Papierboote˜– Sonderformen der Cephalopoda · Sonderformen der Cephalopoda Nur die Damen werfen...

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16 PdN BIOLOGIE in der Schule / KOPFFÜSSER HEFT 8 / 62. JAHRGANG / 2013 Papierboote – Sonderformen der Cephalopoda Nur die Damen werfen sich in Schale N. Grotjohann und K. Kummer Die Papierboote (Argonautidae) sind Cephalopoda, bei denen nur die weiblichen Tiere eine Schale tragen. Diese ist in erster Linie ein Eibehälter und daher nicht mit der äußeren Schale des Nautilus homologisierbar. Stichwörter: Cephalopoda, Tintenfische, Argonautidae, Papierboote 1 Einleitung Auf einer 1956 im damaligen Jugoslawien erschienenen Briefmarke ist ein merk- würdiger Kopffüßer mit dem Namen „Argonauta argo“, das Papierboot, abge- bildet (Abb. 1). Bei den rezenten Tinten- fischen existiert neben den Perlbooten (Nautilidae) eine weitere Familie, die zur Ausbildung einer äußeren Schale befä- higt ist. Die Papierboote oder Argonauten (Argonautidae) wurden nach den dünn- schaligen, ungekammerten Gehäusen der weiblichen Tiere benannt. Der Gat- tungsname wird von der Argonautensage der griechischen Mythologie abgeleitet. Nach dieser Sage haben sich der Held Jason und seine Mitstreiter nach ihrem Schiff, der Argo, als Argonauten bezeich- net und sich aufgemacht, das goldene Vlies zu erobern. Die Argonautidae sind stammes- geschichtlich sehr weit von den Perlboo- ten entfernt und sollten nicht mit ihnen verwechselt werden, wie dies aber mehr- fach seit historischer Zeit geschehen ist. Darstellungen auf Amphoren im spät- minoischen Stil (Abb. 2) zeigen nicht ei- nen Oktopus, sondern ein Papierboot ohne Gehäuse [1]. Erste Beschreibungen des Papierboots finden sich bereits bei Aristoteles (384–322 v. Chr.), er erwähnt das mediterrane Papierboot (Argonauta argo) bereits in seiner Historia animalium. Wissenschaftler hielten die Papier- boote zeitweise auch für die letzten Überlebenden der längst ausgestorbe- nen Ammoniten [2], da sie wie die Am- moniten sehr kleine Eier produzieren und eine Schale als Brutkammer ausbilden. Eine Einschätzung, die sich nicht bestä- tigen ließ. Die Papierboote sind moderne Cephalo- poda der warmen Meere. Derzeit sind welt- weit, je nach Einschätzung der Autoren, sechs bis sieben Arten bekannt (Abb. 3), es existieren jedoch zahlreiche Synonyme. Im Unterschied zu den Perlbooten kommen die oft kosmopolitisch verbrei- teten Papierboote auch in Europa vor (vgl. Kasten 1). Im Mittelmeer und im be- nachbarten Atlantik werden gelegentlich A. argo und A. cygnus gefunden (Abb. 4), im Bereich der Kanarischen Inseln kommt sehr selten A. nodosa vor. Da es sich um pelagische Tiere handelt, werden sie nur sehr selten an den Stränden gefunden. In- takte Schalen gelten daher in Sammlun- gen als Rarität. Systematisch betrachtet gehören die Argonautiden zu den achtarmigen Kra- ken (Octobrachia) und verfügen wie die Abb. 1: Argonauta argo, Briefmarke aus dem ehemaligen Jugoslawien, 1956, Serie „Tiere der Adria“ Abb. 2: Minoische Vase aus dem antiken Kreta, Neupalastzeit (etwa 1700 bis 1450 v. Chr.), Meeresstil Foto: Wayne Ferrebee, URL: http://ferrebeekeeper.wordpress.com/tag/vessal/

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PdN BIOLOGIE in der Schule / KOPFFÜSSER HEFT 8 / 62. JAHRGANG / 2013

Papierboote – Sonderformen der CephalopodaNur die Damen werfen sich in Schale

N. Grotjohann und K. Kummer

Die Papierboote (Argonautidae) sind Cephalopoda, bei denen nur die weiblichen Tiere eine Schale tragen. Diese ist in erster Linie ein Eibehälter und daher nicht mit der äußeren Schale des Nautilus homologisierbar.

