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Stadt Nürnberg Berufliche Schule Direktorat 3 (B3) 1 B3-Logo von 1998 bis 2004 B3-Logo ab 2005 Pädagogische Chronik der B3 Zukunft braucht Herkunft: Nur wer weiß, woher er kommt, kann wissen, wohin er geht.

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Stadt Nürnberg Berufliche Schule Direktorat 3 (B3)

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B3-Logo von 1998 bis 2004 B3-Logo ab 2005

Pädagogische Chronik der B3

Zukunft braucht Herkunft: Nur wer weiß, woher er kommt,

kann wissen, wohin er geht.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort Schnappschüsse aus einigen Sitzungsterminen der Chronisten Einleitung Teil A

1. Bisherige B3-Schulleiter 2. Organisatorischer Bereich 3. Erzieherischer Bereich 4. Unterrichtlicher Bereich 5. Lehrereinsatz 6. Eine besondere Herausforderung an der B3: Abteilung "Jungarbeiter" 7. Diskussion um die berufliche Grundbildung 8. Neue technische Unterrichtsmittel 9. Schulleben 10. Systematische Pädagogische Schulentwicklung 11. Schüleraustausche zum Erwerb interkultureller beruflicher Kompetenz (IbK)

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Vorwort Startschuss für das Verfassen einer pädagogischen Chronik war das erste Treffen ehemaliger Lehrkräfte der B3 am 1. Februar 2005 im Teamraum der Schule, zu dem Hr. Dr. Müller, Schulleiter seit 2003, eingeladen hatte. Ziele des Projekts sind insbesondere

1. die Berücksichtigung der Erfahrungen ehemaliger Lehrer und Schulleiter bei der Weiterentwicklung der B3 und

2. die Kontaktpflege mit ehemaligen Kollegen. Teil A der Chronik setzt in den 50-er Jahren ein. Er beschreibt rund 50 Jahre pädagogische Entwicklung der B3 mit ihren wesentlichen Schwerpunkten unter der Schriftleitung von Horst Völker, Schulleiter der B3 bis 2003. Regelmäßig mitgearbeitet haben folgende ehemaligen Lehrkräfte:

Lehrkraft Funktion Eismann, Bernhard

Fachstudienrat i. A., Fachbetreuer/Leiter der Werkstätten für Gastronomie

Horn, Gerhard

StD, stellvertretender Schulleiter der B 3 von 1997 bis 2008

Koch, Claus-Peter StD, Betreuer des Berufsbereiches Bäckerei, Konditorei, Fachverkauf

Neidiger, Helmut

Fachlehrer (Gärtner/Floristen)

Hegenauer, Hans

StD, Mitarbeiter der Schulleitung

Ritter, Wolfgang OStR und komm. Betreuer des Berufsbereichs Gärt-ner/Floristen

Rudolf, Eduard OStD, Schulleiter der B3 von 1965-1969; Leiter des Amtes für berufliche Schulen von 1969-1987 als Oberschuldirektor und Beauftragter des Kultusministeriums (Schulaufsichtsbeamter)

Schäfer, Theo

Fachstudienrat, Fachbetreuer der Augenoptikerwerkstätten

Schnabel, Siegfried

StD, Betreuer des Berufsbereiches Gastronomie

Speyerer, Arthur

StD, Betreuer des Berufsbereichs Gärtner/Floristen

Völker, Horst

OStD, Schulleiter der B3 von 1992 bis 2003

Schriftliche Beiträge lieferten die Lehrkräfte W. Büttner, H.-G. Pfund, E. Steiner und G. Zweifel.

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Teil B der Chronik wird in Zusammenarbeit zwischen Gerhard Horn (stellvertretender Schulleiter der B3 von 1997 bis 2008) und Hr. Horst Völker (Schriftleitung) verfasst. Dieser Teil nimmt etwa die Zeit ab dem Jahr 2005 in den Blick. Der schönste Dank an die Mitarbeiter der Chronik wäre die Aufmerksamkeit der heutigen B3-Lehrkräfte für diese Chronik. Die Verfasser sind sicher, dass der Rückblick auf früher vollzogene Entwicklungen der B3 au-ßerordentlich befruchtend für die jetzige und künftige Arbeit mit unseren Schülerinnen und Schülern sein kann. Nürnberg, im November 2009 Dr. M. Müller

Schnappschüsse aus einigen Sitzungsterminen der Chronisten

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Einleitung „DENKEN HEISST VERGLEICHEN.“ Dieser ebenso einfache wie prägnante Ausspruch Walter Rathenaus ist für jeden Fahrgast sichtbar am Nürnberger U-Bahnhof Rathenauplatz zu lesen, unweit der Berufsschule 3 in der Sulzbacher Straße und unweit des Berufsbildungszentrums „Alte Messe“ mit seinen sechs beruflichen Schulen. Wer sich und seine Situation mit anderen oder anderem vergleicht, tritt aus seiner dem Augenblick verhafteten Position heraus und kann seine Situation sozusagen von außen betrachten. Aus der vergleichenden Distanz sieht man die Dinge objektiver, oft genug eine wichtige Voraussetzung, um mit der eigenen Lage sachgerech-ter umgehen zu können. Diesem Ziel dient die vorliegende Chronik. Sie ist deshalb keine übliche Schulchronik aus zusammengetragenen statistischen Daten und – von wenigen Ausnahmen abgesehen – chronologischen Abläufen. Vielmehr will diese „pädagogische Chronik“ der Berufsschule 3 der Stadt Nürnberg besondere und für diese Schule typische Leitgedanken pädagogischen Handelns in Erinnerung halten und deutlich machen, welche Antworten auf jeweils anstehende Fragen gegeben wurden. Wer diese Chronik liest, darf – wie bei der leider selten gewordenen Beschäftigung mit der Geschichte der Pädagogik generell – nicht den sich sofort einstellenden Nutzen erwarten. Darauf muss in unserer im Über-maß dem schnellen Erfolg verhafteten Zeit besonders aufmerksam gemacht werden. Diese Chronik soll und kann den nachfolgenden Lehrkräften helfen, ihren pädagogischen Blick zu weiten und so die Möglichkeiten und Grenzen des eigenen pädagogischen Handelns realistischer einschätzen. Im Sinne des großen Pädagogen Eduard Spranger geht es dieser kleinen B 3 – Chronik eher um ein „ Augenöffnen“ als um praktische Handlungsanleitung, um ein Augenöffnen durch den denkenden Vergleich des „pädagogischen Heute“ mit der Unterrichts- und Erziehungssituation der Berufsschule 3 Nürnberg in vorausgegangener Zeit. Horst Völker, Schriftleiter Schulleiter der Berufsschule 3 von 1992 bis 2003

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Teil A 1. Bisherige B3-Schulleiter Stellvertretend für eine Vielzahl von Lehrpersonen seien zu Beginn die Schulleiter genannt, die das Geschick der Schule im Betrachtungszeitraum von Teil 1 bestimmten.

Bis 1965

Höfler, Hans

1965 - 1970 Rudolf, Eduard

1970 - 1982

Wentzke, Günther

1982 - 1992 Abele, Walter

1992 – 2003 Völker, Horst

ab 2003 Dr. Müller, Manfred

2. Organisatorische Ebene 2.1. Schulstandorte und Berufe Die B3 war nach 1945 auf folgende Schulgebäude verteilt: 2.1.1 Adam- Kraft- Str. – Lange Zeile: Druckindustrie, Lederberufe, Schaufensterdekorateure, Brauer und Destillateure, Handelsfachpacker 2.1.2 Bielingschulhaus: („Bielingbaracke“): Gastronomieberufe 2.1.3 Amberger Schulhaus (Schweinau): Bahnjungwerker 2.1.4 Schulhaus Kernstraße: Bäcker und Konditoren/Verkäuferinnenklassen der beiden Berufe 2.1.5 Schulhaus Preißlerstraße: Gärtner, Floristen

2.1.6 Schul-„Baracke“ Johannisstraße: Jungarbeiterklassen. Ab 1959 im Südflügel des Neubaus der B3 an der Sulzbacher Straße 2.1.7 Schulhaus Webersgasse (Schweinau): Fleischer und Fleischereifachverkäuferinnen (zunächst im Altbau des Schlachthofs, später im Neubau) 2.1.8 Angemietete Räume in einem Gebäude der Post auf dem Gelände des heutigen Maritimhotels: Postjungboten

