Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House...

6
Aussichtsreich: Vom Wohn- und Essbereich geniesst man den Blick über die Ebene. Palm Springs Die Wüste lebt schön Die Natur ist Hauptakteurin im Haus von Andy Linsky, einem Immobilienhändler. Es steht in Palm Springs, wo der „Desert Modernism“ seinen Ursprung hat. 110 Text: Silke Bender Fotos: Frank Reich Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

Transcript of Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House...

Page 1: Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine

Aussichtsreich: Vom Wohn- und Essbereich geniesst man den Blick über die Ebene.

Palm Springs Die Wüste lebt schönDie Natur ist Hauptakteurinim Haus von Andy Linsky, einem Immobilienhändler. Es steht in Palm Springs, wo der „Desert Modernism“ seinen Ursprung hat.

110

Text: Silke Bender Fotos: Frank Reich

Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

Page 2: Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine

Ton in Ton: Die Farbtöne der Einrichtung passen sich der umgebenden Natur an.

Klassisch-Modern: Blick auf die Wüstenlandschaft durch grosszügige Fensterfronten.

Gemütlich: Der Kamin bildet im hohen Wohn-raum den Mittelpunkt.

112

Eigenwillig: Die halbrunde Küche spielt eine überraschende Rolle im Raum.

Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

Page 3: Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine

Allein am Bartresen aus Kirschholzstäbenim Wohnzimmer arbeitete der Möbelkünstler Steve Webster ein Jahr.

Integriert: Der Flachdachbau gliedert sich harmonisch in die Umgebung ein.

114

Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

Page 4: Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine

116

Feurig: Im Schlafzimmer hat Andy Linsky auf warme Rottöne gesetzt.

Innen wie aussen: Die eingelegte Badewanne geht draussen nahtlos in zwei Becken über.

Zeichnerisch: Der Weg hin zum Haus hat fast Comic-Charakter und ist visuell von überragender Kraft.

Erfrischend: Der Pool hinter der Veranda verläuft halbrund über das Grundstück.

Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

Page 5: Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine

118Andy Linsky: „Ich liebe diesen Architekturstil, aber ich wollte nicht mehr in einem Museum leben.“

Architektur: Escalante Architects, Palm Springs. www.escalantearchitects.comBaubeginn: März 2003Fertigstellung: Ende 2005Grundstücksgrösse: 3050 m²Wohnfläche: 495 m² Gästehaus: 70 m² Kosten: liegen nicht vorBauweise: Tragkonstruktion aus Stahlsäulen und verleimten Holzbalken, kombiniert mit tragendem Mauerwerk aus armiertem Beton. Böden aus Beton, wenig Holz wegen der austrocknenden Wirkung der Sonne. Das Haus besteht

Infos zum Baugemäss Ana Escalante zu rund fünfzig Prozent aus Glas. Mitwirkende Spezialisten: Statik: Raymond Frangee, Newport. Ingenieur: Sanborn A/E, Palm Springs. Bauunter-nehmen: HJH Contractor, Cathedral CityLüftung und Heizung: Strategisch gesetzte Fenster mit Fernsteuerung zur Belüftung des ganzen Hauses bei grosser Hitze. Solarban60-Beschich-tung auf den Fenstern. Im Winter dienen die Zementmassen als Wärmespeicher, ausserdem Südausrichtung des Hauses zur optimalen Sonnennutzung.

Abwechslungsreich: Ockertöne verbinden sich harmonisch mit den Steinmauern des Hauses.

Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

0 5

Grundriss

1 Eingang2 Salon 3 Küche4 Technik5 Service6 Zimmer Angestellte7 Schrankraum8 Bad9 Waschraum10 Esszimmer11 Wohnen12 Eingangshalle13 Bad14 Ankleide15 Gästezimmer16 Gästebad

17 Technik18 Brücke19 Technik20 WC21 Ankleide 22 Bad23 Dusche24 Flur25 Schlafzimmer26 Ankleide27 Bad28 WC29 Technik30 Garage31 Pool

