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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 607 MEDIZIN ORIGINALARBEIT Pneumonien in der nichtinstitutionalisierten älteren Allgemeinbevölkerung Eine prospektive Beobachtungsstudie über elf Jahre Lutz P. Breitling, Kai-Uwe Saum, Ben Schöttker, Bernd Holleczek, Felix J. Herth, Hermann Brenner ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Die Pneumonie ist mit einer Inzidenz von etwa 300/100 000 pro Jahr eine häufige und potenziell schwerwiegende Erkrankung. Bevölkerungs- bezogene Untersuchungen zu Risikofaktoren der Pneumonie sind selten. Methode: In der prospektiven ESTHER-Kohortenstudie wurden von 2000–2002 fast 10 000 Personen im Alter von 50–75 Jahren anlässlich eines Gesundheits- Check-ups durch ihren Hausarzt rekrutiert. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 10,6 Jahre. Daten zu inzidenten Pneumonien wurden wiederholt mittels standardisierter Teilnehmer- und Arzt-Fragebögen erhoben. Assoziationen mit verschiedenen Prädiktoren wurden in Überlebenszeit-Regressionsmodellen un- tersucht. Ergebnisse: Bei 435 Teilnehmern wurde im Nachbeobachtungszeitraum min- destens eine Pneumonie beobachtet. Die kumulative 10-Jahres-Inzidenz betrug 4,5 % (95-%-Konfidenzintervall: [4,0; 4,9]). Die multiple Regression zeigte, dass das Alter (relatives Risiko [RR]: 1,43 [1,22; 1,67] je 10 Jahre), fortgesetztes Rauchen (RR: 1,56 [1,19; 2,05]; verglichen mit Niemalsrauchen) sowie eine bekannte Herzinsuffizienz (RR: 1,65 [1,24; 2,20]) unabhängig mit dem Pneumo- nierisiko assoziiert waren. Für Diabetes mellitus lag ein nicht signifikant erhöhtes Risiko vor (RR: 1,29 [0,98; 1,68]). Alkoholkonsum, Adipositas, Schlaganfall und Krebs in alters- und geschlechtsadjustierten Analysen waren nicht mit dem Pneumonierisiko assoziiert. Schlussfolgerung: Die Pneumonie besitzt hohe Relevanz für die medizinische Versorgung der nichtinstitutionalisierten älteren Bevölkerung. Mit Hilfe der be- schriebenen Prädiktoren können Risikopatienten in der allgemeinen Praxis identifiziert, Raucher zur Entwöhnung motiviert und Therapieadhärenz oder Be- reitschaft zur leitliniengerechten Impfung gesteigert werden. Zitierweise Breitling LP, Saum KU, Schöttker B, Holleczek B, Herth FJ, Brenner H: Pneumonia in the noninstitutionalized older population—a prospective observational study over 11 years. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 607–14. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0607 D ie Pneumonie ist eine schwerwiegende und potenziell tödlich verlaufende Erkrankung (1). Allein die hospitalisationsbedürftige ambulant erworbene Pneumonie weist in Deutschland eine In- zidenz von etwa 300/100 000 pro Jahr auf, wobei aufgrund der demografischen Entwicklung von ei- nem dramatischen Anstieg der beobachteten Fälle auszugehen ist (2, 3). Mit einer Krankenhausletalität bis 14 % (2) und einer um den Faktor 1,65 höheren 10-Jahres-Mortalität im Vergleich zu Kontrollpa- tienten ohne Pneumonie (4) ist die Mortalität sowohl akut als auch postpneumonisch erhöht. Eine poten- ziell langfristige Abnahme der Selbstständigkeit und Selbstversorgungskapazität wirken sich negativ auf der individuellen und gesamtgesellschaftlichen Ebe- ne aus (5). Indem umfangreiche Routinedatensätze zu hospitalisierten Patienten analysiert werden (6) so- wie durch vielfältige Forschungsaktivitäten der CAPNETZ-Initiative (7, 8), werden in jüngster Zeit detaillierte Erkenntnisse zur ambulant erworbe- nen Pneumonie gewonnen. Hingegen bleiben be- völkerungsbezogene längsschnittliche Studien zur Epidemiologie der Pneumonie in der Allgemeinbe- völkerung – einschließlich nicht im Krankenhaus vorstellig werdender Fälle – sehr begrenzt. Auch international stehen krankenhausbehandelte Fälle im Mittelpunkt der meisten Studien (9–12). In der aktuellen Arbeit wird die Pneumonie-Inzidenz in der nichtinstitutionalisierten älteren Allgemein- bevölkerung anhand der über einen Zeitraum von elf Jahren nachbeobachteten ESTHER-Kohorte im Saarland untersucht (13–16). Der Fokus dieser erstmaligen Analyse soll dabei auf ausgewählten bedeutenden Risikofaktoren liegen, um alltagsrele- vante Ergebnisse zur Lungenentzündung im all- gemeinärztlich-ambulanten Setting zu erbringen. Methoden Studiendesign und Basisdatenerhebung Die zugrundeliegende epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und opti- mierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung (ESTHER-Studie) ist eine für das entsprechende Alterssegment (bei Rekrutierung Abteilung für Klinische Epidemiologie und Alternsforschung, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg: PD Dr. med. Breitling, Dr. sc. hum. Saum, PD Dr. rer. hum. biol. Schöttker, Prof. Dr. med. Brenner Pneumologie und Beatmungsmedizin, Thoraxklinik, Universität Heidelberg: PD Dr. med. Breitling, Prof. Dr. med. Herth Netzwerk Alternsforschung (NAR), Universität Heidelberg: PD Dr. rer. hum. biol. Schöttker, Prof. Dr. med. Brenner Krebsregister Saarland, Saarbrücken: Dr. sc. hum. Holleczek Translational Lung Research Center, Universität Heidelberg: Prof. Dr. med. Herth

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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 607

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ORIGINALARBEIT

Pneumonien in der nichtinstitutionalisierten älteren Allgemeinbevölkerung Eine prospektive Beobachtungsstudie über elf Jahre

Lutz P. Breitling, Kai-Uwe Saum, Ben Schöttker, Bernd Holleczek, Felix J. Herth, Hermann Brenner

ZUSAMMENFASSUNGHintergrund: Die Pneumonie ist mit einer Inzidenz von etwa 300/100 000 pro Jahr eine häufige und potenziell schwerwiegende Erkrankung. Bevölkerungs-bezogene Untersuchungen zu Risikofaktoren der Pneumonie sind selten.

Methode: In der prospektiven ESTHER-Kohortenstudie wurden von 2000–2002 fast 10 000 Personen im Alter von 50–75 Jahren anlässlich eines Gesundheits-Check-ups durch ihren Hausarzt rekrutiert. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 10,6 Jahre. Daten zu inzidenten Pneumonien wurden wiederholt mittels standardisierter Teilnehmer- und Arzt-Fragebögen erhoben. Assoziationen mit verschiedenen Prädiktoren wurden in Überlebenszeit-Regressionsmodellen un-tersucht.