Stichwörter: Cephalopoda, Tintenfische, Argonautidae, Papierboote

1 EinleitungAuf einer 1956 im damaligen Jugoslawien erschienenen Briefmarke ist ein merk-würdiger Kopffüßer mit dem Namen „Argonauta argo“, das Papierboot, abge-bildet (Abb. 1). Bei den rezenten Tinten-fischen existiert neben den Perlbooten (Nautilidae) eine weitere Familie, die zur Ausbildung einer äußeren Schale befä-higt ist. Die Papierboote oder Argonauten (Argonautidae) wurden nach den dünn-schaligen, ungekammerten Gehäusen der weiblichen Tiere benannt. Der Gat-tungsname wird von der Argonautensage der griechischen Mythologie abgeleitet. Nach dieser Sage haben sich der Held Jason und seine Mitstreiter nach ihrem Schiff, der Argo, als Argonauten bezeich-

net und sich aufgemacht, das goldene Vlies zu erobern.

Die Argonautidae sind stammes-geschichtlich sehr weit von den Perlboo-ten entfernt und sollten nicht mit ihnen verwechselt werden, wie dies aber mehr-fach seit historischer Zeit geschehen ist. Darstellungen auf Amphoren im spät-minoischen Stil (Abb. 2) zeigen nicht ei-nen Oktopus, sondern ein Papierboot ohne Gehäuse [1]. Erste Beschreibungen des Papierboots finden sich bereits bei Aristoteles (384–322 v. Chr.), er erwähnt das mediterrane Papierboot (Argonauta argo) bereits in seiner Historia animalium.

Wissenschaftler hielten die Papier-boote zeitweise auch für die letzten Überlebenden der längst ausgestorbe-nen Ammoniten [2], da sie wie die Am-moniten sehr kleine Eier produzieren und eine Schale als Brutkammer ausbilden.

Eine Einschätzung, die sich nicht bestä-tigen ließ.

Die Papierboote sind moderne Cephalo-poda der warmen Meere. Derzeit sind welt-weit, je nach Einschätzung der Autoren, sechs bis sieben Arten bekannt (Abb. 3), es existieren jedoch zahlreiche Synonyme.

Im Unterschied zu den Perlbooten kommen die oft kosmopolitisch verbrei-teten Papierboote auch in Europa vor (vgl. Kasten 1). Im Mittelmeer und im be-nachbarten Atlantik werden gelegentlich A. argo und A. cygnus gefunden (Abb. 4), im Bereich der Kanarischen Inseln kommt sehr selten A. nodosa vor. Da es sich um pelagische Tiere handelt, werden sie nur sehr selten an den Stränden gefunden. In-takte Schalen gelten daher in Sammlun-gen als Rarität.

Systematisch betrachtet gehören die Argonautiden zu den achtarmigen Kra-ken (Octobrachia) und verfügen wie die Abb. 1: Argonauta argo, Briefmarke aus dem ehemaligen Jugoslawien, 1956, Serie „Tiere der Adria“

Abb. 2: Minoische Vase aus dem antiken Kreta, Neupalastzeit (etwa 1700 bis 1450 v. Chr.), Meeresstil

Foto: Wayne Ferrebee, URL: http://ferrebeekeeper.wordpress.com/tag/vessal/

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zehnarmigen Tintenfische Sepia und Kal-mar (Decabrachia) über eine Tintendrüse, die aus einer Darmanhangdrüse gebildet wurde. Die Arme der Tiere tragen zwei Rei-hen von Saugnäpfen. Bei weiblichen Tie-ren ist das Ende des ersten Fangarmpaars verbreitert. Früher glaubte man, das die Papierboote diese verbreiterten Arme als Segel benutzen und in ihren Schalen über das Meer driften [3].

