Reduzierung der Wahrscheinlichkeit

potentiell vermeidbarer Krankenhausaufenthalte. Auch der Ausbau einer patienten- und

patientinnenorientierten, sektorübergreifenden und interdisziplinären integrierten Versorgung

kann beispielsweise bei chronischen Krankheiten ebenfalls zu einer höheren Kontinuität in der

Behandlung führen und so zu einer Senkung der Krankenhausaufnahmeraten beitragen. Ein

weiterer Einflussfaktor zur Reduzierung von ACSC-Hospitalisierungen ist eine Förderung des

Empowerment und Selbstmanagement im Umgang mit Krankheiten (ebd., 2014, S. 8-10).

Eine Reihe von Entwicklungen im Gesundheitswesen bedingt auch neue qualitative

Anforderungen an die Gesundheitsberufe. Vor allem die Fähigkeiten im Umgang mit dem

kranken Menschen werden auf andere Art gefordert. Chronische Erkrankungen erfordern das

Integrieren von Behandlungsschritten in den Alltag und Gesundheitsfachkräfte müssen in der

Lage sein den Patienten und die Patientin dabei zu unterstützen mit der Krankheit zu leben.

Dabei spielt eine interdisziplinäre Kooperation eine wesentliche Rolle (Riedl, Czypionka, 2012,

S. 1).

Vor allem die Pflege als wesentlicher Beitragsleister für neue Lösungsätze zur Bewältigung

der derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen sollte im Fokus

gesundheitspolitischer Entscheidungen stehen. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte haben

in den letzten Jahrzehnten bis heute, den Schwerpunkt ihres Aufgabenbereiches im kurativen

Bereich und in der Langzeitpflege. Wie bereits in der Einleitung beschrieben zählt die Aufgabe

Department Gesundheit

31

der Geundheitsförderung und Prävention erst seit 1997, seit der Änderung des Gesundheits-

und Krankenpflegegesetztes, zum Aufgabengebiet der Pflege. Fokus sind wie auch in der

Definition der WHO (2013) (s. Kapitel 2.1.1) nicht nur die Kranken sondern auch die Gesunden

und nicht nur Individuen sondern auch Gruppen und Gemeinden (Wild, 2009, S.1).

Aus gesundheitsökonomischer Sicht ist es entscheidend, dass die „Health Professionals“ ein

Schlüssel für das Gelingen von Gesundheitsreformen sind, und als Grundvoraussetzung für

eine nachhaltige Kostendämpfung sowie für einen Ausbau eines

primärversorgungsorientierten Gesundheitswesen maßgeblich sind (Riedl, Czypionka, 2012,

S. 16).

Dem Handlungsfeld „Gemeinde“ in dem die Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im

Rahmen der Hauskrankenpflege bereits tätig sind, muss zukünftig ein größerer Stellenwert

zugesprochen werden. Einer neuer Ansatz stellt unter anderem die „Familienzentrierte Pflege“

dar. Wie in Kapitel 3.1 beschrieben, wird 80 Prozent der Pflege in Österreich informell durch

Angehörige erbracht, welche mit einer nicht unbeachtlichen Belastung für die Betroffenen

einhergeht. Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, muss eine flächendeckende

Familiengesundheitspflege, oder eben eine Optimierung der Primärversorgung durch

Regionale Gesundheits- und Krankenpflegepersonen gewährleistet werden. Gemeinden und

Familien in den Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention zu rücken, sowie die

Stärkung des familiären Pflegepotentials, kann einen essentiellen Beitrag zur langfristigen

Finanzierbarkeit des Gesundheits- und Pflegewesen sowie der Primärversorgung in

Österreich leisten.

Eine wichtiger Ansatz bei der Implementierung von sogenannten „Public Health Nurses im

„Community“ oder gemeindenahen Ansatz, oder wie in der Bezeichnung dieser Arbeit,

sogenannten „RGKpP“, ist die Anstellung dieser Pflegekräfte bei Behörden oder Gemeinden.

Konkrete Aufgaben wären hierbei die Gesundheitsförderung- und Vorsorge vulnerabler

Gruppen, wie beispielsweise alte und oder pflegebedürftige Menschen in den Gemeinden.

Weiter Aufgaben stellen die Mitarbeit bei der Gesundheitsberichterstattung, sowie die

Qualitätssicherung bei der pflegerelevanten Versorgung, sowohl im intra- als auch im

extramuralen Bereich (Wild, 2009, S.4-7). Die RGKpP führen wie in Kapitel vier beschrieben,

präventive Hausbesuche zur qualitätsicherung und Beratung durch und fungieren als

Schnittstelle und Kommunikator zwischen den verschiedenen Funktionären im

Gesundheitswesen.

Department Gesundheit

32

Als Prinzipien für die Gemeinde Arbeit nennt Wild (2009, S.7) folgende Punkte:

- Wohnortnahe Umsetzung,

- Einbindung der Betroffenen in die Planung und Durchführung (im Sinne des Case

Managements),

- Einbindung informeller Netzwerke ist für die Nachhaltigkeit ein wesentliches Kriterium,

- Umsetzung im Sinne der Ressourcenförderung und des Empowerment des

Individuums,

- Nachhaltigkeit der Umsetzung muss nachvollziehbar sein.

Bevor jedoch solche Angebote auf Gemeindebene geschaffen werden, ist es wesentlich eine

Bedarfs- und Ressourcenerhebung durch die RGKpP durchzuführen. Hierfür gibt es bereits

von der WHO entwickelte Instrumente – wie Beispielsweise das „Community Health Needs

Assessment“. Ein weiterer Aspekt ist auch die gemeinsame Planung mit Unterstützung durch

politische Entscheidungsträger der Gemeinden und die Zusammenarbeit mit den regionalen

Gesundheitsakteuren. Weiters darf zukünftig die Implementierung einer fachspezifischen

Ausbildung mit Fokus auf die Familiengesundheitspflege und Public Health in die Ausbildung

des gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege nicht außer Acht gelassen werden

(Wild, 2009, S.7-9).

Department Gesundheit

33

4 KONZEPTE DER „REGIONALEN GESUNHEITS UND

KRANKENPFLEGEPERSONEN“ (RGKPP) IM

INTERNATIONALEN VERGLEICH

Wie in der WHO Deklaration von Alma Ata (1978) bereits beschrieben (s. 2.1.1) sind die

Berücksichtigung von Prävention, Gesundheitsförderung und Beratung wesentliche Inhalte

und Aufgaben professioneller Pflege. Seit dieser Deklaration wurde die Schlüsselrolle der

Pflegeberufe für das oben genannte Handlungsfeld auf internationaler Ebene immer wieder

dezidiert hervorgehoben. Gleichzeitig entstanden und etablierten sich im Zuge dieser

Entwicklung verschiedene pflegeberufliche Spezialisierungen, die ihren Fokus auf ein

gesundheitsförderndes und präventives sowie beratendes pflegerisches Handeln richten. Es

finden sich zum Beispiel Public Health Nurses, Community Health Nurses, oder Family Health

Nurses im angloamerikanischen und skandinavischen Raum und haben sich dort über

Jahrzehnte dem Bedarf der Gesellschaft angepasst und weiterentwickelt. Ihre Aufgaben liegen

neben der pflegerischen Versorgung (Microebene), auch auf der kommunalen (Mesoebene),

wie auch auf gesundheitspolitischer Ebene (Makrobene) (Schmitt, 2011, S.22). Laut Hasseler

(2006, zitiert nach Schmitt 2011) planen und entwickeln Pflegekräfte mit diesen

Spezialisierungen eine angemessene Gesundheitsversorgung in der Gemeinde. Sie

beobachten und analysieren Gesundheitsprobleme und diesbezügliche Bedarfe in definierten

Bevölkerungsgruppen und sind mit Anleitung und Beratung, Gesundheitserziehung,

Gesundheitsmanagement und der Koordination von Dienstleistungen für Individuen und

Gruppen befasst. Die genauen Aufgabenprofile variieren im Ländervergleich (S.22).

Bereits in den siebziger Jahren empfahl die WHO eine Implementierung des Modell einer

„Hauskrankenschwester“ für rund 6000 Einwohner und Einwohnerinnen vorzusehen. In

Frankreich beispielsweise entschied man sich für einen Schlüssel von 1: 3500, sowie in

England für 1:4000. In Österreich lautete die wissenschaftliche Empfehlung 1:5000, was

darauf zurück zu führen ist, dass für die Berechnungsgrundlage nicht nur Gesamteinwohner-

und Einwohnerinnenzahl, sondern auch die Altersstruktur der Bevölkerung und der Anteil der

Familienflege berücksichtigt wurde. Während jedoch in den siebziger Jahren in England und

Holland oder der Schweiz professionelle Hauskrankenpflege bereits ein Thema, oder gar

bereits in der Versorgungstruktur implementiert wurde, sahen sowohl österreichische

Sozialversicherungsträger als auch Führungskräfte in der Pflege noch keinen Bedarf

beziehungsweise Vorteil für die Implementierung von professioneller Hauskrankenpflege oder

generell extramuralen Diensten (Ertl & Kratzer, 2001, S. 10). Diese Tatsache lässt vermuten

Department Gesundheit

34

warum bis heute, zwar bereits die extramurale Pflege durch mobile Hauskrankenpflege in

Österreich gewährleistet ist, jedoch das Konzept einer gezielten Gemeindeversorgung, welche

als Schnittstelle zwischen dem intra- und extramuralen Bereich fungiert, in der

österreichischen Pflegeversorgung bis heute nicht gewährleistet ist.

4.1 Public Health Nursing

Brieskorn-Zinke (2007, zitiert nach Wild, 2009) definieren Public Health als „präventiv

orientierte pflegerische Arbeit im Bereich der Bevölkerungsgesundheit“ (S.2). Der Begriff

Public Health Nursing ist laut Brieskorn-Zinke ganz allgemein der Beitrag der Pflege in Bezug

auf Public Health bezogener Aufgaben (2007, S.15).

Die WHO (1993, zitiert Brieskorn-Zinke, 2007) machte bereits Anfang der neunziger Jahre

deutlich, wie wesentlich der Beitrag der Pflege beim Thema „Public Health“ ist.

„Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, dem einzelnen Menschen, der Familie

und den ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales

Potenzial zu bestimmen und zu verwirklichen, und zwar in dem für die Arbeit

anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt. Deshalb müssen die

Pflegenden, Funktionen aufbauen und erfüllen, welche die Gesundheit fördern,

erhalten und Krankheiten verhindern. Zur Pflege gehört auch die Planung und

Betreuung bei Krankheiten während der Rehabilitation und sie umfasst zudem die

physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens in ihrer Auswirkung auf

Gesundheit, Krankheit, Behinderung und Sterben. Pflegende gewährleisten, dass der

Einzelne auf die Familie, seine Freunde, die sozialen Bezugsgruppe und die

Gemeinschaft gegebenfalls in alle Aspekte der Gesundheitsversorgung einbezogen

werden und unterstützen damit Selbstvertrauen und Selbstbestimmung. Pflegende

arbeiten auch partnerschaftlich mit Angehörigen an der Erbringung gesundheitlicher

und ähnlicher Dienstleistungen beteiligten Gruppen zusammen (S. 15).

Die Definition zeigt klar welchen hohen Stellenwert die WHO der Pflege zuschreibt. Brieskorn-

Zinke hat im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit verschiedene Ansätze zum Thema Public

Health Nursing beschrieben.

Der traditionelle Ansatz beinhaltet die klassische, ambulante Krankenversorgung in

Verbindung mit körperlicher Pflege, mit gesundheitlicher Aufklärung und Information. Der

administrative Ansatz beschreibt die Arbeit der Pflege im Hinblick auf Leistungs- und

Organisationsfunktionen. Es geht primär um Datensammlung, Konzeptentwicklung, sowie

Qualitätssicherung. Der präventive oder auch Empowerment Ansatz setzt seinen Fokus auf

Department Gesundheit

35

die Pflege als Unterstützer und Berater für Gesundheitsfragen, sowie im Bereich der

Kompetenzförderung im speziellen bei chronisch Kranken und Menschen mit

Beeinträchtigungen. Der integrative Ansatz beschreibt die Prävention und

Gesundheitsförderung in allen pflegerischen Arbeitsfeldern. Die Pflegeperson agiert als

Mitgestalter der Gesundheitsversorgung, gebunden an eine bevölkerungsbezogenen

Horizonterweiterung (Brieskorn- Zinke, 2007, S. 99-101).

Da die „Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ eine konzeptionelle Ausprägung

von Public Health Nursing darstellt, orientieren sich auch die Aufgaben der RGKpP

dementsprechend an all diesen beschriebenen Ansätzen von Brieskorn-Zinke, welche auch in

bereits bestehenden, internationalen pflegerischen Versorgungskonzepten, eine zentrale

Rolle spielen.

4.2 District Nurse in Großbritannien

District Nurse spielen im National Health Service (NHS) in Großbritannien in der primären

Gesundheitsversorgung eine entscheidende Rolle. Sie besuchen die Menschen in ihren

eigenen vier Wänden oder in Pflegeheimen, um Patienten und Patientinnen in der immer

komplexer werdenden Gesundheitsversorgung und deren Familienmitglieder zu unterstützen.

District Nurses beurteilen die Gesundheitsbedürfnisse von Patienten und Patientinnen, sowie

deren Familien und überwachen die Qualität der Versorgung. Die Zielgruppe ist nicht

altersgebunden, jedoch sind die betreuungsbedürftigen Personen meist ältere, welche kürzlich

aus dem Krankenhaus entlassen wurden, unheilbar krank sind, oder körperliche

Behinderungen haben (NHS, o.J., www).

District Nurses in Großbritannien besuchen ihre Klienten und Klientinnen jeden Tag oder sogar

mehrmals täglich. Sie bieten Beratung und Unterstützung bei pflegerischer - und

Gesundheitsthematik und arbeiteten sowohl alleine, als auch in Kooperation mit anderen

Gruppen, wie zum Beispiel Sozialdiensten, freiwilligen Agenturen und anderen NHS-

Organisationen um somit für die Klienten und Klientinnen eine individuelle und breite Palette

an Pflegedienstleistungen zur Verfügung zu stellen und zu koordinieren. Neben der direkten

Patienten und Patientinnenversorgung, haben die District Nurses eine wesentliche

Unterstützungsfunktion. Ziel ist es die Klienten und Klientinnen und deren Angehörigen so zu

unterstützen und zu fördern, dass sie sich in weiterer Folge auch um sich selbst, oder um ihre

Angehörigen kümmern können. Jede District Nurse ist für ihre Patientenfallzahlen

verantwortlich und somit auch die Anzahl an Krankenhauseinweisungen und Rückübernahme

auf ein Minimum zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass die Patienten und Patientinnen zu

Department Gesundheit

36

Hause bleiben können, oder so schnell wie möglich zurückkehren (NHS, o.J., www).

Suzanna Whitwell- District Nurse aus Großbritannien, beschreibt einen typischen Arbeitstag

wie folgt: „In the community, you have the opportunity to look at people holistically; you have

to be aware of their whole home situation, not just their condition. It's my job to assess and

support patients, then co-ordinate a care package to give them the help they need. In future,

it's going to be more and more important that people are well looked after in their own homes.”

Auch hier kristallisiert sich wieder ganz deutlich heraus, dass es sich bei der Betreuung durch

eine Community Nurse nicht um eine reine Basisversorgung handelt, sondern um eine

individuell gestaltete „Rund-um“ Versorgung, mit dem Ziel die Betreuung und Pflege so lang

als möglich in den eigenen vier Wänden zu gewährleisten (NHS, o.J., www).

4.3 Buurtzorg- ein innovatives Modell aus den Niederlanden

Das „Buurtzorg Nederland“ ist seit 2006 ein innovatives Modell der Hauskrankenpflege in den

Niederlanden. Das Projekt entstand aus der Unzufriedenheit der „community nurses“ mit der

traditionellen Form der Hauskrankenpflege. Ein wesentlicher Aspekt dieses Modells ist der

Fokus auf die Aktivierung der Selbstpflege, das heißt die Mobilisierung und Nutzung der

Ressourcen von Klienten und Klientinnen im extramuralen Bereich. Das Modell orientiert sich

an der individuellen Bedarfslage der Klienten und Klientinnen und sucht gemeinsam mit diesen

und deren informellen bzw. professionellen Bezugspflegepersonen nach der optimalen

Lösung im primären Versorgungssystem. Die Community Nurses helfen den Klienten und

Klientinnen, ihr Leben mit Hilfe lokaler Ressourcen so weit wie möglich selbstständig zu

gestalten. Das Burrtzorg geht dabei auf wesentliche Aspekte der Schnittstellenproblematik

zwischen der intra- und extramuralen Versorgung, sowie auf allgemeine Mängel der

Langzeitpflege, auf drei Ebenen ein:

- Die individuelle Bedarfslage der Klienten und Klientinnen wird in der klassischen

ambulanten Versorgung nicht ausreichend wahrgenommen.

- Fehlen von Ganzheitlichkeit bei der reellen Organisation von Pflegeleistungen.

- Mangelhafte Kommunikation und Zusammenarbeit verschiedener Organisationen und

Leistungsanbieter im Gesundheitswesen und den Leistungserbringern (Leichsenring,

2015, S. 22).

Um diesen Mängeln entgegenzuwirken baut der Betreuungsplan des Burrtzorg auf die

Erhebung der individuellen Bedarfslage von medizinischen, rehabilitativen, sowie

Department Gesundheit

37

pflegerischen bis hin zu persönlichen und sozialen Aspekten der einzelnen Klienten und

Klientinnen auf. Weiters bietet der individuelle Betreuungsplan, Informationen zur

Unterstützung der sozialen Rolle der betreuenden Personen, sowie Möglichkeiten der

Förderung ihrer Selbstpflege zur Erweiterung der Selbstständigkeit. Auch die eventuelle

Notwendigkeit von weiteren professionellen Interventionen durch beispielsweise Physio- oder

Ergotherapeuten und -Therapeutinnen werden im Betreuungsplan integriert.

Dieses Pflegekonzept wurde von Community Nurses entwickelt und beinhaltet

zusammengefasst im Wesentlichen folgende Aspekte:

- Ganzheitliches Assessment der individuellen Bedarfslage.

- Identifizierung, Einbeziehung und Vernetzung aller formellen und informellen

Pflegepersonen.

- Erbringung von Pflege und Betreuung.

- Unterstützung der Klienten und Klientinnen seiner/ ihrer sozialen Rolle.

- Förderung der Selbstpflege und Selbstständigkeit

(Leichsenring, 2015, S. 22- 23).

4.4 Präventive Hausbesuche in Dänemark

Ein wesentlicher Teil des Primary Health Care System in Dänemark, sind die sogenannten

präventiven Hausbesuche durch Pflegepersonen, welche durch die Verwendung von

individuellen Assessments älteren Menschen in ihrem häuslichen Setting begegnen die

normalerweise in der Form im Gesundheitssystem nicht erreicht werden. Das häusliche

Assessment ist zum Einen nicht nur ein Gesundheitscheck, sondern auch die Möglichkeit die

individuelle Bedarfslage, sowie die Bedürfnisse des Einzelnen zu erfassen und dadurch auch

die Selbstständigkeit der älteren Menschen zu fördern. Die präventiven Hausbesuche haben

zum einen das Ziel die Entwicklung von funktionellen Einbußen zu verhindern und zum

anderen die interdisziplinäre Teamarbeit auch zwischen dem primären und sekundären

Gesundheitssektor zu fördern (Vass, Avlund, Hendriksen, Philipson & Riis, 2007, S.4).

Erfolgreiche präventive Hausbesuchsprogramme haben ebenso wichtige Auswirkungen auf

die Ergebnisse der Ressourcennutzung sowie die Kosten der Gesundheitsausgaben (Huss,

Stuck, Rubenstein, Egger & Clough-Gorr, 2008,S.298).

Die Idee der präventiven Hausbesuche für ältere Menschen hat ihren Ursprung in der langen

Tradition der dänischen Sozial- und Gesundheitspolitik. Die Steuerung der Hausbesuch ist

Department Gesundheit

38

vom Gesetzgeber an die lokalen Behörden delegiert worden. Bereits in den 1960er Jahren

wurden „District nurses“ angewiesen ältere Menschen zu Hause zu besuchen und ihnen zu

Helfen. In den 1979er Jahren wurde in bestimmten Gemeinden ein lokales Projekt initiiert,

dass alle Personen ab dem 75. Lebensjahr oder älter, präventiv zu Hause, durch eine District

Nurse besucht werden sollen. Dieses Konzept wurde in den 90er Jahren von zahlreichen

Dänischen Gemeinden übernommen (Vass, et.al, 2007, S.4). Ausgangspunkt für die

gesetzliche Verankerung des präventiven Hausbesuchs in Dänemark war eine randomisierte

kontrollierte Studie aus dem Jahr 1984. Im Rahmen dieser Studie konnten die

Altenpflegeheim- und Krankenhauseinweisungen durch präventive Hausbesuche reduziert

werden. Seitdem sind alle Gemeinden Dänemarks verpflichtet den präventiven Hausbesuch

als Regelleistung anzubieten (Ströbel & Weidner, 2003, S. 41).

Die Aufmerksamkeit auf frühe Anzeichen von Unterstützungsbedarf durch präventive

Hausbesuche und die entsprechenden raschen und koordinierten Folgemaßnahmen erweisen

sich als ein geeignetes Instrument für Maßnahmen, die bei älteren Menschen die Autonomie,

Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit so wahren, dass sie selbstbestimmt zu Hause weiter

leben können (Vass, et.al, 2007, S.4).

Präventive Hausbesuche sind nicht nur ein Gesundheitscheck. Es ist eine Beurteilung eines

Gesundheitszustandes, auf Basis einer breiten Perspektive und dadurch die Möglichkeit eine

umfangreiche Prävention, sowie eine allgemeine Gesundheitsförderung zu verlassen. Das

Assessment muss jedoch multidimensional nicht nur mit dem Fokus auf der körperlichen

Gesundheit erfolgen (ebd., S.4).

Die Hausbesuche sind in jeder Dänischen Gemeinde unterschiedlich gestaltet. Die Kommune

Sellerod setzt die präventive Maßnahme wie folgt um:

• Ein multiprofessionelles Team aus Pflegenden, Ergo- und Physiotherapeuten und

Therapeutinnen ist für die praktische Durchführung zuständig.

• Alle Teammitglieder haben Erfahrungen im Bereich der Altenhilfe.

• Der Beratungsbesuch umfasst ein unstrukturiertes Gespräch mit den leitenden

Themengebieten Gesundheit, Alltagsbewältigung, soziale Einbindung und

Zukunftsbewältigung.

• Die Senioren und Seniorinnen bestimmen letztlich die Gesprächsthemen.

Wird während des Gesprächs ein Problembereich identifiziert, wird dieser nach Absprache mit

den Betroffenen durch Assessmentverfahren näher untersucht. Falls keine schwerwiegenden

Gesundheitsprobleme bestehen, liegt die Ergebnisumsetzung in der Verantwortung der

Department Gesundheit

39

Klienten und Klientinnen. Die Besuchsdauer beträgt in der Regel eine Stunde (Ströbel &

Weidner, 2003, S. 41-42).

4.5 Projekt EIGER- Erforschung innovativer geriatrischer

Hausbesuche

Die Schweiz als bekanntes Vorzeigeland bei der Thematik Pflege und Betreuung hat auch in

Bezug auf die in diesem Kapitel beschriebene Thematik, bereits ein Konzept für die

Familienpflege und die Förderung der Selbstständigkeit alter hochbetagter Menschen zu

Hause entwickelt.

Hintergrund hierbei ist, dass Investitionen in alternative Maßnahmen notwendig sind um

langfristig neue und zusätzliche Kosten im Langzeitpflegebereich zu verhindern. Im (Zwischen-

) Bericht 2007 zur Umsetzung der Alterspolitik im Kanton Bern, im Auftrag der Gesundheits-

und Fürsorgedirektion wurden Handlungsfelder definiert, die dazu beitragen sollen die

Selbstständigkeit der älteren Menschen zu fördern und zu erhalten. Ziel ist es auch einen

Pflegeheimeintritt zu verzögern oder gar zu vermeiden, den Bedarf an Pflegeplätzen möglichst

gering zu halten, sowie eine ausreichende Zahl von professionellem Pflege- und

Betreuungspersonal sicherzustellen. Den Gemeinden soll dadurch auch eine Anstoß zur

Auseinandersetzung mit der Alterspolitik zu geben werden (Gesundheits- und

Fürsorgedirektion des Kantons Bern, 2007, www).

Das Projekt EIGER – Erforschung innovativer geriatrischer Hausbesuche, wurde im Zeitraum

1993-1998 von der Geriatrie Universität Bern empirisch begleitet und ergab, ähnlich dem

Konzept der präventiven Hausbesuche in Dänemark (Kapitel 4.4.) durchwegs positive

Ergebnisse. Eine erste Evaluation zeigte, dass dank präventiver Hausbesuche bei älteren

teilweise hochbetagten Personen der Eintritt ins Pflegeheim später erfolgt und dadurch

bedeutende Einsparungen im Gesundheitswesen erzielt werden (ebd., www). Die

Pflegeheimeinweisungen konnten um bis zu 34% reduziert werden. Bei jeder 15. besuchten

Person konnte der Verlust der Selbstständigkeit vermieden werden (Stuck, 2002, zitiert nach

Wild, 2009, S.6).

Diese Ergebnisse zeigen sehr deutlich die Wirksamkeit präventiver Hausbesuche und

müssten auch in Österreich aufgrund der Kostenersparnisse, die sich durch diese Maßnahme

ergeben, flächendeckend umgesetzt werden. Derartige präventive Hausbesuche gibt es unter

anderem auch bereits gesetzlich verankert seit 1996 in Dänemark für alle Bürger und

Bürgerinnen ab dem 75. Lebensjahr (Wild, 2009, S.6).

Department Gesundheit

40

4.6 „Rund ums Alter“ in Deutschland

Das Konzept „Rund ums Alter“ von Berliner Koordinationsstellen ist ein im Sinne des Case

Management im ambulanten Bereich, in Deutschland implementiertes Modell mit

geschichtlichem Hintergrund (Ehlers, 2011, S. 94).

In den 1950er Jahren kam es in Deutschland zu einem Mangel an Gemeindeschwestern, da

zum einen der Pflegeberuf wenig attraktiv war und zum anderen die stationäre Versorgung

zunahm. Zeitgleich mit der kirchlich-ambulanten Pflege, entwickelten sich die sogenannten

Sozialstationen, in denen die unterschiedlichsten sozialen und auch pflegerischen Dienste in

der Familien und Hauskrankenpflege zusammengefasst waren. Ein weiterer Wandel kam 1993

mit der Einführung der Pflegeversicherung. Die finanziellen Förderungen der Sozialstationen

durch Bundesländer reduzierten sich und die privaten Pflegedienste wurden mir den

staatlichen gleichgesetzt. Das wiederum führte zu einer Änderung des Fokus der Pflege auf

der Gemeindebasis hin zur privatwirtschaftlichen Orientierung (ebd., 2011, S. 93).

Abbildung 4: Gemeindekrankenschwester 1950, Quelle: Ehlers, 2011, S. 93

Um Tätigkeiten „der Gemeindekrankenschwester“ weiterhin in das System zu implementieren,

bedienen sich die Berliner Koordinationsstellen dem Instrument des Case Management, um

Department Gesundheit

41

als begleitende und koordinierende Dienste in den Systemen „Gesundheit und Pflege“, im

ambulanten Bereich agieren zu können (Ehlers.,2011, S. 93).

Die Aufgaben der „Pflegestützpunkte Berlin“ gestalten sich wie folgt:

- Informieren, beraten und unterstützen zu allen Fragen rund um die Pflege.

- Angebot der gemeinsamen Erstellung eines Hilfeplanes.

- Vermitteln, organisieren und koordinieren der für den Kunden notwendigen Hilfen.

- Klärung der Finanzierungsmöglichkeiten und Unterstützung bei der Antragstellung.

- Beratung hinsichtlich eines senioren- und pflegegerechten Umbaus der Wohnung.

- Beantwortung von Fragen Vorfeld von Pflege und zu Hilfen im Alter

(Pflegstützpunkte Berlin, o.J., www).

Ziel der Koordinationsstellen ist es, den Kunden und Kundinnen ein Leben im häuslichen

Setting so lange wie möglich zu gewährleisten. Bei Bedarf führen die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen auch kostenlose Hausbesuche durch. Auf systemischer Basis vernetzen sich

die Koordinationsstellen mit dem niedergelassenen medizinischen Bereich, der stationären

Pflege, Therapeuten und Therapeutinnen, sowie regionalen Wohnungsunternehmen. Die

Berliner Koordinationsstellen werden zum Teil vom Land und Bezirksämtern, aber auch durch

Verbände der freien Wohlfahrt finanziert (Ehlers, 2011, S.94).

4.7 Gemeinsamkeiten der internationale Konzepte

Die in diesem Kapitel beschriebenen Konzepte, weisen, wie in der Deklaration von Alma Ata

der WHO (1978) gefordert und im Sinne des Public Health Nursing beschrieben, zahlreiche

Gemeinsamkeiten auf. Alle Konzepte beinhalten als wesentliches Element die Hausbesuche

von pflege- und betreuungsbedürften, meist älteren Menschen, durch diplomierte

Gesundheits- und Krankenpflegepersonen. Der Fokus liegt bei allen Konzeptionen im

Gegensatz zur mobilen Hauskrankenpflege nicht auf dem konventionellen pflegerischen

Aspekt, sondern auf dem präventiven Charakter von Hausbesuchen im Sinne der

Gesundheitsförderung und -beratung, sowie in der optimalen Koordinierung von

Dienstleistungen für potentielle Kunden und Kundinnen im Sinne des Case Management.

Ziele sind neben einer Verringerung des Drehtüreffekts durch stationäre Folgeaufnahmen,

auch die Unterstützung älterer Menschen und deren pflegenden Angehörigen. Durch die

Förderung des Empowerment wird versucht ein Leben im häuslichen Setting solange wie

Department Gesundheit

42

möglich zu gewährleisten und daraus resultierend auch einer Kostenreduzierung der

Gesundheitsausgaben zu erzielen. Die folgende Grafik (Abbildung 5) veranschaulicht die

Gemeinsamkeiten der beschriebenen Konzepte.

Tätigkeiten im Rahmen der Hausbesuche im Sinne des

Public Health Nursing

„District

Nurse“ des

NHS in

Großbritannien

- Tägliche Hausbesuche zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen

- Beurteilung der individuellen Gesundheitsbedürfnisse

- Koordination und Organisation der optimalen regionalen

Versorgungsdienstleister

- Überwachung der Qualität der Versorgung

- Unterstützung von pflegenden Angehörigen

Ziel: Reduzierung der Krankenhauseinweisungen/ Optimierung

der Versorgung zu Hause

Burrtzorg

Modell-

„Community

Nurses“ aus

den

Niederlanden

- Aktivierung der Selbstpflege (Ressourcenaktivierung)

- Ganzheitliches Assessment zur Erhebung der Bedarfslage

- Vernetzung aller formellen und informellen Pflegepersonen

- Erbringung von Pflege und Betreuung

Ziel: Optimierung der extramuralen Versorgung durch

Förderung des Schnittstellenmanagement

Department Gesundheit

43

Präventive

Hausbesuche

in Dänemark

- Assessments im häuslichen Setting zur Erfassung der

individuellen Bedarfslage

- Förderung der Selbstständigkeit älterer Menschen, sowie

deren pflegenden Angehörigen

- Auswirkungen auf die regionale Ressourcennutzung, sowie

Kosten der Gesundheitsausgaben

Ziel: Entwicklung von funktionellen Einbußen verhindern,

sowie die interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den

Gesundheitssektoren fördern

„Rund ums

Alter“ in

Deutschland

- Koordinationsstellen im Sinne des Case Management im

ambulanten Bereich

- Information und Beratung mit präventiven Charakter

- Organisation und Koordinierung durch das

Gesundheitswesen

Ziel: Das Leben im häuslichen Setting so lange wie

möglich zu gewährleisten

Projekt EIGER

in der Schweiz

- (E) IGER – innovative Geriatrische Hausbesuche

- Präventiver Besuch aller älterer Menschen - ab einem

bestimmten Alter

- Förderung der Familienpflege sowie die Selbstständigkeit der

Zielgruppe

Ziel: Langfristige Kostenreduzierung im

Langzeitpflegebereich durch Verzögerung oder

Vermeidung eines Pflegeheimeintrittes

Abbildung 5: Gemeinsamkeiten internationaler Konzepte, Quelle: Eigene Darstellung

Department Gesundheit

44

4.7.1 Die Begrifflichkeit RGKpP in Anlehnung an die Konzepte

Wie in der Einleitung beschrieben, stellt der Terminus „RGKpP – Regionale Gesundheits- und

Krankenpflegeperson“ eine zum Zwecke dieser Arbeit verwendete Begrifflichkeit dar und ist

somit keine gängige literaturgestützte Begrifflichkeit für „Public Health Nurse“, „District Nurse“;

oder „Gemeindekrankenschwester“. Trotz sorgfältiger Recherche konnte auch in der Literatur

keine einheitliche Bezeichnung für diesen Tätigkeitsbereich gefunden werden.

Der Teil „Regional“ steht in Anlehnung an „District“, „Community“ oder „Gemeinde“. Der Begriff

„Krankenpflegeperson“ wird als neutrale, gendergerechte Bezeichnung statt

„Krankenschwester“ verwendet. Wie in Kapitel sechs beschrieben wird, soll das Tätigkeitsfeld

der RGKpP eine Anlehnung an die beschriebenen internationalen Konzepte und somit auch

deren positiven Facetten darstellen.

Department Gesundheit

45

5 NUTZEN DER RGKPP AUS EXPERTEN UND

EXPERTINNENSICHT

Im folgenden Kapitel soll zur Darstellung der Umsetzung des Konzepts, in einer

Niederösterreichischen Gemeinde, vorab die Meinung von Experten und Expertinnen aus

verschiedenen Blickwinkeln eingeholt werden.

5.1 Methodik

Für die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgen neben dem vorangegangenen

Literaturteil, sechs qualitative halb standardisierte Experten- und Expertinneninterviews im

Rahmen eines nicht- experimentellen Forschungsdesign.

Als Richtlinie für die Interviews dient ein eigens erstellter Interviewleitfaden.

Die Auswertung der Daten erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.

Ziel der gewählten Methodik ist es, durch die breit gefächerten Wahl an Interview

TeilnehmerInnen einen 360 Grad Blick auf die Thematik „Schnittstellenproblematik“,

„Optimierung der Primärversorgung“ sowie „Implementierung von regionalen Gesundheits-

und Krankenpflegepersonen“ zu erhalten und in das Ergebnis in das erstellte Berufskonzept

einfließen zu lassen.

Die Dimensionen der vorliegenden Auswertung sind zusammengefasst wie folgt:

- Design: Nicht- experimentelles Design.

- Umgebung: Feldforschung- Befragung im „natürlichen“ Kontext.

- Erhebungsverfahren: halb standardisierte Interviews.

- Art der Daten: deskriptive Daten.

- Auswertung: Inhaltsanalyse nach Mayring.

Das folgende Kapitel begründet die Wahl der Methodik, der Interviewpartner, die Konstruktion

des Interviewleitfadens, sowie die Auswertung der Daten mittels dem Konzept der

Inhaltsanalyse nach Mayring.

5.2 Methodenbegründung

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden leitfadengestütze, problemzentrierte

Experten- und Expertinneninterviews gewählt.

Das Leitfadeninterview ist eine halb standardisierte Methodik die als Gesprächsgrundlage

offenen Fragen beinhaltet, welche von den Interviewpartner und -partnerinnen möglichst frei

Department Gesundheit

46

beantwortet werden sollen. Bei der Problemzentrierung steht die persönliche Sichtweise zu

einem gewissen Problembereich innerhalb einer Gesellschaft im Vordergrund. Die Befragung

von Experten und Expertinnen aus ihren jeweiligen Bereichen dient der Ermittlung von

Kontextwissen, sprich der Rekonstruktion des Wissens von Menschen, die in der Praxis in

einem bestimmten Umfeld tätig sind (Mayer,2007, S.181-182).

Die Aussagen der Interviewten Personen sollen die literarischen Fakten untermauern und mit

dem Wissen aus ihren Bereichen den Nutzen von Regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen, in Anlehnung an internationale Konzepte, in der österreichischen

Primärversorgung, aufzeigen. Mithilfe der gewonnen Erkenntnissen aus den Interviews, wird

eine Vervollständigung der theoretischen Ergebnisse, sowie die theoretische

Konzeptionierung des Aufgabengebiet einer regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegeperson in den österreichischen Gemeinden, angestrebt.

Wesentlich sind auch die Beispiele und Sichtweisen der Experten und Expertinnen aus dem

privaten und öffentlichen Sektor, sowie aus dem politischen und dem Berufsvertretungssektor.

5.2.1 Auswahl der Experten und Expertinnen

Nach Mayer (2007, S.183) wir jemand „als Experte angesprochen, der in irgendeiner Weise

Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder Kontrolle einer Problemlösung trägt

und über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen und

Entscheidungsprozessen verfügt. Das bedeutet, dass ein Experte eine Expertin mehr ist als

ein bloßer Akteur oder eine Akteurin in dem bestimmten Feld in dem er oder sie sich bewegt.“

Die Auswahl der Interviewpartner und -partnerinnen für diese Masterarbeit beruht auf

mehreren Faktoren. Primärer Aspekt war es eine Auswahl an Interviewpartner und-

partnerinnen mit differenten Erfahrungen und Sichtweisen auf die Primärversorgung zu

befragen und daraus resultierend einen 360 Grad Blickwinkel auf die Thematiken

„Schnittstellenproblematik“, „Optimierung der Primärversorgung“ sowie „Implementierung von

regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen“ zu erhalten und in das Ergebnis in das

erstellte Berufskonzept einer RGKpP einfließen zu lassen.

Weiters stammen die Befragten sowohl aus dem privaten, dem öffentlichen und dem

Berufsvertretungssektor, wodurch kritische Perspektiven mit Praxisbezug generiert werden

können.

- Experteninterview I: Herr Rene Lobner - Bürgermeister der Stadt Gänserndorf und

somit auch wesentlicher Entscheidungsträger bei regionalen politischen

Gesundheitsentscheidungen.

Department Gesundheit

47

- Experteninterview II: Frau Christine Traunig - Pflegende Angehörige seit über zehn

Jahren, derzeit mit Unterstützung einer 24- Stunden Betreuung.

- Experteninterview III: Frau Betina Rauscher, MSc - Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum

zur qualitätsicherung in der häusliche Pflege sowie Stationsleitung in einem

niederösterreichischen Landespflegeheim.

- Experteninterview IV: Frau Thekla Stoff - 84 Jahre alt, wohnt in einer Wohnung des

Betreubaren Wohnen und war selbst auch pflegende Angehörige.

- Experteninterview V: Herr Werner Krammer - Diplomierter Gesundheits- und

Krankenpfleger, Entlassungsmanager im Landesklinikum Mistelbach.

- Experteninterview VI: Frau Birgit Meinhard- Schiebel, Präsidentin der

Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger sowie Senioren- und

Gesundheitssprecherin der Grünen Wien.

Die Interviews fanden in einem natürlichen Umfeld, im Büro, in einem Café nahe der

Arbeitsstätte oder zu Hause statt und hatten eine durchschnittliche Länge von je 30 Minuten

pro Interview.

5.2.2 Konstruktion der Interviewleitfäden

Die Leitfäden für die sechs problemzentrierten Interviews dieser Masterarbeit, beruhen

inhaltlich vorwiegend auf den Erkenntnissen des Literaturteiles und sind im Anhang A2- A7,

Leitfaden der Experten- und Expertinneninterviews, einzusehen und nachzulesen. Die Inhalte

wurden nach der Auswahl der Experten und Expertinnen, sowie an deren Kompetenzen

gewählt. Als Orientierungsrahmen für den Aufbau galten die Inhalte der Kapitel drei und vier

dieser Masterarbeit. Die Interviewleitfäden bestehen inhaltlich aus vier Themenblöcken. Dem

persönlichen Erfahrungswert in der Primärversorgung, in ihrer jeweiligen Rolle als Experte und

Expertin, dem Aspekt der Schnittstellenproblematik; dem Nutzen internationaler Konzepte wie

beispielsweise das der „Community Nurse“; sowie dem Aspekt der Implementierung von

Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson in Anlehnung an die besprochenen

Konzepte. Im Laufe der Gespräche wurde individuell genauer auf Unterpunkte und spezielle

Thematiken eingegangen.

Nach der Einführung in die Thematik durch die Interviewerin wurde mittels einer offenen

Fragestellung der Aufgabenbereich und die Erfahrungswerte im Rahmen der jeweiligen

Tätigkeit oder in der jeweiligen Rolle erfragt.

Nach der Leitfrage bzw. Erzählungsaufforderungen folgten im zweiten Block die Fragen zu

den inhaltlichen Aspekten der Primärversorgung. Je nach Qualifikation und Setting, zur

Department Gesundheit

48

Thematik pflegebedürftige Personen in der häuslichen Umgebung, den Versorgungsstrukturen

und Erfahrungsberichten aus dem Kontakt mit dem Gesundheitswesen. Da es sich um ein

halb standardisiertes Interview handelt, ergaben sich zahlreiche Fragen erst im Laufe des

Interviews.

Der dritte Themenblock behandelt die Inhalte der internationalen/ europäischen Konzepte wie

das der „District Nurse“ oder auch der sogenannten „Gemeindekrankenschwester“.

Nach einer Einführung und Erläuterung der Konzepte, sowie der Darstellung der

gemeinsamen Schwerpunkte im Rahmen des Interviews durch die Interviewerin, wurden die

Interviewteilnehmer und -teilnehmerinnen nach dem Nutzen der zentralen Aspekte der

Konzeptionen befragt.

Gegenstand der vierten Kernfrage waren die persönliche Meinung zu wesentlichen inhaltlichen

Aspekten sowie der Benefit der Implementierung von regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen zur Optimierung der Primärversorgung in den österreichischen

Gemeinden.

Durch die Vorgabe der Kernpunkte konnte sichergestellt werden, dass das gesamte Spektrum

der Themenbereiche abgedeckt wird. Die inhaltlich ähnliche Struktur der Interviews ist

Grundlage für die anschließende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring.

5.2.3 Durchführung der Interviews

Im Zuge der ersten Kontaktaufnahme wurden die Experten und Expertinnen über die

Fragestellung des Interviews, die Grundzüge der Masterthesis und den Ablauf des geplanten

Gespräches informiert. Die Interviewpartner und -partnerinnnen wurden darauf hingewiesen,

dass die Befragung aufgezeichnet, transkribiert und die Inhalte anonymisiert in der Arbeit

verwendet werden. Alle Interviews wurden persönlich durchgeführt.

Den Experten und Expertinnen wurde jeweils eine Einverständniserklärung (siehe Anhang A1)

zum Interview zur Unterfertigung der genannten Punkte vorgelegt. Da alle Interviewpartner

und -partnerinnen mit einer Unterschrift einwilligten, wurden die Gespräche mit dem

Mobiltelefon aufgezeichnet. Zur Vermeidung externer Einflüsse fanden alle Interviews in

ruhiger und für die Gesprächspartner und -partnerinnen gewohnter Umgebung statt. Die Dauer

der Interviews variierte zwischen 25 und 30 Minuten. In allen Fällen erfolgte ein

kontinuierliches Gespräch nach dem festgelegten Schema.

