osSani ühcbt iesr2061 / 2071 Collegium Novum …Moritz Müllenbach haben je ein Stück für ein...

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Das CNZ wird in dieser Saison einen programmati- schen Schwerpunkt etablieren: Fokus Osten. Wir glauben, dass die Kunst unserer Zeit, also auch die Musik, sich Phänomenen zuwenden muss, die unsere Gegenwart und unsere Gesellschaft prägen. Ost- und Südosteuropa und die angrenzenden Regionen waren und sind Schauplätze tiefgreifender Umwälzungen und krisenhafter Entwicklungen. Spätestens seit Flüchtlingsströme durch Europa zie- hen, ist die Vorstellung von einer «Festung Europa» hinfällig geworden. Wir möchten danach fragen, wie Phänomene, die mit solchen Entwicklungen zu- sammenhängen, musikalisch reflektiert werden. Es wird also beispielsweise um Gewalt oder Fremd- heit gehen, aber auch um das Ineinander unter- schiedlicher kultureller Prägungen. Der Fokus Osten kann sich dabei in unterschiedlicher Weise reali- sieren. Einerseits können ganze Konzerte dem Fokus gewidmet sein, wie das in jenen Konzerten der Fall Fokus Osten ist, mit den wir die Saison eröffnen: Geschichten von Soldaten und Fremd. In anderen Konzertpro- grammen sind es einzelne Werke, die diese Thema- tik berühren. Einige Werke wenden sich direkt Phänomenen wie Exil oder der Allgegenwart von Gewalt zu. Andere – wie etwa Ligetis «Continuum» sind absolute Musik, vermögen aber in vermittel- ter Weise dennoch Aspekte zu erhellen, die etwas mit dem Fokus Osten zu tun haben. Schliesslich haben wir Aufträge an drei Komponisten vergeben und zumindest zwei von ihnen werden sich dezi- diert in ihren Kompositionen den oben angespro- chenen Phänomenen zuwenden: Mithatcan Öcal ( Türkei ), Sascha Janko Dragi ´ cevi´ c ( Deutschland) und Jan Krejcik ( Tschechien). In den Kontext des Fokus Osten gehören in der laufenden Saison ausserdem Werke von Igor Strawinsky, Georges Aperghis, Beat Furrer, Vinko Globokar, Dmitri Kourliandski, Liza Lim und Samir Odeh-Tamimi. Collegium Novum Zürich Journal # 1 In den vergangenen Jahren hat das CNZ mehrfach Werke von Marko Nikodijevic ins Programm genom- men: «Chambres de ténèbres», «Gesualdo Dub» ( beide 2013 ) und «Music Box» ( 2015). Im Konzert am 2. November 2016 steht erneut ein Werk von ihm auf dem Programm: «K-Hole / Schwarzer Horizont» ein Grund mehr den Komponisten hier zu por- traitieren. Fragt man Marko Nikodijevic nach seinen Lieblings- komponisten, bekommt man eine Antwort, die man bei einem zeitgenössischen Komponisten eher nicht erwartet: Aram Chatschaturjan und Franz Joseph Haydn. Ähnlich überraschend könnte die Begegnung mit seiner Musik zumal bei an den Idiomen avantgardistischen Musik geschulten Hörern ausfallen. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch sehr genau des ersten Eindrucks einer Aufführung eines Werkes in Donaueschingen: Das war auratische Musik, zart, verhangen, morbid – die sich all dem genussvoll hingab, das in der Neuen Musik wo nicht «verboten» so doch zumindest obsolet scheint. Man hatte aber keineswegs den Eindruck, dass Nikodijevic nostalgisch Tonalität, Melodie und pulsierende Rhythmik rekonstruieren wollte. Die vertrauten Materialien klangen, als wären sie neu erfunden worden. Der starke Eindruck der Donaueschinger Uraufführung wurde durch das Kennenlernen weiterer Musik bestätigt. Es sind dies Klangwelten, die geradezu süchtig machen