Optimierung des Holzvergasungs-Heizkraftwerks in Senden ... · bei »konventionellen« Komponen-ten...

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FACHTHEMA XXX 31 EuroHeat&Power 47. Jg (2018), Heft 9 Optimierung des Holzvergasungs-Heizkraftwerks in Senden »Leuchtturm« mit neuem Wärter Deutschlands größte Holzvergasungsanlage ist seit Jahresanfang in neuen Händen: Die Blue Energy Europe, ein Spezialist für »Upcycling« von Biomasseanlagen, hat das schlecht aus den Startlöchern ge- kommene Heizkraftwerk in Senden bei Ulm übernommen. Mit mehreren Optimierungsmaßnahmen soll das Kraftwerk jetzt in die Gewinnzone geführt werden. »S o eine Anlage stilllegen zu müssen und dafür etwas Neues zu bauen, wäre eine gigantische Ressourcenver- schwendung«, sagt Jochen Sautter, Geschäftsführer der Blue Energy Eu- rope GmbH. Sein Unternehmen, res- pektive die eigens hierfür gegründe- te Tochterfirma Blue Energy Syngas GmbH, hat zum Stichtag 1. Januar 2018 das Holzvergasungs-Heizkraft- werk(-HKW) in Senden bei Ulm übernommen (Bild 1). Schon bei der (verspäteten) Inbetriebnahme im Jahr 2013 und auch danach, als die Anlage in den Dauerbetrieb über- führt werden sollte, hatte diese den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm (SWU) als vorherigem Eigentümer mächtig Probleme bereitet und die Bilanzen verhagelt. Wie Sautter schildert, sei es den Stadtwerken wichtig gewesen, dass ein regionaler Investor einsteigt, die Lieferung von grüner Fernwär- me aufrechterhalten und die 14 be- troffenen Mitarbeiter übernommen werden. Diese Anforderungen habe Blue Energy Europe erfüllen kön- nen. »Der Betrieb der Anlage erfor- dert ganz spezielles Know-how«, be- tont der Firmenchef (Bild 2). Neben dem Kaufvertrag für das Heizkraft- werk seien deshalb ein Wärmelie- fer- und ein Dienstleistungsvertrag geschlossen worden. Im Letztge- nannten sei festgehalten, dass die SWU vorerst drei Jahre lang – mit Verlängerungsoption – die Anlage weiter betreiben. Der Wärmeliefer- vertrag laufe 15 Jahre lang. Im Jahr 2033 endet die EEG-Vergütung des eingespeisten Stroms nach Erneuer- bare-Energien-Gesetz (EEG) 2009. Die Anlage erhält den Technologie- bonus von 2,0 Ct/kWh und 4,0 Ct Nawaro-Bonus für den Einsatz von Waldrestholz. Anlässlich des Baus des Holzgas-HKW wurde in Senden ein neues Wärmenetz aufgebaut und eine 6 km lange Verbindungs- leitung von Senden zum bestehen- den Fernwärmenetz von Neu-Ulm verlegt. Blue Energy Europe ist ein Pro- jektentwicklungs-Unternehmen aus Ulm. »Wir suchen bewusst Anlagen mit Handicap«, sagt Sautter. Solche Anlagen mit einem »Upcycling« in die Wirtschaftlichkeit zu führen – darauf habe sich das Unternehmen spezialisiert. »Hierfür bringen wir Kapital und Know-how mit«, so der Finanzfachwirt. Die Projekte müssten einwandfrei in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz sein und sollten möglichst ohne Sub- ventionen auskommen. Im Bereich Biomasse bedeute das oftmals, günstige Brennstoffe einzusetzen. Bei der in Senden angewandten Technik hebt Sautter das theoreti- sche Potenzial hervor, »Stoffe ver- werten zu können, die entsorgt wer- den müssen«. Dabei meint er z. B. Klärschlamm: »Bei der Vergasung wird der darin enthaltene Phosphor nicht oxidiert und kann rückgewon- nen werden.« Flexibilität bei den Einsatzstoffen ist daher ein großes Ziel für die Sen- dener Anlage: »Die Zweibett-Wirbel- schicht-Dampfvergasung ist sehr effizient und bietet die Möglich- keit, alternative, schwierig zu ver- wertende Rohstoffe einzusetzen bis zur Müllvergasung«, erläutert Frank Erneuerbare Energien Bild 1. Holzvergasungs-Heizkraftwerk in Senden bei Ulm Quelle: SWU Christian Dany, Fachjournalist, Buchloe.