Department Gesundheit

49

5.2.4 Auswertung der Interviews- Inhaltsanalyse nach Mayring

Wesentlich bei der Inhaltsanalyse nach Mayring ist die Orientierung nicht an vorab definierten

Kategorien, sondern diese aus dem erhobenen Material heraus zu bilden. Die Richtung geben

dabei ausschließlich die Forschungsfragen vor. Speziell für offene Erhebungsverfahren ist

diese Methode besonders geeignet. Das Vorgehen ist dabei wie folgt:

- Interviews lesen.

- Für den Inhalt wesentliche Stellen identifizieren.

- Zusammenhängende, inhaltstragende Aussagen paraphrasieren.

- Primärkategorien aus den Paraphrasen bilden.

- Zusammenfassen (= inhaltsgleiches streichen).

- Das Kategorieschema durch die Bearbeitung der restlichen Interviews ergänzen

(Mayer, 2007, S.246).

Abbildung 6: Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehung an

Mayring, 2003, S.60

Bestimmung der AnalyseParaphrasieren der Inhaltstragenden

Textstellen

Generalisierung der Paraphrase unter dem

Abstraktionsniveau

1. Reduktion durch Selektion und Streichung

bedeutungsgleicher Paraphrasen

2. Reduktion durch Bündelung und Integration von

Paraphrasen

Zusammenstellung der neuen Aussagen als

Kategorie System

Rücküberprüfung mit dem Ausgangsmaterial

Department Gesundheit

50

5.2.5 Entwicklung des Kategorieschemas

Wie bereits beschrieben wird für die Auswertung der durchgeführten Expertinnen und

Experteninterviews die qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring herangezogen. Der

Entscheid beruht auf dem Bestehen einer theoriegeleiteten Vorgangsweise, wodurch die

Daten mittels Kategorie- System überprüft, thematisch komprimiert und analysiert werden

(Mayring, 2015, S. 114). Die Wahl fiel auf die „inhaltliche Strukturierung“ bezüglich der drei

möglichen Analysetechniken, welche von Mayring beschrieben werden, da durch diese

Technik das vorliegende Datenmaterial hinsichtlich der speziellen Themen extrahiert und

zusammengefasst werden kann (Mayring, 2015, S. 85).

Für die Kategorie Darstellung wurden die Leitfäden der Interviews, welche auf den

Ergebnissen der Literaturrecherche beruhen, als Vorlage herangezogen. Da die Leitfäden alle

Hauptthemen beinhalten, ergaben sich keine Erweiterungen der Hauptkategorien. Das

angewandte Schema ist im folgenden in Abbildung sieben ersichtlich.

5.3 Ergebnisdarstellung der Experten- und

Expertinneninterviews

Das folgende Kapitel beschreibt die Ergebnisse sowie die Interpretation des empirisch

erhobenen Datenmaterials. Dabei wurde wie folgt vorgegangen: Es erfolgte eine

Paraphrasierung und Selektion der konstruktiven Aussagen der Interviewpartner und

-partnerinnen. Auf Basis der Inhalte wurden Subkategorien zu den Hauptkategorien des

Interviewleitfadens gebildet und die jeweiligen Paraphrasen den Themen zugeordnet.

Dementsprechend dienen die Subkategorien einer thematischen Strukturierung.

Department Gesundheit

51

Abbildung 7: Kategorieschema Quelle: Eigene Darstellung

Department Gesundheit

52

5.3.1 Gesundheitspolitische Situation und Bedarfseinschätzung im Kontext

der Primärversorgung

5.3.1.1 Veränderung der Altersstruktur in der Gesellschaft

Die Demographische Entwicklung, welche durch die Alterung der Gesellschaft und somit auch

durch eine höhere Lebenserwartung einhergeht, ist unter anderem durch die Veränderung und

Häufung unterschiedlichster Krankheitsbilder gekennzeichnet. Was aus den Interviews klar

hervor geht, ist bereits jetzt zu erkennen, dass der Bedarf der gesundheits- und pflegerischen

Versorgung ansteigen wird und es zu einer Fokus Verschiebung hinsichtlich der

Betreuungsformen kommen wird.

„Das ganze Sozialsystem wird aufgrund der Altersstruktur unserer Gesellschaft in

Zukunft einfach ein zentrales Thema sein und da sind wir gut beraten uns jetzt einfach

schon Lösungsansätze zurecht zu legen, die uns dann in Zukunft das Leben erleichtern

werden.“ ([Interview I] siehe Anhang A.8)

„Wir werden alle älter. Da wird man sich was überlegen müssen. Die Generationen

werden immer älter und wie wollen wir das bewältigen (?)“ ([Interview II] siehe Anhang

A.9)

Eine Steigerung des Krankheitsbildes Demenz führt in der Versorgungsstruktur immer mehr

zu Herausforderungen die es durch die Adaption des primären Versorgungssystems, sowie

durch die schrittweise Anpassung an den aktuellen Versorgungsbedarf, zu bewältigen gilt.

Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei vor allem die Änderung der

Gesellschaftsstruktur, hinsichtlich der sinkenden Zahl an funktionierenden Familien-

verbänden, versus steigender Zahlen an Singlehaushalten.

„Es gibt mehr dementielle Erkrankungen als früher. Ich glaube nicht, dass es der Grund

alleine ist, dass jetzt die Leute alle plötzlich hundert werden, denn sie werden nicht alle

hundert. Aber das man heute aufgrund der Diagnostik viel genauer hinschaut. (…) Man

muss auf alle Fälle bei der Planung der Versorgung miteinplanen, dass das langwierige

Erkrankungen sind, die ein erhebliches Ausmaß an Unterstützung benötigen“

([Interview VI] Anhang A.13)

„ Es gibt immer mehr ältere Menschen die alleiinstehend sind und die dann, wenn sie

wirklich erkranken oder ein Problem haben, diese Personen in das gesamte

Gesundheitsversorgungsnetz einzubinden, vor allem wenn eine dementielle

Erkrankung besteht, das ist ein Problem.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Department Gesundheit

53

5.3.1.2 Ökonomischer Aspekt pflegerischer Versorgung

Die Experten- und Expertinnenmeinungen der Interviewpartner und -partnerinnen gehen mit

der Literatur d‘ accord das auch hinsichtlich des ökonomischen Aspekts der pflegerischen

Langzeitversorgung ein gesundheitspolitisches Umdenken gefragt ist.

„Da gibt es dann immer die Sorge das kostet dann mehr Geld. (…) Wenn man klug und

ökonomisch mit den Pflegekräften umgeht und dann eben nur drei Menschen

permanent betreut, hat das vielmehr Effekt, als wenn ich 25 betreuen muss. Weil dann

sind wir bald einmal wieder dort, dass es ein Problem gibt. („Thematik Pflegeskandal

Lainz“) Aber diese Rechnung muss der Gesundheitsökonom machen und sagen, das

bringt in Wirklichkeit viel mehr. Und das bringt Volkswirtschaftlich mehr. Das ist ja

immer der Streitpunkt. Da sagt man immer das ist zu teuer, aber das stimmt nicht.

Letztendlich muss ich schauen, was bleibt am Ende über.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Es müssen die Effizienz sowie der langfristige Effekt der pflegerischen Betreuung betrachtet

werden. Durch eine hochqualitative Betreuung im kleineren Setting, kann der Fokus mehr auf

den gesundheitsfördernden sowie auf den Empowerment Ansatz gerichtet werden und

demzufolge auf längere Sicht eine Kostenreduktion in der Versorgung von (chronischen-)

Erkrankungen herbeigeführt werden.

5.3.1.3 Berücksichtigung des Wunsches der Bevölkerung

Der Wunsch und der Bedarf der Bevölkerung muss bei gesundheitsökonomischen

Entscheidungen eine Rolle spielen.

„50% der Landesmittel werden in die Bereiche Soziales und in Gesundheit investiert.

Es ist sehr wichtig, dass man die in individuellen Wünsche, oder auch die Wünsche der

Bevölkerung respektiert, beziehungsweise auch in Zukunft in die Bedarfsplanung

miteinfließen lässt. Da wird es ab und an wahrscheinlich neue Lösungsansätze geben

müssen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

5.3.1.4 Ausbau der Versorgung im extramuralen Bereich

Im Rahmen der Interviews zeigt sich deutlich die Tendenz, dass es zu einer Verschiebung der

Versorgungsstruktur, weg von der intramuralen stationären Versorgung in

Pflegeeinrichtungen, hin zu der extramuralen Betreuung zu Hause in der gewohnten

Umgebung kommt.

Department Gesundheit

54

„Meine Tante wollte, wie so viele alte Menschen, nicht in ein Heim. Ich habe gesagt,

okay, wenn sie so gar nicht will, dann machen wird das von zu Hause.“ ([Interview II]

Anhang A.9)

„Ich möchte nicht in ein Heim. Wenn ich es mir aussuchen kann, dann bleibe ich lieber

zu Hause in meinen eigenen vier Wänden.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

„Solange ich körperlich noch konnte, hätte ich ihn nie in ein Heim geben können.“

([Interview IV] Anhang A.11)

Auch der Ausbau alternativer Wohnformen wie das betreubare Wohnen, scheint für die

zukünftige Entwicklung des Betreuungssystems unabdingbar.

„Wir wissen, dass sehr viele ältere Menschen in den eigenen vier Wänden alt werden

wollen. Es ist so, dass das betreute Wohnen primär in den größeren Einheiten,

größeren Gemeinden, Kommunen Platz findet. Für die Menschen wird es immer

wichtiger für ihren Lebensabend die ideale Lösung zu finden. Darum wird die Thematik

„Betreutes Wohnen“ in den nächsten Jahren weiter steigen da der Bedarf enorm groß

sein wird.“ ([Interview I] Anhang A.8 )

5.3.1.5 Kapazität der Pflegeheimplätze

Die sinkenden Zahlen an Pflegeheimplätzen, vor allem auch im Bereich der Kurzzeitpflege

stellen ein Problem dar. Diese Problematik wirkt sich laut Experten- und Expertinnenmeinung

auch unmittelbar auf das regionale Entlassungsmanagement der Landeskliniken aus.

„In den Landespflegeheimen unterscheiden man zwischen Kurzzeitpflege,

Übergangspflege und Langzeitpflege. Grundlegend ist hier zu sagen, dass die

Kapazität der Betten eher dürftig ist. Es ist zu erkennen, dass der Trend zur 24 Stunden

Betreuung mehr wird. Die Heimplätze werden aus- mir nicht bekannten Gründen, nicht

erweitert. Es werden zwar Heime neu gebaut, aber die Bettenanzahl wird nicht erhöht.

(…) Die Kapazitäten gemessen an dem gegeben Bedarf werden nicht erhöht, obwohl

wir schon Leute haben, die 95 oder 100 Jahre alt werden.“ ([Interview V] Anhang A.12)

Ein weiterer Aspekt für den zunehmenden Abbau der intramuralen Versorgung in den

Pflegeeinrichtung basiert auf dem Kostenfaktor, sowie dem Aspekt, dass in diesem speziellen

Beispiel im Land Niederösterreich, für die finanziellen Aufwendungen der Pflege, auch

materielle Besitztümer herangezogen werden, was vor allem die Angehörigen abschreckt ihre

zu betreuenden älteren Menschen in einer Pflegeeinrichtung langfristig versorgen zu lassen.

Department Gesundheit

55

„Es ist sehr schwierig bei Angehörigen das Verständnis zu erlangen, dass die

pflegebedürftigen, die Besitz haben und diesen nicht weitergegeben haben, aber

bereits 85 Jahre alt sind, das dieser für einen Pflegeheimplatz belehnt wird. Das heißt

das Land erhebt für einen Pflegeheimplatz, wenn ein Eigentum zum Beispiel ein Haus

vorhanden ist und dieses nicht länger als fünf Jahre an Angehörige überschrieben

wurde, Anspruch auf dieses Eigentum. Derjenige der nichts hat, hier zahlt die

Allgemeinheit. Das ist ein großes Problem, wo dann natürlich Missmut gegenüber

unserem Versorgungsystem aufkommt.“ ([Interview V] Anhang A.12)

5.3.1.6 Bedarfsteigerung betreubarer Wohnformen

Wie bereits kurz erwähnt, entwickelt sich, wie auch aus den Interviews hervor geht, eine immer

häufig zu tragen kommende Versorgungsalternative im österreichischen Versorgungssystem,

das Betreubare Wohnen. Dabei handelt es sich um mehrere kleinere und größere

Wohneinheiten in einem Haus, die durch Pflegeeinrichtungen oder extramurale Dienste

mitversorgt werden. Den Bewohner und Bewohnerinnen steht jederzeit die Option offen, einen

mit Zusatzkosten verbundenen Betreuungsvertrag mit der jeweiligen Organisation

abzuschließen. Diese Form der Versorgungseinrichtung scheint für viele eine ansprechende

Alternative zu einer Betreuung zu Hause oder in einem Pflegeheim.

„Wenn ein neues Projekt betreutes Wohnen entsteht, ist das Interesse sehr groß. Das

heißt offensichtlich ist der Bedarf enorm groß. (…) Der Bedarf wird mit Sicherheit auch

in Zukunft weiter ansteigen. Jedes Mal wenn Einheiten hier entstehen, sind diese

innerhalb kürzester Zeit vergeben. Das heißt für mich, dass da ein enormer Bedarf da

ist und viele Leute die jetzt noch nicht in einer akuten Situation sind, trotzdem

weitblickend vorrausschauen, weil sie aus familiärer Sicht niemanden da ist der sie

unterstützt.“ ([Interview I] Anhang A.8)

„Zu Hause war ich ganz alleine und hier hat man ja doch irgendjemanden. In einem

Haus alleine bin ich nicht mehr zurechtgekommen, das war zu groß. Ich habe nicht

mehr alle Arbeiten machen können und so habe ich mich entschlossen, verkaufen und

hier her ziehen.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

Der Kostenfaktor, der jedoch bei jeder Form der Pflege und Betreuung in Österreich ein Thema

ist, lässt aus Sicht der Interviewpartner und -partnerinnen viele derzeit noch vor dem

Abschluss eines Betreuungsvertrages im Betreuten Wohnen, zurückschrecken.

„Die Leute die zum jetzigen Zeitpunkt in der akuten Situation sind, dass sie diesen

Vertrag in Anspruch nehmen, die sind froh darüber das es die Option gibt. Diejenigen

Department Gesundheit

56

die noch keinen Bedarf für sich darin sehen, die das eher als zukünftige Option sehen,

zögern da ein Stück weit, weil es natürlich auch mit monatlichen Kosten verbunden ist.

Aber so einen Vertrag zu haben, das ist auf jeden Fall sicher sinnvoll. „

([Interview I] Anhang A.8)

„Wenn man Betreuung möchte ist diese in einem Teil der Häuser integriert. Da ist die

Volkshilfe drinnen. Natürlich ist es das gleiche wie überall, wenn du es in Anspruch

nehmen willst, musst du es extra zahlen.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

5.3.1.7 Monitoring der 24-Stunden-Betreuung

Die vierte Versorgungssäule, die 24-Stunden-Betreuung welche sich durch eine

Gesetzesnovelle im Jahr 2007 legalisiert werden konnte, wird nach wie vor mit einer großen

Mehrheit von Personen aus der Slowakei oder Tschechien geleistet. Der Bedarf an 24-

Stunden-Betreuungskräften ist stetig steigend und rückt immer mehr in den zentralen Fokus

des österreichischen Versorgungssystems.

„Durch die in Anspruchnahme von 24- Stunden Kräften fühlen sich zahlreiche

pflegende Angehörige entlastet, denn wenn sonst das Telefon abends oder nachts

läutet, muss selbst die Initiative ergriffen werden. Das ist eben der Nachteil bei der

Hauskrankenpflege. Die können maximal drei bis viermal am Tag zum Patienten

kommen. Mehr geht von der Kostenseite her nicht. Darum habe ich manchmal den

Eindruck, dass die 24 Stunden Betreuung sukzessive mehr wird.“ ([Interview V] Anhang

A.12)

Die 24-Stunden-Betreuung wird von verschiedensten Anbietern, auf verschiedenste Art und

Weise angeboten. Von selbst organisierten Personen, über die zahlreich entstandenen

privaten Agenturen, bis hin zu Non Profit Organisationen.

„Es gibt die privat organisierten 24-Stunden Betreuerinnen die über diverse private

Agenturen oder ganz privat organisiert werden. Dann haben wir die Einrichtungen, wie

das Hilfswerk, wo man ein gewisses Monitoring, einen gewissen Überblick auch über

das Land direkt hat. Das ist bei den privaten eher weniger. Da haben wir weniger den

Zugang. Über das Hilfswerk direkt pflegen wir natürlich einen relativ intensiven Kontakt

und da funktioniert es aus meiner Sicht relativ gut.“ ([Interview I] Anhang A.8)

„Ganz viele sind über Organisationen organisiert, wie die Caritas oder das Hilfswerk.

Einige nehmen sich auch die „Helfenden Hände“. Kaum jemand hat sich es privat

organisiert. Der Großteil sicher 95% wickelt das über irgendeine Agentur ab. Ich denke

Department Gesundheit

57

auch deshalb um es nicht selbst abdecken zu müssen wenn jemand krank wird.“

([Interview III] Anhang A.10)

„Die Holding in Niederösterreich besitzt eine Liste wo neben Hilfswerk, Caritas und

Volkshilfe, auch alle genannten Firmen sind, die 24 Stunden Betreuung anbieten, die

auch einen sogenannten Qualitätszirkel über das Land Niederösterreich aufweisen

können. Das heißt diese Agentur muss sich auch kümmern, dass diese betreute

Person auch einen richtigen Umgang hat.“ ([Interview V] Anhang A.12)

Mit dem 1. Jänner 2009 wurden wie im Kapitel 3.2 bereits erwähnt, per Gesetzt

Qualitätsanforderungen im Bereich der Förderung der 24-Stunden-Betreuungsverhältnisse an

die Betreuungskräfte gestellt. Diese Kriterien werden durch das Kompetenzzentrum zur

qualitätsicherung der häuslichen Pflege kontrolliert und erst danach können Betroffene eine

Förderung in Anspruch nehmen.

„Wenn jemand angesucht hat um 24-Stunden-Pflege, dann ist er in er in einem

separaten Los Topf. Denn um die Förderung zu bekommen, erfolgt immer ein Besuch.

Wenn die Person aber nicht angegeben hat, dass sie 24-Stunden-Betreuung in

Anspruch nimmt, weil die Person gar nicht weiß das es eine Förderung gibt, dann ist

der oder diejenige im ganz normalen Los Topf und hat Glück, wenn jemand von der

Qualitätsicherung kommt und sagt, dass es da eine Förderung gibt.“ ([Interview III]

Anhang A.10)

Das Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung in der häuslichen Pflege führt jährlich eine

einmalige Kontrolle der 24-Stunden-Betreuung im häuslichen Setting durch. Diese zeigt in den

letzten Jahren durchwegs eine positive Resonanz.

„Die Betreuung erfolgt durchwegs durch ausländisches Personal. Ich hatte in den

letzten Jahren keine einzige österreichische 24 Stundenkraft. Also es sind durchwegs

Slowakische, oder Rumänische oder Polnische Kräfte, die nicht immer die Sprache gut

beherrschen, aber sich meiner Meinung nach gut um die Kunden kümmern. Fachlich

nicht immer gänzlich korrekt, aber durchwegs sehr bemüht sind.“ ([Interview III] Anhang

A.10)

Viele pflegende Angehörige haben auch negative Erfahrungen mit der meist laienhaften

Versorgung durch 24-Stunden-Betreuungskräfte gemacht. Hier wäre ein stetiges Monitoring,

sowie die Beratung und Unterstützung durch eine Pflegefachkraft, wie eine regionale

Gesundheits- und Krankenpflegeperson es darstellt von Vorteil.

Department Gesundheit

58

„Die Alternativen die es heutzutage gibt, die 24 Stunden Pflege, ist nicht so gestaltet,

dass die pflegenden Angehörigen sie wirklich als Entlastung erleben.“ ([Interview VI]

Anhang A.13)

„Es gibt Damen, die muss man einfach kontrollieren. (…) Wenn man gute PflegerInnen

hat, dann läuft es relativ gut. Es sind aber nicht alle PflegerInnen wirklich PflegerInnen

und gut. (…) In elf Jahren, habe ich schon vieles gehabt. PflegerInnen über

Mundpropaganda, auf Empfehlung, über Agenturen. Man braucht Kräfte die das

ordentlich machen. (…) Zuletzt habe ich eine Agentur gehabt, wo man im Monat 140

Euro zahlt. Da ist niemals kontrolliert worden. Da ist niemals geschaut worden, wie

geht’s dem Patienten. Da bin ich niemals angerufen worden und das hat mich eigentlich

sehr gestört. Wenn ich eine Agentur habe, dann möchte ich auch unterstützt werden.“

([Interview II] Anhang A.9)

5.3.1.8 Qualitätssicherung häusliche Pflege

Begonnen wurde im Jahr 2001 mit rund 1.000 Hausbesuchen jährlich. Aufgrund der rasch

erkannten Notwendigkeit in dieser Sache ist die Anzahl dieser Zielgruppe seitens des BMASK

sukzessive angehoben worden. In den letzten Jahren wurde das Kompetenzzentrum zur

qualitätsicherung der häuslichen Pflege mit der Durchführung von mindestens 20.000

erfolgreichen Hausbesuchen pro Jahr bei Pflegegeld beziehenden und 24 Stunden Betreuung

in Anspruch nehmenden Personen, beauftragt.

„In der qualitätsicherung der häuslichen Pflege geht es darum, die Menschen zu Hause

zu besuchen und deren Versorgung sicher zu stellen. Ziel ist es zu schauen, ob die

Betroffenen über alle Informationen die es vor allem Bezirksbezogen und

Regionsbezogen gibt, bescheid wissen. Die Menschen zu informieren was es noch für

Möglichkeiten es sowohl rechtlich als auch fördermäßig gebe, als auch behelfsmäßig

und darüber zu informieren, welche Angebote zu ihrem Krankheitsbild es in der

Gemeinde oder im Bezirk gibt. (…) Die Beratung durch die Qualitätsicherung in der

häuslichen Pflege, erfolgt einmalig. Ist nach erfolgtem Besuch alles in Ordnung ist, ist

dieser Mensch für zwei Jahre von dem System gelöscht. 540.000 Pflegegeldempfänger

haben wir derzeit in Österreich. Und 20.000 werden jährlich von der Qualitätssicherung

besucht. Da kann man sich die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, dass man wieder

besucht wird. (…) Die Hausbesuche stellen keinen laufenden Prozess im Sinne eines

Case Management dar. Die Kontrollen und Beratungen erfolgen einmalig und nur bei

Bedarf findet eine Nachkontrolle statt.“ ([Interview III] Anhang A.10)

Department Gesundheit

59

5.3.1.9 Unterstützung pflegender Angehöriger

Dass die Laienpflege durch Angehörige einen unverzichtbaren Bestandteil des Pflegesystems

in Österreich darstellt, wurde im Kapitel 3.3. genauer erläutert. Auch die Experten und

Expertinnen haben den wesentlichen Aspekt und Förderbedarf pflegender Angehöriger

erkannt und mit Nachdruck betont.

„Die hunderttausend pflegenden Angehörigen in Österreich müssen besser

repräsentiert werden und vor allem das es von ihrer Seite her auch Forderungen gibt,

die ihren täglichen Lebensalltag betreffen. Es geht darum, dass sie bessere

Betreuungs- und Unterstützungsangebote bekommen. Wichtig sind niederschwellige

Zugänge und, dass das Pflegegeld jährlich valorisiert wird und nicht nur alle paar Jahre.

Es gilt von den systemischen Anforderungen zu erkenn, dass Menschen die in dieser

Situation sind, nicht alleine gelassen werden weil sie zumeist 24 Stunden mit der

Thematik beschäftigt sind.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.1.10 Primary Health Care Center (PHC)

Die vom Bundesministerium für Gesundheit entwickelten Konzepte zum Thema

“Primärversorgung Neu” wird Beispielweise in Wien als Pilotprojekt mit einem sogenannten

„Primary Health Care Center“ (s. Kapitel 2.1.1) umgesetzt. Das Projekt orientiert sich am

Modell für Gruppenpraxen mit freiberuflichen Ärzten und Ärztinnen und hat zum Ziel sich durch

längere Öffnungszeiten und Wochenenddienste, um insbesondere die kontinuierliche

Versorgung von chronisch Kranken, multimorbiden und geriatrischen Patienten und

Patientinnen zu kümmern. Kritisch zu betrachten ist dabei, dass es sich nach wie vor um ein

noch nicht ausgereiftes Projekt und nicht um ein konkretes gesetzlich verankertes Konzept

handelt.

„Das Gesetz dazu gibt es noch nicht. Es gibt eine Gesetzesvorlage und es steht zur

Diskussion ob diese im Herbst dann endlich fertig ist. Es gibt bereits zwei Pilotprojekte

in Wien. Es gibt auf der einen Seite die Diskussion, was machen dann die Hausärzte

(?) Wie muss das Setting aussehen (?) Darf das nur eine Variante geben und ist alles

andere dann nicht dementsprechend (?) Wenn zum Beispiel eine Komponente fehlt (?)

Das ist ein sehr komplexes Thema.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Department Gesundheit

60

5.3.2 Pflege- und Betreuungssituation im häuslichen Setting

5.3.2.1 Belastung pflegender Angehöriger

Die Ergebnisse aus den Experten- und Expertinneninterviews stimmen mit der Theorie über

ein. Wer pflegt, ist in der Regel langfristig gebunden und der Aufwand ist hoch. Die

Belastungen aus der Pflege sind zumeist über einen längeren Zeitraum im häuslichen Umfeld

existent und dieser Umstand wirkt sich verstärkend auf das pathogene Potential der

Pflegebelastungen aus. Das Augenmerk auf Belastungen zu legen ist auch von

gesellschaftlicher Bedeutung, da das verringerte Wohlbefinden und in Folge der

Zusammenbruch der häuslichen Pflegesituation, die langfristige Folge der Konfrontation mit

pflegebedingter Belastungen sein kann.

„Weil 80% in Form von Laienpflege passiert. Die Familien natürlich auch sehr, sowohl

zeitlich, als auch Ressourcen mäßig eingebunden sind und das eine enorme Belastung

ist für die Angehörigen ist. Auch weil die Angehörige oftmals unter massiven Druck

stehen und es sicher eine Belastung ist, die nicht zu unterschätzen ist. „([Interview I]

Anhang A.8)

„Es ist schon sehr anstrengend. Ich sag immer es ist mein Halbtagsjob. Ich bin Gott sei

Dank in Pension. Aber es ist, wenn ich es stundenmäßig zusammen rechne, ein

Halbtagsjob. Die Gedanken ruhen auch nicht. (…) Jedes Telefonat, wenn ich den

Nachnamen meiner Tante am Telefon sehe, das ist wenn mich eine Pflegerin anruft,

werde ich schon nervös. Das belastet schon. Vor allem über diese lange Zeit.“

([Interview II] Anhang A.9)

„Eine große Problematik ist auch der Stress und der psychische Faktor der hier vor

allem Auftritt. Viele Angehörige fühlen sich einfach verpflichtet und sind aber massiv

überlastet und kommen mit der Situation überhaupt nicht zurecht.“ ([Interview III]

Anhang A.10)

„Manchmal war es schon sehr belastend, weil er aggressiv war. (…) Er war auch immer

in der Nacht unruhig und ich hätte mir gewünscht ein wenig schlafen zu können. Das

war schon eine psychische Belastung.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

„Weil eines kommt noch hinzu, das gerade pflegende Angehörige oft dann irgendwann

einmal dann selbst krank werden, durch die Überlastung.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Die Pflege eines Familienmitglieds zu übernehmen erfordert ein hohes Maß an

Anpassungsleistung. Diese Anpassung bedeutet für die pflegenden Angehörigen ein

ständiges jonglieren mit Zeit, Geld, Arbeitsplatz und Gesundheit. Der Grad der Belastung

Department Gesundheit

61

nimmt mit der Höhe des Beschäftigungsgrades neben der pflegerischen Tätigkeit zu. Die

psychischen Belastungsfaktoren pflegender Angehöriger sind vielfältig. Neben mangelnden

Schlaf, sozialer Isolation, Überforderung oder familiären Problemen aufgrund der Pflege, sind

informell Pflegende auch zeitlich und finanziell stark belastet, da Angehörigenpflege oft ein

„Rund um die Uhr“ Job ist.

„Auch das Finanzielle ist eine enorme Belastung. Die Pension alleine reicht nicht aus

um die Pflege zu gewährleisten. Der Staat schießt natürlich zu, ohne den würde es ja

überhaupt nicht gehen. Und die finanzielle Belastung liegt zum Teil auch bei mir. (…)

Es ist ein Haus zu erhalten, es ist ein Haushalt zu bewältigen, es sind Pflegerinnen zu

zahlen, es entstehen enorme Apotheken kosten. Alles was ein bisschen besser ist

muss man sowieso privat zahlen. Und somit summiert sich das.“ ([Interview II] Anhang

A.9)

Soziale und demographische Trends haben zur Folge, dass immer mehr pflegebedürftige

Menschen auf immer weniger familiär erbrachte Pflegeleistungen zurückgreifen können.

Gesellschaftliche Entwicklungen wie die zeitlich längere Erwerbstätigkeit oder auch die

Zunahme von Singlehaushalten stehen der Zunahme alter und hochbetagter Menschen

gegenüber.

„Es ist nicht immer so, dass jede Familie ein harmonisches, gut funktionierendes

Zusammenleben hat. Es ist leider so, dass auch viele Kinder keinen guten Kontakt zu

ihren Eltern pflegen. Das wird leider immer mehr. (…) Es kommt je nach Familie auch

der Aspekt der Berufstätigkeit vieler Frauen, Kinder und Enkelkinder hinzu. Wenn die

Person alleine wohnt, wird meist auf eine 24 Stunden Betreuung zurückgegriffen. Vor

allem wenn die Person eine Demenz hat, die Mobilität eingeschränkt ist.“ ([Interview V]

Anhang A.12)

5.3.2.2 Strukturveränderung der gewohnten häuslichen Umgebung

Der Beratung und Unterstützung einer Pflegefachkraft steht oft die mangelnde Akzeptanz der

Betroffenen gegenüber etwas an ihrer gewohnten häuslichen Umgebung zu verändern. Eine

physische Veränderung des Zustandes, bedarf in den meisten Fällen auch einer baulichen

oder strukturellen Veränderung des gewohnten Settings zu Hause, damit eine optimale

Versorgung und Betreuung in den eignen vier Wänden gewährleistet werden kann.

„Ein weiteres Problem ist, dass viele Kunden nicht bereit sind Abstriche zu machen.

Das heißt sie wollen weiter in ihrem Bett schlafen. Man darf die Teppiche nicht

entfernen. In 99% der Haushalte finde ich eine erhöhte Sturzgefahr vor.“ ([Interview III]

Anhang A.10)

Department Gesundheit

62

„Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte im häuslichen Setting gestalten sich meist

besonders schwierig. Die Arbeitsbedingungen die sie oft vorfinden, sind für eine

optimale Betreuung ungeeignet. Für die Betroffenen aber auch die pflegenden

Angehörigen sind die Fachkräfte „Eindringlinge“ in ihrer gewohnten Umgebung. Hier

als Pflegeperson eine Veränderung anzuregen, wird meist als Eingriff in die persönliche

Sphäre und als Störfaktor empfunden.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.2.3 Versorgung durch die 24-Stunden-Betreuung

Die Versorgung pflegebedürftiger Personen mittels einer 24-Stunden-Betreuungskraft,

bedeutet für die Angehörigen und auch für die Betroffenen nicht, dass eine hundert prozentige

Entlastung stattfindet. Zum Einen muss seitens der betroffenen pflegebedürftigen Person die

Akzeptanz da sein, dass eine fremde Person ab sofort 24-Stunden zu Hause in der privaten

Atmosphäre mit lebt und zum Anderen bedeutet das für die pflegenden Angehörigen nicht

zwingend, dass der Betreuungsaufwand geringer wird.

„Man muss sich um sehr viel kümmern, aber nicht nur administrativ, sondern auch

welche Tätigkeiten die Personen bei der pflegebedürftigen Person übernehmen. Wie

gehen sie mit der zu pflegenden Person um. Wird die Person ordentlich gepflegt und

mobilisiert. Wird vor allem bei Diabetikern auch auf die Ernährung geachtet. All das

organisiere und kontrolliere ich. Sonst würde das nicht funktionieren“ ([Interview II]

Anhang A.9)

„Bei der 24 Stunden Betreuung kommt es natürlich auf die Person und deren Willigkeit,

oder deren Verständnis für den Patienten an. Wobei ich sagen muss, 80% sind bei der

Erstbesetzung sehr gut bis ausreichend. Aber bei 20% können gleich zu Beginn oder

während der Anfangsphase Probleme auftreten, die dann unmittelbar der Agentur

gemeldet werden muss.“ ([Interview V] Anhang A.12)

5.3.2.4 Versorgung durch die extramurale Pflege

Im Gegensatz zur 24-Stunden-Betreuung, bietet die mobile Hauskrankenpflege diverser

Pflegeanbieter den professionelleren Pflege- und Betreuungsdienst an.

„Bei der Hauskrankenpflege haben sie von der Ausbildung her die besseren

Voraussetzungen. Die können mit psychisch und physisch schwierigen Situationen

leichter umgehen. Beispiel Dekubitus. Wenn ein Dekubitus vorhanden ist, erfolgt durch

die Caritas, Volkshilfe oder Hilfswerk sicherlich die optimalere Versorgung.“ ([Interview

V] Anhang A.12)

Department Gesundheit

63

Kritisch zu betrachten ist die Problematik der Unflexibiltät im Bezug auf Zeitkontingente der

mobilen Hauskrankenpflege. Dies wurde auch mehrfach im Rahmen der Experten- und

Expertinneninterviews erwähnt. Diese Schwierigkeit ergibt sich sowohl für Betroffene als auch

für die Schnittstelle Entlassungsmanagement.

„Die sind einmal in der Früh um halb sieben gekommen und dann erst wieder um halb

neun. Und das geht am Anfang, solange der zu Pflegende noch etwas zur Pflege

beitragen kann. Aber wenn es dann schon so ist, dass du wirklich auf volle Hilfe

angewiesen bist, geht das nicht mehr. Die Pflegebedürftigen Menschen sind dann

stundenlang dazwischen alleine. Wenn die Leute nicht mehr alleine mobil sind und

trotzdem aufstehen möchten, ist das Sturzrisiko sehr hoch. Ich finde das eher

gefährlich.“ ([Interview II] Anhang A.9)

„Solange man nicht schwer krank ist, kann man sich ja stundenweise jemanden

nehmen. Ich habe eine Bekannte, die hat zum Beispiel die Caritas in der Früh und am

Abend. In der Früh helfen ihr die beim Aufstehen und bei der Pflege und am Abend

beim ins Bett legen. Aber es stört sie weil sie so zeitlich ins Bett gehen muss. Die

können auch nicht erst um neun, halb zehn am Abend kommen.“ ([Interview IV] Anhang

A.11)

„Die Hauskrankenpflege hat sehr gute und sehr flexible Leute. Handicap ist oft die

„Freitagsentlassung“, wo sie aufgrund der Personalplanung niemanden mehr

übernehmen können. Auch wenn jemand eine Demenz hat, ist eine Hauskrankenpflege

dreimal täglich oft nicht die ideale Versorgung, da ist eine 24 Stunden Betreuung die

optimalere Lösung.“ ([Interview V] Anhang A.12)

5.3.2.5 Versorgung im Betreubaren Wohnen

Diese neuartige Versorgungsform, Wohnungen für ältere Menschen mit Betreuungsoption,

können durch ihre eigens angepasste Struktur optimal, durch verschiedenste Formen der

Pflege- und Betreuungsanbieter, genutzt werden. Laut den Experten- und

Expertinneninterviews ist bei der Errichtung neuer Wohneinheiten auch die Lage besonders

wichtig um vorhanden Strukturen gut nutzen zu können.

„In Gänserndorf zum Beispiel gibt es optimale Synergien, weil die Personen die

Einrichtungen des Landespflegeheims optimal mitnutzen können. Hier gibt es auch die

Kooperation im Freizeitsektor, beispielsweise was das Mittagessen anbelangt, da

funktioniert die Zusammenarbeit in ausgezeichneter Art und Weise.“ ([Interview I]

Anhang A.8)

Department Gesundheit

64

„Wenn man Betreuung möchte, dann gibt es die Möglichkeit die im Haus ansässige

Volkshilfe zu beziehen. Diese ist bei in Anspruch genommener Leistung extra zu

bezahlen. (…) Jeden zweiten Montag kommt jemand zu uns ins Haus zur Beratung

und nimmt allfällige Beschwerden auf. An dem Tag bieten sie uns auch Aktivitäten wie

Turnen, Malen und Karten spielen an.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

5.3.3 Schnitt- und Nahtstellenmanagement der verschiedenen

Versorgungsebenen im Österreichischen Gesundheitssystem

5.3.3.1 Mangelndes Wissen und Informationsbeschaffung

Generell herrscht über das Versorgungssystem in Österreich und die Leistungen, Förderungen

und Möglichkeiten die es bietet sowohl bei den Betroffenen als auch deren pflegenden

Angehörigen, ein Wissensdefizit. Das Angebot an umfassender Beratung ist gering und wird

auch kaum genutzt.

„Es geht darum, dass die Menschen ganz wenig Erfahrung haben, wo bekommen sie

Dinge her, was gibt es für Förderungen und Unterstützung und wer könnte da behilflich

sein. Viele scheuen sich auch davor nach zu fragen. Oft ist es auch so, dass sie einfach

nicht die Möglichkeit haben sich Dinge zu organisieren, oder auch nicht wüssten wo

hin sie sich wenden könnten.“ ([Interview III] Anhang A.10)

„Es ist ganz ein kompliziertes Netzwerk das pflegende Angehörige entweder gar nicht

nützen weil sie es nicht wissen, oder es nicht dem entspricht was sie in ihrer Situation

brauchen.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.3.2 Gemeinde als Schnittstelle

Hinsichtlich der verschiedenen Leistungsanbieter im Betreuungs- und Pflegesektor, sowie der

Funktion als Auftraggeber und Überwacher struktureller Planungen im Gesundheitsbereich,

sollte die Gemeinde selbst als Schnittstelle zwischen den Versorgungsebenen und den

einzelnen Akteuren, agieren.

„Wir haben ein Betreutes Wohnen und sind jetzt gerade dabei einen weiteren Bau zu

errichten, um dem Thema auch gerecht zu werden. In solchen Fällen bekommt man

natürlich auch immer mit, wie unterschiedlich und diffizil die Anliegen der einzelnen

Akteure sind. Hier versuchen wir auch als Gemeinde als Schnittstelle zu funktionieren,

wobei das zum aktuellen Zeitpunkt nur in einem eingeschränkten Maße passiert.“

([Interview I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

65

5.3.3.3 Versorgungspotential im niedergelassenen medizinischen

Versorgungsbereich

Im Rahmen der Experten- und Expertinneninterviews ist zu erkennen, dass es wie in der

Theorie beschrieben, bestehende Schwächen hinsichtlich der Zusammenarbeit und

Kommunikation der Berufsgruppen im medizinisch/ therapeutischen Sektor gibt.

„Es gibt mit Sicherheit ein Verbessrungspotential, hinsichtlich der Zusammenarbeit mit

den niedergelassenen Ärzten und zum Beispiel dem medizinischen Zentrum in

Gänserndorf. Da könnte man sicher Effizienz steigernde Veränderungen bewirken. Da

wird es sicher notwendig sein einen entsprechenden „round table“ zum gegenseitigen

Erfahrungsaustausch und Erhebung des Unterstützungsbedarfes durchzuführen.

Derzeit erweckt die medizinische Versorgung das Gefühl, das sie parallel aneinander

vorbei läuft.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Auch hinsichtlich des Behandlungs- und Versorgungsfokuses der Hausärzte und

Hausärztinnen besteht aus Experten- und Expertinnensicht adaptionsbedarf.

„So mancher Hausarzt kann nicht verstehen, dass ein Patient gewisse Tätigkeiten nicht

mehr kann oder ihm eine gewisse Akzeptanz für seine Erkrankung fehlt. Der Hausarzt

setzt oft viel zu viel Wissen und „Handling“ von seinem Patienten voraus. (…) Die

Hausärzte sind oft nur auf ihren medizinischen Fokus bedacht und der pflegerische

Aspekt einer Behandlung geht leider oft unter. Das ist aber auch nicht der Schwerpunkt.

(…) Der Hausarzt sieht leider oft nur den Patienten mit den Medikamenten, der E-Card

und seine medizinische Versorgungsaufgaben. „([Interview V] Anhang A.12)

5.3.3.4 Hausärzte und -ärztinnen als Ansprechpersonen

Im Gegensatz dazu sehen viele der befragten Experten und Expertinnen den Hausarzt oder

die Hausärztin derzeit als einzige Ansprechperson am primären Versorgungssektor. Die

Befragten gaben an nicht zu wissen, wo sie sich bei Betreuungs- und Gesundheitsfragen

hinwenden sollten. Es geht deutlich hervor, dass es aus derzeitiger Sicht keine andere Person

im Betreuungssektor gibt, die eine Beratungsfunktion übernimmt.

„Die Ärztin kommt jede Woche, hört sie ab, spricht mit ihr und kontrolliert die Vitalwerte.

Wenn es irgendeine Frage gibt, hat sie immer ein offenes Ohr. Sie versucht immer die

optimale medikamentöse Behandlung für meine Tante zu finden. Hätt ich nicht so eine

gute Hausärztin die mir das alles gesagt hat, ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen,

dass es eine Physiotherapeutin gibt, die zu einer 85 Jährigen Frau kommt.“ ([Interview

II] Anhang A.9)

Department Gesundheit

66

„Der Herr Doktor ist einmalig. Wie ich einen Schlaganfall hatte war er sofort da und

dann war auch schon die Rettung da. Im Krankenhaus haben sie schon auf mich

gewartet, da hat der Herr Doktor schon angerufen. Wenn ich ihn zu Hause brauche

macht er auch Hausbesuche. Ich erwarte mir von einem guten Hausarzt das er

freundlich ist und das er bei Krankheiten parat ist und zuhört.“ ([Interview IV] Anhang

A.11)

Auch in Kooperation mit dem Entlassungsmanagement erweist sich die Zusammenarbeit mit

dem Hausarzt oder der Hausärztin als Hilfe und oftmals auch als einzige Option, Informationen

über die Lebenssituation von Menschen in Erfahrung zu bringen.

„Mit den meisten Ärzten gibt es eine gute Kooperation. Wenn wir keine Angehörigen,

oder niemanden in der Ortschaft, oder die Nachbarn erreichen, nehmen wir natürlich

immer mit dem Hausarzt Kontakt auf. Die sind sehr hilfsbereit und entgegenkommen

und erklären uns den Bedarf und wie der Patienten versorgt ist, beziehungsweise wer

ein möglicher Ansprechpartner ist. Oft sind keine Kinder mehr da. Das klappt sehr gut.