2 Die Schalen der PapierbooteEs wird vermutet, dass die ursprünglichen Papierboote in der Oberen Kreidezeit ih-ren Laich in leeren Ammonitengehäu-sen absetzten und diese mit Hilfe eines Sekrets an ihren Tentakeln befestigten. Möglicherweise haben nach dem Ausster-ben der Ammoniten, gegen Ende der Krei-dezeit, die Sekret liefernden Drüsen des ersten Fangarmpaars der weiblichen Tiere

die Produktion der Gehäuse übernom-men [4].

Die Ausbildung einer Schale als Brut-kammer ist für Cephalopoden einmalig. Weibliche Papierboote können ein plan-spiral eingerolltes Gehäuse mit charak-teristischen filigranen Oberflächenstruk-turen entwickeln. Da die Tiere nicht mit der Schale verwachsen sind, können sie diese jederzeit verlassen. Die Schale wird

Abb. 3: Schalen der bekanntesten weiblichen Papierboote. Weitere Informationen finden Sie in Kasten 1. Alle Schalen stammen aus der Sammlung des Autors. Fotos: Grotjohann

Kasten 1: Informationen zu den abgebildeten Arten

A. boettgeri: Böttgers Argonaut. Kleinster bekannter Vertreter der Gattung (Schale meist nur 5 cm). Gehäuseöffnung nicht geflügelt, hervorgehobene Rippen und Höcker, raue Oberfläche, Farbe bräunlich, nicht porzellan-farben wie bei den anderen Arten. Vorkom-men Süd- und Ostafrika, Indischer Ozean und Westpazifik. Ernährung: pelagische Mollusken (Seeschmetterlinge, Bsp. Cavolina triden-tata) und Kopffüßer. Geschlechtsreife: beim Männchen 7 mm, Weibchen bilden Eier ab 14–15 mm Körperlänge. Sie bilden Ketten von bis zu 30 Tieren.

A. cornuta: Papiernautilus. Meist um die 8 cm Schalengröße. An der Öffnung geflügelt, weiß porzellanfarben. Höcker auf dem Scheitel des Gehäuses besonders ausgeprägt in zwei Reihen. Der taxonomische Status ist unsicher, möglicherweise eine Form von A. hians. Ver-breitung sehr lokal, West-Mexico, Baja Califor-nia. Eine besonders seltene Form.

A. hians: Graubraunes Papierboot, in China Graues Seepferdchennest. Im Unterschied

zu A. cornuta nur flachere Höcker und Rip-pen (ca. 40), Schale meist um die 8 cm mit leicht grauem Überzug. Kosmopolit in allen tropischen und subtropischen Meeren, daher eine recht häufige Art. Ernährung: pelagische Mollusken (Heteropoden). Geschlechtsreife: beim Männchen 7 mm, Eiablage der Weibchen ab 18–20 mm Körperlänge. Ketten von 20–30 Tieren wurden beobachtet, oft auch an Qual-len angeheftet.

A. nodosa: Knotiges Papierboot. Schale meist 15 cm (max. 30 cm), porzellanfarben mit zahlreichen Knoten und Rippen (Name) auf der gesamten Oberfläche. Verbreitung: Indo-Pazifik, Ostküste Südamerikas, Süd- Australien, Neuseeland und Südafrika (gele-gentlich auch Kanarische Inseln). Ernährung: pelagische Mollusken, tote Garnelen und Fische. In der Schale oft drei unterschiedliche Altersstadien von Eiern (auch bei A. boett-geri). Massenstrandungen gelegentlich im April bis Mai an der Südafrikanischen und Südaustralischen Küste.

