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Pathologisches PC-/Internet- Spielen: Störungsmodell und Behandlungsstrategien Dr. Jörg Petry AHG-Projektleiter pathologisches Glücksspielen und PC-/Internet-Spielen BARSOTTI » Ich kann’s nicht genau erklären – ich habe nur so ein Gefühl, dass ich gerade gegoogelt werde.« AHG Adaptionshaus TPR Duisburg, 19. November 2009

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Pathologisches PC-/Internet-Spielen: Störungsmodell und Behandlungsstrategien

Dr. Jörg PetryAHG-Projektleiter pathologisches Glücksspielen und PC-/Internet-Spielen

BARSOTTI

» Ich kann’s nicht genau erklären – ich habe nur so ein Gefühl, dass ich gerade gegoogelt werde.«

AHG Adaptionshaus TPR Duisburg, 19. November 2009

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Übersicht

1. Einleitung

2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell

3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell

4. Rahmenbedingungen

5. Behandlung

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Übersicht

1. Einleitung

2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell

3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell

4. Rahmenbedingungen

5. Behandlung

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Medienwelten

Es lassen sich drei größere Umbrüche in der Geschichte der Medien feststellen, die unsere Realitätswahrnehmung (Medienwelten)

mitbestimmen:Der Gebrauch der Sprache (Oralität), die Entstehung der Schrift (Literalität)

und die Entwicklung elektrischer/elektronischer Medien mit dem PC/Internet als

Höhepunkt (Virtualität).Die universelle Durchdringung des Alltages durch die Literalität als

Folge des mechanischen Druckverfahrens (Gutenberg-Galaxie) wird aktuell durch die digitale Technik des Computers (Turing-Maschine) in

Verbindung mit dem Internet zurück gedrängt. Damit entbrennt erneut der Streit zwischen befürwortenden Utopisten

und kritischen Kulturpessimisten.

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PowerPoint als Werkzeug

Die kritische Betrachtung des Computers wird

aktuell gern am Beispiel des Programms

PowerPoint geführt.Es wird die Gefahr

thematisiert, dass die inhärenten Effekte der

Software den inhaltlichen Gehalt dominieren.

In der Nacht vor dem großen Meeting bekam Frank Besuch von der PowerPoint-Elfe

Quelle: Freitag, 23, 2004:16

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PowerPoint als Werkzeug

Muss sie aber nicht!

Natürlich kann die Form den Inhalt dominieren

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Medienwelten

Von der Gutenberg-Galaxie zu den Neuen Medien

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Ästhetik des Computerzeitalters

Es muss noch offen bleiben, welche Weltsicht

eine Generation entwickeln wird, die einen

frühen und häufigen Umgang mit den neuen

Medien und deren Leitbilder hat…

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Das Medium PC/Internet

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Übersicht

1. Einleitung

2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell

3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell

4. Rahmenbedingungen

5. Behandlung

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Ressourcenorientiertes dynamisches Modell (Annahmen)

• Kontinuum vom funktionalen über exzessiv-dysfunktionalen bis pathologisch-süchtigen PC/Internet-Gebrauch

• Wechselwirkung zwischen medienbezogenen Merkmalen und personalen und sozialen Ressourcen der Nutzerpersönlichkeit

• Teufelskreisartige Einschränkung der Selbstregulation mit verminderter Medienkompetenz

Six, U., Gleich, U. & Schröder, A. (2005). Determinanten funktionalen bis dysfunktionalen-süchtigen Internetgebrauchs. In K.-H. Renner, A. Schütz & F. Machilek (Hrsg.): Internet und Persönlichkeit (S. 223 – 237). Göttingen: Hogrefe.

