Peggy Piesche Fortschritt Der Aufklaerung Optimized

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PEGGY P!ESCHE D ER >F ORTSCHRITT< DER A UFKLÄRUNG- KANTS > RACE< UNO DIE ZENTRIERUNG DES WEEN SUBJEKTS Die in den postmodernen theoretischen Diskursen nunmehr durchgängig zu fin- Perspekt_ive Dekonstruktion hegemonialer Normativität weißer Positio- nahtäten benötigt eme Kontextualisierung von Weißsein in historisch verankerten Zusammenhängen. Eine Problematisierung der Norrnativität von We1ßsem als Rassekonstrukt und gewaltvoller gesellschaftlicher Realität - z.B. in Analysen weißer Globalhegemonie - muss, will sie den eigentlichen emg:s.chnebeoen auf die Spur kommen, immer auch die ihr eigenen reflektieren, um nicht zuletzt auch jenen mächtigen weißen >kritischen< Diskursen, die sich in den letzten Jahren anschickten >Rasse< als auch Weißsein zu dekonstruieren, begegnen zu können. Wenn Weißsein mitt- lerweile in seiner fragilen Komplexität der Instabilität als Konstruktion durchaus so zu setzen ist, dass es möglich erscheint, selbiges zu überwinden, stellt sich die Frage nach dessen Ursprüngen, nach den Determinanten einer Konstruktion von Weißsein als Normativität. Im wird. der hegemoniale Fokus auf sich selbst, die Selbstmarkierung Mark1ercrs, im der Aufklärung und deren Nachwirkung beleuchtet und die zentrale Rolle, die Denkern wie Immanuel Kant und Georg Friedrich Wilhelm Hegel dabei zufielen, diskutiert. Dabei soll vor allem auf das Phänomen eines he- gemonialen weißen Settings eingegangen werden, welches unter Zuhi lfenahme des Begriffes >Race< Weißsein als Bedeutung produzierende anfänglich selbst dechiffrierte und durch eine eigene Markierung h1stonsch a priori setzte. ln den Anfängen des deutschen Diskurses um wurde ein Weißsein ins Zentrum des Blickfeldes gerückt, welches sich selbst markierte und ausdifferenzierte, um schließlich in einer normativen Setzung seine nunmehr bekannte transparente Gestall anzunehmen. Der Beitrag geht daher auch von der These aus, dass die Einführung des Begriffes >Race< in den deutschen intellektuellen Diskurs der Aufklärung durch Immanuel Kant (Von den ''erschtedenen Racen der Menschen, 1775) und die weitere Theoretisierung seiner Bede.urungsebcne durch Hegel maßgeblich dazu beitrugen, dass Weißsein als eine crwe1.tc:ungs- und deh.nungsfähige Konstruktion konzipiert ist und eine mögliche Rclativ1erw1g von Weißsein, vor allem aber seine betonte (Aus-)Differenzierung •ks Herrschafissubjektes in ein prototypisches - weiß, männlich heterosexuell - die Diskursivität von Weißsein aufzeigt. Dabei sind jedoch l 111111..:11 von Weißsein dazu gedacht, hegemoniale Macht zu konzentrieren und tlll(lc1ch zu stabilisieren. Dieser These folgend soll schließlich auch auf die so 1'1·1 i.111n te Forster-Meiners-Debatte eingegangen werden, die durchaus als eine an- l 1111• '1l·he Diskussion um die Fragilität der Kategorie Weißsein und damit um die 11, 1 k 111ung von >Rasse< für den innereuropäischen Diskurs verstanden werden darf. 1 1 1111 11 nicht zuletzt das bis heute unsichtbare, aber wirksame weiße Machtfeld 111 DER WEij) J:: F LECK U ND DAS SUBJEICT DER >f ORTSCHRITf< DER AUFKLÄRUNG >Aufklärung< neu beleuchtet werden. ) . StNNSTlFTUNG FORTSCHRJTI: >RASSE< U ND lllRE B EWEOLlCHK.ElT 11Nich1 die > Rassen< formen das Bild der Ges chichte. sondern die Geschichte formt das Bild der 1 Rassen<. << 1 Diese durchaus komplex und differenziert anmutende These, die sich augenschein- li ch gegen ein Konzept von >Rasse< zu wenden scheint, ist eine der zentralen Argumentationen in der kommunistischen Geschichtsdebatte gegen das gerade zu- rückliegende nationalsozialistische Geschichts- und Rassekonzept. Walter Gimus, seit 1929 KPD-Mitglied und von 1935 bis 1945 von den Nationalsozialisten inhaf- tiert, 1946 bis 1949 Intendant des Berliner Rundfunk$, 1949 b is 1953 Redakteur des Neuen Deutschlands sowie später Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und Herausgeber von Sinn und Form setzt bereits 1945 gegen eine nationalsozia- li stische Geschichtstradierung einen rassefreien Ursprungsmythos der >eigenen < Geschichte und proklamiert dagegen eine ständige Umbildung und Entwicklung, bzw. deren Gesetzmäßigkeit, als Triebfeder der Geschichte. 2 Das Erstaunliche an dieser kleinen Schrift ist dabei, dass sich die darin verfolgte Argumentation gegen das Rassekonzept der Nationalsozialisten auf die große >humanistische< Tradition beruft und sich explizi t Anleihen auch bei Immanuel Kant, Johann Goufried Herder und Christoph Meiners hoJ t. 3 Der neue, sozialistische Mensch, der in Anlehnung an die aufklärerische Tradition der Erzichbarkeit einer Formung unterzogen werden sollte, differenziert sich offensicht li ch >nur< hinsichtlich seiner Fortschrittsflihigkeit. Die Tatsache, dass ein nationalsozialistisches Rassekonzept mit den inhaltlichen Argumentationen des 18. Jahrhunderts bestritten werden soll und dabei die Begriffe (interessanterweise) >Rasse<, > Varietät<, >Spiel art<, >Volk<und vor allem schließlich auch >Nation< mit aufklärerischem Impetus wieder belebt werden. gibt nicht nur hinsichilich einer kommunistischen Variante von >Rasse< zu denken, 4 sondern auch hinsichtlich der so wieder belebten Begriffseinschreibungen. Dabei fl!llt auf, dass ein Konzept mit demselben bekämpft werden soll . >Rasse< in ihrer nationalsozia- listischen Prägung - als unveränderlich und stagnierend, welches schließlich die Stigmatisierung einzelner Menschengruppen erst hervorriefe, wird mit einem Kon- zept von >Rasse< begegnet. welches die Einheitlichkeit der Menschheit durchaus in sich vereinbart. Die Referenzen hierlU sind deutlich, stellt doch auch Immanuel Kant in seiner viel beachteten Schrift Von den verschiedenen Rac en der Menschen, in der er 1775 den Bcgritr der >Racc< schließlich in ein folgenschweres Konzept kleidet, gleich zu Beginn fest: Nach diesem Begnffe gehören alle Menschen auf der we11en Ebene zu ein und derselben Naturgattung, weit sie durchgängig miteinander fruchtbare Kinder zeugen. so große Ver - schiedenheiten auch sonst in ihrer Gestillt gen angetroffen werden. Von dieser Einheit der Naturgattung [ ... ] kann man nur eine e inzige notUrliche Ursache anführen: nämlich, dnß sie alle zu emem einzigen Stamme gehll rco [... J.5 Die Proklan1ierung dieses Gleichheitsaspekts im Ursprung der Menschheit wird immer wieder herangezogen um Kants - filr die weitere Aufklärungsideologie maß- Sc11WARZ E PERSPEKTIVEN ZU WEJßSEIN IN DE UTSCHLAND 31