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31EuroHeat&Power 47. Jg (2018), Heft 9

Optimierung des Holzvergasungs-Heizkraftwerks in Senden

»Leuchtturm« mit neuem WärterDeutschlands größte Holzvergasungsanlage ist seit Jahresanfang in neuen Händen: Die Blue Energy Europe, ein Spezialist für »Upcycling« von Biomasseanlagen, hat das schlecht aus den Startlöchern ge-kommene Heizkraftwerk in Senden bei Ulm übernommen. Mit mehreren Optimierungsmaßnahmen soll das Kraftwerk jetzt in die Gewinnzone geführt werden.

»So eine Anlage stilllegen zu müssen und dafür etwas Neues zu bauen, wäre

eine gigantische Ressourcenver-schwendung«, sagt Jochen Sautter, Geschäftsführer der Blue Energy Eu-rope GmbH. Sein Unternehmen, res-pektive die eigens hierfür gegründe-te Tochterfirma Blue Energy Syngas GmbH, hat zum Stichtag 1. Januar 2018 das Holzvergasungs-Heizkraft-werk(-HKW) in Senden bei Ulm übernommen (Bild 1). Schon bei der (verspäteten) Inbetriebnahme im Jahr 2013 und auch danach, als die Anlage in den Dauerbetrieb über-führt werden sollte, hatte diese den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm (SWU) als vorherigem Eigentümer mächtig Probleme bereitet und die Bilanzen verhagelt.

Wie Sautter schildert, sei es den Stadtwerken wichtig gewesen, dass ein regionaler Investor einsteigt, die Lieferung von grüner Fernwär-me aufrechterhalten und die 14 be-troffenen Mitarbeiter übernommen werden. Diese Anforderungen habe Blue Energy Europe erfüllen kön-nen. »Der Betrieb der Anlage erfor-dert ganz spezielles Know-how«, be-tont der Firmenchef (Bild 2). Neben dem Kaufvertrag für das Heizkraft-

werk seien deshalb ein Wärmelie-fer- und ein Dienstleistungsvertrag geschlossen worden. Im Letztge-nannten sei festgehalten, dass die SWU vorerst drei Jahre lang – mit Verlängerungsoption – die Anlage weiter betreiben. Der Wärmeliefer-vertrag laufe 15 Jahre lang. Im Jahr 2033 endet die EEG-Vergütung des eingespeisten Stroms nach Erneuer-bare-Energien-Gesetz (EEG) 2009. Die Anlage erhält den Technologie-bonus von 2,0 Ct/kWh und 4,0 Ct Nawaro-Bonus für den Einsatz von Waldrestholz. Anlässlich des Baus des Holzgas-HKW wurde in Senden ein neues Wärmenetz aufgebaut und eine 6 km lange Verbindungs-leitung von Senden zum bestehen-den Fernwärmenetz von Neu-Ulm verlegt.

Blue Energy Europe ist ein Pro-jektentwicklungs-Unternehmen aus Ulm. »Wir suchen bewusst Anlagen mit Handicap«, sagt Sautter. Solche Anlagen mit einem »Upcycling« in die Wirtschaftlichkeit zu führen – darauf habe sich das Unternehmen spezialisiert. »Hierfür bringen wir Kapital und Know-how mit«, so der Finanzfachwirt. Die Projekte müssten einwandfrei in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz sein

und sollten möglichst ohne Sub-ventionen auskommen. Im Bereich Biomasse bedeute das oftmals, günstige Brennstoffe einzusetzen. Bei der in Senden angewandten Technik hebt Sautter das theoreti-sche Potenzial hervor, »Stoffe ver-werten zu können, die entsorgt wer-den müssen«. Dabei meint er z. B. Klärschlamm: »Bei der Vergasung wird der darin enthaltene Phosphor nicht oxidiert und kann rückgewon-nen werden.«

Flexibilität bei den Einsatzstoffen ist daher ein großes Ziel für die Sen-dener Anlage: »Die Zweibett-Wirbel-schicht-Dampfvergasung ist sehr effizient und bietet die Möglich-keit, alternative, schwierig zu ver-wertende Rohstoffe einzusetzen bis zur Müllvergasung«, erläutert Frank

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Bild 1. Holzvergasungs-Heizkraftwerk in Senden bei Ulm Quelle: SWU

Christian Dany,

Fachjournalist, Buchloe.