A. argo: Großes Papierboot, in China Weißes Seepferdchennest. Größe der Schale max. 30 cm mit zwei Reihen scharfer Höcker am Kiel, größte Art der Gattung. Schalen älterer Tiere mit Flügeln oder hornartigen Auswüchsen an beiden Seiten der Öffnung. Verbreitung: Kos-mopolit in allen tropischen und subtropischen Meeren, auch im Mittelmeer. Ernährung: pe-lagische Mollusken. Fortpflanzung: bei Männ-chen ab 6,5–7 mm, Weibchen 14–15 mm Kör-perlänge. Eier sehr klein, in einer 88 mm Schale wurde ca. 48 800 Embryonen gefunden. Häufig auf Quallen anzutreffen, die scheinbar ange-bissen werden, um aus dem Gastralraum Nah-rungspartikel zu erhalten. Gelegentlich Mas-senstrandungen an der Südafrikanischen und Südaustralischen Küste im April bis Mai.

A. nouryi: Nourys oder Langes Papierboot. Schale bis 8 cm, meist kleiner. Form länglich, porzellanfarben, mit abgeflachten Rippen. Vor-kommen: Westküste Nordamerikas, ¿Panama bis Baja California, Südwest-Pazifik bis zur Korallensee. Die Schalen sind in Sammlungen extrem selten anzutreffen.

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mit Hilfe von mit Kalkdrüsen versehenen Velarhäuten an den Enden des ersten, ver-breiterten Tentakelpaars gebildet. Sie ent-spricht daher nicht den Außenschalen der Nautiliden, da diese von der Mantelhaut gebildet werden [5]. Funktionell dient die Schale als Eibehälter und Schutz-raum, sie kann auch als Schwimmkör-per zur Verbreitung der Eier beitragen. Es sind allerdings in der Schale keine Kam-mern wie beim Perlboot (Nautilus) vor-handen (vgl. Seite 7). Der Schale kommt daher keine hydrostatische Funktion zu. Die Gehäuse der Papierboote und Nauti-liden haben sich konvergent entwickelt, als analoge Gebilde lassen sie keine Aus-sagen über die Verwandtschaftsverhält-nisse zu [6]. Das Gehäuse kann auch dazu

dienen, das Tier im Wasser auszutarieren, denn wie in neueren Untersuchungen ge-zeigt wurde, könnte auch eine Luftblase in der Schale für Auftrieb sorgen. Weib-liche Argonauten beginnen bereits vor der Geschlechtsreife mit der Bildung der Schalen.

3 Entwicklung und Fortp�anzung Die Individualentwicklung unterscheidet sich nicht wesentlich von jener anderer Tintenfische [4]. Die Eier der Argonauten sind allerdings mit etwa zwei Millimeter sehr viel kleiner als die anderer Cephalo-poden, und sie werden nicht wie sonst üb-lich an feste Materialien angeheftet. Aus den winzigen Eiern schlüpfen unbeschalte Tiere. Im Zuge der Entwicklung tritt

bei den Papierbooten ein extremer Ge-schlechtsdimorphismus auf. Männ liche Exemplare sind grundsätzlich wesentlich kleiner als weibliche. Bei der größten be-kannten Art Argonauta argo können die Weibchen maximal 35 Zentimeter lang werden, während die ausgewachsenen Männchen nur rund zwei Zentimeter er-reichen. Lange Zeit waren daher nur weib-liche Tiere bekannt. Die Zwergmännchen tragen den für Tintenfische typischen verlängerten dritten linken Arm, den Be-gattungsarm oder Hectocotylus (Abb. 5). Dieser wird bei der Übergabe der Sperma-tophoren in die Mantelhöhle des Weib-chens vom Körper abgetrennt. 1829 wurde dieser Arm daher von Cuvier fälschlich als parasitärer Fadenwurm mit dem Namen „Hectocotylus octopodis“ beschrieben. Die erste korrekte Beschreibung eines männ-lichen Argonauten erfolgte im Jahre 1853 durch N. Müller. Der Name des „falschen Wurms“ wurde für den Begattungsarm der männlichen Kopffüßer beibehalten [5, 3]. Nach der Übergabe der Spermato-phoren sterben die Männchen. Es wurden Hectocotyli verschiedener Männchen bei einzelnen Weibchen beobachtet [7].

