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ORIENT- EXPRESS

Der weltberühmte Luxus - Zug Orient - Express verlässt mit der 310.16 an der Spitze am 9. Juni 1928 die

Donaumetropole Wien. Jeder der fünf Schlafwagen trägt ein anderes Zuglaufschild: Budapest – Paris, Bukarest – Paris,

Bukarest – Calais, Bukarest – Amsterdam und Istanbul – Ostende.

FOTO: JOSEPH STÖGERMAYR

DAS ORIGINAL

Eine spektakuläre Reise unternahmen die Wagen des

Nostalgie - Istanbul - Orient - Express im September 1988. Sie führte

von Paris bis in den Fernen Osten und wurde sogar ins

Guinness - Buch der Rekorde aufgenommen. Unweit der

innerdeutschen Grenze bei Marienborn dampfen die 01 137 und

die 01 531 mit ihrer kostbaren Fracht Richtung Berlin.

FOTO: ROBIN GARN

PARIS – HONGKONG

war der D 263 Orient - Express auch im Jahr 2000 noch durchaus: Seine Fahrt von Paris nach Budapest führte ihn durch vier Länder,

zweimal pro Woche konnte man in einem rumänischen Schlafwagen sogar ohne Umsteigen bis nach Bukarest reisen. Er ist hinter

der Elektrolok 115039 der SNCF zu erkennen, die mit dem Schnellzugsoeben in Straßburg eingetroffen ist.

FOTO: MARTIN HAHMANN

INTERNATIONAL

Frische Zutaten werden direkt zum Speisewagen gebracht. FOTO: ORIENT - EXPRESS HOTELS LTD.➔

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■ VORGESCHICHTE

Ein belgischer Unternehmer erkannte den Bedarf an luxuriösen Fernreisen durch Europa. Nach dem Vorspiel mit Schlafwagen in Zügen der regionalen Bahnverwaltungen schuf er

ein eigenes Imperium „Großer europäischer Expresszüge“. Dessen Keimzelle bildete der Orient - Express.

Während eines Aufenthalts in Nord-amerika lernte der Ingenieur Georges Nagelmackers, Sohn ei-

nes Lütticher Bankiers, 1867/68 die neuar-tigen Schlaf- und Salonwagen des George Mortimer Pullman kennen. 1869 aus der Neu-en in die Alte Welt zurückgekehrt, wurde er Hütten- und Bergwerksdirektor. In seiner Freizeit schmiedete Nagelmackers jedoch den Plan, nach Pullmans Vorbild mit hochkomfor-tablen Fahrzeugen internationale Schlafwa-gendienste auf dem europäischen Kontinent einzurichten. Dafür benötigte er Verträge mit diversen Bahngesellschaften, in deren Zü-gen die Waggons mitlaufen sollten. Freilich standen solchen Vereinbarungen mannigfal-tige Hürden entgegen: Bei der Fahrzeugum-grenzung musste auf unterschiedliche Licht-raumprofile Rücksicht genommen werden; die Eisenbahnen schrieben Wagengewicht, Anzahl der Achsen, Bremsausrüstung, Art der Beleuchtung und Heizung sowie andere technische Parameter genau vor. Nicht zu-letzt musste Nagelmackers seine Geschäfts-interessen gegen nationalstaatliche Egoismen durchsetzen.