können – vielleicht auch deshalb die vielen Auffüh- rungen durch das CNZ ... Beschäftigt man sich intensiver mit Nikodijevics Kompositionen, erfährt man, dass der Computer und die Benutzung bestimmter Algorithmen für ihn wichtige Hilfsmittel darstellen, dass er oftmals auf schon vorhandene Musik zurückgreift und dass die Begegnung mit der Welt des Techno wichtig für den Komponisten sind. Hörend käme man darauf kaum, weil die oft vielschichtigen, schillernden Tex- turen vor allem als eines erscheinen: Sie sind genauestens ausgehört, scheinen gänzlich mit Sub- jektivität getränkt: «So findet die Musik durch implizite Dramatisierung fremder Leben ihre Stimme um jene anderen Stimmen herum. Sie dringen in Nikodijevics eigene Stimme – er spricht durch sie, und sie durch ihn.» ( John Fallas) Dieses Ineinander von Eigenem und Fremdem findet sich auch in «K-Hole / Schwarzer Horizont ». Dieses Stück – das übrigens aus jener in Donaueschingen erklungenen und mittlerweile zurückgezogenen Komposition hervorgegangen ist – bezieht sich u. a. auf ein Fund- stück aus der Fremde, eine mongolische Melodie, die ihm Gray Berger, Komponist und Klangregisseur des CNZ, gleichsam «geschenkt» hat. Marko Nikodijevic, geboren 1980 in Subotica (Serbien), 1995 – 2003 Kompositionsstudien in Belgrad bei Zoran Eric´ und Srdjan Hofman, anschliessend Aufbaustudium bei Marco Stroppa in Stuttgart. Lebt seit 2003 in Stuttgart. 2013 Komponisten-Förderpreis der Ernst von Siemens Musik- stiftung. Die Mitschnitte der Aufführungen der beiden 2013 vom CNZ aufgeführten Werke von Marko Nikodijevic sind auf unserer Website cnz.ch unter der Rubrik Media zugänglich. «K-Hole / Schwarzer Horizont» wird am Mittwoch, 2. November 2016, 20 Uhr in der Tonhalle Zürich aufgeführt. Saisonübersicht 2016 / 2017 2. November 2016, Zürich Fremd Werke von Beat Furrer, Vinko Globokar, Sascha Janko Dragi ´ cevi´ c und Marko Nikodijevic 19. November 2016, Zürich Tage für Neue Musik Zürich Werke von Nadir Vassena, Sebastian Gottschick, Walter Feldmann und Liza Lim 9. Dezember 2016, Zürich Klanginseln IV: Vier Portraits Werke von Thomas Kessler, Brice Pauset, Steffen Schleiermacher und Sascha Janko Dragi ´ cevi´ c 14. Januar 2017, Zürich Kino im Kopf Werke von Arnold Schönberg, Michel van der Aa, Alban Berg, Dmitri Kourliandski, Franz Schreker, Ricardo Eizirik und Hanns Eisler 27. März 2017, Zürich und 29. März 2017, Genf Farben Werke von Hugues Dufourt, Oscar Bianchi und Maurice Ohana 31. März 2017, Ankara Gastspiel Werke von Hugues Dufourt, Oscar Bianchi und Mithatcan Öcal 8. April 2017, Baden Musik im Industrieraum III Werke von Gary Berger, Hans-Jürg Meier, Bruno Maderna, James Tenney und John Cage 6. Mai 2017, Niederurnen Musik im Industrieraum IV Werke von Manos Tsangaris und Daniel Ott 19. Mai 2017, Zürich Klanginseln V: Pulse – Flächen Werke von Philip Glass, James Tenney, György Ligeti, Steve Reich und Karlheinz Stockhausen 9. Juni 2017, Zürich und 11. Juni 2017, Basel Offene Landschaft Werke von Samir Odeh-Tamimi, Jan Krejˇ cík, Georges Aperghis und Enno Poppe 17. Juni 2017, Basel Musik im Industrieraum V Werke von William Blank, Bruno Maderna, John Cage und James Tenney Für die freundliche Unterstützung unserer Konzerte danken wir Hören und sehen cnz.ch facebook.com /cnz.ch soundcloud.com /cnz _ch Gönner und Freunde des Collegium Novum Zürich Portrait Marko Nikodijevic

