Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU...

63
1 Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen des Kauorgans Peter Ludwig Ulm

Transcript of Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU...

Page 1: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

1

Ortho-, Pathofunktion und Therapie

funktioneller Störungen des

Kauorgans Peter Ludwig

Ulm

Page 2: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

2

Diese Darstellung der Ortho-, Pathofunktion und Therapie von Funk-tionsstörungen des Kauorgans verfolgt die Zielsetzung, die aus meiner Sicht wesentlichen Grundlagen dieses Fachgebietes sowohl für den Studierenden wie den niedergelassenen Kollegen in Form eines Kompendiums zusamenzufassen. Es soll kurz gefasste, prägnante Informationen für das theoretische Grundlagenwissen und für den darauf basierenden praktisch-klinischen funktionstherapeutischen Alltag bieten. Die Gliederung des Buches folgt im Wesentlichen den klinischen Arbeitsabläufen. Die Basis eines jeden therapeutischen Eingriffs ist eine ausrei-chende Befunderhebung und Diagnostik. Aus den Befunden und Diagnosen leiten sich die Entscheidungskriterien für die Behandlungsplanung und die Behandlungsmaßnahmen ab. Sowohl für Maßnahmen der Funktionsprohylaxe, als auch für Maß-nahmen, die der Behandlung von Funktionsstörungen dienen, sind neben den speziellen theoretischen Grundlagen, wie den funktionellen, bio-mechanischen und biophysikalischen Gegebenheiten, auch die Ziel-setzungen, Indikationen, Voraussetzungen und Hinweise für die Durch-führung der klinischen und technischen Arbeitsabläufe aufgeführt. Ich hoffe, dass es gelungen ist, das Fachgebiet der Funktionslehre ausgewogen darzustellen und die Gliederung bzw. Strukturierung des Stoffes so zu gestalten, dass die beabsichtigte Hilfestellung durch ein schnelles Auffinden der gesuchten Informationen sowohl für Stu-dierende wie für die Kollegenschaft in der gewünschten Form gegeben ist. Peter Ludwig Ulm 2016

Vorwort

Page 3: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

3

VORWORT ................................................................................................................................................................. 2INHALTSVERZEICHNIS ............................................................................................................................................... 3ABÜRZUNGSVERZEICHNIS ......................................................................................................................................... 6GRUNDLAGEN ........................................................................................................................................................... 7Orthofunktion Kauorgan ....................................................................................................................................... 7

Kauorgan ............................................................................................................................................................... 7Kiefergelenke ........................................................................................................................................................ 7Kieferrelation ........................................................................................................................................................ 8Habituelle Kieferrelation - IKP ............................................................................................................................ 8Zentrale/retrale Kieferrelation - RKP ................................................................................................................... 8Ruheschwebehaltung - IOA .................................................................................................................................. 9Okklusion ............................................................................................................................................................ 10Habituelle Okklusion – IKP ................................................................................................................................ 10Retrale (zentrale) Okklusion - RKP .................................................................................................................... 10Voraussetzungen für eine ideale Okklusion ....................................................................................................... 11Zielsetzung statische Okklusion ......................................................................................................................... 11Zielsetzung dynamische Okklusion .................................................................................................................... 11Leerfunktionen Kauorgan ................................................................................................................................... 12Lastfunktionen Kauorgan ................................................................................................................................... 13

GRUNDLAGEN ......................................................................................................................................................... 18Pathofunktion Kauorgan ..................................................................................................................................... 18

Physiologische Lastfunktion ............................................................................................................................... 18Pathologische Lastfunktion ................................................................................................................................ 18Parafunktionen des Kauorgans ........................................................................................................................... 18Dysfunktionen des Kauorgans ............................................................................................................................ 19

URSACHEN FUNKTIONSSTÖRUNG ............................................................................................................................ 20Vorbemerkung .................................................................................................................................................... 20Arten der Funktionsstörung ................................................................................................................................ 20Ursachen der Funktionsstörung peripher ............................................................................................................ 20Regelkreise peripher induzierter Funktionsstörungen ........................................................................................ 21Periphere Trigger – extraoral .............................................................................................................................. 22Periphere Trigger – oral ...................................................................................................................................... 22Periphere Trigger - okklusal ............................................................................................................................... 22Ursachen der Funktionsstörug zentral ................................................................................................................ 24Zentrale Trigger .................................................................................................................................................. 24

Inhaltsverzeichnis

Page 4: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

4

THERAPEUTISCH RELEVANTE FUNKTIONELLE BEFUNDE EXTRAORAL ..................................................................... 25Funktionelle Befunde ........................................................................................................................................... 25

Muskulatur .......................................................................................................................................................... 25Korrelation Symptome Myopathien – Störungen der Okklusion/Kieferrelation horizontal .............................. 25Kiefergelenke ...................................................................................................................................................... 26Korrelation Symptome Arthropathien – Störungen der Okklusion/Kieferrelation horizontal ...................... 26Kieferrelation vertikal ......................................................................................................................................... 28Korrelation Symptome Arthropathien – Störungen der Okklusion/Kieferrelation vertikal ............................... 29

THERAPEUTISCH RELEVANTE FUNKTIONELLE BEFUNDE INTRAORAL ...................................................................... 30Kieferrelation ...................................................................................................................................................... 30Okklusion ............................................................................................................................................................ 30Parodont .............................................................................................................................................................. 31Zähne .................................................................................................................................................................. 31Begleitsymptome ................................................................................................................................................ 31

KLINISCHE UNTERSUCHUNG EXTRAORAL ............................................................................................................... 33Anamnese ........................................................................................................................................................... 33Klinischer Funktionsstatus extraoral .................................................................................................................. 33Allgemeine Befunde extraoral ............................................................................................................................ 33Funktionsbefunde extraoral ................................................................................................................................ 33

KLINISCHE UNTERSUCHUNG INTRAORAL ................................................................................................................ 34Klinischer Funktionsstatus intraraoral ................................................................................................................ 34Allgemeine Befunde intraoral ............................................................................................................................. 34Funktionsbefunde intraoral ................................................................................................................................. 34Röntgenbefund Kiefergelenke ............................................................................................................................ 35Befundbogen zur klinischen Funktionsanalyse .................................................................................................. 36

ZIELSETZUNG FUNKTIONSTHERAPIE ....................................................................................................................... 37Funktionelle Therapie Funktionstherapie ......................................................................................................... 37

Vorbemerkung .................................................................................................................................................... 37Befundbezogene Behandlungsmassnahmen allgemein ...................................................................................... 37Therapieansätze .................................................................................................................................................. 37

BEFUNDBEZOGENE BEHANDLUNGSMAßNAHMEN UK IN VKP ................................................................................ 39Leitsymptom: Unterkiefer nach ventral (lateral) verlagert, vertikale Kieferrelation intakt ............................... 39

BEFUNDBEZOGENE BEHANDLUNGSMAßNAHMEN UK IN RKP ................................................................................ 41Leitsymptome: Unterkiefer nach retral (lateral) verlagert, vertikale Kieferrelation intakt oder fehlerhaft, Gelenkschaden reversibel .................................................................................................................. 41

Page 5: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

5

BEFUNDBEZOGENE BEHANDLUNGSMAßNAHMEN UK IN RKP - SPÄTSCHADEN ...................................................... 44Leitsymptome: Unterkiefer retral (lateral) verlagert, vertikale Kieferrelation fehlerhaft, Gelenkschaden irreversibel ................................................................................................................................. 44

FRONTALE AUFBISSBEHELFE .................................................................................................................................. 47Vorbemerkung .................................................................................................................................................... 47Formen der frontalen Aufbissbehelfe ................................................................................................................. 47Sonderformen der frontalen Aufbissbehelfe ....................................................................................................... 49

ZIRKULÄRE AUFBISSBEHELFE ................................................................................................................................. 50Vorbemerkung .................................................................................................................................................... 50Formen der zirkulären Aufbissbehelfe I ............................................................................................................. 50Formen der zirkulären Aufbissbehelfe II ............................................................................................................ 52Formen der zirkulären Aufbissbehelfe III .......................................................................................................... 52

SONDERFORMEN AUFBISSBEHELFE ......................................................................................................................... 55Sonderformen der (zirkulären) Aufbissbehelfe I ................................................................................................ 55Sonderformen der (zirkulären) Aufbissbehelfe II ............................................................................................... 56

ARTIKULATORJUSTIERUNG ..................................................................................................................................... 57Allgemeines ........................................................................................................................................................ 57Methoden ............................................................................................................................................................ 57Anmerkung individuelle Gelenkbahnneigung .................................................................................................... 59Anmerkung individuelle Modellmontage ........................................................................................................... 60

STICHWORTVERZEICHNIS ........................................................................................................................................ 61

Page 6: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

6

CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP ZE

Craniomandibuläre Dysfunktion Computertomographie Differenz funktionell Frontzahnreihe Interokklusalabstand Hals-Nasen-Ohren Heilkunde Kraftarm Kauebene Kieferorthopädie Kiefergelenk Kondylenpol Lastarm Mundfilm Magnetresonanztomographie Mundöffnung Newton Nervenaustrittspunkt Orthopantomogramm Rapid Eye Movements retrale Kontaktposition Schneidekantendistanz Seitenzahnreihe Trigeminusaustrittspunkte Ventrale Kontaktposition Zahnersatz

Literatur: „Funktionelle Kiefergelenkbelastung und Unterkieferdeformation“, Med Habil P. Ludwig, Erlangen 1976 „Die Kraftentwicklung der Kaumuskulatur und ihre sensorische Steuerung“, P. Ludwig, Dtsch. Zahnärztl. Z. 30, 797 (1975) „Untersuchungen zur Unterkieferverlagerung bei isometrischer Kontraktion der Kaumuskulatur“, P. Ludwig, Dtsch. Zahnärztl. Z. 28, 901 (1973) Lehrbuch der Zahnärztlichen Prothetik, Reihe Checkliste Zahnmedizin, P. Ludwig, W. Niedermeier, Thieme Verlag Stuttgart 2002.

Abürzungsverzeichnis

Page 7: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

7

Kauorgan Ø Das Kauorgan besteht aus dem Oberkiefer, dem Unterkiefer, der Kau-muskulatur, der mimischen Muskulatur, der suprahyalen Muskulatur, den Alveolarfortsätzen, den Zähnen mit ihren Parodontien, den Schleimhäuten und den Speicheldrüsen, sowie der neuralen und vas-culären Versorgung dieser Strukturen.

– Der Unterkiefer ist über die Kiefergelenke, die Kaumuskulatur und verschiedene Bänder mit dem Schädel beweglich verbunden.

– Die Bänder dienen der mechanischen Fixierung des Unterkiefers an der Schädelbasis und der Begrenzung der maximalen Unterkieferex-kursionen. • Lig. capsulare, Lig. laterale, Lig. stylomandibulare und Lig. Sphenomandibulare.

– Die über den motorischen Anteil des N. trigeminus aktivierte Kaumuskulatur bewirkt alle aktiven, freien und okklusal geführten Unterkieferbewegungen. • M. masseter, M. pterygoideus lateralis, M. pterygoideus media-lis, M. temporalis, M. digastricus.

Kiefergelenke Ø Die Kiefergelenke ermöglichen im Zusammenspiel mit der Kaumusku-latur die räumlichen Bewegungen des Unterkiefers und werden durch den Discus articularis und seine Anheftungen am Kondylus und der Gelenkkapsel in eine obere und eine untere Gelenkkammer geteilt (Abb.1a).

– Sie verfügen über 3 rotatorische und 3 translatorische Frei-heitsgrade, wobei der Unterkiefer entlang einer sagittalen, ver-tikalen und transversalen Kondylenachse dreidimensionale Dreh- und Gleit-Bewegungen ausführen kann (Abb.1b).

– Jede normale Unterkieferbewegung ist aus solchen rotatorischen und translatorischen Bewegungskomponenten zusammengesetzt, wobei die Rotationsbewegungen stets über die untere Gelenkkammer, die Translationsbewegungen über die obere Gelenkkammer ablaufen.

– Die Kiefergelenke und die Bänder erlauben dem Unterkiefer in Be-zug auf die Inzisalpunkte des Ober- und Unterkiefers eine durch-schnittliche maximale Öffnungsweite von ca. 45mm und eine maxi-male Protrusions- bzw. Laterotrusions-Bewegung von ca. 6-8 mm.

– Grenzbewegungsdiagramm nach Posselt (Abb.1c).

Grundlagen O

rthof

unkt

ion

Kau

orga

n

Page 8: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

8

Abb. 1: Aufbau und Funktion der Kiefergelenke

a Anatomie der Kiefergelenke: Discus articularis (1), M. pterygoideus lateralis (2), bilaminäre Zone (3). Unmittelbarer Übergang von hochelastischem Discusgewebe in das lockere Bindegewebe der bilaminären Zone mit Gefahr der Ventralverlagerung des Discus bei mechanischer Gelenkkompression (↑).

b Rotations- und Translationsachsen der Kiefergelenke. c Originalregistrat eines Grenzbewegungsdiagramms des Unterkiefers nach Posselt: habi- tuelle Kontaktposition = Interkuspidationsposition → IKP (1), retrale = zentrale Kontakt-position → RKP (2), retrale rotatorische Öffnungskomponente (2-3), translatorische Öffnungskomponente (3-4), ventrale rotatorische Schließbewegung (4-6), Inzisalkanten-übergang (5), ventrale bzw. laterale Kontaktposition → VKP (6), freie Öffnungs- und Schließbewegungen (1-4).

Kieferrelation Ø Der Begriff der Kieferrelation bezeichnet jede räumliche Lagebe-ziehung des Unterkiefers zum Oberkiefer. – Die Kieferrelation ist vertikal und horizontal nur in der Schlussbissposition durch die maximale Interkuspidation der antagonistischen Zahnreihen definiert.

Habituelle Kieferrelation - IKP Ø Die IKP bezeichnet eine physiologische, fakultativ aber auch pathologische, durch die maximale Interkuspidation der anta-gonistischen Zahnreihen definierte räumliche Lagebeziehung des Unterkiefers zum Oberkiefer. – Sie wird durch aktiven, muskulär geführten Kieferschluss aus der Ruheschwebehaltung ohne okklusale Abgleitbewegungen bzw. Schub-effekte bei zirkulärem Zahnkontakt eingenommen.

Zentrale/retrale Kieferrelation - RKP Ø Die RKP bezeichnet eine dorso-craniale, durch die Morphologie und den Bandapparat der Kiefergelenke definierte Grenzposition des Unterkiefers. – Sie wird durch passiven, manuell zwanglos retral geführten Kie-ferschluss aus der Ruheschwebehaltung mit/ohne okklusale Ab- gleitbewegungen bzw. Schubeffekte bei Zahnkontakt eingenommen.

– Die physiologische metrische Differenz zwischen IKP und RKP be-trägt 0-0,5 mm.

Page 9: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

9

– Größere metrische Differenzen zwischen IKP und RKP werden in der Regel durch eine von Primärkontakten im Seitenzahnbereich bedingte Ventralverlagerung des Unterkiefers bzw. der Kieferge-lenke verursacht (Abb.2).

– Ist die IKP identisch mit der RKP, so liegen in der Regel Primärkontakte im Frontzahnbereich infolge von Bisssenkungen im Seitenzahnbereich mit Retral- und/oder Kranialverlagerung des Unterkiefers bzw. der Kiefergelenke vor.

– Die zwanglose RKP wird klinisch-diagnostisch zur Ermittlung von Primärkontakten im Seitenzahnbereich bei uni- oder bilate-ralen Ventralverlagerungen des Unterkiefers genutzt.