2

10

3

4 5

6

7 8

30

9

11

12

13

1

15

14

25

21

19 20

23

22

28

26

29

18

16

17

24

27

31

Page 6: Palm Springs Die W üste l ebt schön - Silke Bender · Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine

120

D ie schönsten Häuser im kalifornischen Wüsten-Resort Palm Springs

verstecken sich hinter hohen Mauern – so auch das von Andy Linsky. Die kurvige Strasse, die sich Richtung San-Jacinto-Berge schlängelt, führt vorbei am Loewy House von Albert Frey, am Edris House von Stewart E. Williams und am Kaufmann House von Richard Neutra. Alle drei Meilensteine der modernen Wohnarchitekturgeschichte, die hier zwischen 1940 und 1970 geschrieben wurde. Zunächst entdeckten die wohlhabenden Leute aus Los Angeles, später die Hollywoodstars, Palm Springs als ruhiges Wochenend-Refugi-um, wegen des beständigen Kli-

mas und um dort in den heissen, natürlichen Quellen zu baden. Sie beauftragten die Österreich-stämmigen Baupioniere wie Richard Neutra oder Rudolph Schindler, ihnen dort Residenzen zu bauen. Zusammen mit dem schweizerischen Corbusier-Schü-ler Albert Frey brachten diese die Ideen der europäischen Mo-derne und des Bauhauses in die amerikanische Wüste und entwi-ckelten mit ihren amerikanischen Kollegen wie Donald Wexler, E. Stewart Williams oder William F. Cody einen ganz eigenen «Desert Modernism»: Schlanke, scheinbar schwerelose Formen, die durch grosse, verschiebbare Fensterflächen das Innen und Aussen aufheben und die Natur integrieren. Felsen werden von den Räumen ganz einfach um-

fangen und als Raumskulpturen, Sonnenlicht und Schatten als Gestaltungselemente eingesetzt. Ausserdem entwickelten sie neue statische Lösungen mit leichten Metallkonstruktionen für die oft ausladenden, schwebend wirken-den Dächer.

Eine offene FestungDiese Stilelemente sind auch in Andy Linskys Haus, erbaut von Architektin Ana Escalante (siehe Box), zu finden – auf den zweiten Blick. Wenn sich das Eingangstor zur Seite gerollt hat, präsentiert sich das Haus erst → einmal geschlossen: Nur das klei-ne, gemütliche Gästehaus links erlaubt durch seine Glasfront vom Hof her einen gewissen Durchblick. Das Hauptgebäude jedoch schirmt sich mit Milch-

Romantisch: Die Abendstimmung ist innerhalb wie ausser-halb des Hauses ein Erlebnis.

Atrium im November/Dezember 2008 „Die Wüste lebt schön“

glasscheiben und vorgesetzten Mauern vor neugierigen Blicken ab. Die leicht im Winkel ver-steckte Eingangstür dient als architektonischer Trommelwir-bel. Denn kaum steht man vor dem komplett verglasten Entree, eröffnet sich sofort ein spektaku-läres Panorama auf das Tal und die Stadt Palm Springs.

Unendliche AussichtEine gigantische Fensterfläche mit über 10 Meter Höhe, die komplett und ohne Stolperkan-ten aufzuschieben ist, verbindet den zentralen Wohn- und Ess-bereich nahtlos mit Garten und Poolbereich. Der horizontal zum Hang angelegte offene Grund-riss, der statt Türen verschiebbare Raumteiler verwendet, bietet von jedem Nutzungsbereich eine

Unendlich-Sicht. «Genau diesen Effekt wollte ich haben», sagt Hausbesitzer Andy Linsky. «Als ich das Grundstück zum ersten Mal sah, verliebte ich mich in diesen Blick – und auf dem woll-te ich bauen.» Das Haus wurde sein Lebensprojekt, in das er vier Jahre Planung und Detailarbeit steckte. Jedes Möbelstück im Haus ist eine Eigenanfertigung, die er mit dem Innenarchitekten Daniel Wright entwarf. Allein am Bartresen aus Kirsch-holzstäben im Wohnzimmer ar-beitete der Möbelkünstler Steve Webster ein Jahr. Dessen Run-dung ist ein exaktes Echo auf die Krümmung des Pools draussen, selbst die Schubladen im Tresen sind geschwungen eingearbeitet. Die fast fugenlosen Betonqua-der, welche die Innenmauern bil-

den, sind ebenfalls massgeschnit-ten. Bis auf die exakt mit dem Boden planen Aluminiumkanten an der Treppe und der erhöhten Eingangsempore sitzt hier jedes Detail bis zur Perfektion. Über die Kosten hüllt Andy Linsky sich in Schweigen.