Ergebnisse: Bei 435 Teilnehmern wurde im Nachbeobachtungszeitraum min-destens eine Pneumonie beobachtet. Die kumulative 10-Jahres-Inzidenz betrug 4,5 % (95-%-Konfidenzintervall: [4,0; 4,9]). Die multiple Regression zeigte, dass das Alter (relatives Risiko [RR]: 1,43 [1,22; 1,67] je 10 Jahre), fortgesetztes Rauchen (RR: 1,56 [1,19; 2,05]; verglichen mit Niemalsrauchen) sowie eine bekannte Herzinsuffizienz (RR: 1,65 [1,24; 2,20]) unabhängig mit dem Pneumo-nierisiko assoziiert waren. Für Diabetes mellitus lag ein nicht signifikant erhöhtes Risiko vor (RR: 1,29 [0,98; 1,68]). Alkoholkonsum, Adipositas, Schlaganfall und Krebs in alters- und geschlechtsadjustierten Analysen waren nicht mit dem Pneumonierisiko assoziiert.

Schlussfolgerung: Die Pneumonie besitzt hohe Relevanz für die medizinische Versorgung der nichtinstitutionalisierten älteren Bevölkerung. Mit Hilfe der be-schriebenen Prädiktoren können Risikopatienten in der allgemeinen Praxis identifiziert, Raucher zur Entwöhnung motiviert und Therapieadhärenz oder Be-reitschaft zur leitliniengerechten Impfung gesteigert werden.

►Zitierweise Breitling LP, Saum KU, Schöttker B, Holleczek B, Herth FJ, Brenner H: Pneumonia in the noninstitutionalized older population—a prospective observational study over 11 years. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 607–14. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0607

D ie Pneumonie ist eine schwerwiegende und potenziell tödlich verlaufende Erkrankung

(1). Allein die hospitalisationsbedürftige ambulant erworbene Pneumonie weist in Deutschland eine In-zidenz von etwa 300/100 000 pro Jahr auf, wobei aufgrund der demografischen Entwicklung von ei-nem dramatischen Anstieg der beobachteten Fälle auszugehen ist (2, 3). Mit einer Krankenhausletalität bis 14 % (2) und einer um den Faktor 1,65 höheren 10-Jahres-Mortalität im Vergleich zu Kontrollpa-tienten ohne Pneumonie (4) ist die Mortalität sowohl akut als auch postpneumonisch erhöht. Eine poten-ziell langfristige Abnahme der Selbstständigkeit und Selbstversorgungskapazität wirken sich negativ auf der individuellen und gesamtgesellschaftlichen Ebe-ne aus (5).

Indem umfangreiche Routinedatensätze zu hospitalisierten Patienten analysiert werden (6) so-wie durch vielfältige Forschungsaktivitäten der CAPNETZ-Initiative (7, 8), werden in jüngster Zeit detaillierte Erkenntnisse zur ambulant erworbe-nen Pneumonie gewonnen. Hingegen bleiben be -völkerungsbezogene längsschnittliche Studien zur Epidemiologie der Pneumonie in der Allgemeinbe-völkerung – einschließlich nicht im Krankenhaus vorstellig werdender Fälle – sehr begrenzt. Auch international stehen krankenhausbehandelte Fälle im Mittelpunkt der meisten Studien (9–12). In der aktuellen Arbeit wird die Pneumonie-Inzidenz in der nichtinstitutionalisierten älteren Allgemein -bevölkerung anhand der über einen Zeitraum von elf Jahren nachbeobachteten ESTHER-Kohorte im Saarland untersucht (13–16). Der Fokus dieser erstmaligen Analyse soll dabei auf ausgewählten bedeutenden Risikofaktoren liegen, um alltagsrele-vante Ergebnisse zur Lungenentzündung im all -gemeinärztlich-ambulanten Setting zu erbringen.

MethodenStudiendesign und BasisdatenerhebungDie zugrundeliegende epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und opti-mierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung (ESTHER-Studie) ist eine für das entsprechende Alterssegment (bei Rekrutierung

Abteilung für Klinische Epidemiologie und Alternsforschung, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg: PD Dr. med. Breitling, Dr. sc. hum. Saum, PD Dr. rer. hum. biol. Schöttker, Prof. Dr. med. Brenner

Pneumologie und Beatmungsmedizin, Thoraxklinik, Universität Heidelberg: PD Dr. med. Breitling, Prof. Dr. med. Herth

Netzwerk Alternsforschung (NAR), Universität Heidelberg: PD Dr. rer. hum. biol. Schöttker, Prof. Dr. med. Brenner

Krebsregister Saarland, Saarbrücken: Dr. sc. hum. Holleczek

Translational Lung Research Center, Universität Heidelberg: Prof. Dr. med. Herth

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im Alter von 50 bis 75 Jahre) der saarländischen Allgemeinbevölkerung repräsentative prospektive Kohortenstudie. Von Juli 2000 bis Dezember 2002 wurden insgesamt 9 949 Teilnehmer gewonnen (13). Die behandelnden Ärzte boten den Patienten die Studienteilnahme an, wenn sie sich für einen Gesundheits-Check-up in der Praxis vorstellten. Da-bei beteiligten sich 420 niedergelassene Kollegen, die im Mittel 24 Teilnehmer mobilisierten. Neben den Angaben aus dem Gesundheits-Check-up wur-den auch Daten zu Gesundheitsverhalten und Vorer-krankungen mittels standardisierter Fragebögen er-hoben.

Folgende Variablen wurden durch den Gesund-heits-Check-up beziehungsweise Fragebogen bei Rekrutierung ermittelt und in der aktuellen Analyse berücksichtigt:

● Alter (durch den Median kategorisiert zur De-skription, als kontinuierlich behandelt in den Regressionsmodellen)

● Geschlecht● Rauchverhalten (niemals, früher, fortgesetzt)● Alkoholkonsum (> 10 g/Tag bei Frauen bezie-

hungsweise > 20 g/Tag bei Männern versus ge-ringerer Konsum)

● Adipositas (Body-mass-Index [BMI] ≥ 30 kg/m²) ● prävalenter Diabetes mellitus (ärztliche Dia -

gnose, blutzuckersenkende Medikation, HbA1c ≥ 6,5 %)

● Nüchternglukose ≥ 126 mg/dL● Glukose ≥ 200 mg/dL● anamnestisch Schlaganfall, Herzinsuffizienz und

Krebs. Im Check-up wurde auch vermerkt, ob ein patholo-gischer Auskultationsbefund oder eine (vor-)beste-hende Lungenerkrankung vorlag, und als pulmonale Vorerkrankung zusammengefasst.

Die ESTHER-Studie (13) ist mit der Deklaration von Helsinki konform, und die Teilnahme erforderte ein schriftliches Einverständnis. Für die Untersu-chung liegen zustimmende Voten der Ethikkommis-sionen der Medizinischen Fakultät Heidelberg sowie der Ärztekammer Saarland vor.

