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Linz: Szene aus Bizets «Carmen» mit Valerie Marestin - FotoWurst

Linz:Bizet, «Carmen»'''m Entwicklungsland"

Schon das ungewöhnlich schnellund temperamentvoll genommeneVorspiel konnte man als Signal ver­stehen. Als Signal dafür, daß demlinzer Opernschaffen mit MartinSieghart, seit September neuerOpernchef, der längst fällige An­stoß Richtung Dynamik und künstle­rische Außergewöhnlichkeit versetztwurde.

Sieghart, gebürtiger Wiener,einst Solocellist bei den WienerSymphonikern, zuletzt und bis datoChef des Stuttgarter Kammer-Orche­sters, hat sich die «Carmen» als An­trittsdirigat in linz gewünscht. Er ent­schied sich für die ursprünglicheDialogfassung in französischerSprache.

David Amitin, Schauspielregis­seur argentinischer Abstammung,schwor Folklore und spanischem Ko­lorit gänzlich ab und siedelte das

Werk in der Dritten Welt, im nichtnäher definierten südamerikani­schen Raum an: Carmen im Ent­wicklungsland.

Vieles erscheint auf diese Weisein härterem licht als gewohnt: dieSoldaten des 1. Bildes, das einerMüllhalde gleicht (Bühne: Kurt Pint)sind die brutalen Erfüllungsgehilfeneines totalitären Regimes, die Mi­caela nahezu vergewaltigen, Hurenstehen da herum, Betrunkene, ge­wöhnliches, schlicht gekleidetesVolk kreuzt die Szene. DieSchmuggler im Mafiosi-look ver­schieben Waffen und Drogen, Esca­millo absolviert seinen ersten Auftrittim rockigen lederwams. Ja, undCarmen, die Zigeunerin, Hexe oderfemme fatale? Sie ist bei Amitin einemoderne, emanzipierte Frau vonheute, die ihre liebhaber bewußtauswählt.

Amitins Konzept ist durchausschlüssig, seine Personen sind trotzallem konventionell gearbeitet, vieleRegiedetails weisen ihn als genaulesenden Regisseur mit Schauspiel­erfahrung aus.

Siegharts musikalische Erarbei­tung beeindruckte in jedem Fallnachhaltig. Schon lange nicht mehrhat das Brucknerorchester so saubergespielt, voller Spannung und dyna­mischer Nuancen. Selbst die oft un­gewohnte Tempi, die Sieghart wähl­te (das rasante Vorspiel, eineschlummerliedartige Habanera undein ungeheuer flottes Schmuggler­quintett) ergaben im Gesamten einrundes Bild.

Desgleichen auch auf der Bühne:Valerie Marestin, die Carmen be­reits bei den Bregenzer Festspielensang, überzeugte in der Darstellung

einer selbstbewußten Frau. Auch ge­sanglich bereitete ihr die Partie of­fensichtlich keinerlei Probleme. Beiihr vermißte man nur hier und da dieSinnlichkeit in der Stimme, so wiebei Yu Chen, an sich ein hervorra­gender Escamillo, die Tiefe. laurieGibson verkörperte eine anrühren­de Micaela.

Das Glanzlicht der Aufführungwar aber der Don Jose des ZachosTerzakis. Mit einfachen Bewegun­gen erspielte er schon am Ende des3. Bildes den großen Verlierer, vonseiner hohen Gesangskultur (etwabei der technisch und musikalischerstklassig gesungenen Blumen­arie!) ganz zu schweigen. Erst rechtbeeindruckte Terzakis im letzten,tödlichen Zweikampf mit Carmen,der in linz vor der vollbesetztenArena stattfindet und doch nur zwi­schen den beiden: Volk und Stier-

kämpfer werden vorübergehendausgeblendet. Das linzer lan­destheater kann eine Produktion an­bieten, der man ob des eindrucks­vollen Gesamtresultats kleine Män­gel verzeiht.

Elisabeth Buchmann

BIZET: «CARMEN". Premiere am 26. Septem­ber 1992. Dirigent: Martin Sieghart; Regie:David Amitin, Ausstattung: Kurt Pint; Chöre:Ernst Dunshirn. Solisten: Zachos Terzakis (DonJose), Valerie Marestin (Carmen), William Ma­son (Zuniga), Yu Chen (Escamillo), leopoldKöppl (Morales), laurie Gibson (Micaelal,Ruth Bormann (Frasquita), Gabriele Uher (Mer.cedes) u. a.

OPERNWELT - Dezember 1992

Seite 51www.terzakis.com

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