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Ressourcenorientiertes dynamisches Modell (Bewertung)

Vorteil:• Integration medien-, allgemein- und

gesundheitspsychologischer Aspekte

Nachteil:• Keine entwicklungspsychopathologische

Erklärung des pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs

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Übersicht

1. Einleitung

2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell

3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell

4. Rahmenbedingungen

5. Behandlung

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Klinisch-heuristisches Störungsmodell (Ausgangspunkte)

• Biopsychosoziales Bedingungs- und Veränderungsmodell

• Allgemeinpsychologisches Handlungsmodell• Medienpsychologische und

entwicklungspsychopathologische Erklärungsansätze

• Klinische Kasuistik und

klinische Pilotstudien

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Deskriptive PsychopathologiePathologisches PC-/Internet-Spielen (ICD-10: F68.8)Entwicklungspsychopathologische Störung des Beziehungsverhaltens

Exzessive Online-Aktivität, speziell vom Gaming-, Chatting- und Surfing-Typ

Überwertiges Immersionserleben mit Wunsch nach sozialer Anerkennung durch virtuelle Partner

Erhöhte neuropsychologische „Inkonsistenz“ mit ausgeprägter Selbstwertstörung

Sozialer Rückzug und Abbruch naher Beziehungen mit sozial-phobischen Vermeidungstendenzen

Reduzierte Handlungskontrolle mit eingeschränkter Medienkompetenz

Typische Konstellation negativer körperlicher, psychischer und sozialer Folgen

Hohe Komorbiditätsrate, insbesondere depressive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen und Suchtverhalten

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Ätiologische Grundannahmen

• Unsichere Bindungsorganisation im Sinne Bowlbys (1993)

• Störung der sozialen Identitätsentwicklung durch umweltbedingte Deprivationen (Pfeiffer et al., 2007)

Bowlby, J. (19934) A secure base: Clinical applications of attachement theorie. London: Routledge. Pfeiffer, C. et al. (2007). Die Pisa-Verlierer – Opfer ihres Medienkomsums. Hannover: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen.

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Pathogenetischer Prozess

• Passgenaue Verbindung frustrierter Grundbedürfnisse und medialer Angebote

• Regressiver Rückzug in die kindliche Phantasiewelt des Spielens zur Kompensation im Sinne Adlers (1974)

• Das Arbeitsmittel PC/Internet wird zum Lieblingsspielzeug mit hoher subjektiver Valenz (Oerter, 1993)

Adler, A. (1974). Praxis und Theorie der Individualpsychologie. Frankfurt/M.: Fischer. Oerter, R. (1993). Psychologie des Spiels. München: Quintessenz

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Chronifizierung

Six, U., Gleich, U. & Schröder, A. (2005). Determinanten funktionalen bis dysfunktionalen-süchtigen Internetgebrauchs. In K.-H. Renner, A. Schütz & F. Machilek (Hrsg.): Internet und Persönlichkeit (S. 223 – 237). Göttingen: Hogrefe.

• Zunehmende Einschränkung von Handlungsoptionen auf die Online-Aktiviät unter Vernachlässigung alternativer Ressourcen

• Gewohnheitsbildung zu einem weniger bewussten, impulsiveren und reizgesteuertem Handlungsmodus

• Teufelskreisartige Verstärkung durch negative Konsequenzen, insbesondere den sozialen Rückzug

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NosologieNosologisch handelt es sich um eine

entwicklungspsychopathologische Störung des zwischenmenschlichen Beziehungsverhaltens.

Dies entspricht einer „anderen näher bezeichneten Persönlichkeits- und Verhaltensstörung“ (ICD 10: F68.8).

Es handelt sich nicht um eine spezifische Persönlichkeitsstörungen im klassischen Sinne sondern ein früh entstandenes und dauerhaftes Persönlichkeits-

und Verhaltensmuster.Differentialdiagnostisch ist das Störungsbild vom

pathologischen Internet-Glückspielen (F63.0) und der pathologischen Hypersexualität (F52.7) abzugrenzen, bei denen das Medium PC/Internet nur Mittel zum Zweck ist.

Dilling, H. et al. (Hrsg.). (1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD 10, Kapitel V (F). Bern: Hans Huber.

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Typologie

Das häufigste Erscheinungsbild ist das männliche Gamen.