2.1.9 Zentrales Schulgebäude an der Sulzbacher Straße ab 1967. Alle B3-Berufe außer

Fleischer/Fleischereifachverkäuferinnen waren nun in einem Haus. Die B3 wurde als „Haus der 123 Berufe“ Ausbildungs- und Bildungsstätte für alle Berufe, die nicht unmittelbar dem Elektro- und Me-tallbereich (B1/B2), dem kaufmännischen Bereich (B4/B6) oder dem hauswirtschaftlichen Bereich (B5/B7) zuzuordnen waren. Die Schule hatte als für die betriebliche Ausbildung zuständige Stelle folgende Kooperationspartner:

- Industrie- und Handelskammer (für die kaufmännisch verwandten Berufe) - Handwerkskammer (für die handwerklichen Berufe) - Landwirtschaftsabteilung der Regierung von Mittelfranken (für die Gärtner) - Apothekerkammer (für die Apothekenhelferinnen und später für die Fachschule für p

mazeutisch-technische Assistentinnen). har-

2.1.10 Anfang der 70-er Jahre plante man an der damals zuständigen B2 die Fachgruppe der Augenoptiker

an eine neu zu gründende Landesberufsschule München abzugeben. Mit der Verlegung der FG Augenoptik von B2 nach B3 durch den damaligen

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Leiter des Amtes für Berufliche Schulen, Herrn Rudolf, wurde der Plan fallen gelassen. Zugleich wurde erstmals in Bayern im Oktober 1971 der Blockunterricht für diese Fachgruppe eingeführt.

2.2. Lehrkräfte

Berufsschullehrer fehlten nach 1945 überall. Soweit möglich, schulte man besonders qualifizierte und erfahrene Volksschullehrer und Lehrer anderer Schularten entsprechend ihren besonderen Fähigkei-ten oder Neigungen um, so dass sie für den Unterrichtseinsatz an einer Berufsschule qualifiziert wa-ren. Anfang der 50-er Jahre waren an der B3 zwölf solche Lehrkräfte eingesetzt. Was die Anstellung neuer Theorielehrkräfte anging, profitierte die B3 von einer Beschlusslage des Rates der Stadt Nürnberg, wonach städtische Referendare eine bessere Besoldung erhielten als an-derswo in Bayern. Diese Regelung, die bis in die 60-er Jahre galt, führte dazu, dass sich Nürnberg und damit die B3 aus einer größeren Bewerberzahl die jeweils Examensbesten aussuchen konnte. Auch für den praktischen Unterricht gab es über einen längeren Zeitraum keine ausgebildeten Fach-lehrer in ausreichender Zahl. So suchte man bei Bedarf nach Fachleuten in Ausbildungsbetrieben, die neben herausragender Fachkompetenz auch pädagogisch geeignet erschienen; diese schulte man intern in didaktisch-methodischer Hinsicht. So wie man sich mit Lehrkräften aus anderen Bereichen „versorgte“, gab man allerdings auch qualifi-zierte Fachleute ab. Die späteren Professoren und Universitätsdozenten Gaukler, Dr. Glenk und Ste-phan etwa waren zunächst Lehrer an der B3 gewesen. Der Leiter des hessischen gewerblichen Stu-dienseminars Dr. H. Laube unterrichtete, bevor er nach Frankfurt/Main und später als Abteilungsleiter an das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung nach Berlin wechselte, ebenso wie Dr. Fr. Tauten-hahn, der spätere Leiter des Bereichs Berufliche Schulen bei der Regierung von Mittelfranken, an der B3 u. a. in Schauwerbeklassen. Und auch der langjährige Leiter des Nürnberger Amtes für Berufliche Schulen und Schulaufsichtsbeamter E. Rudolf war zuerst Lehrer der B3 gewesen. Hier seien auch zwei ehemalige Schüler der B3 erwähnt, die nach ihrer Ausbildung herausragende Positionen in der Gesellschaft erreichten: Der Druckerlehrling A. Liebel ist heute Leiter der Berufs-schule 4 der Stadt Nürnberg und der Gastronomielehrling Hr. Imhof arbeitet als Nürnberger Abgeord-neter im Bayerischen Landtag.

2.3. Klassenbildung

Die Anmeldung neuer Lehrlinge zum Schuljahresbeginn erfolgte äußerst schleppend, so dass eine si-chere Planung vor Schuljahresbeginn nicht möglich war. Aus diesem Grund wurden die weiterführen-den Klassen in der Regel noch 2-3 Wochen nach dem alten Stundenplan des Vorjahres unterrichtet. Die Einführung von Kontaktgesprächen mit den Ausbildungsbetrieben und das Verschicken von Fra-gebögen an die Betriebe mit der Bitte um Rücksendung bis jeweils Mitte August (Welche Neueinstel-lungen? Welche Ausbildungsdauer? Vorbildung der Azubis? Gewünschter Schultag?) brachten eine wesentliche Verbesserung. Auf dieser Grundlage konnte nun ein Stundenplan erstellt werden, der vom ersten Tag des neuen Schuljahres an gültig war.

2.4. Finanzausstattung und Baumaßnahmen

Die Finanzausstattung der B3 wurde in den 60er-Jahren erheblich verbessert, um insbesondere den fachpraktischen Unterricht zu verändern. In stärkerem Maße sollte neben der Demonstration durch den Lehrer das praktische Selbsttun des Schülers Leitgedanke werden. Dazu war Geld nötig, um den erforderlichen Mehrbedarf an Geräten und Ma-schinen sowie an Arbeitsmaterial zu bezahlen. Um den Stadtrat zu überzeugen, dass die B3 mehr Geld für Unterrichtsmittel benötigte, waren die Lehrkräfte gehalten, über Art und Menge des Verbrauchs und des Bedarfs an Material und Geräte exakt Buch zu führen. Und um zu gewährleisten, dass die Neuanschaffungen dann auch tatsächlich im fachlichen Unterricht eingesetzt wurden, band man auch bei allen späteren Planungen von Um- und Neubauten die Lehrkräfte der jeweiligen Fachgruppen intensiv mit ein. Sie machten die Beschaf-fungsvorschläge und sie identifizierten sich nach deren Realisierung in starkem Maße mit „ihrem“ Ar-beitsumfeld.

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ehrer-

Besonders zielführende und beispielhafte Baumaßnahmen waren in diesem Zusammenhang: - Ausstattung einer Werkstatt für Lederberufe (1955-57) - Einplanung eines kleineren Lehrerzimmers („ Lehrerstützpunktes “) zwischen je zwei Klassenräumen

beim Bau des Schulhauses an der Sulzbacher Straße. Diese Lehrerstützpunkte wurden mit zwei oder drei Schreibtischen und Schränken für Unterrichtsmaterial ausgestattet. Die Lehrkräfte, die in den anliegenden Unterrichtsräumen unterrichteten, teilten sich die Schreibtische und die Schränke. Wer aus täglicher Un-terrichtserfahrung weiß, wie wichtig es für den Unterrichtsalltag ist, Unterrichtsmaterial rasch verfügbar zu haben, kann den Wert dieser Raumordnung in einem Schulgebäude einschätzen. Es ist in diesem Zu-sammenhang eine Meldung der Stuttgarter Zeitung vom 19. Januar 2009 ( ! ) bemerkenswert, in der der Kultusminister von Baden Württemberg Helmut Rau zitiert wird: „ Für mich gehört ein qualifizierter Larbeitsplatz zur Schule der Zukunft.“ Diese Auffassung setzte die Stadt Nürnberg bereits 50 Jahre davor bei der Planung und beim Bau ihrer Berufsschule 3 in der Sulzbacher Straße um.

- Einrichtung von Werkstatträumen für die Augenoptiker im 2. Stock des Hauptgebäudes 1971 (H 207/H

208) und im Kellergeschoss des Nordflügels 2001/02

- Bau von fünf hochmodernen Küchen und Servierräumen im Berufsbildungszentrum „Alte Messe“ 1987

Pädagogische Ziele der auf diese Weise ausgestatteten Räume und des wie oben bezeichneten

fachlichen Unterrichts waren: Schaffung optimaler Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte als elementare Voraussetzung zur Errei-

chung der Unterrichtsziele.

gezielte Ausformung der fachlich-praktischen Fertigkeiten der Schüler als elementare Basis für das Arbeitsleben.

