Oraler Kinasehemmer Tofacitinib als neue Option gegen RA

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CAPS-Patienten aller Schweregrade profitieren von IL-1β-Blockade Hilfe für Patienten mit Cryopyrin-assozi- ierten periodischen Syndromen (CAPS): Das bei diesen autoinflammatorischen Erkran- kungen im Übermaß produzierte Zytokin Interleukin-1β (IL-1β) lässt sich heute selektiv blockieren. Die belastenden Symptome nehmen ab, das Risiko von Langzeitschäden sinkt. Viele CAPS-Patienten leiden ihr Leben lang unter schubweise auftretenden Beschwer- den wie starke Müdigkeit, Fieber, Urtikaria, Konjunktivitis, Kopf-, Gelenk- und Muskel- schmerzen. Die Langzeitfolgen der meist genetisch bedingten IL-1β-Überproduktion können gravierend sein: Hörverlust, Nieren- insuffizienz durch Amyloidose und Gelenk- deformierung sind ebenso beschrieben wie Wachstumsretardierung und geistige Be- einträchtigung. Das CAPS-Spektrum umfasst drei Krank- heitsbilder zunehmenden Schweregrads: FCAS (Familial Cold Autoinflammatory Syndrome) MWS (Muckle-Wells-Syndrom) CINCA/NOMID (Chronic Infantile Neuro- logic, Cutaneous and Articular Syndro- me/Neonatal-Onset Multisystem In- flammatory Disease). Mit dem monoklonalen Antikörper Canaki- numab (Ilaris®), der IL-1β selektiv inhibiert, könne man CAPS-Patienten aller Schwere- grade wirksam helfen, erläuterte Helen J. Lachmann, University College Medical School, London. In einer Metaanalyse, in die fünf Studien mit insgesamt 185 Patienten eingingen, zeigten von 128 Canakinumab- naiven Patienten 85,2% ein komplettes Ansprechen (FCAS: 96,6%, MWS: 88,3%, CINCA/NOMID: 73,7%). Dieser Erfolg zeigte sich meist bereits unter der Anfangsdosie- rung von 150 mg oder 2 mg/kg Körperge- wicht alle acht Wochen subkutan. Für 159 Patienten waren Rückfalldaten verfügbar: In 89,3% der Fälle war am Studienende bzw. nach 48 Wochen kein Rezidiv aufgetreten (FCAS: 92,9%, MWS: 91,9%, CINCA/NOMID: 78,1%). Am häufigsten benötigten Patienten mit CINCA/NOMID und Kinder bzw. Jugend- liche eine höhere Dosierung des IL-1β- Blockers (gesteigert wurde bis 600 mg bzw. 8 mg/kg). Die jüngsten Patienten waren zwischen zwei und vier Jahre alt. Häufigste unerwünschte Ereignisse unter Canakinumab waren Infektionen. Lach- mann zufolge schien eine Dosissteigerung oder die Behandlung in sehr jungen Jahren nicht mit mehr oder schwereren Nebenwir- kungen einherzugehen. Dr. Ulrike Wepner Jahrestagung 2012 des American College of Rheumatology (ACR), Symposium: Neue Studiendaten zu Canakinumab und Secukinumab; Washington, 9. November 2012; Veranstalter: Novartis Vielversprechende SJIA-Daten Auch für die systemische juvenile idiopathische Arthritis (SJIA) gibt es vielversprechende Daten zur IL-1β- Blockade. In zwei Phase-3-Studien hätten Patienten mit aktiver SJIA und Fieber auf Canakinumab schnell und klinisch signifikant angesprochen, so Hermine I. Brunner vom Children’s Hospital Medical Center, Cincinnati/ Ohio. Bei 62% der Patienten konnte schließlich ein inaktiver Krankheits- status ohne Symptome und Entzün- dungszeichen erreicht werden. Das Risiko erneuter SJIA-Schübe reduzier- te sich deutlich. Damit einher ging eine Abnahme des Steroidbedarfs; ein Drittel der zu Studienbeginn mit Kortikoiden behandelten Patienten wurde innerhalb von fünf Monaten steroidfrei. Oraler Kinasehemmer Tofacitinib als neue Option gegen RA Während sich die bisher zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) verfügba- ren Biologika gegen ein bestimmtes Zytokin richten, greifen Janus-Kinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren) einen intrazellulären Sig- nalweg an, den zahlreiche proinflammato- rische Zytokine nutzen. Damit schalten sie gleich mehrere Zytokine auf einmal aus, wie Prof. Torsten Witte von der Klinik für Immu- nologie und Rheumatologie der Medizini- schen Hochschule Hannover erklärte. Auf diese Weise kann auch der oral applizierba- re JAK-Inhibitor Tofacitinib einige der bei RA fehlregulierten Immun- und Entzündungs- reaktionen beeinflussen. In den USA ist der JAK-Inhibitor bereits zugelassen, in Europa wird die Zulassung für 2013 erwartet. Wirksamkeit und Sicherheit von Tofacitinib wurden in dem umfangreichen Studienpro- gramm ORAL (Oral Rheumatoid Arthritis phase 3 triaLs) bei fast 5.000 RA-Patienten untersucht. Die Studien bestätigen eine sehr gute – und persistierende – Wirksamkeit des JAK-Inhibitors im Vergleich zu Placebo. Besonders interessant ist die Zwischenaus- wertung der auf zwei Jahre ausgelegten Studie ORAL-Start. Darin konnte Tofacitinib die klinischen Symptome signifikant stärker reduzieren und die radiologische Progres- sion signifikant stärker hemmen als Metho- trexat (MTX). Dies berichtete Dr. Siegfried Wassenberg, Chefarzt am Rheumazentrum des Evangelischen Fachkrankenhauses Ra- tingen. Nach sechs Monaten hatten unter Tofacitinib (10 bzw. 5 mg 2×/d) 37,7% bzw. 25,5% der Patienten ein ACR70-Ansprechen erreicht, unter MTX dagegen nur 12,0%. Außerdem bremste Tofacitinib (10 bzw. 5 mg 2×/d) die strukturellen Schäden, ge- messen mithilfe der Veränderung des mTSS nach sechs Monaten, signifikant besser als MTX (0,04 bzw. 0,18 versus 0,84). Damit sei Tofacitinib die erste Substanz, die MTX sig- nifikant überlegen ist, so Wassenberg. Hinsichtlich der Sicherheit sei Tofacitinib mit Biologika vergleichbar, erklärte Prof. Hendrik Schulze-Koops, Leiter der Rheumaeinheit der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der Universität München. Die Rate unerwünsch- ter Ereignisse ist einer Metaanalyse zufolge unter Tofacitinib vergleichbar mit jener der für die Indikation RA zugelassenen Biologika. Schwere unerwünschte Ereignisse traten bei bis zu 10,7% der Patienten auf, schwere In- fektionen bei bis zu 3% und Malignome (ohne weißen Hautkrebs) bei bis zu 1,1%. Wie bei Biologika sollten Patienten vor einer Be- handlung mit Tofacitinib auf Tuberkulose untersucht werden. Im Fall einer latenten Tuberkulose ist die Behandlung mit Tofaciti- nib nach erfolgreicher Isoniazid-Therapie möglich. Dr. Judith Neumaier Post-ACR-Pressegespräch „Aktuelle Daten zum oralen Janus-Kinase-Inhibitor Tofacitinib in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis“; München, 29. November 2012; Veranstalter: Pfizer 74 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2013; 16 (2) Pharmaforum

