Paradoxien Des Vertrauensmanagements
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Dr. Michael Florian
Institut für Innovationsmarketing
Technische Universität Hamburg-Harburg
Tagung »Vertrauen innerhalb von Organisationen«
Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung
Projekt CCM2, Teilprojekt Vertrauensmanagement
20.-21. September 2012
Paradoxien des VertrauensmanagementsParadoxien des Vertrauensmanagements
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Gliederung
• Vertrauensmanagement: Definition, Problemstellung und zentrale Thesen
• Vertrauen als soziale Praxis
• Was bedeutet Paradoxie?
• Paradoxien des Vertrauensmanagements
• Forschungsdefizite und Ausblick
Technische Universität Hamburg HarburgInstitut für Innovationsmarketing
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VertrauensmanagementDefinition
• Vertrauensmanagement
– Bezeichnet »die vorausschauende Gestaltung, Steuerung und Kontrolle
vertrauenssensibler Unternehmensprozesse, -handlungen und
gestaltbarer Vertrauensbedingungen
Uwe Weinreich (2003): Vertrauensmanagement. In: Deutscher Manager-Verband e.V. (Hg.): Die Zukunft des
Managements. Perspektiven für die Unternehmensführung, Zürich, S. 194
Technische Universität Hamburg HarburgInstitut für Innovationsmarketing
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VertrauensmanagementDefinition
• Vertrauensmanagement
– Bezeichnet »die vorausschauende Gestaltung, Steuerung und Kontrolle
vertrauenssensibler Unternehmensprozesse, -handlungen und
gestaltbarer Vertrauensbedingungen
– auf Grundlage eines unternehmensspezifischen Vertrauensmodells,
– das in ein umfassendes Beziehungsmanagement einbettet ist.
Uwe Weinreich (2003): Vertrauensmanagement. In: Deutscher Manager-Verband e.V. (Hg.): Die Zukunft des
Managements. Perspektiven für die Unternehmensführung, Zürich, S. 194
Technische Universität Hamburg HarburgInstitut für Innovationsmarketing
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VertrauensmanagementDefinition
• Vertrauensmanagement
– Bezeichnet »die vorausschauende Gestaltung, Steuerung und Kontrolle
vertrauenssensibler Unternehmensprozesse, -handlungen und
gestaltbarer Vertrauensbedingungen
– auf Grundlage eines unternehmensspezifischen Vertrauensmodells,
– das in ein umfassendes Beziehungsmanagement einbettet ist.
– Ziel des Vertrauensmanagements ist die Erreichung und Erhaltung eines
angestrebten Vertrauensniveaus zwischen den Vertrauenspartnern.«
Uwe Weinreich (2003): Vertrauensmanagement. In: Deutscher Manager-Verband e.V. (Hg.): Die Zukunft des
Managements. Perspektiven für die Unternehmensführung, Zürich, S. 194
Technische Universität Hamburg HarburgInstitut für Innovationsmarketing
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VertrauensmanagementDefinition
• Vertrauensmanagement
– Bezeichnet »die vorausschauende Gestaltung, Steuerung und Kontrolle
vertrauenssensibler Unternehmensprozesse, -handlungen und
gestaltbarer Vertrauensbedingungen
– auf Grundlage eines unternehmensspezifischen Vertrauensmodells,
– das in ein umfassendes Beziehungsmanagement einbettet ist.
– Ziel des Vertrauensmanagements ist die Erreichung und Erhaltung eines
angestrebten Vertrauensniveaus zwischen den Vertrauenspartnern.«
Uwe Weinreich (2003): Vertrauensmanagement. In: Deutscher Manager-Verband e.V. (Hg.): Die Zukunft des
Managements. Perspektiven für die Unternehmensführung, Zürich, S. 194
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VertrauensmanagementProblemstellung
���� Inwieweit sind Vertrauensbedingungen »gestaltbar«?
���� Ist Vertrauen in Organisationen planmäßig gestaltbar, zielgerichtet steuerbar und präzise kontrollierbar?
���� Lässt sich Vertrauen überhaupt instrumentell durch Fremdsteuerung herstellen?