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FACHTHEMAErneuerbare Energien

Maierhans, der alte und neue Be-triebsleiter (Bild 3). Er betont den Vorteil gegenüber Biomasseheiz-kraftwerken mit Dampfturbinenpro-zess: »Bei der Holzvergasung bedeu-tet maximale Stromerzeugung auch maximale Wärmeauskopplung, denn die Wärme entsteht durch Kühlprozesse«, sagt der 41-jährige Ver- und Entsorgungstechnik-In-genieur. Dagegen sinke bei der konventionellen, aber bewährten Dampfturbinentechnik der elektri-sche Wirkungsgrad, je mehr Wärme entnommen werde.

Zweibett-Wirbelschicht- Dampfvergasung

Das Herzstück der Anlage ist das Vergasungssystem mit separaten Kammern für Verbrennung und Ver-gasung (Bild 4). Der Prozess mit zwei Wirbelschichtsystemen (Dual-Flu-id) ist an der TU Wien entwickelt und erstmals im Praxismaßstab in der berühmt gewordenen Anla-ge von Güssing umgesetzt worden (siehe Kasten S. 34). Maierhans er-klärt den Prozess so: »In der Verga-sungskammer wird mit überhitztem Dampf fluidisiert, d. h., ein Gemisch

aus Bettmaterial und zugeführten Hackschnitzeln im Schwebezu-stand (Wirbelschicht) gehalten. Als Bettmaterial dient Olivin stein in Sandkorngröße.« Während in der Vergasungskammer eine stationäre Wirbelschicht vorherrsche, zirku-liere eine weitere zwischen Verga-sungs- und Brennkammer. Es zir-kuliere aber nur das Bettmaterial/Brennstoff-Gemisch, die Gase wer-den separiert in Rauchgas aus der Brennkammer und Produktgas aus der Vergasungskammer.

Dort wird der Brennstoff bei rd. 850 °C vergast, wodurch ein stick-stofffreies, teerarmes Produktgas mit hohem Heizwert entsteht. Als Vergasungsmedium wird Wasser-dampf anstelle von Luft zugeführt. Das Gas setzt sich aus folgenden brennbaren Bestandteilen zusam-men: rd. 40 % H2, 19 bis 24 % CO und 9 bis 11 % CH4. Der CO2-Anteil liegt bei 20 bis 25 %. Im nächsten Schritt wird das Produktgas in einem Rohr-bündel-Wärmeübertrager gekühlt. Es folgt ein Schlauchfiltersystem, das Flugkoks abscheidet, der in der Brennkammer verwertet wird. Nach einer Gaswäsche mit Biodie-sel (Rapsmethylester) wird das Gas an die Gasverwertung geleitet. »Der Biodiesel-Wäscher funktioniert gut«, sagt Maierhans, »beim Vergasungs-prozess entstehen sehr wenig Teere, die in die Waschlösung übergehen. Diese Emulsion wird vollständig der Brennkammer zugeführt und mit-verbrannt.«

Das Rauchgas wird zur Reduzie-rung des Kohlenstoffgehalts in der Nachbrennkammer behandelt und dann zur Wärmeverwertung gekühlt. Anschließend wird es gereinigt und durch den Kamin abgeleitet. Die Aschen aus dem Rauchgasfilter (Bild 5) und der Brennkammer ge-hen in ein Silo und werden zur Ent-sorgung abgeholt. »Das macht etwa 3 % des Brennstoff-Inputs aus und ist für uns kein großer Kostenfaktor«, sagt Maierhans. Die Abwärmen aus Produktgas- und Rauchgaskühlung werden einem Thermoöl-Kreislauf mit 315 °C Vorlauftemperatur zuge-führt. Ein Teil der Wärme wird für den Dampfprozess abgeleitet, ein Teil zur Wirkungsgradsteigerung in einem Organic-Rankine-Cyc-le-(ORC-)Prozess verstromt. Die hauptsächliche Strom- und Wär-meproduktion obliegt jedoch zwei

Bild 2. Im Besprechungsraum des Holzgas-Heizkraftwerks Senden sind ver-schiedene Aspekte der Anlage visualisiert. Jochen Sautter, Geschäftsführer des neuen Eigentümers Blue Energy Syngas, erläutert die Optimierungs-maßnahme am Produktgaskühler

Bild 3. Frank Maierhans, Betriebsleiter des Holzgas-Heizkraftwerks Senden, am Leitstand

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Gasmotor-Blockheizkraftwerken mit jeweils 2 274 kW(el), die strom-geführt betrieben werden.