Quelle des Fotos: „Sogar der Müll wird besser.“ Interview mit Steven Johnson mit Bildern von Phil Toledano, NEON, April 2006, S. 154-158.

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Typologie

Das zweithäufigste Erscheinungsbild ist das weibliche Chatten.

„Im Internet weiß niemand, dass Du ein Hund bist!“

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Pathoplastische Veränderungen

Augrund der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und Verbreitung der Neuen Medien ist mit einem historischen Wandel des Störungsbildes im Sinne

pathoplastischer Veränderungen des Erscheinungbildes zu rechnen.

Die JIM-Studie 08 bestätigt zwar die anhaltende Dominanz von Games bei Jungen und dem Chatten bei Mädchen. Aufgrund des früheren Einstiegs in die

Nutzung der Neuen Medien werden die Identitätsentwicklung und die soziale

Beziehungsbildung jedoch viel stärker von der virtuellen Erlebnisweise bestimmt.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.). (2008). JIM-Studie 08: Jugend, Information, (Multi-)Media. Stuttgart: LA für Kommunikation Baden-Württemberg.

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Erste empirische Befunde*)

• Vorwiegend Männer (85,7 %) mit hoher Arbeitslosigkeit (45,2 %) u. Partnerlosigkeit (73,8 %)

• Häufige depressive Störung (61,9 %), Persönlichkeitsstörung (33,3 %) und Angststörung (14,3 %) sowie Tabak- (40,5%), Alkohol- (21,4%) und Drogenabhängigkeit (19,0%)

Die Patienten weisen durchgehend eine oder mehrere psychische Störungen auf. Bei einem Teil bestehen

zusätzliche stoffgebundene Süchte. * Konsekutiv stationär behandelte Patienten (N = 42)

Petry, J. (im Druck). Dysfunktionaler und pathologischer PC-/Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe.

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Erste empirische Befunde*)

• Extrem eingeschränkte Seelische Gesundheit (T = 27) bei normaler Verhaltenskontrolle (T = 49) im TPF

• Deutlich eingeschränkter Selbstwert (T-Werte zwischen 32 und 36) in der MSWS

• Verstärkte Furcht vor sozialer Zurückweisung ( T = 62,6) im MMGEs besteht ein schwere Selbstwertstörung verbunden mit sozialen Rückzugstendenzen.

*Konsekutiv stationär behandelte Patienten (N = 29)

Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF)Multidimensionale Selbstwertskala (MSWS)Multi-Motiv-Gitter (MMG)

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Übersicht

1. Einleitung

2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell

3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell

4. Rahmenbedingungen

5. Behandlung

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Problemverhalten im Jugendalter

Das Jugendalter hat Entwicklungsaufgaben, die mit Chancen und Risiken verbunden sind.

Bei ungünstigen sozialen und personalen Bedingungen entstehen Überforderungen, auf

die typischerweise mit „Problemverhalten“ reagiert wird.

Allgemein ist vielfältiges Risikoverhalten (Drogenkonsum, Verkehrsunfälle, Delinquenz

etc.) für diesen Lebensabschnitt charakteristisch.

Bei der großen Mehrheit der Heranwachsenden nehmen diese

Verhaltensmuster im jungen Erwachsenenalter wieder ab.

Hurrelmann, K. (1994). Lebensphase Jugend. Weinheim: Juventa.Pinquart, M. & Silbereisen, K. (2004). Prävention und Gesundheitsverhalten im Jugendalter In K. Hurrelmann, K. et al. (2007). Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung (S. 63-71). Bern: Huber.

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Prävalenz exzessiven PC-/Internet-Gebrauchs

Geschlecht

AlterWeiblich Männlich

12 - 14 5,0% 4,5%

15 -17 2,8% 5,8%

18 -20 1,9% 3,8%

21 - 24 0,0% 1,5%

Meixner, S. (2008, November). Personale und soziale Risikofaktoren exzessiever Internetnutzung in der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter. Vortrag auf der Fachkonferenz der DHS in Bielefeld.