Ausgleich betriebsbedingter Unterschiede bei der Ausbildung im Betrieb. Heute kann rückblickend gesagt werden, dass „überbetriebliche Ausbildung“ überflüssig wäre, hätte man allseits diesen Grundgedanken konsequent verfolgt. Mit größter Wahrscheinlichkeit wäre das be-rechtigte Anliegen, betriebsbedingte Unterschiede in der Ausbildung auszugleichen, in der Berufs-schule allgemein billiger und effizienter zu realisieren.

Durchführung der praktischen Abschlussprüfungen in den Fachräumen der B3 als Garantie gleicher Prüfungsbedingungen für alle Prüflinge. Wie wichtig dieser Denkansatz war und ist, zeigt ein Vorgang Anfang der 80-er Jahre: Wegen Raummangels konnte die Abschlussprüfung für Köche nicht in der B3 (Räume H 407/408) durchgeführt werden; sie wurde folglich von der IHK Nürn-berg in die Küche des Berufsförderungswerkes Mittelfranken in Nürnberg verlegt. Die Prüflinge und die Prüfer befanden sich in einer außergewöhnlich schwierigen Prüfungssituation, weil sie mit den räumlichen Gegebenheiten am Prüfungsort, der ihnen bis dahin unbekannt gewesen war, in keiner Weise vertraut waren. Als der damalige Fachgruppenbetreuer für die FG Gastronomie der B3 an einem Prüfungstag sich dort zeigte, wurde er beschuldigt, nicht verantwortlich gehandelt zu haben, weil er – wahrheitsgemäß - erklärt hatte, bei den beengten Raumverhältnissen in der FG Gastronomie sei es unmöglich, Unter-richt und Prüfung gleichzeitig in der Schule zu organisieren.

2.5. Lernortkooperation

Auf die Kooperation mit Firmen als mögliche Sponsoren für die Ausstattung der Fachräume legte man großes Gewicht. Beispielhaft seien genannt: Die Firmen Bäko (Backgewerbe), Evenord (Fleischge-werbe), Onoldia und WMF (Gastronomie) und Weco (Augenoptik) sowie der Floristenverband. Mehrere dieser Firmen verpflichteten sich, regelmäßig veraltete Maschinen und Anlagen durch jeweils neueste zu ersetzen. Dafür wurde von der B3 erwartet, dass die praktischen Abschlussprüfungen in dem jeweiligen Gewerbe an diesen Maschinen und Anlagen in der B3 durchgeführt werden konnten.

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3. Erzieherischer Bereich

Die Lehrkräfte der B3 waren sich der enormen erzieherischen Problematik bewusst, die sich aus dem Konflikt des Hineinwachsens ihrer Schüler in das Arbeitsleben und zugleich in die Rolle des Erwach-senen ergab. In den zu Ende gehenden 60-er und in den 70-er Jahren wurde dieses Grundproblem noch durch die Mode der "antiautoritären Erziehung" verschärft.

Eindeutige erzieherische Ziele wurden bei alledem nicht aus den Augen verloren und leiteten die erzieherische Arbeit nach folgenden Leitgedanken: - Schüler annehmen, „wie er nun mal ist“. - Führung des Schülers zu sicherem Selbstwertgefühl durch erziehenden Unterricht.- Führung durch "gütige Strenge" eines Lehrers, der über fachliche und persönliche Autorität verfügt. Dabei

war den Lehrern bewusst, dass diese Autorität immer wieder neu errungen werden musste. - Über den Unterrichtsbereich im engeren Sinne hinaus waren vielen Lehrern Klassenfahrten und Unter-

richtsgänge erzieherisch sehr wichtig. - Diese soziale Ebene des Erziehens war auch der Grund, sich auf Gruppenunterricht einzulassen und die-

se Unterrichtsform trotz Stoffdrucks zu pflegen. - Die Bedeutung der Schülerverwaltung für die Entwicklung der Schüler wurde zunehmend gesehen:

• Regelmäßiges Gespräch des Schulleiters mit der SMV in den 60-er Jahren. • Workshops für Klassensprecher außer Haus werden vom Beratungslehrer organisiert.

4. Unterrichtlicher Bereich 4.1. Im unterrichtlichen Bereich vollzog sich an der B3 im Betrachtungszeitraum eine kontinuierliche

Veränderung vom eher lehrerzentrierten Frontalunterricht zu Unterrichtsformen, die die Selbsttätigkeit der Schüler forderten. Die Entwicklung ging weg vom Lehrer, der "sein Wissen anbietet“ über den Lehrer, der "sein Wissen verkauft" zum Lehrer, der neben den kognitiven auch die affektiven und psychomotorischen Schichten der Schüler anspricht. Lernzirkel und eigenverantwortliche Gruppenarbeit bis hin zur Bewertung von Teamfähigkeit wurden seit Ende der 90-er Jahre Schwerpunkte der Unterrichtsführung. Dabei müsste Übungsphasen nach Auffassung von Schulleitung und vieler Lehrer mehr Raum gegeben werden können.

4.2. Eine Daueraufgabe sahen und sehen Lehrkräfte in dem Erfordernis, Theorie- und Praxisfächer zeitlich

stärker zu verknüpfen. Projektorientiertes Lernen wurde schon früh als eine besonders gute Realisie-rungsmöglichkeit dieses Denkansatzes gesehen.

Ein Beispiel für einen Unterrichtstag: Herstellung einer Diplomatentasche (in Fachklassen für Lederbe-rufe) mit Verknüpfung von Fachzeichnen, Fachtheorie und Fachrechnen.

- FZ: Zuschnittszeichnung - FT: Materialkunde - FR: Kosten- und Preisberechnungen.

Ein zweites Beispiel: Ende der 50-er Jahre legten Jungarbeiterschüler innerhalb ihres Unterrichts selbst Hand an beim Neubau des Südflügels der B3.

Drittes Beispiel: Lehrer erstellen selbst Jahreslehrpläne für ihre Klassen. Dabei wurde für einen Schul-tag / eine Schulwoche ein zentrales Thema gewählt und in allen Fächern soweit möglich thematisiert. Der Lehrplan war als faltbares Blatt gestaltet, in dem die einzelnen Fächer als Spalten einer Tabelle wie folgt aufgeführt waren:

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Schulwoche Themen Nr. 14 Fachtheorie Fachrechnen Prakt. Fkde. Deutsch/Sozialkde. Trinkwasser Wasserverbrauch

Diagramm Kosten im Betrieb

Garmethoden mit Wasser: kochen pochieren dünsten etc.

Unterrichtsgang Wasserwerke und Vorgangsbeschrei-bung: Wasseraufbereitung

4.3. Ab den 70-er Jahren bemühten sich Lehrer, bewusst von der den Unterricht streng führenden Lehrer-

frage wegzukommen und mehr mit der Impulsmethode ("Denkanstoß") zu arbeiten. Die Denkanstöße konnten verbaler und nonverbaler Art sein.

Beispiel: (Fachklasse für Augenoptiker)

Lehrerfrage: "Was ist das für ein Brillenglas?"

Dagegen:

Lehrerimpuls als Alternative: - Verbal "Äußern Sie sich zu dieser Art eines Blen- glases!"

ril-

"Überlegen Sie weiter!" " Da fehlt noch ein wichtiger Punkt!"

- Nonverbal: Lehrer hält Brillenglas hoch und nimmt ei-ne fragende Körperhal-tung/Gesichtsmimik ein. Lehrer nickt mit dem Kopf/schüttelt den Kopf nach ent-sprechender Schüleraussage.

Folgende Gründe sprechen für die Impulsmethode:

• Schüler wird nicht so streng gemäß dem Lehrervordenken durch das "Programm" geführt, sondern kann mehr eigene Gedanken äußern und wird in höherem Maße befähigt, selbstständig Sachzusam-menhänge zu erklären.

• Die Gefahr einer falschen Schülerantwort auf eine in der Regel sehr gezielte Lehrerfrage ist deutlich geringer. Auch leistungsschwächere und weniger sprachbegabte Schüler konnten sich deshalb eine Unterrichtsbeteiligung eher zutrauen.

Insgesamt stärkte die Methode das Selbstvertrauen der Schüler und damit auch die Bereitschaft, sich im Unterricht einzubringen.