Mit dem Bau von Deutschlands größter Holzvergasungsanlage be-gonnen worden war in der zweiten Jahreshälfte 2009. Bis Ende 2010 war das Gebäude fertiggestellt und im Folgejahr wurde die Maschinen-technik eingebaut. Im September 2012 konnte erstmals Strom einge-speist werden, doch dann tauchten immer neue Probleme auf – auch bei »konventionellen« Komponen-ten wie der Brennstoffeinbringung in den Vergaser mit einem Schne-cken- und Schleusensystem. Beim Bau des Vergasers gab es einen Scha-den an der Schamott-Ausmauerung, der repariert werden musste. »Das kostete ein Vierteljahr«, sagt Maier-hans. Der Holzvergaser selbst ist ein Stahlbehälter von etwa 3 m Durch-messer und 11 m Höhe. Nachdem der Vertrag mit der Anlagenbaufir-ma aufgelöst wurde, führte die SWU die Inbetriebsetzung der Anlage in Eigenregie fort. Außerdem musste für 0,5 Mio. € ein SCR-Katalysator (SCR = selective catalytic reduction) für die Gasmotoren nachgerüstet werden. »Insgesamt gab es 16 Pro-blemfelder, die wir zum Großteil in Eigenregie gelöst haben. Dazu war viel Entwicklungsarbeit nötig«, er-klärt der Anlagenleiter.

Die Investition in das Holzverga-sungs-HKW belief sich auf 33 Mio. €. Zusammen mit den Mitteln, die die SWU nach der Erstinbetriebnah-

me 2012 für die Ertüchtigung und Optimierung aufwenden musste, dürfte die Summe beträchtlich hö-her geworden sein. Ein Indiz hier-für sind die Wertberichtigung 2014 und die Sonderabschreibung 2015 von in der Summe 19 Mio. €, die die SWU für die Sendener Anlage in ihren Bilanzen ausgewiesen hat. Das Bundeslandwirtschaftsministerium steuerte eine Anschubfinanzierung von 6,6 Mio. € für das Leuchtturm-projekt bei. Die hohe Fördersumme rechtfertigte das Ministerium mit dem Pilotcharakter der großmaß-stäblichen Anlage und dem hohen Stellenwert einer effizienten Holz-vergasungstechnologie.

Produktgaskühler als FlaschenhalsGegen Ende 2014 konnten die SWU vermelden, mit dem Holverga-sungs-HKW den Regelbetrieb er-reicht zu haben. In den Jahren 2015 und 2016 schaffte die Anlage jährlich rd. 6 000 Betriebsstunden (Bild 6). Im Vorjahr stand sie jedoch ein hal-bes Jahr still. Zum einen wurde eine Generalreinigung für die Übernah-me vorgenommen, zum anderen die Revisionszeit für Optimierungsmaß-nahmen genutzt: »Lange Zeit war der Produktgaskühler der Engpass der Anlage«, erzählt Maierhans. Der dreistufige Rohrbündel-Wärme-übertrager, mit dem die Wärme in den Thermoöl-Kreislauf übergeht, verschmutzte schnell. Um die Re-dundanz zu verbessern, wurde in der dritten Stufe, in der die stärkste Verschmutzung auftrat, ein Bypass mit einem zusätzlichen Rohr einge-baut. Die Maßnahme verdoppelt die Betriebszeit bis zur nächsten Reini-gung mit Hochdruck-Heißwasser-spülung.

