OUTFIT - Biker Boot by Magellan & Mulloy · OUTFIT 126 ROADSTER 01/2018 Und die passen so gar nicht...

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OUTFIT 122 ROADSTER 01/2018 Der Biker Boot ist für viele Kollegen im Haus einer der besten stylischen Motor- radstiefel: Top auf dem Moped und auch am Wandertag lässt er sich locker tragen

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der Biker Boot ist für viele Kollegen im Haus einer der besten stylischen Motor-

radstiefel: top auf dem Moped und auch am Wandertag lässt er sich locker tragen

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Einen aufgebrachten Holländer am Telefon zu haben, schwankt zwischen Migräneanfall und Comedy. Schonungslose Offenheit und lustiger Dialekt ergeben einen Mix, der einen emotional ins Strau-

cheln bringen kann. Als Marcel Brugman mich zum ersten Mal nach dem Edeltretertest in ROADSTER 02/17 anruft, stehe ich gerade in der Boxengasse des Circuit de Catalunya bei Barcelona und teste die neue Street Triple RS. Entsprechend ist meine Stimmung zunächst mehr in Richtung Migräne. Aber der Grund des Anrufes ist nicht das wortstarke Beschweren über alles und jeden in dem Test, sondern über einen spezifischen Punkt, und hier wird’s interessant.

Man erinnere sich: Schuhmachermeister Christian Zeller hinterfragte in diesem Vergleich beim Magellan & Mulloy Adventure Biker Boot die Schutzklasseneintei-lung CE Cat 2 in Hinsicht auf die Dicke und Robustheit des Leders, woraus sich die Frage nach der Rechtferti-gung des mit 339 Euro vermeintlich hohen Preises ergab. Das war für Magellan-Chef Marcel rotes Tuch und trifti-ger Grund für eine Beschwerde zugleich, denn als einzi-ger der Lifestyle-Boots-Hersteller in unserem Vergleich hat er nicht nur eine Sympatex-Membran, sondern auch eine Zertifizierung und somit das Recht, seinen Schuh

Nach jedem Produkttest klingelt das Telefon, denn einer der Teilnehmer ist immer unzufrieden. Egal ob es objektive Kriterien oder subjektive Eindrücke des Redakteurs waren, die nicht zur „verdienten“ Bestnote geführt haben, diese Gespräche sind immer schwierig. Im Falle von Magellan & Mulloy aber gerecht- fertigt – und lautText: Jens Kratschmar Fotos: tobias Kircher

Wie man einen schuh falschbeWerten kann

Einmal norm und zurück odEr:

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als Motorradkleidung anzubieten. Selbst-verständlich ist das nicht. Knapp 40.000 Euro hat Marcel dafür investieren müssen, inklusive einer großen Menge an Schuhen, die dem Testinstitut für die Prüfungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Und: Manche europäischen Länder verlangen für Teile der Fahrerausstattung mittlerweile eine Zertifizierung, Frankreich beispiels-weise für Handschuhe. Belgien fordert keine Prüfung, schreibt aber knöchelhohe Schuhe vor.

Ortswechsel. Vom warmen Barcelona nach Pirmasens, in die ehemalige Schuh-

macher-Hauptstadt der Nation. Hier ist das Prüf- und Forschungsinstitut PFI zu Hause, die Adresse in Deutschland für die Prüfung von Schuhen. Sei es auf die Verträglichkeit des Leders in Sachen Schadstoffbelastung und Gerbequalität oder auf Sicherheitsstan-dards, wie sie für persönliche Schutzaus-rüstung und somit auch für Motorradklei-dung gelten. Für Motorradschuhe gilt die Schutzklasse 2. Schutzklasse 1 ist für Arti-kel wie Arbeitshandschuhe oder Ähnliches vorgesehen, Schutzkleidung also, bei der das Nutzungsrisiko gering ist beziehungs-weise vom Träger selbst recht genau einge-

schätzt werden kann. Maximalen Schutz bietet Kleidung respektive Ausrüstung der Klasse 3 – zum Beispiel Feuerwehrstiefel –, deren Einsatz immer dem Schutz von Leib und Leben dient. Was nicht in 1 oder 3 gehört, landet in Klasse 2 und bedeutet folglich: erhöhtes Risiko, nicht alle Unwäg-barkeiten sind vom Träger einschätzbar. Mathe kann so einfach sein.