Nachbeobachtung und Pneumonie-DetektionNachuntersuchungen erfolgten mittels standardi-sierter Teilnehmer- und Arzt-Fragebögen nach zwei, fünf, acht und elf Jahren. Unter anderem wur-de nach Pneumonien seit der letzten Datenerhe-bung gefragt. Für die Hauptanalyse wurden die von den Teilnehmern und/oder ihren Ärzten angegebe-ne Pneumonie-Episoden eingeschlossen. In einem Sensitivitätsmodell wurde die Analyse auf die von den Ärzten berichteten Pneumonie-Episoden be-grenzt. Grundsätzlich wurde nur die erste Pneumo-nie-Episode während des Nachbeobachtungszeit-raums berücksichtigt.

Das Mortalitäts-Follow-up (zuletzt April 2013) basierte auf Daten der Meldebehörden und Gesund-heitsämter.

TABELLE 1

Verteilung der untersuchten Prädiktoren*1

*1 bei den 9 419 analysierten ESTHER-Teilnehmern und 435 Teilnehmern mit inzidenter Pneumonie bis zum 11-Jahres-Follow-up sowie hiernach stratifizierte kumulative 10-Jahres-Inzidenzen mit 95-%-KI; fehlende Werte zu Rauchen (256), Alkohol (882), BMI (14), Diabetes mellitus (115), Schlaganfall (302), Herzinsuffizienz (927) und Krebs (276)

*2 erste Pneumonie während der prospektiven Beobachtung bzw. mortalitätsbedingtes Ausscheiden aus der Studie

BMI, Body-mass-Index; ESTHER, epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung; KI, Konfidenzintervall; n, Anzahl

PrädiktorGeschlecht weiblich männlich

Alter ≤ 62 Jahre

> 62 Jahre

Rauchen niemals

früher fortgesetzt

Alkoholkonsum≤ 10 bzw. 20 g/Tag (♀/♂) > 10 bzw. 20 g/Tag (♀/♂)

Körpergewicht BMI < 30 kg/m²

BMI ≥ 30 kg/m²

Diabetes mellitus nein ja

Schlaganfall nein ja

Herzinsuffizienz nein ja

Krebs nein ja

Gesamt -kohorte

(n, %)

5 217 (55,4)4 202 (44,6)

4 731 (50,2)

4 688 (49,8)

4 607 (50,3)

3 046 (33,2)1 510 (16,5)

6 647 (77,9)

1 890 (22,1)

7 009 (74,5)

2 396 (25,5)

7 872 (84,6)1 432 (15,4)

8 830 (96,9) 287 (3,1)

7 685 (90,5) 807 (9,5)

8 545 (93,5) 598 (6,5)

Pneumo-niefälle*2

(n, %)

232 (53,3)203 (46,7)

181 (41,6)

254 (58,4)

198 (47,1)

134 (31,9) 88 (21,0)

318 (80,5)

77 (19,5)

324 (74,7)

110 (25,3)

346 (79,9) 87 (20,1)

398 (95,7) 18 (4,3)

320 (83,8) 62 (16,2)

386 (92,6) 31 (7,4)

10-Jahres-Inzidenz (%, 95-%-KI)

Pneumonie*2

4,3 [3,7; 4,9]4,7 [4,0; 5,4]

p = 0,54

3,6 [3,1; 4,2]

5,3 [4,7; 6,1]p < 0,0001

4,1 [3,6; 4,8]

4,1 [3,5; 4,9]5,7 [4,6; 7,1]

p = 0,028

4,6 [4,1; 5,2]

3,8 [3,0; 4,8]

p = 0,11

4,5 [4,0; 5,1]

4,3 [3,5; 5,2]p = 0,99

4,2 [3,8; 4,7]5,9 [4,7; 7,3]

p = 0,0034

4,4 [3,9; 4,8]6,0 [3,5; 9,3]

p = 0,13

4,0 [3,6; 4,5]7,1 [5,3; 9,2]

p < 0,0001

4,4 [3,9; 4,9]4,7 [3,1; 6,7]

p = 0,50

Mortalität*2

10,8 [10,0; 11,8]17,4 [16,2; 18,6]

p < 0,0001

7,8 [7,0; 8,6]

20,1 [18,9; 21,4]p < 0,0001

10,2 [9,3; 11,2]

15,6 [14,3; 17,0]20,2 [18,1; 22,5]

p < 0,0001

14,1 [13,2; 15,0]

11,1 [9,7; 12,7]

p = 0,0021

12,8 [12,0; 13,7]

16,7 [15,2; 18,4]p < 0,0001

11,8 [11,0; 12,6]25,1 [22,7; 27,6]

p < 0,0001

12,8 [12,0; 13,5]35,0 [29,1; 41,0]

p < 0,0001

11,7 [11,0; 12,5]25,7 [22,5; 29,0]

p < 0,0001

12,9 [12,2; 13,7]22,9 [19,4; 26,5]

p < 0,0001

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Statistische AuswertungDie Studienteilnehmer wurden zunächst hinsicht-lich der genannten Charakteristika beschrieben, einschließlich der Pneumonie-Häufigkeit in den verschiedenen Gruppen. Kumulative Pneumonie-Inzidenzkurven sowie 10-Jahres-Pneumonie-Inzi-denzen wurden stratifiziert nach Teilnehmercharak-teristika berechnet. Nachfolgend wurden alters- und geschlechtsadjustierte Assoziationen mit der Pneumonie-Inzidenz mittels Überlebenszeit-Re-gressionsmodellen untersucht. Für die Auswertun-gen wurden grundsätzlich Methoden angewandt, die das – durch Versterben bedingte – Ausscheiden aus der Studie als konkurrierendes Ereignis be -

rücksichtigten (eKasten) (17). Charakteristika, die alters- und geschlechtsadjustiert mit der Pneu -monie-Inzidenz assoziiert waren (p < 0,05), wur-den in einem multiplen Regressionsmodell gemein-sam als Prädiktoren eingeschlossen. Die Modell -voraussetzungen wurden anhand der Inspektion der Schönfeld-Residuen überprüft. Für statistisch signifikante Prädiktoren der Pneumonie-Inzidenz wurden „rate advancement periods“ (RAP) be -rechnet (eKasten) (18). RAP-Schätzer sind Maße für altersassoziierte Erkrankungen und geben an, um wie viele Jahre früher Exponierte dasselbe Erkrankungsrisiko wie Nichtexponierte erreichen (18).