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VertrauensmanagementZentrale Thesen
• Eine direkte, instrumentelle Fremdsteuerung von Vertrauen in Organisationen ist nicht möglich.
• Ein indirektes, auf Vertrauen bezogenes Management muss bestehende Paradoxien berücksichtigen.
• Der Umgang mit Paradoxien des Vertrauensmanagements erfordert ein Konzept der »symbolischen« Macht, Intervention und Kontrolle.
• Vertrauensmanagement bedeutet primär Management der Vertrauensbereitschaft und der Vertrauenswürdigkeit in Organisationen.
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Vertrauen als soziale PraxisGrundlagen
• Prinzipielle Ungewissheit und »doppelte Kontingenz« als Voraussetzung der Vertrauensproblematik
– Begrenzte Rationalität des Vertrauens
• Vernünftige, zufriedenstellende »gute Gründe« vs. irrationale Blindheit,
Gutgläubigkeit oder Vertrauensseligkeit (»blindes Vertrauen« ist kein
Vertrauen im engeren Sinne)
• Lob des Misstrauens (z.B. Neuberger)
– Doppelte Bezugnahme auf
• Kompetenz bzw. Fähigkeit (Können als funktional-sachlicher Nutzen)
• Wohlwollende Motivation oder Intention (nicht schaden Wollen als
moralische Bindung)
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Vertrauen als soziale PraxisGegenstand
• Vertrauen in Organisationen bedeutet Vertrauen in...
– Personen (Ausbeutungsrisiko durch eigene Entscheidung)
– Kollektive oder korporative »Akteure« (z.B. NW, Organisationen)
• Konkrete Systeme: Zuschreibung von Handlungsfähigkeit und Repräsentation
durch Personen
– Systemvertrauen (Luhmann) bzw. Vertrauen in abstrakte Systeme(Giddens)
• Dauerhafte Funktionsfähigkeit von Systemen
• Reflexivität: Vertrauen in das Vertrauen anderer Akteure
• Als »Zuversicht« (Confidence) kein riskantes Engagement und keine
Alternativen wie beim Vertrauen (Luhmann 2001)
• Richtigkeit von Prinzipien, »Entbettung« und »Rückbettung« (Giddens)
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Vertrauen als soziale PraxisDefinition
• Vierdimensionalität von Vertrauen als soziale Praxis
1. Positive Erwartungshaltung
• Vertrauensnehmer wird riskante Vorleistung nichtnicht opportunistisch ausbeuten
2. Vertrauenshandlung
• Freiwillige riskante Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche
Sicherungen oder Kontrollen
3. Soziale Vertrauensbeziehung
• Dauer durch zeitweilige »Suspension« (Möllering) von Ungewissheit/Kontingenz
4. Sozialer Prozessablauf (Tauschprozess)
• Modell »Gabentausch« (Mauss; Bourdieu; Blau) als Prozessverlaufsmuster von
Vertrauen als eine nicht-ökonomische, soziale Tauschform
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Vertrauen als soziale PraxisBegrenzte Rationalität und Normativität
• Vertrauen als eigenständiger Koordinationsmechanismus
– Unterscheidung gegenüber zweckrationaler Kalkulation (ökonomischer Tausch, Markt, Preise) und autoritärer Fremdkontrolle (bürokratische Herrschaft, Hierarchie)
• Vertrauensbildung durch Abgrenzung gegenüber der ökonomischen und bürokratischen Logik
– »Gabentausch« statt zweckrationale Gewinnmaximierung und
egoistischer Eigennutz
– »Freiwillige Selbstverpflichtung« statt wertrationale Pflichterfüllung
und normative Fremdzwänge
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Vertrauen als soziale PraxisBegrenzte Rationalität und Normativität
• Widersprüchliche Mixturen...