Der Logik folgend würde man meinen: Ein stabiler und harter Schuh ist sicher und bekommt folglich die CE-Norm. Das aber stimmt nicht ganz. Im Falle von Motorrad-schuhen besteht die Schutzklasse 2 nämlich

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aus einer Mixtur von mehre-ren Prüfungen, als da wären: die Hautverträglichkeit, also die Prüfung auf Giftstoffe; die Abriebfestigkeit des Oberma-terials; die Quersteifigkeit des Aufbaus und natürlich auch die Schnittfestigkeit. Und alle Prüfungen müssen separat

bestanden werden. Auch ein Aufpralltest gehört mit dazu und in Kombination mit den weiteren mechanischen Belastungstests gibt die Norm damit im Grunde Form und Aufbau des Schuhs ziemlich genau vor. Es ist ganz klar geregelt, wo am Schuh welche maximalen Belastungen wirken dürfen. Design und Materialauswahl müssen sich danach richten. Dass der Schuh von Magellan & Mulloy unter diesen Voraussetzungen immer noch wirkt wie aus einem Guss, fordert Respekt.

Neben reinen Sicherheitstests kann ein Schuhhersteller beim PFI weitere Prüfungen zusätzlich buchen, beispiels-weise auf Wasserdichtigkeit, Atmungsaktivität, Öl- und Benzinresistenz, Rutschwiderstandsfähigkeit oder erwei-terten Knöchel- und/oder Schienbeinschutz. Das unter-

4.) Wesentlicher Bestandteil der phy-sikalischen Belas-tungsprüfung ist der Test auf Abriebfes-tigkeit des Ober- materials. Hier kreist ein Stempel mit Schmiergel-papier über die Probe und ansch-ließend wird die Dichte des Abriebs auf einem Testfilz gemessen

5.) So sieht es aus, das so wichtige und wertvolle CE-Label im aktuellen Magel-lan & Mulloy Adven-ture Boot. Gekenn-zeichnet werden müssen: Hersteller, Schutzklasse, nach welcher Norm ge-testet wurde, das CE muss drauf sein und das Piktogramm des Motorradfahrers. Nur mit all diesen Angaben darf der Schuh als Motorrad-kleidung verkauft werden, ohne ist er nur Freizeitkleidung

6.) Marcel Brugman und die Leiterin der physikalischen Prüfung, Liselotte Vijselaar, begut-achten den Adven-ture Boot in Sachen Materialaufbau und Vernähung der Brand- und Laufsohle

1.) Startrunde beim PFI mit Marcel Brug-man (links hinten), Dr. Sigurd Riemer (rechts hinten), Chef der Zertifizierung, und Ellen Waßmann (rechts vorn), zu-ständig für die physi-kalische Prüfung im Haus. Hier wurde die grundlegende Norm so erklärt, dass auch ich sie verstehe

2.) Im Labor der Materialprüfung wird unter anderem die Verträglichkeit mit verschiedenen Stoffen getestet. Eines dieser Gläser enthält künstli-chen menschlichen Schweiß – ü brigens geruchslos

3.) Sondertest auf Wasserdichte. Vor-gabe sind 90 Minuten simuliertes Gehen im Wasser, je nach Hersteller auch bis über den Schaft. Bei Bestehen gibt’s das Prüfsiegel WR (waterresist). Die gewünschte Testzeit der Hersteller ist aber deutlich länger. Übrigens: Bundes-wehrstiefel werden 72 Stunden am Stück getestet

richtig gelesen: seit 137 Jahren ist die Marke schon dabei, Gentlemen und Könige mit adäquater Kleidung salonfähig zu machen. Heute geht es auch um den Motor-radfahrer von Welt.

Die Geschichte der Marke Magellan & Mulloy beginnt 1890 in London. In der berühmten Savile Row eröffnet die

Maßschneiderei Magellan die Türen und etabliert sich als nam hafter Herrenschneider. Noch heute sind in dieser Straße die gro-ßen Londoner Maßschneider ansässig, Prinz Charles ist hier regelmäßig auf Einkaufs-bummel und die Beatles gaben hier 1969 ihr letztes Konzert – das Rooftopkonzert. Große Namen, große Straße.

Was das mit Magellan & Mulloy zu tun hat? Nichts, aber genau 25 Jahre nach dem Konzert übernimmt der Schuhmacher Alexander Mulloy das Geschäft und ändert den Namen in Magellan & Mulloy. England ist zu dieser Zeit wirtschaftlich weit entfernt von einem Great Empire und die Eiserne Lady regiert mit eherner Faust. Um weiterhin rentabel wirtschaften zu können, erweitert er das Angebot um die Fertigung von maß gefertigten Schuhen und verlegt die Produktion nach Moreton-in-Marsh, das 90 Kilometer entfernt zwischen Oxford und Worcester liegt.

Mulloy spricht Marcel Brugman Ende des letzten Jahrtausends auf einer Modemesse an. Er will mit ihm zusammen Schuhe her-stellen. Marcel und sein Unternehmen „De Kastanje" sind in Sachen Outdoor- Schuhe bereits sehr erfahren und der Motorradfahrer Marcel träumt davon, den besten Schuh fürs Kradfahren herzustellen. Aus der Partnerschaft wird im Jahr 2000 ein neues Unternehmen mit dem alten Namen Magellan & Mulloy.