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Aktuelle Versorgungssituation

• Selbsthilfeangebote für Betroffene und Angehörige (www.onlinesucht.de; www.rollenspielsucht.de)

• Erziehungs- und Familienberatungsstellen• Psychologische Dienste an Schulen/Universitäten• (Jugend-)Psychotherapeuten bzw. Psychiater

• Suchtberatungsstellen • Universitäre Institutsambulanzen • Rehabilitationskliniken

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Sozialmedizinische Überlegungen

• Es handelt sich um ein eigenständiges psychisches Störungsbild, bei dem die Erwerbfähigkeit erheblich vermindert ist

• Es besteht primär die Indikation für eine psychosomatische Rehabilitation, bei komorbider Abhängigkeitserkrankung im Rahmen einer Entwöhnung

• Die Behandlung erfordert ein umfassendes störungsspezifisches Angebot

• Die „Empfehlungen zur medizinischen Rehabilitation bei pathologischem Glücksspielen“ können Vorbild für die Festlegung ähnlicher Rahmenbedingungen sein.

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Übersicht

1. Einleitung

2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell

3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell

4. Rahmenbedingungen

5. Behandlung

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Arbeitsgruppe der AHG

AHG Klinik Schweriner See

AHG Klinik Münchwies

AHG Klinik Hardberg, ab 16. Jahren

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Veränderungsprozesse in der therapeutischen Beziehung

• Problemerkennung und -differenzierungImplizites Störungsverständnis mit Eigen- und Fremdanteilen

• Veränderung dysfunktionaler Kognitionen und emotionaler Schemata

Virtueller vs. realer Erlebnismodus

• KompetenzerweiterungSelbstregulation u. Kommunikative Kompetenz

• SelbstakzeptanzSelbstwahrnehmung als handelnde Person

Bastine, R. (1992). Klinische Psychologie, Bd. 2. Stuttgart: Kohlhammer.

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Symptomatische BehandlungEntwicklung und Aufrechterhaltung von Medienkompetenz

Motivational-volitive (Sucht-)therapie: Es besteht eine „Ambivalenz“ bzgl. der Aufrechterhaltung oder Aufgabe des Problemverhaltens (Miller & Rollnick, 20042), wobei inadäquate Lösungsstrategien bei der Verfolgung „aktueller Anliegen“ (Cox & Klinger, 2004) eine Veränderung verhindern.

(Sucht-)therapeutische Rückfallpräventionsmodelle: Dysfunktionale Kognitionen und Verhaltensmuster in Hoch-Risikosituationen (Marlatt & Gordon, 1985) führen zu einer Rückfallgefährdung, wobei eine dynamische Interaktion mit distalen (Komorbidität, soziale Unterstützung u. a.) und weiteren proximalen (Affekte, Bewältigungskompetenzen u. a.) Faktoren (Marlatt & Witkiewitz, 2004) besteht.

Cox, W.M. & Klinger, E. (Eds.). (2004). Motivational Counseling. Chichester (UK): WileyMarlatt, G.A. & Gordon, J.R. (Eds.) (1985). Relapse Prevention. New York: GuilfordMarlatt, G. A. (Eds.). (2005). Relapse Prevention. New York: Guilford.Miller, W.R. & Rollnick, S. (2004). Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus.

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Ursachenbezogene BehandlungBiopsychosoziale Stabilität und Kompetenzen

Psychosomatische Regulationsstörungen Störungen der Affektregulation, des Körper-Selbst und der Objektbeziehungen (Paar et al.,1999) aufgrund einer Bindungsstörung

Vulnerabilitäts-Stress-Modell der gestörten PersönlichkeitUngünstige biopsychosoziale Lernbedingungen führen zupersönlichkeitsbedingten Beeinträchtigungen des

Beziehungsverhaltens (Fiedler, 1999).

Risiko- und Schutzfaktoren Beide Ansätze betonen das Zusammenspiel deprivierender und

protektiver Faktoren und Prozesse.