Modernismus zum Mieten Der Immobilienmakler, Archi-tekturliebhaber und Kunstsamm-ler verdankt seinen Wohlstand dem neu erwachten Hype um die «Mid Century Modern»-Architektur in Palm Springs. Seit Stilikonen wie Tom Ford oder Vidal Sassoon Neutra-Häuser in Kalifornien gekauft haben und Starfotografen wie Steven Klein oder Bruce Weber die Palm-Springs-Architektur mit ihren Fotos sexy in Szene setzten,

wegen Formfehlern aber nicht vollzogen. Auch Architekturfan Brad Pitt soll das Haus besichtigt haben. Linskys Firma profitiert von der Renaissance, die das lange im Dornröschenschlaf liegende Palm Springs, in das sich in den 80er- und 90er-Jahren nur golfspielende Rentner verirrten, heute erlebt. Andy Linsky selbst lebte lange in den modernen Altbauten, die nun so begehrt sind. «Ich liebe diesen Architek-turstil, aber ich wollte nicht mehr in einem Museum leben», erklärt er. «Und wer diese Architektur so respektiert wie ich, sollte sie wie ein Konservator behandeln. Meine Vision aber war: ein modernes Haus zu bewohnen, das den Geist des Mid Century Modern ins 21. Jahrhundert übersetzt.» n

sind die Preise für die lange geschmähten Architekturschätze in die Höhe geschossen. Die futuristische Elrod Resi-dence (1968) von John Lautner, die im James-Bond-Klassiker «Diamonds Are Forever» verewigt wurde, ist nur noch mit vierstelligen Tagesmieten als Location für Werbe- und Mode-aufnahmen zu mieten. Manche Häuser von Hollywood-Stars wie Frank Sinatra, gebaut 1947 von Stewart E. Williams, sind heute als Ferienhaus zu mieten: Ab 2600 Euro pro Tag, wobei drei Tage Minimum sind. Das Kaufmann House (1946) von Richard Neutra in Palm Springs kam im Mai bei Christie’s für knapp 17 Millionen Dollar unter den Hammer – der Verkauf an einen anonymen Bieter wurde

Viele Häuser berühmter Architekten wurden von den neuen Besitzern einfach abgerissen, als Pseudo-Toskana-Villa umgebaut oder mussten Parkhäusern weichen. Das hat mir fast das Herz gebrochen», sagt die erfolgreiche Architektin im Gespräch. Als sich der Zeitgeist Ende der 90er-Jahre endlich drehte, war sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ana Escalante ist Direktorin des American Institute of Architects Inland Empire und Professorin für Architektur am College of Environmental Design (California State Polytechnic University, Pomona).

Die El Salvadorianerin kam vor 20 Jahren nach Kalifornien, um ihren Master in Architektur abzuschliessen. 1994 machte sie sich in Palm Springs genau deshalb selbstständig: Um die Architekturschätze der Vergangenheit für die Zukunft zu retten. 2003 baute Escalante die ehemalige Albert-Frey-Tankstelle behutsam zum Palm-Springs-Besucherzentrum um und schenkte der Stadt ein neues Wahrzeichen. «Als ich kam, fühlte ich mich eher wie eine Archäologin als wie eine Architektin: Überall sah ich nur wertvolle Knochen, die nicht zerstört werden durften. Damals gab es hier überhaupt kein Bewusst-sein für das einzigartige architektonische Erbe:

Ana EscalanteArchitektin, Palm Springs

Andy Linsky: „Als ich das Grundstück zum ersten Mal sah, verliebte ich mich in diesen Blick.“