Zu den papierbootartigen Cephalo-poden gehören weiterhin vier nahe ver-wandte Familien mit ähnlichem Fort-pflanzungs- und Brutpflegeverhalten. Sie alle leben ozeanisch pelagisch in oberflä-chennahen und mittleren Tiefen. Wie die meisten Tintenfische bewegen sich auch die Argonautiden hauptsächlich nach dem Rückstoßprinzip durch Ausstoßen von Wasser durch den Trichter. Gleichzei-tig schwimmen sie mit der Haut des ers-ten Tentakelpaars, die zum Teil die Schale bedecken kann und sie dadurch farbig er-scheinen lässt [7]. Allgemein wird beob-achtet, dass Argonautiden sich gerne an Quallen (zum Beispiel Phyllorhiza punctata) anheften und mit ihnen navigieren. Zu-gleich bieten die Nesseltiere wirksamen Schutz gegen Fressfeinde. Neuere Be-funde deuten darauf hin, dass die Qual-len auch angebissen werden, um an Nah-rungspartikel aus dem Gastralraum zu gelangen (siehe Kasten) [8].

Bei A. hians u. a. Arten wurden schwim-mende Ketten von 20 bis 30 weiblichen Argonauten gleicher Größe beobachtet, wobei sich das erste Tier an einem festen Gegenstand fixierte.

4 Umsetzung im UnterrichtSchülern werden die Papierboote vermut-lich nicht bekannt sein. Kraken und sons-tige Tintenfische sind aber durch die be-liebten Tintenfischgerichte wie Calamari

Abb. 4: Schalen weiblicher Papierboote der mediterranen Vertreter. Sie werden sehr selten im intakten Zustand an den Stränden des Mittelmeers angespült. Fotos: Grotjohann

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fritti gut bekannt. Eine Folienpackung mit Tintenfischringen oder eine Verpackungs-einheit mit entsprechenden Bildern könn-ten daher als Unterrichtseinstieg nützlich sein. Die große Formenvielfalt und die anatomische Anpassung der Cephalo-poda an verschiedene Lebensräume kann im Unterricht der Mittelstufe veranschau-licht werden. Am Beispiel von Papier-boot, Nautilus, Posthörnchen, Sepia und Kalmar können die unterschiedlichen Schalenformen verglichen und deren Funktion abgeleitet werden. Die Schüler erhalten so Einsicht in die Formenviel-falt der im Volksmund schlicht als Tin-tenfische bezeichneten Tiere. Sie verbes-sern ihre Artenkenntnis, erkennen in den unterschiedlichen Schalenformen und -funktionen das Basiskonzept (biologi-sches Prinzip, Erschließungsfeld) „Struk-tur und Funktion“ und können dieses mit Hilfe des Arbeitsblattes am gegebenen Beispiel erarbeiten.

Beim Papierboot und Nautilus können die funktionellen Unterschiede der nur rein äußerlich ähnlichen Gehäuse erkannt werden. Beim Nautilus und Posthörn-chen, auch Widderhornkalmar (Spirula spi-rula) genannt, sind fächerverbindende Be-züge zur Physik und zur Technik möglich, wie das Schweben im Wasser, die physika-lischen Vorgänge beim Tauchen und das Funktionsprinzip eines U-Bootes über die Veränderung der spezifischen Dichte (siehe auch Seite 7). Posthörnchen stel-len eine Besonderheit dar, da sie – von außen kaum erkennbar – ein schnecken-förmiges, spiralig gewundenes Gehäuse