Wir können auch von den Hausärzten verlangen, wenn wir einen Patienten entlassen

und dieser zu Hause nicht optimal versorgt ist, dass sie dort aktiv werden. Ich muss

sagen, da haben wir eine zufriedenstellende Zusammenarbeit und auch die Hausärzte

begrüßen das.“ ([Interview V] Anhang A.12)

5.3.3.5 Städteplan/ medizinisches Cluster (PHC- Primary Health Care Center)

In Punkto medizinische Versorgung sind sich die Experten und Expertinnen speziell aus dem

operativen Sektor einig, dass es wie bereits politische angedacht ist, zu einer Umstrukturierung

der medizinischen Versorgung im primären Versorgungsektor kommen muss. Sehr lange

Wartezeiten sowie die dezentrale Lage der verschiedenen Leistungsanbieter werden als

Begründung herangezogen.

„Bei den Hausärzten in Gänserndorf hat man eine Wartezeit ohne Termin von minimum

einer bis zwei Stunden. Hier sollte eine Entlastung passieren.“ ([Interview III] Anhang

A.10)

„Da gäbe es einiges verbessern. Städteplanerisch wäre es sinnvoll einen

medizinischen Cluster zu schaffen. In Gänserndorf ist es so, dass der eine Facharzt

am ganz anderen Ende ist als der Andere. Das ist von der verkehrlichen Anbindung

suboptimal. Ich glaube wenn wir mittelfristig denken wäre es sinnvoll ein Ärztezentrum

oder einen entsprechenden medizinischen oder sozialen Cluster zu schaffen der auch

öffentlich gut erreichbar ist. Wo man die einzelnen Aufgaben der einzelnen Ärzte

bündeln kann. Wo jeder vom anderen dann auch entsprechend profitiert. Das ist mit

Department Gesundheit

67

Sicherheit eine effizienzsteigernde Maßnahme auch im Sinne einer

Informationspolitik.“ ([Interview I] Anhang A.8)

„Derzeit kommt es zu einer Spaltung der Berufsgruppen. In Wien gibt es bereits ein

PHC- also Primary Health Care Center. Das ist die ideale Kombination wenn ich alle

Professionen an einem Tisch haben möchte.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.3.6 Konkurrenz unter den Leistungsanbietern

Die diversen medizinisch- pflegerischen Gesundheitsdienstleister sehen sich auch am

primären Versorgungsmarkt als Konkurrenz. Hier kommt es auch zu dieser oben erwähnten

„Spaltung der Berufsgruppen“ was sich wiederum suboptimal auf die Versorgungsstruktur

auswirkt, da ein Konkurrenzdenken am Gesundheitsmarkt entsteht.

„Es wäre eine viel bessere Zusammenarbeit. Man könnte übergreifend arbeiten und

keiner hätte Sorge, dass der eine dem anderen etwas wegnimmt. Darum geht’s

eigentlich. Jeder hat Sorge, wenn er preisgibt, wo eigentlich seine Region, sein

Aufgabenbereich aufhört, dass er dann dort sein Geschäft verliert.(…) Über

Schnittstellenmanagement wird sehr viel geschrieben und auch sehr viel darüber

berichtet und alle Versorgungsdienstleister meinen es mittlerweile zu leben, aber es

wird kaum umgesetzt. Das heißt, jeder bleibt in seinem Bereich.“ ([Interview III] Anhang

A.10)

5.3.3.7 Kommunikation der Berufsgruppen untereinander

Es kristallisiert sich heraus, dass die Ursache für die mangelnde Zusammenarbeit der

einzelnen Sektoren, also die Schnittstellenproblematik, auf einer Kommunikations-problematik

basiert.

„Wenn man das alles zusammen auf den Tisch legt, kommt man drauf, dass es ganz

viele Problematiken gibt die mit Schnittstellen zu tun haben. Aber nicht nur mit

Schnittstellen, sondern mit verschiedenen Berufsgruppen und mit Betroffenen oder den

pflegenden Angehörigen, die nicht gesehen oder gehört werden. Es wäre wichtig alle

Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, um die Pflege- und Betreuung des einzelnen

optimal zu planen und zu organisieren und wo es die Möglichkeit gibt miteinander zu

kooperieren und zu kommunizieren, damit es gut gelingen kann.“ ([Interview VI] Anhang

A.13)

Department Gesundheit

68

5.3.3.8 Miteinbinden von Betroffenen und Angehörigen ins System

Die Einbindung von Betroffenen beziehungsweise deren Angehörigen in die Planung der

individuellen Pflege- und Betreuungssituation ist für einen bestmöglichen Verlauf unabdingbar.

Es bedarf, wie auch in der Theorie des Case Management beschrieben, eines

Handlungsverständnisses der Betroffenen um eine optimale rund um die Uhr Versorgung zu

gewährleisten.

„Was in den Abläufen der PHC’s vielleicht noch fehlt ist, dass die Betroffenen noch

stärker miteingebunden sind. Nämlich auch die pflegenden Angehörigen mit dabei sind

und auch die Menschen die betroffen sind, die selber krank sind. Auch die Frage wie

die interne Kommunikation funktioniert. Es sollten alle denselben Wissensstand haben,

und das ist schwierig. Ich glaube schon, dass sie in einem PHC miteinander

kommunizieren. Aber ich kenne das aus der Sozialarbeit, man spricht dann über „den

Fall“, ohne das „der Fall“ als Person anwesend ist und die eigene Position vertreten

werden kann und sagen kann was persönlich für die Betreuung auch noch wichtig

wäre. Wenn das funktioniert, wäre es das ideale Versorgungssetting.“ ([Interview VI]

Anhang A.13)

5.3.3.9 Beratung und Unterstützung durch das Entlassungsmanagement

Wie in der Theorie beschrieben versucht der sekundäre Versorgungsektor, also der stationäre

Bereich, durch das Entlassungsmanagement genau dort, an der im Kapitel 5.3.3.8

beschriebenen Problematik anzusetzen. Die individuelle Pflegeberatung im Rahmen des

Entlassungsmanagement hat zum Ziel, Pflegebedürftige und deren Angehörige zu

unterstützen und gemeinsam die weitere häusliche Versorgung zu planen, um eine Kontinuität

bei der der medizinischen und pflegerischen Versorgung im häuslichen Setting gewährleisten

zu können.

„Wir nehmen dann mit den PatientInnen und auch mit den Angehörigen Kontakt auf

und informieren diese bereits im Vorfeld, welche Möglichkeiten es gibt. Über

Förderungen, Pflegegeld und alle Sozialleistungen die man in Anspruch nehmen kann.

Welchen Heilbedarf, sowie welche Heilbehelfe es gibt. Welche Organisationen und wie

das Förderungssystem aussieht. Das Entlassungsmanagement darf erst agieren wenn

der Patient oder die Angehörigen ihr Einverständnis gegeben haben“ ([Interview V]

Anhang A.12)

Im Rahmen des Entlassungsmanagements muss immer bedacht werden, dass sich die

betroffene Person im Krankenhaus und somit in einem Ausnahmezustand befindet. In solchen

Department Gesundheit

69

Situationen, wesentliche Entscheidungen zu treffen, gestaltet sich oftmals für beide Seiten

besonders schwierig.

„Wenn der Patient bei uns ist hat er schmerzen, er ist verwirrt, er ist in einer neuen

Umgebung. Es kommt jemand vom Entlassungsmanagement im Krankenhaus und

sagt ihm welche Möglichkeiten der weiten Versorgung es gibt. Der Patient ist mit der

Situation überfördert. Er kommt mit seinen Beschwerden ins Krankenhaus und kann

auch meist keine genaue Auskunft geben, weil er es bisher nicht gekannt hat. Auf ihn

wirkt so viel ein und das kann den Menschen im ersten Moment nur belasten und er

wird Vorschläge durch das Entlassungsmanagement verneinen. Das ist auch der

Grund warum bei uns im Entlassungsmanagement auf drei, vier oder manchmal sogar

fünf, sechs Gespräche geführt werden bis man das Einsehen vom Patienten

irgendwann erlangt.“ ([Interview V] Anhang A.12)

5.3.3.10 Entlassungsmanagement aus Sicht betroffener

Das Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern wird in den meisten Fällen von

diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen als Vollzeitbeschäftigung

durchgeführt. Laut Krammer, kümmert sich das Entlassungsmanagement im Landesklinikum

Mistelbach um rund 2000 Patienten pro Jahr. ([Interview V] Anhang A.12)

Betroffene oder auch deren pflegenden Angehörige haben im Rahmen eines stationären

Aufenthaltes eine nicht so optimale Betreuung und Beratung erlebt, was sich in Aussagen der

Experten- und Expertinneninterviews widerspiegelt.

„Vom Entlassungsmanagement oder vom Pflegepersonal hat niemand mit mir

gesprochen. Der Fall war abgeschlossen. Man hat zu mir gesagt: „Sie können ihre

Tante mit nach Hause nehmen. Alles Weitere macht der Hausarzt.“ (…) Das ist alles

eine Bürokratie. Wenn sich die Medikamente ändern, dann bekommst du keine mit

nach Hause sondern nur Rezepte. Egal an welchem Wochentag du nach Hause gehst,

ob am Freitag, oder am Samstag oder am Sonntag musst du schauen wie du die

Medikamente organisierst“ ([Interview II] Anhang A.9)

„Ich habe einen leichten Schlaganfall gehabt. (…) Ich bin einfach entlassen worden.

Weil es ja nicht so schwer war. Ich bin einfach entlassen worden und die haben mich

gar nicht gefragt wie es weiter geht.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

Die Problematik liegt hier auch wieder bei der mangelnden Kommunikation der Schnittstellen,

im speziellen wenn beim Patienten oder bei der Patientin bereits eine Versorgungsstruktur

vorhanden ist.

Department Gesundheit

70

„Das Krankenhaus ruft zwar im extramuralen Bereich an und sagt, dass jemand nach

Hause entlassen wird, aber die Informationen sind meist unvollständig und somit kann

sich die Organisation die denjenigen übernimmt nicht gut vorbereiten. Ein gutes

Schnittstellenmanagement bedeutet, alle Informationen im Vorfeld zur Verfügung zu

stellen und sicherzustellen, dass der Klient wenn er wieder nach Hause kommt, all das

vorfindet was er in seiner veränderten Situation braucht.“ ([Interview III] Anhang A.10)

5.3.3.11 Schnittstelle intra- und extramurale Versorgung

Wie bereits erläutert soll durch das Entlassungsmanagement die Kontinuität der Versorgung

an den Schnittstellen gewährleistet und eine verbesserte Kommunikation zwischen den

beteiligten ambulanten oder stationären Versorgungsbereichen eingeführt werden. Trotz alle

dem kommt es immer wieder auch aus Experten- und Expertinnensicht bei einer Vielzahl an

Patienten und Patientinnen zu einem Drehtüreffekt, den es jedoch zukünftig zu vermeiden gilt.

„Es sollte kein Drehtüreffekt entstehen. Es wird mit Unterstützung des

Entlassungsmanagements eine weitere Versorgung gemeinsam mit den Angehörigen

organisiert, sodass der Patient optimal zu Hause in seinem Alltag weiterleben kann.

Dann schickt man die Person nach Hause und dieser kommt jedoch nach zwei

Monaten, sechs Wochen oder sogar nach zwei Wochen wieder ins Krankenhaus.

Wenn man dann mit den Angehörigen Rücksprache hält erfährt man, dass nichts weiter

zu Hause organisiert wurde. Wenn eine lückenlöse und eine flächendeckenden

Versorgung funktionieren würde, könnte man den Patienten zahlreiche

Krankenhausaufenthalte ersparen.“ ([Interview V Anhang A.12)

Ein weiteres Problem stellt auch das nicht immer akut vorhandene Kontingent an

Versorgungskapazitäten der extramuralen Pflegedienste dar. Trotz einer raschen Planung zu

Beginn eines stationären Aufenthaltes, verlängert sich die Verweildauer im Krankenhaus für

die Betroffenen, weil in der Region in der der Patient wohnt im Moment keine

Betreuungskapazitäten frei sind.

„Die Organisation der Versorgung im extramuralen Bereich dauert oft bis zu 14 Tage,

drei Wochen. Deshalb versuchen wir in den ersten zwei bis drei Tagen mit den

Betroffenen oder Angehörigen Kontakt aufzunehmen. (…) Es ist auch ein Problem,

dass eine Hauskrankenpflege freitags niemanden übernehmen kann, da der

Dienstplan schon Tage vorher steht. Das heißt wenn wir am Donnerstag noch

jemanden entlassen könnten, können wir die Person oft nicht nach Hause entlassen,

weil es am Freitag keine Kapazität von der Hauskrankenpflege gibt. Das heißt die

Department Gesundheit

71

Person bleibt bis Montag mindestens weiter im Krankenhaus.“ ([Interview V Anhang

A.12)

5.3.4 Vorteile internationaler Primärversorgungskonzepte

Im Rahmen des Interviews wurden den Interviewpartner und -partnerinnen diverse auch in

dieser Arbeit angeführte primäre Versorgungskonzepte vorgestellt und deren wesentlichen

Gemeinsamkeiten näher erläutert. Folgende Vorteile sehen die Experten und Expertinnen in

den folgenden genannten Konzepten.

5.3.4.1 Das Versorgungssystem in den skandinavischen Ländern

Im Speziellen der finanzielle Aspekt der Pflegevorsorge und die diversen alternativen

Betreuungsformen werden als attraktive Versorgungsmodelle empfunden.

„Da gefallen mir die nordischen Länder sehr gut. (…) Während des aktiven Lebens,

wird ein Beitrag einbezahlt und wenn du dann alt bist und Hilfe brauchst, wird das alles

vom Staat bezahlt. (…) Die haben auch ganz tolle Pflegeheime wo sie zum Beispiel

junge Leute integrieren“ ([Interview II] Anhang A.9)

5.3.4.2 Verpflichtende Hausbesuche mit Altersgrenze

Dieser Aspekt der Beispielsweise im Projekt EIGER, oder in Dänemark Anwendung findet,

wird von den Experten und Expertinnen kritisch betrachtet. Es besteht die Sorge, dass dies

von den Menschen als entmündigend betrachtet werden könnte.

„Es ist immer die Frage in wie weit etwas Verpflichtendes akzeptiert und als sinnvoll

erachtet wird. Ich glaube das Angebot zu haben, dass jemand da ist der täglich oder

zumindest routinemäßig vorbei schaut, ist ein gutes Angebot. Aber ob das jetzt ab

einem gewissen Alter verpflichtende sein sollte, bin ich persönlich etwas skeptisch. Die

körperliche Konsistenz der Menschen ist unterschiedlich. Es gibt Leute die sind mit 85

noch Topfit und dann gibt’s Leute die sind mit 65 in einer Pflegesituation. Ich glaube

man sollte die präventiven Hausbesuche nicht mit einem fixen Alter versehen. Die

Option wenn Hilfe gebraucht wird, oder wenn man dieses Angebot in Anspruch

nehmen möchte ist sehr gut und glaube ich absolut zukunftsträchtig. Ich würde es aber

wie gesagt nicht verpflichtend sehen und nicht mit einer Altersgrenze versehen. Ich

glaube da wäre die Akzeptanz nicht da und da würde man doch sehr viele Leute vor

den Kopf stoßen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

72

„Die Menschen werden später krank und brauchen erst später etwas. Daher ist es auf

jeden Fall besser die Hausbesuche frühestens ab dem 70. Lebensjahr durchzuführen.

Es ist ein wenig schwierig denn für viele Menschen entsteht der Eindruck, dass dies

eine Kontrolle ist und das haben die wenigsten Menschen gerne. Die Frage ist, wie

setzt man es gut an. Auf der einen Seite find ich es gut, weil man dadurch eine soziale

Kontrolle hat und schauen kann, wie geht es dem Menschen in seinem Lebensumfeld,

braucht er irgendetwas.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.4.3 Alles aus einer Hand

Optimal wie in den vorliegenden Konzepten, ist eine Person oder Einrichtung die „alles aus

einer Hand“ für die Betroffenen auf dem primären Versorgungssektor organisiert und die

Menschen berät.

„Es ist ein Topangebot, weil viele Menschen mit der Situation überfordert sind. Es gibt

ein breit gefächertes Angebot und sozusagen aus einer Hand alle Möglichkeiten zu

bekommen ist sicher sehr hilfreich. In diesem Dschungel an unterschiedlichen

Angeboten und Fördermöglichkeiten, ist schwierig für den „Normalsterblichen“ das

Richtige für sich heraus zu filtern.“ ([Interview I] Anhang A.8)

5.3.4.4 Präventive Erhebungen

Die Präventiven Hausbesuche die den Hauptfokus aller beschriebenen internationalen

primärversorgungs Konzepte darstellen, werden von allen befragten Experten und

Expertinnen als positiv und wesentlichen Mehrwert für die Versorgungsstruktur erachtet.

„Eine professionelle Hilfe, eine präventiv Erhebung ist mit Sicherheit sowohl für den

einzelnen, als auch in weiterer Folge natürlich auch für die Gemeinde und das ganze

Gesundheitswesen sehr hilfreich. Bei uns im Land wäre es auch von Vorteil, weil man

dadurch auch ein Gefühl bekommt, was die individuelle Wünsche der Bevölkerung

sind, beziehungsweise, „wo der Schuh drückt, sowie daraus resultierend wo man am

ehesten nachjustieren kann, beziehungsweise wie man die Ressourcenverteilung

optimal gestaltet.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Ein wesentlicher Faktor ist dabei, ob die Bedarfssituation vom Betroffenen akzeptiert wird, um

gemeinsam mit den pflegenden Angehörigen einen präventiven Versorgungsplan erstellen zu

können.

„Ist der Patient soweit, dass er seine Versorgung akzeptiert und auch bestimmen kann,

oder ist es ein Angehöriger. Es immer wichtig, dass eine Bezugsperson ermittelt wird,

Department Gesundheit

73

mit der man dann gemeinsam mit dem Betroffenen einen Versorgungsplan erstellt.“

([Interview V] Anhang A.12)

5.3.4.5 Beratung und Unterstützung der Familienpflege

Gerade in Österreich wo 80% der Pflege durch Angehörige übernommen wird, muss es einen

wesentlichen Aspekt in der Primärversorgungs darstellen den pflegenden Familienverband

ebenso wie die Betroffenen zu beraten und unterstützen. Auch hier sind sich die Experten und

Expertinnen einig, dass dieser Aspekt der verschieden Konzepte auch einen absoluten Nutzen

in Österreich hätte.

„Je mehr man in erster Instanz weiß, umso besser kann man agieren. In Dänemark

versucht man beispielsweise die pflegenden Angehörigen erst gar nicht in die Situation

kommen zu lassen. Denn je mehr Unterstützung und Beratung man ihnen anbietet,

umso weniger kommen sie in diese Betreuungssituation. Auch das wäre ein

wesentlicher präventiver Ansatz.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

„Da wäre der Ansatz, oder der Nutzen ein enormer. Hier eine fachliche Unterstützung

zu erfahren, ist mit Sicherheit ein absoluter Mehrwert. Wenn man da als pflegender

Angehöriger jemanden an der Hand hat, wo man weiß der ist vom Fach, ist das sicher

sehr dienlich und hilfreich und das würden sehr viele dankend annehmen. Sowohl was

die fachliche Perspektive anbelangt, was die Pflege betrifft, als auch was

Unterstützungsformen jeglicher Art betrifft. Sei es finanziell oder sei es durch

Betreuungseinrichtung die man als solches auch nicht kennt. Also ich glaube das wäre

auch für die Angehörigen, oder diejenigen die die Pflege vollziehen, sicher ein

absoluter Mehrwert.“ ([Interview I] Anhang A.8)

„Wenn ich als pflegende Angehörige am Anfang so einer Situation stehen würde, wäre

so ein Hilfsangebot hilfreich. Am Anfang weiß man gar nicht wo es anfängt und wo

aufhört.“ ([Interview II] Anhang A.9)

„Man könnte durch eine dauernde Begleitung, vor allem die Angehörigen in dem was

sie tun unterstützen und sie darin bestärken, dass das was sie tun das richtige ist, damit

sie nicht die Sorge haben müssen sich auszupowern. Und das sie, wenn sein einmal

eine Woche auf Urlaub fahren möchten, wissen wo bekomme ich die Unterstützung

her. Derzeit ist es so, dass kaum jemand von den Angehörigen irgendwohin fährt, weil

sie selbst, aber auch die zu pflegenden einfach nicht bereit sind jemand Fremden zu

akzeptieren und auch nicht bereit sind für kurze Zeit in ein Pflegeheim zu ziehen. Im

Rahmen dessen und der Festigung der individuellen Bedarfslage jedes Kunden, wäre

das eine tolle Sache.“ ([Interview III] Anhang A.10)

Department Gesundheit

74

5.3.4.6 Längerfristige oder dauerhafte Begleitung

Ob eine Begleitung im Rahmen eines Case Managements, oder eine dauerhafte

kontinuierliche Betreuung, hier sind die Ergebnisse aus den Interviews eindeutig. Eine

Begleitung wie durch eine „Community Nurse“ muss stetig beziehungsweise kontinuierlich

erfolgen. Sie darf nicht wie das Entlassungsmanagement an einem Punkt enden und auch

nicht wie die Hausbesuche durch das Kompetenzzentrum für häusliche Pflege nur einmalig,

beziehungsweise maximal ein zweites Mal stattfinden.

„Meistens ist die Nachhaltigkeit nicht gegeben und während der Besuche zur

Qualitätssicherung tauchen so viele Fragen auf, die in Wirklichkeit meinen zeitlichen

Rahmen den ich veranschlagt habe, sprengen. Ich fände eine Nachhaltigkeit viel

besser, auch im Sinne der Angehörigenentlastung und der dauerhaften Begleitung.“

([Interview III] Anhang A.10)

„Natürlich ist eine dauerhafte Begleitung die optimalste Art der Betreuung. Das ist das

einzige wo man durchgängig erkennt, was sich verändert, was sich verschlechtert und

auch was sich verbessert hat. Optimal wäre es auch wenn man dann die Möglichkeit

hat zu entscheiden, dass man im Moment niemanden benötigt und wenn, dann kann

man die Person jederzeit wieder anrufen. Aber letzendes ist es eine Vertrauensperson-

und eine Gemeindekrankenschwester ist eine Vertrauensperson, jemand der mich

lange Zeit begleitet und damit sehr gut regulieren kann was für die betroffene Person

die optimale Lösung ist.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.5 Umsetzung und Nutzen von RGKpP in den österreichischen Gemeinden

Die Interviewpartner und -partnerinnen wurden gefragt wie das Berufsbild einer Regionale

Gesundheits- und Krankenpflegeperson auch in Anlehnung an die internationalen Konzepte

gestaltet sein sollte, welchen Nutzen es für die österreichische Primärversorgung hätte und

wie man es aus ihrer Sicht am optimalsten in die Gemeindestruktur implementieren kann. Der

letzte Teil der Ergebnisdarstellung stellt diese Aspekte kategorisch dar.

5.3.5.1 Auftreten

Wichtig ist neben der fachlichen Kompetenz auch das Auftreten einer Person in ihrer

Beratungsfunktion, um dadurch eine Vertrauensbasis zu schaffen.

„Wenn ich jemanden sehe, dann muss mir der zuerst sympathisch sein, dann nehme

ich auch Rat und Tat an. Es müssten berufene Leute sein, das kann nicht ein jeder

machen. Das ist sicher kein leichter Job und sie müssen auch auf die Leute eingehen

Department Gesundheit

75

und wir sind ja alle verschieden. Die Person hat es bestimmt nicht leicht. Ein

kompetentes, sympathisches und sicheres Auftreten sind wesentliche Faktoren einer

Pflegeperson in Beratungsfunktion.“ ([Interview II] Anhang A.9)

5.3.5.2 Charakter einer Schnittstelle

Die Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson sollte den Charakter einer Schnittstelle

vermitteln. Sie koordiniert und vernetzt die Personen und Leistungsanbieter im System.

„Diese Person sollte den Charakter einer Schnittstelle haben. Das heißt, dass sie den

einen oder anderen zusammen bringt. Es ist ja oft so, das Rad muss nicht immer neu

erfunden werden. Das heißt wenn man irgendwo eine Problemstellung hat und eine

individuelle Lösung für ein konkretes Problem hat, dann kann man das mit Sicherheit

auch durch eine entsprechende Vernetzung weiter geben. Das heißt Erfahrung

jemanden anderen zu teil werden lassen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

„Sie soll mit allen in Kommunikation stehen. Genau dort wo zum Beispiel ein PHC nicht

möglich ist, kann genau sie diese Funktion erfüllen. Sie hat eine Multifunktion.“

([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.5.3 Vernetzen durch Informationsvortrage

Eine Anregung aus einem Experten- und Expertinneninterviews könnte auch eine zukünftige

Aufgabe einer RGKpP in einer Gemeinde darstellen.

„Da ist es natürlich sinnvoll Informationsvorträge für pflegende Angehörige, oder für

die Betroffenen selbst zu verschiedensten Thematiken zu halten. Das wäre auch eine

Möglichkeit Personen zu vernetzen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

5.3.5.4 Vorbeugung vor Vereinsamung

Mit der Verschlechterung der Mobilität entsteht oft eine zunehmende Vereinsamung von

alleinstehenden Personen im häuslichen Setting. Dem könnte durch das Netzwerken einer

RGKpP entgegengewirkt werden.

„Oft ist es so, dass die Vereinsamung ein großes Thema ist. Da eine Schnittstelle zu

haben, die Personen auch zusammen führen kann, die vernetzten kann, damit

alleinstehende Personen im häuslichen Setting auch weiterhin positive

Alltagserlebnisse haben, das wäre ein Gewinn für das Versorgungssystem.“ ([Interview

I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

76

5.3.5.5 Beratung und Unterstützung

Eine wesentliche Hauptaufgabe der RGKpP sollte die (präventive) Beratung und

Unterstützung von älteren Menschen und/ oder deren Familienverband darstellen. Eine der

befragten Experten und Expertinnen beschreibt das Aufgabengebiet wie folgt:

„Inhaltliche Aspekte von A-Z. Eine Erhebung des Ist Stand und eine Beratung was für

Möglichkeiten es gibt wenn sich die Situation verschlechtert. Was wäre dann der

nächste Schritt. Eine Beratung welche Hilfsangebote es regional gibt. Auch was die

Arbeit der 24- Stunden Betreuungskraft und meine als pflegende Angehörige

erleichtern könnte. Eine Physiotherapie nach einem Sturz oder andere

Leistungsanbieter. Prinzipiell gibt es zahlreiche Möglichkeiten, nur man weiß das

alleine nicht.“ ([Interview II] Anhang A.9)

5.3.5.6 Ansprechperson/ Mentale Unterstützung

Laut Meinung der Befragten, hat eine RGKpP nicht nur eine Beratungsfunktion, sondern stellt

bei einer kontinuierlichen Begleitung auch eine Vertrauensperson dar. Hierbei entsteht auch

die Aufgabe die Menschen im Rahmen ihrer Tätigkeit, durch Gespräche und das Gefühl „da

zu sein“, mental zu unterstützen und zu begleiten.

„Viele Dinge sind einfach ein Befindlichkeitsproblem. Wenn ich das Gefühl habe, ich

kann dort anrufen, dann ist vielen schon geholfen. Weil dieses Vertrauen in diese

Gemeindekrankenschwestern denke ich sehr groß ist. (…) Oft genügt ein Telefonat,

oder ein Gespräch. Vor allem Menschen die eine chronische Erkrankung haben

brauchen manchmal nur das Gefühl, dass da jemand für mich da ist, jemand dem ich

traue, der die Kompetenz hat.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.5.7 Präventive Gesundheitsförderung

Eine weitere wesentliche Aufgabe der RGKpP auch im Sinne des „Primary Health Nursing“

sollte durch die Beratung und Unterstützung, sowie eine durch die Förderung des

Empowerment resultierende präventive Gesundheitsförderung darstellen. Schwierigkeiten

sehen die befragten Interviewpartner und -partnerinnen bei der Akzeptanz der Betroffenen

etwas an ihrer gewohnten Lebenssituation, vor allem bevor noch eine Verschlechterung des

Gesundheitszustandes eingetreten ist, zu ändern.

„In der Jugend beziehungsweise als gesunder Mensch an das denkt man noch gar

nicht. Aber im Alter kommt vieles auf einen zu. Und mit professioneller Hilfe von A-Z

lässt sich ist das bewältigen.“ ([Interview II] Anhang A.9)

Department Gesundheit

77

„Das merkt man erst wenn man älter ist, dass es nicht mehr so geht. Das glaubt man

ja vorher nicht.“ ([Interview IV] Anhang A.11)

„Meistens ist es so, dass die Menschen zu dem Zeitpunkt in einem Intervall leben, in

dem sie glauben, es bleibt immer so und sie verschlechtern sich nicht. Sie akzeptieren

den Gedanken einer Verschlechterung nicht. Es ist hier sicher zu überlegen, ob man

mit den Personen in dem besagten Zustand Kontakt aufnimmt und sie darauf anspricht,

was weiter passieren soll wenn sich ihr Allgemeinzustand verschlechtert. Wenn die

Leute dann nicht mehr die Akzeptanz zur Hauskrankenpflege, Langzeitpflege, 24

Stunden Betreuung, Übergangspflege haben, weil sie es oft nicht mehr begreifen

wollen oder auch können, dann ist es meist zu spät. Wenn man rechtzeitig mit den

Angehörigen und den Betroffenen spricht, und sie fragt, „was stellen sie sich vor“, ihnen

sagt was in zehn Jahren sein könnte. Die Mobilität verschlechtert sich, oder eine

Demenz könnte eintreten und wer soll dann was entscheiden.“ ([Interview V] Anhang

A.12)

„Die Gesellschaft hat leider immer noch den Ansatz, wenn ich krank bin, dann brauche

ich etwas und das brauche ich gleich und schnell und ist dann entsetzt wenn das nicht

sofort so funktioniert wie man sich das Vorstellt. (…) Es bedarf ein Stück

Eigenverantwortung die man fördern sollte. Das ist ganz wichtig. Wenn ich selbst in der

Lage bin für meine eigene Gesundheit etwas zu tun und dafür verhindere das ich

deshalb krank werde, dann wäre einen ganz wichtiger Ansatz, auch im Sinne der

Health literacy“ erfüllt. Gesundheitsförderungsprogramme sollten viel niederschwelliger

angesetzt werden. Es gibt beispielsweise die Gesunden Gemeinden. Da funktioniert

das auch solange sie es gemeinsam machen. In dem Augenblick wo das Programm

wegfällt, fallen die Beteiligten in ihr altes Verhaltensmuster. Es ist daher wesentlich,

dass es sich dabei um einen permanenten Prozess handelt.“ ([Interview VI] Anhang

A.13)

„Es ist daher wesentlich das die Regionalschwester ihren Tätigkeitsbereich sehr breit

sieht damit sie bereits präventiv die Menschen auf ihren Gesundheitszustand, sprich

Ernährung und Bewegung hinweisen kann und es dadurch langfristig vielleicht gar nicht

zu „hausgemachten“ Zustandsverschlechterungen kommt.“ ([Interview III] Anhang

A.10)

5.3.5.8 Zusammenarbeit mit dem Hausarzt

Um auch gesundheitsfördernd im Sinne der Betroffenen agieren zu können, ist eine gute

Kooperation und ein qualitativer Austausch mit dem Hausarzt oder der Hausärztin

Department Gesundheit

78

unabdingbar. Eine Zusammenarbeit von regionalen Pflegepersonen mit der ansässigen

niederschwelligen medizinischen Versorgungsstruktur, sind für die Umsetzung des Berufsbild

wesentliche Bestandteile.

„Zum einen wäre es als eine massive Entlastung der Hausärzte hier in Gänserndorf zu

sehen, zumal wir hier einfach unterversorgt sind. (…) Weiters im Rahmen ihres

Tätigkeitsbereiches Dinge abzudecken, die derzeit durch den Arzt abgedeckt werden

für die er in der Realität eigentlich keine Zeit hat. Das geht von guten

Anamnesegesprächen, bis hin zu Blutabnahmen und zu Vorsorgeuntersuchungen im

häuslichen Setting, sowie die Mitbetreuung von Disease Management Programmen.

All diese Dinge die bisher in den Tätigkeitsbereich des Hausarztes fallen, könnten diese

regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in Kooperation übernehmen und

würde damit den Kunden häufige Besuche beim Arzt ersparen, da sie im Vorfeld die

Situation bereits einschätzen kann.“ ([Interview III] Anhang A.10)

5.3.5.9 Erweitertes Entlassungsmanagement

Die RGKpP sollte aus Experten- und Expertinnensicht auch die Aufgabe haben, als erweitertes

Entlassungsmanagement, also als Schnittstelle zwischen dem intra- und extramuralen Sektor

zu agieren, die Menschen aus der stationären Betreuung im Krankenhaus zu übernehmen und

dadurch auch das begonnene Beratungs- und Organisationsprozedere im Sinne des Case

Management weiter zu führen. Ziel ist es einen Drehtüreffekt, sprich nicht notwendige wieder

Aufnahmen im Krankenhaus, zu vermeiden.

„Die Versorgung durch das Entlassungsmanagement beginnt im Spital mit der

Aufnahme und endet wenn der Patient entlassen wird. Unser großes Handicap ist, nicht

kontrollieren und überprüfen zu können was wirklich außerhalb vom Krankenhaus, das

heißt wenn der Patient zu Hause ist, weiter erfolgt. Oft ist es auch so, dass wir Patienten

haben die von der Entlassungsmanagement Seite her entlassen werden und wo die

Situation in erster Instanz keine Hilfe erfordert weil derzeit kaum bis kein Bedarf

vorhanden ist. Diese Patienten könnte man an solche regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen weiter tragen, weil zum Beispiel eine mögliche

Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Sei es onkologisch oder

neurologisch, oder auch ein operatives, kardiales oder sonstiges Problem. Wo man

vorahnen kann, wie der Krankheitsverlauf sein könnte und das genau dort die

regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit der betroffenen Person

bespricht, wie schaut die Situation aus und dort bereits erste Informationen gibt, welche

Department Gesundheit

79

Möglichkeiten der weiteren Versorgung es im extramuralen Bereich gibt.“ ([Interview V]

Anhang A.12)

„Sie verhindert den Drehtüreffekt. (…) Entlassungsmanagement darf nicht bei der

Krankenhaustüre enden und es darf auch nicht nur punktuell stattfinden. Es braucht

innerhalb des Prozesses, eine permanente Begleitung durch die sogenannte

Community Nurse- wie auch immer man sie dann nennt. Das hat Florence Nightingale

bereits verlangt.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.5.10 Vermeidung einer stationären Aufnahme im Krankenhaus

Wie in dem Konzept des ACSC - Ambulatory Care Sensitive Conditions beschrieben, ist eine

optimale Betreuung in der Primärversorgung der Schlüssel um Krankenhausaufenthalte zu

vermindern oder gar zu vermeiden. Hier könnte die RGKpP eine zentrale Funktion

übernehmen.

„Es würde in erster Instanz verhindern, dass die Leute sehr leicht ins Krankenhaus

gehen, in eine Ambulanz gehen und dort eigentlich gar nicht hingehören. Wenn das so

flexibel ist, dass das Modell der Regionalschwester auch im Notfall zur Verfügung steht,

dann wäre das immer noch besser als die Rettung zu rufen wenn sie nicht gebraucht

wird. In Wien gibt es ein Modell der Johanniter. Die haben einen Notruf für das

Wochenende mit Pflegepersonal. Dort können Betroffene anrufen und sagen, ich

brauche zum Beispiel einen Verbandswechsel. Es wäre toll wenn es das es das in jeder

Gemeinde einfach ganz grundsätzlich gibt.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.5.11 Gesundheitsökonomischer Aspekt

Durch all die beschriebenen Aspekte des Aufgabengebiets einer Regionalen Gesundheits-

und Krankenpflegeperson, könnten auf langfristige Sicht betrachtet auch Kosteneinsparungen

am Gesundheitssektor erzielt werden. Sowohl hinsichtlich der Vermeidung von (Folge-)

Aufnahmen in Krankenanstalten, also auch gesundheitsökonomisch betrachtet durch die

Auswirkungen von (präventiven) gesundheitsfördernden Maßnahmen, speziell im Sektor der

immer älter werdenden Gesellschaft.

„Durch die Niederschwelligkeit kann es Gesundheitsökonomisch billiger wird. Es ist ein

Unterschied ob ich jetzt eine intensive, hochqualifizierte Intervention brauche die viel

Geld kostet, oder ob ich es anders lösen kann. (…) Beispielsweise bei einer

Krebserkrankung in einem relativ letalen Stadium. Da habe ich nicht nur eine Person,

da habe ich meistens zwei drei um mich herum. Wenn es eine Person gibt die Abläufe

mitkoordiniert, das ist natürlich eine Systemfrage, aber auf längere Sicht betrachtet

Department Gesundheit

80

billiger. Es ist wichtig hinzuschauen. Denn wenn man das Versorgungssystem

umschichten kann und sagen kann, dafür kann ich auf der anderen Seite mehr leisten,

ohne dass die Pflegekraft überfordert wird, wäre das auf jeden Fall ein Vorteil.“

([Interview VI] Anhang A.13)

5.3.5.12 Organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen einer RGKpP

In Anlehnung an die internationalen Konzepte sieht vor allem die regionale Expertise der

Befragten einen Vorteil bei der Implementierung des Konzeptes einer regionalen Gesundheits-

und Krankenpflegeperson im Bezirk Gänserndorf. Augenmerk bei der Umsetzung muss laut

Meinung der Befragten vor allem in Hinblick auf die Organisation und Finanzierung des

Modells gelegt werden.

„Das Konzept der RGKpP lehnt sich auch an das Thema Gemeindeschwester, Primary

Nursing Konzept gut an. Ich finde es ist eine gute Sache und sollte mehr gelebt werden,

weil es für eine Gemeinde ganz wichtig ist. Ebenso weil man hier ganz gut Brücken

bauen kann und einfach auf seine Gemeindebürger schauen kann.“ ([Interview III]

Anhang A.10)

„Es gibt in anderen Ländern, sei es in den Niederlanden, in Deutschland, in der

Schweiz, aber auch in Dänemark, die unterschiedlichsten Piloten und Erfahrung. Das

regionale System wäre gut beraten wenn man sich der Dinge die bereits gut

funktionieren annimmt. Da muss man wahrscheinlich ab und an auch auf regionaler

Ebene Pionierarbeit leisten und sagen, ich bin dazu bereit auch zu investieren. Nur,

wie oftmals im Leben, wenn man entsprechend auch bereit ist in etwas zu investieren,

kann man eine Verbesserung herbeiführen. Und ich glaube das sollte unser Ansatz

sein. Wir wissen auch, dass es speziell für uns als Kommunen immer schwieriger wird,

die breit gefächerten Aufgaben in allen Belangen der Gesundheitsversorgung

entsprechend professionell zu gewährleisten.

Wenn man so etwas als Kommune, oder als Region als Pilotprojekt installieren möchte,

wird es sicher auch notwendig sein, dass finanzielle Ressourcen frei gegeben werden.

Man muss sich dann genau anschauen, durch welche Träger ein solches Modell

finanziert werden kann. Von den Ressourcen her, beispielsweise ein Büro zur

Verfügung zu stellen und auch Sprechstunden am Gemeindeamt zu installieren wird

wahrscheinlich das geringste Problem darstellen. Es geht darum und das wird ein

laufender Prozess sein, wie professionell beziehungsweise wie intensiv man eine

solche Einrichtung installieren und fördern möchte. Wenn viele helfende Hände, oder

Institutionen an einem Strang ziehen, könnte in Hinblick dessen durchaus auch etwas

Department Gesundheit

81

möglich sein. Zuerst muss man die Rahmenbedingung definieren und den Bedarf

evaluieren, sowie Stunden als solches erheben und dann kann eruieren wie viel

Finanzbedarf vorhanden ist und wo jeder bereit seinen Beitrag dazu zu leisten.“

([Interview I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

82

6 DARSTELLUNG DER UMSETZUNGSMÖGLICHKEIT

EINER RGKPP IN ÖSTERREICH AM BEISPIEL

BEZIRK GÄNSERNDORF

Dieses Kapitel dient der Beantwortung der zweiten und dritten Forschungsfrage, sowie der

zusammenfassenden Darstellung des Berufsbildes der Regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegeperson, am Beispiel Bezirk Gänserndorf, in Anlehnung an bestehende

internationale primäre Versorgungskonzepte. Wie von der regionalen Expertise als Ergebnis

des Interviews auch gefordert, sollte im Rahmen dessen eine Bedarfserhebung durch

regionale Determinanten, sowie eine Marktsegmentierung der möglichen Zielgruppe

durchgeführt werden. Des Weiteren wird das Aufgabenprofil der RGKpP als mögliche

Stellenbeschreibung, auch in Hinblick auf die Ergebnisse aus den Experten und

Expertinneninterviews, dargestellt. Ein kurzer Einblick in mögliche rechtliche und finanzielle

Komponenten wird das Kapitel abschließen.

6.1 Regionale Determinanten

„Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in ländlichen Gebieten, aber lediglich 38 % des

Krankenpflegepersonals und sogar nur 24 % der Ärzte arbeiten im ländlichen Raum“

Czypionka, Titelbach & Klambauer (2012 zitiert nach WHO, 2010).

In Niederösterreich lebten 2010 79.717 Personen, die 80 Jahre und älter waren, 2026 werden

es 115.814 Personen sein (Zuwachs: 45%). Ein Blick auf die 90-jährigen und Älteren zeigt

eine noch stärke Zunahme, nämlich von 8.875 Personen auf 17.288 Personen (Zuwachs:

94,8%) (Ehgartner, Bittner, 2011, www).

Angesichts der demographischen Entwicklung ist davon auszugehen das die Anzahl der

pflegebedürftigen älteren Menschen weiter steigen wird, die Zahl der jüngeren Personen die

diese Menschen zu Hause betreuen kann bzw. will, wird im Gegensatz dazu jedoch sinken.

Betrachtet man die aktuellen Zahlen der Personen die zu Hause durch Angehörige betreut

werden und überlegt was passiert wenn sich diese Zahl um bis zu 25% minimieren würde,

stellt sich die Frage welche anderen Leistungsanbieter diesen Prozentsatz an

pflegebedürftigen Personen in Zukunft decken soll. Die verschiedenen Anbieter sind gefragt

der fortwährenden Nachfrage am Markt nachzukommen. Umso wichtiger ist es ein

umfangreiches Leistungs- und Unterstützungsangebot für pflegende Angehörige zu bieten, um

ihnen die Rahmenbedingungen des Betreuungsalltags beziehungsweise die Pflege zu Hause

Department Gesundheit

83

von Familienangehörigen zu erleichtern. Ziel sollte es sein die „informelle Pflege“ als wichtige

Säule in der Altenbetreuung zu erhalten und zu fördern und somit auch der wichtige

Prozentsatz an Angehörigen die ihre Familienmitglieder zu Hause pflegt.

Abbildung 8: Ablaufschema Bedarfsplanung. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www

Department Gesundheit

84

Der prozentueller Anteil sowie die Prognosen der Leistungserbringer in der Altenpflege speziell

im Bundesland Niederösterreich gliedern sich wie folgt:

Vergleicht man die oberen Abbildungen stellt man fest, dass der Anteil an Personen die zu

Hause versorgt werden mit 90,2% den absolut größten Anteil der Betreuungssituation in

Niederösterreich darstellt. Dem untergeordnet ist die Versorgung durch Angehörige mit einem

Prozentsatz von 67,7% welche im Jahr 2010 am höchsten ist.