Eine bedeutende Maßnahme, die schon vorher umgesetzt wurde, sei der Einbau zusätzlicher Dampf-düsen in den Vergasungsreaktor. Somit hätten sich homogenere Temperaturverhältnisse und eine gleichmäßigere Brennstoffvertei-lung eingestellt. »Unsere Anlage ist doppelt so groß wie die in Güssing«, gibt Maierhans zu denken, »es war deshalb eine Herausforderung, den Vergasungsprozess zu homogenisie-ren.« Schließlich sei es gelungen, die

Bild 5. Rauchgasfilter mit einem Schlauchfilter-System

Produktgas(H2, CO, CO2, CH4)

Kondensat(H2O)

Brennstoff(Biomasse, Reststoffe, Abfälle)

Wasser-dampf

Luft

Koks

Wärme

Bettmaterial-zirkulation

Vergasung800 – 850 °C

Verbrennung880 – 920 °C

Abgas(CO2, N2, H2O, O2)

Bild 4. Verfahrensprinzip der Zweibett-Wirbelschicht-Dampfvergasung Quelle: TU Wien

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Gasqualität zu verbessern, doch in Zukunft soll auch die verwertbare Gasmenge gesteigert werden: Für die interne Wärmebereitstellung sol-len 10 % weniger Produktgas abge-zweigt werden müssen. Bisher wird das Produktgas im Notfall einem Hilfskessel zugeleitet. Maierhans: »Wir wollen den Hilfskessel, der nur durch ständige Wärmezufuhr be-triebsbereit gehalten werden kann, durch eine Notfackel ersetzen.« Für die Notfackel-Nachrüstung, die mit einer regelungstechnischen Opti-

mierung einhergehe, laufe zurzeit ein Genehmigungsverfahren.

Schließlich soll auch noch die Brennstoffaufbereitung mit einer kontinuierlichen Trocknung ver-bessert werden. »Wir haben einen Bandtrockner angeschafft, der demnächst aufgebaut wird«, sagt Sautter. Der neue Anlagenteil soll für eine gleichmäßigere Restfeuch-te der Hackschnitzel von rd. 20 % Wassergehalt sorgen und damit zur Stabilität der Anlage beitragen. Bisher werden die Hackschnitzel

in einem Silo satzweise getrocknet. Drei weitere Silos mit 13 m Höhe stehen als Brennstofflager zur Ver-fügung. Eingesetzt werden haupt-sächlich Waldrestholz und Holz aus der Landschaftspflege. Rund 45 000 t Frischmasse im Jahr braucht die An-lage. Täglich werden im Schnitt zehn Lkw-Ladungen mit Hackschnitzeln, i. d. R. erntefrisch mit rd. 40 % Was-sergehalt, angeliefert. »Wir können naturbelassenes Waldrestholz von minderer Qualität, also mit hohem Feinanteil, vergasen. Das können andere nicht«, ergänzt Maierhans. Während in Senden als Reststoffe nur Abgase und unkritische Asche verbleiben würden, hätten andere Anlagen mit unliebsamen Reststof-fen, vor allem Teeren, zu kämpfen.

»Die SWU hat vieles vorbereitet und einen guten Weg eingeschlagen, auf dem wir weitergehen wollen«, sagt Sautter. Die Optimierungsmaß-nahmen würden nun sukzessive umgesetzt und evaluiert. Hinsicht-lich eventuell weiterer Maßnahmen bestehe Kontakt mit der TU Wien. Nach einem halben Jahr Betriebs-zeit ist der Finanzfachmann recht zufrieden: »Die Anlage läuft weniger schlecht als gedacht«, meint er mit einem verhaltenen Grinsen. Im ers-ten Halbjahr 2018 habe sie 3 320 Be-triebsstunden erreicht (Bild 6). Das lasse andeuten, dass die Zahl von 2016 deutlich übertroffen werde. Bis Ende 2019 will Sautter die »schwarze Null« geschafft haben. j

[email protected]

www.blue-energy-europe.com

2012 2018201720162015201420130

1000

9000

2,95 MW

1,32 MW

1200 h

2203 h

3753 h

5906 h

5669 h

3110 h

6500 h

1,59 MW2,06 MW

3,42 MW

3,74 MW3,95 MW

4,10 MW

4,85 MW

4,50 MW

5,21 MW

5,52 MW5,66 MW 5,75 MW

Prognose2018 mit

Stand zum1.7.2018

Stillstandzeit aufgrundOptimierungsmaßnahmen

und Vorbereitungen fürAnlagenverkauf an

Blue Energy Syngas GmbH

h

4000

5000

6000

7000

3000

2000

Betriebsstunden elektrische durch-schnittliche Leistung

tatsächliche ausgespeiste thermische Leistung

Bild 6. Betriebsstunden und Erzeugung des Holzgas-Heizkraftwerks Senden Quelle: SWU Netze