– Sie wird außerdem klinisch-therapeutisch als Ausgangslage zur Auffindung bzw. Wiederherstellung einer physiologischen IKP genutzt, wobei jedoch immer ein geringfügiger, frontal freier Artikulationsspielraum von maximal 0,5mm beachtet werden sollte.

Abb. 2: Habituelle Kieferrelation

Metrische Differenzen zwischen habitueller und retraler Kontaktposition des Unter-kiefers bei vollbezahnten Probanden. Streubereiche der Ventralverlagerung des Unterkiefers als Folge okklusaler Interfe-renzen mit ventralen Schubkomponenten.

Ruheschwebehaltung - IOA Ø Die Ruheschwebehaltung des Unterkiefers bezeichnet eine neuromus-kulär, durch die Kiefergelenke und den Ruhetonus der Kaumusku-latur, der mimischen, sowie der supra- und infrahyalen Muskulatur bei passiv-zwanglosem Lippenschluss definierte Unterkieferposi-tion, deren vertikaler räumlicher Abstand zur Schlussbissposition als Interokklusalabstand (IOA) definiert ist. – Die Größe des Interokklusalabstandes ist abhängig vom Erre-gungszustand der Muskulatur, der Körperhaltung, dem Bisstyp, von allgemeinen Stressbelastungen, dem Abrasionsgrad bzw. der Abra-sionsart der Zähne, dem Lebensalter und zahnärztlichen Manipu-lationen wie prothetisch induzierten Bisssenkungen oder Biss-hebungen.

– Der physiologische Interokklusalabstand beträgt durchschnittlich ca. 2-3 mm und kann, neben dem kleinsten Sprechabstand der Frontzähne, klinisch-diagnostisch zur Beurteilung der verti-kalen Kieferrelation und klinisch-therapeutisch als Ausgangs-lage zur Auffindung bzw. Wiederherstellung einer physiologischen vertikalen Kieferrelation genutzt werden.

Page 10: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

10

Okklusion Ø Der Begriff der Okklusion bezeichnet alle statischen und dynami-schen Berühr- und Gleitkontakte zwischen den antagonistischen Zähnen: – statische Okklusion, – dynamische Okklusion.

Habituelle Okklusion – IKP Ø Die IKP bezeichnet vorwiegend physiologische, fakultativ auch pathologische statische Zahnkontakte bei maximaler Interkus-pidation der Zähne in der Schlussbissposition. – Sie wird durch zwanglosen, reflektorisch-aktiven Kieferschluss aus der Ruheschwebehaltung ohne okklusale Abgleitbewegungen bzw. Schubeffekte bei zirkulärem Zahnkontakt eingenommen.

– Sie ist in der Regel mit einer gleitenden Okklusion verbunden: • Höckerspitzen-Fossa-Kontakte im Seitenzahnbereich ohne unmit-telbare Schlussbisskontakte in der Front (Abb.3b),

• mittelbare Frontzahnführung oder anteriore Gruppenführung mit reduzierter Disklusion im Seitenzahnbereich.

• IKP ≠ RKP. Typ: Natürliche Gebrauchsokklusion

Retrale (zentrale) Okklusion - RKP Ø Die RKP bezeichnet vorwiegend pathologische statische Zahn-kontakte bei maximaler Interkuspidation in Schlussbissposition. – Sie wird definitionsgemäß durch passiv manuell, zwanglos retral geführten Kieferschluss aus der Ruheschwebehaltung ohne okklu-sale Abgleitbewegungen bzw. Schubeffekte bei zirkulärem Zahn-kontatkt eingenommen.

– Sie ist definitionsgemäß immer mit einer punktgenauen Okklusion verbunden: • tripodisierte Höcker-Fossa-Kontakte im Seitenzahnbereich mit unmittelbaren Schlussbisskontakten in der Front (Abb.3a),

• unmittelbare Frontzahnführung mit unmittelbarer Disklusion im Seitenzahnbereich.

• IKP = RKP, • Typ: Theoretische Idealokklusion.

Abb. 3: Formen der Okklusion

a Punktgenaue Okklusion mit tripodisierter Kontaktpunktverteilung und unmittelbarer Frontzahnführung. b Gleitende Okklusion mit Höckerspitzen-Fossa-Kontakten und mittelbarer Frontzahn-führung.

Page 11: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

11

Voraussetzungen für eine ideale Okklusion – Vollständige Zahnbögen, – ein ausreichender Interokklusalabstand von 2mm, – eine schubfreie Einnahme der Schlussbisspostion bzw. habituellen statischen Okklusion aus der Ruheschwebehaltung bei • unmittelbarem, gleichmäßigem und gleichzeitigem Kontakt aller Seitenzähne und

• mittelbarem Kontakt oder geringfügiger Nonokklusion der Front-zähne,

– eine frontzahn- oder anterior gruppengeführte, für das reflekto-risch gesteuerte Bewegungsspektrum der Kaumuskulatur gleithin-dernisfreie dynamische Okklusion im Front- und Seitenzahnbereich bei Leer- und Lastbewegungen des Unterkiefers.

– Okklusionstyp: gleitende Okklusion: Long-Wide Centric. – Diese Art der Okklusion ist stets mit den geringsten funktionellen Risiken behaftet.

Zielsetzung statische Okklusion – Unterkiefer in IKP mit Interokklusalabstand von ca. 2-3mm. – Höckerspitzen-Fossa-Kontakte im Seitenzahnbereich mit mindestens 3 Kontaktpunkten pro Okklusalfläche zur Lagestabilisierung der einzelnen Zähne in sagittaler und transversaler Richtung.

– Keine unmittelbaren Frontkontakte in der Schlussbissposition. – Besser: frontal freier Artikulationsspielraum von ca. 0,5mm zur sicheren Vermeidung einer pathologischen Unterkieferfixierung in der RKP.

Zielsetzung dynamische Okklusion – Mittelbare Frontzahnführung über die konkaven Oralflächen der Oberkieferfrontzähne.

– Begleitende initiale Arbeits- und Balancekontakte im Seitenzahn-bereich: • Beachtung einer reduzierten, begleitenden artikulären Höcker-führung der Seitenzähne im Nahbereich der Schlussbissposition zur Vermeidung von transversalen Fehlbelastungen der Kiefer-gelenke bei parafunktionellen Aktivitäten wie Knirschbewe-gungen.

– Vermeidung von Gleithindernissen = Arbeitskontakten im Front-zahnbereich: • Beachtung bzw. Korrektur falsch konturierter Oberkiefer- und Unterkiefer-Frontzahnkronen zur Aufrechterhaltung eines aus-reichenden myofunktionellen frontalen Bewegungsfreiraums des Unterkiefers.

• Die Frontzahnführung darf daher grundsätzlich nicht virtuell freihändig nach rein disklusiven Gesichts-punkten gestaltet werden.

• Sie sollte entweder von der natürlichen Zahnsituation oder durch ein Langzeitprovisorium nach mehrfacher Korrektur von oralen Glanzstellen über ein Situationsmodell auf einen indi-viduell gestalteten Frontzahnführungteller in den Artikulator übertragen werden.

– Vermeidung von Gleithindernissen bzw. Hyperarbeits- und Hyper-balancekontakten = Arbeitskontakten im Seitenzahnbereich: • Beachtung/Korrektur von dominanten artikulären Höckerführungs-effekten im Seitenzahnbereich und ggf. damit korrespon-dierenden Schlifffacetten im diagonal gegenüberliegenden Höckerspitzen- bzw. Inzisalkantenbereich als Hinweis auf okklusale Interferenzen und parafunktionelle Aktivitäten → Thielemann-Diagonalgesetz.

Page 12: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

12

• Hyperarbeits- und Hyperbalancekontakte werden klinisch stets durch Knirschbewegungen dargestellt und solange abgetragen, bis nur noch schwache bzw. begleitende Folienmarkierungen er-kennbar sind.

a Hinweis: Hyperarbeits- und Hyperbalancekontakte in Gestalt dominierender Führungskontakte im Seitenzahnbereich beeinträchtigen oder verhin-dern eine störungsfreie Fronzahnführung.

Abb. 4: Dynamische Gleithindernisse im Front- und Seitenzahnbereich

a Falsche Konturierung der oralen Konkavität der oberen Schneidezähne. Oralfläche zu steil oder zu voluminös. b Falsche Konturierung der zentralen Höckerabhänge. Höckerabhänge zu steil oder zu konvex.

Leerfunktionen Kauorgan Ø Die physiologischen Leerfunktionen des Kauorgans beinhalten Bewe-gungsabläufe wie Sprache, Mimik, Schlucken und regulatorische Kon-trollbewegungen: – Zeitlich begrenzte, kraftfreie bzw. kraftarme Aktivitäten der Kaumuskulatur mit dynamischen, reflektorisch gesteuerten, vor-wiegend isotonen muskulären Aktionen.

– Sporadische statische und dynamische Zahnkontakte über eine Ge-samtdauer von 15-30 min./Tag.

– Die Bewegungsführung des Unterkiefers erfolgt durch die Kiefer-gelenke in vorwiegend kurvilinearen Bewegungsbahnen (Abb.5a).

– Die Winkeldifferenz zwischen einer Protrusions- und einer La-terotrusionsbewegung in der horizontalen Projektion ergibt den Bennett-Winkel.

– Die Winkeldifferenz zwischen einer Protrusions- und einer Laterotrusionsbewegung in der vertikalen Projektion ergibt den Fischer-Winkel.

Page 13: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

13

Abb. 5: Leer- und Lastfunktionen der Kiefergelenke

a Kurvilineare Kondylenbahnen bei Protrusionsbewegungen (1) und Laterotru-sionsbewegungen (2) des Unterkiefers bei solitären Leerbewegungen in horizon-taler und vertikaler Projektion mit Bennett- und Fischerwinkel. b Translatorische Bewegungsfelder der Kiefergelenke bei Lastbewegungen des Unterkiefers über einen Kauzyklus in horizontaler und vertikaler Projektion. c Kurvilineare Kondylenbahnen bei Protrusionsbewegungen und Mundöffnungs-bewegungen. Der Verlauf von Protrusionsbewegungen (2) und Öffnungsbewe-gungen (1) ist nur im Bereich des Kondylenzentrums identisch.

Lastfunktionen Kauorgan Ø Die physiologischen Lastfunktionen des Kauorgans beinhalten Bewe-gungsabläufe wie das Kauen und sporadische Parafunktionen wie das Knirschen und Pressen: – Zeitlich begrenzte, kraftvolle Aktivitäten der Kaumuskulatur mit dynamischen, reflektorisch gesteuerten, vorwiegend isotonen muskulären Aktionen.

– Die Bewegungsführung des Unterkiefers erfolgt neuromuskulär und ist beim Kauvorgang mit unterschiedlichen, in sagittaler Rich-tung vorwiegend spitzwinklig und in transversaler Richtung vor-wiegend flachwinklig einlaufenden Kauschleifenformen korre-liert, wobei die Kiefergelenke den Unterkieferbewegungen passiv folgen und translatorische Bewegungsfelder beschreiben. (Abb.5b,6a,b).

– Die Unterkieferspange wird beim Kauen horizontal und vertikal um 0,1-0,2mm deformiert, wobei die belasteten Zähne als Hypomo-chlien wirken (Abb 6c).

– Der Drehpunkt des Unterkiefers liegt dabei stets im okklusalen Lastort bzw. dem Speisebolus und setzt die Kiefergelenkführung außer Funktion (Abb.8a,b).

– Die Richtung und Größe der durch die Kaumuskulatur ausgelösten Drehmomente sind dabei vom Ort der Belastung abhängig. (Abb.8c-e).

– Der aus den Drehmomenten resultierende Kraftvektor im Gelenkbe-reich zeigt stets einen Winkel von ca. 35° zur Kauebene (Abb.9). Dies bedeutet, dass die Kiefergelenke bei Lastfunktion keinen nennenswerten mechanischen Belastungen ausgesetzt sind.

– Die Kondylen folgen damit passiv und lastfrei einem neuromus-kulär induzierten Bewegungsfeld (Abb.5b).

2

1

1

2

a b c2

1

Page 14: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

14

Abb 6 Lastfunktionen des Unterkiefers

a Originalregistrat von Kauschleifen eines Kauzyklus in horizontaler, sagittaler und frontaler Projektion. Je härter oder hartelastischer das Kaugut, umso flacher sind die schlussbiss-nahen Rücklaufbahnen. b Formen und Häufigkeit von Kauschleifen in frontaler Projektion. c Funktionelle Unterkieferdeformation bei bilateraler Belastung in regio 33/43, 36/46 und uni-lateraler Belastung in regio 46.

Abb 7: Lastfunktionen des Unterkiefers

a Verlaufsrichtung der Kraftvektoren der Kieferschließkräfte bei mesialer, zentraler und distaler Belastung in Relation zur Kauebene (KE). Das Kiefergelenk bleibt stets lastfrei. b Hebelmechanik des Unterkiefers mit Lastarm, Kraftarm, „accessorischem“ Gelenkfortsatz und Zugrichtungen von M. temporalis bzw. Mm. masseter und pterigoideus medialis und den daraus resultierenden Drehmomenten und Kiefer-schliesskraftvektoren (Kr).

a bKraftarm

M. tempM. mass/pterig med

Kr

Lastarm

KE

35°

Page 15: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

15

Abb. 8: Lastfunktionen des Unterkiefers

a Verlaufscharakteristik der mit den Drehmomenten des Unterkiefers korrelierten distraktiven Kippbewegungen des Unterkiefers bei distaler Belastung und Kieferschließkräften (KS) von 100-300 N. b Verlaufscharakteristik der mit den Drehmomenten des Unterkiefers korrelierten kompres-siven Kippbewegungen des Unterkiefers bei mesialer Belastung und Kieferschließkräften (KS) von 100-300 N. c Verlaufscharakteristik der mit den Drehmomenten des Unterkiefers um den Speisebolus korrelierten Drehmomenten bzw. Kippbewegungen des Unterkiefers bei mesialer (M), zentraler (Z) und distaler (D) Belastung.

Abb. 9 Lastfunktionen des Unterkiefers

Verlaufsrichtung der Kraftvektoren des M. temporalis, der Kieferschließkräfte (KB) und des daraus resultierenden Kraft- bzw. Bewegungsvektors der Kiefergelenke in Relation zur Kauebene (KE) bei mesialer, zentraler und distaler Belastung, berechnet über ein Hebelmodell des Unterkiefers aus der anatomisch vorgegebenen Zugrichtung der Mm. masseteres bzw. pterigoidei mediales und den Messwerten der vertikalen Kieferschließ-kraftkomponenten und den damit korrelierten Kippbewegungen des Unterkiefers. Das Kiefergelenk bleibt mit einem durchschnittlichen Vektorwinkel (KG) von ca. 35° gegen die Kauebene weitestgehend lastfrei.

Belastung zentral

KB

KE

KG 35°KB

KE

KG 35°

Belastung mesial

KB

KE

KG 35°

Belastung distal

Page 16: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

16

a Hinweis: Die Drehmomentscharakteristik der Unterkiefers erfordert aus Grün-den der Funktionsprophylaxe bezüglich der beschriebenen para-funktionellen und kaufunktionellen Lastaktivitäten und der damit verbundenen potentiellen cranial-kompressiven Rotationskomponen-ten, grundsätzlich bilateral intakte Seitenzahnreihen, die bis zu den ersten Molaren reichen.

a Problem: Klinische Registriermethoden der Bewegungen des Unterkiefers bzw. der Kiefergelenke werden in der Regel mittels lastfreier Bewe-gungsabläufe durchgeführt und dokumentieren damit nur einen sehr kleinen Ausschnitt des potenziellen Gesamtbewegungsspektrums. Insbesondere werden grundsätzlich keine, den translatorischen Freiheitsgraden der Kiefergelenke entsprechenden translatorischen Transversalbewegungen des Unterkiefers im Nahbereich der Schluss-bissposition erfasst. Daraus resultierende transversale okklusale Interferenzen erzeugen fakultativ pathologisch wirkende Kräfte und Momente mit Folgeschä-den im Bereich der Zähne, der Parodontien und der Kiefergelenke.