Der Ausbau des primären Versorgungssektors ist angesichts der stabil bleiben Anzahl an

Personen die im häuslichen Setting betreut werden (Abbildung 9), sowie der Steigerung der

Pflegegeldbezieher bis 2026 um 36% im Bezirk Gänserndorf (Abbildung 10) von enormer

Wichtigkeit.

Abbildung 9: Betreuungssituation in NÖ. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www

Abbildung 10: Steigerung der PflegegeldbezieherInnen der Stufen 5+ bis 2021. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www

Department Gesundheit

85

Die aktuellen regionalen Determinanten des Bezirk Gänserndorf gliedern sich wie folgt:

Wohnbevölkerung 60+ Bezirk Gänserndorf, Stand: 2015

Wohnbevölkerung 2015

Verwaltungsbezirk / Gemeinde

Verwaltungsbezirk / Gemeinde

60 - 64 65 - 79 80+

Niederösterreich 1.636.778 93.414 234.606 86.962

Gänserndorf 98.645 5.914 13.883 4.745

Aderklaa 201 14 19 7

Andlersdorf 147 11 14 9

Angern an der March 3.348 205 487 181

Auersthal 1.871 116 270 101

Bad Pirawarth 1.658 129 223 93

Deutsch-Wagram 8.187 446 1.116 313

Drösing 1.112 77 176 66

Dürnkrut 2.268 166 341 107

Ebenthal 868 37 111 41

Eckartsau 1.224 78 191 56

Engelhartstetten 1.966 128 277 111

Gänserndorf 10.828 554 1.328 411

Glinzendorf 269 15 39 11

Groß-Enzersdorf 10.292 544 1.446 349

Groß-Schweinbarth 1.276 51 145 64

Großhofen 90 3 12 5

Haringsee 1.175 85 145 75

Hauskirchen 1.243 100 187 77

Hohenau an der March 2.689 209 455 190

Hohenruppersdorf 910 64 126 54

Jedenspeigen 1.081 78 191 62

Lassee 2.632 142 332 116

Leopoldsdorf im Marchfelde 2.655 142 361 113

Mannsdorf an der Donau 382 25 47 20

Marchegg 2.947 187 446 140

Markgrafneusiedl 826 51 111 38

Matzen-Raggendorf 2.785 184 382 114

Neusiedl an der Zaya 1.228 97 196 69

Obersiebenbrunn 1.689 92 217 70

Orth an der Donau 2.029 133 305 162

Palterndorf-Dobermannsdorf 1.286 84 216 70

Parbasdorf 164 8 18 8

Prottes 1.381 74 203 68

Raasdorf 656 38 81 39

Department Gesundheit

86

Ringelsdorf-Niederabsdorf 1.298 112 185 109

Schönkirchen-Reyersdorf 1.970 145 267 82

Spannberg 947 48 111 48

Strasshof an der Nordbahn 9.109 506 1.331 374

Sulz im Weinviertel 1.201 67 181 60

Untersiebenbrunn 1.617 97 208 62

Velm-Götzendorf 742 52 120 63

Weiden an der March 1.020 47 139 60

Weikendorf 1.978 140 279 95

Zistersdorf 5.400 333 848 382

Abbildung 11: Wohnbevölkerung Gänserndorf 2015, Quelle: Amt der NÖ Landesregierung, 2016, www

Pflegegeldbezieher Bezirk Gänserndorf, Stand: 2013

Datenquelle: Pflegegeldinformation (PFIF) des Hauptverband der

österreichischen Sozialversicherungsträger

Datum: 26.3.2013

Stichtag: 31.12.2012

Pflegegeldstufe Männlich Weiblich Gesamtergebnis

1 299 734 1033

2 451 894 1345

3 273 458 731

4 221 517 738

5 140 315 455

6 79 99 178

7 35 75 110

Gesamtergebnis 1498 3092 4590

Department Gesundheit

87

6.1.1 Marktsegmentierung und Zielgruppe

Im Bezirk Gänserndorf leben derzeit 98.645 Personen. Davon sind 6% zwischen 60-64 Jahre

alt, 14% 65-79 Jahre alt und 5% sind über 80 Jahre alt. Das ergibt eine altersmäßige

Zielgruppe (über 60 Jahre) von 25% der gesamten Wohnbevölkerung im Bezirk Gänserndorf.

Abbildung 12: Altersstruktur im Bezirk Gänserndorf. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Daten des Amt der NÖ

Landesregierung

Die Gesamtzahl von 24.542 Personen im Bezirk Gänserndorf die 60 Jahre und älter sind

können grundsätzlich als Zielgruppe für die Tätigkeit der Regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegeperson im Bezirk Gänserndorf herangezogen werden.

Geht man von der Gesamtzahl der Pflegegeldbeziehenden Personen in Gänserndorf aus,

sowie davon das 90,2% der Bevölkerung in Niederösterreich zu Hause betreut werden

(siehe Abbildung 9) aus, ergibt das mit dem Stand 2013 eine Zielgruppe auf Basis der

Pflegegeldbezieher und -bezieherinnen eine Zielgruppe von 4140 Personen.

bis 4 Jahre

4% 5- 14 Jahre

10%

15-19 Jahre

6%

20-44 Jahre

30%45-59 Jahre

25%

60-64 Jahre

6%

65-79 Jahre

14%

80+ Jahre

5%

Department Gesundheit

88

6.2 Darstellung des Berufsbildes der RGKpP

Sowohl die Entwicklung des extramuralen Systems, als auch das gesamte

Gesundheitssystem in Österreich an sich ist für die Klienten und Klientinnen, aber auch für

deren Anbieter der einzelnen Dienste unübersichtlich geworden und die einzelnen Teile von

Leistungsangeboten liegen wie Ertl und Kratzer (2001) es beschreiben „wie ein

durchgewirbeltes Puzzle neben-, unter- und übereinander“ (S. 60).

Eine wesentliche zukünftige Aufgabe der professionellen Akteure und Akteurinnen im

Gesundheitswesen- wie es RGKpP darstellen, sollte es sein, eine geordnete, umfassende

Gesamtbetreuung für die einzelnen Klienten und Klientinnen zu planen, zu koordinieren und

zu evaluieren.

Dazu gehört ein umfangreiches Wissen über das Gesundheitssystem, Kenntnis über

Einrichtungen in der unmittelbaren Umgebung oder Region, sowie die Kenntnis über ihr

Leistungsprofil. Inhalt dieses Leistungsprofil, sollte sein, Klienten und Klientinnen dabei zu

unterstützen, aus den verschieden liegenden „Puzzleteilen“ ein bedürfnisgerechtes und

stabiles Betreuungsnetz zu knüpfen (ebd., 2001, S. 60-61).

Abbildung 13: Das Gesundheits- und Sozialsystem- Schnittstelle RGKPP, Quelle Eigene Erstellung in Anlehnung an Ertl&

Kratzer (2001, S.39)

Department Gesundheit

89

Das Tätigkeitsfeld der RGKpP soll sich im Wesentlichen an den von der Ertl & Kratzer (2001,

zitiert nach ÖBIG, 1992) beschriebenen Aufgaben der IGSS (Kapitel 3.1) orientieren, die sich

wie folgt aufgliedern:

- Laufende Feststellung und Evaluierung der regionalen Versorgungssituation.

- Planung und Förderung der auf Grund der Bedarfserhebung erforderlichen

extramuralen Dienste.

- Koordination der Anbieter und ihrer Leistungen durch Informationsaustausch; Schaffen

eines gemeinsamen Arbeitsverständnisses, Entwickeln von einheitlichen

Qualitätsstandards.

- Information und Hilfestellung für die Klienten und Klientinnen bei der Inanspruchnahme

von Leistungen.

- Initiieren und Durchführen gemeinwesenorientierter Maßnahmen zur

Gesundheitsvorsorge und -förderung sowie Unterstützung von Selbsthilfegruppen

(S.62-63).

Department Gesundheit

90

6.2.1 Aufgabenprofil

Das Aufgabenprofil der RGKpP orientiert sich an den bestehenden internationalen Konzepten

aus Großbritannien, Dänemark, Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, sowie an den

Ergebnissen der Experten und Expertinneninterviews die unter anderem im Kapitel 5.4.5

dargestellt sind.

Die Stellenbeschreibung der Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson gestaltet

sich für mich daraus wie folgt:

Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson (m/w) im Bezirk Gänserndorf

Das Tätigkeitsfeld der RGKpP hat zum Ziel durch

- die Optimierung der Versorgung zu Hause,

- die Entlastung und Unterstützung der Familienpflege,

- die Förderung der interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den

Gesundheitssektoren,

- sowie die Reduzierung der Krankenhauseinweisungen,

das Leben im häuslichen Setting so lange wie möglich zu gewährleisten und

dadurch langfristig die Betreuung in der Primärversorgung zu optimieren.

Ihr Profil:

- Abgeschlossene Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester/Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger beziehungsweise abgeschlossenes Studium Bachelor of Science in Health Studies (BSc) inkl. Berufsberechtigung

- Mindestens 3 Jahre Berufserfahrung inkl. im geriatrischen Pflegebereich

- Erfahrungen/ Weiterbildungen im Bereich Case- und Caremanagement

- Erfahrung im extramuralen Pflegebereich

- Kenntnisse über (regionale-) Hilfs- und Förderungsangebote

- Kunden- und KlientInnenenorientierung

- professionelle und ausgeglichene Kommunikation auch in schwierigen Gesprächen

- Selbständigkeit, insbesondere im eigenverantwortlichen und mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich

- Organisationstalent

- Verlässlichkeit, zeitliche Flexibilität und Belastbarkeit

Department Gesundheit

91

Ihre Aufgaben:

- Durchführung von präventiven Hausbesuchen bei der Zielgruppe Personen 60+, sowie pflegenden Angehörigen im häuslichen Setting

- Durchführung eines ganzheitlichen Assessments zur Erhebung der aktuellen Bedarfslage

- Beurteilung der individuellen Gesundheitsbedürfnisse

- Durchführung von Informations- und Beratungsgesprächen mit präventiven Charakter auch im Sinne der Gesundheitsförderung

- Koordinierung der KundInnen im Sinne des Case Management im ambulanten Bereich

o Erstellung einer individuellen Bedarfsplanung gemeinsam mit allen betroffenen Akteuren auch im Sinne der optimalen regionalen Ressourcennutzung

- Förderung der Selbstständigkeit älterer Menschen

- Laufende Beratung und Unterstützung pflegender Angehöriger

- Überwachung der Versorgungsqualität auch im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung

- Durchführung von Sprechstunden in den regionalen Einrichtungen des Betreubaren Wohnen sowie im Gemeindeamt

- Quartalsmäßige Fachvorträge zu verschiedensten Gesundheitsthematiken

- Monatliche Betreuung der 24- Stunden Beratungs-/ Notfalls Hotline

- Organisation von monatlichen Seniorentreffen

- Administrative Tätigkeit zur Datengewinnung regionaler Determinanten und Statistiken, sowie zur Qualitätssicherung

- Schnittstellenmanagement:

o Zusammenarbeit mit allen Gesundheitsversorgungsdienstleistern (mobile Dienste, Landespflegeheime, Physiotherapeuten, Bandagisten, Rettungsdiensten, etc.) in der Region

o Zusammenarbeit mit dem Entlassungsmanagement der umliegenden Landesklinken sowie dem Medizinischen Zentrum in Gänserndorf

o Kooperation mit dem niedergelassenen medizinischen Versorgungsbereich unteranderem bei der Umsetzung von Disease Management Programmen, sowie der lückenlosen Versorgung nach Krankenhausaufenthalten

o Zusammenarbeit/ Rücksprache mit dem Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung in der Häuslichen Pflege – für die Durchführung eines bedarfsmäßigen weiteren Monitorings im häuslichen Setting

Department Gesundheit

92

6.3 Rechtlicher Hintergrund

Rechtlich orientiert sich das Aufgabenprofil der Regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegeperson primär am österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz

(GuKG). Wesentlich sind dabei die Teile des Berufsbildes laut § 4 -9 GuKG sowie der

eigenverantwortliche,- mitverantwortliche,- und interdisziplinäre Tätigkeitsbereich

entsprechend § 13-16 GuKG (RIS, 2016, www).

Ebenso zu berücksichtigen sind die generellen Bestimmungen des Bundesgesetzes über

Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmer- und

Nehmerinnenschutzgesetz - ASchG) in Österreich. (ebd., www)

6.4 Finanzierung

„Wenn man so etwas als Kommune, oder als Region als Pilotprojekt installieren

möchte, wird es sicher auch notwendig sein, dass finanzielle Ressourcen frei gegeben

werden. Man muss sich dann genau anschauen, durch welche Träger ein solches

Modell finanziert werden kann.

Zuerst muss man die Rahmenbedingung definieren und den Bedarf evaluieren, sowie

Stunden als solches erheben und dann kann eruieren wie viel Finanzbedarf vorhanden

ist und wo jeder bereit seinen Beitrag dazu zu leisten.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Die Darstellung eines genauen Finanzierungsmodelles ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht

möglich. Sinnvoll wäre jedoch die Finanzierung des Modelles über mehrere regionale

Kommunen gemeinsam, prozentual an der Größe und dem Bedarf gemessen.

Für eine optimale Umsetzung bedarf es zu Beginn einer Anstellung von zwei

vollzeitäquivalenten Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, Tendenz je nach

Anzahl und Betreuungsaufwand der Kunden und Kundinnen, steigend.

Die Bruttogehälter richten sich nach den Berufsjahren und den Zusatzqualifikationen der

RGKpP. Das derzeitige Einstiegsgehalt einer diplomierten Gesundheits- und

Krankenpflegeperson liegt bei bis zu 2300 Euro brutto (AMS, o.J., www).

Department Gesundheit

93

7 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSBETRACHTUNG

UND AUSBLICK

Das nachstehende Kapitel beschreibt die erhobenen Ergebnisse des Literaturparts und des

empirischen Abschnittes dieser Masterthesis. Unter Kapitel 7.2 werden die anfangs gestellten

Forschungsfragen beantwortet. Die Diskussion der Ergebnisse erfolgt im Kapitel 7.3.

Abschließend wird unter 7.4 ein Resümee aus den Ergebnissen gezogen und ein Ausblick auf

zukünftig mögliche Ansätze und Entwicklungen gegeben.

7.1 Zusammenfassung

Das österreichische Gesundheitssystem, im speziellen auch der primäre Versorgungsektor,

wird sich zukünftig nicht nur aufgrund des demographischen Wandels und der Änderung der

Familienstruktur, sondern auch aufgrund zahlreicher bestehende Schwachstellen im System,

vielfältigen neuen Herausforderungen stellen müssen. Die mögliche Barrieren und

Herausforderungen wurden in der vorliegenden Arbeit durch Literatur belegt und durch

Aussagen von Expertinnen und Experten gestützt.

Es gibt im österreichischen Gesundheitsversorgungssystem bereits zahlreiche Konzepte die

auf dem Streben nach Effektivität und Effizienz auch im Sinne des Public Health Aspektes

konzipiert wurden. Dazu zählen die integrierte Versorgung, welche durch das CCIV von der

österreichischen Sozialversicherung 2006 ins Leben gerufen wurde, das Disease

Management Programm „Therapie Aktiv“ welches eine flächendeckende Versorgung von

Menschen mit der chronischen Erkrankung Diabetes Mellitus II zum Ziel hat, die Case

Management Programme der verschiedensten Sozialversicherungsträger und das

Entlassungsmanagement welches in fast allen größeren Krankenanstalten in Österreich

implementiert wurde.

Es darf jedoch nicht nur die Krankenversorgung vordergründig sein, sondern es muss ebenso

der Wunsch des Einzelnen auch im Hinblick auf gesundheitsfördernde Maßnahmen, sowie

dem zu Grunde liegend die Förderung des Empowerment auch auf Basis der Familienpflege,

eine tragende Rolle spielen. Die Schwachstellen in der österreichischen Primärversorgung

stützen sich auf verschiedene Aspekte, auf die im folgenden Kapitel 7.2 bei der Beantwortung

der Forschungsfragen näher eingegangen wird. Was die WHO- Deklaration von Alma Ata im

Jahr 1978 forderte und auch durch die Experten und Expertinnen im Rahmen des Interviews

bestätigt wurde,

Department Gesundheit

94

„braucht es innerhalb des Prozesses, eine permanente Begleitung durch die

sogenannte Community Nurse- wie auch immer man sie dann nennt. Das hat

Florence Nightingale bereits verlangt.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Die Prävention, Gesundheitsförderung und Beratung sollte vor allem am primären

Gesundheitssektor einen wesentlichen Teil des Aufgabengebietes der Gesundheits- und

Krankenpflege darstellen. Vor allem die Nordeuropäischen Länder wie Dänemark, die

Niederlande, England oder auch Deutschland haben sich dieser Forderung bereits

angenommen und verschiedenste Konzepte des Public Health Nursing gesetzlich im

Gesundheitssystem verankert. All diese Konzepte haben sich zum Ziel gesetzt durch laufende

und flächendeckende Hausbesuche bei der immer älter werdenden Generation, die

extramurale Versorgung auch durch eine Förderung des Schnittstellenmanagements, sowie

die Nutzung der lokalen Ressourcen zu optimieren und durch Beratung und Unterstützung

Betroffener sowie deren pflegenden Angehörigen, das Empowerment zu stärken und durch

den verstärkten Ansatz der Gesundheitsförderung die Zahl der Krankenhauseinweisungen zu

reduzieren und dadurch auch dem Menschen ein selbstständiges Leben zu Hause in seiner

gewohnten Umgebung so lange als möglich zu gewährleisten. Dies hätte auf längere Sicht

betrachtet auch einen positiven gesundheitsökonomischen Nebeneffekt.

Die Implementierung einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson in Anlehnung

an die beschriebenen internationalen Konzepte, hätte auch aus Sicht der befragten Experten

und Expertinnen wesentliche Vorteile für den primären Versorgungssektor auch im Hinblick

auf die bestehenden, durch die Ergebnisse aus den Interviews bestätigten Schwächen und

Schnittstellenproblematiken im österreichischen Gesundheitswesen.

„Da wäre der Ansatz, oder der Nutzen ein enormer. Hier eine fachliche Unterstützung

zu erfahren, ist mit Sicherheit ein absoluter Mehrwert.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

95

7.2 Beantwortung der Forschungsfragen

Die theoretischen und empirischen Forschungsergebnisse dieser Masterthesis ermöglichen

nun eine Beantwortung der eingangs gestellten Forschungsfragen.

I. Welche strukturellen Schwächen bestehen hinsichtlich der

Schnittstellenproblematik im österreichischen primären Versorgungssystem?

Die strukturellen Schwächen im primären Versorgungsystem hinsichtlich der

Schnittstellenproblematik beruhen auf Basis von mehrerer Faktoren.

Betrachtet man das aktuelle Gesundheitsversorgungssystem in Österreich stellt man fest,

dass es sich nicht um ein geschlossenes System handelt, sondern das es dadurch

gekennzeichnet ist, dass jede Gruppe der Leistungserbringer für sich als Einzelner agiert und

somit im Sinne der Patienten- und patientinnenkarrieren meist große Hürden aufweist, die es

zu bewältigen gilt.

„Naja, es ist auch wieder die Spaltung der Berufsgruppen an sich.“ ([Interview VI]

Anhang A.13)

Bereits in den 1990er Jahren hat man diese Problematik erkannt und es wurde vom ÖBIG im

Auftrag des Bundesministeriums ein Konzept erstelle. Dieses stellt die Implementierung von

Integrierten Gesundheits- und Sozialsprengel (IGSS) dar, um alle Leistungsanbieter der

verschiedenen Versorgungsebenen miteinander zu vernetzen. Trotz bestehender

Forderungen wurde dieser Entwurf in keinem der neun Bundesländer in seiner angedachten

Form implementiert (Ertl& Kratzer, 2001, S.62).

„Ich glaube da könnte man sicher einiges verbessern. Städteplanerisch, wäre es

sinnvoll einen medizinischen Cluster zu schaffen. Wo man die einzelnen Aufgaben, der

einzelnen Ärzte bündeln kann. Da mit Sicherheit ein effizienzsteigernde Maßnahmen,

im Sinne einer Informationspolitik vorhanden.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Es kommt nach wie vor zu einer sektoralen Trennung auch auf Basis der Finanzierung und

Verwaltung. Der niedergelassene Bereich wird auch auf Basis der Bedarfsplanung getrennt

vom Krankenanstalten betrachtet, was laut Hofmarcher (2013, S.260) ebenso zu ungenützten

effizienzpotentialen führt. Die mangelnde Kooperation und Vernetzung der Nahtstellen

(niedergelassene medizinische Versorgung/ Krankenhaus/ Pflege) führen ebenso zu einem

Qualitätsdefitzit der medizinischen und pflegerischen Versorgung und Mehrkosten, wie auch

die bereits angesprochene mangelnde Vernetzung der einzelnen Dienstleister im

Gesundheitswesen.

Department Gesundheit

96

„Es wäre eine viel bessere Zusammenarbeit. Man könnte übergreifend arbeiten und

keiner hätte Sorge, dass der eine dem anderen etwas wegnimmt. Darum geht’s

eigentlich. Jeder hat Sorge, wenn er preisgibt, wo eigentlich seine Region, sein

Aufgabenbereich aufhört, dass er dann dort sein Geschäft verliert.“ ([Interview III]

Anhang A.10)

Dadurch werden die Behandlungsprozesse unterbrochen und eine lückenlose

Informationsweitergabe, welche auch durch eine mangelnde einheitliche Dokumentation von

Leistungen und Diagnosen ursächlich ist, fehlt oft sogar gänzlich.

„(…) im konkreten, glaub ich das es mit Sicherheit Verbessrungspotential gibt, was die

Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten anbelangt“ ([Interview I] Anhang

A.8)

„Ich glaube das ist eine ganz große Herausforderung, wie bringt man die beteiligten

Personen an einen Tisch, damit sie verstehen, gegenseitig, wo gibt es eine Möglichkeit

miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren, damit es gut gelingen kann.“

([Interview VI] Anhang A.13)

Des Weiteren herrscht im gesamten gesundheitssystemischen Denken nach wie vor ein

krankheits- und defizitorientiertes Medizin- und Pflegeverständnis, sowie eine einseitige

Akzentuierung auf rein körperbezogene Maßnahmen (Schaeffer 2000, zitiert nach Schmitt

2011). Dieses Denken hat natürlich langfristig dazu geführt, dass auch der Mensch im Umgang

mit seiner eigenen Gesundheit erst agiert wenn er krank ist.

„Weil wir ja immer noch den Ansatz haben, dann wenn ich krank bin, dann brauche ich

etwas. (…) Wenn ich selbst in der Lage bin für meine eigene Gesundheit etwas zu tun

und dafür verhindere, dass ich deshalb krank werde, dann hätte ich auch einen ganz

wichtigen Ansatz.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Dem entgegen zu wirken wäre eine, wie auch im GuKG definierte, Aufgabe der Gesundheits-

und Krankenpflege. Die Förderung der Selbst- Pflege sowie rehabilitative und präventive

Interventionen sind beispielsweise in der mobilen Hauskrankenpflege keine fremden

Begrifflichkeiten, nur ist es aufgrund der derzeitig vorherrschenden Rahmenbedingungen nicht

möglich diese Komponenten aktiv umzusetzen (Ertl & Kratzer, 2001, S. 44).

Es bedarf generell einem fundamentalen Umdenkprozess um im Sinne ganzheitlicher und

systemischer medizinischer und pflegerischer Versorgung agieren zu können.

Ein wesentlicher Aspekt dem in Österreich zum aktuellen Stand noch zu wenig

Aufmerksamkeit zugebracht wird, jedoch für das Versorgungssystem eine wesentliche Rolle

spielt, ist die Pflege und Betreuung durch Angehörige. Mehr als 80% der Pflegeleistungen in

Österreich wird informell durch die Familie erbracht, wodurch im System laut Schätzungen

Department Gesundheit

97

zwei bis drei Mrd. Euro pro Jahr an Versorgungskosten eingespart werden können (ÖBIG,

2005, S.I). Auch deshalb ist es von zentralerer Bedeutung die Angehörigen bei ihrer Aufgabe

zu stützen und zu fördern. Die Zunahme chronischer Erkrankungen und Multimorbidität, sowie

vielfältige gesellschaftliche Entwicklungsprozesse die zu einer Änderung der strukturellen und

ökonomischen Entwicklung führen machen eine Umstrukturierung des Aufgabenprofils der

Pflege unabdingbar. Eine Ursache für die begrenzte Umsetzung pflegerischer

Gesundheitsberatung- und förderung speziell im primären Versorgungssektor, stellen neben

den dafür noch nicht ausgerichteten Rahmenbedingungen, auch das vermutlich mangelnde

Wissen an dem gesundheitswisssenschaftlichen- und ökonomischen Effekt von „Primary

Nursing“ dar.

II. Wie könnte das Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegeperson (RGKpP) zur Optimierung der Primärversorgung in den

österreichischen Gemeinden gestaltet sein?

Das Berufsbild einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson sollte sich primär an

der Verbesserung der bestehenden systemischen Schwächen, welche überwiegend durch

Schnittstellenproblematiken gekennzeichnet sind und dadurch auch an einer Optimierung der

Versorgung im primären Gesundheitssektor richten. Die Orientierung an den Inhalten bereits

bestehender Konzepte wie das der „Community Nurse“, der „District Nurse“ oder der

„Gemeindekrankenschwester“ aus dem mittel- und nordeuropäischen Raum erweist sich

dabei als vorteilhaft. Wie auch beispielsweise im Konzept Dänemarks handelt und agiert die

RGKpP vor allem im ländlichen Raum, im Setting „Gemeinde“. Die folgenden Punkte wurden

im Rahmen der Theorie und Empirie für die Konzipierung des Konzeptes einer RGKpP als

wesentliche Inhalte definiert. Ebenso wie die Durchführung von kostenlosen präventiven

Hausbesuchen bei der Zielgruppe ältere oder chronisch kranke Personen, sowie deren

pflegenden Angehörigen im häuslichen Setting, um die Menschen in der immer komplexer

werdenden Gesundheitsversorgung zu unterstützen.

„So eine präventiv Erhebung mit Sicherheit sowohl für den einzelnen sehr hilfreich,

als auch in weiterer Folge natürlich auch für die Gemeinde und das ganze

Gesundheitswesen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Im Fokus steht dabei die Menschen vorwiegend in einer Phase ihres Lebens zu erreichen,

in der sie noch nicht zwingend auf Hilfe und Pflege angewiesen sind und sie dahingehend

auf alle zukünftigen bestehenden Optionen zu Beraten und bei der Vorsorge zu unterstützen.

Department Gesundheit

98

„Wenn man rechtzeitig mit den Angehörigen und den Betroffenen spricht, und sie fragt,

„was stellen sie sich vor“, ihnen sagt was in zehn Jahren sein könnte. Die Mobilität,

eine Demenz, wer soll dann was entscheiden (?) Welche Vorstellungen haben die

Personen. (…) Das wäre eine gute Sache, wenn viele so etwas rechtzeitig abschließen

würden.“ ([Interview V] Anhang A.12)

Für die Qualitätssicherung ist dabei die Durchführung eines ganzheitlichen Assessments zur

Erhebung der aktuellen Bedarfslage wesentlich. Die Assessments sind wie dem dänischen

Konzept angelehnt, nicht nur ein Gesundheitscheck, sondern auch die Möglichkeit die

individuelle Bedarfslage, sowie die (Gesundheits-) Bedürfnisse des einzelnen, ebenso wie

das seines sozialen Umfeldes zu erfassen und zu beurteilen, um dadurch in weiterer Folge

Fördermöglichkeiten entwickeln zu können. Ein wesentlicher Teil des Assessments beinhaltet

in weiterer Folge auch die Durchführung von Informations- und Beratungsgesprächen mit

präventiven Charakter auch im Sinne der Gesundheitsförderung.

„Je mehr man in erster Instanz weiß, umso besser kann man agieren und je mehr wir

anbieten, umso weniger kommen sie in diese Situation. Und ich glaube das wäre ein

ganz präventiver Ansatz.“ ([Interview VI] Anhang A.13)

Eine wesentliche Hauptaufgabe der RGKpP stellt die Koordinierung der Kunden und

Kundinnen im Sinne des Case Management im ambulanten Bereich dar. Wie bei den Berliner

Koordinationsstellen geht es darum mittels des Instruments des CM-Regelkreises als

begleitende und koordinierende Dienste in den Systemen der Gesundheitsversorgung agieren

zu können (Ehlers, 2011, S.93). Hauptaufgabe dabei ist die Erstellung einer individuellen

Bedarfsplanung gemeinsam mit allen betroffenen Akteuren auch im Sinne der optimalen

regionalen Ressourcennutzung, des Schnittstellenmanagements und der längerfristigen,

kontinuierlichen Begleitung.

„Ich fände eine Nachhaltigkeit viel besser, auch im Sinne der Angehörigenentlastung und

der dauerhaften Begleitung.“ ([Interview III] Anhang A.10)

Durch diesen laufenden und nachhaltigen (Überwachungs-) Prozess kann es der RGKpP

zukünftig ebenso möglich sein die Selbstständigkeit der älteren Menschen zu fördern, sowie

die Vielzahl an pflegenden Angehörigen laufend auch im direkten häuslichen Setting beraten

und unterstützen zu können.

„Also ich glaube da wäre auch für die Angehörigen, oder diejenigen die die Pflege

vollziehen, sicher ein absoluter Mehrwert.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

99

Weiterer Aspekte des Tätigkeitsfeldes der RGKpP die sich vor allem auch aus den

Ergebnissen der Experten und Expertinneninterviews ergeben haben, sind zum einen die

Überwachung der Versorgungsqualität auch im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung,

„Es sind aber nicht alle Pflegerinnen, wirklich Pflegerinnen und gut. Das ist das Problem

in dieser Angelegenheit. (…) Also in elf Jahren, habe ich schon vieles gehabt.

Da gibt es Damen, die muss man einfach kontrollieren. Ich sag es wie es ist.“ ([Interview

II] Anhang A.9)

sowie die Durchführung von Sprechstunden in den regionalen Einrichtungen des Betreubaren

Wohnens sowie im Gemeindeamt.

„Es kommt jemand alle 14 Tage, ich weiß es jetzt nicht so genau, ins Haus und da kann

man sich beschweren und informieren wie es halt so läuft. Das finde ich gut.“ ([Interview

IV] Anhang A.11)

„(…) auch Sprechstunden am Gemeindeamt zu installieren. Also da glaube ich, dass es

mit Sicherheit nicht scheitern wird. Es geht einfach darum das es ein laufender Prozess ist

(…)“ ([Interview I] Anhang A.8)

Neben dem großen Aspekt der Aufgabe als Prozessbegleitung und Beratungsfunktion sehen

die Experten und Expertinnen auch positive Unterstützungsmöglichkeiten einer RGKpP durch

die Durchführung von quartalsmäßigen Fachvorträge zu verschiedensten

Gesundheitsthematiken,

„Da ist es natürlich sinnvoll Informationsvorträge zu halten, zum Beispiel für Angehörige

die in der Pflege als solches sind, beziehungsweise selbst betreuen. Und da zu vernetzen“

([Interview I] Anhang A.8)

in der Implementierung einer 24- Stunden Beratungs-/ Notfalls Hotline,

„Es oft genügt ein Telefonat, genügt ein Gespräch. Weil, ich denke oft an Menschen

die eine chronische Erkrankung haben, die brauchen nur das Gefühl da ist jemand.“

([Interview VI] Anhang A.13)

sowie bei der Organisation von monatlichen regionalen Seniorentreffen.

„Personen, die man durchaus auch zusammen führen kann, die man da vernetzten kann. (…)“([Interview I] Anhang A.8)

Eine Aufgabe im Rahmen des GuKG stellt die Dokumentation der administrativen Tätigkeit

dar, welche auch zur Datengewinnung regionaler Determinanten und Statistiken, sowie der

Darstellung der Qualität herangezogen werden kann.

Department Gesundheit

100

Eine weitere Hauptaufgabe der RGKpP, die sich aus ihrer Beratungs- und

Organisationsstätigkeit erschließt, ist die Koordinierung der verschiedenen

Gesundheitsdienstleister auch im Sinne des Schnittstellenmanagements. Die Experten

Expertinnen haben es treffend formuliert:

„Diese Person sollte auch den Charakter einer Schnittstelle haben. Das heißt, dass

sie den einen oder anderen zusammen bringt. Es ist ja oft so, das Rad muss nicht

immer neu erfunden werden. Das heißt wenn man irgendwo eine Problemstellung hat

und eine individuelle Lösung für ein konkretes Problem hat, dann kann man das mit

Sicherheit auch durch eine entsprechende Vernetzung weiter geben. Das heißt

Erfahrung jemanden anderen zu teil werden lassen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

„Sie kann mit allen in Kommunikation stehen. Genau dort wo zum Beispiel ein PHC

nicht möglich ist, kann genau sie diese Funktion erfüllen. Sie hat eine Multifunktion.“

([Interview VI] Anhang A.13

Beim Erstellen der individuellen Versorgungspläne gemeinsam mit den Betroffenen und deren

pflegenden Angehörigen, erfolgt eine Zusammenarbeit mit allen

Gesundheitsversorgungsdienstleistern (mobile Dienste, Landespflegeheime,

Physiotherapeuten, Bandagisten, Rettungsdiensten, etc.) in der Region.

„Ich glaube das ist eine ganz große Herausforderung, wie man die beteiligten Personen

an einen Tisch bring, damit sie verstehen, wo es eine Möglichkeit gibt miteinander zu

kooperieren und zu kommunizieren, damit es gut gelingen kann.“ ([Interview VI]

Anhang A.13)

Ein wesentliches Aufgabenbiet der regionalen Pflegeperson liegt auch in der Zusammenarbeit

mit dem Entlassungsmanagement der umliegenden Landesklinken sowie dem Medizinischen

Zentrum in Gänserndorf, auch um einen lückenlosen Transfer innerhalb der

Versorgungsebenen zu gewährleisten und dadurch auch den sogenannten Drehtüreffekt zu

vermeiden.

„Unsere Versorgung durch das Entlassungsmanagement beginnt im Spital mit der

Aufnahme und endet, wenn der Patient entlassen wird. Unser großes Handicap ist nicht

kontrollieren und überprüfen zu können, was wirklich außerhalb vom Krankenhaus, das

heißt wenn er zu Hause ist weiter erfolgt.“ ([Interview V] Anhang A.12)

„Sie verhindert den Drehtüreffekt, (…) Entlassungsmanagement darf nicht bei der

Krankenhaustüre enden und es darf auch nicht nur punktuell stattfinden.“ ([Interview

VI] Anhang A.13)

Department Gesundheit

101

Eine Kooperation mit dem niedergelassenen medizinischen Versorgungsbereichen spielen

eine wesentliche Rolle, ebenso die Umsetzung von beispielsweise Disease Management

Programmen und um generell durch präventives medizinisches und pflegerisches Handeln,

nicht unbedingt notwendige Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.

Als Kooperationsaspekt könnte auch die Zusammenarbeit beziehungsweise die Rücksprache

mit dem Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung in der häuslichen Pflege gesehen werden,

um im Anschluss an deren Hausbesuche, als RGKpP ein bedarfsmäßiges weiteres Monitoring

im häuslichen Setting durchführzuführen. Denn

„die Beratung durch die qualitätsicherung in der häuslichen Pflege, erfolgt einmalig.

Nach erfolgtem Besuch und wenn alles in Ordnung ist, wird dieser Mensch für zwei

Jahre von dem System gelöscht.“ ([Interview III] Anhang A.10)

Durch das Agieren der RGKpP als Schnittstelle auch in diesem Bereich wären eine optimalere,

durchgängige Kontrolle und Begleitung der älter werdenden und pflegebedürftigen

Gesellschaft, sowie deren pflegenden Angehörigen gewährleistet.

III. Welchen Nutzen hat die Implementierung von regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen (RGKpP) aus vergleichender Sicht mit bestehenden

internationalen Konzepten, sowie aus Expertensicht, für die österreichische

Primärversorgung.

Der Nutzen einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson basiert auf mehreren

Facetten.

Zum einen bietet sich durch die langfriste Beratung und Betreuung sowie die Koordinierung

der immer älter werdenden Gesellschaft, auch im Rahmen eines Case Managements

Prozesses eine Optimierung der Versorgung im häuslichen Setting. Im Rahmen dessen

kommt es auch, speziell vor dem Hintergrund der steigend Zahlen an dementiellen

Erkrankungen, zu einer Entlastung und Unterstützung der Familienpflege, die wesentlich zu

der Stabilisierung des primären Versorgungssektors beiträgt. Die Betroffenen werden dadurch

auch aktiv in das System der Gesundheitsversorgung mit eingebunden und mit Hilfe der

RGKpP die interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den Gesundheitssektoren, vor allem die

Schnittstelle niedergelassener medizinischer Versorgungsbereich und stationäre

Einrichtungen, gefördert.

Langfristig betrachtet kann man zum Einen durch eine Reduzierung der

Krankenhauseinweisungen beziehungsweise Wiederaufnahmen und zum Anderen durch eine

Department Gesundheit

102

kontinuierliche Gesundheitsförderung und eine Stärkung des Selbstfürsorge Verhaltens der

Menschen bzw. eine Förderung des Empowerment, eine Kostenreduktion aus

gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten herbei führen. Wesentlich Hauptnutzen der

Implementierung einer RGKpP stellt jedoch das Ziel dar, das Leben im häuslichen Setting so

lange wie möglich zu gewährleisten, sowie langfristig die Betreuung in der Primärversorgung

zu optimieren.

7.3 Diskussion

Wie auch aus der Theorie hervorgeht, ist die Förderung des primären Gesundheitssektors,

sowie die Stärkung des pflegerischen Tätigkeitsbereiches, speziell die Gesundheitsförderung

und -beratung keine unbekannte Thematik.

Warum es trotz zahlreichen Forderungen unter anderem durch die WHO bereits 1978 und

mehrerer Versuche durch das Bundesministeriums im Rahmen von Gesetzesnovellen,

Implementierung von Modellen wie die Integrierten Gesundheits- und Sozialsprengel (1992),

des Competence Center Integrierte Versorgung, Disease Management Programmen und

aktuell den Primary Health Care Centern in Wien als Pilotprojekte zu denen es derzeit ebenso

keine feste gesetzlichen Verankerungen gibt, noch zu keiner flächendeckenden und vor allem

einheitlichen Optimierung der Primärversorgung auch im Sinne von Public Health in

Österreich gekommen ist, bleibt im Rahmen dieser Arbeit ungeklärt.

Durch die vorliegenden Ergebnisse dieser Arbeit zeigt sich, dass Modelle wie „Primary

Nursing“, „Public Health Nursing“ wie aus zahlreichen gut funktionierenden internationalen

Systemen hervorgeht, einen absoluten Mehrwert für alle Ebenen der Gesellschaft (Micro,-

Meso,- Makroebene), sowie die Ebenen des Gesundheitsversorgungsystems mit sich bringen

würde.

Die bestehenden komplexen gesetzlichen Rahmenbedingungen des österreichischen

Gesundheitswesens, im speziellen im Kontext der Finanzierung eines neuartigen Modelles wie

es die RGKpP darstellen würde, erschweren die Implementierung als solches. Auch in Hinblick

auf die Klärung der Verantwortlichkeiten gäbe es zahlreiche offene Fragen. Einer der befragten

Experten und Expertinnen aus dem operativen Sektor hat dies im Rahmen des Interviews sehr

treffend erläutert:

„Wenn man so etwas als Kommune, oder als Region sowas als Pilotprojekt installieren

möchte, wird es sicher auch notwendig sein, dass man finanzielle Ressourcen frei gibt.

Das muss man sich genau anschauen, durch welche Träger, ein solches Modell

Department Gesundheit

103

finanziert werden kann. Wenn Institutionen an einem Strang ziehen ist da durchaus

auch etwas möglich. ([Interview I] Anhang A.8)

7.4 Schlussfolgerungen und Ausblick

Ziel dieser Arbeit war es auch die Wichtigkeit und auch die Wertigkeit von „Primary Nursing“

bzw „Public Health Nursing“, vor dem Hintergrund des systemischen Wandels gesteuert durch

die demographische Entwicklung und die geänderten Anforderungen an die

Gesundheitsversorgung, darzustellen. Wie aus Theorie und Empirie deutlich hervorgeht ist es

wesentlich, dass die Anpassung des primären Versorgungsettings unmittelbar in den nächsten

Jahren erfolgen muss und nicht erst wenn es bereits zu einer Verschiebung der Altersstruktur

gekommen ist. Die Implementierung einer regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson,

hätte wie sich in den Ergebnissen gezeigt hat einen breit gefächerten Nutzen in verschiedenen

Settings. Es wäre daher wesentlich für zukünftige Planungen und Steuerungen im

Gesundheitswesen, speziell in kommunalen Regionen diesen Nutzen zu erkennen und im

Versorgungssystem zu implementieren.

Es wäre wünschenswert wenn durch den Ansatz dieser empirischen Arbeit, eine Gemeinde

oder ein politischer Bezirk diese Möglichkeit nutzen würde, um als Vorzeigeprojekt den Anstoß

für eine flächendeckende Umsetzung zu geben und dahingehend sogar einen Meilenstein in

der österreichischen Primärversorgung zu setzten.

„Da muss man wahrscheinlich ab und an auch vielleicht, ein bisschen, zumindest auf

regionaler Ebene Pionierarbeit leisten dazu bereit sein auch zu investieren. Weil nur,

wie oftmals im Leben, wenn man entsprechend auch bereit ist in etwas zu investieren,

kann man eine Verbesserung herbeiführen.“ ([Interview I] Anhang A.8)

Department Gesundheit

104

8 VERZEICHNISSE

8.1 Literaturverzeichnis

8.1.1 Literaturquellen

Anmeldung, V.E., Janus, K. (2005) Modelle der integrierten Versorgung im Spannungsfeld

zwischen Management und Politik. In: Klauber, J., Robra, B.P., Schellschmitt,

H.(Hrsg.) Krankenhaus- Report 2005, Schwerpunkt: Wege zur Integration, S. 13-24.

Stuttgart: Schattauer GmbH

Beck P., Truskaller T., Rakovac I., Bruner F., Zanettin D., Pieber TR.,

Informationssysteme für Administration, medizinische Dokumentation und

Qualitätssicherung im österreichischen Disease Management Programm. In: Schreier

G., Hayn D., Ammenwerth E., (Hrsg.) Tagungsband der eHealth2009: Health

Informatics meets eHealth. 7.-8.Mai 2009; S. 183-189 Wien

Brieskorn- Zinke, M., (2007) Public Health Nursing. Der Beitrag der Pflege zur

Bevölkerungsgesundheit. Stuttgart: Kohlhammer Verlag

Czypionka, T., Röhrling, G., Ulinski, S., Berger, M. (2014) Ambulatory Care Sensitive

Conditions: Einflussmöglichkeiten und Ansätze zur Reduktion – internationale

Evidenz, Beilage zur Fachzeitschrift soziale Sicherheit, erstellt durch das Institut

für höhere Studien, IHS HealthEcon, Herausgegeben vom Hauptverband der

österreichischen Sozialversicherungsträger, Ausgabe II 2014

Deutmeyer, M.& Thiekötter, A. (Hrsg.), (2007) Aktuelle Entwicklungen im österreichischen

Gesundheits- und Pflegemanagement, Probleme- Analysen- Perspektiven, Wien:

Facultas Verlag

Egger, K., Höfler, S. , Rossa, M. (2012). Strategien für die Gesundheitsversorgung:

Lösungsansätze des Competence Centers Integrierte Versorgung. Soziale Sicherheit,

2012, 14-24

Department Gesundheit

105

Ehlers, C. (2011). Care und Case Management in der Pflege für die Aus-, Fort- und

Weiterbildung. Berlin: Cornelsen Verlag.