GRAFIK

0,30

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05

0,00

kum

ulat

ive

Inzi

denz

0

männliche Teilnehmer weibliche Teilnehmer

0,30

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05

0,00

> 62 Jahre alt bei Studienbeginn ≤ 62 Jahre bei Studienbeginn

0,30

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05

0,00

kum

ulat

ive

Inzi

denz

aktive Raucher frühere Raucher Niemalsraucher

0,30

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05

0,00

bekannte Herzinsuffizienz keine bekannte Herzinsuffizienz

Nachbeobachtungsdauer (Jahre) Nachbeobachtungsdauer (Jahre)

2 4 6 8 10 0 2 4 6 8 10

0 2 4 6 8 10 0 2 4 6 8 10

Nach ausgewählten Prädiktoren stratifizierte kumulative Inzidenzkurven für Pneumonie (durchgezogene Linien; Hauptendpunkt) und mortalitätsbedingtes Ausscheiden aus der Nachbeobachtung (unterbrochene Linien; konkurrierendes Ereignis) in der prospektiven ESTHER-KohortenstudieESTHER, epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung

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Details der Personenzeitdefinitionen für die Über-lebenszeitanalysen sind im eKasten aufgeführt. In der Hauptanalyse wurden fünf Sterbefälle, bei denen die Pneumonie zum Tod geführt hatte, als konkurrie-rendes Ereignis behandelt, um eine eindeutige Defi-nition der Personenzeiten zu ermöglichen. In einer Sensitivitätsanalyse wurden diese Ereignisse zu den Hauptendpunkten gezählt, als Ende der Personenzeit verstorbener Teilnehmer (Haupt- und konkurrieren-de Ereignisse) wurde das Datum des Todes definiert. Weitere Sensitivitätsanalysen bestanden zum einen darin, Pneumonien auf die Fälle, die von den Ärzten der Teilnehmer berichtet beziehungsweise bestätigt worden waren, zu begrenzen. Zum anderen wurde eine erweitert adjustierte Analyse mit gleichzeitigem Einschluss aller untersuchten Teilnehmercharakte-ristika in einem Regressionsmodell durchgeführt. Zusätzlich wurde das Hauptmodell mit Adjustierung für pulmonale Vorerkrankungen studiert, da diese die Assoziationen der Risikofaktoren mit dem Pneu-monierisiko bedingen könnten.

Beobachtungen, bei denen die Werte der Kovari-ablen fehlten, wurden nur aus den Analysen ausge-schlossen, wenn die jeweilige Variable notwendig war. Als Signifikanzkriterium wurde p < 0,05 bei zweiseitigem Testen betrachtet. Für die Statistik wurden SAS 9.3 (SAS Institute Inc., Cary/NC 2002–2010) und R 3.0.2 (R Foundation for Statisti-cal Computing, Wien 2013) mit diversen Zusatz-funktionen verwendet (19–21).

ErgebnisseNachuntersuchungsdaten, die hinsichtlich inziden-ter Pneumonien auswertbar waren, lagen für 9 419 (95 %) der 9 949 Teilnehmer vor. Dabei betrugen die allgemeinen Rücklaufraten der Erhebungen nach zwei, fünf, acht und elf Jahren 96 %, 88 %, 81 % beziehungsweise 70 %. Bei einer medianen Beobachtungszeit von 10,6 Jahren (Inter Quartile Range [IQR]: 5,7–10,9 Jahre) wurden 435 erste Pneumonien und 1 229 Todesfälle registriert, ent-sprechend einer 10-Jahres-Inzidenz von 4,5 % (95-%-Konfidenzintervall: [4,0; 4,9]) für Pneumo-nien beziehungsweise 13,8 % [13,1; 14] für Morta-lität. Von den 435 Pneumonien wurden 128 nur durch den Teilnehmer, 131 nur durch den Arzt und 176 durch Teilnehmer sowie Arzt berichtet. Haupt-charakteristika der Teilnehmer und 10-Jahres-Inzi-denzen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Alle untersuchten Merkmale waren eindeutig mit der Mortalität assoziiert. Zusammenhänge mit der Pneumonie-Inzidenz wurden nur für das Alter, Rauchen, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz beobachtet. Ausgewählte kumulative Inzidenzkurven sind in der Grafik abgebildet.

Alters- und geschlechtsadjustierte Regressions-modelle sind in Tabelle 2 aufgeführt. Hierbei gin-gen höheres Alter, fortgesetztes Rauchen, prävalen-ter Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz mit einem erhöhten Risiko einher. Die Inspektion der Residuen

TABELLE 2

Alters- und geschlechtsadjustierte relative Risiken für Pneumonie und Mortalität in der prospektiven ESTHER-Studie

BMI, Body-mass-Index; ESTHER, epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung; KI, Konfidenzintervall; ref, Referenzkategorie; RR, relatives Risiko

Prädiktor

Geschlecht

weiblich

männlich

Alter

pro 10 Jahre

Rauchen

niemals

früher

fortgesetzt

Alkoholkonsum

≤ 10 bzw. 20 g/Tag (♀/♂)

> 10 bzw. 20 g/Tag(♀/♂)

Körpergewicht

BMI < 30 kg/m²

BMI ≥ 30 kg/m²

Diabetes mellitus

nein

ja

Schlaganfall

nein

ja

Herzinsuffizienz

nein

ja

Krebs

nein

ja

RR (95-%-KI)

Pneumonie

1 (ref)

1,05 [0,87; 1,27]

p = 0,59

1,46 [1,26; 1,69]

p < 0,0001

1 (ref)

1,01 [0,80; 1,27]

1,55 [1,20; 1,99]

p = 0,0014

1 (ref)

0,82 [0,64; 1,05]

p = 0,11

1 (ref)

1,01 [0,82; 1,26]

p = 0,90

1 (ref)

1,32 [1,04; 1,67]

p = 0,022

1 (ref)

1,26 [0,78; 2,03]

p = 0,35

1 (ref)

1,68 [1,28; 2,21]

p = 0,00021

1 (ref)

1,06 [0,73; 1,53]

p = 0,76

Mortalität

1 (ref)

1,71 [1,53; 1,91]

p < 0,0001

2,65 [2,40; 2,92]

p < 0,0001

1 (ref)

1,45 [1,26; 1,67]

2,64 [2,26; 3,08]

p < 0,0001

1 (ref)

0,76 [0,66; 0,89]

p = 0,00048

1 (ref)

1,37 [1,21; 1,55]

p < 0,0001

1 (ref)

1,84 [1,62; 2,10]

p < 0,0001

1 (ref)

2,25 [1,82; 2,78]

p < 0,0001

1 (ref)

1,73 [1,48; 2,02]

p < 0,0001

1 (ref)

1,61 [1,34; 1,94]

p < 0,0001

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und zugehöriger Glättungskurven ergab keinen Hinweis auf Modellverletzungen. Nachdem alle signifikanten Prädiktoren in ein multiples Regressi-onsmodell eingeschlossen wurden, blieb das relati-ve Risiko (RR) nahezu unverändert, aber das diabe-tesassoziierte RR war nicht mehr signifikant (Ta-belle 3). Der Schätzer der RAP für fortgesetztes Rauchen betrug 12,5 Jahre [3,5; 21,5], während die RAP für Herzinsuffizienz bei 14,2 Jahren [3,1; 25,3] lag.

Die geschätzten RR waren gegenüber den Ergeb-nissen der häufig angewandten Cox-Modelle, die konkurrierende Ereignisse nicht berücksichtigen, mäßig reduziert (eTabellen 1 und 2).