Abb. 10: a Messwerte der vertikalen Kieferschließkräfte in Abhängigkeit vom Lastort. b Größe und Verlauf der Kieferschließkräfte, Zähne natürlich bzw. geschient.

a bZähne natürlich - geschient

85/61

2

4

6

8

10

100N

direkt

indirekt

Page 17: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

17

Abb. 11: Korrelation morphologischer und physiologischer Messgrößen des Kauor-

gans Korrelationen zwischen relativer-maximaler (direkter) und absoluter-maximaler (indirekter) vertikaler Kieferschließkraft, parodontaler Verankerungsfläche (Fläche PA) und Anzahl der Okklusionskontakte pro Zahn. Relative maximale Kiefer-schließkraft direkt = Zähne vital nativ. Absolute maximale Kieferschließkraft indirekt = Zähne vital geschient. Alle Strukturen des Kauorgans sind bezüglich ihrer Morphologie und Funktion aufeinander abgestimmt.

Anzahl Kontakte

Fläche PA cm2

max Kraft direkt 100N

max Kraft indirekt 100 N

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Zahn

Anz

ahl

Kon

takt

e - K

raft

- Flä

che

PA

Fläche PA : Fläche Inzisalkanten 25 : 1Fläche PA : Fläche Kauflächen 5 : 1

1 2 3 4 5 6 7 8

Page 18: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

18

Physiologische Lastfunktion Ø Physiologische Funktionsabläufe sind gekennzeichnet durch ein auf die Morphologie und Physiologie der einzelnen Teilbereiche des Kauorgans abgestimmtes funktionelles Belastungsspektrum (Abb.9). Dies gilt insbesondere für: – die Größe und die Richtung der wirkenden Kräfte, – die Frequenz und die Dauer der Einzelaktionen, – die Art, die Häufigkeit und die Intensität der Beanspruchung.

Pathologische Lastfunktion Ø Die Änderung eines funktionellen Faktors = potenzielle funktio-nelle Störgröße, führt in der Regel zu progressiven Schäden im Be-reich der Zähne, der Parodontien oder der Kiefergelenke. – Solche funktionellen Störungen können zentral oder peripher aus-gelöst werden: • zentral ausgelöste funktionelle Störungen sind durch eine anhaltende zentrale Bereitschaft zu neuromotorischen Hyper-aktivitäten der Kaumuskulatur gekennzeichnet.

• peripher ausgelöste funktionelle Störungen sind durch periphere mechanische Veränderungen wie eine fehlerhafte vertikale oder horizontale Kieferrelation bzw. sta-tische oder dynamische okklusale Interferenzen gekenn-zeichnet.

– Dabei ist grundsätzlich eine Kompensationstendenz im Sinne der Aufrechterhaltung physiologischer Funktionsmuster durch die Be-seitigung des ursächlichen Störfaktors mittels einer - in der Regel pathologischen - parafunktionellen Steigerung der neuro-muskulären Aktivität gegeben.

Parafunktionen des Kauorgans Ø Exzessive Kaubelastung:

– Ursache: Pathophysiologische funktionelle Aktivitäten der Kau-muskulatur infolge von Habits wie z.B. exzessivem Kauen (Kau-gummi) mit vorwiegend isotonen Aktionen bei hoher Leis-tungstoleranz der Muskulatur.

– Folgen: Die gesteigerte funktionelle Belastung der Kaumuskulatur führt zu einem Trainingseffekt mit • Hypertrophie und Druckdolenzen der Muskulatur.

Ø Exzessive Leerbelastung:

– Ursache: Pathologische funktionelle Aktivitäten der Kaumusku- latur infolge zentraler neuromotorischer und/oder peripherer mechanischer Störungen und exzessivem Knirschen oder Pressen am Tag und in der Nacht (REM Leichtschlafphasen) mit vorwiegend isometrischen Aktionen und geringer Leistungstoleranz der Muskulatur.

– Folgen: Die daraus resultierende funktionelle Über- bzw. Fehl-belastung der Kaumuskulatur führt zu einer Störung der neuromo-torischen Koordination der Kaumuskulatur mit: • Hyper- bzw. Hypovalenzen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen und daraus resultierenden Fehlbelastungen der Kiefergelenke bzw. der Zähne und

• Myogelosen bzw. Hartspann mit Druckdolenzen und/oder Spontan-schmerzen der Muskulatur.

Grundlagen Pa

thof

unkt

ion

Kau

orga

n

Page 19: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

19

Dysfunktionen des Kauorgans Ø Exzessive Leerbelastung:

– Ursache: Pathologische funktionelle Aktivitäten der Kaumuskula-tur infolge von anhaltenden zentralen neuromotorischen und/oder peripheren mechanischen Störungen bzw. Triggereffekten und Myo-pathien mit: • neuromotorischen Koordinationsstörungen der Kaumuskulatur und daraus resultierenden mechanischen Über- und Fehlbelastungen einzelner Zähne bzw. Zahngruppen und Kiefergelenksbereiche.

– Folgen: Die daraus resultierende funktionelle Über- bzw. Fehl-belastung der Kiefergelenkgewebe und der Zähne führen zu mecha-nisch-entzündlich bedingten irreversiblen morphologischen Schä-den mit: • Verlagerung, Verformung oder Perforation der Disci articula-res,

• Verlagerung, Erosion oder Deformation der Kondylen, • entzündlich bedingten Anheftungen des Discus am Kondylus oder an der Fossa articularis (Abb.12),

• Subluxation oder Limitation der Kiefergelenke, • marginalen oder profunden parodontalen Schäden wie Still-man’sche Spalten, McCall’sche Girlanden, Zahnlockerungen, Retraktionen des Zahnfleischsaums, ,

• Schäden an den Zahnhartsubstanzen wie keilförmige Defekte, Attritionen, Schmelzaussprengungen und Abrasionen.

Abb. 12: Ursachen und Folgen funktioneller Störungen

a Okklusale Interferenzen mit Retral- oder Cranialverlagerung des Kondylus und dadurch bedingter Ventralverlagerung des Discus articularis. b Okklusale Interferenzen mit Ventralverlagerung des Kondylus und dadurch bedingter Ventralveragerung des Discus articularis. c Folgeschäden im Bereich der Kiefergelenke: Ventralverlagerung des Discus (1), Bildung von Discusfalten, Discustaschen, Perforationen, Abriss der bilaminären Zone vom Discushinterrand (2), Erosionen der Oberfläche von Discus und Kondylus (3), Anheftungen des Discus an der Gelenkgrube (4), Exostosen bzw. Randzacken an Gelenkgrube oder Kondylus (5).

Page 20: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

20

Vorbemerkung Ø Funktionsstörungen des Kauorgans werden in der Regel verursacht

durch: – Fehlstellungen von Zähnen bzw. Zahngruppen infolge eines irregu-lären Ablaufs der Gebissentwicklung oder fehlerhaften kieferor-thopädischen Eingriffen.

– gnathologische Behandlungsmaßnahmen mit Einstellung der Schluss-bissposition des Unterkiefers in retraler Kontaktposition, unmittelbarem Frontzahnkontakt und willkürlicher Gestaltung zu steiler Frontzahnführungen und/oder überkonturierten Höckerre-liefs im Seitenzahnbereich,

– beliebige Wahl der Bisshöhe nach rein technischen Gesichts-punkten, insbesondere bei umfangreichen keramischen Rekonstruk-tionen oder Teleskop- bzw. Implantatversorgungen ohne ausrei-chende Berücksichtigung des physiologischen Interokklusalab-standes.

– mangelhafte Passgenauigkeit oder Nachsorge bei parodontalgingi-val getragenen Zahnersatzformen wie Freiendprothesen, deren Sättel nicht bündig der Kammschleimhaut aufliegen, eine Nonok-klusion im Seitenzahnbereich aufweisen oder mit qualitativ unzu-reichenden Kunststoffzähnen versehen sind.

a Wichtig: Funktionelle Störungen des Kauorgans sollten grundsätzlich in einem möglichst frühen Stadium erkannt und damit auch möglichst frühzeitig einer geeigneten Therapie zugeführt werden. Dies bedeutet, dass analog zur Karies- und Parodontalprophylaxe auch die Funktionsprophylaxe zu einem regulären Bestandteil von Untersuchungs- und Behandlungsroutinen werden muss. Hierzu genügt ein kurzes Screening der Kaumuskulatur (Palpation der Mm. masse-teres bzw. temporales), der vertikalen Kieferrelation (Messung des IOA) und der statischen bzw. dynamischen Okklusion (Verifizierung von horizontalen Schubmomenten, Arbeits- und Balancekontakten sowie Frontzahnkontakten in der Schlussbissposition).

Arten der Funktionsstörung Ø Orale Funktionsstörung:

– Gesteigerte reflektorisch-parafunktionelle Aktivität der mimi-schen Muskulatur und Zunge.

– Habits wie Beißen oder Saugen auf oder an den Lippen, der Wangenschleimhaut oder der Zunge.

Ø Okklusale Funktionsstörung:

– Gesteigerte reflektorisch-parafunktionelle Aktivität der Kaumus-kulatur,

– Knirschen und Pressen.

Ursachen der Funktionsstörung peripher Ø Peripher-mechanische Triggereffekte mit reflektorischer Steigerung der Leeraktivität der mimischen Muskulatur und/oder der Kaumusku-latur – als überschießende reflektorische Reaktion auf mechanische Reize aus einer fehlerhaften Okklusion und Kieferrelation,

– als kompensatorische Leistung zur Aufrechterhaltung der Orthofunktion des Kauorgans.

Ursachen Funktionsstörung

Page 21: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

21

URSACHE PERIPHER mechanisch

↓ FEHLER KIEFERRELATION / OKKLUSION

↓ PARAFUNKTIONEN

URSACHE ZENTRAL neuromotorisch

↓ MUSKULÄRE HYPERAKTIVITÄT

↓ PARAFUNKTIONEN

Tab. 1: Ursache und Wirkung funktioneller Triggereffekte

Regelkreise peripher induzierter Funktionsstörungen Ø Periphere parafunktionelle Trigger in Form peripherer mechani-scher Störungen und daraus resultierender peripherer Rezeptorreize lösen über vorwiegend polysynaptische Reflexbögen zentrale Fremd-reflexe mit einer Steigerung des Ruhe- und Arbeitstonus der Kau-muskulatur aus (Abb.13).

Ø Arten sensibler peripherer Rezeptoren:

– Muskelspindeln, – Schleimhautrezeptoren, – Parodontale Rezeptoren, – Pulparezeptoren – Sehnenrezeptoren, – Discusrezeptoren,

Abb. 13: Reflektorische, neuromotorische Steuerungsmechanismen

a Reflektorische sensomotorische Reaktionskette: reflektorische Beeinflussung des Ruhe-tonus der Kaumuskulatur durch sensible Afferenzen über die Muskelspindeln.

b Maximale Belastbarkeit eines vitalen ersten Molaren in Abhängigkeit von der Kronen-oberfläche: Kaufläche geschient (G), Schmelz nativ (S), Dentin nativ (D), Kunststoffkrone (K), Vollmetallkrone (M).

Ø Beispiele von Regeleffekten:

– Eine zu hohe vertikale Relation bewirkt eine Vordehnung der Muskelspindeln, die zu einer reflektorischen Erhöhung des Ruhe- und Arbeitstonus der Kaumuskulatur führen kann.

Page 22: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

22

– Primärkontakte steigern die Aktivität der sensiblen Rezeptoren des Parodonts, die zu einer reflektorischen Erhöhung des Ruhe- und Arbeitstonus der Kaumuskulatur führen kann.

– Verblockungen von Zähnen mindern die Aktivität der sensiblen Rezeptoren des Parodonts, was zu einer reflektorischen Erhöhung des Ruhe- und Arbeitstonus der Kaumuskulatur führen kann.

– Punktuell hohe okklusale Kräfte (Schrotkugeleffekt) bewirken eine Erregung der sensiblen Rezeptoren der Pulpa (akute Überbe-lastung),die zu einer reflektorischen Verminderung des Arbeits-tonus der Kaumuskulatur führen kann.

Periphere Trigger – extraoral – Passive Unterkieferverlagerungen durch besondere Schlafhaltung-en.

– Chronische allgemeine Schmerzzustände (z.B. Wirbelsäule). – Berufliche Beanspruchung/Stress.

a Problem: Kauorgan als Ableitungsorgan.

Periphere Trigger – oral – Chronische Schmerzzustände (Entzündungen von Pulpa, Gingiva, Parodont, Kieferhöhle sowie Druckstellen).

– Minderung der taktilen Sensibilität (Pulpa, Parodont) durch Überkronung bzw. Immobilisierung von Zähnen bei Blockierungs-maßnahmen.

– Irritationen durch Form und Lagestabilität von Zahnersatz. – Metallgeschmack und/oder Schleimhautbrennen infolge korrosions-bedingter galvanischer Effekte (Lotstellen, Lunker).

Periphere Trigger - okklusal Ø Fehlerhafte vertikale und/oder horizontale Kieferrela-

tion: – vertikale Kieferrelation zu hoch oder zu niedrig, – horizontale Kieferrelation ventral, retral oder lateral exzen-trisch.

Ø Fehlerhafte statische bzw. dynamische okklusale Kontakte:

– Primärkontakte, Gleithindernisse, Nonokklusion im Front- und/oder Seitenzahnbereich (Abb.10a,b;14a-c),

– Zahnstellungsänderungen oder Zahnersatz.

a Hinweis: Jede Störung der statischen Okklusion verursacht zwangs-läufig auch eine Veränderung der horizontalen Kiefer-relation.

Page 23: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

23

Abb. 14: Periphere okklusale Trigger

a Störungen der horizontalen Kieferrelation infolge symmetrischer oder asymmetrischer frontaler Primärkontakte wie falsch konturierter Frontzahnkronen oder einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. Der Unterkiefer wird nach dorsal und/oder lateral verlagert. b Störungen der horizontalen Kieferrelation durch laterale Primärkontakte im Prämolaren-bereich. Der Unterkiefer wird nach ventral und/oder lateral verlagert. c Störungen der horizontalen Kieferrelation durch laterale Primärkontakte im Molarenbe-reich. Der Unterkiefer wird nach ventral und/oder lateral verlagert.

Page 24: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

24

Ursachen der Funktionsstörug zentral Ø Voraussetzung: zentrale parafunktionelle Triggereffekte.

– Zentral bedingte Hypersensibilität und daraus resultierender Bereitschaft zu zentral bedingter, reaktiver neuromotorischer Hyperaktivität: • organisch, neuromotorisch determinierte Bereitschaft zu über-schießender Reaktion bzw. Regulation gegenüber äußerer Reiz-einwirkung durch reflektorisch induzierte überschießende moto-rische Aktivitäten der Kaumuskulatur,

• besonders ausgeprägt bei sogenannten „psychisch labilen oder psychisch gestörten“ Patienten.

• Stress-, Frustrations-, Aggressionsreaktion. – Die Ableitung durch erhöhten Kaumuskeltonus führt in der Regel • ohne okklusale Störungen bzw. fehlerhafter Kieferrelation zur Myopathie,

• mit okklusalen Störungen bzw. fehlerhafter Kieferrelation zur Myoarthropathie.