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CAPS-Patienten aller Schweregrade pro�tieren von IL-1β-Blockade

— Hilfe für Patienten mit Cryopyrin-assozi-ierten periodischen Syndromen (CAPS): Das bei diesen autoin�ammatorischen Erkran-kungen im Übermaß produzierte Zytokin Interleukin-1β (IL-1β) lässt sich heute selektiv blockieren. Die belastenden Symptome nehmen ab, das Risiko von Langzeitschäden sinkt.Viele CAPS-Patienten leiden ihr Leben lang unter schubweise auftretenden Beschwer-den wie starke Müdigkeit, Fieber, Urtikaria, Konjunktivitis, Kopf-, Gelenk- und Muskel-schmerzen. Die Langzeitfolgen der meist genetisch bedingten IL-1β-Überproduktion können gravierend sein: Hörverlust, Nieren-insu�zienz durch Amyloidose und Gelenk-deformierung sind ebenso beschrieben wie Wachstumsretardierung und geistige Be-einträchtigung. Das CAPS-Spektrum umfasst drei Krank-heitsbilder zunehmenden Schweregrads:

— FCAS (Familial Cold Autoin�ammatory Syndrome)

— MWS (Muckle-Wells-Syndrom)

— CINCA/NOMID (Chronic Infantile Neuro-logic, Cutaneous and Articular Syndro-

me/Neonatal-Onset Multisystem In-�ammatory Disease).

Mit dem monoklonalen Antikörper Canaki-numab (Ilaris®), der IL-1β selektiv inhibiert, könne man CAPS-Patienten aller Schwere-grade wirksam helfen, erläuterte Helen J. Lachmann, University College Medical School, London. In einer Metaanalyse, in die fünf Studien mit insgesamt 185 Patienten eingingen, zeigten von 128 Canakinumab-naiven Patienten 85,2% ein komplettes Ansprechen (FCAS: 96,6%, MWS: 88,3%, CINCA/NOMID: 73,7%). Dieser Erfolg zeigte sich meist bereits unter der Anfangsdosie-rung von 150 mg oder 2 mg/kg Körperge-wicht alle acht Wochen subkutan. Für 159 Patienten waren Rückfalldaten verfügbar: In 89,3% der Fälle war am Studienende bzw. nach 48 Wochen kein Rezidiv aufgetreten (FCAS: 92,9%, MWS: 91,9%, CINCA/NOMID: 78,1%). Am häu�gsten benötigten Patienten mit CINCA/NOMID und Kinder bzw. Jugend-liche eine höhere Dosierung des IL-1β-Blockers (gesteigert wurde bis 600 mg bzw. 8 mg/kg). Die jüngsten Patienten waren zwischen zwei und vier Jahre alt.