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Page 1: osSani ühcbt iesr2061 / 2071 Collegium Novum …Moritz Müllenbach haben je ein Stück für ein Trio komponiert, in dem Christoph Keller und Marcus Weiss mitspielen, und im Konzert

Das CNZ wird in dieser Saison einen programmati-schen Schwerpunkt etablieren: Fokus Osten. Wir glauben, dass die Kunst unserer Zeit, also auch die Musik, sich Phänomenen zuwenden muss, die unsere Gegenwart und unsere Gesellschaft prägen.

Ost- und Südosteuropa und die angrenzenden

Regionen waren und sind Schauplätze tiefgreifender

Umwälzungen und krisenhafter Entwicklungen.

Spätestens seit Flüchtlingsströme durch Europa zie-

hen, ist die Vorstellung von einer «Festung Europa»

hinfällig geworden. Wir möchten danach fragen,

wie Phänomene, die mit solchen Entwicklungen zu-

sammenhängen, musikalisch reflektiert werden.

Es wird also beispielsweise um Gewalt oder Fremd-

heit gehen, aber auch um das Ineinander unter-

schiedlicher kultureller Prägungen. Der Fokus Osten

kann sich dabei in unterschiedlicher Weise reali-

sieren. Einerseits können ganze Konzerte dem Fokus

gewidmet sein, wie das in jenen Konzerten der Fall

Fokus Ostenist, mit den wir die Saison eröffnen: Geschichten

von Soldaten und Fremd. In anderen Konzertpro-

grammen sind es einzelne Werke, die diese Thema-

tik berühren. Einige Werke wenden sich direkt

Phänomenen wie Exil oder der Allgegenwart von

Gewalt zu. Andere – wie etwa Ligetis «Continuum» –

sind absolute Musik, vermögen aber in vermittel-

ter Weise dennoch Aspekte zu erhellen, die etwas

mit dem Fokus Osten zu tun haben. Schliesslich

haben wir Aufträge an drei Komponisten vergeben

und zumindest zwei von ihnen werden sich dezi-

diert in ihren Kompositionen den oben angespro-

chenen Phänomenen zuwenden: Mithatcan Öcal

(Türkei), Sascha Janko Dragicevic (Deutschland) und

Jan Krejcik (Tschechien). In den Kontext des Fokus

Osten gehören in der laufenden Saison ausserdem

Werke von Igor Strawinsky, Georges Aperghis, Beat

Furrer, Vinko Globokar, Dmitri Kourliandski, Liza

Lim und Samir Odeh-Tamimi.

Collegium Novum ZürichJournal # 1

In den vergangenen Jahren hat das CNZ mehrfach Werke von Marko Nikodijevic ins Programm genom- men: «Chambres de ténèbres», «Gesualdo Dub»

(beide 2013) und «Music Box» (2015). Im Konzert am 2. November 2016 steht erneut ein Werk von ihm auf dem Programm: «K-Hole / Schwarzer Horizont» – ein Grund mehr den Komponisten hier zu por-traitieren.

Fragt man Marko Nikodijevic nach seinen Lieblings-

komponisten, bekommt man eine Antwort, die

man bei einem zeitgenössischen Komponisten eher

nicht erwartet: Aram Chatschaturjan und Franz

Joseph Haydn. Ähnlich überraschend könnte die

Begegnung mit seiner Musik zumal bei an den

Idiomen avantgardistischen Musik geschulten

Hörern ausfallen. Der Autor dieser Zeilen erinnert

sich noch sehr genau des ersten Eindrucks einer

Aufführung eines Werkes in Donaueschingen: Das

war auratische Musik, zart, verhangen, morbid –

die sich all dem genussvoll hingab, das in der Neuen

Musik wo nicht «verboten» so doch zumindest

obsolet scheint. Man hatte aber keineswegs den

Eindruck, dass Nikodijevic nostalgisch Tonalität,

Melodie und pulsierende Rhythmik rekonstruieren

wollte. Die vertrauten Materialien klangen, als

wären sie neu erfunden worden. Der starke Eindruck

der Donaueschinger Uraufführung wurde durch

das Kennenlernen weiterer Musik bestätigt. Es sind

dies Klangwelten, die geradezu süchtig machen

können – vielleicht auch deshalb die vielen Auffüh-

rungen durch das CNZ ...

