Parlamentarierbrief zu Reform der gesetzlichen Unfallsversicherung

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PARLAMENTARIERBRIEF Trotz der zum 1. Mai 2005 erfolgten Fusion aller acht Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft und des geänderten Lastenausgleichs liegen die Beiträge zur BG BAU für das Baugewerbe (z. B. Hoch- und Tiefbau, Zimmerer, Dachdecker usw.) mit rund 7,5 % der Bruttolohnsumme auf einem für die Be- triebe nicht mehr erträglichen Niveau. Die Baubetriebe zahlen das Sechsfache (!) des Durchschnitts aller Wirtschaftszweige (1,35 %) an ihre Berufsgenossenschaft. Die Unfallversicherung treibt ihre Lohnzusatzkosten in die Höhe. Die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Bauwirtschaft wird dadurch erheblich geschwächt. Zur Reform der gesetzlichen Unfallversicherung Altlastenkonzept wirksam ausgestalten Unser Hauptproblem: Aufgrund des Strukturwandels in der Bauwirtschaft steht eine große Zahl an Unfallrentnern immer weniger Arbeitnehmern gegenüber. Die hohen Rentenzahlungen (Altlasten) sind die Ursache für die immer weiter steigenden Beiträge. Ohne eine durchgreifende, dauerhafte Lösung der Altlastenproblematik wird das Hauptziel der Reform der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erreicht. 7,15 4,86 6,15 7,5 5,73 6,75 1,35 1,35 1,36 1,36 1,33 1,33 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8 1990 1998 2000 2002 2003 2006 Durchschnitt aller gewerblichen BGen BG der Bauwirtschaft Beiträge der Baubetriebe z. B. im Hoch- und Tiefbau (Gefahrklasse 16,1)

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Parlamentarierbrief

trotz der zum 1. mai 2005 erfolgten fusion aller acht berufsgenossenschaften der bauwirtschaft und des geänderten lastenausgleichs liegen die beiträge zur bG baU für das baugewerbe (z. b. Hoch- und tiefbau, Zimmerer, Dachdecker usw.) mit rund 7,5 % der bruttolohnsumme auf einem für die be-triebe nicht mehr erträglichen niveau. Die baubetriebe zahlen das Sechsfache (!) des Durchschnitts aller Wirtschaftszweige (1,35 %) an ihre berufsgenossenschaft. Die Unfallversicherung treibt ihre lohnzusatzkosten in die Höhe. Die Konkurrenzfähigkeit der heimischen bauwirtschaft wird dadurch erheblich geschwächt.

Zur reform der gesetzlichen Unfallversicherung

altlastenkonzept wirksam ausgestalten

Unser Hauptproblem: aufgrund des Strukturwandels in der bauwirtschaft steht eine große Zahl an Unfallrentnern immer weniger arbeitnehmern gegenüber. Die hohen rentenzahlungen (altlasten) sind die Ursache für die immer weiter steigenden beiträge. Ohne eine durchgreifende, dauerhafte lösung der altlastenproblematik wird das Hauptziel der reform der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erreicht.

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1990 1998 2000 2002 2003 2006

Durchschnitt aller gewerblichen bGen

bG der bauwirtschaft

beiträge der baubetriebe z. b. im Hoch- und tiefbau (Gefahrklasse 16,1)

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Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom november 2005, das Gutachten der Pro-fessoren rürup und Steinmeyer vom märz 2006 und das eckpunktepapier der bund-länder-ar-beitsgruppe vom Juni 2006 stellen übereinstim-mend fest, dass der Strukturwandel innerhalb der deutschen Wirtschaft zwingend reformen bei der Gesetzlichen Unfallversicherung erfor-derlich macht.

Das Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgrup-pe sieht eine Entspreizung der Beitragssätze der gewerblichen Berufsgenossenschaften von aktuell ca. 3 Prozentpunkten auf 2 Prozentpunkte durch „intelligente Fusionen“, alternativ einen Altlasten-fonds und ggf. einen Finanzverbund vor.

Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenos-senschaften (HVBG) hat ein Modell für einen Über-altlastausgleich vorgeschlagen, das den bisherigen Lastenausgleich (§§ 176 ff. SGB VII) ersetzen soll. Das Modell wird von den Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft im Grundsatz befürwortet.

Entscheidend ist aber, dass es nur dann zu einer nennenswerten Entlastung hochbelasteter Bran-chen wie z. B. der Bauwirtschaft kommt, wenn die Politik entsprechende Festlegungen im Gesetzge-bungsverfahren trifft. Folgende wesentliche Punkte sind erforderlich:

1. Um die durch die bund-länder-arbeits-gruppe gesetzte benchmark der entspreizung der beitragssätze der gewerblichen berufsge-nossenschaften auf 2 Prozentpunkte so weit wie möglich zu erfüllen, ist eine Verteilung der Überaltlast nach den entgelten der gewerb-lichen berufsgenossenschaften zwingend.