Die Ergebnisse der Hauptauswertung und des Sensitivitätsmodells unter Einschluss aller unter-suchten Teilnehmercharakteristika unterschieden sich nicht relevant. Jedoch waren Diabetes mellitus und Pneumonie statistisch signifikant miteinander assoziiert (Tabelle 3). Wurde das Hauptmodell auf durch den Arzt berichtete Pneumonien begrenzt, veränderten sich die Ergebnisse lediglich gering (Tabelle 3). Des Weiteren waren die Ergebnisse ro-bust gegenüber der alternativen Ereignis-Definiti-on, wobei die Personenzeit bis zum Todeszeitpunkt bei verstorbenen Teilnehmern berücksichtigt und Pneumonie-Todesfälle zu den Hauptereignissen ge-zählt wurden. Wenn im Hauptmodell zusätzlich der Einfluss pulmonaler Vorerkrankungen (RR: 1,75 [1,35; 2,28]) kontrolliert wurde, sank nur der Zu-sammenhang mit dem fortgesetzten Rauchen (RR: 1,46 [1,11; 1,93]).

DiskussionIn der vorliegenden prospektiven Beobachtungs-studie der älteren Allgemeinbevölkerung im Saar-land war das Alter der bedeutendste unabhängige Prädiktor für inzidente Pneumonien. Das fortge-setzte Rauchen war als wichtiger modifizierbarer Risikofaktor ebenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko verbunden. Während die Assoziation mit prävalentem Diabetes mellitus in der adjustierten Regression nicht robust war, zeigte sich weiterhin ein unabhängiger Zusammenhang mit einer vor -bestehenden Herzinsuffizienz. Die beschriebenen Assoziationen können Hinweise darauf geben, bei welchen Patienten in der allgemeinen Praxis eine erhöhte Wachsamkeit und bei klinischem Verdacht auf Pneumonie eventuell frühzeitige Intensivierung von Diagnostik sowie Therapie angezeigt sein könnte. Hingegen können die erhöhten Pneumonie-Inzidenzen bei Rauchern und Personen mit Herzin-suffizienz gegebenenfalls zusätzlich als Ansatz-punkte für Raucherentwöhnungsmaßnahmen die-nen beziehungsweise die therapeutische Compliance optimieren. Auf RAP-Schätzern basierende Aussa-gen, dass fortgesetztes Rauchen beziehungsweise eine Herzinsuffizienz dazu führen, das Pneumonie-Risiko einer etwa 12,5 beziehungsweise 14,2 Jahre älteren Person aufzuweisen, könnten dabei mögli-

TABELLE 3

Adjustierte*1 relative Risiken (95-%-Konfidenzintervall) für Pneumonie in der prospektiven ESTHER-Studie*2

*1 Die Modelle wurden jeweils adjustiert für alle Variablen, deren relatives Risiko (RR) aufgeführt ist; N = 8 196 (Hauptmodell und Sensitivitätsmodell mit Pneumonien, die durch den Arzt berichtet wurden) bzw. N = 7 450 (volladjustiertes Modell) wegen fehlender Werte in Kovariablen.

*2 Hauptauswertung sowie SensitivitätsmodelleBMI, Body-mass-Index; ESTHER, epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung; ref, Referenzkategorie

Prädiktor

Geschlecht

weiblich

männlich

Alter

pro 10 Jahre

Rauchen

niemals

früher

fortgesetzt

Alkoholkonsum

≤ 10 bzw. 20 g/Tag (♀/♂)

> 10 bzw. 20 g/Tag(♀/♂)

Körpergewicht

BMI < 30 kg/m²

BMI ≥ 30 kg/m²

Diabetes mellitus

nein

ja

Schlaganfall

nein

ja

Herzinsuffizienz

nein

ja

Krebs

nein

ja

Hauptmodell

1 (ref)

1,07 [0,86; 1,33]

p = 0,53

1,43 [1,22; 1,67]

p < 0,0001

1 (ref)

1,01 [0,79; 1,29]

1,56 [1,19; 2,05]

p = 0,0026

1 (ref)

1,29 [0,98; 1,68]

p = 0,065

1 (ref)

1,65 [1,24; 2,20]

p = 0,00057

volladjustiert

1 (ref)

1,06 [0,84; 1,34]

p = 0,61

1,41 [1,19; 1,66]

p < 0,0001

1 (ref)

1,04 [0,80; 1,35]

1,65 [1,24; 2,20]

p = 0,0012

1 (ref)

0,89 [0,68; 1,15]

p = 0,37

1 (ref)

1,01 [0,78; 1,30]

p = 0,94

1 (ref)

1,34 [1,01; 1,78]

p = 0,041

1 (ref)

0,94 [0,50; 1,75]

p = 0,84

1 (ref)

1,61 [1,18; 2,20]

p = 0,0027

1 (ref)

1,22 [0,83; 1,79]

p = 0,32

durch den Arzt berichtet

1 (ref)

1,07 [0,83; 1,37]

p = 0,62

1,60 [1,32; 1,93]

p < 0,0001

1 (ref)

1,04 [0,77; 1,39]

1,57 [1,13; 2,17]

p = 0,017

1 (ref)

1,28 [0,93; 1,75]

p = 0,12

1 (ref)

1,52 [1,08; 2,13]

p = 0,017

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cherweise ein zusätzliches wirkungsvolles Instru-ment sein (18, 22). Insgesamt erlauben die Ergeb-nisse eine allgemeine Risikokommunikation, ins-besondere wenn gleichzeitig mehrere Risikofakto-ren vorliegen. Die Entwicklung eines detaillierten Prognose-Scores hätte den Rahmen der vorliegen-den Arbeit gesprengt.

Die gefundenen Assoziationen erscheinen grundsätzlich biologisch plausibel. Rauchen ist ei-nerseits entscheidender Risikofaktor für strukturel-le Lungenerkrankungen, insbesondere für die chro-nisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), und beeinflusst andererseits das Immunsystem. Dadurch könnte sich die Empfänglichkeit für Pneumonien erhöhen (23). Hinsichtlich der Herzinsuffizienz wird angenommen, dass die stauungsbedingte pul-monale Flüssigkeitsansammlung sowohl mecha -nische Selbstreinigungsmechanismen als auch die physiologische Immunreaktion beeinträchtigt. Dementsprechend entstehen Pneumonien begüns-tigt und heilen erschwert (11, 24). Diabetes ist in der vorliegenden Studie nicht völlig robust mit ei-ner erhöhten Pneumonie-Inzidenz assoziiert, aber gilt als Risikofaktor für Infektionen, einschließlich der Pneumonie. Die epidemiologischen Daten sind allerdings widersprüchlich und die Mechanismen weiterhin nur unvollständig verstanden (25).