Auftakt mit TückenNach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gelang es ihm, die Konzession für das Mitführen eines Schlafwagens im Postzug Ostende – Brenner – Brindisi zu erwerben, doch dieser für die Postbeför-derung von England nach Indien wichti-

ge Zug wurde infolge der Eröffnung des Mont-Cenis-Tunnels auf die kürzere Rou-te von Calais aus durch Frankreich ver-legt – somit verfiel die Konzession. Mit der Aussicht auf neue Verträge u.a. für die Strecken Paris – München – Wien und Ost-ende – Berlin gründete Nagelmackers im September 1872 die in Lüttich ansässige COMPAGNIE INTERNATIONALE DE WAGONS-LITS. Während die Verbindung Ostende – Berlin kurz darauf zustande kam, beschränkte sich der reguläre Einsatz der neuen Schlafwagen auf der Route zwischen den Hauptstädten Frankreichs und Öster-reichs vorerst auf den Abschnitt München – Wien. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierig-keiten musste Nagelmackers schon wenige Wochen nach Gründung seines Unterneh-mens vorübergehend mit William d’Alton Mann kooperieren, einem in England leben-den ehemaligen Colonel der US-Armee, der mit Patenten für Militärausrüstungen zu Geld gekommen und ins Schlafwagengeschäft eingestiegen war. Nach dem Zusammen-schluss mit Mann leitete Nagelmackers wei-terhin die Geschäfte der Gesellschaft, doch firmierte diese nun als MANN’s RAILWAY SLEEPING CARRIAGE & CO. LTD. Deren blaue Wagen trugen die Aufschrift MANN BOUDOIR SLEEPING CAR. Anders als die in offene Sektionen unterteilten Pull-man-Schlafwagen in Nordamerika besaßen die „Boudoir-Wagen“ geschlossene Abteile, was dem Bedürfnis europäischer Reisender nach Abgeschiedenheit entgegenkam.

Ab 1874 liefen Manns Schlafwagen in be-stehenden Zügen von Paris bis Wien. Andere lukrative Verbindungen kamen hinzu, doch Colonel Mann zog offenbar den Müßiggang vor und überließ die Geschicke seiner Com-pany alleine Nagelmackers. Dieser gründete im Dezember 1876 in Brüssel erneut eine Ge-sellschaft namens COMPAGNIE INTERNA-TIONALE DES WAGONS-LITS, abgekürzt CIWL. (Die Präposition de wurde in des ge-ändert, was zum Ausdruck brachte, dass es sich nun nicht mehr um eine, sondern um die Schlafwagengesellschaft handelte.) Die deut-sche Firmenbezeichnung lautete INTERNA-TIONALE (EISENBAHN-)SCHLAFWA-GENGESELLSCHAFT, kurz ISG. Damit war das untrennbar mit dem Begriff „Orient-Express“ verbundene Unternehmen ins Leben gerufen. Die neue CIWL zahlte Mann aus und übernahm dessen 53 Wagen und 22 Verträge. Als Hauptaktionär stieg der belgische König Leopold II. ein, und so erschienen denn auch die königlich-belgischen Löwen im Firmen-zeichen.

„Blitzzug“ Paris – WienDer Schlafwagenlauf Paris – Wien war inzwi-schen außerordentlich erfolgreich. Nagel-mackers erkannte auch eine große Nachfrage im Verkehr mit dem Orient. Bankiers, Kauf-leute, Militärs, Diplomaten, außerdem schon abenteuerlustige Touristen reisten in die Tür-kei respektive das immer mehr auf westliches Kapital angewiesene Osmanische Reich, des-