– Zeitlich, sachlich und sozial unbestimmter praktischer Nutzendes Vertrauens
• Gabentausch-Paradoxie: »Interesse an der Interesselosigkeit« (Bourdieu)
bzw. »Zustände, die wesentlich Nebenprodukt sind« (Elster)
– Begrenzte und vage freiwillige Verpflichtung zur Reziprozität
• Dankbarkeit statt explizite, sozial sanktionierbare Reziprozitäts-»Norm«
• Paradoxie der »Vertrauenskontrolle«: Bedingte bzw. »begrenzte
Autonomie« als Selbstverpflichtung und Selbstkontrolle
...als Quellen der Paradoxiebildung
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• Ein Paradox umfasst
– widersprüchliche, sich gegenseitig ausschließende Elemente,
– die zur gleichen Zeit [am gleichen Ort] anwesend sind
– und gleichrangig operieren(vgl. Cameron 1986, S. 545; Cameron/Quinn 1988, S. 2)
• Ein Paradox ist »sozial konstruiert«
– weil [objektiv vorhandene] oppositionelle Tendenzen
– durch individuelle Reflektion oder soziale Interaktion
– in eine erkennbare Nähe oder Nachbarschaft gebracht werden(vgl. Ford/Backoff 1988, S. 89)
Was bedeutet Paradoxie?Definition
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• Kopräsenz widersprüchlicher, sich gegenseitig ausschließender Elemente
1. Logische Paradoxien (Wahrheitstheorien)
2. Rhetorische, semantische oder pragmatische Paradoxien
• Sei spontan!
Was bedeutet Paradoxie?Formen
http://www.happyherald.com/palmbeach/imgs/hed/art526widea.jpg
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• Kopräsenz widersprüchlicher, sich gegenseitig ausschließender Elemente
1. Logische Paradoxien (Wahrheitstheorien)
2. Rhetorische, semantische oder pragmatische Paradoxien
• Sei spontan!
• Gehorche keinem!
Was bedeutet Paradoxie?Formen
http://www.uni-muenster.de/imperia/md/images/wwu/kuk/projekte/unikunstkultur/ss2010/gehorchekeinem.jpg
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• Kopräsenz widersprüchlicher, sich gegenseitig ausschließender Elemente
1. Logische Paradoxien (Wahrheitstheorien)
2. Rhetorische, semantische oder pragmatische Paradoxien
• Sei spontan!
• Gehorche keinem!
• Vertraue mir!
Was bedeutet Paradoxie?Formen
http://farm4.staticflickr.com/3029/2349421328_55ed986d4b.jpg
»Hör auf mich, glaube mir,
Augen zu, vertraue mir!«Schlange Kaa zu Mogli
im Walt-Disney-Film "Das Dschungelbuch" (1967)
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• Kopräsenz widersprüchlicher, sich gegenseitig ausschließender Elemente
1. Logische Paradoxien (Wahrheitstheorien)
2. Rhetorische, semantische oder pragmatische Paradoxien
• Sei spontan!
• Gehorche keinem!
• Vertraue mir!
Was bedeutet Paradoxie?Formen
(Sprach-) Logisch widersprüchliche Anforderungen
���� Spontaneität und Gehorsam können den Imperativ nur erfüllen, indem sie ihm gleichzeitig widersprechen
���� Vertrauen ist eine freiwillige Leistung (»Gabe«), die nichtnicht verlangt werden kann
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3. Soziale Paradoxien
• Analytisch fruchtbare Widersprüche in der Wahrnehmung und Theorie sozialer Phänomene
• Heuristische Hilfe beim Aufspüren der Komplexität und Dynamik sozialer Phänomene
Was bedeutet Paradoxie?Formen
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• »Paradoxie des Vertrauens« (Baecker)
– Vertrauen kann nur aus Vertrauen entstehen, d.h. das erst noch zu Erwerbende wird bereits vorausgesetzt (Baecker 1993, S. 187)
– Vertrauen als Medium und als Resultat sozialer Praktiken
– Paradoxie von Identität und Wandel: Zirkularität des Vertrauensbildungsprozesses und Selbstverstärkungseffekte
Paradoxien des VertrauensmanagementsBeispiele I
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• Investitionsparadox des Vertrauenskapitals