Ertl, R., Kratzer, U. (2001). Hauskrankenpflege: wissen- planen-umsetzten. Wien: Facultas

Universitätsverlag

Gittler- Hebenstreit, N. (2006).Pflegeberatung im Entlassungsmanagement. Grundlagen

Inhalte- Entwicklungen. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft

Haas, M. (2007), Das Nahtstellenmanagement zwischen dem intra- und extramuralen

Bereich am Beispiel des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder St. Veit/ Glan

und des Bezirks Feldkirchen im Hinblick auf integrierte Versorgung. In Deutmeyer,

M.& Thiekötter, A. (Hrsg.), (2007) Aktuelle Entwicklungen im österreichischen

Gesundheits- und Pflegemanagement, Probleme- Analysen- Perspektiven, Wien:

Facultas Verlag

Hofmarcher, M. (2013). Das österreichische Gesundheitssystem. Akteure, Daten, Analysen.

Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Karl, B. (Hrsg.) (2008). Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 08. Wien: NMV

Klauber, J., Robra, B.P., Schellschmitt, H.(Hrsg.) Krankenhaus- Report 2005, Schwerpunkt:

Wege zur Integration, S. 13-24. Stuttgart: Schattauer GmbH.

Leichsenring, K. (2015) „Buurtzorg Nederland“ Ein innovatives Modell der Langzeitpflege

revolutioniert die Hauskrankenpflege. Procare, 8/2015, 20-24

Mayring, P. (2003) Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 8. Auflage,

Stuttgart: UTB Verlag

Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken: Beltz GmbH,

Julius.

Monteiro, T. (1985) Public Health Then and Now. Florence Nightingale on Public Health

Nursing. American Journal of Public Health, 75 (2), 181-186

Department Gesundheit

106

Müller, M., Haider, W. (2008) Case Management in der Sozialversicherung zur Förderung

der Kundenorientierung. In Karl, B. (Hrsg.), Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 08 (S.

79-84). Wien: NWV

Ohne Verfasser- Kompetenzzentrum der Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege (2010),

Qualität Sicherung in der häuslichen Pflege- Wir sorgen für Unterstützung der

Pflegegeldbezieher und ihren pflegenden Angehörigen, In: Soziale Sicherheit, 10

Pochobradsky, E.; Bergmann, F.; Brix-Samoylenko, H.; Erfkamp, H.; Laub,R., Auftraggeber:

Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) sowie des BMSK

(2005), Situation pflegender Angehöriger, Wien

Pongratz, R., Langsenlehner, U., Hofer, G., Silke, M. (2016) Arzthandbuch. Kurzfassung. Der

Behandlungspfad zum Disease Management Programm Diabetes Mellitus Typ 2.

Graz: STGKK

Pongratz, R., Hofer, G., Langsenlehner, U., Silke, M., Sauermann, R. (2016) Arzthandbuch

zum Disease Management Programm Diabetes Mellitus Typ 2. Graz: STGKK

Quantum Institut für betriebswirtschaftliche Beratung GmbH, Auftraggeber: Rep. Österreich-

BMSK (2007), Studie über die Organisation und Finanzierung der Pflegevorsorge in

Österreich, Klagenfurt

Riedl, M., Czypionka, T. (2012) Health Professionals der Zukunft, Beilage zur Fachzeitschrift

soziale Sicherheit, erstellt durch das Instutut

für höhere Studien, IHS HealthEcon, Herausgegeben vom Hauptverband der

österreichischen Sozialversicherungsträger, Ausgabe I/ Frühjahr 2012

Sagmeister, G. (2007) Entlassungsmanagement und Überleitungspflege als Möglichkeit zur

Sicherstellung der pflegerischen Versorgung zwischen intra- und extramuralen

Bereich: Wie aus einer Schnitt eine Nahstelle wird. Aktuelle Entwicklungen im

Österreichischen Gesundheits- und Pflegemanagement, Probleme- Analysen-

Perspektiven, Wien: Facultas Verlag

Department Gesundheit

107

Schaffenberger, E.; Prochobradsky, E. (2004) Ausbau der Dienste und Einrichtungen für

pflegebedürftige Menschen in Österreich – Zwischenbilanz 2003.

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,

Wien

Seidl, E-; Nagl-Cupal, M.; Adler, A.; Hinterlehner- Becker, S.; Weberndorfer, E. (2006) Zu

Gast im Pflegeheim: Was erwarten sich pflegende Angehörige von Kurzzeitpflege als

entlastende Maßnahme, Forschungsarbeit der Universität Wien- Fakultät für

Sozialwissenschaften, Institut für Pflegewissenschaft

Schmitt, S. (2011) Neue Handlungsfelder in der Pflege. Potenzielle Chancen

der Pflege in Gesundheitsförderung und Prävention. Die Rotkreuzschwester,

3/2011, 21-24

Schreier G., Hayn D., Ammenwerth E., (Hrsg.) Tagungsband der eHealth2009: Health

Informatics meets eHealth. 7.-8.Mai 2009; S. 183-189 Wien

Ströbl, A., Weidner, F., Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (Hrsg.) (2003)

Ansätze zur Pflegeprävention: Rahmenbedingungen und Analyse von

Pflegebedürftigkeit. Zwischenbericht 2002. Köln: Schlütersche Verlag.

Wendt, W.R. (2015). Case Management im Sozial und Gesundheitswesen. Eine Einführung.

6. Auflage, Freiburg im Breisgau: Lambertus- Verlag

8.1.2 Internetquellen

Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (2016) Bevölkerung. Verfügbar unter:

http://www.noe.gv.at/Land-Zukunft/Zahlen-Fakten/Bevoelkerung.html [Stand

29.06.16]

AMS (o.J.) Gehaltskompass. Verfügbar unter: http://www.gehaltskompass.at/berufsliste

[Stand 29.06.2016]

Department Gesundheit

108

Anke Huss, A., Stuck, A., Rubenstein, L., Egger,M., Clough-Gorr, K. (2008) Multidimensional

Preventive Home Visit Programs for Community-Dwelling Older Adults: A Systematic

Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. In: Journal of

Gerontology: MEDICAL SCIENCE 2008, Vol. 63A, No. 3, 298–307. Verfügbar unter:

https://www.researchgate.net/profile/Laurence_Rubenstein/publication/5476477_Multi

dimensional_Preventive_Home_Visit_Programs_for_Community-

Dwelling_Older_Adults_A_Systematic_Review_and_Meta-

Analysis_of_Randomized_Controlled_Trials/links/0912f50b3a0906e42f000000.pdf

[18.06.16]

Bundesministerium für Gesundheit. Primärversorgung Neu. Verfügbar unter:

http://www.bmg.gv.at/home/Primaerversorgung [05.04.2016]

Bundesministerium für Arbeit, soziales und Konsumentenschutz (2010): Österreichischer

Pflegevorsorgebericht 2010, Wien. Verfügbar unter:

https://www.connexia.at/fileadmin/Kompetenzzentrum_Pflege/Downloads/Pflegevorso

rgeberichte_des_Bundes/Pflegevorsorgebericht_2010.pdf [15.05.2016]

Bundesministerium für Arbeit, soziales und Konsumentenschutz (2014): Österreichischer

Pflegevorsorgebericht 2014, Wien. Verfügbar unter:

https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/8/7/9/CH2094/CMS131427553

8249/oesterreichischer_pflegevorsorgebericht_2014.pdf [15.05.2016]

Competence Center integrierte Versorgung – CCIV (ohne Jahr): Integrierte Versorgung.

Verfügbar unter:

https://www.sozialversicherung.at/portal27/sec/portal/ccivportal/content/contentWindo

w?contentid=10007.754471&action=2 [05.06.2016]

Czypionka, T., Kalmar, M., Ullinski, S. (2011): Health System Watch- Disease-Management-

Programme für Diabetes mellitus Typ 2: Was kann Österreich bei der Umsetzung

noch lernen. Verfügbar unter:

http://www.ihs.ac.at/departments/fin/HealthEcon/watch/hsw11_4d.pdf [05.06.2016]

Department Gesundheit

109

Czypionka, T., Titelbach, G., Klambauer, A. (2012): Health System Watch- Regionale

Versorgung im ambulanten Bereich: Internationale Perspektiven. Verfügbar unter:

http://www.ihs.ac.at/departments/fin/HealthEcon/watch/hsw12_4d.pdf [05.06.2016]

Deutsches Bundesministerium für Gesundheit (2015): Glossar, Entlassungsmanagement.

Verfügbar unter: http://bmg.bund.de/glossarbegriffe/e/entlassungsmanagement.html

[05.04.2016]

Duden. Extramural. Verfügbar unter http://www.duden.de/rechtschreibung/extramural

[05.04.2016]

Ehgartner, G., Bittner, M. (2011) Altersalmanach „Alt werden in Niederösterreich 2011“.

Verfügbar unter: http://zesg.noe

lak.at/sites/default/files/documents/altersalmanach201101.pdf [28.6.2016]

Eger, K. (2011) Integrierte Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen. Status Quo

und Ausblick. Verfügbar unter: http://www.patientenanwalt.com/wpfb-

file/integrierte_versorgung_im_gesundheitswesenm_mag_karin_eger_gesundheitswe

sen-pdf/ [10.04.2016]

Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (2007) Alterspolitik im Kanton Bern

Zwischenbericht April 2007. Verfügbar unter:

www.gef.be.ch/gef/de/index/.../de/.../Altersbericht_2007_de.pdf [08.05.2016]

Malteser Care Ring (2016) Care Management. Verfügbar unter: http://www.malteser-care-

ring.at/leistungen/care-management [10.04.2016]

Mühlbacher, A., Ackerschott, S. (2007) Die Integrierte Versorgung. Verfügbar unter:

https://www.researchgate.net/publication/223736008_Die_virtuelle_Organisation_Der_Schlu

ssel_zur_Integrierten_Versorgung_in_Deutschland [10.04.2016]

National Health Service. District Nurse. Verfügbar unter:

https://www.healthcareers.nhs.uk/explore-roles/nursing/district-nurse [05.04.2016]

Department Gesundheit

110

National Health Service. Real-life story - Suzanne Whitwell. Verfügbar unter:

https://www.healthcareers.nhs.uk/explore-roles/nursing/district-nurse/real-life-story

suzanne-whitwell [05.04.2016]

Pflegestützpunkte Berlin. Was können sie von uns erwarten? Verfügbar unter:

http://www.pflegestuetzpunkteberlin.de/index.php/ueber-uns/was-koennen-sie-von-uns-

erwarten [16.06,2016]

Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege- Kompetenzzentrum, Auftraggeber:

Bundesministerium für Arbeit Soziales und Konsumentenschutz – BMASK (2016),

Bundespflegegeldgesetz Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege

Auswertung der von den diplomierten Gesundheits-/Krankenpflegepersonen

durchgeführten Hausbesuch im Zeitraum von 01. Jänner 2015 bis 20. Jänner 2016.

Verfügbar unter:

https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/3/8/8/CH3434/CMS145630191

1237/auswertung_sb_01012015-20012016_24-h-betreuung.pdf [05.06.2016]

Sozialversicherung der Bauern. (2016) Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege – ein

Erfolgskonzept. Verfügbar unter:

https://www.svb.at/portal27/sec/portal/svbportal/content/contentWindow?contentid=10

007.718100&action=2 [27.06.2016]

Statistik Austria. (2014) Demographische Prognosen. Kleinräumige Bevölkerungsprognose

2014. Verfügbar unter:

http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/d

emographische_prognosen/index.html [10.04.2016]

Statista (2016) Anzahl niedergelassener Ärzte in Österreich nach Alter und Geschlecht im

Jahr 2014. Verfügbar unter:

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/298217/umfrage/oesterreich-

niedergelassenene-aerzte-nach-alter-und-geschlecht/ [05.05.2016]

Department Gesundheit

111

Steiermärkische Gebietskranke. Therapie aktiv. Umsetzungsstand in Österreich. Verfügbar

unter:

https://www.sozialversicherung.at/portal27/sec/portal/diabetesportal/content/contentW

indow?contentid=10007.682250&action=2 [05.05.2016]

Steiermärkische Gebietskrankenkasse. Disease Management Programm. Verfügbar unter:

http://diabetes.therapieaktiv.at/portal27/portal/diabetesportal/content/contentWindow?

contentid=10007.682105&action=e&windowstate=normal&viewmode=content&mode

=view [10.04.2016]

Vass, M., Avlund, K., Hendriksen, C., Philipson, L., Riis, P. (2007) Preventive home visits to

older people in Denmark. Why, how, whom, when? In: Gerontologie und Geriatrie

40:209-216. Verfügbar unter: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00391-007-

0470-2#page-2 [18.6.16]

Weilguni, V. (2015). Zwei Wiener Pilotprojekte zu Primary Health Care. In Ärztewoche 5/

2015. Wien: Springerverlag. Verfügbar unter:

http://www.springermedizin.at/artikel/45215-zwei-wiener-pilotprojekte-zu-primary-

health-care [27.06.16]

WHO (1978). Erklärung von Alma- Ata. Verfügbar unter:

http://www.euro.who.int/de/publications/policy-documents/declaration-of-alma-ata,-

1978 [13.03.2016]

Wild, M. (2009) Public Health als Handlungsfeld für die Pflege – immer schon – und jetzt

umso mehr!. In: NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft (Hrsg.) Laut gedacht.

Wegweiser zur Umsetzung der Patientenrechte. S.1-10. Verfügbar unter:

www.patientenanwalt.com/.../Public_Health_als_Handlungsfeld_fuer_die_Pflege

[08.05.2016]

Department Gesundheit

112

8.1.3 Gesetzestexte

Österreichische Bundesregierung. (1997, 19.August) Gesundheits- und

Krankenpflegegesetz: GuKG. Verfügbar unter:

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnu

mmer=10011026 [16.01.2016]

Österreichische Bundesregierung. (2013, 23.Mai) Bundesgesetz zur partnerschaftlichen

Zielsteuerung-Gesundheit: Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – G-ZG. Verfügbar

Unter:https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2013_I_81/BGBLA_20

13_I_81.pdf [18.7.2016]

Österreichische Bundesregierung. (1930, 02. Jänner) Bundesverfassungsgesetzt: B-VG.

Verfügbar unter:

https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Kundmachungsorg

an=&Index=&Titel=&Gesetzesnummer=&VonArtikel=&BisArtikel=&VonParagraf=&Bis

Paragraf=&VonAnlage=&BisAnlage=&Typ=&Kundmachungsnummer=&Unterzeichnu

ngsdatum=&FassungVom=05.06.2016&VonInkrafttretedatum=&BisInkrafttretedatum=

&VonAusserkrafttretedatum=&BisAusserkrafttretedatum=&NormabschnittnummerKo

mbination=Und&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=Bvg&Positi

on=101[ 05.06.2016]

Österreichische Bundesregierung (1994,17.Juni) Bundesgesetz über Sicherheit und

Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG)

Verfügbar unter:

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesn

ummer=10008910 [29.06.2016]

Department Gesundheit

113

8.2 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Case Management Regelkreis, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an

Moxley, D. (1989, S.18) ....................... ....................................................................... 15

Abbildung 2: Pflegekette- Stufenaufbau der Pflege und Betreuung alter Menschen, Quelle:

Eigene Erstellung in Anlehnung an Ertl & Kratzer (2001, S.45) .................................... 20

Abbildung 3: "Baustellen" der integrierten Versorgung, Quelle: Amelung und Janus (2005,

S.21) .................................................... ....................................................................... 24

Abbildung 4: Gemeindekrankenschwester 1950, Quelle: Ehlers, 2011, S. 93 ...................... 40

Abbildung 5: Gemeinsamkeiten internationaler Konzepte, Quelle: Eigene Darstellung ........ 43

Abbildung 6: Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring, Quelle: Eigene Darstellung

in Anlehung an Mayring, 2003, S.60 .... ....................................................................... 49

Abbildung 7: Kategorieschema Quelle: Eigene Darstellung ................................................. 51

Abbildung 8: Ablaufschema Bedarfsplanung. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www............... 83

Abbildung 9: Betreuungssituation in NÖ. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www ..................... 84

Abbildung 10: Steigerung der PflegegeldbezieherInnen der Stufen 5+ bis 2021. Quelle:

Ehgartner et.al, 2011, www .................. ....................................................................... 84

Abbildung 11: Wohnbevölkerung Gänserndorf 2015, Quelle: Amt der NÖ Landesregierung,

2016, www ........................................... ....................................................................... 86

Abbildung 12: Altersstruktur im Bezirk Gänserndorf. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung

an die Daten des Amt der NÖ Landesregierung .......................................................... 87

Abbildung 13: Das Gesundheits- und Sozialsystem- Schnittstelle RGKPP, Quelle Eigene

Erstellung in Anlehnung an Ertl& Kratzer (2001, S.39) ................................................. 88

Department Gesundheit

114

A ANHANG

A.1 Einverständniserklärung zum Interview

Einverständniserklärung zum Interview

Forschungsprojekt: Masterthesis – Optimierung der Primärversorgung n den

österreichischen Gemeinden, durch die Implementierung von „Regionalen Gesundheits-und

Krankenpflegepersonen“.

Durchführende Institution: Im Rahmen des Masterstudium Management im

Gesundheitswesen an der FH Burgenland

Verantwortliche: Stephanie Elisabeth Walla, BA

Interviewte/Interviewter:

Interviewdatum:

Ich erkläre mich dazu bereit, im Rahmen der genannten Masterthesis an einem Interview

teilzunehmen. Ich wurde über den Inhalt des Forschungsprojekts informiert. Ich kann das Interview

jederzeit abbrechen und meine Einwilligung in eine Aufzeichnung und Niederschrift des Interviews

zurückziehen, ohne dass mir dadurch irgendwelche Nachteile entstehen.

Ich bin damit einverstanden, dass das Interview mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und sodann

von der Verantwortlichen der Masterthesis in Schriftform gebracht wird.

Für die weitere wissenschaftliche Auswertung des Interviewtextes

- können alle von mir gemachten Angaben zu meiner Person aus dem Text verwendet werden.

- sollen alle Angaben zu meiner Person entfernt und/oder anonymisiert werden.

(Nicht zutreffendes bitte streichen.)

Mir wird außerdem versichert, dass das Interview in der wissenschaftlichen Arbeit nur in Ausschnitten

zitiert wird, um sicherzustellen, dass ich auch durch die in den Interviews erzählte Reihenfolge von

Ereignissen nicht für Dritte erkennbar werde.

Ort, Datum, Unterschrift

Department Gesundheit

115

A.2 Interviewleitfaden B1

Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

zur Optimierung der Primärversorgung“

Interviewpartner: Rene Lobner Aufgabengebiet: Bürgermeister der Stadt Gänserndorf Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:

Einführungsphase durch die Interviewerin

- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer

Leitfrage/ Erzählungsaufforderung

- Sie sind Bürgermeister der Stadt Gänserndorf. Mit welchen Aufgaben hinsichtlich der Pflege und Betreuung älterer Menschen sind sie im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert? Bitte erzählen sie davon.

- Welche Pflege und Betreuungsangebote gibt es derzeit in ihrer Stadt und den umliegenden Gemeinden?

Inhaltliche Aspekte

- Aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes- gibt es Defizite hinsichtlich der derzeitige Betreuungs- und Pflegesituation in ihrer Stadt, sowie in den umliegenden Gemeinden? Bitte gehen sie darauf näher ein.

Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“

Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte

- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des

Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne

des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen

- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?

- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement? - In ihrer Stadt/ in ihrer Region - Generell in der österreichischen Primärversorgung

- Welchen Nutzen würden Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, in Ihrer Stadt sehen?

- Gibt es noch etwas das Sie z der Thematik anfügen/ sagen möchten?

Department Gesundheit

116

A.3 Interviewleitfaden B2

Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

zur Optimierung der Primärversorgung“

Interviewpartner: Frau Christine Traunig

Aufgabengebiet: Pflegende Angehörige- Ihre Tante wird von eine 24 Stunden Pflegekraft betreut. Frau Horvath kümmert sich um die administrativen Aufgaben rund um die Versorgung ihrer Tante. Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:

Einführungsphase durch die Interviewerin

- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer

Leitfrage/ Erzählungsaufforderung

Sie sind pflegende Angehörige und kümmern sich um die administrativen Aufgaben rund um die

Versorgung ihrer Tante.

- Erzählen Sie mir bitte von ihrem Alltag als pflegende Angehörige. Wie geht es Ihnen mit dieser Situation?

Inhaltliche Aspekte

- Welche positiven, aber auch negativen Erfahrungen haben sie mit dem Gesundheitssystem (Krankenhaus, Hausarzt, Fachärzte, pflegerische Betreuung, etc.) gemacht?

o Bei negativen Erfahrungen (narrativ wiederholen) Wie haben Sie sich dabei gefühlt/ wie ist es Ihnen dabei gegangen? Welche Unterstützung hätten Sie sich in dieser Situation gewünscht?

- Gibt es jemanden der Sie bei der Organisation von Gesundheits- und medizinischen Angelegenheiten ihrer Tante unterstützt?

Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“ – Im Gegensatz zur Hauskrankenpflege, nicht für die pflege an sich zuständig Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte - Vorbeugende Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen, „Hilfe zur

Selbsthilfe“– Nutzen? - Unterstützung bei der Organisation von passenden Hilfsangebote und Zusammenarbeit mit

dem Hausarzt bei der Überwachung von Vitalwerten- Vorteile? Nachfragen

- Würden Sie so jemanden für ihre Tante in Anspruche nehmen? o Und wenn ja, warum? o Wenn nein, warum und wenn unter welchen Vorrausetzungen?

Department Gesundheit

117

A.4 Interviewleitfaden B3

Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

zur Optimierung der Primärversorgung“

Interviewpartnerin: Fr. Betina Rauscher, MSc

Aufgabengebiet: Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum Qualitätssicherung häusliche Pflege, Stationsleitung in einem niederösterreichischen Landespflegeheim Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:

Einführungsphase durch die Interviewerin

- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer

Leitfrage/ Erzählungsaufforderung

- Sie sind Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum Qualitätssicherung häusliche Pflege, bitte erzählen Sie mir von ihrem Aufgabengebiet.

Inhaltliche Aspekte

- Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert? - Welche (weitere) Problematik besteht im speziellen bei der Betreuung im häuslichen

Setting für Betroffene bzw. deren pflegende Angehörige?

Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“

Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte

- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des

Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne

des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen

- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?

- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement?

- Welchen Nutzen sehen Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, speziell in den österreichischen Gemeinden?

- Gibt es noch etwas das Sie zu der Thematik anfügen/ sagen möchten?

Department Gesundheit

118

A.5 Interviewleitfaden B4

Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

zur Optimierung der Primärversorgung“

Interviewpartner: Fr. Thekla Stoff

Aufgabengebiet: Alleinstehende ältere Dame, wohnt in einer Einrichtung des Betreuten Wohnen, war selbst pflegende Angehörige bis zum Tod ihres Gatten Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:

Einführungsphase durch die Interviewerin

- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer

Leitfrage/ Erzählungsaufforderung

- Sie sind Sie sind xx Jahre alt und wohnen alleine in einer Wohnung des Betreuten Wohnen. - Erzählen Sie mir bitte von ihrem Alltag. - Wie geht es Ihnen?

Inhaltliche Aspekte

- Welche positiven, aber auch negativen Erfahrungen haben sie mit dem Gesundheitssystem (Krankenhaus, Hausarzt, Fachärzte, pflegerische Betreuung, etc.) gemacht?

o Bei negativen Erfahrungen (narrativ wiederholen) Wie haben Sie sich dabei gefühlt/ wie ist es Ihnen dabei gegangen? Welche Unterstützung hätten Sie sich in dieser Situation gewünscht?

- Gibt es jemanden der Sie bei der Organisation von Gesundheits- und medizinischen Angelegenheiten unterstützt?

Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“ – Im

Gegensatz zur Hauskrankenpflege, nicht für die pflege an sich zuständig

Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte

- Vorbeugende Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen, „Hilfe zur

Selbsthilfe“– Nutzen? - Unterstützung bei der Organisation von passenden Hilfsangebote und Zusammenarbeit mit

dem Hausarzt bei der Überwachung von Vitalwerten- Vorteile? Nachfragen

- Würden Sie so jemanden in Anspruch nehmen?

o Und wenn ja, warum? o Wenn nein, warum und wenn unter welchen Vorrausetzungen?

Department Gesundheit

119

A.6 Interviewleitfaden B5

Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

zur Optimierung der Primärversorgung“

Interviewpartner: DGKP Werner Krammer

Aufgabengebiet: Entlassungsmanager und Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger im Landesklinikum Mistelbach Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:

Einführungsphase durch die Interviewerin - Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer

Leitfrage/ Erzählungsaufforderung

- Sie sind Mitarbeiterin im Entlassungsmanagement des Landesklinikum Mistelbach, bitte erzählen Sie mir von ihrem Aufgabengebiet.

Inhaltliche Aspekte

- Aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes- gibt es Defizite hinsichtlich des Entlassungsprozess sowie der Folgeversorgung nach stationären Aufenthalts und können sie diese genauer erläutern?

- Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert?

Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“

Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte

- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des

Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne

des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen

- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?

- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement?

- Welchen Nutzen sehen Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, auch hinsichtlich des Entlassungsmanagement?

- Gibt es noch etwas das Sie zu der Thematik anfügen/ sagen möchten?

Department Gesundheit

120

A.7 Interviewleitfaden B6

Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen zur Optimierung der Primärversorgung“

Interviewpartnerin: Fr. Birgit Meinhard- Schiebl

Aufgabengebiet: Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger sowie Gesundheits- und Seniorensprecherin der Grünen Wien Datum des Interview: 20.06.2016 Uhrzeit des Interview: 18:15 Ort: Cafe Eiles Wien

Einführungsphase durch die Interviewerin

- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer

Leitfrage/ Erzählungsaufforderung

- Sie sind Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, sowie Gesundheits- und Seniorensprecherin der Grünen in Wien, bitte erzählen Sie mir von ihrem Aufgabengebiet.

Inhaltliche Aspekte

- Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert? - Welche (weitere) Problematik besteht im speziellen bei der Betreuung im häuslichen

Setting für Betroffene bzw. deren pflegende Angehörige?

Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“

Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte

- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des

Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne

des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen

- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?

- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement?

- Welchen Nutzen sehen Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, speziell in den österreichischen Gemeinden?

- Gibt es noch etwas das Sie zu der Thematik anfügen/ sagen möchten?

Department Gesundheit

121

A.8 Transkription Interview I

Experteninterview I

Interviewdatum: 06.06.2016

B1: Rene Lobner- Bürgermeister der Stadt Gänserndorf

I1: Stephanie Walla, BA

I1: Sie sind Bürgermeister der Stadt Gänserndorf, mit welchen Aufgaben hinsichtlich der 1

Pflege und Betreuung älterer Menschen, sind sie im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert (?) 2

Bitte erzählen sie einfach mir davon. 3

B1: Klarer weiser in meiner Form als Bürgermeister bin ich mit allen Organisationen die sich 4

diesem Thema widmen in Kontakt, sei es unser Landespflegeheim, sei es Einrichtungen wie 5

Hilfswerk sei es andere Institutionen, da Versucht man natürlich immer als Schnittstelle und 6

als Kommunikationsplattform zu dienen. Auch was das Betreute oder (,) betreubare Wohnen 7

anbelangt in unserer Gemeinde, versucht man natürlich da die Anliegen der älteren 8

Generationen (,) im speziellen oder den Anliegen gerecht zu werden. Wir haben ja bereits ein 9

Betreutes Wohnen und sind jetzt gerade dabei einen weiteren Bau zu errichten, um dem 10

Thema auch gerecht zu werden und da bekommt man natürlich auch immer wieder mit, wie 11

unterschiedlich und diffizil die Anliegen sind. Also die Grundvoraussetzungen (,) und da 12

versuchen wir auch als Gemeinde … ein bisschen als Schnittstelle zu funktionieren … wobei 13

das natürlich (,) auch nur in einem eingeschränkten Maße passiert. 14

I1: Das heißt sie haben schon ein paar Angebote, die es in der Stadt und auch in den 15

umliegenden Gemeinden eventuell gibt, aufgezählt. (,) Sie haben kurz das Thema Defizite 16

angesprochen … aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes, gibt es Defizite hinsichtlich der 17

derzeitigen Betreuungssituation (?) … in den umliegenden Gemeinden, können sie näher 18

darauf eingehen, wo sehen sie da die Problematik (?) 19

B1: Ja wir wissen, dass sehr viele ältere Menschen in den einengen vier Wänden alt werden 20

wollen, ja (,) Stichwort betreutes Wohnen … und da ist es so, dass natürlich (,) das betreute 21

Wohnen primär in den größeren Einheiten, größeren Gemeinden, Kommunen Platz findet … 22

da ist mit Sicherhit in den umliegenden Gemeinden von Gänserndorf (,) eine gewisse 23

Drucksituation … Wir bekommen das mit, wenn ein neues Projekt … betreutes Wohnen 24

entsteht, ist das Interesse sehr groß. Das heißt offensichtlich ist der Bedarf enorm groß, und 25

wir haben in unmittelbaren Nähe, in Strasshof, in Deutsch Wagram und in Gänserndorf (,) 26

respektive, also wie gesagt in den größeren Einheiten, diese Einrichtungen, in den kleineren 27

Department Gesundheit

122

nicht, weil natürlich die Infrastruktur nicht gegeben ist, und insofern (PAUSE) haben wir da 28

sicher auch in Zukunft weiter Bedarf, weil jedes Mal wenn Einheiten hier entstehen die 29

innerhalb kürzester Zeit vergeben sind (,) spricht das für mich, dass da ein enormer Bedarf da 30

ist und das auch viele Leute, die auch jetzt noch nicht in der Situation akut sind, aber trotzdem 31

weitblickend vorrausschauen., weil aus familiärer Sicht hätten sie niemanden der sie 32

unterstützt. Wir haben private Häuser mit Gärten (,) wo sie sagen, das werde ich in ein paar 33

Jahren mit Sicherheit nicht mehr schaffen das selbstständig zu pflegen (,) und darum schauen 34

diese auch zeitgerecht das sie für ihren Lebensabend sozusagen, die ideale Lösung finden (,) 35

und darum glaube ich das, dass Problem oder die Thematik, (,) sagen wird nicht Problem, aber 36

die Thematik in den nächsten Jahren, weiter steigen wird (,) und da der Bedarf enorm groß 37

sein wird. 38

I1: (Zustimmendes Nicken) Wie sind die betreuten Wohnformen, also das betreute Wohnen, 39

man kann sich ja die Option offen halten ob man den Beratungsvertrag nimmt oder nicht … 40

B1: Zustimmendes Ja 41

I1: wie sind die Leute die sich den Betreuunngsvertrag dazu nehmen (,) momentan, wie 42

werden die betreut oder versorgt (?) 43

B1: Also bei uns ist es so im aktuellen (,) betreuen Wohnen in der Barbaraheimstrasse, wird 44

das in Kooperation mit dem angrenzenden Landespflegeheim erledigt. Da gibt es natürlich 45

optimale Synergien, weil die die Einrichtungen des Landespflegeheims optimal mitnutzen 46

können. Da gibt es auch die Kooperation im Freizeitsektor, auch was das Mittagessen 47

anbelangt, da funktioniert es in ausgezeichneter Art und Weise und da glaub ich haben alle 48

bis auf einen dieser Bewohner einen Betreuungsvertrag unterzeichnet … Im neuen betreuten 49

Wohnen da wird jetzt gerade eine neue Option ausgelotet (PAUSE) Da kann ich aber zur 50

aktuellen Situation nichts sagen (,) weil das gerade … am Ausarbeiten ist. Da wird es meines 51

Wissens nicht mehr über das Landespflegeheim passieren, sondern da sucht man eine neue 52

Option (,) unter Umständen über das Hilfswerk (,) und wie da der Zugang sein wird, getraue 53

ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen. Die Leute die zum jetzigen Zeitpunkt in der 54

akuten Situation sind, dass sie diesen Vertrag in Anspruch nehmen, die tun das gerne … die, 55

die das eher als zukünftige Option haben, die zaudern und zögern da ein Stück weit, weil es 56

natürlich auch mit monatlichen Kosten verbunden ist. Aber so einen Vertrag zu haben, das ist 57

auf jeden Fall sicher sinnvoll. 58

I1: Abgesehen von betreuten Wohnformen die es in Gänserndorf gibt, haben sie schon 59

angesprochen, gibt es auch anderen Betreuungsformen wie das Hilfswerk … 60

B1: Zustimmendes Ja 61

Department Gesundheit

123

I1: … Beispiel. Haben sie da Erfahrungswerte oder Berichte gehört, dass es da Defizite oder 62

Problematiken gibt, hinsichtlich Betreuungsverträgen, … oder auch mit 24 Stunden Pflege. 63

B1: Naja es ist halt die Frage (PAUSE) Probleme … es gibt die privat organisierten 24- 64

Stunden (,) Pflegeeinheiten, oder Betreuerinnen die über Organisationen, oder private 65

organisiert werden, und dann haben wir die Einrichtungen, ala Hilfswerk, wo man eine gewisse 66

(,) ein gewisses Monitoring, einen gewissen Überblick auch über das Land direkt hat. Das ist 67

bei den privaten eher weniger. DA haben wir weniger den Zugang. Über das Hilfswerk direkt, 68

da pflegen wir natürlich einen relativ intensiven Kontakt und da funktioniert es aus meiner Sicht 69

relativ gut. Wie es in den privaten Formen ausschaut mit der Qualität, tue ich mir relativ schwer 70

zu sagen, weil wir da relativ wenig Einblick und Überblick haben. 71

I1: Es gibt internationale oder Europäische Konzepte. Ich werde diese kurz erläutern. Es gibt 72

zum Beispiel die sogenannte „District Nurse“ in National Health Service in Großbritannien 73

beispielsweise. Es gibt das „Burrtzorg“ Modell, community nurses aus den Niederlanden. Es 74

gibt Projekte, das Projekt „EIGER“, geriatrisch innovative Hausbesuche aus der Schweiz. Also 75

es gibt verschiedene Modelle, international, die sich der Thematik, der 76

Schnittstellenproblematik schon angenommen haben und es dort auch umsetzten. … Ich 77

werde verschiedene Tätigkeiten auch kurz erläutern und das wir zu jeder Tätigkeit, darauf 78

eingehen. … 79

I1: Der Hauptfokus liegt bei präventiven Hausbesuchen. Das heißt beispielsweise bei den 80

District nurses erfolgen tägliche Hausbesuche zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen. Beim 81

Projekt EIGER in der Schweiz gibt es ddie Möglichkeit, dass die Leute ab einem bestimmten 82

Alter besucht werden müssen, um den aktuellen Bedarf zu erheben. Was würden sie von 83

solchen präventiven Hausbesuchen in Gänserndorf ab einem gewissen Alter, sagen wir 75, 84

halten. Für Leute die zu Hause wohnen, um einen Ist Stand zu erheben, von der aktuellen 85

Bedarfs- und Betreuungssituation (?) 86

B1: Es ist immer die große Frage in wie weit etwas verpflichtendes dann akzeptiert ist und 87

sinnvoll ist. Ich glaube einfach, dass Angebot zu haben, dass jemand da ist, der täglich oder 88

zumindest routinemäßig vorbei schaut, ist ein gutes Angebot. Aber ob das jetzt ab einem 89

gewissen Alter verpflichtende sein sollte, oder muss, bin ich persönlich etwas skeptisch. Sage 90

ich ganz offen und ehrlich. Weil die körperliche Konsistenz, die ganz unterschiedlich ist. Es 91

gibt Leute die sind mit 85 noch Topfit und dann gibt’s Leute die sind halt schon mit 65 in einer 92

Pflegesituation, oder auch schon weiter darunter. Das heißt ich glaube man sollte das nicht 93

mit einem fixen Alter versehen. Die Option wenn Hilfe gebraucht wird, oder wenn man dieses 94

Angebot in Anspruch nehmen möchte ist sehr gut und glaube ich absolut zukunftsträchtig. Ich 95

würde es aber wie gesagt nicht verpflichtend sehen und nicht mit einer Altersgrenze versehen. 96

Department Gesundheit

124

Ich glaube da wäre die Akzeptanz nicht da und da würde man doch sehr viele Leute vor den 97

Kopf stoßen. 98

I1: Die Hauptaufgabe, die sich bei allen Modellen durchzieht, ist in erster Instanz eine 99

Beurteilung der individuellen Gesundheitsbedürfnisse, ein Assessment, eine Erhebung der 100

Bedarfslage. Wenn diese Hausbesuche nicht verpflichtend wären, aber das Angebot da wäre 101

… Was denken sie darüber wenn man solche Hausbesuche auch im Sinne eines Case 102

Management macht. Das heißt man erhebt mal die individuelle Bedarfslage und plant dann 103

mit der Person gemeinsam, welche Betreuungsangebote passen für die Person am besten 104

und organisiert das dann auch mit der Person, oder für die Person (?) 105

B1: Ich glaube das wäre ein Topangebot, weil viele Menschen einfach überfordert sind mit der 106

Situation. Es gibt ein breit gefächertes Angebot (,) aber aus einer Hand sozusagen alle 107

Möglichkeiten zu bekommen, ist sicher sehr sehr hilfreich, weil in diesem Dschungel an 108

unterschiedlichen Angeboten, oder auch an Fördermöglichkeiten, ist es sehr schwierig für den 109

Normalsterblichen das richtige für sich heraus zu filtern. Und da wär so eine professionelle 110

Hilfe (,) so eine präventiv Erhebung mit Sicherheit sowohl für den einzelnen sehr hilfreich, als 111

auch in weiterer Folge natürlich auch für die Gemeinde und das ganze Gesundheitswesen. 112

Bei uns im Land sehr hilfreich, weil man da auch ein bisschen ein Gefühl bekommt (,) wie 113

wirklich der individuelle Wunsch ist (,) beziehungsweise, „wo der Schuh drückt“. 114

Beziehungsweise wo man am ehesten nachjustieren kann, beziehungsweise wo man am 115

ehesten die Ressourcen hingibt. 116

I1: Ein weiterer Punkt, bei den Konzepten ist auch die Beratung und Unterstützung, nicht nur 117

von den betreuungsbedürftigen Personen selbst, im Sinne der Ressourcenförderung, sondern 118

auch die Beratung und Unterstützung der Familienpflege, der pflegenden Angehörigen. 80% 119

der Pflege wird in Österreich durch Laienpflege geleistet, durch Angehörige geleistet. Wie 120

sehen sie da den Nutzen daraus, oder den Ansatz daraus (?) 121

B1: Ich glaube auch da wäre der Ansatz, oder der Nutzen ein enormer. Weil die Familien und 122

sie haben es ja auch gerade gesagt, dass 80% (,) in Form von Laienpflege passiert. Natürlich 123

auch sehr (,) sowohl zeitlich, auch Ressourcen mäßig, eingebunden sind und das eine enorme 124

Belastung ist für die Angehörigen ist. Und das da eine fachliche Unterstützung zu erfahren, ist 125

mit Sicherheit ein absoluter Mehrwert. Weil auch die Angehörigen da oftmals unter massiven 126

Druck stehen und es sicher eine Belastung die nicht zu unterschätzen ist. … Und wenn man 127

da jemanden an der Hand hat, wo man weiß der ist vom Fach, ist das sicher sehr dienlich und 128

hilfreich und ich glaube das würden auch sehr viele dankend annehmen. Sowohl … was die 129

fachliche Perspektive anbelangt, was die Pflege betrifft, als auch was Unterstützungsformen 130

jeglicher Natur betrifft. Sei es finanziell, sei es durch irgendwelche Betreuungseinrichtung, die 131

Department Gesundheit

125

man als solches auch nicht kennt. Also ich glaube da wäre auch für die Angehörigen, oder 132

diejenigen die die Pflege vollziehen, sicher ein absoluter Mehrwert. 133

I1: Wenn wir uns vorstellen (,) es würde so ein Konzept, so eine Regionale Gesundheits- und 134

Krankenpflegeperson in Gänserndorf implementiert werden (,) welcher Aspekt sollte das 135

Berufsbild ihrer Meinung nach, für ihre Stadt für die umliegenden Gemeinden, noch enthalten, 136

oder wie sollte es ihrer Meinung nach gestaltet sein (?) 137

B1: (PAUSE) Also ich glaube das diese Person einfach auch den Charakter einer Schnittstelle 138

haben sollte. Das heißt, dass die auch wirklich den einen oder anderen zusammen bringt. Es 139

ist ja oft so, das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Das heißt wenn man irgendwo 140

eine Problemstellung hat und eine individuelle Lösung für ein konkretes Problem hat, dann 141

kann man das mit Sicherheit auch durch eine entsprechende Vernetzung weiter geben. Das 142

heißt Erfahrung (,) jemanden anderen auch zu teil werden lassen. Da ist es natürlich sinnvoll 143

natürlich dann ich irgendwann Informationsvorträge zu halten, für Angehörige, die (,) in der 144

Pflege als solches sind, beziehungsweise selbst betreuen. Und da einfach zu vernetzen, zu 145

sagen- Pass auf, da gibt es diese Unterstützung, da gibt es Möglichkeiten auch gemeinsam 146

auch Dinge zu unternehmen. Weil es ist auch oft, dann so , das die Vereinsamung als solches 147

auch oft ein großes Thema ist (,) und ich denke mir einmal da eine Schnittstelle zu haben, wo 148

man sagt da gibt es zwei, drei, vier, fünf, zehn Personen, die man durchaus auch zusammen 149

führen kann, die man da vernetzten kann …. Damit einfach auch die, wie soll ich sagen, in 150

einer geselligen Form (,) ihre positiven Alltagserlebnisse haben, weil das ist auch oft eines der 151

größten Probleme, die im Laufe einer längeren Pflege entstehen, dass die Leute auch 152

irgendwo sehr abgeschieden sind von der Öffentlichkeit und dann wirklich nur mehr die 153

Pflegerin oder die eine Verwandtschaft als Ansprechperson haben und vielleicht kann man da 154

auch über diese professionelle Hilfe (,) Verbesserungen herbei führen. 155

I1: (PAUSE) Oft steckt auch ein großer organisatorischer Aufwand dahinter, können sie sich 156

vorstellen wie man das organisatorisch lösen könnte, die Implementierung solch einer Person 157

(?) Auf welcher Basis (?) 158

B1: Organisatorisch … wenn man so etwas als Kommune, oder als Region sowas als 159

Pilotprojekt installieren möchte, wird es sicher auch notwendig sein, dass man (,) finanzielle 160

Ressourcen frei gibt. (,) Das muss man sich dann auch genau anschauen, durch welche 161

Träger, ein solches Modell auch finanziert werden kann. Das heißt von den Ressourcen sag 162

ich jetzt einmal, ein Büro zur Verfügung zu stellen, das wird wahrscheinlich das Geringste 163

sein. Oder auch Sprechstunden am Gemeindeamt zu installieren. Also da glaube ich, dass es 164

mit Sicherheit nicht scheitern wird. Es geht einfach darum und das wird ein laufender Prozess 165

sein, wie professionell beziehungsweise wie intensiv man eine solche Einrichtung auch 166