Historie der Zweibett-Wirbelschicht-Dampfvergasung

Für Begeisterung hat anfangs die Zweibett-Wirbelschicht- Dampfvergasung gesorgt. Nach rund 17 Jahren, in denen sich die Technologie in der Praxis hätte bewähren können, fällt eine Bilanz aber ernüchternd aus – auch wenn beteiligte Wissenschaftler das etwas anders sehen. Entwickelt wurde die »Dual-Fluid«-Holzvergasungstechnologie seit Anfang der 1990er-Jahre unter der Leitung von Prof. Hermann Hofbauer an der TU Wien. Schon 1995 gab es den 100-kW(th)-Pilotver-gaser. Im Jahr 2001 wurde aus dem Umfeld der TU heraus die Repotec GmbH & Co KG gegründet, die im selben Jahr die Dual-Fluid-Vergasungsanlage in Güssing in Betrieb nahm. Das dort ansässige Engineering-Unternehmen zeichnete auch für die Planung der meisten der folgenden Anlagen verantwort-lich. Im Jahr 2016 wurde Repotec zahlungsunfähig.

Nach einem Sanierungsverfahren besteht das Ingenieurbüro aber fort und war zuletzt an Projekten in Ostasien beteiligt.

An das Güssinger Biomassekraftwerk ist ein Blockheizkraft-werk (BHKW) mit 2 MW(el) und 4,5 MW(th) angeschlossen. Damit gelang das Upscaling von der Technikumsanlage zu einer kommerziellen Anlage – was von einer großen Werbe-kampagne begleitet wurde: Ein Technologie- und ein Weiter-bildungszentrum wurden errichtet. Das Europäische Zentrum für erneuerbare Energien gab es schon in Güssing. Tausende Besucher im Jahr wurden empfangen und Millionen an EU- Geldern ausgegeben. Das kleine Burgenland-Städtchen begab sich auf den Weg, Europas Ökoenergie-Mekka zu werden.

35EuroHeat&Power 47. Jg (2018), Heft 9

Die Holzvergasungsanlage diente neben der Strom- und Fern-wärmeerzeugung auch der Forschung. Phasenweise wurden die Methanisierung, also die Produktion von Bio-SNG (synthe-tic natural gas), und die Erzeugung von Fischer-Tropsch-Diesel erprobt. Im Jahr 2013 musste die Biomasseheizkraftwerk Güssing GmbH & Co KG aber Insolvenz anmelden. Seit Ende 2016 die Ökostromförderung auslief, steht die Anlage still. Der Inhaber des stillgelegten Kraftwerks, die Güssing Renew-able Energy GmbH, bereitet nun die Planung einer komplett neuen Anlage vor. »Die Güssinger Anlage hatte in 15 Jahren über 100 000 Betriebsstunden erreicht. Das ist eine Seltenheit für eine Demoanlage. Heute ist die Anlage nicht mehr Stand der Technik. Deshalb ist es angemessen, einen Schlussstrich zu ziehen«, sagt Dr. Matthias Kuba vom Forschungsnetzwerk Bioenergy 2020+.

Im nahen Oberwart wurde 2007 eine Vergasungsanlage glei-cher Größe gebaut; allerdings mit zusätzlicher ORC-Anlage zur Wirkungsgradsteigerung. Die Anlage lief zwar im Regelbetrieb. Nach 40 000 Betriebsstunden wurde sie aber aus wirtschaft-lichen Gründen außer Betrieb gesetzt. Sie ist inzwischen vom Baustoffkonzern Wopfinger (Marke Baumit) gekauft worden. Der Konzern möchte das Gas direkt für Produktionszwecke nutzen und hat hierfür eine neue Betriebsgenehmigung beantragt. Eine doppelt so große Anlage wurde 2010 in Villach errichtet: Die Anlage mit 3,9 MW(el) und 15 MW(th) hatte jedoch von Anfang an wirtschaftliche Schwierigkeiten und erreichte keinen Dauerbetrieb. Im Mai 2013 wurde das Konkursverfahren über die Betreiberfirma Biomasse-Energie eröffnet.