Zentrale Trigger – Trennungsstress. – Verantwortungsstress. – Überforderungsstress.

a Hinweis: In der Regel werden Funktionsstörungen sowohl zentral als auch peripher getriggert; daher ist prinzipiell auch eine kausale Therapie mit peripherem Ansatz möglich.

Page 25: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

25

MUSKULATUR Druckdolenzen - Spontanschmerzen

KIEFERGELENKE

Druckdolenzen - Spontanschmerzen initiales reziprokes KG- Knacken

intermediäres reziprokes KG-Knacken terminales reziprokes KG -Knacken

Reibegeräusche – Limitation

VERTIKALE KIEFERRELATION zu groß – zu klein

Tab. 2: Klinische Funktionsanalyse: therapeutisch relevante Befunde extraoral

Muskulatur Ø Symptome funktioneller Fehler im Bereich der Kaumuskulatur:

– Spannungsgefühl, – Druck- oder Spontanschmerzen, – Myogelosen: neuromotorisch induzierte, lokale Kontrakturen, – Hartspann: ischämisch induzierter Hypertonus des gesamten Muskels,

– Tremor: Muskelzittern. Ø Reaktionskette Hartspann:

– Hypertonus → reaktive Ischämie → Hypoxie → Anreicherung saurer Stoffwechselprodukte → Schmerzen (alternativ: Faserrisse).

Korrelation Symptome Myopathien – Störungen der Okklusion/Kieferrelation horizontal Ø M.temporalis

– zentrische Vorkontakte im Frontzahnbereich oder Nonokklusion im Seitenzahnbereich,

– UK in retraler Kontaktposition. Ø M.masseter

– zentrische oder exzentrische Vorkontakte im Front- und Seiten-zahnbereich,

– UK in retral, lateral oder ventral exzentrischer Kontaktposi-tion.

Ø M.pteryg. lateralis – exzentrische Kontakte im Frontzahnbereich – UK in retral oder lateral exzentrischer Kontaktposition.

Ø M.digastricus – exzentrische Kontakte im Seitenzahnbereich, – UK in ventral oder lateral exzentrischer Kontaktposition.

Therapeutisch relevante funktionelle Befunde extraoral Fu

nktio

nelle

Bef

unde

Page 26: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

26

a Hinweis: Im Hinblick auf die palpatorische Zugänglichkeit und Aussagekraft sind für den klinischen Befund nur die Mm. masseteres, insbe-sondere aber die Mm. temporales von praktischem Interesse.

Kiefergelenke Ø Symptome funktioneller Fehler im Bereich der Kiefergelenke:

– Spannungsgefühl, – Druck- oder Spontanschmerzen, – Hypermobilität - Subluxation - Luxation, – Reziprokes Kiefergelenkknacken initial, intermediär, terminal, – Reibegeräusche, – Bewegungseinschränkung - Limitation.

Korrelation Symptome Arthropathien – Störungen der Okklusion/Kieferrelation horizontal Ø Kiefergelenkknacken terminal reziprok (Subluxation):

– Therapeutisch irreversible Ventralverlagerung des Kondylus vor den anterioren Discusrand bei maximaler Mundöffung.

– Ursachen: – Diskoordination des Zusammenspiels von Kaumuskulatur, Kondylus und Discus: • überdehnte Bänder und damit überdimensionierte Mundöffnungs-weite → Vorstufe der Kiefergelenkluxation (Abb.15a),

• mechanische Behinderung der Translationsbewegung des Discus → entzündliche Anheftungen im Bereich der Fossa articularis.

(Abb.15b), • ventral exzentrische Parafunktionen. • Leitmuskel: M. pterygoideus lateralis.

– Bei Subluxation (Kondylus vor dem anterioren Discusrand) besteht in der Regel kein Behandlungsbedarf.

– Bei wiederholter Luxation (Kondylus vor dem Tuberculum articu-lare) ist dagegen ggf. ein chirurgischer Behandlungsbedarf ge-geben.

Abb. 15: Terminales, reziprokes Kiefergelenkknacken, Subluxation

Der Kondylus tritt bei maximaler Mundöffnung vor den anterioren Discusrand infolge a einer überdimensionierten Mundöffnungsweite, b von Anheftungen des Discus an der Fossa articularis.

a b

Page 27: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

27

Ø Kiefergelenkknacken initial schlussbissnah reziprok: – Therapeutisch reversible Retralverlagerung des Kondylus hinter den dorsalen Discusrand bei Einnahme der Schlussbisspo-sition.

– Ursachen: – Unterkiefer in ventraler Kontaktposition: • Primärkontakte im Seitenzahnbereich oder ventral exzentrische Parafunktionen mit begleitender, statischer, ventral gerich-teter Kiefergelenk-Kompression,

• passive Ventralverlagerung des Discus articularis durch den Kondylus, alternativ auch durch Kontrakturen des M. ptery-goideus lateralis (Abb.16a).

• Leitmuskeln: M. masseter, M. pterygoideus lateralis. – Unterkiefer in retraler Kontaktposition: • Primärkontakte im Frontzahnbereich → falsch konturierte Front-zahnkronen.

• Nonokklusion im Seitenzahnbereich → Freiendlücken oder abge-sunkene Freiendsättel,

• Dorsal- und/oder Cranialverlagerung des Kondylus mit passiver statischer, retraler und/oder cranialer Kiefergelenkkompres-sion,

• aktive Ventralverlagerung des Discus durch den Kondylus, alternativ auch durch Kontrakturen des M. pterygoideus late-ralis,

• Leitmuskeln: M. temporalis, M. masseter, M. pterygoideus late-ralis (Abb.16b).

– alternativ: Trauma. • Vorstufe von intermediärem Kiefergelenkknacken oder Reibege-räuschen.

Abb. 16: Initiales reziprokes Kiefergelenkknacken

Der Kondylus liegt bei habitueller Okklusion hinter dem dorsalen Discusrand infolge a einer Ventralverlagerung des Discus durch ventral exzentrisch gerichtete Trigger-effekte.

b einer Ventralverlagerung des Discus durch dorsocranial gerichtete Triggereffekte. Ø Kiefergelenkknacken reziprok intermediär:

– Therapeutisch irreversible Veränderungen der Form bzw. der Zuordnung von Discus und Kondylus.

– Chronische, meist mechanisch bedingte Blockierung der transla-torischen Beweglichkeit des Kiefergelenks.

a b

Page 28: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

28

– Ursachen: • Unterkiefer in retraler Kontaktposition, • Spätzustand des initial schlussbissnahen reziproken Knackens, • ggf. Ausbildung von Randzacken des Kondylus, Discusfalten oder Diskustaschen (Abb.17),

• alternativ: Trauma, • Kiefergelenkschaden ist pathologisch angepasst, • Leitmuskel: M. temporalis, M. masseter. • Vorstufe von Reibegeräuschen oder Kiefergelenk-Limitationen.

Ø Reibegeräusche – Kiefergelenk-Limitation:

– Therapeutisch irreversible Veränderungen der Form bzw. der Zuordnung von Discus und Kondylus.

– Akute oder chronische, meist mechanisch bedingte Blockierung der rotatorischen und translatorischen Beweglichkeit des Kieferge-lenks.

– Ursachen: • Unterkiefer in retraler Kontaktposition, • Spätzustand des initialen bzw. intermediären, reziproken Kiefergelenkknackens (Abb.17),

• Discusprolaps, Discustaschen, Discusperforation, Discusfrag-mente oder Kondyluserosionen mit mechanisch induzierter Kieferklemme,

• Kiefergelenkschaden ist pathologisch angepasst,

alternativ: • chronische Polyarthritis, Trauma, entzündliche Infiltrate der Kaumuskulatur bzw. reflektorisch induzierte tonische Kiefer-klemme (Trismus).

• Leitmuskel: M. masseter, M. temporalis.

Abb. 17: Intermediäres, reziprokes Kiefergelenkknacken

Discusprolaps (1), Discusfalten (2) , Erosionen Kondylus (3), Discusanheftung (4) , Exos-tose Fossa articularis oder Randzacke Kondylus mit Diskustasche (5).

Kieferrelation vertikal Ø Symptome funktioneller Fehler im Bereich der vertikalen Kieferre-

lation: – Interokklusalabstand (IOA) bei Einnahme der Ruheschwebelage durch passiven Lippenschluss aus geringer lippenoffener Mund-öffnungsposition

– > 2mm = Bisslage = zu niedrig, – < 2mm = Bisslage = zu hoch.

Page 29: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

29

Korrelation Symptome Arthropathien – Störungen der Okklusion/Kieferrelation vertikal Ø Veränderungen der vertikalen Kieferrelation führen in der Regel zu einer reflektorischen Änderung des Kaumuskeltonus und damit zu einer pathologischen parafunktionellen Steigerung der Ruhe- und/oder Arbeitsaktivität der Kaumuskulatur. – Jede Verkleinerung des Interokklusalabstandes, insbesondere aber Bisserhöhungen über den, durch die individuelle Ruheschwe-behaltung vorgegebenen physiologischen Interokklusalabstand hinaus, bewirkt eine Vordehnung der Muskelspindeln mit teilweise exzessiver Steigerung der Kaumuskelaktivität.

Dagegen zeigen moderate Bisssenkungen infolge gleich-mäßiger Abrasion des Kauflächenkomplexes und analog ver-größertem Interokklusalabstand in der Regel keine oder nur geringe pathologischen Veränderungen der Aktivität der Kaumuskulatur.

Page 30: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

30

STATISCHE OKKLUSION PRIMÄRKONTAKTE SEITENZÄHNE

Unterkiefer unilateral – bilateral in ventraler Kontaktposition (VKP) PRIMÄRKONTAKTE FRONTZÄHNE

Unterkiefer unilateral – bilateral in retraler Kontaktposition (RKP)

DYNAMISCHE OKKLUSION HYPERARBEITS - HYPERBALANCEKONTAKTE SEITENZÄHNE

ARBEITSKONTAKTE FRONTZÄHNE

Tab. 3: Klinische Funktionsanalyse: therapeutisch relevante Befunde intraoral

Kieferrelation Ø Symptome funktioneller Fehler in der horizontalen Kieferre-

lation: – Unterkiefer in ventraler oder retraler Kontaktposition, – Kontrolle über zwanglos manuell retral geführten Kieferschluss aus Ruheschwebelage des Unterkiefers.

Ø Symptome funktioneller Fehler in der vertikalen Kieferrelation:

– Interokklusalabstand zu klein oder zu groß, – Beurteilung über den kleinsten Sprechabstand der Frontzähne bzw. den Abrasionsgrad natürlicher Antagonisten.

Okklusion Ø Symptome funktioneller Fehler in der statischen Okklusion:

– Primärkontakte im Front- und/oder Seitenzahnbereich, – Nonokklusion im Front- oder Seitenzahnbereich (Abb.18).

Ø Symptome funktioneller Fehler in der dynamischen Okklusion: – Gleithindernisse im Frontzahnbereich oder Einengung des fronta-len Artikulationsfreiraums durch Nichtanlage der oberen seit-lichen Schneidezähne bzw. oral überkonturierte Kronen oder Dreh-stand einzelner Schneidezähne mit/ohne oralen Schliffflächen (Abb.18),

– Gleithindernisse im Seitenzahnbereich, durch Kippung bzw. Elong-ation von Seitenzähnen oder Kronen mit zu steiler Höckerneigung und dadurch bedingten Hyperarbeits- und Hyperbalance-Kontakten mit/ohne okklusalen Schliffflächen,

– Nonokklusion bei nativen Frontzähnen und damit fehlende Front-zahnführung durch sagittal oder vertikal offenen Biss.

Therapeutisch relevante funktionelle Befunde intraoral

Page 31: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

31

Abb. 18: Fehler in der Okklusion und Kieferrelation

a Störungen der horizontalen/vertikalen Kieferrelation durch frontale Primärkontakte infolge Nichtanlage der seitlichen Schneidezähne, falsch konturierter Frontzahnkronen oder einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. Der Unterkiefer wird nach dorsal/cranial verlagert.

b Störungen der horizontalen Kieferrelation durch laterale Primärkontakte. Der Unterkiefer wird nach ventral verlagert.

Parodont Ø Symptome funktioneller Fehler in der statischen und dynamischen Okklusion:

– Marginales Parodont: Stillman’sche Spalten, McCall’sche Girlanden. – Profundes Parodont: Lockerung primär, gelegentlich Taschen sekundär.

Zähne Ø Symptome funktioneller Fehler in der statischen und dynamischen Okklusion:

– Laterale Mittellinienverschiebung der Frontzähne des Unterkie-fers nach links oder rechts,

– Schliffflächen: – Attrition → isoliert in exzentrischer Kontaktposition, – Abrasion → aus der zentrischen Kontaktposition, – Hartsubstanzschäden → Schmelzaussprengungen, keilförmige Defek-te.

Begleitsymptome Ø Projektionsschmerzen im Kopf-/Halsbereich, ausgehend von der Kau-muskulatur, den Kiefergelenken oder entzündlichen Prozessen im Bereich der Mundhöhle durch: – Okklusale Interferenzen → Schmerzreaktion durch Provokations-Aufbisstest im Bereich der ursächlichen, okklusalen Störung mit Beißholz,

– Chronische Pulpitiden → Schmerzreaktion durch Provokations-Vitalitätstest mit CO2-Schnee,

– Sinusitis → Druckdolenzen Palpation NAP V2.

Page 32: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

32

Ø Projektionsschmerzen im Kopf-/Halsbereich ausgehend von der Hals- oder Rückenmuskulatur durch: – skelettale Veränderungen, – statische Veränderungen, – Bandscheibenprobleme, – Muskelverspannungen Linea nuchae, Schultergürtel.

Ø Nebeneffekte:

– Irritation des Gehörs: Tinnitus, Druckgefühl, Schwerhörigkeit,

– Myrhaugsches Knacken: reflektorische, rhythmische Tubenbelüftungen,

– Parästhesien im Bereich des Gesichtes und/oder der Mundhöhle: Kribbeln, Taubheits-, Hitzegefühl, Geschmacksirritation,

– Störungen der Zungenfunktion, – Störungen der Speichelsekretion, – Costen Syndrom: Kloßgefühl im Hals, Schluckbeschwerden, Mundtrockenheit durch Reizung der Chorda tympani infolge unmittelbarer Nachbarschaft von Glaser’scher Spalte und Fossa articularis.

Page 33: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

33

Anamnese Ø Abklärung

– Chronische Erkrankungen? – Trauma Kopf? – HNO-Behandlung? – KFO-Behandlung? – ZE-Eingliederung? – Parafunktionen? – Schmerzen – seit wann, wo, Verlauf? – Funktionelle Vorbehandlung? – Stress in Beruf bzw. Familie?

Klinischer Funktionsstatus extraoral

EXTRAORAL Muskulatur

Kiefergelenke Interokklusalabstand – Kieferrelation vertikal

Gelenkspieltechniken

Tab. 4: Befunderhebung für einen klinischen Funktionsstatus extraoral

Allgemeine Befunde extraoral Ø Erytheme Gesicht, Hals? Ø Druckdolenzen NAP V1-V3?

Funktionsbefunde extraoral Ø Kaumuskulatur?

– Palpation Mm. masseteres und Mm. temporales: – Druckdolenzen, Myogelosen, Hartspann, Tremor? – Spontanschmerz?

Ø Kiefergelenke?

– Palpation der lateralen und dorsalen Kondylenpole: – Druckdolenzen? – Knacken initial, intermediär, terminal, Reibegeräusche? – Spontan- oder Bewegungsschmerz? – Richtungsspezifische Belastungs- und/oder Bewegungsschmerzen bei manuell geführter cranialer, retraler, lateraler oder ventraler Unterkieferbewegung?