Beschäftigt man sich intensiver mit Nikodijevics

Kompositionen, erfährt man, dass der Computer

und die Benutzung bestimmter Algorithmen für ihn

wichtige Hilfsmittel darstellen, dass er oftmals

auf schon vorhandene Musik zurückgreift und dass

die Begegnung mit der Welt des Techno wichtig für

den Komponisten sind. Hörend käme man darauf

kaum, weil die oft vielschichtigen, schillernden Tex-

turen vor allem als eines erscheinen: Sie sind

genauestens ausgehört, scheinen gänzlich mit Sub-

jektivität getränkt: «So findet die Musik durch

implizite Dramatisierung fremder Leben ihre Stimme

um jene anderen Stimmen herum. Sie dringen in

Nikodijevics eigene Stimme – er spricht durch sie,

und sie durch ihn.» (John Fallas) Dieses Ineinander

von Eigenem und Fremdem findet sich auch in

«K-Hole / Schwarzer Horizont». Dieses Stück – das

übrigens aus jener in Donau eschingen erklungenen

und mittlerweile zurückgezogenen Komposition

hervorgegangen ist – bezieht sich u. a. auf ein Fund-

stück aus der Fremde, eine mongolische Melodie,

die ihm Gray Berger, Komponist und Klangregisseur

des CNZ, gleichsam «geschenkt» hat.

Marko Nikodijevic, geboren 1980 in Subotica (Serbien), 1995 – 2003 Kompositionsstudien in Belgrad bei Zoran Eric und Srdjan Hofman, anschliessend Aufbaustudium bei Marco Stroppa in Stuttgart. Lebt seit 2003 in Stuttgart. 2013 Komponisten-Förderpreis der Ernst von Siemens Musik-stiftung.

Die Mitschnitte der Aufführungen der beiden 2013 vom CNZ aufgeführten Werke von Marko Nikodijevic sind auf unserer Website cnz.ch unter der Rubrik Media zugänglich. «K-Hole / Schwarzer Horizont» wird am Mittwoch, 2. November 2016, 20 Uhr in der Tonhalle Zürich aufgeführt.

Saisonübersicht 2016 / 20172. November 2016, Zürich

Fremd Werke von Beat Furrer, Vinko Globokar, Sascha

Janko Dragicevic und Marko Nikodijevic

19. November 2016, Zürich

Tage für Neue Musik Zürich Werke von Nadir Vassena, Sebastian Gottschick,

Walter Feldmann und Liza Lim

9. Dezember 2016, Zürich

Klanginseln IV: Vier Portraits Werke von Thomas Kessler, Brice Pauset, Steffen

Schleiermacher und Sascha Janko Dragicevic

14. Januar 2017, Zürich

Kino im Kopf Werke von Arnold Schönberg, Michel van der Aa,

Alban Berg, Dmitri Kourliandski, Franz Schreker,

Ricardo Eizirik und Hanns Eisler

27. März 2017, Zürich und 29. März 2017, Genf

Farben Werke von Hugues Dufourt, Oscar Bianchi und

Maurice Ohana

31. März 2017, Ankara

Gastspiel Werke von Hugues Dufourt, Oscar Bianchi und

Mithatcan Öcal

8. April 2017, Baden

Musik im Industrieraum III Werke von Gary Berger, Hans-Jürg Meier,

Bruno Maderna, James Tenney und John Cage

6. Mai 2017, Niederurnen

Musik im Industrieraum IV Werke von Manos Tsangaris und Daniel Ott

19. Mai 2017, Zürich

Klanginseln V: Pulse – Flächen Werke von Philip Glass, James Tenney, György

Ligeti, Steve Reich und Karlheinz Stockhausen

9. Juni 2017, Zürich und 11. Juni 2017, Basel

Offene Landschaft Werke von Samir Odeh-Tamimi, Jan Krejcík, Georges

Aperghis und Enno Poppe

17. Juni 2017, Basel

Musik im Industrieraum V Werke von William Blank, Bruno Maderna, John Cage

und James Tenney

Für die freundliche Unterstützung unserer Konzerte danken wir

Hören und sehencnz.ch

facebook.com / cnz.ch

soundcloud.com / cnz_ch

Gönner und Freunde des Collegium Novum Zürich

Portrait Marko Nikodijevic

Page 2: osSani ühcbt iesr2061 / 2071 Collegium Novum …Moritz Müllenbach haben je ein Stück für ein Trio komponiert, in dem Christoph Keller und Marcus Weiss mitspielen, und im Konzert

Im vergangenen Frühjahr, am 21. Mai 2016, haben wir die erste Station unserer Reihe Musik im Industrieraum mit einem Rorschach-Parcours rea- lisiert und vier Stunden lang verschiedene Areale der Rorschacher Innenstadt bespielt. Daniel Fuchs hat daraufhin eine Kritik veröffentlicht, aus der wir einige Passagen wiedergeben möchten.