Department Gesundheit

126

installieren möchte und fördern möchte. … Ich könnte mir schon vorstellen, wenn da viele 167

helfende Hände, oder Institutionen an einem Strang ziehen, das da durchaus auch etwas 168

möglich ist. Aber da muss man zuerst einmal die Rahmenbedingung definieren … den Bedarf 169

evaluieren, (,) die Stunden als solches einmal erheben und dann kann man sich einmal 170

anschauen, okay, wie viel Finanzbedarf ist vorhanden und wo ist dann jeder bereit seinen 171

Beitrag dazu zu leisten. 172

I1: Gehen wir nochmal ein Stück weit weg von den Regionalen Gesundheits- und 173

Krankenpflegepersonen … kurz ein Stück weit in ihren Erfahrungswert. Jeder Mensch ist mit 174

Erkrankung und mit gesundheitlichen Problemen ein Stück weit konfrontiert, gibt’s von ihrer 175

persönlichen Ebene, abgesehen von der Bürgermeister Ebene, Erfahrungswerte die sie 176

gemacht haben auch im Sinne von- Schwächen im Schnittstellenmanagement, 177

Nahtstellenmanagement (?) 178

B1: Jetzt konkret was die Pflege anbelangt (?) 179

I1: Einfach vom Gesundheitsversorgungssystem her. Man kommt ins Krankenhaus und wird 180

nachher weiter Betreut, weitere Versorgung … 181

B1: Ja bei uns im konkreten, glaub ich das es mit Sicherheit Verbessrungspotential gibt, was 182

die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten anbelangt, und zum Beispiel das 183

Medizinische Zentrum in Gänserndorf. Also ich glaube da, könnte man sicher Effizienz 184

steigernd unterwegs sein. Da wird es sicher notwendig sein (,) vielleicht einen entsprechenden 185

„round table“ zu machen. Wo man (,) gegenseitig einmal die Erfahrungen austauscht. Wo man 186

einmal sagt, okay da könnten wir unterstützen. Momentan habe ich so ein bisschen das 187

Gefühl, das rennt zumindest parallel aneinander vorbei. Ich glaube da könnte man sicher 188

einiges verbessern. Wo ich auch glaube (,) jetzt rein Städteplanerisch, dass es sinnvoll wäre 189

irgendwie (,) einen medizinischen Cluster zu schaffen. Bei uns ist es oft so, dass der ein 190

Facharzt am ganz anderen Ende ist als der andere. Was einfach von der verkehrlichen 191

Anbindung, suboptimal ist. Ich glaube wenn wir mittelfristig denken, es sinnvoll wäre, ein 192

Ärztezentrum oder einen entsprechenden medizinischen oder sozialen Cluster zu schaffen. 193

Wo man schauen kann, dass man das besser öffentlich anbindet. Wo man einfach die 194

einzelnen Aufgaben, der einzelnen Ärzte, vielleicht bündeln kann. Wo jeder vom anderen dann 195

auch entsprechend profitiert. Das glaube ich auf jeden Fall, auch mit den Angeboten die wir 196

haben. Auf der einen Seite haben wir das Hilfswerk, auf der anderen Seite haben wird die 197

Volkshilfe, auf der anderen Seite haben wir den Sozialhilfe Verein mit Essen auf Rädern. Also 198

ich glaube das da mit Sicherheit (,) effizienzsteigernde Maßnahmen, im Sinne einer 199

Informationspolitik (,) vorhanden sind und die muss man auch sukzessive erheben. 200

Department Gesundheit

127

I1: Sie haben die wichtigsten Punkte, sehr schön zusammengefasst. Gibt es generell noch 201

etwas das sie zu der Thematik sagen, oder anfügen möchten (?) 202

B1: (PAUSE) Also ich glaube man muss das Gesundheitswesen, es werden 50% der 203

Landesmittel in Soziales und in Gesundheit (,) investiert, dass es schon sehr wichtig ist, das 204

man, die in individuellen Wünsch, oder auch die Wünsche der Bevölkerung respektiert, 205

beziehungsweise auch in Zukunft einfließen lässt. Da wird es ab und an wahrscheinlich (,) 206

neue Lösungsansätze geben müssen. Wie auch immer die dann aussehen. (,) Sie haben es 207

am Anfang schon genannt. Es gibt in anderen Ländern, sei es in den Niederlanden, in 208

Deutschland, in der Schweiz, aber auch in Dänemark, die unterschiedlichsten (,) Piloten, 209

Erfahrung und ich glaube das wir da gut beraten wären, das wir uns der Dinge die bereits gut 210

funktionieren einfach annehmen. Da muss man wahrscheinlich ab und an auch vielleicht, ein 211

bisschen (,) zumindest auf regionaler Ebene Pionierarbeit leisten und sagen, okay, ich bin 212

dazu bereit, auch zu investieren. Weil nur, wie oftmals im Leben, wenn man entsprechend 213

auch bereit ist in etwas zu investieren, kann man eine Verbesserung herbeiführen. Und ich 214

glaub das wird unser Ansatz sein. Wir wissen auch, dass es speziell für uns als Kommunen 215

immer schwieriger wird, die breit gefächerten Aufgaben in allen Belangen, entsprechend 216

professionell auch zu gewährleisten. Aber ich glaub Gesundheit, das ganze Sozialsystem (,) 217

wird aufgrund der Altersstruktur unserer Gesellschaft in Zukunft einfach ein ganz ein ganz ein 218

zentrales Thema sein und da sind wir gut beraten uns jetzt einfach schon Lösungsansätze 219

zurecht zu legen, die uns dann in Zukunft (,) das Leben erleichtern werden. 220

I1: Dann danke ich für das Gespräch. 221

222

Department Gesundheit

128

A.9 Transkription Interview II

Experteninterview II

Interviewdatum: 06.06.2016

B2: Frau Christine Traunig- Pflegende Angehörige

I1: Stephanie Walla, BA

I1: Ihre Tante wird abwechselnd von zwei 24 Stunden Kräften betreut. Erzählen sie mir von 1

ihrem Alltag als pflegende Angehörige, wie geht es ihnen mit der Situation, wie läuft die 2

Situation ab (?) Einfach offen erzählen. 3

B2: Ja wenn man gute Pflegerinnen hat, dann läuft es relativ gut. Es sind aber nicht alle 4

Pflegerinnen, wirklich Pflegerinnen und gut. Das ist das Problem in dieser Angelegenheit 5

eigentlich. … Man muss sich um sehr viel kümmern, aber nicht nur administrativ, sondern was 6

machen diese Leute. Wie gehen sie mit der zu pflegenden Person um. (,) Was machen sie (,) 7

bewegen sie sie (,) pflegen sie sie ordentlich (,) wie ist die Versorgung … was wird zum Essen 8

gemacht, gesund, nicht gesund. … Als diese Sachen, auf die schaue ich halt und alles andere 9

besorge ich halt. Sprich (lächelt) also angefangen von sämtlichen Pflegeprodukten, … 10

Windeln, Arztbesuche, die ich organisiere. Rezepte, wenn was Neues gebraucht wird, wenn 11

was gestrichen wird von Rezepten. Das ganze Haushaltsgeld, alle finanziellen 12

Angelegenheiten … Das ist von der Pflegerin, bis hin zur Bezahlung der Gemeindeabgaben, 13

etc. Also alles Finanzielle wird auch von mir erledigt. Also um das kümmern sich die 14

Pflegerinnen überhaupt nicht. 15

I1: Wie sind sie dazu gekommen, dass sie jetzt pflegende Angehörige sind, also wie hat sich 16

die Situation ergeben (?) Wie war das für sie im ersten Moment zu sehen- okay ihre Tante hat 17

jetzt einen Bedarf an Pflege …Wie waren so die ersten Schritte, die sie gesetzt haben (?) 18

B2: Die ersten Schritte waren eigentlich, die Tante ist gestürzt und hat sich einen 19

Oberschenkelhalsbruch gehabt. Und war dort dann im Krankenhaus und meine Tante ist nicht 20

wirklich eine Kämpferin, die lässt sich gleich gehen (Pause) Und so hat das angefangen, dass 21

wir erst Betreuung hatten, die sich eher mehr um den Haushalt gekümmert haben und (,) da 22

war sie noch kein wirklicher Pflegefall. In Zwischenzeit ist sie leider ein wirklicher Pflegefall, 23

aber hat halt so begonnen und step by step ist das immer mehr geworden, eigentlich. Auch 24

vom wirklichen Pflegeaufwand her. Das heißt heute ist es so, dass meine Tante eine Windel 25

hat, immer auch während dem Tag. Das hat sie vor zehn Jahren noch nicht gehabt und so ist 26

es mit allem ein bisschen schlechter geworden. … Mal mehr, mal weniger. Warum ich das 27

Department Gesundheit

129

übernommen habe (?) Es ist ja eigentlich meine Tante und nicht meine Mutter. … Der Sohn 28

meiner Tante ist vor sieben Jahren gestorben, da war sie schon, also da hatten wir schon 29

Betreuung (,) und meine Tante wollte, wie so viele alte Menschen, partu nicht in ein Heim. Und 30

da meine Tante wirklich eine schwere Jugend gehabt hat und (,) auch kein wirklich leichtes 31

Leben, ist es auch von mir ausgegangen, dass ich gesagt hab, okay, wenn sie so gar nicht 32

will, dann machen wird das von zu Hause. Und haben das eben versucht, dass wir das eben 33

auf die Reihe bekommen (schmunzelt). Ja, soweit ist das jetzt, glaub ich ganz gut gelungen. 34

I1: Wie sind sie zu der 24 Stunden Pflege gekommen, die sie jetzt haben, die ihre Tante jetzt 35

betreut (?) Über das Internet (?) über Plattformen (?) Wie sind sie dazu gekommen (?) 36

B2: Also in elf Jahren, habe ich schon vieles gehabt. (,) Auf Mundpropaganda, auf Empfehlung, 37

auf Agenturen, auf mehrere Agenturen. Die eine besser, die andere schlechter muss ich 38

sagen. Ebenso das Pflegepersonal und jetzt hab ich das Glück, dass ich über eine Bekannte 39

(,) die … die die Dame vermittelt bekommen hat. Die hat die Mutti von ihr gepflegt. Und die hat 40

sie mir so empfohlen, indem sie gesagt hat, glaube mir, meine Mutter ist gestorben und hat 41

nicht einen roten Fleck am Körper gehabt. Und das hat mich eigentlich überzeugt. Weil jetzt 42

wie gesagt, braucht sie wirklich intensive Pflege und (,) es ist, Hygiene vor allem (,) und dazu 43

brauchen wir jetzt wirklich Kräfte, die das ordentlich machen. 44

I1: Das heißt sie haben die 24 Stunden Pflege privat organisiert (?) 45

B2: Jetzt ist sie zum ersten Mal privat. 46

I1: Und zuvor war das über einen Verein, einen Non Profit Verein den man kennt. 47

B2: Ja 48

I1: Wie haben sie da das erlebt, die Organisation vom Verein selbst (?) (Pause) Gab es da 49

Kontrollen (?) Ist da jemand gekommen und hat kontrolliert oder unterstützt (?) 50

B2: Also das ist mir zum Beispiel viel zu wenig. Also ich habe zuletzt eine Agentur gehabt, wo 51

du im Monat 140 Euro zahlst … Da ist niemals kontrolliert worden. Da ist niemals geschaut 52

worden, wie geht’s dem Patienten. Da bin ich niemals angerufen worden (,) und das hat mich 53

eigentlich sehr gestört. Und sie sind jährlich teurer geworden (,) Also auch die Pflegekräfte 54

dann natürlich. Und jetzt zum Schluss war das eigentlich für mich (,) schon sehr unverschämt. 55

I1: Also da gab es auch rundherum keine Unterstützung, im Sinne von anderen … eine 56

Unterstützung für organisatorisches. Das heißt für einen Rollstuhl, oder für Pflegebehälfe (?) 57

B2: Nein überhaupt nicht, das habe alles ich erledigt und ich muss auch dazu sagen, auch die 58

Pflegerinnen wurden nicht betreut von dieser Agentur. Wenn da irgendwas war mit Finanzamt, 59

Steuerausgleich (,) das hab alles ich dann für die Pflegerinnen (schmunzelt) gemacht. Die 60

Pflegerinnen haben ja auch an die Agentur gezahlt. Also das, das kann es eigentlich nicht 61

Department Gesundheit

130

sein, denn wenn ich eine Agentur hab, dann erhoff ich mir, oder dann möchte ich auch 62

unterstützt werden. 63

I1: Und normale Hauskrankenpflege wie sie vom Hilfswerk, oder von der Caritas angeboten 64

wird, also mobile Hauskrankenpflege war nie eine Option (?) 65

B2: Das war ganz am Anfang, haben wird das gehabt, nur das hat- heute klappt es vielleicht 66

besser- dazumal vor zehn Jahren eben, hat das nicht gut geklappt. Die sind einmal in der Früh 67

um halb sieben gekommen und dann um halb neun. Und das geht am Anfang, solang der 68

Patient, also der zu Pflegende auch noch etwas dazu beitragen kann. Aber wenn es dann 69

schon so ist, das du wirklich wirklich Hilfe brauchst, dann geht das nicht mehr. Weil die sind 70

dann stundenlang dazwischen alleine (,) und du weißt nicht was ihnen einfällt. Meine Tante 71

sitzt zum Beispiel jetzt im Rollstuhl, und die bleibt nicht sitzen. Sie fängt dann an- sie will raus- 72

(lächelt) und wenn die dann alleine aufsteht und es ist niemand da, find ich eher gefährlich. 73

Also das geht in dem Station sag ich jetzt, nicht mehr. 74

I1: Und wie geht es ihnen persönlich mit der Situation, im Sinne vom Alltagsmanagement. Man 75

hat auch ein Privatleben und Aufgaben die man selbst regeln muss. Wie funktioniert das (?) 76

B2: Es ist schon sehr anstrengend. Ich sag immer es ist mein Halbtagsjob. Ich bin Gott sei 77

Dank in Pension. Aber es ist, wenn ich es stundenmäßig zusammen rechne, ein Halbtagsjob. 78

Die Gedanken ruhen auch nicht. Du beendest das, indem du dort warst und dir denkst, was 79

ist heut wieder los. Das arbeitet ja dann auch. Jedes Telefonat, wenn ich den Nachnamen 80

meiner Tante am Telefon sehe, das ist wenn mich eine Pflegerin anruft, werde ich schon 81

nervös. Das belastet schon. Vor allem über diese lange Zeit. … Und jetzt fürchtet man natürlich 82

(,) das der Tod kommt. Vor dem fürchtet sich jeder Angehörige. … Oder ein 83

Krankenhausaufenthalt. Vor dem fürchte ich mich schon fast mehr, muss ich ehrlich sagen, 84

wie vor dem Tod. (,) 85

Weil Krankenhausaufenthalt für sie eine enorme Belastung ist. Vor zwei oder drei Jahren, da 86

hatte sie Rotlauf, da war sie vier Wochen im Krankenhaus. … Vom Krankenhaus möchte ich 87

jetzt gar nicht reden wie es dort zugegangen ist. (,) Weil ich habe sie zurückbekommen (,) also 88

da habe ich wirklich geglaubt sie stirbt in den nächsten 14 Tagen. Aber da habe ich eine gute 89

Pflege gehabt. Da haben wir es geschafft, da konnten wir sie wieder mobilisieren, raus aus 90

dem Bett und schön langsam hat sich das Ganze wieder ins positive umgekehrt. Aber das sind 91

halt (,) denk ich die Sorgen. 92

Und auch das Finanzielle ist eine enorme Belastung, weil wir alle wissen (,) so alte Leute wie 93

meine Tante mit 85, mein Gott was hat die für eine Pension. Der Staat schießt natürlich zu, 94

ohne den würde es ja überhaupt nicht gehen. Und die finanzielle Belastung liegt zum Teil auch 95

bei mir. Also das geht sich nicht aus mit der Pension. Mit dem (,) die Leute haben auch gespart 96

Department Gesundheit

131

(lacht), aber das wird alles aufgebraucht, Es ist ein Haus zu erhalten, es ist ein Haushalt zu 97

bewältigen, es sind Pflegerinnen zu zahlen, enorme Apotheken kosten. Alles was ein bisschen 98

besser ist muss man sowieso privat zahlen. …Das wissen sie wahrscheinlich eh am besten. 99

(lächelt) Und somit summiert sich das ganz schön. 100

Es müssen Haare geschnitten werden, wir brauchen Fußpflege. Sie ist Diabetikern, also da 101

muss man schauen das man (,) ob gesundes Essen serviert wird und das ist alles teuer. 102

I1: Bezieht sie Pflegegeld (?) 103

B2: Ja 104

I1: Welche Stufe (?) 105

B2: Stufe 4 106

I1: Stufe 4 derzeit.- Weil sie vorhin angesprochen haben. Sie war im Krankenhaus, ist in einem 107

nicht guten Zustand zurückgekommen. Das würde auch zu meiner nächsten Frage passen- 108

Welche positiven aber auch negativen Erfahrungen haben sie mit dem Gesundheitssystem an 109

sich, auch in Bezug auf ihre Tante, mit dem Krankenhaus, mit dem Hausarzt, mit Fachärzten, 110

generell der pflegerischen Betreuung gemacht (?) Können sie mir da ein bisschen etwas 111

schildern (?) Wie erleben sie das Gesundheitssystem an sich und auch die Zusammenarbeit 112

mit stationären Einrichtungen wie dem Krankenhaus, aber auch den niedergelassenen 113

Bereich, wie Hausärzten zum Beispiel (?) 114

B2: Also Krankenhaus bin ich absolut unzufrieden. Also man hat ihr nicht einmal im Pflegebett 115

dieses Gitter vorgegeben, weil man gesagt hat, „das darf man nicht“. Das hat so lange 116

gedauert bis sie raus gefallen ist. So, dann war das Thema einmal gegessen. Also 117

Krankenhaus überhaupt- und absolut nicht zufrieden muss ich sagen. Die Schwestern sind 118

zwar sehr lieb und nett gewesen, aber die sind überlastet und haben keine Zeit. (,) Und ich 119

sag jetzt einmal, man kümmert sich mehr um jüngere Patienten. Also ein alter Mensch im 120

Krankenhaus (,) tun mir wirklich leid muss ich sagen. … Also ich habe dort wirklich Sachen 121

gesehen, die mir überhaupt nicht gefallen. Wenn ein Mensch nicht selber essen kann und ich 122

stelle ihm das Essen hin, jeden Tag wiederholt sich das. Weil ich war jeden Tag bei meiner 123

Tante, und Strasshof und Mistelbach ist eine breite Strecke. Und hab gesehen wie es in dem 124

Zimmer zugeht, Danke Krankenhaus … (lacht) Es können andere auch sein, aber dieses wo 125

wir waren, gar nicht. 126

Hausarzt mehr als zufrieden. Also wir haben einen Mann als Hausarzt gehabt, Der ist leider in 127

Pension gegangen, Das war wirklich ein Spitzenarzt. Dann kam der Nachfolger. Auch sehr 128

sehr gut und jetzt haben wir eine Frau Doktor. Auch sehr sehr gut. Kommt jede Woche, hört 129

sie ab, spricht mit ihr, Blutdruck messen, Zucker messen. … Wenn es irgendeine Frage gibt, 130

immer ein offenes Ohr. Medikamentenumstellung, was könnte man machen. Meine Tante hat 131

Department Gesundheit

132

sehr schlechte Nierenwerte. Da wird immer überlegt man immer, was gibt man, was belastet 132

die Niere nicht. Also die macht sich echt Gedanken. Verschreibt nicht nur. Also mit Hausarzt 133

sehr sehr zufrieden. 134

I1: Haben sie das ausgemacht das der Hausarzt einmal pro Woche kommt, … 135

B2: Ja 136

I1: Also das ist ausgemacht … und das ist fix jede Woche (?) 137

B2: Die kommt fix jede Woche. 138

I1 Ist das extra zu bezahlen oder ist das eine Kassenleistung (?) 139

B2: Nein, das ist in der Kassa inkludiert. 140

I1: Ich möchte trotzdem nochmals kurz auf die Krankenhaussituation eingehen. Sie ist ja dann 141

entlassen worden. Hat da irgendjemand vom Krankenhaus, von den Pflegepersonen vom 142

Entlassungsmanagement mit ihnen gesprochen, was sich verschlechtert hat, gibt es 143

Medikamentenänderungen. Im Sinne eines Entlassungsmanagement, das heißt man bereitet 144

sie jetzt wieder auf die häusliche Pflege vor. Gab es da von Seitens dem Krankenhaus eine 145

Leistung, ein Gespräch (?) 146

B2: Nein. (Pause) 147

I1: Gar nichts (?) 148

B2: Nein. Also der Fall war abgeschlossen. Ich sage, das Antibiotika war abgeschlossen, oder 149

diese Kur, diese Medikation beendet und (,) „Sie können ihre Tante mit nach Hause nehmen. 150

Alles Weitere macht der Hausarzt.“ 151

I1: Als wurde nicht nach der Betreuungssituation zu Hause gefragt (?) 152

B2: Nein gar nicht. 153

I1: Wie haben sie sich dabei gefühlt (?) Wie ist es ihnen dabei gegangen (?) Was hätten sie 154

sich gewünscht in der Situation, dass ihnen mehr geholfen gewesen wäre, oder auch das sie 155

zufriedener mit der Versorgung im Krankenhaus und auch mit der Entlassung aus dem 156

Krankenhaus, wieder in die häusliche Pflege gewesen wären (?) 157

B2: Das ist alles eine Bürokratie. Sie hat zum Beispiel im Krankenhaus andere Medikamente 158

bekommen. Ich weiß nicht wie es heute ist. Die musst du dann- da bekommst du keine mit 159

nach Hause- da musst du dann, egal ob du am Freitag, oder am Samstag oder am Sonntag 160

nach Hause gehst, da musst du dann schauen- woher bekommst du jetzt die Medikamente 161

überhaupt (?) Man hat ja gar nicht gewusst, was ist das jetzt überhaupt (?) Was nimmt sie da 162

überhaupt für Medikamente (?) Warum das (?) Warum nicht das Alte (?) Also das muss man 163

dann wirklich alles mit dem Hausarzt besprechen. Und wenn man keinen guten Hausarzt hat, 164

… ist das schon ein Problem. Also das hat mir überhaupt nicht gefallen. 165

Department Gesundheit

133

I1: Gibt es sonst jemanden, der sie bei der Organisation Gesundheits- und medizinischen 166

Angelegenheiten ihrer Tante unterstützt (?) 167

B2: Naja ich habe Freundinnen und wenn ich nicht da bin, die schauen halt dann vorbei und 168

rufen mich an, dass alles in Ordnung ist und das und das ist angefallen. … Ist keine wirkliche 169

Unterstützung in dem Sinn, aber ist (,) ein gutes Gefühl, das man weiß, wenn jetzt was ist (,) 170

dann würde das meine Freundin organisieren. (Pause) Wie gesagt, die Pflegerinnen …. 171

Wissen oft nicht einmal die Telefonnummer vom Arzt. (Kopfschütteln) 172

Das heißt Unterstützung bekommen sie hauptsächlich von Freunden und Bekannten. Das 173

heißt von einer Fachkraft an sich, gibt es keine Beratung und Unterstützung derzeit (?) 174

B2: Nein. 175

I1: Es gibt internationale, oder europäische Konzepte, die sich mit der Betreuungssituation von 176

Menschen zu Hause beschäftigen. Ich erzähle ihnen ganz kurz, wie diese Konzepte aufgebaut 177

sind. 178

Es gibt die sogenannte District Nurse zum Beispiel, im National Health Service in 179

Großbritannien. Es gibt das sogenannte Burrtzorg Modell mit den Community Nurses in den 180

Niederlanden. Es gibt ein Projekt aus der Schweiz, das Projekt heißt EIGER- innovative 181

geriatrische Hausbesuche. 182

All diese Modelle haben im Fokus, nicht die Pflege an sich, so wie eine mobile 183

Hauskrankenpflege, sondern es geht primär um Hausbesuche. Um Hausbesuche die einen 184

starken vorbeugenden, präventiven Charakter haben. In Großbritannien zum Beispiel sind das 185

tägliche Hausbesuche zu Hause. Die Kontrollieren eben auch, beziehungsweise überwachen 186

die Versorgungsqualität zu Hause. – Wenn sie so etwas hören, was halten sie prinzipiell davon 187

(?) 188

B2: Von so etwas halte ich sehr viel. Da gefallen mir die nordischen Länder sehr gut. Da gibt’s 189

zum Beispiel Schweden. Die haben zum Beispiel, seit deinem aktiven Lebens, zahlst du einen 190

Beitrag und wenn du dann eben alt bist und Hilfe brauchst, wird das alles vom Staat bezahlt. 191

Die haben auch ganz tolle Pflegeheime wo sie junge Leute integrieren. Wo zum Beispiel bei 192

dem Pflegeheim ein Spielplatz dabei ist. Ein Kaffeehaus. Das da jung, alt, mittelalt gemischt 193

wird. Dass die Leute auch (,) ich mein es ist ja furchtbar traurig wenn du heute in ein 194

Pflegeheim gehst… Da sitzen ja nur diese alten Leute, und das den ganzen Tag rund um den 195

Tisch. Ich habe das selbst erlebt mit einer bekannten und das ist mir zu wenig. Also ich halte 196

von diesem neuen System sehr viel, wird mich auch einmal betreffen. 197

Ich werde mir zum Beispiel keine 24 Stunden Pflege mehr leisten können (,) Ich werde dann 198

auf so ein System, hoffe ich zurückkommen können. (lacht) 199

Department Gesundheit

134

I1: Wenn sie sich vorstellen, dass jemand bevor noch der hauptsächliche Bedarf da ist, das 200

man Pflege … 201

B2: Betreuung 202

I1: … Betreuung in Anspruch nehmen muss, das jemand nach Hause kommt und einfach 203

einmal die individuelle Bedarfslage erhebt. Wie geht es mir (?) Was benötige ich (?) Was 204

benötige ich für Unterstützung (?) Und auch was benötigen meine Angehörigen für 205

Unterstützung, dass ich wir uns selbst helfen können (?) 206

B2:(PAUSE) 207

I1: Wenn sie so etwas hören, was denken sie darüber (?) 208

B2: Total offen für so etwas. Das ist sehr gut, das kann eigentlich nur gut sein. Wir werden alle 209

Älter, nicht alle (lacht), aber generell sagt die Statistik, wir werden jedes Jahr um ein paar 210

Monate älter. Da denke ich, dass solche Sachen und man wird sich da was überlegen müssen. 211

Denn wie gesagt, die Generationen werden immer älter und wie wollen wir das bewältigen (?) 212

I1: Das heißt jemand der nach Hause kommt und vielleicht auch ihre Tante, aber vielleicht 213

auch sie selbst, im Sinne der Betreuung der Tante mit der 24 Stunden Pflege unterstützt, so 214

etwas würden sie als hilfreich erachten (?) 215

B2: Würde ich als hilfreich erachten. Ich sage, jetzt in dem Fall, dass ich das schon so viele 216

Jahre mache, brauche ich das nicht wirklich. Stehe am Anfang so einer Situation, auf jeden 217

Fall. 218

I1: Das heißt, in ihrer Momentanen Situation, würden sie die Unterstützung und Beratung bei 219

der Organisation von den Ressourcen, die es in der Umgebung gibt, nicht brauchen, da sie 220

schon lange in der Betreuungssituation sind. Aber wenn sie am Anfang stehen würden, wäre 221

es für sie sehr hilfreich (?) 222

B2: Auf jeden Fall sehr hilfreich. Für jeden hilfreich. Weil am Anfang weiß man gar nicht wo 223

fängt es an, wo hört es auf (?) 224

I1: Wenn sie zurück denken, an die Anfänge. Bevor die Betreuungssituation ihrer Tante ins 225

Rollen gekommen ist, wie stellen sie sich so eine Person vor (?) Was müsste so eine Person 226

für sie tun, so eine Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson, so eine 227

Gemeindekrankenschwester (?) … Wo der Fokus nicht auf der Pflege liegt, sondern zu 228

unterstützen und bei organisatorischen Fragen. 229

B2: Also wie stell ich mir die vor … Also wir haben eine tolle Physiotherapeutin… Also ich bin 230

ein Mensch … wenn ich jemanden sehe, dann muss mir der zuerst sympathisch sein (lacht). 231

Dann nehme ich auch Rat und Tat an. (PAUSE) Ich find das müsste berufenen Leute sein. Ich 232

glaube das kann nicht ein jeder machen. Das ist sicher kein leichter Job und die müssen auf 233

Department Gesundheit

135

der anderen Seite auch auf die Leute eingehen und wir sind ja auch alle verschieden. Also die 234

hat es bestimmt nicht leicht. (Pause) Kompetent, sympathisch, sicheres Auftreten. 235

I1: Von den inhaltlichen Aufgaben. Was wären so die Dinge, die man als pflegender 236

Angehöriger, oder als älterer Mensch, der vor einer Betreuungssituation steht- was müssten 237

die inhaltlichen Punkte sein, die diese Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson 238

übernimmt. (?) 239

B2: Also die mich informiert (?) Also inhaltlich, was gibt es für Möglichkeiten oder so (?) 240

Inhaltlich … Von A-Z. Wie ist der Ist Stand. Was kann man machen, wenn sich die Situation 241

verschlechtert. Wie ist der nächste Schritt. Was kann man alles tun, was gibt es für 242

Hilfeleistungen. Was erleichtert auch den Job der Pflegerin zum Beispiel. Eine Physiotherapie 243

nach einem Sturz oder so etwas. Das eine Physiotherapeutin kommt. Es ist alles möglich, nur 244

man weiß das nicht. Hätt ich nicht so eine gute Hausärztin die mir das alles gesagt hat, ich 245

wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es eine Physiotherapeutin gibt, die zu einer 85 246

Jährigen Frau kommt. Also solche Sachen. Hilfestellung bei allem. Ob sie einen Augenarzt 247

benötigt. Meine Tante ist nicht leicht transportfähig. Du brauchst immer eine Rettung. Was ist 248

zu tun, was brauche ich (?) Mit einem Begleitschein, weil wenn ich nur die die Rettung rufe, 249

kann ich nicht mitfahren. Dann ist die zu pflegende natürlich sehr aufgeregt und es ist immer 250

besser, man macht das mit einem Angehörigen. Wenn Sich jemand bereit erklärt von den 251

Angehörigen, die da mitfahren. Ein alter Mensch ist immer verunsichert und hat Angst, sobald 252

er sein gewohntes Areal verlässt. Sprich seine Wohnung. 253

I1: Und im Sinne der 24 Stunden Pflege. Erachten sie es als sinnvoll, wenn die Person berät 254

und auch Kontrollfunktion ausübt, über die 24 Stunden Betreuerin (?) 255

B2: Ja. Weil dort gibt es Damen … die muss man einfach kontrollieren. Ich sag es wie es ist. 256

I1: Gibt es etwas, dass sie zu der Thematik noch sagen möchten (?) Etwas, dass sie noch 257

loswerden möchten auf Basis ihrer Erfahrungen (?) Etwas das sie noch anfügen mochten (?) 258

B2: (Lacht) Ja (,) ich hoffe das meine Generation auch Betreut wird. Ihre (lacht) Generation 259

auch. Und immer besser, kann man sich nur wünschen. Denn wie gesagt, wir sollen alle „älter 260

werden“ und das Alter ist … ist halt nicht so leicht zu meistern. Es kommt, halt einiges… In der 261

Jugend, an das denkt man noch gar nicht (lacht). Aber es kommt vieles. Und mit Hilfe (,) mit 262

professioneller Hilfe von A-Z wie gesagt, ist das sicher zu bewältigen. 263

I1: Dann danke für das Gespräch. 264

B2: Bitte. 265

Department Gesundheit

136

A.10 Transkription Interview III

Experteninterview III

Interviewdatum: 09.06.2016

B3: Frau Betina Rauscher, MSc- Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung

Häusliche Pflege sowie Stationsleitung in einem niederösterreichischen Landespflegeheim

I1: Stephanie Walla, BA

I1: Frau Rauscher, sie sind Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung 1

Häuslich Pflege. Bitte erzählen sie mir von ihrem Aufgabengebiet. 2

B3: In der qualitätsicherung der häuslichen Pflege geht es darum (,) die Menschen zu Hause 3

zu besuchen und deren Versorgung sicher zu stellen. … Es geht darum zu schauen, ob sie 4

über alle Informationen die es in der Umgebung gibt, bescheid wissen, vor allem 5

Bezirksbezogen und Regionsbezogen. Die Menschen zu informieren was es noch für 6

Möglichkeiten gebe, sowohl rechtlich als auch fördermäßig, als auch behelfsmäßig und 7

darüber zu informieren, welche Angebote zu ihrem Krankheitsbild es in der Gemeinde oder im 8

Bezirk gibt. Zur Qualitätsicherung in der häuslichen Pflege gibt es drei Grundsäulen … Es gibt 9

die qualitätsicherung in der häuslichen Pflege (,) die den Kranken direkt betrifft. Hier erfolgt 10

der Auftrag direkt vom Bundesministerium, aufgrund des Pflegegeldantrages. Die zweite Säule 11

ist die das Angehörige anrufen und von sich aus gerne eine qualitätsicherung in Anspruch 12

nehmen wollen. Die dritte Säule ist in der 24 Stunden Betreuung. Die qualitätsicherung in der 13

häuslichen Pflege ist notwendig, um die Förderung in Niederösterreich für die 24 Stunden 14

Pflege zu erhalten. 15

I1: Sie haben auch von Beratungsfunktion gesprochen. Wie flächendeckend erfolgt diese 16

Beratung (?) Ist die Beratung einmalig oder öfters (?) Wie ist das gestaltet (?) 17

B3: Die Beratung durch uns, also durch die qualitätsicherung in der häuslichen Pflege, erfolgt 18

einmalig. … Nach erfolgtem Besuch und wenn alles in Ordnung ist, wird dieser Mensch für 19

zwei Jahre von dem System gelöscht. Das heißt die nächsten zwei Jahre kommt fix niemand 20

von der Qualitätssicherung und dann kommt er wieder in diesen „Pott“ hinein. 540.000 21

Pflegegeldempfänger haben wir derzeit in Österreich. Und 20.000 werden jährlich von der 22

Qualitätssicherung besucht. Da kann man sich die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, dass man 23

wieder besucht wird. 24

I1: Wenn der Besuch stattfindet und man merkt es gibt dort einen Bedarf, werden die Besuche 25

dann weiter geführt, oder ist es trotzdem nur eine einmalige Beratung (?) 26

Department Gesundheit

137

B3: Wenn es ein Bedarf ist hinlänglich einer Maßnahmendarstellung, wenn zum Beispiel eine 27

Wohnung vermüllt ist, oder wenn ich das Gefühl habe, es ist jemand nicht gut versorgt, aber 28

nicht weil das Geld nicht für die Pflege verwendet wird, sondern einfach weil sie es nicht besser 29

wussten. Dann gibt es von unserer Seite her die Möglichkeit dies in einem Bericht zu 30

vermerken und wenn eine gewisse Punkteanzahl überschritten wird (,) dann wird automatisch 31

in einem halben Jahr nochmal dieser Bewohner besucht, um nachzuschauen ob sich die 32

Situation verbessert hat. 33

I1: Das heißt wenn ich es richtig verstanden haben kann man es nicht (,) als laufenden Prozess 34

im Sinne eines Case Management betrachten (?) 35

B3: Nein. 36

I1: Das ist es nicht … 37

B3: Nein … 38

I1: Okey (,) Wie schaut es regional in Niederösterreich von der Abdeckung her aus (?) Können 39

sie mir da Zahlen nennen (?) Wie weit Niederösterreich betreut wird (?) 40

B3: Ich habe diesbezüglich keine genauen Zahlen, aber es ist bezirksweise in Niederösterreich 41

vergeben. Das heißt pro Bezirk gibt es einen bis fünf Mitarbeiter die einen Bezirk betreuen. 42

Wie viele das im Detail sind, da müsste man anfragen. Ich selbst bin über die 43

Sozialversicherung der Bauern angestellt. Ich kenne jemanden, der ihnen genauere 44

Informationen geben könnte. 45

I1: Wie kommt man zu diesem Besuch des Kompetenzzentrum qualitätsicherung häusliche 46

Pflege (?) Ist es ein Losverfahren (?) 47

B3: Richtig. Es ist ein Losverfahren. Jeder der Pflegegeld bezieht in Österreich. Seit 2010 gibt 48

diese qualitätsicherung in der häuslichen Pflege und seit 2014 ist es so, dass alle 49

Pflegegeldempfänger besucht werden. Bisher war es so, dass nur Pflegegeldempfänger ab 50

Pflegegeldstufe 4 besucht worden sind. Dementsprechend ergibt sich dieses Losverfahren. Im 51

ersten Halbjahr ist es meisten so, das die Pflegegeldstufen 2-4 besucht werden und im zweiten 52

Halbjahr werden die höheren Pflegegeldstufen besucht. 53

I1: Und welche Betreuung die bisher haben, ist unabhängig davon (?) … Also wiesen vor dem 54

Losverfahren, ob jemand eine 24 Stunden Betreuung hat, oder nicht (?) 55

B3: Das kommt darauf an. Wenn jemand angesucht hat um 24 Stunden Pflege, dann ist er in 56

er in einem separaten Los Topf. Weil um die Förderung zu bekommen, erfolgt immer dieser 57

Besuch…. Wenn er aber das nicht angegeben hat weil er gar nicht weiß das es eine Förderung 58

gibt, dann ist er im ganz normalen Los Topf drinnen und hat Glück, wenn ich komme und ihm 59

sage, dass es da eine Förderung gäbe. 60

Department Gesundheit

138

I1: Welche Qualifikation benötigt man, um solche Hausbesuche durchführen zu können bzw. 61

zu dürfen (?) 62

B3: Man benötigt das Diplom … Eine Erfahrung von mindestens drei bis fünf Jahren am Bett 63

und am Liebsten ist es dem Bundesministerium auch im extramuralen Bereich. Man benötigt 64

eine gute Vernetzung im Bezirk und einfach das know how beim Thema, was gibt es für 65

Förderungen und rechtlichen Dingen die abzudecken sind. Und man hat dann eine 66

Einschulung von einem Tag. 67

I1: Wird das finanziell honoriert (?) 68

B3: Die Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege (?) Ja, die wird finanziell honoriert. Und 69

zwar wird die pro Besuch wird die abgegolten. Pro geleisteter Leistung. 70

I1: Und der Besuch beim Patienten ist kostenlos, oder muss der Patient den Besuch bezahlen 71

(?) 72

B3: Nein. Für den Patienten, für den Kunden ist dieser Besuch gratis. Das übernimmt das 73

Bundesministerium. 74

I1: Also nicht die Krankenkasse, sondern das Bundesministerium (?) 75

B3: Richtig. Darüber gibt es auch im Internet eine Auswertung von den letzten Jahren mit 76

Statistiken und Zahlen. 77

I1: Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener, sind sie in ihrem Beruf/ Alltag beim 78

Kompetenzzentrum Qualitätssicherung, konfrontiert (?) 79

B3: Häufig geht es darum, dass die Menschen ganz wenig Erfahrung haben, wo bekommen 80

sie Dinge her. Was gibt es für Förderungen und Unterstützung und wer könnte da behilflich 81

sein. Da scheuen sie sich auch meistens davor nach zu fragen. … Oft ist es auch so, dass sie 82

einfach nicht die Möglichkeit haben, sich Dinge zu organisieren, oder auch nicht wüssten, wo 83

hin sie sich wenden könnten, wo sie was her bekommen. Wir haben ganz viel natürlich auch 84

mit Angehörigen zu tun. Hier vor allem eher mit den Angehörigen, die von sich aus anrufen 85

und sagen, sie möchten gerne ein Angehörigengespräch. Was eine wichtige Sache ist in der 86

qualitätsicherung (,) ist, dass wir versuchen Jugendliche (,) Angehörige, denen die speziellen 87

Angebote näher zu bringen, die es ja extra gibt, für Jugendliche die jemanden pflegen. Und 88

das wir generell versuchen Angehörige stützen in dem wir ihnen ein (,) Angehörigengespräch 89

anbieten. Welches durch eine Psychologin getätigt wird. Auch das ist kostenfrei und kann den 90

Angehörigen angeboten werden. 91

I1: Wie erleben sie die Betreuung durch die 24 Stunden Pflege im häuslichen Setting (?) 92

B3: … Hier bin ich sehr positiv überrascht. (Pause) Die Betreuung erfolgt durchwegs durch 93

Ausländisches Personal. Also ich hatte in den letzten Jahren keine einzige österreichische 24 94

Stundenkraft. Also es sind durchwegs Slowakische, oder Rumänische oder Polnische Kräfte, 95

Department Gesundheit

139

die nicht immer die Sprache gut beherrschen, aber meiner Meinung nach gut um die Kunden 96

kümmern. Fachlich nicht immer gänzlich korrekt, aber … die da sehr bemüht sind. 97

I1: Gibt es da eine Tendenz, ob diese 24 Stunden Betreuungskräfte, privat organisiert werden 98

oder durch Non Profit Organisationen, oder durch solche 24 Stunden Betreuungsvereine, die 99

jetzt zahlreich gegründet worden sind (?) 100

Ganz viele sind über Organisationen gekommen, wie Caritas oder Hilfswerk. … Und einige 101

nehmen sich auch die „Helfenden Hände“. Kaum jemand hat sich es privat organisiert. Der 102

Großteil sicher 95% macht das über irgendeine Organisation (,) Um auch glaub ich, es nicht 103

selbst abdecken zu müssen wenn jemand krank wird. 104

I1: Sie haben vorher angesprochen, dass eine Problematik im häuslichen Bereich darin 105

besteht, dass oft nicht gewusst wird, wo organisiere ich mir Hilfsmittel, wo bekomme ich 106

Förderungen. Also im Organisatorischen Sektor. Wo gibt es ihrer Meinung nach noch 107

Problematiken, im speziellen in der Betreuung im häuslichen Setting für Betroffene aber auch 108

für deren pflegenden Angehörigen (?) 109

B3: Eine große Problematik ist auch der Stress und der psychische Faktor, der hier vor allem 110

Auftritt. Viele Angehörige fühlen sich einfach verpflichtet und sind aber massiv überlastet und 111

kommen mit der Situation überhaupt nicht zurecht. … Ein weiteres Problem ist einfach, dass 112

viele Kunden nicht bereit sind auch Abstriche zu machen. Das heißt sie wollen weiter in ihrem 113

Bett schlafen. Man darf die Teppiche nicht entfernen… Also in 99% der Haushalte finde ich 114

eine erhöhte Sturzgefahr vor. 115

I1: Das heißt Umgebungsbedingte Faktoren als Risikofaktoren. 116

B3: Richtig. 117

I1: Das Kompetenzzentrum qualitätsicherung häusliche Pflege macht, wie sie gesagt haben, 118

Hausbesuche. Es gibt international, oder in Europa ähnlich Konzepte, jedoch mit einem 119

anderen Fokus. 120

Es gibt zum Beispiel die so genannte District Nurse in den National Health Service in 121

Großbritannien, es gibt das Burrtzorg Modell mit den Community Nurses in den Niederlanden. 122

Es gibt ein Projekt in der Schweiz, mit dem Namen EIGER- innovative geriatrische 123