Der Zusammenhang von Rauchen und Pneumo-nie ist ausgesprochen konsistent zu früheren Unter-suchungen. Basierend auf großen US-amerikanischen Studien, der Health Professionals Follow-up Study und der Nurses’ Health Study II, wurden für inzi-dente Pneumonien RR von 1,46 bei Männern und von 1,55 bei Frauen berichtet. Teilnehmer mit Vor-erkrankungen wurden aus der Analyse ausgeschlos-sen (26). In einer anderen Studie lag eine Assoziati-on mit Rauchen, das mit einem 1,61-fachen Risiko für eine Pneumonie-Hospitalisierung einherging, vor. Allerdings wurden keine Details zu adjustier-ten Auswertungen beschrieben (12). In derselben Studie zeigte sich ein etwas ausgeprägterer roher Zusammenhang mit Herzinsuffizienz (RR: 2,15). In zwei weiteren Studien, die eine Assoziation von Herzinsuffizienz beziehungsweise -krankheiten mit der Pneumonie-Hospitalisierung oder -Inzidenz (RR: 1,8–1,9) belegten, konnten keine Angaben zum Rauchverhalten untersucht werden (11, 27). In der etwas länger zurückliegenden National Health and Nutrition Examination Survey I-Studie wurden in adjustierten Analysen zweifach höhere Risiken für eine Pneumonie-Hospitalisierung im Falle von Rauchen oder Herzinsuffizienz bei Männern be-schrieben, während bei Frauen das Risiko stattdes-sen bei Diabetes mellitus signifikant anstieg (9). Mor et al. (11) wiesen darauf hin, dass auf der Hos-pitalisierung beruhende Studien verzerrt sein könn-ten, weil die Einweisungswahrscheinlichkeit bei Pneumonie-Patienten mit vorbestehenden Erkran-kungen erhöht ist. Dadurch wurde der Zusammen-hang der jeweiligen Erkrankung mit der Pneumonie

möglicherweise überschätzt. Ob die teils höheren Schätzer in früheren Studien durch diesen Mecha-nismus, durch unterschiedliche Adjustierung, ins-besondere hinsichtlich des Rauchverhaltens, oder eventuell durch Verfahren, die konkurrierende Er-eignisse nicht berücksichtigen, bedingt sind, kann nicht abschließend beurteilt werden.

Ein Alkoholkonsum > 10 g/Tag bei Frauen be-ziehungsweise > 20 g/Tag bei Männer war in der vorliegenden Studie mit einem Trend zu geringeren Pneumonieraten verbunden. Dies steht grundsätz-lich im Widerspruch zu mehreren früheren Studien, die teils sehr ausgeprägte Assoziationen von Alko-holkonsum oder -abusus mit einem erhöhten Pneu-monierisiko zeigten (10, 27). Allerdings sollten die aktuellen Ergebnisse aufgrund der fehlenden statis-tischen Signifikanz nicht überbewertet werden. Ei-nige andere Arbeiten konnten den oben beschriebe-nen Zusammenhang nicht finden (9, 12, 26). Daher lässt sich spekulieren, dass hierbei möglicherweise auch interkulturelle Unterschiede im Trinkverhal-ten eine Rolle spielen könnten.

In der vorliegenden Arbeit lag keine Assoziation mit Adipositas vor. Frühere Ergebnisse sind diesbe-züglich uneinheitlich. Hinweise auf eine ge-schlechtsspezifische Risikoerhöhungen bei Über-gewicht (26) und auch bei sehr niedrigem BMI (9) könnten in Zukunft den Fokus von detaillierten Do-sis-Wirkungs-Analysen bestimmen.

Unter etwas vereinfachenden Annahmen ent-spricht die in der ESTHER-Studie beobachtete 10-Jahres-Inzidenz der Pneumonie einer Inzidenzra-te von 4,6 [4,1; 5,1] pro 1 000 Personen/Jahr. Dieser Wert liegt im unteren Bereich der Ergebnisse einer Untersuchung, in der verschiedene Ansätze, die Pneumonie-Inzidenz in einem urbanen Gebiet in Deutschland zu schätzen, verglichen und Inzidenz-schätzer von 3,7–10,1 pro 1 000/Jahr berechnet wurden (28). Da die aktuelle Auswertung erneute Pneumonie-Erkrankungen nach dem Erstereignis ignorierte, ist die abgeleitete Inzidenzrate eventuell systematisch unterschätzt. Bei Sterbefällen war zu-dem mit der amtlichen Todesursache nur das zum Tode führende Grundleiden verfügbar. Angaben zu Pneumonien, die auf den Todesbescheinigungen ge-gebenenfalls als vorausgegangene Ursache doku-mentiert wurden, gingen somit nicht in die Analyse ein. Dies erklärt vermutlich die vernachlässigbar kleine Zahl beobachteter Todesfälle aufgrund einer Pneumonie, die sicherlich nicht die gesamte pneu-monieassoziierte Mortalität erfasst. Gleichzeitig wurde die Falldefinition einer Pneumonie weit ge-fasst, so dass die Pneumonie-Inzidenz grundsätzlich auch überschätzt worden sein könnte.

Limitationen der durchgeführten Studie müssen berücksichtigt werden, wenn die Ergebnisse inter-pretiert werden. Insbesondere bei den Prädiktoren, die auf Selbstangaben zum Rauchverhalten und Alkoholkonsum basieren, muss mit einer ge -wissen Fehlklassifikation gerechnet werden. Da-

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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 613

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durch könnten die geschätzten Assoziationen ge-schwächt werden. Hinsichtlich der Herzinsuffizienz musste auf eine detaillierte klinische und echokar-diographische Charakterisierung verzichtet werden, die zusätzliche Erkenntnisse hätte erbringen können, in unserem epidemiologischen Studiensetting je-doch nicht realisierbar war. Die primäre Definition des Hauptendpunkts war relativ weich und ließ zu, dass eine ärztliche Bestätigung der Diagnose fehlte. Nach Sensitivitätsanalysen, in denen ausschließlich durch Arztbericht validierte Pneumonien berück-sichtigt wurden, veränderten sich die Ergebnisse al-lerdings nicht relevant. Einschränkend muss er-wähnt werden, dass für die Diagnose einer Pneumo-nie regelhaft ein radiologisches Korrelat verlangt wird. Dieses Kriterium wird im hausärztlichen Set-ting nicht immer erfüllt, so dass die validierten Er-eignisse teils auch Bronchitiden umfassen könnten. Daraus ergibt sich eine gewisse Unschärfe in der Endpunktdefinition der vorliegenden Studie, die aber dennoch die diagnostische Realität abbildet. Die geschätzten Zusammenhänge waren ansonsten plausibel und robust hinsichtlich alternativer Perso-nenzeit-Definitionen. Schließlich stellte die durch-geführte Auswertung mit einem bewusst konservati-ven Ansatz bei der Auswahl betrachteter Risikofak-toren den deskriptiven Aspekt in den Vordergrund. Einige der untersuchten Assoziationen werden in Zukunft detaillierter charakterisiert werden müssen. Inwiefern Untergruppen von Personen mit Diabetes mellitus eine erhöhte Pneumonie-Inzidenz aufwei-sen, könnte demnach beispielsweise geklärt werden, indem Erkrankungsdauer und Therapieerfolg diffe-renziert berücksichtigt werden (29).

Die adäquate Analyse zahlreicher weiterer Be-stimmungsfaktoren, deren Rolle für die Pneumonie in der älteren Bevölkerung von Interesse sein könn-te, hätte den Umfang des Beitrags gesprengt und verdient tiefergehende Betrachtungen in dedizier-ten Arbeiten. Zukünftige Projekte sollten auch den Einfluss der Pneumonie auf die Mortalität untersu-chen, da diese nach einer ambulant erworbenen Pneumonie offenbar substanziell ansteigt (4). In Kombination mit den hier beschriebenen Risikoer-höhungen könnten diesbezügliche Zahlen auch hel-fen, Risikogruppen zur leitliniengerechten Impfung gegen Influenza und Pneumokokken zu motivieren (30).