(Name!) mit einander sich nicht berüh-renden Windungen in ihrem Mantel tra-gen. Das Gehäuse (Phragmokon) besitzt zahlreiche Kammern, die – ähnlich wie beim Nautilus – mit Gas befüllt werden können und das Tier in der Wassersäule schwebend halten. Die Schwimmbewe-gungen selbst werden mit den „Flossen“ ausgeführt. Sepia und Kalmar besitzen je-weils ein Innenskelett zu Stabilisierung des Körpers. Der Sepiaschulp ist den Schü-lern unter Umständen aus dem Zoohan-del (Kalkschulp für Ziervögel) bekannt. Das Innenskelett der Sepien besteht aus Kalklamellen, die zur Veränderung der spezifischen Dichte Flüssigkeit oder Gas aufnehmen können (siehe auch Kasten 1). Das Skelett des Kalmars dagegen ist sehr flexibel, es besteht im Wesentlichen aus Chitin und hat lediglich Stützfunktion (siehe dazu auch Seite 26).

Zunächst ordnen die Schüler auf dem Arbeitsblatt den Schalen die richtigen Arten zu. Anschließend werden in Grup-pen Posterpräsentationen vorbereitet, wobei jede Gruppe eine Art übernimmt. Die notwendigen Informationen können auf den angegebenen Internetseiten re-cherchiert werden. Es werden Bilder le-bender Tiere beschafft, die Lebensräume und Verhaltensweise erkundet sowie die unterschiedlichen Funktionen der Schale abgeleitet. Anatomische Vergleiche kön-nen abschließend mögliche systemati-sche Verwandtschaften begründen. Nach den Präsentationen werden zur Sicherung und Festigung der Ergebnisse von den Schülern jeweils Quizfragen zu den Pos-terinhalten gestellt und die beste Gruppe prämiert.

Falls im Fachraum kein Internet zur Verfügung steht, können die Aufgaben auch als Hausaufgabe gegeben werden.

Mögliche Lösungen zum ArbeitsblattZu 1: Papierboot, Posthörnchen, Nautilus, Kalmar, Sepia.

Zu 2 c: Tropische, Subtropische Meere, Mittelmeer, Papierboot pelagisch oberflä-chennah. Posthörnchen bis 1000 m Tiefe, Nautilus ca. 300 m, Kalmar sehr variabel bis Tiefsee (Riesenkalmare, vgl. Seite 21).

Zu 2 d: Papierboot: Kein Auftrieb, nur Eibehälter, Brutpflege, Versteck, Schwimmhilfe. Nautilus: Schweben im Wasser, Kammern mit Gas oder Flüssig-keit befüllbar, variable spezifische Dichte. Kalmar: Nur Chitinskelett als Stütze, Se-pia: Stabilisierung und Auftrieb. Feine La-mellen im Schulp können mit Flüssigkeit oder Gas gefüllt werden, variable spezifi-sche Dichte. Posthörnchen: Innenskelett,

Abb. 5: Schemazeichnung des Spermatophoren beinhaltenden Hectocotylus (dritter linker Fang-arm von A. argo) Zeichnung: A. Heitkamp in Anlehnung an [9]

Kammern wie bei Nautilus, variable spezi-fische Dichte.

Zu 2 e: Sepia, Kalmar, Posthörnchen je 10, Papierboot 8, Nautilus männl. 60, weibl. 90