In allen Räumen arbeiten sich die Musiker ab. Das

Ganze ist ein Wechselbad von akustischen und opti-

schen Eindrücken. Immer tönt es. Instrumente,

Maschinen in Mixtur. Das Auge bleibt an der glim-

menden Esse hängen. Da ist eine Wagnertuba, die

Maschine dahinter gleicht ihr. Da sind Metallteile,

Gitter, Dosen, eine Flöte, eine Bassklarinette. Da ist

ein Dirigent, der Metallteile beackert. Die Wahr-

nehmung wird permanent verschoben. Und zuhin-

terst kann, durch ein vollgestelltes Regal hindurch,

Seniormeister Zwissler bei der Arbeit an der Werk-

bank beobachtet werden, begleitet durch sanfte

Harfentöne. Schmiede heisst das Werk von Carola

Bauckholt, das hier als Uraufführung erklingt. [...]

In Zusammenarbeit mit studio-klangraum Basel

hat das Collegium Novum Zürich eine Schweizer-

Tournee durch fünf verschiedene, industriell geprägte

Areale entwickelt. [...] Das Konzept schlägt ein:

Eine grosse Zuhörerschaft folgt dem fast vierstündi-

gen Rorschach-Parcours mit Spannung. [...] Wun-

derschöne Druckmaschinen der Marke «Heidelberg»

Gilles Grimaître ist seit Dezember 2015 festes Mit- glied des CNZ. Der legendäre Fragebogen, populär geworden durch Marcel Proust, ist genau die richtige Art, den Pianisten hier kurz vorzustellen.

Wo möchten Sie leben? Viktorianisches Haus, San Francisco

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?Einen Schweizer Pass zu besitzen

Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten? Fehler, die aus Ängsten resultieren

Was ist für Sie das größte Unglück? Unbeweglichkeit

Ihr Lieblingsmaler? Francis Bacon?

Ihr Lieblingsautor? James Joyce?

Ihr Lieblingskomponist? John Coltrane?

Ihre Lieblingstugend? Wahnsinn

Ihre Lieblingsbeschäftigung? Wach bleiben

Wer oder was hätten Sie gern sein mögen? Ein Mann mit Jean-Pierre Léaud’s Eloquenz und

Unverschämtheit (man muss «La Maman et la

Putain» ansehen)

Von beackerten Metallteilen «Do not check Proust’s answers!»

Das hiesige Festival für zeitgenössische Musik feiert sein dreissigjähriges Bestehen und bezieht dabei viele seiner ehemaligen Akteure ein.

1986 gründeten die Komponisten Thomas Kessler

und Gérard Zinsstag die «Tage für Neue Musik Zürich».

Im Sinne einer kleinen Retrospektive sollen zum

30-Jahr-Jubiläum zwischen dem 16. und 20. Novem-

ber 2016 alle künstlerischen Leiterinnen und Leiter

der letzten 30 Jahre als Komponisten oder Interpre-

ten in Erscheinung treten: Das Tonhalle-Orchester

spielt unter der Leitung von Pierre-André Valade

Werke der beiden Gründer, Bettina Skrzypzcak und

Moritz Müllenbach haben je ein Stück für ein Trio

komponiert, in dem Christoph Keller und Marcus Weiss

mitspielen, und im Konzert des Collegium Novum

Zürich werden Kompositionen von Walter Feldmann

und Nadir Vassena uraufgeführt, wobei Mats

Scheidegger einen Solopart übernimmt.

Als «Jubiläumskurator» wirkt eine weitere Per-

sönlichkeit der ersten Stunde: Hans-Peter Frehner,

der Gründer des ensembles für neue musik zürich,

spielte schon 1986 in mehreren Konzerten mit. Drei

Jahrzehnte später bestreitet sein Ensemble nun das

Eröffnungskonzert mit Uraufführungen von Lukas

Langlotz, Bruno Stöckli und der Australierin Liza Lim.

Sie wurde von Frehner als Composer in Residence

eingeladen und ist mit insgesamt zehn Werken im

diesjährigen Festival vertreten. Ausserdem wird sie

ein ihr gewidmetes Programm mit Studierenden

der ZHdK erarbeiten.