ResümeeDie vorgestellten Ergebnisse belegen die hohe epi-demiologische Relevanz der Pneumonie und sind als weitestgehend komplementär zu Daten ätiologischer sowie prognostischer Untersuchungen bei pneumo-niebedingter Hospitalisierung (31) anzusehen. Einen praktischen Nutzen können die Ergebnisse dabei nicht nur in der alltäglichen Risikostratifizierung, sondern möglicherweise auch als Instrument, um Therapiecompliance und Impfwilligkeit zu optimie-ren, entfalten.

Danksagung Die Durchführung der ESTHER-Studie wäre ohne die große Geduld und Moti-vation unserer Studienteilnehmer nicht möglich gewesen. Des Weiteren sind wir allen beteiligten niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zu Dank ver-pflichtet, die durch ihre fortwährende Unterstützung einen essenziellen Beitrag zu diesem Forschungsprojekt leisten.

Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten eingereicht: 15. 3. 2016, revidierte Fassung angenommen: 9. 6. 2016

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KERNAUSSAGEN

● Die Pneumonie ist eine häufige Erkrankung, die insbe-sondere in der älteren Bevölkerung langfristige Folge-schäden verursachen kann. Allerdings besteht ein Man-gel an repräsentativen, bevölkerungsbezogenen Längs-schnittuntersuchungen zu Häufigkeit und Risikofaktoren der Pneumonie in Deutschland und auch international.

● In der ESTHER-Studie wurde – mit einer für die ältere Allgemeinbevölkerung des Saarlands repräsentativen Kohorte – eine kumulative 10-Jahres-Inzidenz von 4,5 % [4,0; 4,9] für die Pneumonie beobachtet.

● In multiplen Regressionsmodellen waren höheres Alter, fortgesetztes Rauchen sowie eine bekannte Herzinsuffi-zienz unabhängig mit einem erhöhten Pneumonierisiko assoziiert. Der Zusammenhang von Diabetes mellitus mit dem Pneumonierisiko war weniger eindeutig.

● In der Praxis können die Ergebnisse Hinweise darauf geben, bei welchen Patienten eine erhöhte Wachsam-keit und gegebenenfalls frühzeitige Intensivierung von Diagnostik sowie Therapie angezeigt ist, wenn klinisch ein erster Verdacht auf eine Pneumonie besteht.

● Die Ergebnisse für die Prävention zu nutzen, ist beson-ders relevant. Die beschriebenen Risikoerhöhungen können einerseits zur Raucherentwöhnung motivieren, andererseits die Therapiecompliance und die Bereit-schaft zur leitliniengerechten Influenza- sowie Pneumo-kokken-Impfung bei Personen mit den entsprechenden Vorerkrankungen beziehungsweise Risikoprofilen opti-mieren.

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Anschrift für die Verfasser PD Dr. med. Lutz P. Breitling Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg [email protected]

Zitierweise Breitling LP, Saum KU, Schöttker B, Holleczek B, Herth FJ, Brenner H: Pneumonia in the noninstitutionalized older population—a prospective observational study over 11 years. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 607–14. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0607

@ The English version of this article is available online: www.aerzteblatt-international.de

Zusatzmaterial Mit „e“ gekennzeichnete Literatur: www.aerzteblatt.de/lit3716 oder über QR-Code

eKasten, eTabellen: www.aerzteblatt.de/16m0607 oder über QR-Code

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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 | Zusatzmaterial I

M E D I Z I N

eLITERATUR

e1. Lau B, Cole SR, Gange SJ: Competing risk regression models for epidemiologic data. Am J Epidemiol 2009; 170: 244–56.

e2. Brenner H, Gefeller O, Greenland S: Risk and rate advancement periods as measures of exposure impact on the occurrence of chronic diseases. Epidemiology 1993; 4: 229–36.

Zusatzmaterial zu:

Pneumonien in der nichtinstitutionalisierten älteren Allgemeinbevölkerung Eine prospektive Beobachtungsstudie über elf Jahre

Lutz P. Breitling, Kai-Uwe Saum, Ben Schöttker, Bernd Holleczek, Felix J. Herth, Hermann Brenner

Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 607–14. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0607

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II Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 | Zusatzmaterial

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eKASTEN

Ergänzungen zur statistischen Methodik● ÜberlebenszeitanalysenDie kumulativen Pneumonie-Inzidenzkurven sowie die 10-Jahres-Pneumonie-Inzidenzen wurden stratifiziert nach Teilnehmer-charakteristika berechnet und die rohen Assoziationen mit Gray’s Test untersucht. Dabei wurde jeweils das versterbenbedingte Ausscheiden aus der Studie als konkurrierendes Ereignis berücksichtigt (e1). Nachfolgend wurden alters- und geschlechtsad-justierte Assoziationen mit der Pneumonie-Inzidenz anhand von Fine-Gray-Regressionsmodellen untersucht. Die Regressions-methode nach Fine und Gray wird speziell für Überlebenszeitanalysen unter Berücksichtigung von konkurrierenden Ereignis-sen angewendet (e1). Zusätzlich wurden herkömmliche Cox-Modelle berechnet.

Bei den in den Hauptergebnissen vorgestellten relativen Risiken (RR) handelt es sich grundsätzlich um die Schätzer aus den Fine-Gray-Modellen („subdistribution relative hazard“ [sdRH], nach Lau et al. [e1]).

Das konkurrierende Ereignis wird in den Ergebnissen mitunter vereinfachend Mortalität genannt. Diese Bezeichnung für das versterbenbedingte Ausscheiden aus der Studie ist aufgrund der Überlebenszeitdefinitionen nicht präzise, erschien aus Gründen der Lesbarkeit jedoch angebracht.

● „Rate advancement periods“Die „rate advancement periods“ (RAP) und die korrespondierenden 95-%-Konfidenzintervalle wurden durch die allgemeinen RAP-Gleichungen (e2) auf die Regressionskoeffizienten und die Kovarianzmatrix des adjustierten Fine-Gray-Regressionsmodells berechnet.

● ÜberlebenszeitdefinitionenDie Personenzeiten für die Überlebenszeitanalysen wurden wie folgt definiert:

– Zeit von Studieneinschluss bis zur ersten – durch Teilnehmer oder Arzt berichteten – Pneumonie (Hauptendpunkt)– Zeit von Studieneinschluss bis zum letzten eingegangenen Teilnehmer- oder Arzt-Fragebogen vor dem Versterben (Ne-

benendpunkt; die Beobachtungszeit endete mit dem letzten Fragebogen, da zwischen diesem Fragebogen und dem spä-teren Versterben eine Pneumonie nicht hätte detektiert werden können) oder

– Zeit von Studieneinschluss bis zum letzten eingegangenen Teilnehmer- oder Arzt-Fragebogen ohne nachfolgendes Ver-sterben (reguläre Zensierung aufgrund der begrenzten Nachbeobachtungsdauer).