Denn eine Verteilung je zur Hälfte nach Entgelten (Arbeitsentgelte) und nach Neurenten (aktuelle Un-fälle) würde lediglich zu einer nicht nennenswerten Entlastung der Betriebe der Bauwirtschaft führen.

eine hälftige Verteilung nach entgelten und neurenten reicht nicht aus.

Da die Bauwirtschaft seit 1995 mehr als 50 % iher Beschäftigten verloren hat, mussten die Unterneh-men mit den "übriggebliebenen" Beschäftigten dra-matische Beitragssteigerungen seither verkraften. Das entzieht der Gesetzlichen Unfallversicherung in der Bauwirtschaft ihre Akzeptanz.

nur eine Verteilung nach entgelten führt zu spürbarer entlastung.

Selbst bei einer Verteilung ausschließlich nach Ent-gelten wird das Ziel der Entspreizung der Beitrags-sätze nicht annähernd erreicht. Nach vorläufigen Berechnungen dürfte die Beitragsspreizung immerhin noch 2,4 Prozentpunkte betragen. Eine Verteilung der Überaltlast nach Entgelten ist deshalb geboten, um für die vom Strukturwandel besonders betroffenen Branchen eine merkliche Entlastung zu erreichen.

Die beiträge der besonders belasteten betriebe des Hoch- und tiefbaus liegen zurzeit rund 4 Pro-zentpunkte über dem Durchschnittsbeitrag der bG baU. Diesen Betrieben würde mit einer hälftigen Verteilung der Überaltlast nur unzureichend entlastet.

Die nach elfjähriger Krise anziehende Baukonjunktur kann die Folgen des Strukturwandels nicht ausglei-chen. Die allenfalls 5.000 neuen beschäftigten im Jahr 2007 werden nicht den Verlust von 750.000 arbeitsplätzen in den vergangenen 10 Jahren kompensieren. Insoweit reicht der Hinweis auf die Baukonjunktur nicht aus.

aktuell liegen die beiträge für Unternehmen des Hoch- und Tiefbaus zwischen 6,40 € und 8 € je 100 € Bruttolohnsumme. Bei einer hälftigen Ver-teilung der Überaltlast würden diese Beiträge um weniger als 0,20 € sinken. Damit würde dem Struk-turwandel innerhalb der deutschen Wirtschaft nicht Rechnung getragen.

Durchschnittsbeitrag 2005 zu verschiedenen berufsgenossenschaften

Verteilung nach Entgelten ./. Neurenten

absolut Anteil in %

Heutiger Wert 50 % / 50 % 100 % / 0 %

Verwaltungs-BG 0,69 % 0,81 % 0,87 %

BGW 0,73 % 0,80 % 0,79 %

BG BAU 3,77 % 3,56 % 3,23 %

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2. nur eine Verteilung nach entgelten ist gerecht und entspricht dem finanzierungs-system der Gesetzlichen Unfallversicherung.

Eine Lastenverteilung nach den Anteilen der Neu-renten hat zur Folge, dass die Anteile der einzelnen Berufsgenossenschaften erheblich vom aktuellen Rentenaufkommen der heutigen Mitglieder und da-mit von der aktuellen Gefährdungssituation bestimmt werden. Diese Verteilung kommt einem BG-über-greifenden „Neulast-Gefahrtarif“ nahe. Dieses Risiko wurde bereits - zu Recht - bei der Berechnung der von den einzelnen Berufsgenossenschaften selbst zu tragenden eigenen Neurenten vollständig - und ggf. beitragssteigernd - berücksichtigt.

Das aktuelle branchenrisiko ist schon mit dem rentenwert abgegolten.

Die Überaltlast stellt hingegen die strukturell be-dingte solidarisch zu tragenden Last dar und eben nicht die von den aktuellen Mitgliedern zu verantwor-tende Branchengefährdung. Deshalb ist eine erneu-te (!) Berücksichtigung der aktuellen Gefährdungssi-tua-tion nicht sachgerecht.

Die Verteilung nach entgelten behandelt alle branchen gleich.

Bei den Entgelten handelt es sich um objektive, von den Berufsgenossenschaften nicht beeinflussbare Zahlenwerte, die die wirtschaftliche Situation der einzelnen Branchen zeitnah wiederspiegeln. Da die Solidarisierung der strukturell verursachten Überalt-lasten eben nicht mit dem aktuellen Unfallgesche-hen zusammenhängt, ist eine BG-übergreifende Verteilung der Überaltlast allein nach Entgelten der gerechtere Weg.

alle vergleichbaren Umlagesysteme in der So- zialversicherung, durch die ein risiko solida-risiert wird (wie in der Kranken-, renten-, Pfle-ge- und arbeitslosenversicherung sowie die insolvenzgeld- und DDr-altlastenumlage in der Unfallversicherung) haben ausschließlich das entgelt als Verteilungsmaßstab.