Hausbesuche. … Auch hier der präventive Charakter sehr stark im Vordergrund. Die Erhebung 124

der individuellen Bedarfslage. Inwiefern erachten sie so etwas als nützlich. Sie führen zwar 125

selbst Hausbesuche im Rahmen ihrer Tätigkeit durch, aber hier liegt der Fokus auch darauf, 126

dass der Hausbesuch nicht nur einmalig erfolgt, sondern regelmäßig. Täglich, wöchentlich 127

oder monatlich. 128

B3: Das fände ich sehr gut, weil in manchen Fällen die Nachhaltigkeit nicht gegeben ist und 129

während meiner Besuche so viele Fragen auftauchen, die in Wirklichkeit meinen zeitlichen 130

Department Gesundheit

140

Rahmen, den ich veranschlagt habe, sprengen. Ich fände eine Nachhaltigkeit viel viel besser, 131

auch im Sinne der Angehörigenentlastung und der dauerhaften Begleitung. 132

I1: Ein weiterer Punkt in den Konzepten ist neben der Beratung und Unterstützung, auch die 133

Förderung im Sinne des Empowerment Ansatz, der Ressourcenförderung der familiären 134

Pflege, der pflegenden Angehörigen. Sie werden bestimmt wissen, dass 80% der Pflege in 135

Österreich informell geleistet wird. Welchen Nutzen würden sie daraus erkennen (?) 136

B3: Ich glaube man könnte durch eine dauernde Begleitung (,) vor allem die Angehörigen 137

unterstützen in dem was sie tun und sie darin bestärken, dass das was sie tun das richtige ist 138

und das sie nicht Sorge haben müssen einfach auszupowern und das sie wenn sein einmal 139

eine Woche auf Urlaub fahren möchten, wissen wo bekomme ich die Unterstützung her. Jetzt 140

ist es wirklich so, dass kaum jemand von den Angehörigen irgendwohin fährt, weil die Meisten 141

Kunden (,) einfach nicht bereit sind jemand Fremden zu akzeptieren und auch nicht bereit sind 142

in ein Pflegeheim für kurze Zeit zu ziehen, Und im Rahmen dessen und der Festigung und der 143

Darstellung der individuellen Bedarfslage jedes Kunden, wäre das eine tolle Sache. 144

I1: Sie haben auch selbst angesprochen ein Tätigkeitsfeld des Kompetenzzentrum 145

qualitätsicherung häusliche Pflege, ist es so wo auch in den Modellen, welche ich ihnen zuvor 146

geschildert habe, ist es die lokalen Ressourcen und Hilfsangebote optimal zu nutzen, auch im 147

Sinne des Schnittstellenmanagement. Bemerken sie da auch selbst, oder gibt es da 148

Auswirkungen auf die Primärversorgung, auf die Optimierung der Primärversorgung (?) 149

B3: … Also im Moment spüre ich da keinerlei Auswirkungen. 150

I1: Auch in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen (,) Hilfswerk, Caritas, Rotes Kreuz, der 151

niedergelassene Bereich, den Ärzten, aber auch mit den Krankenhäuser (?) Gibt es da keine 152

Resonanz (?) 153

B3: Nein 154

I1: Momentan nicht. Woran könnte das ihrer Meinung nach liegen (?) 155

B3: … An mangelnden Interesse. 156

I1: Mangelnden Interesse (,) von der Person die zu Hause lebt, oder … 157

B3: … von den Institutionen. 158

I1: Glauben sie, wenn, so wie in den Modellen der District Nurse zum Beispiel, da wird ganz 159

gezielt darauf geschaut, die Umgebungsfaktoren, die lokalen Ressourcen und Hilfsangebote 160

zu nutzen. Glauben sie, wenn das in einer Region aktiv gelebt werden würde, dass es dann 161

Auswirkungen auf das Schnittstellenmanagement hätte (?) 162

B3: Glaube ich schon, ja, dass das Auswirkungen hätte. Weil es eine viel bessere 163

Zusammenarbeit wäre. Man könnte übergreifend arbeiten und keiner hätte Sorge, dass der 164

eine dem anderen etwas wegnimmt. Darum geht’s eigentlich. Jeder hat Sorge, wenn er 165

Department Gesundheit

141

preisgibt, wo eigentlich seine Region, sein Aufgabenbereich aufhört, dass er dann dort sein 166

Geschäft verliert. 167

I1: Welche noch nicht in dem Rahmen dieses Interview erwähnte Schwäche bestehen ihrer 168

Ansicht nach, noch im Bereich des Schnittstellen- bzw. Nahstellenmanagement (?) 169

B3: Schnittstellenmanagement wird sehr viel geschrieben und auch sehr viel darüber berichtet 170

und alle Häuser meinen es mittlerweile zu leben, aber es wird kaum umgesetzt. Das heißt, 171

jeder bleibt in seinem Bereich. Das Krankenhaus ruft zwar an im extramuralen Bereich und 172

sagt, dass jemand nach Hause entlassen wird, aber die Informationen sind meist unvollständig 173

und somit kann sich die Organisation die denjenigen übernimmt nicht gut vorbereiten. Auch 174

wenn sie es gerne würde. Ein gutes Schnittstellenmanagement heißt für mich, alle 175

Informationen im Vorfeld zur Verfügung zu stellen und einfach sicherzustellen, dass der Klient 176

wenn er nach Hause kommt, all das vor zu finden was er braucht. 177

I1: Auch im Sinne dessen, welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild so einer regionalen 178

Gesundheits- und Krankenpflegeperson ihrer Meinung nach noch beinhalten (?) 179

B3: Ich glaube, dass sie im Rahmen ihres Tätigkeitsbereiches einige Dinge abdecken könnte, 180

die jetzt durch den Arzt abgedeckt werden, aber in Wirklichkeit, ihn Zeit kosten und er sich 181

diese Zeit nicht wirklich nehmen kann. Das geht von guten Anamnesegesprächen, bis hin zu 182

Blutabnahmen, bis zu Vorsorgeuntersuchungen. All diese Dinge die bisher in den 183

Tätigkeitsbereich des Hausarztes fallen, könnten diese regionalen Gesundheits- und 184

Krankenpflegepersonen in Kooperation übernehmen und würde damit den Kunden häufige 185

Besuche beim Arzt ersparen, wenn sie im Vorfeld die Situation bereits einschätzen kann und 186

die Kunden dieser Person auch das Vertrauen schenken. 187

I1: Sie sind selbst aus Gänserndorf. Welchen Nutzen würden sie bei der Implementierung 188

einer regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson, in Anlehnung an die erwähnten 189

internationalen Konzepte und mit den Aspekten, die sie gerade erwähnt haben für Gänserndorf 190

sehen, wo würden sich da Vorteile ergeben (?) 191

B3: Ich würde eine massive Entlastung der Hausärzte hier in Gänserndorf sehen, zumal wir 192

hier einfach (,) unterversorgt sind. Bei den Hausärzten in Gänserndorf hat man eine Wartezeit 193

ohne Termin von Minimum einer bis zwei Stunden und hier könnte eine Entlastung passieren. 194

Genauso natürlich auch im Vorfeld, denn wenn die Regionalschwester ihren Tätigkeitsbereich 195

sehr breit sieht, dann wird sie auch im Vorfeld die Menschen auch auf ihren 196

Gesundheitszustand, sprich Ernährung und Bewegung hinweisen und es kommt vielleicht 197

kommt dann vielleicht gar nicht so weit wie es oft schon kommt. 198

I1: Gibt es sonst etwas, auch aus dem privaten Aspekt, dass sie zu der Thematik noch anfügen 199

möchten (?) 200

Department Gesundheit

142

B3: Ich finde das Thema ganz wichtig. Das lehnt sich auch an das Thema 201

Gemeindeschwester, Primary Nursing Konzept gut an. Ich finde es ist eine gute Sache, sollte 202

mehr gelebt werden, weil es für eine Gemeinde ganz wichtig ist. Ebenso weil man hier ganz 203

gut Brücken bauen kann und einfach auf seine Gemeindebürger gut schauen kann. 204

I1: Danke für das Gespräch. 205

B3: Bitte gerne. 206

Department Gesundheit

143

A.11 Transkription Interview IV

Experteninterview IV

Interviewdatum: 09.06.2016

B4: Frau Thekla Stoff, wohnt in einer Wohnung des Betreubaren Wohnen, war selbst

pflegende Angehörige

I1: Stephanie Walla, BA

I1: Frau Stoff, sie sind 84 Jahre alt und wohnen alleine in einer Wohnung des Betreubaren 1

Wohnen. Erzählen sie mir von ihrem Alltag. Wie geht es ihnen (?) 2

B4: Mir geht es ganz gut, Mir gefällt es ganz gut da, muss ich ehrlich sagen. Wir halten alle 3

zusammen. Gestern haben wir zum Beispiel zusammen alle Geburtstag gefeiert. Und das ist 4

ganz nett und mir gefällt es. Zu Hause ganz alleine … hier hat man ja doch irgendjemanden. 5

Ich habe im Winter eine Grippe gehabt … und habe nicht aufstehen können, da haben mir die 6

Nachbarinnen das Essen gebracht. Das war ganz toll. 7

I1: Wie sind sie zu dem Betreubaren Wohnen gekommen (?) 8

B4: Das habe ich von einer Bekannten gehört. Denen hat es auch gut gefallen. Das Haus hier, 9

ist bereits das zweite. Und naja (,) in einem Haus alleine, da bin ich nicht mehr 10

zurechtgekommen, das war zu groß und auch der Grund. Ich habe Schwierigkeiten mit dem 11

Kreuz. Ich habe nicht mehr alle Arbeiten machen können und so habe ich mich entschlossen, 12

verkaufen und hier her ziehen. 13

I1: Wie lange wohnen sie hier (?) 14

B4: Wie lange wohne ich jetzt hier (Pause) Zwei Jahre. 15

I1: Es besteht die Möglichkeit Betreuung zu nutzen… Wie funktioniert das System des 16

Betreubaren Wohnens, wenn man Betreuung möchte (?) 17

B4: Wenn man Betreuung möchte … dann ist in einem Teil der Häuser, die Volkshilfe drinnen. 18

Natürlich, dass ist das gleiche wie überall, wenn du es in Anspruch nehmen willst, musst du 19

es zahlen. Extra zahlen. 20

I1: Und was würden die machen, wenn man sie in Anspruch nehmen würde (?) 21

B4: Naja, die Betreuen einen schon. Was man halt so braucht. 22

I1: Das heißt die kommen und unterstützen einen bei der Körperpflege und im Haushalt. 23

B4: Sehr richtig. 24

I1: Das heißt die kommen nur, wenn man sie bestellt. 25

Department Gesundheit

144

B4: Sehr richtig. Ja. Es kommt aber … jeden Montag, oder alle 14 Tage (,) ich weiß es jetzt 26

nicht so genau, jemand ins Haus und da kann man sich … beschweren, oder was halt ist, 27

informieren wie es halt so läuft. 28

I1: Das heißt es gibt einmal in der Woche einen Beratungstag (?) 29

B4: Sehr richtig. Einmal in der Woche kommt auch eine Volkshilfe aus St. Pölten und die macht 30

mit uns Turnen, Malen, Karten spielen, alles Mögliche. 31

I1: Das heißt einen aktivierungstag. Ist der extra zu bezahlen (?) 32

B4: Nein der wird nicht bezahlt. 33

I1:Das heißt, der ist inkludiert hier im Haus. 34

B4: Wir müssen sowieso für die Volkshilfe 40 Euro jeden Monat zahlen. Da haben wir uns 35

beschwert. Wozu, wenn sich nichts machen. Und deswegen kommen sie jetzt. 36

I1: Und da gibt es Aktivierung und Programm einmal in der Woche. … Sie haben erzählt, wie 37

sie krank waren, haben sie Hilfe bekommen. Von ihren Nachbarn, oder … (?) 38

B4: Ja von den Nachbarn. 39

I1: Das heißt sie unterstützen sich da gegenseitig. 40

B4: Sehr richtig, ja. 41

I1: Und die Nachbarn sind in ihrem Alter (?) 42

B4: Ich bin eigentlich die Älteste Es sind alle jünger. Also meine Nachbarin, ist erst 57. Die 43

anderen sind so um die 70. Es gibt auch jüngere… 44

I1: Wissen sie haben die anderen Personen hier im Haus eine Betreuungsvertrag mit dem 45

Hilfswerk abgeschlossen (?) 46

B4: Nein, eigentlich nicht. 47

I1: Die wenigsten. Gibt es im Haus hier jemanden, der eine 24 Stunden Pflege in Anspruch 48

nimmt (?) 49

B4: In unserem Haus nicht, aber auf der anderen Seite schon. Da sind noch ältere und die 50

wohnen schon länger dort und die haben eine 24 Stunden Pflege. 51

I1: Wie geht es ihnen gesundheitlich (?) Erzählen sie mir ein bisschen. 52

B4: Naja… was soll ich sagen. … Irgendwas ist immer. Die Wehwehchen sind immer da. 53

I1: Waren sie vor kurzem im Krankenhaus (?) 54

B4: Ja, vor fünf Wochen. 55

I1: Können sie mir ein wenig über den Krankenhausaufenthalt erzählen (?) 56

B4: Mir gefällt es ganz gut in Mistelbach. Ich habe in der Früh einen leichten Schlaganfall 57

gehabt. Mir ist nur die Hand runter gefallen und … der Herr Doktor ist ja da einmalig. Der war 58

sofort da dann war auch schon die Rettung da. Im Krankenhaus haben sie schon auf mich 59

gewartet, da hat der Herr Doktor schon angerufen gehabt. … Also mir gefällt es im 60

Department Gesundheit

145

Krankenhaus Mistelbach. Manchen gefällt es gar nicht. Ich glaube es kommt immer darauf an 61

auf welcher Station man liegt. 62

I1: Bevor sie nach Hause gegangen sind, war da jemand bei Ihnen im Krankenhaus und hat 63

sie gefragt, wie es bei ihnen zu Haue weiter geht (?) Wie sie betreut sind (?) Oder sind sie 64

einfach entlassen worden (?) 65

B4: Ich bin einfach entlassen worden. Weil es ja nicht so schwer war. Ich bin einfach entlassen 66

worden und die haben mich gar nicht gefragt wie es weiter geht. Aber wenn was Schwereres 67

wäre würde man glaub ich schon gefragt werden. 68

I1: Aber sie in ihrem konkreten Fall, nach dem leichten Schlaganfall und dem 69

Krankenhausaufenthalt, sind von niemanden gefragt worden, wie sie zu Hause betreut sind, 70

ob jemand da ist … 71

B4: Nein, eigentlich nicht. 72

I1: Wie geht es ihnen jetzt gesundheitlich (?) Merken sie eine Veränderung (?) 73

B4: Ganz so richtig ist es noch immer nicht, aber es wird schon besser. 74

I1: Kommt jetzt nach dem Vorfall jemand zu ihnen (?) 75

B4: Die Kinder, oder die Schwiegertochter. Wenn es was zum Putzen gibt. 76

I1: Wie ist die Betreuung durch den Hausarzt. 77

B4: Ich habe Glück. Die Betreuung ist einmalig. 78

I1: Kommt der hierher, oder müssen sie hin fahren (?) 79

B4: Wenn ich ihn rufe dann kommt er hier her. Aber ich war heute zum Beispiel bei ihm und 80

bin selbst hin gefahren. 81

I1: Aber er macht auch Hausbesuche. 82

B4: Selbstverständlich, er war sogar schon hier. Wenn ich ihn brauche kommt er. 83

I1: Was erwarte sie von einem guten Hausarzt (?) 84

B4: Was ich erwarte (?) … Naja das er freundlich ist und das er parat ist bei Krankheiten und 85

zuhört. 86

I1: Sie haben mir erzählt, sie waren sehr zufrieden mit der Betreuung im Krankenhaus. Haben 87

sie auch schon einmal negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht (?) Also 88

mit dem Krankenhaus, mit dem Hausarzt oder mit Fachärzten, mit pflegerischer Betreuung (?) 89

B4: Eigentlich nein. Zum Beispiel sind mit dem Hausarzt nicht zufrieden (,) Ich habe da kein 90

Problem. 91

I1: Haben sie Schilderungen und Erfahrungen von anderen gehört, wo es Probleme gegeben 92

hat mit dem Krankenhaus oder mit dem Hausarzt (?) 93

B4: Ich weiß leider nichts. (lacht) 94

I1: Glauben sie gibt es sonst Probleme im Gesundheitssystem in Österreich (?) 95

Department Gesundheit

146

B4: Sicher. 96

I1: welche kennen sie, oder haben sie schon einmal davon gehört oder gelesen (?) Welche 97

sind ihnen geläufig (?) 98

B4: Naja, das System ist schon schwierig und man ist nicht ganz so zufrieden … 99

I1: Was konkret könnten die Leute da meinen (?) 100

B4: Naja ich bin zufrieden, weil ich einen guten Hausarzt habe, aber andere wieder nicht so. 101

I1: Wenn sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtern würde und sie merken es geht nicht 102

mehr alles so wie sie möchten und sie brauchen Unterstützung. Wo würden sie sich da die 103

Unterstützung holen (?) 104

B4: Wenn was ist, dann eine 24 Stunden Pflege … 105

I1: Und warum gerade eine 24 Stunden Pflege und zum Beispiel die Volkshilfe, das Hilfswerk 106

oder die Caritas, die mobil kommt (?) 107

Naja, solange man nicht (PAUSE) so ganz schwer krank ist, kann man sich ja stundenweise 108

jemanden nehmen. Ich habe eine Bekannte, die hat zum Beispiel die Caritas in der Früh und 109

am Abend. In der Früh helfen ihr die beim Aufstehen und bei der Pflege und am Abend beim 110

ins Bett legen. Aber eins stört sie halt, weil sie dann so zeitlich ins Bett gehen muss. Weil die 111

können auch nicht erst um neun halb zehn am Abend kommen. 112

I1: Das heißt, wenn sie Hilfe brauchen und es ist noch nicht so schlimm, würden sie die mobile 113

Hauskrankenpflege in Anspruch nehmen. Und wenn es schwieriger wäre, eine 24 Stunden 114

Pflege. 115

B4: Ja so auf die Art. Das ich nicht ins Heim muss … 116

I1: Das würde für sie nicht in Frage kommen. 117

B4: Naja man weiß es nicht … 118

I1: Aber wenn sie es sich aussuchen, dann werden sie in ihren eignen vier Wänden bleiben. 119

B4: Ja, sehr richtig. 120

I1: Ich erzähle ihnen ein bisschen was- es gibt internationale oder europäische Konzepte. Der 121

deutsche Überbegriff ist „Gemeindekrankenschwester“. Die Englischen Begriffe sind District 122

Nurse, Community Nurse. Es gibt Projekte und Konzepte in der Schweiz, in den Niederlanden 123

in Großbritannien. Alle diese Konzepte, haben folgenden Fokus. Das sind Krankenschwestern, 124

die vorbeugend zu den Leuten nach Hause. Sie müssen sich das so vorstellen, es käme 125

einmal in der Woche eine Krankenschwester zu Ihnen, die aber nicht für die Pflege zuständig 126

ist, sondern für die Beratung und sie nach ihrem Zustand fragt, sie fragt was sie brauchen. 127

B4: Psychische Betreuung (lacht) 128

Department Gesundheit

147

I1: Auch, aber nicht nur psychische Betretung, sondern stark der Fokus auf der 129

organisatorischen Unterstützung- auch in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt. Wenn sie so 130

etwas hören, was denken sie über sowas. 131

B4: Nicht schlecht. Ich denke nicht, dass so etwas schlecht ist … 132

I1: Könnten sie sich in ihrer jetzigen Situation vorstellen, so jemanden in Anspruch zu nehmen 133

würden, wenn es das Angebot von der Gemeinde in geben würde (?) 134

B4: Jetzt eigentlich noch nicht. Ich kann noch Auto fahren… 135

I1: Wenn die Ressource, das Autofahren mal nicht mehr geht (?) 136

B4: Ja dann ist das was anderes. (lacht) 137

I1: Die Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson würde auch darauf schauen, dass 138

man die Ressourcen die man noch hat, erhält. So zu sagen, Hilfe zur Selbsthilfe. Glauben sie 139

hat das einen großen Nutzen (?) 140

B4: Ich glaube schon. (Pause) Das glaube ich schon. Das merkt man erst wenn man älter ist, 141

dass es nicht mehr so geht. Das glaubt man ja vorher nicht. 142

I1: Und wenn diese Gemeindekrankenschwester, oder eben Regionale Gesundheits- und 143

Krankenpflegeperson auch eng mit dem Hausarzt zusammen arbeitet. Das heißt mit dem 144

Hausarzt zusammen arbeitet, die Vitalwerte kontrolliert, zum Hausarzt fährt und Rezepte und 145

Transportscheine organisiert. Sehen sie da einen Vorteil draus, wäre das für sie eine Option 146

(?) 147

B4: Wenn man nicht mehr kann ist es sicher ein großer Vorteil. (Pause) 148

I1: Das heißt, ich fasse zusammen (,) Wenn es jemanden geben, wenn sich ihre Situation 149

verschlechtern würde, der vorbeugend aber auch unterstützend hier zu ihnen nach Hause 150

kommt, sie berät, mit ihnen gemeinsam schaut, welche Hilfsmittel gibt es und sie auch 151

unterstützt in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, dann würden sie so jemanden in Anspruch 152

nehmen (?) 153

B4: Angenommen ich hätte einen schwereren Schlaganfall gehabt und ich könnte nicht mehr, 154

wäre das schon ein Vorteil. Da muss man ja sowas in Anspruch nehmen. 155

I1: Was würden sie sich von so einer Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson noch 156

wünschen, beziehungsweise, was sollt die noch können oder tun,… organisatorisch oder 157

fachspezifisch (?) 158

B4: Naja zusammenräumen tun die ja nicht … 159

I1: Nein diese Person selbst nicht, aber sie hilft ihnen jemanden zu organisieren, der das dann 160

für sie tut 161

Können sie sich vorstellen, dass diese Person ein bis zweimal pro Woche ins betreubare 162

Wohnen und Beratungsgespräche in einem größeren Rahmen durchführt (?) 163

Department Gesundheit

148

B4: Naja, ich sag ja, wir haben so etwas von der Volkshilfe, aber derzeit brauchen wir das 164

nicht. Ab und zu vielleicht. 165

I1: Zusammengefasst, benötigen sie derzeit keine Unterstützung. Sie haben eine gute 166

Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, weil sie derzeit noch mobil sind. Aber der Hausarzt macht 167

auch Hausbuche … 168

B4: Ja zu meiner Bekannten kommt er jede zweite Woche, nimmt Blut ab und verschreibt ihr 169

die Medikamente… 170

I1: … So eine Gemeindekrankenschwester könnten sie sich nur dann vorstellen in Anspruch 171

zu nehmen, wenn sich ihr Zustand verschlechtern würde und auch ihre Mobilität nicht mehr so 172

gegeben wäre. 173

B4: Na wenn man es braucht, selbstverständlich würde ich es dann in Anspruch nehmen. 174

I1: Würden sie es als positiv Empfinden, wenn so ein Hausbesuch durch eine Regionale 175

Gesundheits- und Krankenpflegeperson ab einem gewissen Alter verpflichtend wäre (?) 176

Einfach um zu schauen, ist der Zustand und wenn nichts gebraucht wird gehen sie wieder. 177

B4: Naja wäre nicht schlecht… ich glaube schon. 178

I1: Auch wenn das alter vorgegeben und der Besuch verpflichtend wäre (?) 179

B4: Ich glaub schon, dass das gut wäre. Manche sind mit zum Beispiel 80 ja noch rüstig und 180

die anderen wieder nicht. 181

I1: Gibt es sonst noch irgendwas, das sie zur Thematik Gesundheit und Krankheit, Versorgung 182

sagen möchten, erzählen möchten (?) 183

B4: Gesundheit… (Pause) 184

I1: Fällt ihnen noch was ein zum Thema Gesundheit und Krankheit in Österreich (?) 185

B4: Das Gesundheitssytems … Die anderen haben zumindest eine Pflegestufe. Bekommt man 186

eh nicht viel mehr. Zum Beispiel mein Mann (,) der war ja so krank und hat die Pflegestufe 2 187

bekommen. … Bettlägerig gewesen. Dann habe ich nochmal angesucht, aber da ist er dann 188

gestorben, da hätte er die vierer bekommen…. Solche Sachen erlebt man halt. 189

I1: Wie haben sie die Versorgung von ihrem Mann erlebt. 190

B4: …Das war nicht schlecht, außerdem bin ich zum Schluss jeden Tag ins Spital gefahren. 191

Ich habe ihn sonst eh zu Hause gehabt, aber wenn es gar nicht mehr gegangen ist und er 192

dazwischen Krank geworden ist, ist er ins Krankenhaus gekommen. 193

I1: Sind sie vom Krankenhaus im Sinne der Betreuung ihres Mannes, beraten worden damals, 194

bevor er entlassen worden ist (?) 195

B4: Nein, ich habe auch nicht geglaubt das er sterben muss. Alle haben es gewusst nur ich 196

habe es nicht geglaubt und so haben sie mit mir darüber auch nicht gesprochen und nichts 197

gesagt. 198

Department Gesundheit

149

I1: Haben sie Beratung im Krankenhaus bekommen bezüglich ihrem Mann und der Pflege und 199

Betreuung zu Hause (?) 200

B4: Naja (Pause) eigentlich nicht dann,… weil zum Schluss war er nur noch im Spital und dann 201

ist er eh nicht mehr nach Hause gekommen. 202

I1: Aber es keiner Nachgefragt (?) 203

B4: Nein, wegen der Entlassung nicht. 204

I1: Das heißt sie waren auch pflegende Angehörige. 205

B4: Acht Monate haben wir ihn gepflegt zu Hause. 206

I1: Hatten sie Unterstützung? 207

B4: Eigentlich habe ich ihn alleine gepflegt, aber mein Sohn hat daneben gewohnt, der hat 208

mir ab und an geholfen. 209

I1: Wie war die Situation für sie als pflegende Angehörige (?) 210

B4: Ich habe es gern gemacht. (,) Ich hätte ihn auch nie ins Heim gegeben, wenn ich ehrlich 211

bin, solange ich können habe. Wenn ich nicht mehr können hätte, wäre es ja nicht mehr 212

gegangen. 213

I1: Haben sie da jemanden gehabt der sie bezüglich Hilfsmittel und organisatorischem Beraten 214

hat (?) Zum Beispiel wo ich ein Pflegebett her bekomme (?) 215

B4: Ja das haben wir alles vom Nachbarn gehabt. 216

I1: Aber sie hatten keine Fachkraft die sie beraten hat. 217

B4: Nein daran habe ich gar nicht gedacht. Ich hab auch schon die Oma des Nachbarn 218

gepflegt. 219

I1: War die Situation als pflegende Angehörige oft schwierig für sie (?) 220

B4: Manchmal schon sehr, weil er war aggressiv und wehleidig. Er war immer schon so ein 221

Heferl. Aber ich hab mir dann die Neurologin geholt und die hat ihn dann mit Medikamenten 222

gut eingestellt. 223

I1: Das heißt sie haben sowohl als pflegende Angehörige, als auch selbst als Patientin viel 224

mitgemacht. 225

B4: Ja er war auch immer in der Nacht unruhig und ich hätte mir gewünscht ein wenig schlafen 226

zu können. Das war schon eine psychische Belastung. 227

I1: Und warum haben sie sich da keine Hilfe, externe Hilfe genommen (?) 228

B4: Ich habe das schon irgendwie geschafft und ein wenig hat mir eh auch die 229

Schwiegertochter geholfen, wen ich sie gebraucht habe. Zum Beispiel im Haushalt. 230

I1:Wenn wir nochmals auf die Thematik der Regionale Gesundheits- und 231

Krankenpflegeperson eingehen. Wenn diese Person zu ihnen als pflegende Angehörige zur 232

Beratung und Unterstützung gekommen wäre, hätten sie diese Hilfe angenommen (?) 233

Department Gesundheit

150

B4: Naja sicher zwischendurch wäre das gar nicht so schlecht gewesen,… so eine Beratung 234

und Unterstützung. (PAUSE) 235

I1: Okay, dann danke für das Gespräch. 236

B4: Gerne. 237

Department Gesundheit

151

A.12 Transkription Interview V

Experteninterview V

Interviewdatum: 13.06.2016

B5: Herr Werner Krammer, Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger,

Entlassungsmanager im Landesklinikum Mistelbach

I1: Stephanie Walla, BA

I1: Herr Krammer sie sind Entlassungsmanager im Landesklinikum Mistelbach. Bitte erzähle 1

sie mir von ihrem Aufgabengebiet, von ihrer Tätigkeit. 2

B5: Unser Aufgabengebiet ist einfach erklärt. Die Patienten die im Haus stationär 3

aufgenommen werden, werden beraten, dass sie bei der Entlassung eine optimale Versorgung 4

haben. Es sollte kein Drehtüreffekt entstehen. Das heißt der Patient wird entlassen, wird mit 5

unserer Hilfe, mit den Angehörigen so versorgt, dass er optimal zu Hause in seinem Alltag 6

weiterleben kann. 7

I1: Sind sie hauptberuflich im Entlassungsmanagement tätig (?) 8

B5: Ja, ich bin hauptberuflich. Wir sind zwei Personen zu je 40 Stunden angestellt und 9

betreuen fast schon 2000 Patienten im Jahr. 10

I1: Wie kommt jemand im Landesklinikum Mistelbach zum Entlassungsmanagement (?) Trifft 11

das jeden, oder wer wird dafür ausgewählt (?) 12

B5: Im Zuge der Aufnahme wird bei uns ein sogenanntes Assessment Verfahren eingeleitet. 13

Das heißt (,) bei der Befragung werden mehrere Punkte abgefragt und wenn die Punkteanzahl 14

die Zahl 4 nicht übersteigt, werden sie übergeleitet zu uns in unser Büro und wir sehen dann 15

um welchen Patienten es sich handelt, oder welche Station es ist. Oftmals ist hier bereits 16

vermerkt welche Versorgung er bereits hat beziehungsweise geplant ist. Wir entscheiden dann 17

ob das zu wenig ist und nehmen mit dem Patienten oder Angehörigen oder auch Sachwalter 18

Kontakt auf und besprechen die weitere Versorgung. Die zweite Möglichkeit ist es noch, wen 19

ein Patient länger da ist (,) und es tritt nach einer Woche erst eine Verschlechterung ein, gibt 20

es auch eine sogenannte elektronische Anforderung. (,) Das ist fast das Gleiche wie bei dem 21

vorhergehenden Verfahren. Es ist nur so, dass man das auch später berücksichtigen kann. 22

I1: Das Assessment wird durch wen durchgeführt (?) 23

B5: Von dem diplomierten Pfleger oder Schwester, die den Patienten auf der Station aufnimmt. 24

I1: Zu welchem Zeitpunkt führt die Person das Assessment durch (?) 25

Department Gesundheit

152

B5: Innerhalb von 24 Stunden sollte es erfolgen. Erfolgt es auch meistens. Dann ist es auch 26

natürlich die Wertigkeit. (,) Weil oft Organisation der Versorgung im extramuralen Bereiches 27

doch bis zu 14 Tagen, drei Wochen dauert. Deshalb versuchen wir es auch nach einer 28

Wertigkeit zu reihen und in den ersten zwei bis drei Tagen mit den Angehörigen Kontakt 29

aufzunehmen. 30

I1: Wo liegt der Hauptfokus ihres Aufgabengebiets, vom organisatorischen Aspekt her (?) 31

B5: Vom organisatorischen ist es ganz einfach gesagt. Es ist so der Patient kommt und hat 32

sich verändert wenn er bei uns ist. Das heißt er brauch Hilfe. Das heißt er ist vielleicht er ist 33

noch mit dem Auto gefahren, hat einen Schlaganfall. Er konnte vorher noch gehen, essen, 34

sprechen und schlucken. Das hat sich verändert. Jetzt müssen wir in Kooperation mit den 35

Stationen, sprich Ärzten und dem zuständigen Pflegepersonal abstimmen, was wird derjenige 36

brauchen. Wir nehmen dann mit ihm oder auch mit den Angehörigen Kontakt auf und 37

informieren diese bereits im Vorfeld, welche Möglichkeiten es gibt. Welche Förderungen, 38

Pflegegeld, alle Sozialleistungen die man in Anspruch nehmen kann. Welchen Heilbedarf es 39

gibt, welche Heilbehelfe es gibt. Welche Organisationen, wie schaut das Förderungssystem 40

aus. Wie weit geht es in den Bereich Sachwalterschaft. Wann wird man sie brauchen, wird 41

man sie überhaupt brauchen. Hier kommen natürlich mehrere Versorgungstechnische Sachen 42

hinzu. Weil es oft gebietsmäßig auseinander geht. 43

I1: Habe ich das richtig verstanden- haben sie nur die Beratungsfunktion, oder auch das 44

Organisatorische selbst (?) Also auch die Organisation von Verordnungsscheinen … 45

B5: Verordnungsscheine, das macht die Station. Die zuständige betreuende Pflegeperson. Wir 46

dürfen, wenn der Patient das wünscht (,) das heißt wenn der Patient sagt, er will das Hilfswerk, 47

Caritas oder Volkshilfe, dann dürfen wir das weiter organisieren. Wir dürfen nicht entscheiden 48

welche Organisation er nimmt. (,) Aber im Auftrag des Patienten, das wird natürlich auch 49

dokumentiert, können wird das alles veranlassen. Bei der 24 Stunden Versorgung, ist unsere 50

Aufgabe hauptsächlich diese Beratung wie läuft das ab. Was können sie, was müssen sie 51

können. Wie schaut das her von der Kostenseite, von der Förderungsseite. (,) Welche 52

Agenturen gibt es. Die Holding in Niederösterreich besitzt eine Liste wo neben Hilfswerk, 53

Caritas und Volkshilfe, auch alle genannten Firmen sind, die 24 Stunden Betreuung anbieten, 54

die auch einen sogenannten Qualitätszirkel über das Land Niederösterreich aufweisen 55

können. Das heißt (,) diese Agentur muss sich auch kümmern, dass diese betreute Person 56

auch einen richtigen Umgang hat. … Was Landespflegeheime betrifft, oder Hospiz (,) in 57

Rücksprache mit den Angehörigen sind wir da auch sehr involviert. Wir haben sehr viel Kontakt 58

mit unseren Heimen, um im Vorgespräch viel abklären können und vor allem auch mit den 59

Department Gesundheit

153

Angehörigen bereits die Formalitäten erledigen zu können und das dann an die zuständige 60

Bezirkshauptmannschaft beziehungsweise an das zuständige Heim weiter zu leiten. 61

I1: Aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes. Gibt es Defizite hinsichtlich des 62

Entlassungsprozess, sowie der Folgeversorgung nach stationären Aufenthalts (?) Wenn ja, 63

können sie mir diese genauer erläutern (?) 64

B5: Die Problematik ist heut zu Tage so, dass ein Spital ein medizinisches Institut ist und unter 65

Anführungszeichen gesagt, den pflegerischen Aspekt müssen andere Organisationen 66

übernehmen. Es ist jetzt das erste Problem, dass eine Hauskrankenpflege freitags niemanden 67

übernehmen, da der Dienstplan schon Tage vorher steht. Das heißt wenn wir am Donnerstag 68

noch jemanden entlassen könnten, können wir oft die Person oft nicht nach Hause entlassen, 69

weil es am Freitag keine Kapazität von der Hauskrankenpflege gibt. Das heißt die Person liegt 70

bis Montag mindestens. Das nächste Problem ist auch, die 24 Stunden Betreuung, wenn ich 71

es kurz zusammen fasse, ist eine sehr gute Organisation, hat auch gute Leute, aber von der 72

Kostenseite bleiben dem Patienten, oder den Angehörigen ein Betrag von 8000 oder 9000 73

Euro und das ist natürlich nicht selbstverständlich, dass das bei jedem verfügbar ist. (,) Die 74

Situation bei den Landespflegeheimen, da muss man konkret sagen, da unterscheiden wir 75

zwischen Kurzzeitpflege, Übergangspflege und Langzeitpflege. Grundlegend ist hier zu sagen, 76

dass die Kapazität der Betten eher dürftig ist. … Man kann es heute so sehen, der Trend zur 77

24 Stunden Betreuung wird mehr. Die Heimplätze werden aus (,) mir nicht bekannten Gründen 78

nicht erweitert. Es werden zwar Heime neu gebaut, aber die Bettenanzahl wird nicht erhöht. 79

Speziell bei der Übergangspflege, wo doch der Hintergedanke ist, dass der Patient nach dieser 80

84 Tage Versorgung, wieder nach Hause kann und „preiswerter“ versorgt werden sollte. (,) In 81

unserem Bereich, Gänserndorf/ Mistelbach erhöhen sich die Kapazitäten gemessen an dem 82

gegeben Bedarf nicht, obwohl wir schon Leute haben, die 95 oder 100 Jahre alt werden. 83

I1: Wie erleben sie die Zusammenarbeit, abgesehen vom pflegerischen Aspekt, den sie schon 84

gut erläutert haben, mit dem niedergelassenen ärztlichen Bereich, mit den niedergelassenen 85

Ärzten (?) 86

B5: Mit unseren Ärzten gibt es eine gute Kooperation. Wir haben natürlich die Aufgabe, wenn 87

wir keine Angehörigen, oder niemanden in der Ortschaft, oder die Nachbarn erreichen, 88

nehmen wir natürlich immer mit dem Hausarzt Kontakt auf. Die sind sehr hilfsbereit und 89

entgegenkommen und erklären uns diesen Bedarf, wer versorgt den Patienten, wer ist 90

Ansprechpartner. Oft sind keine Kinder mehr da. Das klappt sehr gut. Auch wir können von 91

unseren Hausärzten verlangen, wenn wir einen Patienten entlassen, weisen wir darauf hin, 92

wenn es pflegerisch nicht passt, dass sie dort aktiv werden. Ich muss sagen, da haben wir 93

eine sehr sehr gute Zusammenarbeit und auch unsere Hausärzte begrüßen das. 94

Department Gesundheit

154

I1: Und das funktioniert durchwegs gut, oder gibt’s da auch regionale Unterschiede (?) 95

B5: … Derjenige der um seine Patienten bemüht ist, pflegt den Kontakt mehr. Derjenige der 96

es als Belästigung empfindet, da merkt man schon im Gespräch, dass das vielleicht nicht als 97

positiv erachtet wird. 98

I1: Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert, 99

haben sie spezielle Geschichten, die die Wünsche und Bedürfnisse von Betroffenen und auch 100

pflegenden Angehörigen wiederspiegeln (?) 101

B5: Es ist die große Problematik im Weinviertel, wir haben sehr viele Sorge mit Leute die 102

keinen Arbeitsplatz haben, keine Versicherung, zu wenig Pension haben. … Durch den 103

Alkoholismus (,) sehr stark geprägt sind. (,) Die quasi über die Nacht obdachlos geworden 104

sind, die zu versorgen wird immer schwieriger. Es kommt hinzu, die große Problematik, die 105

Heimversorgung. Es ist sehr schwierig bei Angehörigen das Verständnis zu erlangen, das die 106

pflegebedürftigen, die Besitz haben und diesen nicht weitergegeben haben, aber bereits 85 107

Jahre alt sind, das dieser für einen Pflegeheimplatz belehnt werden. Das heißt das Land erhebt 108

für einen Pflegeheimplatz, wenn ein Eigentum zum Beispiel ein Haus vorhanden ist und dieses 109

nicht länger als fünf Jahre an Angehörige überschrieben wurde, Anspruch auf dieses 110

Eigentum. Derjenige der nichts hat, hier zahlt die Allgemeinheit. Das ist ein großes Problem, 111

wo dann natürlich Missmut gegenüber unserem Versorgungsystem aufkommt. 112

I1: Wie ihnen sicherlich bekannt ist, werden 80% der Pflege in Österreich durch Laienpflege 113

geleistet, wo sehen sie hier die Problematik, auch im Fokus der Bedürfnisse der pflegenden 114

Angehörigen (?) 115

B5: Wir haben ein großes Problem mit der Laienhaften Pflege. Ich unterscheide zum einen die 116

Hauskrankenpflege. Die Hauskrankenpflege hat überall sehr gut und sehr flexible Leute. Die 117

Führungen sind sehr flexibel. Das einzige Handicap ist oft die blöde Freitagsentlassung, was 118

oft kritisch ist. Dadurch haben wir oft nur vier Tage zum Entlassen. (,) Natürlich muss man 119

unterscheiden, wenn der Patient „nur“ eine Demenz hat, dann ist eine Hauskrankenpflege 120

dreimal täglich oft nicht die ideale Versorgung und dann gehen wir über in eine 24 Stunden 121

Betreuung. Es ist immer ein zweischneidiges Schwert, welche die ideale Versorgung auch im 122

Sinne der Angehörigen ist. Es zeigt sich dann im Endeffekt, dass derjenige der eine 24 123

Stunden Betreuung durch eine Agentur in Anspruch nimmt, sich sagt der Patient hat 24 124

Stunden eine Betreuung, ich bin damit entlastet, denn wenn sonst das Telefon abends oder 125

nachts läutet, muss ich selbst die Initiative ergreifen und das ist eben der Nachteil bei der 126

Hauskrankenpflege. Die können maximal drei bis viermal am Tag zum Patienten kommen. 127

Und darum ist oft so, man würde manchmal beides brauchen. Geht von der Kostenseite her 128

Department Gesundheit

155

nicht. Darum habe ich manchmal den Eindruck, dass die 24 Stunden Betreuung sukzessive 129

mehr wird. 130

I1: Und die Laienpflege durch pflegende Angehörige, also durch die pflegenden Angehörigen 131

selbst, nimmt das zu, nimmt das ab, wie sehen sie da die Entwicklung (?) 132

B5: Ich würde eher sagen, die Zunahme ist wie bisher, aber es kommt je nach Familie auch 133

der Aspekt der Berufstätigkeit vieler Frauen, Kinder und Enkelkinder hinzu. Wenn die Person 134

alleine wohnt, wird meist auf eine 24 Stunden Betreuung zurückgegriffen. Vor allem wenn die 135

Person eine Demenz hat, die Mobilität eingeschränkt ist. (,) Es ist immer von Fall zu Fall 136

unterschiedlich. Man merkt das beim Gespräch schon, wenn die Angehörigen hören, da wäre 137

rund um die Uhr jemand da. Die Person geht einkaufen und kocht vielleicht noch, da sind die 138

Kostenstrukturen vielleicht auch leichter, als wenn die Person mehrmals am Tag eine 139

Hauskrankenpflege, Essen auf Rädern in Anspruch nimmt. Dann braucht er vielleicht noch 140

jemanden fürs Rasenmähen oder handwerkliche Tätigkeiten … da geht es um das 141

Gesamtprogamm und vor allem Kosten. 142

I1: Merkt man Unterschiede bei der Betreuungsform. Wenn Leute ins Krankenhaus 143

eingewiesen werden, am Zustand der Patienten, von wem sie im häuslichen Setting versorgt 144

werden (?) 145

B5: Würde ich schon so beurteilen. Es ist sicherlich bei der Hauskrankenpflege, die haben von 146

der Ausbildung her die besseren Voraussetzungen. Die können auch mit gewissen Situationen 147

leichter umgehen. Eine Situation ist zum Beispiel, ich muss das ansprechen, Dekubitus. 148

Dekubitus ist, wenn vorhanden, sicher Caritas, Volkshilfe oder Hilfswerk, sicherlich die 149

optimalere Versorgung. Wir in Mistelbach haben sogar einen Wundmanager. Der ist auf einer 150

Privatbasis und arbeitet mit jeder Hauskrankenpflege zusammen. Das ist sicher optimal. Bei 151

der 24 Stunden Betreuung kommt es natürlich auf die Person und deren Willigkeit, oder deren 152