Ergänzungen zu den Ergebnissen● Ergebnisse von Cox-Modellen der Pneumonie-InzidenzDie in Fine-Gray-Modellen geschätzten relativen Risiken (sdRH) waren gegenüber den Schätzern aus herkömmlichen Cox-Modellen, sogenannten „cause-specific relative hazards“ (csRH), mäßig reduziert (eTabellen 1 und 2). Dies entsprach der Er-wartung bei positiver Assoziation eines Prädiktors gleichzeitig mit den Haupt- und den konkurrierenden Ereignissen (e1). Die Residuen der Cox-Modelle legten eine leichte Verletzung der Hazard-Proportionalität für die Assoziation von Herzinsuffi-zienz mit Pneumonie sowie von Alter mit dem konkurrierenden Ereignis nahe – jeweils mit einer Tendenz zu stärkeren Asso-ziationen mit zunehmender Beobachtungsdauer.

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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 | Zusatzmaterial III

M E D I Z I N

eTABELLE 1

Alters- und geschlechtsadjustierte relative Risiken (95-%-Konfidenzintervall) für Pneumonie und Mortalität in der prospektiven ESTHER-Studie*1

*1 Vergleich der Ergebnisse aus Cox-Regression (csRH) und Fine-Gray-Modellen (sdRH)BMI, Body-mass-Index; ref, Referenzkategorie; ESTHER, epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chroni-scher Erkrankungen in der älteren Bevölkerung; csRH, „cause-specific relative hazard“; sdRH, „subdistribution relative hazard“ (Nomenklatur nach Lau et al.) (e1)

Prädiktor

Geschlecht

weiblich

männlich

Alter

pro 10 Jahre

Rauchen

niemals

früher

fortgesetzt

Alkoholkonsum

≤ 10 bzw. 20 g/Tag (♀/♂)

> 10 bzw. 20 g/Tag (♀/♂)

Körpergewicht

BMI < 30 kg/m²

BMI ≥ 30 kg/m²

Diabetes mellitus

nein

ja

Schlaganfall

nein

ja

Herzinsuffizienz

nein

ja

Krebs

nein

ja

Cox-Regression

csRH (Pneumonie)

1 (ref)

1,10 [0,91; 1,33]

p = 0,32

1,59 [1,37; 1,85]

p < 0,0001

1 (ref)

1,04 [0,82; 1,32]

1,72 [1,32; 2,23]

p = 0,00011

1 (ref)

0,80 [0,62; 1,02]

p = 0,076

1 (ref)

1,05 [0,84; 1,30]

p = 0,68

1 (ref)

1,42 [1,12; 1,81]

p = 0,0035

1 (ref)

1,47 [0,91; 2,36]

p = 0,11

1 (ref)

1,80 [1,36; 2,37]

p < 0,0001

1 (ref)

1,12 [0,78; 1,62]

p = 0,55

csRH (Mortalität)

1 (ref)

1,72 [1,54; 1,93]

p < 0,0001

2,70 [2,46; 2,97]

p < 0,0001

1 (ref)

1,46 [1,27; 1,68]

2,70 [2,31; 3,15]

p < 0,0001

1 (ref)

0,75 [0,65; 0,87]

p = 0,00022

1 (ref)

1,38 [1,22; 1,56]

p < 0,0001

1 (ref)

1,89 [1,66; 2,14]

p < 0,0001

1 (ref)

2,32 [1,87; 2,87]

p < 0,0001

1 (ref)

1,76 [1,50; 2,06]

p < 0,0001

1 (ref)

1,63 [1,36; 1,96]

p < 0,0001

Fine-Gray-Regression

sdRH (Pneumonie)

1 (ref)

1,05 [0,87; 1,27]

p = 0,59

1,46 [1,26; 1,69]

p < 0,0001

1 (ref)

1,01 [0,80; 1,27]

1,55 [1,20; 1,99]

p = 0,0014

1 (ref)

0,82 [0,64; 1,05]

p = 0,11

1 (ref)

1,01 [0,82; 1,26]

p = 0,90

1 (ref)

1,32 [1,04; 1,67]

p = 0,022

1 (ref)

1,26 [0,78; 2,03]

p = 0,35

1 (ref)

1,68 [1,28; 2,21]

p = 0,00021

1 (ref)

1,06 [0,73; 1,53]

p = 0,76

sdRH (Mortalität)

1 (ref)

1,71 [1,53; 1,91]

p < 0,0001

2,65 [2,40; 2,92]

p < 0,0001

1 (ref)

1,45 [1,26; 1,67]

2,64 [2,26; 3,08]

p < 0,0001

1 (ref)

0,76 [0,66; 0,89]

p = 0,00048

1 (ref)

1,37 [1,21; 1,55]

p < 0,0001

1 (ref)

1,84 [1,62; 2,10]

p < 0,0001

1 (ref)

2,25 [1,82; 2,78]

p < 0,0001

1 (ref)

1,73 [1,48; 2,02]

p < 0,0001

1 (ref)

1,61 [1,34; 1,94]

p < 0,0001

Page 12: ORIGINALARBEIT Pneumonien in der ... fileBreitling LP, Saum KU, Schöttker B, Holleczek B, Herth FJ, Brenner H: Pne umonia in the noninstitutionalized older population—a prospective

IV Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016 | Zusatzmaterial

M E D I Z I N

eTABELLE 2

Adjustierte relative Risiken*1 für Pneumonie in der prospektiven ESTHER-Studie

*1 Vergleich der Ergebnisse aus Cox-Regression (csRH) und Fine-Gray-Modellen (sdRH); beide Modelle ad-justiert für alle Variablen in der Tabelle; N = 8 196 wegen fehlender Werte

ESTHER, epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung; csRH, „cause-specific relative hazard“ aus der Cox-Regression; sdRH, „subdistribution relative hazard“ aus der Fine-Gray-Regression; KI, Konfidenzintervall

Prädiktor

Geschlecht

weiblich

männlich

Alter

pro 10 Jahre

Rauchen

niemals

früher

fortgesetzt

Diabetes mellitus

nein

ja

Herzinsuffizienz

nein

ja

csRH (95-%-KI)

1 (ref)

1,11 [0,89; 1,38]

p = 0,36

1,56 [1,32; 1,84]

p < 0,0001

1 (ref)

1,04 [0,81; 1,34]

1,71 [1,30; 2,26]

p = 0,00030

1 (ref)

1,37 [1,05; 1,78]

p = 0,019

1 (ref)

1,76 [1,32; 2,33]

p < 0,0001

sdRH (95-%-KI)

1 (ref)

1,07 [0,86; 1,33]

p = 0,53

1,43 [1,22; 1,67]

p < 0,0001

1 (ref)

1,01 [0,79; 1,29]

1,56 [1,19; 2,05]

p = 0,0026

1 (ref)

1,29 [0,98; 1,68]

p = 0,065

1 (ref)

1,65 [1,24; 2,20]

p = 0,00057