4.4. Ausbildung des Fachlehrernachwuchses

Die fachliche und pädagogische Kompetenz von Lehrkräften der B3 veranlasste seinerzeit die Kultus-behörden zu der Bitte, die praktisch-pädagogische und fachdidaktische Ausbildungsphase des baye-rischen Fachlehrernachwuchses aus den Berufsbereichen Gärtner/Floristen, Augenoptiker und seit einiger Zeit auch der Gastronomie in die Hände der B3 zu legen. Theorie- und Fachlehrkräfte geben den jungen Fachlehreranwärtern Gelegenheit zur Hospitation im Unterricht und vermitteln ihnen pä-dagogische und methodische Fähigkeiten ebenso wie die jeweilige Fachdidaktik.

5. Lehrereinsatz

5.1. In den 50-er, 60-er und bis in die 70-er Jahren galt weitgehend das Klassenlehrerprinzip. Eine Klas-

se kannte nur drei Lehrer: den Theorielehrer mit den Fächern D, SK, FT, FR etc., den Praxislehrer und den Religionslehrer. Es war etwa 1965 völlig normal, dass ein Theorielehrer an einem Schultag sechs Stunden lang ein und dieselbe Klasse in den Fächern D, SK, FT, FR, BWL und Buchführung unterrichtete.

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Ab den 70-er Jahren wuchsen die Anforderungen an die fachliche Kompetenz der Lehrer derart, dass Lehrer sich spezialisieren mussten. Zunächst schien die Entwicklung so zu verlaufen, dass es eine Spezialisierung der Lehrer auf das berufliche Feld (FT, FZ, FR) zum einen oder das allgemeinbilden-de Feld (D, SK, BWL) zum anderen gab. Eine erhebliche Zahl von Lehrern mochte sich aber mit die-ser Trennung insbesondere hinsichtlich des Faches Deutsch nicht abfinden. Mehr und mehr berück-sichtigte daher die notwendige Spezialisierung neben besonderen Fähigkeiten / Vorlieben von Lehr-kräften auch die zentrale Bedeutung des Faches Deutsch für die Bildung der Gesamtpersönlichkeit der Auszubildenden.

5.2. Lehrer mussten sich in völlig fachfremde Bereiche einarbeiten. Beispiele: a) Ein Nahrungsmittler und gelernter Brauer unterrichtete Glasbläser im Fachunterricht.

b) Ein Diplomshandelslehrer wurde in Lederklassen in Fachtheorie eingesetzt. c) Ein Lehrer für Bauberufe unterrichtet Fachtheorie/Fachrechnen in Fotoklassen.

d) Ein Nahrungsmittler wird mit Physik und techn. Zeichnen in Eisenbahnklassen eingesetzt. e) Anfang der 90-er Jahre gab es den neuen Beruf "Eisenbahner im Betriebsdienst (EIB)",

der an B3 unterrichtet werden sollte. Speziell dafür ausgebildete Lehrer waren zunächst nicht vorhanden. Deshalb wurde das Problem der fachlichen Nachqualifikation mit einer Doppelstrategie gelöst: Die Bahn stellte der B3 Fachleute als Lehrer zur Verfügung. Zugleich besuchten mehrere B3-Lehrer fachliche Fortbildungskurse vor allem in Gotha. Die „Lage“ war nun mal so und man biss sich durch. Nach etwa fünf Schuljahren hatten die Lehrkräfte die fachliche Kompetenz und die Unterrichtserfahrung im Fachunterricht auf einem Niveau erworben, das es erlaubte, auf den Fachmann der Bahn als Lehrer zu ver-zichten und dennoch die hohen fachlichen Anforderungen zu erfüllen.

5.3. Fachleute mit reicher betriebspraktischer Erfahrung wurden wiederholt sehr gerne als nebenberufliche

Lehrkräfte eingesetzt. Deren unmittelbaren betrieblichen Erfahrungen wurden stets als wichtige Be-reicherung für die Schule und als wichtige Austauschmöglichkeit zwischen Schule und Betrieb ver-standen und gezielt genutzt. Ein besonders gelungenes Beispiel war die oben unter 5.2.e) erwähnte Zusammenarbeit der B3 mit der Ausbildungsabteilung der Bundesbahn.

6. Eine besondere Herausforderung an der B3: Abteilung "Jungarbeiter" 6.1. Die Schüler

In den 50-er Jahren und bis in die 70-er Jahre hinein wurden in der Jungarbeiterabteilung männliche Schüler unterrichtet, die keinen Lehrberuf (in einem Lehrverhältnis) erlernten, sondern nach dem Ver-lassen der Volksschule als "Hilfsarbeiter" in ein Arbeitsverhältnis eintraten. Diese Schüler erhielten damals einen Lohn, der etwa das 4 bis 5-fache dessen ausmacht, was ein Lehrling als Vergütung be-kam. Teils waren es die Eltern, teils die Schüler selbst, die dieses "schnellere Geld" einer "Lehre" mit nur geringer Vergütung vorzogen.

In den 70-er Jahren vollzog sich ein Gesinnungswandel. Die Wirtschaft ersetzte die Tätigkeiten von ungelernten Hilfsarbeitern mehr und mehr durch billiger arbeitende Maschinen. In der Folge hatten "Ungelernte" immer weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die generelle Bereitschaft Jugendlicher und ihrer Eltern zum Abschluss eines Lehr- und Ausbildungsvertrages mit dem Ziel eines qualifizier-ten Berufsabschlusses wuchs. Zugleich reichten jedoch die von der Wirtschaft angebotenen Ausbil-dungsplätze nicht für alle Ausbildungswilligen. Jene Schüler aber, die nach der Hauptschule ohne Ausbildungsvertrag da-standen, waren gleichwohl berufsschulpflichtig. Für die männlichen Schüler war in Nürnberg per Schulsatzung die Jungarbeiterabteilung der B3 zuständig.

Die Interessenslage der Jungarbeiterschüler hatte sich aber in der Wirtschaft radikal verändert. Woll-ten diese Schüler früher gar keine Ausbildung, so erhielten sie jetzt keine, selbst wenn sie eine woll-ten. Die Motivation dieser Schüler, am Unterricht teilzunehmen, war so oder so jedoch gering. Haupt-problemfälle waren Schüler, die aufgrund unangepassten Sozialverhaltens keine Lehrstelle bekom-men oder ihre Lehrstelle verloren hatten.

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Zwei ehemalige Lehrer berichten:

"Ich erinnere mich an zwei Schüler, die während des Unterrichtes zu rauchen begannen. Dabei han-delte es sich um Teilzeitschüler einer Jungarbeiterklasse. Auch dem herbeigeholten Schulleiter ge-lang es nicht, das Verhalten der Schüler zu ändern. Erst die unmittelbar danach einsetzende Pause hat die Schüler dazu veranlasst, das Schulgebäude zu verlassen. Es waren Schüler, die an diesem Tag besonders auffallen wollten und die sich im Allgemeinen der Schulpflicht entzogen haben."

„Eine verbesserte Motivation der Schüler erreichten wir, als beim Neubau des ersten Bauabschnitts an der Sulzbacher Straße („ Südflügel“) die pädagogisch eminent wichtige Vorgabe umgesetzt wur-de, dass 50% der Unterrichtsräume Praxisräume sein sollten, und zwar für eine Grundausbildung in den Bereichen Bau, Metall und Holz. In der Folge konnte Werkstattunterricht stattfinden, in dem die Schüler Werkstücke selbst fertigen konnten. Dies stabilisierte ihr Selbstwertgefühl und verbesserte auch ihre Chancen am Arbeitsmarkt.“

6.2. Die Lehrer

Angesichts der außerordentlichen Schwierigkeiten, so genannte „Jungarbeiter“ für den Berufsschulunterricht zu interessieren oder gar zu motivieren, sind die Anforderungen an Lehrkräfte in solchen Klassen besonders hoch. Sehr viel Verständnis für die Situation der Jungarbeiter, extrem viel Geduld bei gleichzeitig erforderlicher konsequenter Beachtung und Durchsetzung erzieherischer Ziele sind fast übermenschliche Anforderungen an die Arbeitskraft und die Psyche des Lehrers. Nur ganz wenige, besonders begnadete Persönlichkeiten standen diesen pädagogischen Dienst bis zum nor-malen Pensionsalter von 65 Jahren durch. Die Reaktion eines ehemaligen Kollegen auf die Einladung zur Mitarbeit an dieser Chronik mag die Problemlage deutlich machen: "An dem Treffen (zur Vorberei-tung der Chronik) kann ich leider nicht teilnehmen... Die vielen Jahre, die ich in der Jungarbeiterabtei-lung tätig war, haben mir sehr viel Kraft abverlangt und auch diese (schriftlich niedergelegte) Rückbe-sinnung kostete mich viel Nervenkraft."