Einen besonderen Akzent setzt Hans-Peter

Frehner mit der Einladung der musikspartenüber-

greifend vernetzten Gruppe Studio Dan um den

Wiener Komponisten Daniel Riegler, die am Samstag

in einem Spätkonzert im Musikklub Mehrspur auf-

treten wird. Das Finale des diesjährigen Festivals

wird schliesslich nochmals im Zeichen von Liza Lim

stehen: Ihre «Hausband», das australische Ensem-

ble Elision, spielt Werke von ihr und Aaron Cassidy.

Vor der eigentlichen Eröffnung des diesjährigen

Festivals erweisen die seit 1994 von der Stadt Zürich

organisierten «Tage für Neue Musik» noch einem

weiteren Jubiläum die Reverenz: Mit einem Konzert

im ZKO-Haus und halbstündlichen Aufführungen

des legendären «Poème électronique» im Gross-

30 Jahre «Tage für Neue Musik Zürich»

münster erinnert Peter Révai an die von ihm eben-

falls vor 30 Jahren gegründete Konzertreihe für

Computer-Musik.

Das Konzert des CNZ im Rahmen des Festivals mit Werken von Nadir Vassena (UA), Sebastian Gottschick (UA), Walter Feldman (UA) und Liza Lim findet statt am Samstag, 19. November 2016, 20 Uhr im Toni-Areal.

Ensemble ICTUS, Tage für Neue Musik Zürich, 2006 (Bild, ICTUS)

stehen in der Lehner Druck GmbH. Für die ästheti-

schen Meisterwerke konzipierte der Zürcher Kompo-

nist Moritz Müllenbach sein Werk Heidelberg. [...]

Draussen wird, bei herrlichstem Wetter, Rorschacher

Kornhausbier und Mineralwasser serviert. Open-

Air-Stimmung breitet sich aus. [...] Auf der Rampe

der Firma haben sich fünf Bläser zur Aufführung von

Jorge E. Lopez Blechbläserquintett gerüstet. Das

sind dann schon teilweise heftige, abrupte Klänge,

die sich unter Leitung von Peter Tilling in den

Rorschacher Himmel entladen. [...] Ein enges Treppen-

haus führt hinauf in die oberste Etage der ehema-

ligen Feldmühle. [...] Vorerst wird mit einer Version

von John Cages Variations IV der Raum hörbar

gemacht. Instrumentale Töne schweben mit langem

Echo durch die Halle. [...] Eigentlich weiss man,

dass Musik eine Zeit-Kunst ist. Die Erfahrung lehrt

das. Doch im Finale des Parcours mit James Tenneys

Form I lernt man es neu. Das reine Fliessen des

Klangs aus der Tiefe des Raums, in die Tiefe des Raums

hinein lässt die Zeit kippen. Man wünscht sich,

immer in diesem sonoren Klang verbleiben zu

können. Denn das im Gedächtnis an Edgar Varèse

geschriebene Stück wird hier zu einer tönenden

Verabschiedung eines Gebäudes, das demnächst

abgerissen werden soll. Grossartig.

Die komplette Kritik können Sie nachlesen unter www.saiten.ch / die-fabrik-wird-zur-ton-halle.

Ihr Hauptcharakterzug? Unzufrieden mit mir selbst zu sein

Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?Ihr Wissen

Ihr größter Fehler? Kaltblütigkeit

Ihr Traum vom Glück? Offenheit und Transparenz in der Politik

Was wäre für Sie das größte Unglück? Das Aufsteigen des Rechtspopulismus

Was möchten Sie sein? Jemandem nützlicher

Ihre Lieblingsfarbe? #24d827 und #d4aed8

Ihre Lieblingsblume? Alle essbaren Blumen

Ihr Lieblingsvogel? Alle essbaren Vögel

Was verabscheuen sie am meisten? Frustration

Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Die Gabe, alle Krankheiten zu heilen ... oder …

Marc-André Hamelin’s pianistische Technik! Beide

sind eigentlich kompatibel

Wie möchten Sie gern sterben? Von Trunkenheit

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

«Do not check Proust’s answers!»

Gilles Grimaître ist in diesem Jahr mit dem CNZ zu hören in den Konzerten vom 2. November 2016, 19. November 2016 und 9. Dezember 2016 in Zürich.