Zu 3: http://www.tintenfische.com/in-dex.htm?/systematik.htm ■

Literatur[1] Buschor, E.: Griechische Vasenmalerei, Piper und Co. Verlag, München, (1921), S. 21.[2] Lewy, Z.: Octopods: Nude ammonoids that survived the Cretaceous-Tertiary boundary mass extinction. Geology 24, Boulder, (1996), S. 627–630.[3] Poppe, G. T., Goto, Y.: European Seashells, Vol. II, Verlag C. Hemmen, (1993), S. 23.[4] Naef, N.: Die fossilen Tintenfische: Eine pa-läozoologische Monographie. VII, S. G. Fischer, Jena, (1922), S. 333.[5] Thenius, E.: Lebende Fossilien, Pfeil Verlag, (2000).[6] Kleesattel, W.: Die Welt der lebenden Fossi-lien, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darm-stadt, (2001).[7] Norman, M.: Tintenfischführer Weltweit, Kraken, Argonauten, Sepien, Kalmare, Nautili-den. Jahr Verlag, (2000).[8] Heeger, T., Piatkowski U., Möller, H.: Pre-dation on jellyfish by the cephalopod Argonauta argo. Marine Ecology Progress Series 88, (1992), 293–296.[9] Finn, J.: Argonauts (‚paper nautiluses‘): Systematics and biology of the family Argo-nautidae, The Malocologist, (2006), Volume 46. http://www.malacsoc.org.uk/the_Malacolo-gist/BULL46/Contents46.htm

Anschrift der VerfasserKatharina Kummer, Master of Education, Prof. Dr. Norbert Grotjohann, Universität Bie-lefeld, Fakultät für Biologie, Biologiedidaktik (Botanik und Zellbiologie), Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, E-Mail: [email protected]

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013Arbeitsblatt 1

Funktion der Schalen von „Tinten�schen“

Das Papierboot hat eine hauchdünne, ungekammerte und schneckenförmige Kalkschale (ca. 20 cm). Der Nautilus besitzt eine sehr feste, gekammerte Kalkschale (ca. 22 cm). Die Kammern sind durch einen Kanal miteinander verbunden, sie können mit Wasser oder mit Luft gefüllt werden. Der Kalmar hat eine stabförmige, �exible, horn-artige Schale (ca. 45 cm). Die Sepia besitzt den sogenannten Schulp (ca. 25 cm), er ist aus Kalk, sehr leicht und hat feine Hohlräume, die mit Flüssigkeit oder Luft gefüllt werden können. Das Posthörnchen (Spirula) besitzt eine hornförmige aufgerollte Schale (ca. 3 cm), mit vielen Kammern, die mit Luft gefüllt werden können.

Aufgaben1. Lies den Text und ordne den abgebildeten Schalen die richtigen Namen der Tinten�sche zu (bitte eintragen).

2. Bildet Dreier- bis Fünfergruppen und erarbeitet eine Posterpräsentation zu einer der gezeigten Arten. Berück-sichtigt dabei folgende Punkte:

a) Sucht auf den Internetseiten (unten) nach Bildern und Informationen zur Lebens- und Verhaltensweise der ausgewählten Art.

b) Nennt Besonderheiten, die die Tinten�schart auszeichnen.

c) Beschreibt den Lebensraum, den die Tinten�schart besiedelt.

d) Beschreibt die unterschiedlichen Funktionen der Schale.

e) Wie viele Fangarme hat das Tier?

3. Welche Arten könnten miteinander verwandt sein? Begründet eure Antwort.

4. Überlegt euch 5–10 Quizfragen zu eurem Poster, die ihr im Anschluss an die Präsentation den Zuhörern stellt. Beschafft einen kleinen Preis für die Gewinner.

5. Bestimmt selbst anhand von fairen Kriterien die Gewinnergruppe.

Für 2 a) geprüfte Internetseiten (Stand: 10. 10. 2013)http://www.tierenzyklopaedie.de/tiere/tinten�sch.htmlhttp://tierdoku.com/index.php?title=Gemeiner_Tinten�schhttp://www.meerwasser-lexikon.de/kategorie/25.htmlhttp://www.focus.de/schlagwoerter/themen/t/tinten�sch/http://universal_lexikon.deacademic.com/310160/Tintenschnecken%3A_K%C3%B6rperbau_und_Eigenarten_der_Tinten�schehttp://www.tinten�sche.com/index.htm?/systematik.htmhttp://de.wikipedia.org/wiki/Tinten�schehttp://en.wikipedia.org/wiki/Argonauta_argo