Ø Vertikale Kieferrelation? – Messung des Interokklusalabstand (IOA) = metrische Differenz zwischen Ruheschwebehaltung in zwanglosem Lippenschluss und Schlussbissposition des Unterkiefes mit dem (Bissnahme-) Zirkel,

– IOA zu klein oder zu groß? – normaler physiologischer Durchschnittswert 2mm - max. 3mm,

Klinische Untersuchung extraoral

Page 34: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

34

Klinischer Funktionsstatus intraraoral

INTRAORAL Statische Okklusion – Kieferrelation horizontal

Dynamische Okklusion Taschensondierungstiefen, Zahnlockerungen

Provokationsaufbisstest - Provokationsvitalitätstest

Tab. 5: Befunderhebung für einen klinischen Funktionsstatus intraoral

Allgemeine Befunde intraoral Ø Parodont?

– Gingivarezessionen, Stillman’sche Spalten, McCall’sche Girlan-den?

– Zahnfleischtaschen, Zahnlockerungen, Zahnwanderungen?

Ø Zähne? – Anzahl/Verteilung und Okklusionslinienverlauf der Zähne? – Wurzelreste, verlagerte Zähne, Zysten? – chronische Pulpitiden, apikale Parodontitiden, Sinusitiden? – Schmelzdefekte, Dentindefekte, kongruente Schliffflächen oder Abrasions- bzw. Attritionsflächen im Front- und/oder Seiten-zahnbereich?

Ø Mundschleimhaut? – Stomatitiden? – idiopathisches Schleimhautbrennen?

Ø Zahnersatz? – Lagestabilität Prothesen? – Immobilisierung Pfeilerzähne? – Lotstellen, Lunker, unterschiedliche Legierungen? – Druckstellen?

Ø Inzisalkantenabstand bei maximaler Mundöffnung?

– Normaler physiologischer Durchschnittswert 45mm SKD,

Ø Deviation Unterkiefer bei max. Mundöffnung nach rechts oder links? – Hinweis auf unilaterale Bewegungseinschränkung der Kieferge-lenke,

– gemessen über den lateralen Versatz des Unterkieferinzisal-punktes gegen den Oberkieferinzisalpunkt mit einem, an den Ober-kieferinzisalpunkt seknrecht nach caudal angelegten Stahllineal in mm.

Funktionsbefunde intraoral Ø Kieferrelation vertikal?

– Ermittlung des Höhenverlustes durch Abrasiongrad nativer Anta-gonisten,

– Ermittlung des Interokklusalabstandes durch minimalen Sprechab-stand im Frontzahnbereich.

Klinische Untersuchung intraoral

Page 35: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

35

Ø Statische Okklusion-Kieferrelation horizontal? – Ermittlung statischer okklusaler Interferenzen über zwanglosen, aus der Ruheschwebehaltung manuell retral geführten Kiefer-schluss bis zum ersten Zahnkontakt in zwangloser retraler Kon-taktposition, dann zubeißen lassen.

Ø Bei Einnahme der Schlussbissposition mit Schub nach ventral, late-ral oder diagonal-ventral: – Darstellung der ursächlichen Primärkontakte im Seitenzahnbereich oder im lateralen Frontzahnbereich mittels Okklusionsfolie.

– Dem entsprechender Befund: • Schlussbissposition uni- oder bilateral in ventraler Kontakt-position (VKP).

• Kiefergelenke uni- oder bilateral nach ventral verlagert. • Primärkontakte.....(bei antagonistischen Zahnpaaren).

Ø Bei Einnahme der Schlussbissposition mit Frontkontakten und late-ralen Seitenzahnkontakten oder uni- bzw. bilateraler Nonokklusion im Seitenzahnbereich: – Darstellung der ursächlichen Nonokklusion im Seitenzahnbereich oder der ursächlichen Primärkontakte im Frontzahnbereich und der dadurch bedingten Retralverlagerung des Unterkiefers mittels Okklusionsfolie.

– Dem entsprechender Befund: • Schlussbissposition uni- oder bilateral in retraler Kontakt-position (RKP).

• Kiefergelenke uni- oder bilateral nach dorsal verlagert. Ø Dynamische Okklusion:

– Ermittlung dynamischer okklusaler Interferenzen im Front- und/oder Seitenzahnbereich optisch über Schlifffacetten.

– Darstellung ursächlicher Gleithindernisse bzw. (Hyper-) Arbeits- oder (Hyper-) Balancekontakte im Seitenzahnbereich über Knirschbewegungen mittels Okklusionsfolie.

– Dem entsprechender Befund: • Arbeitskontakte im Sinne von Arbeits- und Balancekontakten bei.....(antagonistische Zahnpaaren).

Röntgenbefund Kiefergelenke Ø Zur Absicherung der klinischen Diagnostik.

– Klassische Röntgenverfahren: Schüller mundgeschlossen, Parma – alternativ: CT oder MRT.

Page 36: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

36

Befundbogen zur klinischen Funktionsanalyse Ø Zur Erhebung und Dokumentation essentieller therapierelevanter klinischer Befunde:

Tab. 6: Befunderhebung für einen klinischen Funktionsstatus

Anamnese Trauma

Parafunktionen

KFO Behandlung

KONS-Sanierung

ZE-Eingliederung

FU-Vorbehandlung

Schmerz Seit

wo

Verlauf

Klinischer Befund

Muskulatur M. masseter M. temporalis Bemerkungen Druckdolenz £ li £ re £ li £ re

Spontanschmerz £ li £ re £ li £ re Kiefergelenke Druckdolenz KP - lat £ li £ re KP - dors £ li £ re Bemerkungen Spontanschmerz £ li £ re

Knacken £ li bei ...... mm MuÖ £ re bei ...... mm MuÖ Reiben £ li £ re

IOA

+/- ..... mm

Sprechabstand

..... mm

max SKD – Limit – Sublux

..... mm

Deviation bei MuÖ

..... mm re ...... mm li Sagittaler Überbiss

..... mm

vertikaler Überbiss

..... mm

Mittellinienverschiebung

..... mm £ re £ li

Okklusion sagittal li: ...... Pb dist/mes re: ...... Pb dist/mes

Unterkiefer in ventraler Kontaktposition (VKP) → Diff IKP/RKP > 0 mm ?

Statische Okklusion

Primärkontakte SZR Schub Attrition

7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 lat. ….. mm vent. .... mm

7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7

Dynamische Okklusion

Arbeits-Kontakte Balance-Kontakte Abrasion

7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7

7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7

Unterkiefer in retraler Kontaktposition (RKP) → Diff IKP/RKP ≅ 0 mm ?

Statische Okklusion

Primärkontakte FZR Schub Attrition

(4) 3 2 1 1 2 3 (4) lat. ….. mm retr...... mm

(4) 3 2 1 1 2 3 (4)

Dynamische Okklusion

Arbeitskontakte FZR Abrasion

(4) 3 2 1 1 2 3 (4)

(4) 3 2 1 1 2 3 (4)

Röntgenbefund (MF, OPG, Schüller re/li)

Page 37: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

37

37

Vorbemerkung Ø Jeder therapeutische Eingriff erfordert im Vorfeld eine

eindeutige Diagnose Ø „CMD“ als Diagnose ist causal wie therapeutisch genausowenig aus- sagekräftig wie etwa „Zahnschmerzen“. Ø Die Diagnose „Zahnschmerzen“ wird erst durch die Benennung der Ursachen therapierelevant, z.B. also durch den Zusatz „auf Grund einer Pulpitis/apikalen Parodontitis 34“.

Ø Die Allgemeindiagnose „CMD“ führt damit in der Regel auch nur zum Einsatz eines ebenso diffusen Behandlungsmittels wie der „Schiene“.

Ø Die Diagnose „CMD“ muss daher durch die mit der Befunderhebung ermittelten Ursachen des jeweiligen Beschwerdebildes ergänzt werden.

Ø Z.B. „CMD“ bzw. Myopathie oder Myoarthropathie auf Grund einer „Retralverlagerung des Unterkiefers infolge Nonokklusion im Seitenzahnbereich oder Primärkontakten im Frontzahnbereich mit Druckdolenzen und/oder Spontanschmerzen der Kaumuskulatur und/oder der Kiefergelenke“.

Befundbezogene Behandlungsmassnahmen allgemein

KORREKTUR VERTIKALE KIEFERRELATION Additive / subtraktive Maßnahmen

KORREKTUR HORIZONTALE KIEFERRELATION

UK IN VKP Subtraktive Maßnahmen – Entfernung Primärkontakte lateral

UK IN RKP Subtraktive Maßnahmen – Entfernung Primärkontakte frontal

Additive Maßnahmen – Aufbau Kauflächen lateral

KORREKTUR ARBEITS - BALANCE - KONTAKTE LATERAL KORREKTUR ARBEITS - KONTAKTE FRONTAL

Tab. 7: Korrekturmaßnahmen in der Funktionstherapie

Therapieansätze Ø Aufklärung über die Ursachen und Folgen von Funktionsstörungen.

Ø Selbst- oder Fremdbeobachtung zur Feststellung von Art und Zeit-punkt von parafunktionellen Aktivitäten bzw. zur bewussten Unter-brechung von Parafunktionen (Biofeedback).

Ø Beseitigung entzündlicher Prozesse:

– Pulpitis, Parodontitis, Sinusitis, – Druckstellen und Stomatitiden, – Wurzelreste und verlagerte Zähne.

Ø Beseitigung von Fremdkörperreizen:

– Korrektur von Form, Lagestabilität und Okklusion eines ursäch-lichen Zahnersatzes,

– Aufhebung von Immobilisierungseffekten durch interdentale Tren-nung verblockter Kronenverbände von mehr als 3 oder 4 Pfeiler-zähnen.

Zielsetzung Funktionstherapie Fu

nktio

nelle

The

rapi

e Fu

nktio

nsth

erap

ie

Page 38: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

38

38

Ø Beseitigung okklusaler Störungen:

– Wiederherstellung verlorengegangener Stützzonen mit geeignetem provisorischem Zahnersatz → provisorischen Kronen bzw. Brücken oder abgestützten provisorischen Einstückgussprothesen,

– additive/subtraktive Korrekturen der statischen und dynamischen Okklusion.

Ø Korrektur der vertikalen Kieferrelation:

– mit subtraktiven Maßnahmen bzw. zirkulärer provisorischer prothetischer Neuversorgung, wenn eine gravierende Bisshebung vorliegt,

– mit additiven Maßnahmen oder lateralen bzw. zirkulären Auf-bissbehelfen, wenn eine gravierende Bisssenkung vorliegt.

Ø Korrektur der horizontalen Kieferrelation:

– mit Einschleifkorrekturen zur Beseitigung lateraler Primär-kontakte und Gleithindernisse, wenn sich der Unterkiefer in einer ventralen, lateralen oder diagonal-ventralen exzentrischen Kontaktposition befindet,

– mit Einschleifkorrekturen zur Beseitigung frontaler Primär-kontakte und Gleithindernisse bei Frontzahnkronen bzw. additiven Maßnahmen oder lateralen Aufbissbehelfen zur Beseitigung einer lateralen Nonokklusion, wenn sich der Unterkiefer in retraler Kontaktposition befindet,

Ø Linderung akuter Schmerzzustände und unterstützende Relaxierungs-hilfen: – Aqualizer(Gelax) zur temporären okklusalen Entkopplung. – Physikalische Therapie in Form von Wärme-/Kälteapplikation im Bereich der Kiefergelenke und Kaumuskulatur.

Ø Physiotherapie:

– Massage der Kaumuskulatur. – Passive Bewegungsübungen mit isotoner Lockerung hypo- bzw. hypervalenter Kaumuskelgruppen.

– Aktives Antagonistentraining mit isometrischen ventral-, retral- oder lateral orientierten Spannungsübungen der hypovalenten Kau-muskelgruppen gegen den Widerstand der Hand.

– Chiropraktische und manualtherapeutische Maßnahmen im Bereich der Wirbelsäule (Osteopathie).

Ø Endoskopische, chirurgische Kiefergelenkrevision:

– Beseitigung freier (Discus-) Gewebepartikel, – Glättung Randzacken, – Reposition Discus.

Ø Eventuell medikamentöse Unterstützung:

– Schmerzbeseitigung: Analgetika, Antirheumatika, Glucocorticoide.

– Relaxation der Muskulatur: Psychopharmaka, Muskelrelaxantien.

Page 39: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

39

39

Leitsymptom: Unterkiefer nach ventral (lateral) verlagert, vertikale Kieferrelation intakt Ø Manuell geführte Einnahme der Schlussbissposition in RKP mit ven-tralem oder diagonalem Schub über Primärkontakte im Seitenzahnbe-reich.

Ø Unterkiefer uni-/bilateral in ventraler Kontaktposition (VKP).

SCHUB ÜBER LATERALE PRIMÄRKONTAKTE VENTRAL – DIAGONAL

UNTERKIEFER UNILATRAL / BILATERAL IN VKP

JUSTIERUNG UK MANUELL ZWANGLOS RETRAL

SUBTRAKTIVE MASSNAHMEN SZR INSTRUMENTELLE FUNKTIONSANALYSE

Tab. 8: Therapiemaßnahmen Unterkiefer unilateral (diagonal) oder bilateral in ventraler Kontaktposition (VKP)

Ø Zielsetzung:

– Kausale Therapie: Beseitigung der ursächlichen okklusalen Interferenzen im Seitenzahnbereich mittels Einschleifkorrektu-ren.

Ø Typ: gleitende Okklusion mit schubfreier Einnahme der IKP bei ge-ringem, frontal freiem Artikulationsspielraum. → Long-Wide Centric.

Ø Therapieprinzipien:

– Zuerst Ermittlung und Beseitigung der ursächlichen Primär-kontakte mittels passiv-manuell geführtem Kieferschluss aus der Ruheschwebehaltung in die zwanglose retrale Kontaktposition mit Okklusionsfolie und geeigneten Einschleifmassnahmen (Abb.19),

– Dann Ermittlung und deutliche Reduzierung von Gleithinder-nissen bzw. Arbeits- oder Balancekontakten mittels Knirschbe-wegungen mit Okklusionsfolie und geeigneten Einschleifmassnahmen (Abb.19),

– Bei umfangreichen Einschleifkorrekturen ist eine vorherige Ergebniskontrolle mit Hilfe einer instrumentellen Funktions-analyse im Artikulator angezeigt:

Befundbezogene Behandlungsmaßnahmen UK in VKP

Page 40: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

40

40

Ø Hilfsmittel/Vorgehen: – Zentrikregistrat in passiv-manuell geführter zwanglos-retraler Kontaktposition des Unterkiefers (Hartsilikon auf Vinylpoly-siloxanbasis oder okklusale Kunststoffstopps),

– Einartikulieren des Oberkiefermodells mit dem Gesichtsbogen arbiträr,

– Einartikulieren des Unterkiefermodells mit Bissregistrat, – Justierung der Kondylenbahnneigung mittels exzentrischer Bissre-gistrate oder besser: einer frei gewählten Kondylenbahnneigung von maximal 0° (siehe Kapitel Artikulatorjustierung),

– Absenkung des oberen Modellträgers bis zum ersten Zahnkontakt mit anschließender sukzessiver Folienmarkierung und Korrektur der okklusalen Seitenzahn-Kontaktsituation bis kurz vor Front-kontakt,

– Herstellung stabiler Vielpunktkontakte im Seitenzahnbereich unter Beibehaltung der ursprünglichen vertikalen Kiefer-relation und Frontzahnführung,

– Kontrolle/Korrektur von (Hyper-) Arbeits- und (Hyper-) Balance-Kontakten,

– Erstellung eines Schleifprotokolls → Problem: exakte klinische Umsetzung,

– Analoge klinische Einschleifkorrekturen der statischen und dyna-mischen Okklusion,

– Ergebniskontrolle und ggf. weitere Einschleifkorrekturen in einem zeitlichen Abstand von ca. 4 Wochen.