Pausen gehören zur Musik, wird einem Lernenden im Theorieunterricht vermittelt. Die Pausen sind uns auch in unseren Konzertveranstaltungen wich- tig. Insbesondere in unseren Konzerten der Reihe Klanginseln sind sie gleichsam Teil des Programms. Deshalb reden wir einmal nicht über Musik, son-dern mit Rebekka Lindauer, die dafür sorgt, dass unsere Gäste kulinarisch umsorgt werden.

Bei allen Konzerten ausserhalb der Tonhalle ist es mittlerweile so, dass Du das Catering verant-wortest, das seitdem höchste Qualität hat. Kochen und Catering ist freilich nicht Deine eigentliche Profession. Wie hast Du das dennoch mit solcher Perfektion gelernt?Herzlichen Dank, es freut mich zu hören, dass es

mundet. Stimmt, ich bin keine gelernte Köchin,

Kochen und Essen sind für mich jedoch ein zentrales

und essentielles Stück Lebensqualität. Bei uns zu

Hause wurde täglich immer frisch und multikulturell

gegessen und gekocht – es wurde mir sozusagen in

die Wiege gelegt.

Du bist gewissermassen durch drei Kulturen geprägt?Genau, meine Mutter ist Griechin und mein Vater

hat neben den schweizerischen auch englische und

australische Wurzeln.

Hat das auch Auswirkungen auf die Kochkunst?Natürlich. Die Zusammensetzung der verschiede-

nen Kulturen bringt auch eine gewisse Vielfalt der

Geschmäcker sowie eine Offenheit und Neugier

für Neues mit sich. Da ich zur Hälfte Griechin bin, hat

sich jedoch die mediterrane Küche am meisten

durchgesetzt. Im mediterranen Raum herrscht zu-

dem eine grosse Gastgeberkultur, die bei uns zu

Hause sehr gepflegt wurde. Gemeinsam essen ver-

bindet, es ist etwas, das Menschen jeglicher Her-

kunft täglich tun. Es ist sozusagen wie eine Sprache

und ein Ausdruck von Zugehörigkeit.

Soweit ich weiss, hast Du eine intensive Beziehung zur Musik?Ja, Musik spielt in meinem Leben eine genau gleich

grosse Rolle wie das Kochen, dies vor allem auch

Harmonische und atonale Rezeptedadurch, da ich selber Musik mache. Ich würde sogar

sagen, dass Musik und Kochen sehr viel gemeinsam

haben. Beim Verfassen von Musik sowie dem Kreie-

ren von neuen Rezepten entdecke ich die Gemein-

samkeit der Komposition. Ich nehme verschiedene

Zutaten und Gewürze und versuche sie in einen

Einklang zu bringen. Manche Rezepte sind sehr har-

monisch und andere sind eher atonal. Kochen ist

für mich daher wie Musik komponieren.

Du hast verschiedene Konzerte des CNZ gehört. Gibt es ein Werk, das Dich besonders beeindruckt hat?Ja, das Stück «üg» von Mark André in der Tonhalle

hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Ich hatte Gänsehaut, als die Namen der schwer-

kranken Menschen durch die Lautsprecher drangen.

[Mark Andre hat für sein Werk «üg» in Istanbul

Hospitäler und Altenheime aufgesucht, dort alte

und kranke Menschen gebeten, ihre Namen zu spre-

chen und diese Stimmen aufgenommen.] Es war

für mich eine ganz fragile Dramatik und Endlichkeit

zu hören, was mich sehr berührt hat. Der Hang

zum Drama und der oft damit verbundenen Melan-

cholie ist wohl auch meinen griechischen Wurzeln

zuzuschreiben ...

Hast Du schon eine Idee, was Du unseren Gästen bei unseren Klanginseln am 9. Dezember 2016 offerieren wirst?Selbstverständlich habe ich schon eine Idee.

Aber die verrate ich noch nicht, denn es soll eine

Über raschung sein. Nur soviel: gerne möchte ich

die Gemüter an diesem kalten Wintertag mit etwas

Herzhaftem erwärmen. Mal schauen ob mir dies

gelingt.

Das Interview führte Jens Schubbe. Die Klanginseln IV finden statt am Freitag, 9. Dezember 2016, ab 19 Uhr im Kulturhaus Helferei, Zürich.