Häu�gste unerwünschte Ereignisse unter Canakinumab waren Infektionen. Lach-mann zufolge schien eine Dosissteigerung oder die Behandlung in sehr jungen Jahren nicht mit mehr oder schwereren Nebenwir-kungen einherzugehen. Dr. Ulrike Wepner

Jahrestagung 2012 des American College of Rheumatology (ACR), Symposium: Neue Studiendaten zu Canakinumab und Secukinumab; Washington, 9. November 2012; Veranstalter: Novartis

Vielversprechende SJIA-Daten

Auch für die systemische juvenile idiopathische Arthritis (SJIA) gibt es vielversprechende Daten zur IL-1β-Blockade. In zwei Phase-3-Studien hätten Patienten mit aktiver SJIA und Fieber auf Canakinumab schnell und klinisch signifikant angesprochen, so Hermine I. Brunner vom Children’s Hospital Medical Center, Cincinnati/Ohio. Bei 62% der Patienten konnte schließlich ein inaktiver Krankheits-status ohne Symptome und Entzün-dungszeichen erreicht werden. Das Risiko erneuter SJIA-Schübe reduzier-te sich deutlich. Damit einher ging eine Abnahme des Steroidbedarfs; ein Drittel der zu Studienbeginn mit Kortikoiden behandelten Patienten wurde innerhalb von fünf Monaten steroidfrei.

Oraler Kinasehemmer Tofacitinib als neue Option gegen RA — Während sich die bisher zur Behandlung

der rheumatoiden Arthritis (RA) verfügba-ren Biologika gegen ein bestimmtes Zytokin richten, greifen Janus-Kinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren) einen intrazellulären Sig-nalweg an, den zahlreiche proin�ammato-rische Zytokine nutzen. Damit schalten sie gleich mehrere Zytokine auf einmal aus, wie Prof. Torsten Witte von der Klinik für Immu-nologie und Rheumatologie der Medizini-schen Hochschule Hannover erklärte. Auf diese Weise kann auch der oral applizierba-re JAK-Inhibitor Tofacitinib einige der bei RA fehlregulierten Immun- und Entzündungs-reaktionen beein�ussen. In den USA ist der JAK-Inhibitor bereits zugelassen, in Europa wird die Zulassung für 2013 erwartet.Wirksamkeit und Sicherheit von Tofacitinib wurden in dem umfangreichen Studienpro-gramm ORAL (Oral Rheumatoid Arthritis phase 3 triaLs) bei fast 5.000 RA-Patienten untersucht. Die Studien bestätigen eine sehr

gute – und persistierende – Wirksamkeit des JAK-Inhibitors im Vergleich zu Placebo. Besonders interessant ist die Zwischenaus-wertung der auf zwei Jahre ausgelegten Studie ORAL-Start. Darin konnte Tofacitinib die klinischen Symptome signi�kant stärker reduzieren und die radiologische Progres-sion signi�kant stärker hemmen als Metho- trexat (MTX). Dies berichtete Dr. Siegfried Wassenberg, Chefarzt am Rheumazentrum des Evangelischen Fachkrankenhauses Ra-tingen. Nach sechs Monaten hatten unter Tofacitinib (10 bzw. 5 mg 2×/d) 37,7% bzw. 25,5% der Patienten ein ACR70-Ansprechen erreicht, unter MTX dagegen nur 12,0%. Außerdem bremste Tofacitinib (10 bzw. 5 mg 2×/d) die strukturellen Schäden, ge-messen mithilfe der Veränderung des mTSS nach sechs Monaten, signi�kant besser als MTX (0,04 bzw. 0,18 versus 0,84). Damit sei Tofacitinib die erste Substanz, die MTX sig-ni�kant überlegen ist, so Wassenberg.

Hinsichtlich der Sicherheit sei Tofacitinib mit Biologika vergleichbar, erklärte Prof. Hendrik Schulze-Koops, Leiter der Rheumaeinheit der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der Universität München. Die Rate unerwünsch-ter Ereignisse ist einer Metaanalyse zufolge unter Tofacitinib vergleichbar mit jener der für die Indikation RA zugelassenen Biologika. Schwere unerwünschte Ereignisse traten bei bis zu 10,7% der Patienten auf, schwere In-fektionen bei bis zu 3% und Malignome (ohne weißen Hautkrebs) bei bis zu 1,1%. Wie bei Biologika sollten Patienten vor einer Be-handlung mit Tofacitinib auf Tuberkulose untersucht werden. Im Fall einer latenten Tuberkulose ist die Behandlung mit Tofaciti-nib nach erfolgreicher Isoniazid-Therapie möglich. Dr. Judith Neumaier

Post-ACR-Pressegespräch „Aktuelle Daten zum oralen Janus-Kinase-Inhibitor Tofacitinib in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis“; München, 29. November 2012; Veranstalter: P�zer

74 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2013; 16 (2)

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