Abb. 19: Korrektur okklusaler Interferenzen

Einschleifkorrekturen von Primärkontakten und Gleithindernissen im Front- und Seitenzahn-bereich.

Page 41: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

41

41

Leitsymptome: Unterkiefer nach retral (lateral) verlagert, vertikale Kieferrelation intakt oder fehlerhaft, Gelenkschaden reversibel Ø Manuell geführte Einnahme der Schlussbissposition in RKP, initia- les, schlussbissnahes reziprokes Kiefergelenkknacken mit Primär- kontakten im Frontzahnbereich oder Bisssenkung im Seitenzahnbe-reich.

Ø Unterkiefer uni-/bilateral in retraler/cranialer Kontaktposition (Rkp).

REZIPROKES KIEFERGELENKKNACKEN INITIAL UNTERKIEFER UNILATERAL / BILATERAL IN RKP

PRIMÄRKONTAKTE FRONTZÄHNE – NONOKKLUSION SEITENZÄHNE

JUSTIERUNG UK VENTRAL NACH KNACKPUNKT

SUBTRAKTIVE MASSNAHMEN FZR ADDITIVE MASSNAHMEN SZR

Tab. 9: Therapiemaßnahmen Unterkiefer unilateral, bilateral oder diagonal in retraler Kontaktposition (RKP)

Ø Zielsetzung: – Kausale Therapie: Einschleifkorrekturen in der Front bei über-konturierten Frontzahnkonen oder Neufestlegung einer therapeu-tischen Unterkiefer-Schlussbissposition mit Bisshebung über die native Frontzahnführung und den Schließknackpunkt der Kieferge-lenke.

Ø Typ: Gleitende Okklusion mit schubfreier Einnahme der IKP bei ge-ringem, frontal freiem Artikulationsspielraum: – Long-Wide Centric – Eine konservative kausale Therapie durch einen Eingriff in die Okklusion bzw. Kieferrelation ist nur dann möglich, wenn die Gelenkgewebe morphologisch intakt und lediglich geringfügig räumlich gegeneinander verlagert sind.

– Dieser Therapieansatz ist nicht mehr möglich, wenn die Gelenkge-webe bereits morphologische Veränderungen aufweisen.

Ø Therapieprinzipien:

– Korrektur/Neufestlegung der horizontalen und der vertikalen Kieferrelation zur Entlastung der Kaumuskulatur bzw. Kieferge-lenke durch Beseitigung der frontalen Primärkontakte und Her-stellung eines geringfügigen frontal freien Artikulationsspiel-raums:

– bei überkonturierten Oberkiefer- oder Unterkiefer-Front-zahnkronen mittels Einschleifkorrekturen im Front-zahnbereich,

– bei nativen Frontzahnkonfigurationen mittels additiver Maßnahmen im Seitenzahnbereich.

Befundbezogene Behandlungsmaßnahmen UK in RKP

Page 42: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

42

42

– Die Korrekturkriterien für die therapeutische Änderung der Schlussbissposition des Unterkiefers ergeben sich • für die vertikale Kieferrelation = Ausmaß der erforderlichen Bisshebung aus dem physiologischen räumlichen Platzbedarf des Discus im Gelenkspalt und damit aus der Situation unmittelbar vor dem Schließknackpunkt,

• für die therapeutische horizontale Kieferrelation = Ausmaß der erforderlichen Ventralverlagerung des Unterkiefers aus dem nativen Frontzahnkontakt (Abb.20).

Ø Die spontane therapeutische Verlagerungstoleranz der Kaumuskulatur beträgt dabei in vertikaler wie ventraler Richtung, gemessen am Inzisalpunkt, maximal 2mm.

Ø Hilfsmittel/Vorgehen: – Anteriorer Aufbissbehelf im Oberkiefer aus Kaltpolymerisat oder lichthärtendem Kunststoff mit inzisalem Aufbisstisch zur Ein-stellung und Fixierung der therapeutischen Kieferrelation in vertikaler, sagittaler und transversaler Richtung (Abb.20c).

– Ermittlung der therapeutischen vertikalen und ventralen Unter-kieferposition aus zwangloser maximaler Mundöffnung mit an-schließender Einnahme des Inzisalkantenkontaktes und nachfol-gender, vom Patienten selbst ausgeführter, langsamer zwangloser frontzahngeführter Abgleitbewegung des Unter-kiefers Richtung Schlussbissposition (Abb.20a): • Bei bilateralem Kiefergelenkknacken aus dem Inzisal-kantenkontakt entlang der Oralflächen der Oberkieferfront-zähne bis zum Erreichen des Schießknackpunkts.

• Bei unilateralem Kiefergelenkknacken aus dem Eckzahn-kontakt der Gegenseite entlang der Oralfläche des Ober-kiefereckzahnes bis zum Erreichen des Schließknackpunkts unter Beachtung der Mittellinien der oberen und unteren Frontzähne.

– Markierung der vertikalen Abgleitposition des Unterkiefers ca. 0,5mm vor dem Schließknackpunkt mit wasserfestem Filzschreiber an den Labialflächen der Unterkieferschneidezähne (Abb.20a).

– Korrektur der Höhe des Aufbisstisches und Fixierung der knack-freien vertikalen Unterkieferposition über den inzisalen Auf-bisstisch bei gleichzeitigem natürlichem frontalem Antagonis-tenkontakt mit einem Tropfen Kaltpolymerisat.

– Anschließend Korrektur der neuen, therapeutischen Kieferrelation mit additiven Maßnahmen im rechten und/oder linken Seitenzahn-bereich in der neuen Schlussbissposition (Abb.20b): • Bei geringer Nonokklusion mittels Kaltpolymerisat oder licht- bzw. selbsthärtendem Komposit, bei natürlichen Zähnen mit Hilfe der Säureätztechnik, bei Brückenersatz mit Hilfe mecha-nischer okklusaler Retentionen oder Silanisierung der Kau-flächenareale und bei Teilprothesen direkt auf den Kauflächen der Seitenzähne, wobei die Artikulation im Seitenzahnbereich nach Vorgabe der Frontzahnführung freigeschliffen wird.

• Bei größerer Nonokklusion mit okklusal mittels Kaltpolymerisat adjustierten Tiefziehschienen von 4-7 aus 0,5mm Erkodurfolie, wobei die Artikulation nach Vorgabe der Frontzahnführung freigeschliffen wird.

Page 43: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

43

43

• Im Falle einer später erforderlichen Neuversorgung der Seiten-zahnbereiche eines Kiefers ist die okklusale Korrektur auch mittels provisorischer Kronen oder Brücken nach provisorischer Präparation der Seitenzähne möglich, wobei die provisorische Versorgung auch als Bissschlüssel zum Einartikulieren des Arbeitsmodells und zur Justierung des Artikulators verwendet

werden kann. Ø Die erforderliche therapeutische Ventralverlagerung des Unterkiefers und die damit korrelierte therapeutische Bisshebung beträgt dabei in der Regel weniger als 1mm.

Abb. 20: Korrektur der vertikalen und horizontalen Kieferrelation bei schlussbissnahem, reziprokem Kiefergelenkknacken und Cranial- und/oder Retralverlagerung des Unterkiefers

a Dorsale und laterale Abgleitbewegung des Unterkiefers aus dem Inzisalkantenkontakt mit Strichmarkierung des Schließknackpunktes an den unteren Schneidezähnen und Fixierung der knackfreien Unterkieferposition über einen frontalen Kunststoffsplint (c) bei Berühr-kontakt der antagonistischen Frontzähne. b Korrektur der Kieferrelation mit additiven Maßnahmen im Seitenzahnbereich (bei geringer Nonokklusion mittels Kaltpolymerisat oder lichthärtendem Komposit, bei ausgeprägter Nonokklusion mittels adjustierter Tiefziehschienen 4-7 rechts und links. bei notwendiger Neuversorgung auch mittels provisorischer Kronen/Brücken). c Anteriorer Aufbissbehelf im Oberkiefer aus Kaltpolymerisat oder lichthärtendem Kunststoff mit inzisalem Aufbisstisch zur Einstellung und Fixierung der therapeutischen Kieferrelation in vertikaler, sagittaler und transversaler Richtung. Ausgangshöhe des inzisalen Aufbissplateaus auf halber Höhe der Oralflächen der oberen Frontzähne mit nachfolgender Einkürzung auf knackfreie vertikale Unterkieferposition bei Berührkontakt der antagonistischen Frontzähne.

Page 44: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

44

44

Leitsymptome: Unterkiefer retral (lateral) verlagert, vertikale Kieferrelation fehlerhaft, Gelenkschaden irreversibel Ø Manuell geführte Einnahme der Schlussbissposition in RKP, interme-diäres reziprokes Kiefergelenkknacken, Reibegeräusche oder Limita-tion der Kiefergelenke,

Ø Unterkiefer uni-/bilateral in retraler/cranialer Kontaktposition (RKP).

KIEFERGELENKKNACKEN INTERMEDIÄR REIBEGERÄUSCHE - LIMITATION

UNTERKIEFER UNILATERAL / BILATERAL IN RKP PRIMÄRKONTAKTE FRONTZÄHNE – NONOKKLUSION SEITENZÄHNE

UK - POSITION BELASSEN

BISSHEBUNG NUR BEI VERGRÖSSERTEM IOA

EINSCHLEIFKORREKTUR DYNAMISCHE OKKLUSION FZR / SZR „ENTLASTUNGSSCHIENE“

Tab. 10: Therapiemaßnahmen Unterkiefer unilateral, bilateral oder diagonal in retraler Kontaktposition (RKP). Kiefergelenkschaden irreversibel und patho-logisch angepasst.

Ø Zielsetzung:

– Symptomatische Therapie: Beseitigung okklusaler Interferenzen mittels Einschleifkorrekturen,

– ggf. distraktive Entlastung der Kiefergelenke durch geringe Bisshebung mittels additiver Maßnahmen oder geigneter Aufbissbe-helfe.

Ø Typ: gleitende Okklusion mit schubfreier Einnahme der IKP bei geringem, frontal freiem Artikulationsspielraum, → Long-Wide Centric. – Der Kiefergelenkschaden ist in der Regel durch morphologische Veränderungen der Gelenkstrukturen bereits pathologisch ange-passt.

– Eine kausale Therapie ist nicht mehr möglich. – Bei Limitationen der Gelenkmobilität sind evtl. als initiale diagnostische Therapiemaßnahme nicht-adjustierte laterale Auf-bissbehelfe im Unterkiefer von jeweils 4-7 aus Tiefziehfolie 0,5 mm oder die Anwendung eines Aqualizers (Gelax) bzw. Feder-aktivators zur vorübergehenden mechanischen Entlastung der Kiefergelenke im Seitenzahnbereich angezeigt.

Ø Therapieprinzipien:

– Zuerst Ermittlung und Beseitigung von Primärkontakten mittels passivem, zwanglos-manuell geführtem Kieferschluss aus der Ruhe-schwebehaltung mit Okklusionsfolie und geeigneten Einschleif-massnahmen,

Befundbezogene Behandlungsmaßnahmen UK in RKP - Spätschaden

Page 45: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

45

45

– Dann Ermittlung und Beseitigung von Arbeits- oder Balacekon-takten im Seitenzahnbereich mittels Knirschbewegungen mit Okklu-sionsfolie und geeigneten Einschleifmassnahmen.

– Bei vergrößertem Interokklusalabstand ist dabei initial eine Korrektur der vertikalen Kieferrelation angezeigt.

Ø Hilfsmittel/Vorgehen:

– Vertikale Kieferrelation intakt: – Einschleifkorrekturen zur Beseitigung von Primärkontakten im Frontzahnbereich und von Arbeits-/Balancekontakten im Seiten-zahnbereich mit Herstellung eines geringen frontal freien Artikulationsspielraums (Abb.21a). • bei palatinal überkonturierten Frontzahnkronen im Oberkiefer: Abtrag der Oralflächen,

• bei inzisal-vestibulär überkonturierten Frontzahnkronen im Unterkiefer: Abtrag der Inzisalkanten und der Vestibulärflä-chen.

– Vertikale Kieferrelation zu niedrig: – Korrektur der Primärkontakte im Frontzahnbereich mittels einer geringfügigen Bisshebung mittels additiver Maßnahmen im Seiten-zahnbereich mit (Abb.21b,c): • Kaltpolymerisat oder licht- bzw. selbsthärtendem Komposit, bei natürlichen Zähnen mit Hilfe der Säureätztechnik, bei Brücken-ersatz mit Hilfe mechanischer Retentionen und bei Teil-prothesen direkt auf den Kauflächen der Seitenzähne ohne Ver-schlüsselung der Okklusion.

• einfachen nicht-adjustierten Tiefziehschienen von 4-7 aus 0,6mm Erkodurfolie.

• Im Falle einer später erforderlichen Neuversorgung der Seiten-zahnbereiche eines Kiefers ist die okklusale Korrektur auch mittels provisorischer Kronen oder Brücken nach provisorischer Präparation der Seitenzähne möglich, wobei die provisorische Versorgung auch als Bissschlüssel zum Einartikulieren des Arbeitsmodells und zur Justierung des Artikulators verwendet werden kann.

a Anmerkung: Zur Vermeidung von einschleiftechnischen, konservierenden oder pro-thetischen Eingriffen werden bei Funktionsstörungen, vor allem in Fällen nativer Zahnbestände, häufig kieferorthopädische Thera-piemaßnahmen als Mittel der Wahl erwogen. Da die Behandlung von Funktionsstörungen mit ihren unterschiedlichen Ursachen und pathologischen Folgeveränderungen in der Regel sehr unterschiedlich gelagerte, sowohl umfangreiche wie kleinteilige und metrisch exakte Eingriffe erfordert, sind kieferorthopädische Mass-nahmen jedweder Art kein geeignetes Mittel für eine zielgerichtete Therapie von Fehlern in der Okklusion und Kieferrelation. Nicht selten sind deshalb auch kieferorthopädische Eingriffe und daraus resultiernde Fehler in der Okklusion und Kiefer-relation als Ursache für Funktionsstörungen zu beobachten.

Page 46: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

46

46

Abb. 21: Korrekturen der vertikalen Kieferrelation bei schlussbissfernem, reziprokem Kiefergelenkknacken und irreversiblen Gelenkschäden

a Einschleifkorrekturen zur Beseitigung von Primärkontakten im Frontzahnbereich bzw. Hyperarbeits- bzw. Hyperbalancekontakten im Seitenzahnbereich → Long-Wide Centric, alternativ: Additive Maßnahmen im Seitenzahnbereich.

b Okklusaler Auftrag von licht-/oder kalthärtendem Kunststoff. c Einfache Tiefziehfolienschiene von 4-7 ohne Verschlüsselung der Okklusion im Seitenzahnbereich (Ludwig).

Page 47: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

47

47

Vorbemerkung Ø Aufbissbehelfe sind in der Regel symptomatische, gelegent- lich auch diagnostische Behandlungsmittel, die grundsätz-lich - nach möglichst kurzer Tragezeit – durch gezielte Korrekturen der vorhandenen Okklusion bzw.Kieferre- lation ersetzt werden müssen.

Ø Indikation:

– Temporäre symptomatische Therapie vorwiegend zentral bzw. peripher bedingter Funktionsstörungen des Kauorgans.

– Leitsymptome: • keine/geringe Fehler in der Kieferrelation bzw. der statischen und/oder dynamischen Okklusion.