Im Jahr 2012 wurde die Anlage in Senden bei Ulm in Betrieb genommen. Nach einigen Verzögerungen und technischen Schwierigkeiten wurde Ende 2014 der Normalbetrieb erreicht. Gigantische Pläne entstanden parallel in Schweden: Göteborg Energi wollte mit dem Go-Bi-Gas-Projekt (Goeteborg Biomass Gasification) die weltgrößte Biomasse-Vergasungsanlage mit 160 MW Gasleistung bauen und Biomethan (Bio-SNG) erzeugen. Bis Ende 2014 wurde eine Demoanlage mit 20 MW(th) SNG-Produktion errichtet. Die Anlage erwies sich als finanzielles Fiasko. Laut dem »Expressen« hat sie umge-rechnet rd. 170 Mio. € Verlust gemacht. Nachdem Göteborg Energi vergeblich einen externen Investor oder Käufer der Anlage gesucht hat, wurde die Anlage im Frühjahr stillgelegt. Ein französisches Konsortium, das vom Engie-Konzern ko-ordiniert wird, produziert mittlerweile Bio-SNG nahe Lyon. Die 600-kW(th)-Demoanlage im Rahmen des »Gaya«-Projekts wurde 2017 in Betrieb genommen. Ebenfalls seit letztem Jahr läuft eine weitere Demoanlage mit 4 MW Brennstoffwärme-leistung in Nongbua/Thailand.

In der Zwischenzeit wurde an der TU Wien eine neue, 7 m hohe Versuchsanlage errichtet. »Durch eine neuartige Reak-torkonstruktion kommt der Brennstoff und dessen Produktgas viel intensiver in Kontakt mit dem wirbelnden heißen Sand, daher funktioniert die Vergasung nun auch mit schwieri-gen, alternativen Brennstoffen besser«, erklärt Dr. Johannes Schmid, Projektgruppenleiter am Institut für Verfahrenstech-nik der TU. Auch Biokohle und Klärschlamm lägen im Fokus. Die Vergasungskammer der 100-kW(th)-Anlage wurde durch eine Teilung in einen unteren und oberen Bereich modifi-ziert. Im oberen Bereich sorgen Querrippen für eine bessere

Verwirbelung. Der Brennstoffeintrag wird jetzt oberhalb der Wirbelschicht angeordnet. Bei der Brennkammer wurde die Luftzuführung verfeinert. Das neue Design soll auch zu einer besseren Regelung der Vergasungstemperatur führen.

Kuba von Bioenergy 2020+ sieht die Entwicklung der Dual- Fluid-Technologie an einem Wendepunkt: Die Pionierphase, Strom und Wärme aus Holz zu produzieren, sei nun zu Ende. »Der grundsätzliche Schritt ist getan«, meint Kuba. In der zweiten Phase werde sowohl die Frage nach den Einsatz-stoffen, als auch die nach den Endprodukten neu gestellt. Ziel sei es, aus dem Synthesegas mit CO, H2 und CH4 Chemi-kalien oder Treibstoffe zu entwickeln. »In den nächsten fünf bis zehn Jahren könnten solche Produkte marktreif sein«, lautet seine Einschätzung. Eine Alternative sei die direkte Nutzung als klimaschonendes, hochwertiges Brenngas. Kuba hat auch eine Erklärung für die gescheiterten Projekte: »Jedes Mal war ein anderer Anlagenbauer tätig. Es fehlte die Kommunikation, um von den Erfahrungen der anderen zu profitieren.« Die Anlagen hätten einfach zu lange gebraucht, um auf Volllast zu kommen. Aus finanziellen Gründen sei es dann oft schon zu spät gewesen.

Abgas

Produktgas

Grobabscheiderproduktgasseitig

Wasser-dampf

Wasser-dampf

Wasserdampf

Verg

asungs

-re

akto

r unte

n

Wasser-dampf

Primär-luft

Brennstoff-eintrag

Feinpartikel-rückführungen

Sekundär-luft

Tertiär-luft

Feinpartikel-austrag

Grobasche-austrag

Feinpartikel-austrag

Gro

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Neues System mit Rezirkulationsmöglichkeiten durch Querrippen, was den Gas-Feststoff-Kontakt verbessert Quelle: TU Wien