Die Unterrichtssituation war in den 60-er und 70-er Jahren trotz des Einsatzes von "Ermittlern", die Schulschwänzer zwangsweise zur Schule brachten, nicht besser. Mancher Lehrer war froh, ohne die Anwesenheit ganz besonders schwieriger Schüler einen halbwegs geordneten Unterricht erteilen zu können. Eine grundsätzliche Veränderung in Jungarbeiterklassen brachten auch die in den 90-er Jah-ren eingesetzten Sozialpädagogen nicht. Die erwünschte Änderung kann wohl nur eintreten, wenn diese Schüler die Möglichkeit bekommen, eine ordentliche Berufsausbildung zu durchlaufen. Die bange Frage so mancher Bewerber für den Schuldienst bei der B3 im Bewerbungsgespräch: "Werden Sie mich auch in der Jungarbeiterabteilung einsetzen?", wäre dann überholt.

7. Diskussion um die berufliche Grundbildung

Die damals breite öffentliche Diskussion betraf bei uns die FG Gastronomie und Gärtner/Floristen. Relativ unstrittig war, dass eine berufliche Grundbildung erforderlich war. Heftige Debatten gab es aber um die Frage der Form: sollte das Berufsgrundschuljahr in kooperativer Form zusammen mit den Ausbildungsbetrieben –BGJ/k- oder in rein schulischer Form –BGJ/s- eingeführt werden? Die Entscheidung schien sich im Bereich Gastronomie in Richtung BGJ/s zuzubewegen. Deshalb wurden bei dem zum gleichen Zeitpunkt geplanten Ausbau der „Alten Messe“ insgesamt zehn Unterrichts-räume für den praktischen Unterricht gebaut. Die schulische Form der Grundbildung sah ja in ihrer Stundentafel etwa 50 % des Unterrichts für die Praxis vor. Allerdings kam es später nur zu einer – noch dazu – abgespeckten Form des BGJ/k mit heute 1,5 bis 1,75 Unterrichtstagen pro Woche. Bei Gärtner/Floristen wurde die schulische Form für Gärtner und Floristen eingeführt.

8. Neue technische Unterrichtsmittel 8.1. Die Berufsschule 3 war 1967 die erste Schule in Nürnberg, die mit einem gebäudegebundenen Radioanschluss für den Empfang des Schulfunks ausgestattet war. Von dieser Möglichkeit wurde insbesondere in den Fächern Deutsch, Sozialkunde und – in Gastronomieklassen – Englisch Gebrauch gemacht.

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8.2. Mitte der 70-er Jahre wurden im Bereich Foto (Raum H 108/Betreuer: F. Meyer) und im Bereich Gastronomie (Raum H 217/Betreuer: H. Völker) zwei (technisch unterschiedliche) Gerätesysteme zur „programmierten Unterweisung“ installiert. Beide Systeme bestanden aus einem zentralen Steuergerät am Lehrerpult und – über Kabel damit verbunden - Schülerbediengeräte. In Raum H 108 waren die Kabel lose unter Abdeckleisten, in Raum H 217 in aus dem Fußboden gefräste Kanäle verlegt worden. Das in Raum H 217 installierte System war aufwändiger und insoweit methodisch interessanter, als der Lehrer über sein Steuergerät die Möglichkeit hatte, direkt mit einzelnen Schülern zu „kommunizieren“. Von der neuen Methode machten die beiden betreuen- den Lehrkräfte intensiv Gebrauch und tauschten sich über ihre Erfahrungen gegenseitig aus; es gelang aber kaum, weitere Lehrkräfte dafür zu begeistern. Die beiden Systeme wurden etwa zehn Jahre im Unterricht verwendet, bis das EDV-Zeitalter heraufzog. 9. Schulleben

Der Auftrag einer Schule erschöpft sich nicht in der Vermittlung des Lehrstoffes im Klassenzimmer. Die ebenso wichtige erzieherische Aufgabe wurde an der B3 durch ein sehr aktives Schulleben wahr-genommen. Schulfeiern, Klassenfahrten, Teilnahme an Messen und Ausstellungen und Theaterbesu-che waren für viele Lehrkräfte eine selbstverständliche pädagogische Pflichtaufgabe.

9.1. Schulfeiern

Schon sehr früh gehörten Feiern zum Schulleben der B3. 1967/68 beim Bezug des neuen Gebäudes an der Sulzbacher Straße gestalteten Lehrer und Schüler ebenso eine abwechslungsreiche und für die Besucher informative Feier wie 1997/98 zum 30-jährigen Bestehen des Schulhauses. Und zu bei-den Feierstunden kamen die jeweiligen Oberbürgermeister der Stadt, Dr. Urschlechter (1967) und L. Scholz (1997). Auch die jährlichen Schulabschlussfeiern mit vielen Schülerbeiträgen zum Programm – früher im Festsaal des Hotels am Tiergarten und später in der Schulaula – waren ein würdiger Ab-schluss der schulischen Ausbildung der jungen Leute.

9.2. Klassenfahrten

Eine lange Tradition haben die B3 - Klassenfahrten. Besonders die Fachgruppen Gastronomie und Gärtner/Floristen organisierten aufwändige, meist einwöchige Fahrten, die oft auch ins benachbarte Ausland führten. Um eine ganze Woche wegfahren zu können, legte man die beiden Schultage von zwei Wochen zusammen, die Schüler gaben zwei arbeitsfreie Tage dazu und meist steuerte auch der Ausbildungsbetrieb einen Arbeitstag bei. So wurde eine fünftägige Klassenfahrt auch für Schüler möglich, die pro Woche nur einen Schultag hatten. Unter fachlichen Gesichtspunkten waren bei-spielsweise eine Hollandfahrt der Gärtner/Floristen und die regelmäßigen Fahrten von Gastronomie-schülern nach Paris oder in die Champagne sehr gut gewählte Ziele. Interessant war die Beobach-tung, dass Schüler nach solchen Fahrten bedauerten, dass man die Fahrten nicht schon früher durchgeführt hatte. Man habe sich auf der Fahrt erst so richtig gegenseitig kennen gelernt. Wo es sich organisatorisch einrichten ließ, wurden in der Folge dann auch einzelne Fahrten beispielsweise zu Beginn des zweiten Lehrjahres durchgeführt.

9.3. Teilnahme an Ausstellungen, Messen und Berufswettbewerben

Dass Unterricht auch und gerade außerhalb der „Schulstube“ fruchtbar und lebens- und berufsnah stattfinden kann, dafür gibt es an der B3 vielfältige und keineswegs selbstverständliche Beispiele. So beteiligt sich die Bäckerabteilung seit langem an der jährlichen Christstollenprämierung und an Be-rufswettkämpfen der Bäckerinnung. Wiederholt belegte sie dabei Siegerplätze. Weit über das übliche Maß hinausgehend und absolut außergewöhnlich ist in diesem Kontext das Engagement der Fachgruppe Gastronomie. Nicht nur, dass Schülerinnen und Schüler aus diesem Fachbereich an ungezählten Wettbewerben auf Bundes- und Landesebene und selbst im Ausland (Österreich, Polen) teilnahmen und teilnehmen, sondern auch, dass sie dabei fast immer sehr gut bis hervorragend abschnitten, zeigt, mit welchem Einsatz die Lehrkräfte hier den Gedanken der Berufs-

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und Lebensnähe umsetzen. Ein ganz besonderer Höhepunkt ist die regelmäßige Teilnahme der ge-samten Fachgruppe (derzeit etwa 1300 Schülerinnen und Schüler) an der alle zwei Jahre stattfinden-den Hotel- und Gaststättenausstellung in Nürnberg („HOGA Nürnberg“), bei der auch der Bäcker- und Konditorennachwuchs mitmacht. Das B3-Engagement reicht von themenbezogenen Ausstellungs-ständen (z. B. „Tee“, „Kaffee“) über das Mitmachen bei der Kochkunst- und Plattenschau bis zur Teil-nahme am Wettbewerb der bayerischen Berufsschulen um den HOGA-Jugendpokal, den die B3 in den letzten zehn Jahren viermal für sich gewann. Es liegt auf der Hand, dass die ungewöhnlich vielen B3-Erfolge bei den Wettbewerben nur möglich wurden, weil der pädagogische Grundgedanke vom „Unterricht über die Schulstube hinaus“ dauerhaft und nachhaltig umgesetzt wird.