Der Anspruch von Marcel bleibt bestehen. Er sucht sich nur die besten Partner aus, darunter die deutschen Ledermacher von Heinen in Wegberg für die Lieferung öko-logisch einwandfreien Leders. Auch die weiteren Zulieferer werden nach strengen Kriterien ausgewählt. So können die Sohlen beispielsweise recycelt und als Sohlen für Schuhe wiederverwendet werden. So steht Magellan & Mulloy für eine umwelt- und sozialverträg liche, moderne Herstellung. Löblich.

Seit 1890 im NameN deS StilS uNterwegS

firma: magellan & mulloy

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Und die passen so gar nicht zu dem, was die Norm in Sachen Abriebfestigkeit fordert. Also mussten der deutsche Ledermacher Heinen und ich immer wieder die Art des

Gerbens ändern und anpassen. Ans neue Leder musste sich dann immer wieder auch die Produktion in Italien einstellen, deren Output wieder erst im PFI geprüft wer-den musste. Eine sehr lange und beschwerliche Reise.“

„Magellan & Mulloy hat das sehr gut gemacht“, bestätigt denn auch Dr. Sigurd Riemer vom PFI. Dr. Riemer ist Leiter der Zertifizierung und des Quali-tätsmanagements im Haus und schlussendlich für die

letzte Unterschrift zuständig. „Sehen Sie die Akte von Magellan & Mulloy? Die ist sehr dick, da Herr Brugman sehr gewis-senhaft mit uns kommuniziert und zusam-mengearbeitet hat. Das war im Vergleich zu anderen Vorgängen vorbildlich.“

Wir glauben es gern, ist der Biker Boot doch einer der beliebtesten Schuhe in der Redaktion. Das Teil funktioniert einfach sehr gut – und das schon ziemlich lange.

... und bei billiger Verarbeitung und schlechter Qualität sieht der schuh dann so aus. In diesem Falle war die sohle nur am rand mit sehr wenig Kleber versehen. der test simuliert das Hängenbleiben mit der sohlenspitze an einer Bordsteinkante

In dieser Vorrichtung können aufbau und Verarbeitung der sohle getestet werden:

der schuh wird eingespannt und die sohle an der Fußspitze in einen Zuganker eingeklemmt.

dann zieht eine Hydraulik den anker weg ...

streicht die Qualität und dient natürlich der Vermarktung. Wesentlicher, nicht op-tionaler Teil der Zertifizierung nach EN 13634-2015 ist die nach den geltenden Vor-schriften korrekte Kennzeichnung und Benutzerinformation am, im und als Be-dienungsanleitung beim Schuh. Sprich: Die Norm regelt selbst, wie sie zu kennzeichnen ist. Schöne normierte Welt. Klingt arg, ist arg. Vor allem für den Hersteller. Der muss nämlich nicht nur für sein Produkt gerade-stehen, sondern – wie im Falle von Magel-lan & Mulloy – auch für das der Zulieferer wie Sympatex im genannten Beispiel.

Marcel erzählt von den Anfängen seines Biker Boots: „Ich stelle schon lange hoch-wertige Schuhe und Stiefel her und mit dem Biker Boot wollte ich nichts anderes als den besten Schuh für Motorradfahrer bauen. Dazu gehört für mich natürlich auch die Zertifizierung, die war mir viel wert. Ins-gesamt vergingen fast zwei Jahre, bis der Schuh fertig war, das Ganze kostete mich knapp 40.000 Euro.“

Einer der Gründe für die hohen Kosten ist die Anforderung der Norm, einen Schuh jeder erhältlichen Variante zum Test zur Verfügung zu haben. Da Magellan & Mul-loy den Biker Boot für Männer und Frauen in je drei Lederfarben anbietet und, wie es sich gehört, auch noch in vielen Größen, muss je ein Paar zum Test nach Pirma-sens geschickt werden. Im vorliegenden Fall waren das 55 Paar Schuhe. Bei einem Verkaufspreis von 339 Euro sind das allein schon mal 18.645 Euro Warenwert brutto, die auf der Gesamtrechnung stehen. Nur für die Zertifizierung. Der Aufwand für die kompliziertere Entwicklung kommt oben drauf, bei der Marcels hoher Anspruch an Komfort und Qualität so wünschenswert wie hinderlich war: „Bei der Wahl einer Top-Membran kommen nur Sympatex und Gore-Tex in Frage. Diese Hersteller aber haben enorme Anforderungen an das Leder und vor allem an dessen Durchlässigkeit.