Nagelmackers’ Compagnie

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sen Gebiet sich in den 1870er-Jahren noch bis Bosnien, Serbien und über Bulgarien hinaus bis ins heutige Rumänien erstreckte sowie Teile Griechenlands umfasste. Von Konstan-tinopel, dem späteren Istanbul, aus gab es seit 1872/73 Schienenstränge nach Dede Agatsch, dem heute griechischen Alexandroupoli, so-wie über Edirne nach Tatar Pazardschik (Be-lovo) im heutigen Bulgarien (damals in der türkischen Provinz Ostrumelien gelegen). Eine weitere Stichbahn führte vom damals türkischen Saloniki nach Üsküb, dem jetzi-gen Skopje. Diese Strecken waren in Regie verschiedener, unter dem Begriff „Orient-bahn“ zusammengefasster Gesellschaften er-richtet worden; die sich zu Kriegen zwischen Serbien und der Türkei sowie Russland und der Türkei zuspitzende Balkankrise vereitel-te zunächst ihren Weiterbau. Hingegen er-hielt die österreichisch-ungarische Linie von Wien über Budapest nach dem nahe des Do-nau-Durchbruchtals „Eisernes Tor“ gelegenen Orsova 1876 Anschluss an das rumänische Ei-senbahnnetz, womit nun ein durchgehender Schienenweg über Craiova bis Bukarest und Giurgewo (Giurgiu) am nördlichen Donau-ufer bestand. Von Giurgewo konnte man ans bulgarische Südufer übersetzen und im Zug auf der bereits 1866 eröffneten, allerdings schlecht gebauten Bahnlinie von Rustschuk (Ruse) nach Varna am Schwarzen Meer rei-sen. Von Varna ging es per Schiff weiter bis Konstantinopel.

Ab 1878 lief ein in gewöhnlichen Zügen mitgeführter CIWL-Schlafwagen von Wien

nach Orsova. Aufgrund der steigenden Nach-frage auf der Route Paris – Wien und darüber hinaus bis in den Orient strebte die CIWL an, mit den Bahngesellschaften den Einsatz durchgehender Züge zu vereinbaren, die nur Schlaf-, Speise- und Gepäckwagen führen sollten. Zwischen dem 10. und 14. Oktober 1882 fuhr probeweise ein „Train de Luxe d’Essai“ von Paris nach Wien und zurück. Es war der erste nur aus Schlaf- und Speisewa-gen der CIWL sowie Gepäckwagen (der fran-zösischen Ostbahn) gebildete internationale Luxuszug. Er bewältigte die 1350 km lange Strecke von Paris nach Wien in 27 Stunden und 53 Minuten, ergo mit der für diese Re-

lation ungewöhnlich hohen Durchschnitts-geschwindigkeit von 48,7 km/h, weshalb er auch „Blitzzug“ – französisch „Train Eclair“ – genannt wurde. Die Garnitur bestand aus je einem zweiachsigen Gepäckwagen hinter der Lok sowie am Zugschluss, aus drei drei-achsigen Schlafwagen, dem ersten vierach-sigen Drehgestell-Schlafwagen der CIWL (Nummer 75) und dem ersten dreiachsigen Vollspeisewagen mit Küche (Nummer 107). Vorher waren zwischen Berlin und Frankfurt (Main) provisorisch mit Speise- und Rauch-salons ausgestattete Personenwagen sowie in Güterwagen untergebrachte Küchen erprobt worden. Die Bewirtschaftung im fahrenden Zug entwickelte sich zu einem weiteren er-folgreichen Geschäftsfeld der CIWL bzw. ISG, sie ermöglichte den Verzicht auf Fahrt-unterbrechungen zum Einnehmen der Mahl-zeiten und trug dadurch zu höheren Reisege-schwindigkeiten bei.

Mit dem „Train Eclair“ wollte Georges Na-gelmackers demonstrieren, auf welche Art sei-ne Compagnie die Reisenden auf den gro ßen Linien des Kontinents schneller und komfor-tabler befördern wollte, wie es im Einladungs-schreiben zu der Versuchsfahrt hieß. Nun, die Fahrtteilnehmer waren sehr angetan. Im Fe-bruar 1883 trafen sich Vertreter der CIWL und der am Orient-Express interessierten Bahnverwaltungen in Konstantinopel. Die se Konferenz bereitete den Vertrag über einen regelmäßigen Luxuszug-Dienst zwischen Paris und Giurgewo mit Anschluss nach Konstantinopel vor.

Schlafwagen Nr. 15 von 1873 der Mann’s Railway Sleeping Carriage & Co. Ltd. mit Nagelmackers (sitzend) und Mann. Fotos: Slg. Deppmeyer (2)Fo

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