Nur eine Verteilung nach Altlasten ist darüber hinaus auch fair, weil sie zu einer für alle Berufsgenossen-

schaften identischen prozentualen Belastung bei der Überaltlast führt.

Eine Verteilung ausschließlich nach Entgelten ist zudem notwendig, um die in Deutschland (noch) produzierenden Wirtschaftszweige zu stärken. Die Produktionsbranchen - wie die Bauwirtschaft -, die in Deutschland produzieren, hier Arbeitnehmer beschäftigen, Steuern und Sozialabgaben zahlen, bedürfen einer finanziellen Entlastung, sonst werden noch mehr Betriebe und Arbeitsplätze verloren ge-hen, bzw. ins Ausland abwandern.

es besteht keine Kausalität zwischen der Überaltlast und der aktuellen Gefährdungs-lage.

Eine Verteilung der Überaltlast nach Rentenwerten ist abzulehnen, da keine Kausalität zwischen den aktuellen Beitragszahlern und der Überaltlast einer BG besteht. Grundlage des Überaltlastmodells ist, dass die Überaltlast nicht mehr in den Risikobereich der einzelnen BG fällt, um die dort versicherten Be-triebe nicht zu überfordern.

Daher kann die aktuelle Gefährdungslage, die von den in der Berufsgenossenschaft versicherten Be-trieben voll getragen wird, auch keine Auswirkungen mehr auf die Überaltlast haben.

Die Verteilung nach entgelten ist für alle bran-chen tragbar.

Schaut man auf die Ergebnisse einer vollständigen Verteilung der Überaltlast nach Entgelten, so ergibt sich, dass die beitragsrelevante Mehrbelastung der Geber-Berufsgenossenschaften sich in allen Bran-chen als tragbar darstellt.

Bei der Verwaltungs-BG versicherte Unternehmen zahlen im Durchschnitt zur Zeit 0,69 € auf 100 € Bruttoentgelt; bei der BG BAU 3,72 € und Betriebe des Hoch- und Tiefbaus 7,50 €.

Die Verteilung der Überaltlast ausschließlich nach Entgelten würde zu einem Anstieg des Durch-schnittsbeitrages bei der Verwaltungs-BG auf 0,87 € auf 100 € Bruttoentgelt führen, während der Durchschnittsbeitrag bei der BG BAU auf 3,23 € und im Hoch- und Tiefbau auf ca. 7,26 € sinkt.

Dieses bedeutet einen Anstieg von lediglich 0,18 € im Durchschnitt bei der Verwaltungs-BG.

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3. Der neue Überaltlastenausgleich ist zeit-nah einzuführen.

Die Nachjustierung des Lastenausgleichs im Jahre 2005 hat aufgrund des Beschäftigungsabbaus keine dauerhafte Beitragsentlastung gebracht. Der Be-schäftigungsabbau hat seine Ursache auch darin, dass aufgrund der unterschiedlichen Lohnzusatz-kostenbelastungen der heimischen und der auslän-dischen Unternehmer eine massive Wettbewerbs-verzerrung besteht. Die deutschen Bauunternehmen haben extrem hohe Sozialversicherungsbeiträge zu tragen.

Auch eine sofortige Verteilung allein nach Entgelten führt nicht zu einer Entspreizung der Beitragssätze von max. 2 Prozentpunkten, wie es das Bund- Länder-Eckpunktepapier festgelegt hat.

Damit ist es zumindest erforderlich, dass der neue Überaltlastausgleich möglichst zeitnah nach einer kurzen Übergangsfrist von höchstens drei Jahren vollständig eingeführt wird. Der Überaltlastaus-gleich ist rückwirkend zum 1. Januar 2007 einzu-führen. Es ist dabei zwingend erforderlich, dass die Durchführung des Überaltlastausgleichs rechtssi-cher ausgestaltet wird und dauerhaft erfolgt.

Verhältnis von rentenfällen und entgelten bei ausgewählten berufsgenossenschaften

rentenfälle (tabelle 1)

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

BG der keramischenund Glas-Industrie

BG der Feinmechanikund Elektrotechnik

BG BAU

Verwaltungs-BG

BG fürFahrzeughaltungen

Durchschnitt

rentenfälle in tsd.

180

60

40

20

entgelte (tabelle 2)

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

BG der keramischenund Glas-Industrie

BG der Feinmechanikund Elektrotechnik

BG BAU

Verwaltungs-BG

BG fürFahrzeughaltungen

entgelte in mrd. €

120

100

80

60

40

20

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

BG der keramischenund Glas-Industrie

BG der Feinmechanikund Elektrotechnik

BG BAU

Verwaltungs-BG

BG fürFahrzeughaltungen

Durchschnitt