9.4. Theaterbesuche/-aufführungen

Werbung für das Schulplatzangebot der Städtischen Bühnen Nürnberg war ein wichtiges Anliegen der B3 innerhalb der Bildung und Ausbildung der Gesamtpersönlichkeit der Schülerinnen und Schüler. Durch Vermittlung eines Lehrers haben die Städtischen Bühnen manchmal sogar besondere Vormit-tagsveranstaltungen angeboten, damit ein Theaterbesuch während der Unterrichtszeit möglich wurde. Und manchmal ergab es sich, eine Deutschlektüre (z. B. Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Artu-ro Ui“) mit einem Theaterbesuch zu verknüpfen. Dies waren schon ganz besondere Höhepunkte pä-dagogischen Bemühens. Nicht zu vergessen sind auch Aufführungen selbst verfasster Musicals in der Aula von Schüler-innen und Schülern der Fachgruppe Augenoptik („Spectacles“ und „Ray Ban“).

10. Systematische Pädagogische Schulentwicklung 10.1. Prinzipielles Vorgehen

Das prinzipielle Vorgehen orientiert sich im Wesentlichen an den Schulentwicklungskonzepten von Klippert und Rolff, wie sie vom Pädagogischen Institut (PI) der Stadt Nürnberg Ende der 90-er Jahre vorgestellt wurden.

10.1.1 Übersicht

Legende: „PSE“: Pädagogische Schulentwicklung, „SchilF“: Schulinterne Lehrerfortbildung

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10.1.2 Einzelne Schritte 10.1.2.1 Mandat und Entlastung/Honorierung für schulinternen Schulmoderator und schulinterne SchiLF- Multiplikatoren. 10.1.2.2 Erarbeitung von lehrerentlastenden Unterrichtseinheiten durch Fachteams

Schulinterne Entwicklung und Erprobung von praxisnahen Unterrichtseinheiten zur Einführung neuer Inhalte und Methoden, die sofort einsetzbar sind. Beispiele: "LuA I und II (Lern- und Arbeitstechniken), KOMM (Kommunikationstraining), TEAM (Regelgebundene Teamarbeit).

10.1.2.3 Einbindung/Aufwertung der allgemeinbildenden Fächer

Beispiele: Einführung von Lern- und Arbeitstechniken mit „LuA I bzw. II“ sowie Einführung von Kommunikationsregeln und -techniken mit „KOMM 1“ unter Federführung der Deutschlehrkräfte, Sen-sibilisierung für das Thema “VERANTWORTUNG“ unter Regie der Lehrkräfte für Religion/ Ethik, Ein-führung von Teamarbeitsregeln mit Hilfe der Unterrichtseinheit „TEAM“ durch Sozialkundelehrkräfte.

10.1.2.4. Klarer Fahrplan von 1998 bis 2001 für pädagogische SchiLF-Veranstaltungen

Entwicklung und Erprobung von Methodentrainings zu unterschiedlichen Themen wie Lern- und Ar-beitstechniken, Kommunikation und Teamentwicklung durch schulinterne SchiLF-Multiplikatoren aller Fachbereiche. Dies geschieht mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf, um an den folgenden pädagogi-schen Tagen dem Gesamtkollegium zentrale, praxiserprobte Bausteine anbieten zu können, die sich für die Methodenpflege im Fachunterricht (Anwendung der Methoden bei der Vermittlung fachlicher Inhalte) eignen.

10.1.2.5 Pflicht zur Anwesenheit beim jährlichen pädagogischen Tag für alle

Ausgleich von Informationslücken bei Kollegen, die nicht im Innovationsteam mitarbeiten. Sensibilisie-rung für die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Lehrkräfte bei der Einführung und Pflege neuer Inhalte/Methoden zur Förderung von Schlüsselkompetenzen. Schulinterner Austausch von Erfahrun-gen zu erprobten neuen Methoden/Medien/Konzepten. Methodentraining für Lehrkräfte.

10.1.2.6 Recht auf aktive Mitgestaltung bei allen Bemühungen um Weiterentwicklung

Einladung des Gesamtkollegiums z.B. zur regelmäßigen Teilnahme an den Innovationsteamsitzungen zu Beginn eines jeden Schuljahres. Akzeptierung der Nicht-Beteiligung. Hoffnung auf Sogwirkung durch schulinterne Zugkräfte.

10.1.2.7 Einbindung externer Schulmoderatoren/Referenten/sonstiger Experten

Beispiele: PI-Moderatoren für die Qualifizierung unserer Klassen-/Fachteams Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik (Prof. Dr. Euler, WISO Erlangen-Nürnberg) bei der

Entwicklung einer Unterrichtseinheit zur Förderung von Sozialkompetenzen Aufbau einer „Learning Community“ (Prof. Dr. Mandl) mit anderen Berufsschulen

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10.2. Lehrerfortbildungskonzept an B3 für den pädagogischen Bereich:

Unterrichtsentwicklung

10.3. Schulinterne Entwicklung eines Basistrainings zum Thema „Lern- und Arbeitstechniken“ (LuA)

Die Ergebnisse wurden allen Lehrkräften der B3 in einem Geheft zur Verfügung gestellt und beim Schulentwicklungskongress 2000 in Augsburg auch schulexternen Interessenten angeboten. Noch heute (2007) wird es von Studienseminaren zu Beginn des Referendariats angefragt.

10.3.1 Vorgehensweise

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10.3.2 Konzept zur Förderung von Lernkompetenz

10.4. Erster multimedialer Unterrichtsraum Der erste multimediale Unterrichtsraum wurde im November 1998 im Raum H 219 in Betrieb genom-men.

Zum Begriff Der Begriff "Multimedia" (Multi... (lat.): viele, Media (lat.): Mittel, Medien) wird hier nicht im en-geren Sinne benutzt, d.h., es handelt sich nicht etwa um einen Informatikraum, in dem nur Multi-media-PCs verfügbar wären. Statt dessen wird der Begriff im weiteren Sinne verwendet und meint die Verfügbarkeit vieler unterschiedlicher Medien, die zu einer modernen Klassenzimmer-ausstattung einer Schule gehören sollten, die ihre Schüler/-innen auf die Informations- und Wis-sensgesellschaft vorbereiten will.

Zur Ausstattung

Derzeit stehen (zusätzlich zu den üblichen Medien, wie z.B. Tafel, Tageslichtprojektor) folgende "neue" Medien in einem Unterrichtsraum zur Verfügung:

3 Multimedia –Schüler -PCs mit Internetanschluss

1 Multimedia –Lehrer -PC mit Beamer und Internetan-

schluss

1 Laserdrucker 1 Tintenstrahldrucker

1 Fotokamera (digital)

1 Flipchart

4 variable Pinnwände

Metaplan-Medien (Karten,

Stifte, Kleber etc.) Nachschlagewerke

(Lexika)

2 Videorecorder (Kopierstati-on)

1 Videokamera (digital)

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Zum Konzept

Der Raum ist als Unterrichtsraum mit flexibler Sitzordnung gestaltet. Er soll in erster Linie den-jenigen Lehrkräften dienen, die ihren Unterricht schwerpunktmäßig nach den Konzepten "Hand-lungsorientierung" und/oder "Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen (EVA)" gestalten, da-bei projektorientierte, offene Unterrichtsformen zu bewältigen haben und - je nach Prozessver-lauf - auf sofort verfügbare Medien angewiesen sind.

Das Einrichtungskonzept soll insofern Innovations-/Multiplikationseffekt haben, als allen Lehrkräften die Gelegenheit geboten werden kann, sich mit neuen Medien, Methoden

und Unterrichtskonzepten vertraut zu machen. Denn die Chance, mit den genannten neuen Medien selbstständiges, eigenverantwortliches Lernen zu trainieren, wird bisher noch viel zu wenig genutzt.

auch andere Unterrichtsräume mit modernen Medien ausgestattet werden sollen, sofern die Raum- bzw. Berufsbereichsbetreuer/-innen dafür Bedarf anmelden.

in jedem Berufsbereich die Einrichtung eines solchen Raumes angestrebt wird, um wenigs-tens den PC als Standardarbeitsmittel in den Unterricht zu integrieren.

10.5. Entwicklung eines Schulleitbildes

Auf der Grundlage des Konzeptes von Dr. Heinz Klippert zur Förderung einer neuen Lernkultur im Unterricht sowie des umfassenderen Ansatzes zur Schulentwicklung von Prof. Dr. Rolff (Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung) hat das Innovationsteam unserer Schule im Mai 1999 damit begonnen, ein Schulleitbild für unsere Schule zu entwickeln. Dieses sollte die pädagogischen Ziele und Werte unserer bisherigen, vor allem aber zukünftigen Arbeit klären und dokumentieren.