– Vertrauen gilt als »soziales Kapital« (Coleman), als »Kredit«, »Ressource« oder als »Investitionsgut«
• Aber: Begrenzte Kapitalisierbarkeit, weil ökonomisches Kalkül wegen Eigennutz-Verdacht die Vertrauensbildung gefährdet
Paradoxien des VertrauensmanagementsBeispiele II
– Vertrauenswürdigkeit (Reputation) als »symbolisches Kapital«(Bourdieu)
• Soziale Anerkennung von Kompetenz und Ehrbarkeit
• Suspension als »Verkennung« ökonomischer Interessen
• »Verkennung« der symbolischen Macht- und Herrschaftschancen von Vertrauen in Arbeitsorganisationen
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• Paradoxien des Managements von Vertrauen
– InterventionsparadoxVertrauensmanagement ist Intervention, aber Vertrauen selbst ist ein
emergenter Prozess
Paradoxien des VertrauensmanagementsBeispiele III
���� Unterscheidung zwischen emergentem Vertrauen und der eherbeeinflussbaren Vertrauensbereitschaft und Vertrauens-würdigkeit (vgl. z.B. Eberl 2003)
– SteuerungsparadoxInstrumentalität der Fremdsteuerung (zer-) stört die Grundlagen der
Vertrauensbildung
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• Paradoxien des Managements von Vertrauen
Paradoxien des VertrauensmanagementsBeispiele IV
– »Vertrauenskontrolle« als Kontrollparadox selbstkontrollierter AutonomieVertrauen widerspricht Fremdkontrolle, ist aber zugleich Grundlage
symbolischer Macht- und Herrschaftsverhältnisse
– »Institutionalisierungsparadox«Institutionalisierung von Misstrauen kann als vertrauensbildende
Maßnahme wirken (Endreß 2002, S. 77f.; Sztompka 1998)
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• Paradoxiegehalt von Vertrauen in Organisationen
– Wurde zwar früh erkannt...z.B. Barnes (1981): Managing the paradox of organizational trust. Harvard
Business Review 60, S. 107–116
...aber bislang meist nur beiläufig analysiert.
– Paradoxie und Vertrauen bilden unabhängige Forschungslinien ohne systematische Untersuchung ihres Zusammenhangs
– Paradoxieforschung in Organisationen (seit Beginn der 1980er Jahre) eher an »harten« Kernbereichen interessiert:
• Paradoxien der Effektivität und Performanz von Organisationen erzeugt höhere fachliche Aufmerksamkeit als »weiche« Themen
Paradoxien des VertrauensmanagementsForschungsdefizite I
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• Weiterentwicklung von Luhmanns Konzept der »symbolischen Kontrolle« der Vertrauenswürdigkeit von Vertrauensobjekten und der eigenen Risikobereitschaft
– Forschungsdefizite:
• Übergänge zwischen Vertrauen und Misstrauen, schleichender Erosion und akuter Vertrauenskrise
• Schwellenerlebnisse, Symbolwerte von Ereignissen (Luhmann)
• Erste Anfänge: Forschung über »Repairing Trust« (seit 2004)
Paradoxien des VertrauensmanagementsForschungsdefizite II
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• Praktische Möglichkeiten des Umgangs mit Paradoxien des Vertrauensmanagements
– »Exploration« der in Paradoxien enthaltenen Widersprüche und Spannungen zur Entdeckung von Komplexität und Dynamik
– Suspension, Balance und lose Entkopplung statt Polarisierung
• Versuche einer einseitigen »Auflösung« von Paradoxien gefährden die produktive Spannung der Widersprüche
Paradoxien des VertrauensmanagementsAusblick I
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– Perspektivenwechsel der Intervention von Vertrauen auf die Gestaltung der Vertrauenswürdigkeit (Reputationsmanagement)
Paradoxien des VertrauensmanagementsAusblick II
– Symbolbezogenes Management von Vertrauen durch symbolische Beeinflussung der Vertrauensbereitschaft und Vertrauens-würdigkeit von Akteuren (z.B. Eberl 2003)
• Aber: Unter Beachtung der Instrumentalisierungsparadoxien des »Impression Managements«
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