Ø Zielsetzung: – Reduktion der Hypermotorik bzw. des Hypertonus der Kaumuskula-tur,

– Vermeidung zentrischer oder exzentrischer Kontaktpositionen bzw. Parafunktionspositionen des Unterkiefers durch okklusale Entkop-plung mittels anteriorem Bisssplint.

a Problem: Der anteriore Aufbiss wirkt bei längerer Tragezeit als frontaler Primärkontakt und wird damit selbst zu einem parafunktionellen okklusalen Trigger.

Formen der frontalen Aufbissbehelfe Ø Entkopplung der Okklusion durch anterioren Aufbiss (Abb.22a-c):

– Lucia-Jig: einfacher Kunststoffsplint auf den Oberkieferschnei- dezähnen mit zentraler Aufbissmulde von 12-22.

– Immenkamp: klammerfixierte Gaumenplatte im Oberkiefer mit later- alem Aufbissplateau bei 13 und 23.

– Dessner: klammerfixierte Gaumenplatte im Oberkiefer mit fron- talem Aufbissplateau von 13-23.

– Hawley: klammerfixierte Gaumenplatte im Oberkiefer mit fron- talem Aufbissplateau von 13 -23 und zusätzlichem Labialbogen.

– Sved: klammerfixierte Gaumenplatte im Oberkiefer mit fron- talem Aufbissplateau von 13- 23 und inzisalem Kanten- übergriff.

– Schulte: klammerfixierte Gaumenplatte oder Einstückgussgerüst mit Bonwill-Klammern im Oberkiefer und punktförmigem Aufbiss auf Klammerschultern im Prämolarenbereich des Unterkiefers regio 34/44 mit und ohne Labialbogen.

Frontale Aufbissbehelfe

Page 48: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

48

48

Abb. 22: Frontale Aufbissbehelfe

a Lucia-Jig: einfacher Frontzahnsplint aus Kaltpolymerisat. b Immenkamp, Dessner, Hawley, Sved: klammerfixierte Gaumenplatte mit fronta-lem Aufbiss.

c Schulte: punktförmiger Aufbiss auf Klammerschulter regio 34/44. a Wichtig: Tragedauer maximal 7 Tage mit anschließender Pause von 2 Wochen und nur während akuter Beschwerdephasen.

Page 49: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

49

49

Sonderformen der frontalen Aufbissbehelfe Ø Indikation:

– Temporäre diagnostische Therapie zur experimentellen Her-stellung einer fehlenden Frontzahnführung bei sagittal oder vertikal offenem Biss und intakter vertikaler und horizontaler Kieferrelaton bzw. Schlussbissposition (Abb.23).

– Disklusionsschiene: frontaler Aufbissbehelf im Oberkiefer aus Kaltpolymerisat oder aus Tiefziehfolie zur Herstellung einer experimentellen Frontzahn- führung bei vertikal oder sagittal offenem Biss.

Abb. 23: Sonderformen der frontalen Aufbissbehelfe

Disklusionsschiene: frontaler Aufbissbehelf zur Herstellung einer experimentellen Frontzahnführung bei vertikal oder sagittal offenem Biss.

Page 50: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

50

50

Vorbemerkung Ø Zirkuläre Aufbissbehelfe dürfen grundsätzlich nur dann eingesetzt werden, wenn deren Bauhöhe gleichzeitig einer vorhandenen ursächlichen Bisssenkung entspricht und diese ausgleicht.

Ø Jede Verkleinerung des Interokklusalabstandes bei primär intakter vertikaler Kieferrelation, insbesondere aber Bisserhöhungen über den durch die individuelle Ruheschwebehaltung vorgegebenen phy-siologischen Interokklusalabstand hinaus, bewirken eine Vor-dehnung der Muskelspindeln mit einer Steigerung der Leer- und Arbeitsaktivität der Kaumuskulatur.

Ø Aufbissbehelfe mit einer distalen Bauhöhe von > 1mm werden damit selbst zu einem parafunktionellen okklusalen Trigger.

Ø Indikation:

– Temporäre symptomatische oder causale Therapie vorwiegend peripher bedingter Funktionsstörungen des Kauorgans.

– Leitsymptome: • deutliche/massive Störung der vertikalen Kieferrelation mit • deutlicher/massiver Störung der statischen und/oder dynami-schen Okklusion.

Ø Zielsetzung:

– Experimentelle Ermittlung/Korrektur/Erprobung einer therapeuti-schen Kieferrelation bzw. Okklusion zur: • Korrektur der vertikalen und der horizontalen Unterkieferrela-tion,

• Korrektur der statischen und/oder der dynamischen Okklusion im Front- und/oder Seitenzahnbereich.

Formen der zirkulären Aufbissbehelfe I Ø Indikation:

– Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation mit Okklu-sionsausgleich im Front- und Seitenzahnbereich mit zirkulär balancierter Führung der Artikulation ohne transversale bzw. ventrale okklusale Verschlüsselung:

– Drum: zirkuläre Miniplastschiene im Oberkiefer oder Unter- kiefer aus 0,6mm starker Tiefziehfolie (Polycarbonat oder Polyethylen) bei minimaler Bisshebung (Abb.24a).

– Motsch: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kalt- polymerisat mit Abstützung der Stützhöcker in flachen Mulden ohne okklusale Verschlüsselung (Abb.24b).

– Slavicek: zirkuläre, acrylarmierte Miniplastschiene im Oberkie- fer mit Abstützung der Stützhöcker in flachen Mulden ohne okklusale Verschlüsselung (Abb.24b).

Zirkuläre Aufbissbehelfe

Page 51: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

51

51

Abb. 24: Zirkuläre Aufbissbehelfe I mit zirkulärer Führung der Artikulation

a Drum: zirkuläre Miniplastschiene im Oberkiefer oder Unterkiefer aus 0,6 mm starker Polycarbonat-Tiefziehfolie. b Motsch: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, Abstützung der Stützhöcker in flachen Mulden ohne okklusale Verschlüsselung. c Slavicek: zirkuläre, acrylarmierte Miniplastschiene im Oberkiefer mit Abstützung der Stützhöcker in flachen Mulden ohne okklusale Verschlüsselung.

Page 52: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

52

52

Formen der zirkulären Aufbissbehelfe II Ø Indikation:

– Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation und Okklus-ionsausgleich im Front- und Seitenzahnbereich mit bilateral balancierter Führung der Artikulation über den Seiten-zahnbereich ohne transversale bzw. ventrale okklusale Ver-schlüsselung (Abb.25): „Gleitpfadplatte“.

– Nur im Abrasionsgebiss:

– Shore: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kaltpoly- merisat, über frontalen Führungstisch im Mund geformt

→ „Kaupfadplatte“. – Gerber: zirkuläre, acrylarmierte Miniplastschiene im Oberkie- fer, über zentralen Stützstift im Mund oder im Artiku- lator geformt.

Abb. 25: Zirkuläre Aufbissbehelfe II mit Führung der Artikulation über den Seitenzahn-bereich Shore: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, über frontalen Tisch im Mund ge-formt → Kaupfadplatte. Gerber: zirkuläre, acrylarmierte Miniplastschiene im Oberkiefer, mit Stützstift im Mund oder im Artikulator geformt.

Formen der zirkulären Aufbissbehelfe III Ø Indikation:

– Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation und Okklu-sionsausgleich im Front- und Seitenzahnbereich mit Führung der Artikulation über den Frontzahnbereich (Abb.26a-c).

– Michigan: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kalt-

polymerisat mit Konstruktionsbiss in RKP, mittelbarer Front-Eckzahnführung und ventral und lateralem frontalem Spiel von ca. 0,5mm bei geringer Disklusion im Seitenzahnbereich.

– Schöttel: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kalt- polymerisat mit Konstruktionsbiss in RKP, unmittel- barer Front-Eckzahnführung und geringer Disklusion im Seitenzahnbereich.

– Gausch: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kalt- polymerisat mit Konstruktionsbiss in RKP, tripodi- sierter Okklusion im Seitenzahnbereich und Schneide- zahnführung entsprechend dem Protrusionsbahnwinkel des Kiefergelenks, sowie einer Eckzahnführung ent- sprechend dem Laterotrusionsbahnwinkel des Kiefer-

gelenks.

Page 53: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

53

53

– Frei-Graber:zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kalt- polymerisat mit Konstruktionsbiss in RKP, unmittel- barer, besonders steiler Front-Eckzahn-Führung zur Verhinderung der Einnahme exzentrischer Parafunk- tions-Positionen des Unterkiefers durch totale Ver- schlüsselung der Okklusion.

– Tanner: zirkuläre Okklusionsschiene im Unterkiefer aus Kalt- polymerisat mit inzisalem Übergriff zur Herstellung einer unmittelbaren Frontzahnführung bei sagittal oder vertikal offenem Biss.

– Protrusionsschiene: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer aus Kaltpolymerisat mit inzisalem Tisch zur sagit- talen bzw.transversalen Justierung des Unterkiefers mit Korrektur der Position der Kondylen und der Okklusion im Seitenzahnbereich bei natürlicher Frontzahnführung.

a Wichtig: Alle lateralen und zirkulären Aufbissbehelfe sind mit einer Biss-hebung verbunden, die nur dann in die definitive Versorgung übernommen werden kann, wenn im Vorfeld eine entsprechende Biss-senkung stattgefunden hat.

a Wichtig: Bei Abrasionsgebissen kann dem entsprechend nur dann eine Biss-hebung durchgeführt werden, wenn der Interokklusalabstand analog zum realen Längenverlust der Zähne vergrößert und der Längen-verlust selbst nicht alveolär oder skelettal kompensiert ist. – Dabei sind grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Abrasions-gebissen zu unterscheiden:

– Abrasionsgebisse mit zirkulär gleichmäßigem vertikalem Sub-stanzverlust aller Zähne und einer dem Substanzverlust analogen Vergrößerung des Interokklusalabstandes. Hier kann eine therapeutische Bisshebung durchgeführt werden.

– Abrasionsgebisse mit von distal nach mesial zunehmender Abrasion mit keinem oder nur geringem Substanzverlust im end-ständigen Molarenbereich und dem größten Substanzverlust im Be-reich der Frontzähne bei normalem Interokklusalabstand. Hier darf zur Rekonstruktion der Frontzahnlängen keine Biss-hebung durchgeführt werden.

a Wichtig: Eine Bisshebung muss in jedem Fall vor der definitiven Umsetzung über einen ausreichenden Zeitraum von mindestens 3 Monaten kli-nisch erprobt werden.

Page 54: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

54

54

Abb. 26: Zirkuläre Aufbissbehelfe III mit Führung der Artikulation über den Frontzahnbereich

a Michigan: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, mittelbare Front-/Eckzahn- führung mit Ausgleich einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. Schöttel: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, unmittelbare Front-/Eckzahn-führung mit Ausgleich einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. Gausch: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, tripodisierte Okklusion im Seiten-zahnbereich und Schneidezahnführung entsprechend dem Protrusionsbahnwinkel des Kiefergelenks, Eckzahnführung entsprechend dem Laterotrusionsbahnwinkel des Kiefergelenks mit Ausgleich einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. Frei-Graber: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, unmittelbare, besonders steile Front-/Eckzahnführung und totale Verschlüsselung der Okklusion mit Ausgleich einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. b Tanner: zirkuläre Okklusionsschiene im Unterkiefer, inzisaler Übergriff zur Herstel-lung einer unmitelbaren Frontzahnführung bei sagittal oder vertikal offenem Biss mit Ausgleich einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich. c Protrusionsschiene: zirkuläre Okklusionsschiene im Oberkiefer, inzisaler Tisch zur sagittalen und transversalen Justierung des Unterkiefers mit Korrektur der Position des Kondylus und der Okklusion im Seitenzahnbereich bei natürlicher Frontzahn-führung mit Ausgleich einer Nonokklusion im Seitenzahnbereich.

Page 55: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

55

55

Sonderformen der (zirkulären) Aufbissbehelfe I Ø Indikation:

– Temporäre Distraktion der Kiefergelenke und Beseitigung frontaler Primärkontakte bei Retral- und/oder Cranialverlagerung des Unterkiefers:

- Sears: lateraler Aufbissbehelf im Unterkiefer aus Kaltpolymeri- sat mit distalem Aufbisspunkt zur diagnostischen bzw.tem-

porären Distraktion/Entlastung der Kiefergelenke → Pivotierungsschiene (Abb.27a).

- Ludwig: lateraler, nicht adjustierter Aufbissbehelf im unteren Seitenzahnbereich von 4-7 in Form einer geteilten Mini- plastschiene (0,6mm) zur diagnostischen temporären Dis-

traktion/Entlastung der Kiefergelenke und Korrektur einer Bisssenkung im Seitenzahnbereich (Abb.27b).

Abb. 27: Sonderformen Aufbissbehelfe I

a Sears: zirkulärer Aufbissbehelf im Unterkiefer mit distalem Aufbisspunkt zur temporären diagnostischen Aufhebung von frontalen Primärkontakten und Distraktion/Entlastung der Kiefergelenke → Pivotierungsschiene. b Ludwig: lateraler Aufbissbehelf im Unterkieferseitenzahnbereich von 4-7 in Form einer geteilten Miniplastschiene (0,6mm) zur temporären diagnostischen Aufhebung von frontalen Primärkontakten und Distraktion/Entlastung der Kiefergelenke.

Sonderformen Aufbissbehelfe

Page 56: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

56

56

Sonderformen der (zirkulären) Aufbissbehelfe II Ø Indikation:

– Temporäre Mobilisierung der Kiefergelenke bei Limitation der Mundöffnung durch mechanische Behinderung der translatorischen Kondylenbewegung (Discusprolaps):

– Sander: Doppelplatte mit Deltafedern an Ober- und Unterkiefer- zahnreihe fixiert, beide Platten im Bereich 7/7 mit einer federharten Stahlfeder versehen, deren Arme je- weils lingual im Bereich 5/6 in den Platten verankert sind → Federaktivator (Abb.28a).

– Aqualizer:gummielastische, mit Flüssigkeit gefüllte laterale Aufbisskissen (Gelax), die nach dem Prinzip der kom- munizierenden Röhren mit einem gegenseitigen Druck- ausgleich versehen sind (Abb.28b).

– Anmerkung zu Gelax Aqualizer: Die Anwendung führte bei funktionsgesunden Probanden nach einer Tragezeit von 6 Stunden zu akuten Myopathien mit erheblichen Störungen der Okklusion.

Abb. 28: Sonderformen Aufbissbehelfe II

a Sander: Doppelplatte mit federharter Stahlfeder, deren Arme jeweils lingual im Bereich 5/6 in den Platten verankert sind zur temporären diagnostischen Aufhebung von frontalen Primärkontakten und Distraktion/Entlastung der Kiefergelenke. b Aqualizer: gummielastische, mit Flüssigkeit gefüllte laterale Aufbisskissen, die nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren mit einem Druckausgleich versehen sind zur temporären diagnostischen Aufhebung von frontalen Primärkontakten und Distraktion/Entlastung der Kiefergelenke (Gelax).

Page 57: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

57

57

Allgemeines Ø Ziel:

– Individuelle Justierung eines Artikulators zur Vermeidung dyna-mischer okklusaler Interferenzen im Front- und Seitenzahnbe-reich.

Ø Voraussetzung:

– exaktes Registrat der Kieferrelation in Schlussbissposition, – funktionell, auch mit provisorischen Mitteln wiederhergestellte intakte statische und dynamische Okklusion,

– teil- ggf. auch volljustierbarer Artikulator.

Methoden Ø Die Justierung eines Artikulators kann „klassisch“ mittels einer individuellen klinischen Registrierung der Führungsparameter der dynamischen Okklusion durchgeführt werden. Dazu erforderlich sind: – Gelenkbezogene Modellmontage. – Registrierung des sagittalen Kondylenbahnwinkels und des Bennett-Winkels.