Wie Dr. Klippert, mit dem wir uns in mehreren Grundgedanken zur Weiterentwicklung des Unterrichts verbunden fühlen, haben auch wir für unsere Schule das Leitbild als „Haus des Lernens“ visualisiert. Das Ergebnis unseres Diskussionsprozesses, bei dem es hauptsächlich darum ging, die besonderen Verhältnisse an einer Handwerksberufsschule mit ihren unterschiedlichen Anforderungen in den ein-zelnen Berufsbereichen zu berücksichtigen, zeigt Abb. 2.

Erwähnt sei an dieser Stelle auch der positive Einfluss des Pädagogischen Institutes (PI) der Stadt Nürnberg, das bisher sowohl durch die Ausbildung zweier Schulmoderatoren (Dr. Manfred Müller und Bernd Simon) als auch durch die gezielte Qualifizierung von Klassenteams aus allen Berufsbereichen unserer Schule ein wertvoller Kooperationspartner auf unserem Weg der inneren Schulreform war.

Abb. 1. Das Haus des Lernens nach Klippert

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Abb. 2: B3 als Haus des Lernens

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10.6, B3 erhält den 1. I.S.I.- Preis des Bildungspaktes Bayern

Im Jahr 2001 wurde der B3 Nürnberg der I.S.I.- Preis ( Innovationspreis Schulentwicklung) durch Frau Kultusministerin Hohlmeier in München überreicht. Im Archiv unserer B3-Homepage, die von Georg Röthlingshöfer betreut wird, und immer mehr zu einem zentralen öf-fentlichen Informationsmedium nicht nur für unsere Schulentwicklungsarbeit wurde, ist u.a. zu lesen:

Wir freuen uns, Preisträger zu sein beim ersten bayerischen Innovationswettbewerb

des Bildungspaketes Bayern 2001.

11. Schüleraustausche zum Erwerb interkultureller beruflicher Kompetenz (IbK) 11.1. Partnerschulen

Die Anfänge des regelmäßigen Schüleraustausches mit ausländischen Schulen fallen in die frühen 90er Jahre. Die davor liegenden Besuche z. B. nach Skopje (Partnerstadt von Nürnberg) führten zu keiner dauerhaften Begegnung. Für eine stetige Schulpartnerschaft ist die berufliche Schwerpunkt-setzung ausschlaggebend. Diese war im Gegensatz zu den jetzt bestehenden Partnerschaften im Fall Skopje nicht gegeben. Zu einer einmaligen kulturellen Erfahrung etwa bei einer Klassenfahrt gesellte sich als Ziel der pädagogische Gedanke einer interkulturellen beruflichen Kompetenz. In diesem Sin-ne liegt der berufspraktische Anteil eines Austausches inzwischen bei über 60% des zeitlichen Auf-enthalts (2007).

Unsere Partnerschulen sind heute:

- Lycée Reneé Auffray in Clichy bei Paris/Frankreich - Zespol Szkol Gastronomicznych in Krakau/Polen - Centre der Formation „Les treize vents“ in Tulle/Frankreich - Zespol Szkol Przemyslu Spozywczego in Krakau/Polen - Im Gespräch: Glasgow und/oder Istanbul

Partnerschulen

Anfänge

Beruflicher Schwerpunkt

Jährliche Programmdauer

Lycée Reneé Auffray in Clichy bei Pa-ris/Frankreich

1992 Gastronomie

Zwei Mal drei Wochen Binational

Zespol Szkol Gastrono-micznych in Kra-kau/Polen

1995 Gastronomie

Eine Woche Binational

Zespol Szkol Gastrono-micznych in Kra-kau/Polen

2007 Gastronomie

Vier Wochen EU-Programm Leonardo

Centre der Formation „Les treize vents“ in Tul-le/Frankreich

1999 Lebensmittel- Handwerk

Zwei Wochen Trinational

Zespol Szkol Przemyslu Spozywczego in Kra-kau/Polen

2001 Lebensmittel- Handwerk

Vier Wochen EU-Programm Leonardo

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Ende der 90-er Jahre, in denen die B3 für sich ein Schulleitbild schuf und die innere Schulentwicklung voran-kam, entstand ein schulisches Gesamtkonzept des Schüleraustausches, das heute den nachstehenden Leitli-nien folgt: - Vermittlung beruflicher Kompetenz, z. B. berufliche Praxis durch Tätigkeiten in Partnerschule und in ein-

schlägigen Betrieben. - Vermittlung friedensstiftender interkultureller Erfahrungen vor dem Hintergrund politischer und historischer

Ereignisse. - Interpersonale, dauerhafte Beziehungen zwischen den beteiligten Schulen und den organisierenden Lehr-

personen. 11.2. Vertragliche Grundlagen

Austausch 1: Lycée Reneé Auffray in Clichy bei Paris/Frankreich Der deutsch-französische Erfahrungsaustausch von Auszubildenden des Gastgewerbes geht zurück auf ein Abkommen der beiden Außenminister im Jahr 1980. Den Teilnehmern eines Austausches soll-te die Möglichkeit geboten werden, einen Teil ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung im jeweils ande-ren Land zu absolvieren. Im Jahr 1991 regte der damalige Bezirksvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes einen Austausch von Schülern der B3 mit einer französischen Schule an. Das Deutsch-Französische Sekretariat in Saarbrücken vermittelte den Kontakt zum Lycée Professi-onnel Reneé Auffray in Paris - Clichy. Im Jahr 1992 kamen die ersten 14 französischen Teilnehmer nach Nürnberg. Der Gegenbesuch der Nürnberger Auszubildenden erfolgte noch im gleichen Jahr. Seitdem wird der Austausch jedes Jahr durchgeführt.

Austausch 2: Zespol Szkol Gastronomicznych in Krakau/Polen Das binationale Partnerschaftsprogramm zwischen der Gastronomieabteilung der B3 und der Gastro-nomieschule in Krakau beruht auf der Umsetzung der „Rahmenvereinbarung für die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Nürnberg in der Bundesrepublik Deutschland und der Stadt Krakow in der Volks-republik Polen“ von 1979. „Beide Seiten“ so heißt es in § 4 „...unterstützen den Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Berufsbildung und fördern die Teilnahme der Jugend“. Im Städtevertrag über eine „Zwillingspartnerschaft“ wurde dieses Anliegen 1991 erneuert. Es wurde zwischen dem Oberbürger-meister der Stadt Nürnberg und dem Präsidenten der Stadt Krakau vereinbart „...modellhaft einen Beitrag zur kulturellen Einheit Europas zu leisten.“ Im November 1995 kam es unter der Leitung der Direktoren E. Watorek und H. Völker zu einer ersten Begegnung in Nürnberg.

Austausch 3: Zsepol Szkol Gastronomiczynch in Krakau/Polen Im Juni 2007 erfolgte zwischen der Schulleitung der B3 und unserer langjährigen Partnerschule „Zespol Szkol Gastronomiczynch Nr. 1“ eine Vereinbarung über die Durchführung eines Leonardo-programms mit Berufspraktika in Nürnberger Hotels und Restaurants. Eine erste Gruppe von 8 polni-schen Schülern kam Ende September 2007 für 4 Wochen nach Nürnberg.

Austausch 4: Centre de Formation „Les treize vents“ in Tulle/Frankreich und Zespol Szkol Przemyslu Spozywczego in Krakau/Polen Das Trinationale Programm geht auf eine Anregung der „Mittelfranken-Stiftung“ – vertreten und ver-waltet durch den Bezirk Mittelfranken – zurück, der mit der Region Limousin ein Partnerschaftsab-kommen pflegt. Im Jahr 1999 wurde an der B3 eine Vereinbarung unterschrieben, wonach es jährlich zu einem ge-meinsamen zweiwöchigen Studienaufenthalt der drei beteiligten beruflichen Schulen kommen soll. Das erste Treffen fand im Oktober 1999 in Tulle statt, die folgende Begegnung im März 2000 in Nürn-berg und im Herbst des gleichen Jahres in Krakau.