Fiedler,H. (1999). Salutogenese und Pathogenese der Persönlichkeitsentwicklung. In R. Oerter et al. (Hrsg.). Klinische Entwicklungspsychologie (S. 314-334). Weinheim: Beltz. Paar et al. (1999). Genese und Prognose psychosomatischer Störungen. In R. Oerter et al. (Hrsg.). Klinische Entwicklungspsychologie (S. 299-313). Weinheim: Beltz.

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Diagnostik

• Screening (Kurzfragebogen zum Computergebrauch / KPC)

• Anamnese (Interview zur speziellen Anamnese)

• Klinisches Bindungsinterview (von Schuhler, 2008)

• Dissoziationserleben (DSS nach Jacobs, 1989)

• Virtuelle Bindung (Realitäts-Virtualitäts-Test)

• Motivationale Grundbedürfnisse (MMG von Schmalt et al., 2000)

• Aspekte des Selbstwerts (MSWS von Schütz & Sellin, 2006)

• Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle(TPF von Becker, 1989)

• Ggf. Intelligenz- und Konzentrationsdiagnostik

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Behandlungsmethoden und -strategien

Methoden:

• Multiprofessionelle Behandlung• Einzel- und gruppentherapeutisches Setting• Symptom- und ursachenorientierte Verfahren

Zielsetzungen:• Medienkompetenz• Biopsychosoziales Störungsverständnis• Emotionsregulierung• Identitätsentwicklung• Kommunikative Kompetenzen

Schuhler,P.; Vogelgesang, M.; Petry, J. & Feindel, H. (in Vorbereitung). Psychotherapie des pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs. Göttingen: Hogrefe.

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Entwicklung von MedienkompetenzDas Ampelmodell

OKAY (funktional)

Beruflich notwendige PC-Nutzung wie definierte eMail-Korrespondenz, Buchungen und Überweisungen…

VORSICHT (gefährlich)

Online-Aktivitäten zuhause, Internetgebrauch allein, längere zeitliche Benutzung des Computers …

TABU (dysfunktional)

Spezielle Aktivitäten wie Computerspiele, spezielle Chat-Rooms oder berufsfremde Websites…

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ZusatzhausordnungZ U S A T Z Z U R H A U S O R D N U N G

bei pathologischem PC-Gebrauch

(Gaming/Chatting/Surfing)

Name Geb.am.

Gruppe

Ich verpflichte mich, während der Behandlungsdauer auf jegliche Online-Aktivitäten zu

verzichten. Dies gilt auch während der Heimfahrten.

Sollte es während meiner Behandlungszeit erforderlich sein, einen PC zu benutzen,

werde ich Zweck und Art vorher mit meinem Bezugstherapeuten besprechen und ein

Protokoll darüber führen.

Es gelten die folgenden weiteren Absprachen:

Datum: . . . . . . . . . . . . . . . .

Unterschrift des Patienten Unterschrift des Therapeuten

Ich verpflichte mich, während der Behandlungsdauer auf jegliche Online-Aktivitäten zu verzichten. Dies gilt auch während der Heimfahrten.

Sollte es während meiner Behandlungszeit erforderlich sein, einen PC zu benutzen, werde ich Zweck und Art vorher mit meinem Bezugstherapeuten besprechen und ein Protokoll darüber führen.

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Therapeutische Verfahren

Das Grundprinzip besteht in der Konfrontation mit der Widerständigkeit der realen Welt, um die

ursächlichen/resultierenden körperlichen, psychischen und sozialen Defizite abzubauen.

So kann das Körpergefühl durch Krafttraining oder Steinbildhauerei, die Emotionsregulierung durch körperorientierte Selbsterfahrung und die soziale

Ängstlichkeit/Isolation durch Gruppenspiele (Kegeln, Boule) und Übernahme von sozialer Verantwortung

(Gruppenfunktionen) gefördert werden.Durch elebnisaktivierende Methoden (z.B.

Hochseilgarten) können intensive emotional Erfahrungen etabliert werden.

Ergänzend werden lebenspraktische (Kochen) und berufsbezogene (Dienstleistungstraining) Fertigkeiten

trainiert.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!