– Dabei ergeben sich stets positive Kondylenbahnwinkel, die in Bezug zur Camperschen Ebene bzw. Kauebene Werte von durch-schnittlich plus 33° erreichen.

Ø Nachteil:

– Diese herkömmliche und übliche Justierung eines Artikulators mittels individuell registrierten Kondylenbahnwinkeln nach klassischer Registriermethode bewirkt bei gegebener Frontzahn-führung in der Regel unmittelbar und steil ansteigende dis-klusive Arbeits- und Balancebahnen im Bereich der antagonis-tischen Seitenzahnreihen (Abb.29).

– Die damit verbundene Gefahr der Gestaltung initial zu steiler konvexer Höckerflanken ergeben mit der damit einhergehenden Blockierung des physiologischen transversalen translatorischen Bewegungsspiels der Kiefergelenke okklusale Interferenzen wie Hyperarbeits- bzw. Hyperbalancekontakte.

– Sie erzeugt damit zuverlässig Triggereffekte für okklusale Interferenzen und parafunktionelle Aktivitäten der Kaumuskula-tur.

Artikulatorjustierung

Page 58: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

58

58

Abb.29: Artikuläre Funktionsparameter

Auswirkungen von Änderungen der sagittalen Zuordnung der Zahnreihen zu den Kiefer-gelenken (a), der sagittalen Kondylenbahnneigung (b) und des Bennettwinkels (c) auf die horizontalen und vertikalen Arbeitsbahnen (A) und Balancebahnen (B) eines Stützhöckers im Bereich des ersten Molaren. Positive Gelenkbahnneigungen führen zu steilen Balancebahnwinkeln.

Ø Die Justierung eines Artikulators kann aber auch unter ausschließ-licher Nutzung der individuellen okklusalen Führung der natürli-chen antagonistischen Zahnreihen durchgeführt werden (Gleitbiss-technik Wustrow 1930 und Böttger 1978). Dazu erforderlich sind: – Modellmontage nach Mittelwerten. – Ermittlung eines virtuellen Kondylenbahnwinkels aus den okklusa-len Gleitkontakten der Front- und Seitenzähne.

– Dabei ergeben sich, abhängig von der Größe bzw. Tiefe des frontalen Überbisses und der transversalen Höcker-neigung bzw. Höckerhöhe der endständigen Molaren in der Regel negative Kondylenbahnwinkel von 0°- minus 30°.

Ø Vorteil:

– Die Justierung des Kondylenbahnwinkels nach rein okklusalen Vor-gaben bewirkt bei gegebener Frontzahnführung Arbeits- und Balancebahnen, die weitgehend der individuellen natürlichen Höckerneigung der antagonistischen Seitenzahnreihen entsprechen (Abb.30).

– Mit dieser Abstimmung der Unterkieferbewegung auf die tatsäch-lich gegebenen okklusalen Führungswinkel können Blockierungen des physiologischen transversalen translatorischen Bewegungs-spiels der Kiefergelenke und damit auch unerwünschte okklusale Interferenzen weitgehend vermieden werden.

Ø Technik:

– Modellmontage nach Mittelwerten, – Lateralbewegung nach links und rechts in spitzennahen Eckzahn-Oralflächenkontakt und Absenkung des jeweils gegenüberliegenden Kondylenbahnwinkels bis zum Molarenkontakt →

– Eckzahn-Molaren-Diagonale (Abb.30). – Bei funktionell intakter Frontzahnführung nutzbar zur funktio-nellen Kauflächengestaltung der Seitenzähne.

– Bei funktionell intakter Seitenzahnführung auch im Umkehrschluss nutzbar zur Gestaltung der Oralflächen der oberen Frontzähne ohne Verwendung eines Frontzahnführungstellers.

a b c

+

+

± 10mm

-

A B

--

+ +-

GBN 33° ± 10°

A B

-+

C

++

BW 15° ± 10°

A B

--

Page 59: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

59

59

Abb. 30: Okklusale Artikulatorjustierung Lateralbewegung nach links und rechts in spitzennahen Eckzahn-Oralflächenkontakt und Absenkung des jeweils gegenüberliegenden Kondylenbahnwinkels bis Molarenkontakt.

a Gelenksituation bei Arcon-Artikulatoren (1) und bei Non-Arconartikulatoren (2), b Einstellung der Eckzahnkontakte, c Molarenkontakt nach Absenkung der Kondylenbahnwinkel des Artikulators.

Anmerkung individuelle Glenkbahnneigung Ø Die Führung der räumlichen Bewegung des Unterkiefers ist abhängig von den mechanischen Führungsparametern der Kiefergelenke und der Größenordnung der begleitenden Kräfte der Kaumuskulatur.

Ø Die translatorische Bewegungskapazität der Kiefergelenke lässt auch bei frontzahngeführter Okklusion Gleitkontakte im Seiten-zahnbereich zu, die mit Lastbewegungen des Unterkiefers wie kräf-tigem Knirschen provozierbar sind.

Ø Diese können mit den vorwiegend kraftfreien Leerbewegungen der klassischen Registriertechniken nicht bzw. nur sehr begrenzt er-fasst werden. Sie sind jedoch bei einer Justierung des Artikula-tors über den okklusalen Führungskomplex weitgehend in die artiku-läre Bewegungsführung integriert.

Page 60: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

60

60

Ø Deshalb: – Justierung des Artikulators nach dem individuellen okklusalen Führungsmuster.

– Umwandlung der diskludierenden, frontzahngeführten Okklusion in eine, im Zusammenspiel von Front- und Seitenzähnen, balancierte, rein okklusal geführte individuelle Okklusion.

– Damit erübrigt sich auch die Anwendung sämtlicher klas-sischer klinischer Regiestriermassnahmen.

Anmerkung individuelle Modellmontage Ø Die kiefergelenkbezogene Modellmontage mittels eines Gesichts bogens ist aus den o.a. Gründen also nur dann indiziert, wenn – als zahntechnische Orientierungshilfe zur Rekonstruktion der räumlichen Lage der Kauebene beim zahnlosen Patienten oder stark reduzierten Lückengebissen mit unterschiedlicher Elongation einzelner Zähne ein Bezug bzw. eine Ausrichtung zur Camperschen Ebene erforderlich ist, oder

– eine nachträgliche Änderung bzw. Korrektur der vertikalen Kieferrelation im Artikulator erfolgen soll.

– Dabei erlaubt eine arbiträre Modellmontage vertikale Verände-rungen im Bereich des ersten Molaren von plus oder minus 2mm.

– Größere vertikale Veränderungen sind dagegen nur über eine Registrierung der Scharnierachse möglich.

Page 61: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

61

61

Stichwortverzeichnis

Abrasionsgebiss - Formen 19,31,34,36 - Grad 9,30,34,36 - Therapiehinweise 52,53 Additive Massnahmen 39f,43f Analgetika 38 Antagonistentraining 38 Antirheumatika 38 Arbeitskontakte 11f,30,35,36 Artikulationsspielraum - frontal 9,11,39,41,44,46f Artikulatorjustierung - klassisch 59 - okklusal 60f Aufbissbehelfe frontal - Dessner 47,48 - Disklusionsschiene 49 - Hawley 47,48 - Immenkamp 47,48 - Lucia-Jig 47,48 - Schulte 47,48 - Sved 47,48 Aufbissbehelfe zirkulär - Drum 50,51 - Frei-Graber 53,54 - Gausch 52,54 - Gerber 52 - Michigan 52,54 - Motsch 50,51 - Protrusionsschiene 53,54 - Schöttel 52,54 - Shore 52 - Slavicek 50,51 -Tanner 53,54 Aufbissbehelfe Sonderformen - Aqualizer 56 - Ludwig 55 - Sander 56 - Sears 55 Balancekontakte 11f,20,30,35, 39f,45f,57 Bennettwinkel 12,13,57,58 Bilaminäre Zone 8,19 Bisshöhe 20 Bissnahme 33 Bisssenkung 9,29,38,41,50,55 Bisshebung 9,38,41f,53 Bisstyp 9 Chorda tympani 32 CMD 37 Costen Syndrom 32 Diskus articularis - Anheftungen 19f,26,28 - Falten 19,28 - Morphologie 7f,28 - Prolaps 19,27,28 - Perforation 19,28 - Reposition 38,42 - Taschen 19,28 Diskoordination 26 Drehmomente UK 13f

Interferenzen - statisch 9,12,16f,35,39,40,44,57f - dynamisch 12,16,18,35,44,57f

Interokklusalabstand 9f, 20, 28, 29,30,33, 34,45,50,53

Dysfunktion 19 Einschleifkorrekturen 38f,44f Einstückgussprothese 38,47 Erytheme 33 Fischerwinkel 13 Funktionsanalyse - Befundbogen 36 - instrumentell 39 - klinisch extraoral 25f - klinisch intraoral 30f Funktionelle Befunde extraoral - Kiefergelenk 25f,36 - Muskulatur 25,36 - Kieferrelation vertikal 25,28,36 Funktionelle Befunde intraoral - Abrasion 34,36 - Arbeitskontakte 36 - Attrition 34 - Balancekontakte 36 - Keildefekte 34 - Kieferrelation horizontal 30,36 - Kieferrelation vertikal 30,34,36 - Mundöffnung SKD 34,36 - Mundschleimhaut 34 - Parodontien 31,34 - Primärkontakte frontal 30,31 - Primärkontakte lateral 30,31 - Okklusion statisch 30 - Okklusion dynamisch 30 - Zahnersatz 34 Funktionsprophylaxe 16,20 Funktionsstörung - okklusal 20f - oral 22 - periher 22f - zentral 24 Funktionstherapie -additive Maßnahmen 39f,43,45f - Anamnese 33,36 - Aufbissbehelfe 47f - Physikalische Therapie 38 - Physiotherapie 38 - subtraktive Massnahmen 37f,41 Gelenkbahnneigung - individuell 57,58 - okklusal 57,58 Gelenkkompression 8 Gesichtsbogen 40,60 - Indikationen 60 Glanzstellen 11 Glasersche Spalte 32 Gleithindernisse 11f,22,30,35f Gleitpfadplatte 52 Glucocorticoide 38 Grenz.-Bew.-Diagramm 7,8 Hartspann 18,25,33 Hyperarbeitskontakte 11f,30, 46, 57 Hyperbalancekontakte 12,30,46,57 Inzisalpunkt 34,42 IKP 8f,36,39,41,44

Immobilisierung 22,34,38 Knirschen 13,18,59 Kontaktposition UK

- IKP 8f,36,39,41,444 - VKP 8,30,35f,41 - RKP 30,35f,41,44,52

Page 62: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

62

62

IOA 9,20,28,33,36,44 Kauebene 13f,57,60 Kaumuskulatur - Anatomie 7 - Befunde 25f,29,30,36 - Funktion 11f,18f,21f,24 - Kaukraftvektoren 14,15,16 - Massage 38 - Diskoordination 26 - Muskelspindeln 21 - Tremor 25,33 - Regelkreise 21 - sensorische Steuerung 16f,21 Kaumuskultur - masseter 7,14,20,24,27f,33,36 - pterigoideus medialis 7 - pterigoideus lateralis 7 - temporalis 7,20,25f,33,36 - digastrikus 7 Kauorgan - Anatomie 7 - Leerfunktion 12 - Dysfunktion 19 - Lastfunktion 13f,18 - Parafunktion 18 Kauschleifen 14 Keilförmige Defekte 19, 34 Kiefergelenk - Anatomie 7f - Funktion 8,13f,18f,23,26f,41f,44f - Distraktion 15,44,55 - Kompression 8,15,28 - Ligamente 7 - Limitation19,25f,28,44 - Mobilisierung 56 - Revision 39 - Rotation 7,8,16 - Subluxation 19,26,36 - Translation 7,8,13,16,26,56 - Reibegeräusche 25f,28,33,44 Kiefergelenkknacken - initial 25f,33,36,41 - intermediär 25f,33,44 - terminal 25f,33,36 - reziprok 25f,33,36,41f - Knackpunkt 41-43 Kieferklemme 28 Kieferrelation - horizontal 8f,22f,30f,41,42,46 - retral 8f,22,25f,30,35f,39f - ventral 8f,19f,30f,37f,41f - vertikal 20f,25f,30f,39f,44f,52 Kondylenachsen 7,8

Kondylenpalpation 33,36

Ligamenta - capsulare 7 - laterale 7 - stylomandibulare 7 - sphenomandibulare 7 Long-Wide-Zentrik 11f,39,41,44 McCall'sche Girlanden 19,31,34 Muskelaktivität - isometrisch 18,38 - isoton 12,13,18,38 Myoarthropathie 24,37 Myogelosen 18,25,33 Myopathie 24,25,37,56 Myrhaug Knacken 32 Nonokklusion - frontal 11,22,30 - lateral 22f,27,30,35f,44,54 Okklusion - dynamisch 10f,23,30,34,36 47,50,57 - Formen 10,11 - gleitend 10f,41,44 - habituell 8f - ideal 11 - Korrektur dyn. 38f,46,47 - Korrektur stat. 38f,46,47 - punktgenau 10f - statisch 11f,20,23,26,29f,36f, - zentral 10 Osteopathie 38 Mittellinienverschiebung 31,36,42f Nervenaustrittspunkte - V1-V3 31,33 Mundöffnung 26,34,42,56 Palpation - Kiefergelenke 33,36 -Kaumuskulatur 20,33,36 Parafunktionen 13,1820f,24,26f,33,36 Parästhesien 32 Parodont 18,20f,31,34,37 Parodontitis 34,37 Physikalische Therapie 38 Physiotherapie 38 Posselt Diagramm 8 Pressen 13,18,20 Primärkontakte 9,22f,27,30f,36f,41f, 44f Projektionsschmerzen 31f Psychopharmaka 38 Pulpitis 31,37 Retralverlagerung - unilateral 24,27,36,37,43 - bilateral 24,27,36,37,43 Relaxation 38

Page 63: Ortho-, Pathofunktion und Therapie funktioneller Störungen ... - klinischer... · 6 CMD CT Diff FU FZR IOA HNO KA KE KFO KG KP LA MF MRT MuÖ N NAP OPG REM RKP SKD SZR V1/2/3 VKP

63

63

RKP 30,36f,41,44,52 Ruheschwebehaltung 8f,28,30,35, 39,50 Säureätztechnik 42,45 Scharnierachse 60 Schleimhautbrennen 22,36 Schliffflächen 31f,34 Schlussbiss - Position 35f,39,41f,44,49,57 - Kontakte 10 Silanisierung 42 Sinusitis 31,37,39 Sprechabstand 9,30,36 Stillman'sche Spalten 31,34 Subtraktive Maßnahmen 37f,41 Tiefziehschiene 42f,46,49 Tinnitus 32 Trigeminus - Innervation 7 - Austrittspunkte 31,32 Parafunktionen - exzentrisch 12f,18-22,26f,53 - zentrisch 11f,18-22 Parafunktionelle Trigger - extraoral 22 - intraoral 22 - peripher 19,20f - zentral 24 - oral 22,48,52 - okklusal 22,23 Thielemann Diag.-Gesetz 12 Überbiss - sagittal 36 - vertikal 36,58 Unterkiefer - Drehmomente 13f - Bewegungen 7,12,13,16 - Deformation 14 - Drehpunkt 13-15 - Knackpunkt 41,42,43 - Kontaktposition 20,25f,30f,36 38f,40f,44 - Ventralverlagerung 9,19,26,42 VKP 8,30,36f,39 Zahnkontakte - dynamisch 12,20 - statisch 10,20,35 Zentrikregistrat 40 Zahnersatz 20,22,34,37f