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Austausch 5: Zespol Szkol Przemyslu Spozywczego in Krakau/Polen Das erste Leonardoprogramm wurde 2001 zwischen der Schulleitung der Berufsschule 3 und der Zespol Szkol Przemyslu Spozywczego in Krakau vereinbart und im Folgejahr durchgeführt. Der dmalige Schulleiter schrieb in einer „Erklärung“ am 14.11.2000: „Wir würden uns freuen, wenn die be-reits bestehende Partnerschaft durch dieses Aktionsprogramm eine weitere Vertiefung erfahren könte“. Es folgten bisher zwei weitere Praktikumsprogramme mit Auszubildenden im Nahrunhandwerk aus Krakau.

a-

n-gsmittel-

11.3. Grundsätze

Der Beruf als Basis der Völkerverständigung ist für unsere Jugendlichen der Bezugspunkt und zentra-ler Motivationsfaktor. Eine berufliche Begegnung ist daher ein außerordentlich wichtiger Beitrag zu Partnerschaft, Toleranz und Frieden.

11.4. Schülerberichte ( Auszug)

„Ab Mittwoch arbeiteten wir fünf Tage in Betrieben. Habe dort Desserts vorbereitet. Teig in Förmchen getan. Während diese im Ofen waren, beim Schnitten einsetzen geholfen. Später Krem auf die geba-ckenen Böden getan und mit Pfirsich, Kiwi und Belegkirschen ausgarniert; anschließend mit Gel ab-geglänzt.“ (Bericht/Trinational über Krakau von Isabella vom 10.10.2002).

„Praxisunterricht: Brandteig (windbeutelartig) verschiedene Formen mit Vanillecreme und andere Ge-schmacksrichtungen; mit Fondant /verschiedenfarbig) überzogen. Am Abend Night - Club-Disco“. (Be-richt/Trinational über Tulle von Erwin vom 16.10.2001). Überschrift in der Zeitung „Les Bonnes recet-tes trilaterales“.

„Beeindruckt hat uns die Einladung ins Restaurant „Alte Post“ und die netten Ehepaare Horn, Englert, Zweifel und Faßnacht. Alle Lehrer haben sich so gut verstanden“ (Bericht/Binational über Nürnberg von Justyna vom 04.04.2000).

„Bei den Franzosen wird die Brandmasse mit Wasser, statt mit Milch hergestellt und beim Pudding werden zuerst Eier mit Zucker aufgerührt.“ (Bericht/Trinational über Tulle von Ilonka vom 16.10.99).

11.5. Finanzieller und personeller Aufwand

Die Schüler haben sich stets an den Kosten beteiligt. Die grundlegenden Ausgaben wurden durch die großzügige Förderung von Dienststellen der Stadt Nürnberg und zahlreicher weiterer Institutionen (auch landesweit) und weiterer Förderer gedeckt. Seitens der Schule wurde vermehrt die eigene Verköstigung bevorzugt, fördernde Gastronomiebe-triebe ermittelt und gänzlich auf Dolmetscher verzichtet, da wir sehr sprachkompetente Schüler an unserer Schule haben, die es einzusetzen galt (Pädagogischer Gedanke der Schülerselbsttätigkeit). Der Einsatz fand seinen Niederschlag im Zeugnis etwa in folgender Bemerkung: „Sie/Er war als Sprachmittler mit großem Engagement an einem Schüleraustauschprogramm beteiligt.“ Das zukunftsweisende Gesamtkonzept konnte nur mit tatkräftiger Unterstützung der jeweiligen Leh-rerkollegien (Berufsbereiche) realisiert werden. Auch die Anwesenheit über die Pflichtzeit hinaus und selbstverständliche Gastfreundschaft gegenüber ausländischen Schülern und begleitenden Lehrkräf-ten verlangte große Flexibilität im dienstlichen und privaten Alltag und die Bereitschaft, zu unüblichen Zeiten – auch am Wochenende und in den Nachtstunden – zur Verfügung zu stehen.

11.6. Schulpartnerschaft und Schulleben

Zum Jubiläum „30 Jahre Schulhaus Sulzbacher Straße der Berufsschule 3“ kam 1997 eine Delegation der Gastronomie-Partnerschule aus Krakau und überbrachte dabei die Glückwünsche der Stadt Kra-kau und des dortigen Lehrerkollegiums. Um die Jahrtausendwende erfolgte zu jeder Partnerschule ein Sachmitteltransport, der hauptsächlich PC-Einheiten für den Unterricht beinhaltete. Die Teilnahme der Berufsschule 3 am Rahmenprogramm des 74. deutsch-französischen Gipfeltref-fens zwischen Präsident Chirac und Bundeskanzler Schröder am 30. November 1999 im Elysée-Palast in Paris war eine besondere Anerkennung unseres Bemühens. In der Zeitung war zu lesen „Nürnberger Lebkuchen und Stollen für Chirac und Schröder“.

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Bei den Jubiläen unserer Krakauer Partnerschulen (2003 und 2007) war die B3 stets mit einigen Kol-leginnen/Kollegen anwesend. Sie haben die Grüße und Wünsche der Schulleitung übermittelt und Geschenke überreicht.

11.7. Pädagogisches Gesamtkonzept

Im Jahr 2003 wurde der Begriff „Interkulturelle berufliche Kompetenz“ erstmalig in einem Einladungs-schreiben der Schulleitung zur Verabschiedung von Praktikanten – nach ihrem vierwöchigen Aufent-halt – verwendet. Anlass dazu war die vorangegangene Diskussion mit den Praktikumsbetrieben, was denn die angehenden Konditoren, Bäcker und Fleischer aus Krakau im Betrieb lernen sollten.

In der folgenden Diskussion an der B 3 wurde im Jahre 2005 ein Hauptziel formuliert:

„Bereitschaft und Fähigkeit, in einen respektvollen berufsorientierten

Dialog mit anderen Kulturen einzutreten“.

Die Studienaufenthalte wurden in diesem Kontext auch als eine pädagogische Möglichkeit verstan-den, die dem Erwerb politischer Kompetenz dienen soll. In diesem Sinne hat sich die B3 am Osteuro-patag des Bildungszentrums beteiligt. Im Presseecho zu „EuroVisionen – Kultur plus 10“ war u. a. zu lesen: „Deutsche und Polen treffen sich zum Kochduell. Am Herd standen Nachwuchsköche aus der Region und zwölf junge Kollegen aus Nürnbergs Partnerstadt Krakau“ (NN 16.04.05).

An der B3 waren im Jahr 2005 mehr als 600 Schüler mit Migrationshintergrund und teilweise auslän-discher Staatsangehörigkeit. Kulturelle Biografien dieser Schüler wurden vermehrt als „latentes“ und positives Entwicklungspotential zur Förderung interkultureller beruflicher Kompetenz begriffen. Die folgende Übersicht gibt den Diskussionsstand zur Konzeption im Jahr 2006 wieder:

11.8. Förderung interkultureller beruflicher Kompetenz

Hauptziel: Bereitschaft und Fähigkeit, in einen respektvollen

berufsorientierten Dialog mit anderen Kulturen einzutreten Berufsübergreifende Kompetenzförderung

Schulpartnerschaften Berufsbezogene Kompetenzförderung

• Englisch (Pflichtfach und Ver-ständigungssprache)

• Sozialkunde/Englisch (bilingual in Plusklas-sen)

• Französisch (Wahl-fach)

• Spanisch (Wahlfach) • Unterrichtsmodul:

kulturspezifische Ver-haltensweisen (Schwerpunkt: Part-nerländer)

• Gastronomie Paris-Clichy

• Nahrungshandwerk

Krakau/Tulle

• kulturelle berufsinhaltli-

che Besonderheiten

• kulturelle berufsmethodi-sche Besonderheiten

Wertefundament: Vier ethische Weisungen und Goldene Regel (Weltethos)

Übersicht: Päd. Gesamtkonzept zur Förderung interkultureller berufliche Kompetenz

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Im Jahr 2008 wurde auf Antrag der Schulleitung von der Stadt Nürnberg an der Berufsschule 3 die Stelle eines Mitarbeiters der Schulleitung für Allgemeine Organisation und Schulentwicklung ausge-schrieben und besetzt. Laut Stellenbeschreibung berät und unterstützt der Mitarbeiter die „Schullei-tung u. a. bei der Durchführung von Schüleraustausch-Programmen und Veranstaltungen zur Förde-rung interkultureller beruflicher Kompetenz.“ Dies unterstreicht den Stellenwert, den die B3 dem Ge-danken des Schüleraustausches innerhalb ihres pädagogischen Gesamtkonzept zumisst.

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