Verständnis für den Patienten, an. Wobei ich sagen muss, 80% sind bei der Erstbesetzung 153

sehr gut bis ausreichend. Aber bei 20% können gleich zu Beginn oder während der Zeit 154

Probleme auftreten, die dann unmittelbar der Agentur gemeldet werden muss. 155

I1: Es gibt internationale/ europäische Konzepte, die ich ihnen gerne kurz näher beschreiben 156

möchte. Es gibt zum Beispiel die District Nurse im National Health Service in Großbritannien. 157

Es gibt ein neues Modell, das Burrtzorg mit den Community Nurses in den Niederlanden. Es 158

gibt in Dänemark Konzepte. Es gibt das Projekt EIGER in der Schweiz. EIGER – innovative 159

geriatrische Hausbesuche. All diese Konzepte haben präventive Hausbesuche zur Erhebung 160

der individuellen Bedarfslage im Fokus. Inwiefern erachten sie so etwas als Hilfreich im System 161

(?) 162

Department Gesundheit

156

B5: Es ist bei uns bei der Bedarfserhebnug, das große know how, im Erstgespräch zu erfahren 163

(,) wer ist die ausschlaggebende Ansprechperson. Ist der Patient soweit, dass er seine 164

Versorgung akzeptiert und auch bestimmen kann, oder ist es ein Angehöriger. Für uns ist es 165

immer wichtig, dass wir uns eine Bezugsperson ermitteln, mit der man dann, immer mit der 166

gleichen Person, einen Versorgungsplan erstellt. Schwierig wird es, wenn die Problematik 167

auftaucht, drei Kinder zum Beispiel, jedes Kind hat eine andere Meinung. Das ist ein großes 168

Problem, dass wir hier bei der Versorgung haben. Auch die Akzeptanz, dass der Patienten 169

sich jetzt sicher verändert hat und nicht mehr mobil oder so aktiv ist. Bis hin zu einem Pflegefall, 170

der vielleicht nie wieder einen Angehörigen erkennen wird. 171

I1: Wenn sie sich vorstellen, abgesehen vom Entlassungsmanagement, dass noch bevor sich 172

ältere Menschen verschlechtern und ins Krankenhaus kommen, präventiv Hausbesuche und 173

eine Bedarfserhebung durchführt werden, sowie ein Assessment zur Erhebung der 174

Bedarfslage (?) Was denken sie darüber – bevor noch ein Ereignis, eine Verschlechterung 175

eintritt (?) 176

B5: Im Familienverband ist es so, das die Eltern zu diesem Zeitpunkt meist in einem Intervall 177

leben, in dem sie glauben, es bleibt immer so und sie verschlechtern sich nicht. Sie akzeptieren 178

den Gedanken einer Verschlechterung nicht. Es ist hier sicher zu überlegen, ob man mit den 179

Personen in dem besagten Zustand Kontakt aufnimmt und sie darauf anspricht, was weiter 180

passieren soll, wenn ich ihr Allgemeinzustand verschlechtert. Wenn die Leute dann nicht mehr 181

die Akzeptanz zur Hauskrankenpflege, Langzeitpflege, 24 Stunden Betreuung, 182

Übergangspflege haben, weil sie es oft nicht mehr begreifen wollen oder auch können. Wenn 183

man rechtzeitig mit den Angehörigen und den Betroffenen spricht, und sie fragt, „was stellen 184

sie sich vor“, ihnen sagt was in zehn Jahren sein könnte. Die Mobilität, eine Demenz, wer soll 185

dann was entscheiden (?) Welche Vorstellungen haben die Personen. Auch im Bereich der 186

Beratung für eine Vorsorgevollmacht. Das wäre eine gute Sache, wenn viele so etwas 187

rechtzeitig abschließen würden und dann schriftlich hätten, das wäre sicher auch eine gute 188

Lösung. 189

I1: Das heißt sie würden es als Vorteil erachten, wenn es eine Person gäbe, die präventiv nach 190

Hause kommt und Beratungsgespräche durchführt (?) 191

B5: Ja auf jeden Fall. Vor allem sie müssen sich vorstellen, wenn der Patient bei uns ist hat er 192

schmerzen, er ist verwirrt, er ist in einer neuen Umgebung. Es kommt jemand vom 193

Entlassungsmanagement im Krankenhaus und sagt ihm welche Möglichkeiten der weiten 194

Versorgung es gibt. Der Patient ist der Situation damit überfördert. Er kommt mit seinen 195

Beschwerden ins Krankenhaus und kann auch meist keine genaue Auskunft geben, weil er es 196

bisher nicht gekannt hat. Auf ihn wirkt so viel ein. Ist auch verständlich, wenn jemand 50 oder 197

Department Gesundheit

157

60 Jahre seine Leben auf eine Art und Weise gelebt hat und jetzt kommt jemand uns sagt „ab 198

morgen machen wir es anders“, kann es den Menschen im ersten Moment nur belasten und 199

es wird verneint. Das ist auch der Grund warum bei uns im Entlassungsmanagement auf drei, 200

vier oder manchmal sogar fünf, sechs Gespräche geführt werden bis man das Einsehen vom 201

Patienten irgendwann erlangt. 202

I1: Wenn sie sich vorstellen, dass es so eine regionale Gesundheits- und 203

Krankenpflegeperson, die solche präventiven Hausbesuche durchführt, aber auch 204

fallspezifische Hausbesuche bei akuter Verschlechterung durchführt, im Bezirk Gänserndorf, 205

Bezirk Mistelbach gäben würde. Eine Person, mit der man auch im Sinne des 206

Entlassungsmanagement kooperieren könnte. Jemand der den Fall quasi von ihnen 207

übernehmen würde, auch um den Drehtüreffekt zu vermeiden. – Was halten sie von solch 208

einem Konzept (?) Welche Inhalte müsste das Tätigkeitsfeld dieser Person noch beinhalten 209

(?) Wie wäre das aus ihrem Aspekt hilfreich (?) 210

B5: Ich glaube, dass es oft so ist, dass wir oft Patienten haben, die wir von unserer Seite her 211

entlassen und wo Situation die Hilfestellung in erster Instanz erledigt ist und wo derzeit kaum 212

bis kein Bedarf vorhanden ist. Diese Patienten könnte man an solche regionalen Gesundheits- 213

und Krankenpflegepersonen weiter tragen, weil eine mögliche Verschlechterung des 214

Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Sei es onkologisch oder neurologisch, oder auch ein 215

operatives, kardiales oder sonstiges Problem. Wo man vorahnen kann, wie der 216

Krankheitsverlauf sein könnte und das genau dort die regionalen Gesundheits- und 217

Krankenpflegepersonen mit der betroffenen Person bespricht, wie schaut die Situation aus, 218

wie kann sie sich entwickeln und dort bereits erste Informationen gibt, welche Möglichkeiten 219

der weiteren Versorgung es im extramuralen Bereich gibt. 220

I1: Das heißt weiterführend nach der Entlassung … 221

B5: Ja. 222

I1: Und auch im Sinne der Qualitätskontrolle. Sie beginnen im Krankenhaus mit den 223

Angehörigen und den Betroffenen im Rahmen des Case Management mit der Organisation 224

der weiteren Versorgung und die regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson kommt 225

dann nach der Entlassung nach Hause und führt eine Qualitätskontrolle der Betreuung durch 226

und adaptiert bei Bedarf noch weiter. Denken sie, dass das einen Nutzen hätte (?) 227

B5: Sicher ein Vorteil. Ich muss noch eines dazu sagen. Bei uns heißt es, wir sind Care und 228

Case Management. (,) Unsere Versorgung durch das Entlassungsmanagement beginnt im 229

Spital mit der Aufnahme und endet, wenn der Patient entlassen wird. Unser großes Handicap 230

ist, ich kann nicht kontrollieren, ich kann nicht überprüfen, was wirklich außerhalb vom 231

Department Gesundheit

158

Krankenhaus, das heißt wenn er zu Hause ist, wirklich erfolgt. Die Zusage von den 232

Angehörigen oder vom Patienten, „das und das ist gemacht“, kann ich nicht überprüfen. 233

I1: Das heißt aus ihrem Aspekt zusammengefasst, die Aufgabe einer regionalen Gesundheits- 234

und Krankenpflegepersonen, wäre dann vom Ansatz her auch die weiterführende Kontrolle 235

und auch das weiterführende Case Management in der häuslichen Betreuung (?) 236

B5: Das ist sicher eine Möglichkeit, wo ich sehr viel Sinnvolles darin sehe. Es ist ja so, man 237

hat ja die Erfahrung. Es wird eine weitere Versorgung für die Patienten organisiert. Dann 238

schickt man die Person nach Hause und die kommt nach zwei Monaten, sechs Wochen oder 239

sogar nach zwei Wochen wieder ins Krankenhaus. Wenn man dann mit den Angehörigen 240

Rücksprache hält, erfährt man dann, dass nichts weiter zu Hause organisiert wurde. Bei einer 241

flächendeckenden Versorgung, erspart man dem Patienten oft mehrere 242

Krankenhausaufenthalte. Wir haben aber, zur Erklärung, eine Möglichkeit, bei Fällen wo wir 243

uns sicher sind, das die weitere Versorgung nicht optimal klappt, dass wir mit den Sozialämtern 244

in Mistelbach zusammenarbeiten können. In solchen Situationen ersuchen wir sie dann, bei 245

den betroffenen Damen oder Herren einen Hausbesuch abzustatten und das Geschehen zu 246

überprüfen. Ist es so wie besprochen, gibt es Abweichungen, oder haben wird den Bedarf 247

über- oder unterschätzt. 248

I1: Was sind die Herrschaften von der Qualifikation her (?) 249

B5: Sozialarbeiter. 250

I1: Sozialarbeiter, aber pflegerische Ausbildung haben sie keine (?) 251

B5: Pflegerische Ausbildung haben sie keine. 252

I1: Welche noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte Schwächen- wenn sie an die 253

erwähnte Konzeption denken, regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, sowie 254

das es keine weitere Kontrolle nach dem Entlassungsmanagementprozess gibt,- bestehen 255

ihrer Ansicht nach im Bereich Schnittstellenmanagement, Nahtstellenmanagement. Fallen 256

ihnen noch Beispiele ein wo ein Adaptionsbedarf besteht (?) 257

B5: Es ist oft sicher der Bedarf, speziell bei einigen Hausärzten. Wo man sagt, man muss mit 258

dem Patienten wirklich Kontakt pflegen und das nicht nur aus medizinischer sondern vor allem 259

auch aus pflegerischer Sicht. So mancher Hausarzt kann nicht verstehen, dass ein Patient 260

gewisse Tätigkeiten nicht mehr kann oder gewisse Akzeptanz für seine Erkrankung fehlt. Der 261

Hausarzt setzt oft viel zu viel voraus. Oft auch bei den Angehörigen. Es ist nicht überall so, 262

dass jede Familie ein harmonisches, gut funktionierendes Zusammenleben hat. Es ist leider 263

so, dass auch viele Kinder keinen guten Kontakt zu ihren Eltern pflegen. Das wird leider immer 264

mehr. Da sind die Hausärzte leider oft nur auf ihren medizinischen Fokus bedacht und das 265

pflegerische geht leider oft unter, ist aber auch nicht der Schwerpunkt. 266

Department Gesundheit

159

I1: Das heißt, die Vernetzung von regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit 267

dem Hausarzt wäre aus ihrer Ansicht auch sehr wichtig (?) 268

B5: Wäre auch sehr wichtig. Da könnte man sicher noch einiges ausbauen. Gerade oft nicht 269

nur der Manager zum Hausarzt, sondern auch der Hausarzt. Diese sind oftmals überfordert 270

und wissen nicht weiter, was gibt es im Versorgungsystem noch. Wen kann ich anrufen und 271

fragen. Wer kann mir sagen, was die Person in welchen Zustand benötigen. Der Hausarzt 272

sieht leider oft nur den Patienten mit den Medikamenten, der E-Card und seine medizinische 273

Versorgungsaufgabe. 274

I1: Gibt es noch etwas, dass sie zur Thematik anfügen möchten (?) 275

B5: … Die Tätigkeit die alle Leute dieser Branche machen, die machen sie nicht für sich, 276

sondern sie machen es nur für sich und die Angehörigen. Es freut uns wenn es positiv 277

angenommen wird, es gibt aber auch schon sehr viele, wo man schon beim Erstgespräch 278

hinten angestellt wird. (,) Da muss man durch. Ansonsten ist es sehr sehr Aufgabenreich und 279

es ist jeder Tag aufs Neue spannend. 280

Department Gesundheit

160

A.13 Transkription Interview VI

Experteninterview VI

Interviewdatum: 20.06.2016

B6: Frau Meinhard- Schiebel, Präsidentin der Interessensgemeinschaft Pflegender

Angehöriger, Senioren und Gesundheitssprecherin der Grünen Wien

I1: Stephanie Walla, BA

I1: Frau Meinhard- Schiebel, sie sind Präsidentin der Interessensgemeinschaft Pflegender 1

Angehörigen. sowie Senioren und Gesundheitssprecherin der Grünen Wien, bitte erzählen sie 2

mit von ihrem Aufgabengebiet (?) 3

B6: Auf der Seite der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger habe ich vor allem die 4

Aufgabe auf der politischen Ebene, mich mit dem Team dafür einzusetzen (,) dass die 5

hunderttausend pflegenden Angehörigen in Österreich besser repräsentiert werden und vor 6

allem das es auch Forderungen gibt, die ihren täglichen Lebensalltag betreffen. Also da geht 7

es auf der einen Seite darum, dass sie bessere Betreuungsangebote bekommen. Das sie 8

niederschwellige Zugänge bekommen, dass das Pflegegeld jährlich valorisiert wird und nicht 9

nur alle paar Jahre. (,) Und es geht auch überhaupt darum, dass Menschen die in dieser 10

Situation sind, nicht alleine gelassen werden, weil sie ja zumeist 24 Stunden mit dem Thema 11

beschäftigt sind. Die Alternativen die es heutzutage gibt, die 24 Stunden Pflege oder die (,) 12

Heimhilfe, oder die Pflegehelfer, etc., sind eben nicht so gestaltet, dass die pflegenden 13

Angehörigen sie wirklich als Entlastung erleben. (,) Es ist ganz ein kompliziertes Netzwerk das 14

da ist, aber das pflegende Angehörige entweder gar nicht nützen weil sie es nicht wissen, oder 15

aber das es nicht dem entspricht was sie brauchen in ihrer Situation. Das ist der eine Punkt. 16

… Als Seniorensprecherin weiß ich natürlich, dass es eben immer mehr ältere Menschen gibt 17

die auch alleiinstehend sind und die dann, wenn sie wirklich erkranken oder ein Problem 18

haben, in dieses gesamte Gesundheitsversorgungsnetz eingebunden zu werden … das ist 19

besonders bei Menschen mit einer dementiellen Erkrankung ein Problem, die alleine sind. Und 20

als Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen bin ich im Gemeinderat und bin auch eben dort 21

auch für das Thema Gesundheit und Pflege, für Menschen und Pflege und Menschen mit 22

Behinderung und Generationen zuständig. Und dort habe ich natürlich auch mit dem gesamten 23

Gesundheitswesen in Wien zu tun. 24

I1: Mit welchen Erfahrungsberichten betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert (?) 25

Können sie mir Geschichten aus dem Leben Betroffener schildern (?) 26

Department Gesundheit

161

B6: (Lacht). Also ich persönlich bin ja keine pflegende Angehörige. Ich bin auch keine 27

Betroffene in diesem Sinn. Aber ich habe natürlich ganz ganz viel damit zu tun, dass ich von 28

Menschen erfahre wie es ihnen geht, aber auch wie es dem Pflegepersonal geht. Also es gibt 29

jetzt zum Beispiel ein Schwarzbuch des „KIF“- also der Interessensvertretung von 30

Pflegekräften. Die beschreiben in ihrem Schwarzbuch natürlich die Situation die sie vorfinden 31

in ihren Berufsfeldern. Und wenn man das alles zusammen auf den Tisch legt, kommt man 32

drauf, dass es ganz viele Problematiken gibt die mit Schnittstellen zu tun haben. Aber nicht 33

nur mit Schnittstellen zu tun haben, sondern mit verschiedenen Berufsgruppen und umgekehrt 34

dann wieder mit den pflegenden Angehörigen, die halt nicht gesehen werden, oder (,) die dann 35

vielleicht auch schwierig sind. Also wenn ich die mir alle miteinander vorstelle, denk ich mir, 36

wie bekommt man alle an einen Tisch um miteinander zum Beispiel zu planen, wie kann Pflege 37

und Betreuung gut funktionieren, in welchem Fall auch immer. 38

I1: Welche Problematik sehen sie, im speziellen bei der Betreuung im häuslichen Setting, für 39

Betroffene, aber auch für die pflegenden Angehörigen (?) Also von beiden Seiten her, wo 40

sehen sie da die Problematik (?) 41

B6: Ich glaube es ist ganz schwierig, gerade im häuslichen Setting, weil das eben sozusagen 42

der private Raum ist. Das auf der einen Seite die Pflegekräfte die kommen (,) sozusagen 43

Eindringlinge sind und natürlich ganz oft Arbeitsbedingungen vorfinden, die natürlich 44

überhaupt nicht geeignet sind. Da etwas anzuregen und zu sagen, damit ich gut arbeiten kann, 45

brauche ich das und das und das. Das funktioniert sehr sehr schlecht. (,) Das ist immer ein 46

Eingriff in die persönliche Sphäre. Und für die pflegenden Angehörigen, oder auch die 47

Betroffenen, ist eine Fremde Person die kommt, natürlich auch ein Störfaktor. Auch wenn man 48

sie braucht. (,) Aber wie grenzt man das gut ab (?) Wie kann das gut funktionieren (?) Und 49

was würde man als Vermittlung brauchen, damit es gut funktioniert (?) Ich glaube das ist eine 50

ganz große Herausforderung, wie bringt man die beteiligten Personen an einen Tisch, damit 51

sie verstehen, gegenseitig, wo gibt es eine Möglichkeit miteinander zu kooperieren und zu 52

kommunizieren, damit es gut gelingen kann. 53

I1: Wo sehen sie, vor allem auf politischer Ebene die Problematik im primären 54

Versorgungssystem in Österreich (?) 55

B6: Naja, es ist auch wieder die Spaltung der Berufsgruppen an sich. Ich kenne das PHC bei 56

uns in Wien. Also in Mariahilf und ich bin ja ein Fan vom PHC- also Primary Health Care 57

Center, weil ich mir denke, dass ist die ideale Kombination wenn ich alle Professionen an 58

einem Tisch haben. Was in den PHC’s vielleicht noch fehlt, ist das die Betroffenen noch stärker 59

miteingebunden sind. Nämlich auch die pflegenden Angehörigen dort mit dabei sind und auch 60

Menschen die betroffen sind, die selber krank sind. Das sie in das Setting miteingebunden 61

Department Gesundheit

162

sind, als kompetente Menschen ihrer Situation. Das funktioniert zum Teil natürlich. Aber wenn 62

ich mir vorstelle es gibt eine Sozialarbeiterin, ein Psychotherapeutin, es gibt eine Psychologin 63

(,) es gibt verschiedene Medizinerinnen und Mediziner, dann ist halt die Frage (,) wie gehen 64

sie dann damit um, wenn die eine Person die Pflege und Betreuung braucht, alleine ist. Und 65

sich plötzlich ausgesetzt fühlt, so einem ganzen Team von Menschen. Beziehungsweise wie 66

funktioniert dann die interne Kommunikation. Also angenommen (,) Patientin, Patient, oder 67

pflegende Angehörige spricht mit der Sozialarbeiterin… Sie sollte gemeinsam mit der 68

Sozialarbeiterin sprechen damit alle denselben Wissensstand haben, und das ist ganz ganz 69

schwierig. Also ich würde mir immer wünschen, so eine Art Familienkonferenz wo alle 70

Beteiligten am Tisch sitzen. 71

I1: Das heißt, sie sehen sehr stark die Problematik darin, dass zu wenig zwischen den 72

Professionen untereinander Kommuniziert wird, zum einen und zum anderen auch der Zugriff 73

zu den einzelnen Professionen (?) 74

B6: (Zustimmendes Nicken). Ich glaube schon, dass die- in einem PHC zum Beispiel, 75

miteinander kommunizieren. Aber ich kenne das aus der Sozialarbeit, man spricht dann über 76

„den Fall“, ohne das „der Fall“ als Person anwesend ist und auch die eigene Position vertreten 77

kann und dann auch sagen, aber das und das wäre für mich auch noch wichtig. Das wäre das 78

ideale Setting. Für mich. 79

I1: Das PHC, ist ja ein Pilotmodell, ein Pilotprojekt … (?) 80

B6: Ja 81

I1: Gibt es meines Wissens nach sonst in Österreich noch nicht … 82

B6: Das Gesetz gibt es noch nicht. Es gibt eine Gesetzesvorlage und es steht zur Diskussion 83

ob es im Herbst dann endlich fertig ist. Und Pilotprojekt gibt es bereits, in Wien wird es noch 84

ein zweites geben. Aber ich glaube man darf das nicht so abtrennen voneinander. Es gibt auf 85

der einen Seite die Diskussion, was machen dann die Hausärzte (?) … Wie muss das Setting 86

aussehen (?) Darf das nur eine Variante haben und ist alles andere dann nicht 87

dementsprechend (?) Wenn zum Beispiel eine Komponente fehlt (?) Es ist irrsinnig kompliziert 88

weil es auch in der Form des Betriebes ganz schwierig ist. Es ist ja nicht nur abhängig davon, 89

sind alle da, sondern wie schaut das aus, welche Gesellschaftsformen brauche ich. Das ist ein 90

sehr komplexes Thema. 91

I1: Wenn sie sich das vorstellen, es gibt ja auch- wie sie bereits kurz angesprochen haben, 92

viele Menschen die alleine sind, die keine pflegenden Angehörigen haben, wie sollen die mit 93

solch einem Modell angesprochen werden (?) Wie kommen die zu dieser Leistung (?) 94

B6: Ja. Ich bin ja eine Verfechterin des erweiterten Entlassungsmanagement. Ich habe das 95

auch wirklich von Anfang an gesagt. Entlassungsmanagement darf nicht bei der 96

Department Gesundheit

163

Krankenhaustüre enden und es darf auch nicht nur punktuell stattfinden. Angenommen da gibt 97

es einen Stützpunkt, da kommt jemand, schaut sich die Situation an und geht wieder. Es 98

brauch innerhalb des Prozesses, eine permanente Begleitung durch die sogenannte 99

Community Nurse- wie auch immer man sie dann nennt. Das ist nichts Neues. Das hat 100

Florence Nightingale bereits verlangt. 101

I1: Lacht zustimmend. 102

B6: Ja (lacht) … und noch immer ist es nicht da. Da denke ich mir, das kann nicht so schwierig 103

sein, denn die Person die den Prozess so gut kennt, kann ganz viel abfangen. Sie verhindert 104

den Drehtüreffekt, die kann mit allen in Kommunikation stehen. Genau dort wo zum Beispiel 105

ein PHC nicht möglich ist, kann genau sie diese Funktion erfüllen. Sie hat eine Multifunktion. 106

I1: Wir sind gerade bei dem Thema … Es gibt verschiedenste internationale/ europäische 107

Konzepte. Es gibt District Nurse in den National Health Service in Großbritannien, es gibt das 108

sogenannte Burrtzorg Modell mit den Community Nurses in den Niederlanden, es gibt das 109

Projekt EIGER- innovative geriatrische Hausbesuche in der Schweiz, es gibt die Community 110

Nurses in Dänemark, die das auch schon sehr lande durchführen. … Alle diese Konzepte 111

haben im Vordergrund die präventiven Hausbesuche, die Hausbesuche in erster Instanz, die 112

Erhebung der individuellen Bedarfslage. In wie fern erachten sie so etwas als hilfreich (?) 113

B6: … Also ich halte das absolut für hilfreich. Ich denke je mehr man in erster Instanz weiß, 114

umso besser kann man dann agieren. Ich weiß zum Beispiel aus Dänemark das man versucht 115

die pflegenden Angehörigen erst gar nicht in die Situation kommen zu lassen. Weil man 116

gesagt, je mehr wir anbieten, umso weniger kommen sie in diese Situation. Und ich glaube 117

das wäre ein ganz präventiver Ansatz. Weil eines kommt noch hinzu, das gerade pflegende 118

Angehörige oft dann irgendwann einmal dann selbst krank werden durch Überlastung. Und 119

dann muss ich da wieder ansetzen, anstatt das ich schon im Vorfeld etwas tun kann. 120

I1: Das Projekt EIGER in der Schweiz und auch in Dänemark gibt es einen Stichtag, ein 121

bestimmtes Alter, zum Beispiel 65 oder 70 Jahre, mit dem die Leute dann verpflichtend 122

besucht werden. Halten sie das für sinnvoll (?) 123

B6: Das gibt es in Wien auch. Das macht … der Dachverband der sozialen Einrichtungen, also 124

diese Organisationen. (,) Aber die haben jetzt das Alter hinauf gesetzt. Weil sie gesagt haben 125

die Menschen werden später krank und brauchen erst später etwas und es ist klüger zu sagen, 126

wir gehen nicht wenn sie 65 sind, sondern wenn sie 70 sind zu Besuch. (Pause) Es ist ein 127

wenig schwierig, weil ich mir denke, für viele Menschen entsteht so der Eindruck das ist eine 128

Kontrolle. Und das haben die wenigsten Menschen gerne. Die Frage ist, wie setzt man es gut 129

an. (Pause) Also auf der einen Seite find ich es gut, weil man dadurch wirklich ein wenig soziale 130

Kontrolle hat und schauen kann, wie geht es dem Menschen in seinem Lebensumfeld, braucht 131

Department Gesundheit

164

er irgendwas (?) Auf der anderen Seite finde muss man wahrscheinlich … Man kann ja nicht 132

Nikolo spielen. So heute ist Nikolo, heute stehe ich vor der Türe. (Lacht) Aber einer der großen 133

Möglichkeiten ist immer im öffentlichen Raum anzufangen und zu sagen, Parkgespräche, etc. 134

und dann besuch man jemanden. Also einfach mehrere Zugänge zu haben. … Ich habe 135

wirklich die Erfahrung gemacht, Parkgespräche bringen wirklich viel, weil Menschen sich 136

einfach im Sommer hinsetzen und dort kann man ungezwungen mit ihnen reden. Und dann 137

kann man sagen, ist es ihnen recht wenn ich auch zu ihnen nach Hause komme und schauen 138

wir einmal, was brauchen sie alles. 139

I1: Ein weiterer Teil der Konzepte ist auch die Beratung und Unterstützung bei pflegerischen 140

und Gesundheitsfragen. Das heißt es ist eigentlich weniger die Pflege an sich, das macht die 141

mobile Hauskrankenpflege, es gibt wirklich um die Beratung und Unterstützung bei 142

Gesundheitsfragen im Sinne des Empowerment Ansatzes. Sowohl für den Betroffenen als 143

auch für die Angehörigen. Wo würden sie da den Nutzen darin erkennen, im Hinblick auf 144

Österreich (?) 145

B6: Das ist ein ungemein wichtiges Thema, weil wir ja immer noch den Ansatz haben, dann 146

wenn ich krank bin, dann brauche ich etwas und das brauche ich gleich und schnell und ist 147

dann entsetzt wenn das nicht so funktioniert. Aber das ist da so, und ich bin hier sehr vorsichtig 148

mit meiner Aussage, ein Stück Eigenverantwortung die man wirklich fördern soll. Das finde ich 149

ganz ganz wichtig. Wenn ich selbst in der Lage bin für meine eigenen Gesundheit etwas zu 150

tun und dafür verhindere das ich deshalb krank werde, dann hätte ich auch einen ganz 151

wichtigen Ansatz den ich selbst erfüllen kann und diese „Health literacy“ die halte ich für 152

ungemein förderbar. Aber da muss man eben sehr sensibel umgehen. Es ist immer dasselbe. 153

Menschen verändern nicht sehr gerne etwas in ihrem Verhalten und wir haben eine lange 154

Phase der Zeit hinter uns, wo wir gesagt haben, tja, wird alles gemacht, wird alles erledigt, 155

brauche ich mich selbst nicht kümmern darum. Und jetzt sind wir mehr in der Situation wo wir 156

sagen, naja, wie kann man auch selbst etwas tun. Und das ist ganz ganz kompliziert. … Außer, 157

es verändert sich etwas und das glaube ich schon, durch das Internet. Weil die Leute etwas 158

haben, gleich einmal nachschauen. Was zum Teil auch gefährlich ist. Das stehen dann Dinge 159

– um Gottes Willen. Aber in gewisser fördert das auch das Verständnis dafür, aha, das könnte 160

das oder das sein. Was hat dann fehlt ist eine professionelle Beratung. Ist das wirklich so (?) 161

I1: Die Konzepte haben auch gemeinsam, die Unterstützung beim optimalen Nutzen der 162

lokalen Ressourcen und Hilf Angebote, auch im Sinne des Schnittstellenmanagement. Welche 163

Auswirkungen auf die Primärversorgung könnte dies auch in Österreich haben, wenn es eine 164

solche Gemeindekrankenschwester, eine regionale Gesundheits- und 165

Department Gesundheit

165

Krankenpflegepersonen gäbe, die auch bei der Nutzung der optimalen lokalen Ressourcen 166

helfen würde. Welche Auswirkungen würde das ihrer Meinung nach haben (?) 167

B6: Es würde in erster Instanz einmal verhindern, dass die Leute sehr leicht ins Krankenhaus 168

gehen, in eine Ambulanz gehen und dort eigentlich gar nicht hingehören. Wenn das so flexibel 169

ist, dass das auch im Notfall zur Verfügung steht, dann wäre das immer noch besser als die 170

Rettung zu rufen wenn ich sie nicht brauche. Aber ich weiß es nicht. Es gibt in Wien ein Modell 171

bei den Johannitern. Die haben so einen Notruf … für das Wochenende für das 172

Pflegepersonal. Das heißt ich kann dort anrufen und sagen, ich brauch einen 173

Verbandswechsel, oder was eine Krankenschwester ebenso darf. Und das ist eine ganz tolle 174

Einrichtung, weil ich mir denk, damit kann man ganz viel steuern. Also das würde ich mich 175

Wünschen das es das in jeder Gemeinde einfach ganz grundsätzlich gibt. Das man sagt, ok- 176

und ich kann dann auch ganz einfach entscheiden, brauch ich eine pflegerische Intervention 177

oder brauche ich wirklich was anderes. Und was ich auch interessant finde, das ist ja jetzt in 178

Wien so, dass der Ärztefunkdienst mehr berät. Das heißt man ruft an und der fragt ab und erst 179

dann wird erst interveniert. Das kann auch bis dahin gehen, ok eigentlich brauchen wir eine 180

Krankenschwester. Das würde allen Beteiligten weiter helfen. 181

I1: Das heißt im Sinne so wie eine Hotline, die man kontaktieren kann. Auch am Wochenende, 182

24 Stunden (?) 183

B6: Ja genau. 24 Stunden und ich weiß ok. Bei manchen Dingen weiß man ganz genau das 184

man eigentlich eine Krankenschwester braucht und keinen Arzt. 185

I1: Wenn sie sich vorstellen, man würde dieses Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und 186

Krankenpflegeperson in Österreich implementieren in österreichischen Gemeinden. Ich 187

spreche jetzt gezielt von Gemeinden, weil Wien einen andern Aspekt hat. … 188

B6: Ja natürlich, das ist klar. 189

I1: Wie würden sich dieses Berufsbild, diese Person, diesen Aufgabenbereich, dieser 190

regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson vorstellen (?) Wie soll ihrer Meinung nach 191

gestaltet sein (?) 192

B6: Es ist schon so diese Gemeindeschwester so quasi. In Wien kann sie ja 193

„Gretzelschwester“ heißen, aber eine Gemeindeschwester, das erinnert mich an die 30er 194

Jahre. Da gab es so etwas auch. Da gab es die Fürsorgerin, die war für die Kinder da und 195

dann gab es die Gemeindeschwester, die war so ein bisschen auch bei der Kirche angesiedelt, 196

weil da ist oft gleich der Seelsorger mitgekommen. (lacht) Aber das hat funktioniert. Und das 197

würde ich für unheimlich wichtig halten das man so etwas auch im Verständnis der 198

Bevölkerung wieder verankern kann. Das die wissen, ja mit der kann ich auch nur reden. 199

Vielleicht brauche ich auch nichts. Aber ich kann sie anrufen und sagen, heute habe ich 200

Department Gesundheit

166

Kopfweh. Und die kann dann immer noch mitentscheiden, sie darf nicht diagnostizieren das 201

ist mir schon klar, aber sie kann wenn sie die Leute kennt, schon gut unterscheiden, was 202

könnte es den jetzt sein. 203

I1: Auch in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt (?) 204

B6: Ja natürlich, wenn sie merkt, hoppla, da ist etwas, dann mit dem Hausarzt gemeinsam, 205

klar. Also im Zusammenspiel. Viele Dinge sind einfach ein Befindlichkeitsproblem. Wenn ich 206

das Gefühl habe, ich kann dort anrufen, dann ist schon viel viel geholfen. Weil dieses 207

Vertrauen in diese Gemeindekrankenschwestern denke ich sehr groß ist. Ich kenne es ein 208

bisschen aus der Hauskrankenpflege in der Steiermark. Also diese Hauskrankenschwestern 209

haben ja Multifunktionen in Wirklichkeit. Die fahren da irgendwo auch zu den Bauern hinauf. 210

Die sind wie Familienmitglieder und die kennen auch alles. Und die werden natürlich auch 211

angerufen. 212

I1: Das Kompetenzzentrum zur Qualitätssicherung häusliche Pflege macht auch 213

Hausbesuche, beraten, da ist es aber so, dass das einmalig ist, maximal ein zweites Mal. … 214

Vom Organisatorischen her, wenn man sich das Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und 215

Krankenpflegeperson vorstellt, wie sollte das ihrer Meinung nach gestaltet sein (?) Ein bis zwei 216

Mal, oder wie ein Case Management, das heißt einen Fall den man beginnt und bis zum 217

Abschluss, bis der Fall abgeschlossen ist begleitet, oder eine Dauerhafte Begleitung (?) 218

B6: Also ich bin natürlich für eine dauerhafte Begleitung. Weil ich glaube das ist das einzige 219

wo man durchgängig erkennt, was verändert sich, was verschlechtert sich, was verbessert 220

sich auch. Und wenn man dann die Möglichkeit hat zu entscheiden- ok jetzt braucht es ein 221

Monat lang keinen Besuch, aber die Person kann anrufen, dann kann man das gut umsetzten. 222

Ich denke, da gibt es dann immer die Sorge das kostet dann mehr Geld, das glaube ich nicht. 223

Ich glaube … ich meine das ist natürlich auch eine Frage der Arbeitszeitenregelung- da hängt 224

unheimlich viel daran. Aber letzendes ist es eine Vertrauensperson- und das ist eine 225

Vertrauensperson, jemand der mich lange Zeit begleitet und damit sehr gut regulieren kann, 226

braucht es jetzt wirklich etwas, oder genügt ein Telefonat, genügt ein Gespräch. Weil, ich 227

denke oft an Menschen die eine chronische Erkrankung haben, die brauchen nur das Gefühl 228

da ist jemand. Und manchmal nicht einmal die Angehörigen, sondern da ist jemand dem ich 229

traue, der die Kompetenz hat. Da hat man dann das Vertrauen. 230

I1: Das heißt diese Person wäre dann auch quasi der Manager der Schnittstelle zwischen dem 231

Betroffenen und dem weiteren primären Versorgungsbereich, dem sekundären und tertiären 232

Versorgungsbereich (?) 233

B6: Genau. Die hat ja dann die Möglichkeit diejenigen einzuschalten die gebraucht werden. 234

Department Gesundheit

167

I1: Beim Thema Schnittstelle. Welche noch nicht im Rahmen dieses Interview erwähnten 235

Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach noch, vor allem im Bereich Schnitt- und 236

Nahtstellenmanagement (?) 237

B6: (Pause) Also ich weiß nicht wie weit es wichtig ist durch Dokumentation, diese dann auch 238

weiter zu geben. Das heißt, eine Krankenschwester darf ja nicht diagnostizieren, aber sie darf 239

dokumentieren, aber darf sie das dann den anderen zur Verfügung stellen (?) Gerade wenn 240

es so eine Primärversorgung gibt. Darf sie zum Beispiel der Psychologin was sagen, oder auch 241

nicht (?) In wie weit, also diese Abgrenzungen sind dann ganz schwierig. Weil man nicht das 242

Ganze sieht, sondern immer nur einen Teilaspekt und das halte ich schon für schwierig. 243

I1: Das heißt auch bei der Weitergabe von Informationen … 244

B6: Genau. Ich kenn das eben von den Hauskrankenschwestern und den Pflegehelferinnen 245

und von den Heimhilfen, die mir sagen, mit einem Fuß stehe ich im Gefängnis, weil ich etwas 246

tue, das ich eigentlich nicht tun dürfte. Aber es ist logisch, dass das dazu gehört. Ich kann nicht 247

einfach sagen, dass ignorier ich, dass macht dann die Nächste. Das halte ich für extrem 248

schwierig. 249

I1: Nochmals zum Thema regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson. Welchen 250

Nutzen sehen sie generell bei der Implementierung in Anlehnung an internationale Konzepte, 251

speziell für die österreichischen Gemeinden (?) 252

B6: Also erstens einmal sehe ich den Nutzen darin, dass es durch die Niederschwelligkeit … 253

Gesundheitsökonomisch billiger wird. Es ist ein Unterschied ob ich jetzt eine intensive, 254

hochqualifizierte Intervention brauche die viel Geld kostet, oder ob ich es anders lösen kann. 255

Das zweite ist, das man eben wirklich versuchen kann, das Umfeld mit zu nehmen und zu 256

entlasten, Wenn ich jetzt nur einen betroffenen Menschen habe, ich denke an eine 257

Krebserkrankung. In einem relativ letalen Stadium. Da habe ich nicht nur eine Person, da habe 258

ich meistens zwei drei um mich herum. Wenn ich die mitbetreuen kann, die irgendwie 259

einbinden kann, dann wird es im System, und das ist natürlich eine Systemfrage, billiger. Aber 260

das darf nicht das auschlaggebende Argument sein. Aber es ist wichtig einfach hinzuschauen. 261

Denn wenn man das umschichten kann und sagen kann, aber dafür kann ich auf der anderen 262

Seite mehr leisten, ohne das die Pflegekraft überfordert wird, aber sie sieht es anders. Also 263

ich würde es für eine unglaublich gute Sache halten. 264

I1: Warum glauben sie hat man dieses Konzept noch nicht umgesetzt, wenn man den Nutzen 265

daraus so genau kennt (?) 266

B6: (Lacht). Tja, weil wir auf der einen Seite eine extreme Spezialisierung haben. Also eine 267

wirklich extreme Spezialisierung. Auf der anderen Seite die einzelnen Berufsgruppen, habe 268

ich den Eindruck, nicht gut miteinander kooperieren. Obwohl ich sage, das sind alles Sorge 269

Department Gesundheit

168

Berufe. (Pause) Und wenn ich mir das anschaue wie das in der Wertigkeit ausschaut. Ich bin 270

„nur“ eine Pflegeassistenz, oder ich bin „nur“ ein Pflegefachassistenz, oder ich bin diplomiert, 271

allein das macht es schon so schwierig. (Pause) Und das aufzumachen und zu sagen, alle 272

Gruppen miteinander … können einander in die Hand arbeiten. Ich mein ich weiß das ist sehr 273

simpel. Bekomm ich sicher Prügel dafür (grinst) wenn ich das sage. Denn pflegende 274

Angehörige dürfen alles. Alles. Und das ist unwahrscheinlich. Solange sie ihren Angehörigen 275

nicht umbringen, ist alles gut. Das ist ein völlig absurder Zustand. Und es ist die Angst davor, 276

wegen der Haftungsfrage geklagt zu werden und Schwierigkeiten zu bekommen, weil man 277

irgendwas nicht richtig gemacht hat. Und das halte ich an und für sich für eine Abgrenzung 278

die mehr Schaden als Nutzen anrichtet. 279

I1: Gibt es sonst noch etwas das sie zur Thematik sagen, oder anfügen möchten (?) 280

B6: Also ich glaube eines ist ganz wichtig und da darf man nicht wegschauen, Es gibt mehr 281

dementielle Erkrankungen als früher. … Ich glaube nicht, dass es der Grund alleine ist, dass 282

jetzt die Leute alle plötzlich alle hundert werden, denn sie werden nicht alle hundert. Aber das 283

man heute aufgrund der Diagnostik viel genauer hinschaut. (,) Also das man das auf jeden 284

Fall mitbedenkt, denn das sind langwierige Erkrankungen. Da braucht es von allen Seiten ganz 285

viel Unterstützung. Auch für die Pflegekräfte. Das ist emens anstrengend. Und ich glaube auch 286

(,), dass man, eigentlich ist eine Pflegekraft müsste so quasi ein Wunderwuzi sein. Und das 287

kann mein eigentlich nicht verlangen. (lacht) Also sie muss von der Kinderpflege angefangen 288

bis hin zur Demenz alles können. Das (Pause) Ja ich würde es mir wünschen. (Pause) Ich 289

weiß nicht, manchmal denke ich mir … Ja, wenn man (,) klug und ökonomisch mit den Kräften 290

umgeht und sagt, ok, dann habe ich eben nur drei Menschen die ich permanent betreue, aber 291

das hat vielmehr Effekt, als wenn ich 25 betreuen muss. Weil dann sind wir bald einmal wieder 292

dort, dass es ein Problem gibt. Aber diese Rechnung das muss der Gesundheitsökonom 293

machen und sagen, das bringt in Wirklichkeit viel mehr. Und das bringt Volkswirtschaftlich 294

mehr. Das ist ja immer der Streitpunkt. Da sagt man immer das ist zu teuer, aber das stimmt 295

ja nicht. Letztendlich muss ich schauen, was bleibt am Ende über. Und dafür trete ich auch 296

immer ein. Also ich muss zwei Seiten anschauen. Ich muss auf der einen Seite schauen. Was 297

erspare ich mir wenn diese Form von Betreuung und Pflege so effizient ist, das ich eigentlich 298

Krankheit vermeide, oder verhindere, oder besser mache und wie kann ich Menschen einfach 299

dazu bringen, dass sie einfach auch ein Stück weit selbst Verantwortung übernehmen und 300

sagen, ok. Wenn ich jeden Tag Spearrips esse, zwanzig Zigaretten rauche und fünf Bier trinke, 301

dann darf ich mich nicht wundern, wenn mein Pankreas irgendwann mal sagt, danke und jetzt 302

reicht’s. Dann kann ich das nicht abwälzen. Und da bin ich schon sehr dafür, dass man so 303

Gesundheitsförderungsprogramme viel niederschwelliger Ansetzt. Es gibt ja die Gesunden 304

Department Gesundheit

169

Gemeinden. Da funktioniert das auch. Solange sie es gemeinsam machen. In dem Augenblick 305

wo das Programm weg ist, fallen sie wieder schnell herunter und es ist wieder schnell vorbei. 306

Also wie kann man es so machen, dass es ein permanenter Prozess ist … 307

I1: Eine Nachhaltigkeit hat… 308

B6: Natürlich. 309

I1: Dann danke vielmals fürs Gespräch. 310

B6: Gerne311

Department Gesundheit

170