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  • PEGGY P!ESCHE

    D ER >F ORTSCHRITT< DER A UFKLRUNG- KANTS >RACE< UNO DIE ZENTRIERUNG DES WEJEN SUBJEKTS

    Die in den postmodernen theoretischen Diskursen nunmehr durchgngig zu fin-de~de Perspekt_ive ~er Dekonstruktion hegemonialer Normativitt weier Positio-nahtten bentigt eme Kontextualisierung von Weisein in historisch verankerten

    un~ re~ektierten Zusammenhngen. Eine Problematisierung der Norrnativitt von We1sem als Rassekonstrukt und gewaltvoller gesellschaftlicher Realitt - z.B. in g~genw~igen Analysen weier Globalhegemonie - muss, will sie den eigentlichen emg:s.chnebeoen D~iken auf die Spur kommen, immer auch die ihr eigenen

    Tr~d111one~ ~nd Trad1~rungen reflektieren, um nicht zuletzt auch jenen mchtigen weien >kritischen< Diskursen, die sich in den letzten Jahren anschickten >Rasse< als auch Weisein zu dekonstruieren, begegnen zu knnen. Wenn Weisein mitt-lerwei le in seiner fragilen Komplexitt der Instabi litt als Konstruktion durchaus so zu setzen ist, dass es mglich erscheint, selbiges zu berwinden, stellt sich die Frage nach dessen Ursprngen, nach den Determinanten einer Konstruktion von Weisein als Normativitt.

    Im Fol~enden. wird. der hegemoniale Fokus auf sich selbst, die Selbstmarkierung d~ Mark1ercrs, im ~1skurs der Aufklrung und deren Nachwirkung beleuchtet und die zentrale Rolle, die Denkern wie Immanuel Kant und Georg Friedrich Wilhelm Hegel dabei zufielen, diskutiert. Dabei soll vor allem auf das Phnomen eines he-gemonialen weien Settings eingegangen werden, welches unter Zuhi lfenahme

    ei~er :iieo~etisierung des Begriffes >Race< Weisein als Bedeutung produzierende W1rkl.1chke1ts~ons_truktion anfnglich selbst dechiffrierte und durch eine eigene Markierung h1stonsch a priori setzte. ln den Anfngen des deutschen Diskurses um

    >~asse< wurde n~lich ein Weisein ins Zentrum des Blickfeldes gerckt, welches sich selbst markierte und ausdifferenzierte, um schlielich in einer normativen Setzung seine nunmehr bekannte transparente Gestall anzunehmen. Der Beitrag geht daher auch von der These aus, dass die Einfhrung des Begriffes >Race< in den deutschen intellektuellen Diskurs der Aufklrung durch Immanuel Kant (Von den ''erschtedenen Racen der Menschen, 1775) und die weitere Theoretisierung seiner Bede.urungsebcne durch Hegel mageblich dazu beitrugen, dass Weisein als eine crwe1.tc:ungs- und deh.nungsfhige Konstruktion konzipiert ist und eine mgliche Rclativ1erw1g von Weisein, vor allem aber seine betonte (Aus-)Differenzierung ks Herrschafissubjektes in ein prototypisches - wei, mnnlich heterosexuell -

    l~d1glich die Diskursivitt von Weisein aufzeigt. Dabei sind jedoch exklusiver~ l 111111..:11 von Weisein dazu gedacht, hegemoniale Macht zu konzentrieren und tlll(lc1ch zu stabilisieren. Dieser These folgend soll schlielich auch auf die so 1'11i.111n te Forster-Meiners-Debatte eingegangen werden, die durchaus als eine an-l 1111 '1lhe Diskussion um die Fragilitt der Kategorie Weisein und damit um die 11, 1k 111ung von >Rasse< fr den innereuropischen Diskurs verstanden werden darf. 11 1111 11 ~oll nicht zuletzt das bis heute unsichtbare, aber wirksame weie Machtfeld 111

    DER WEij)J:: F LECK UND DAS SUBJEICT

    DER >fORTSCHRITf< DER AUFKLRUNG

    >Aufklrung< neu beleuchtet werden.

    ) . StNNSTlFTUNG F ORTSCHRJTI: >RASSE< UND lllRE B EWEOLlCHK.ElT

    11Nich1 die >Rassen< formen das Bild der Geschichte. sondern die Geschichte formt das Bild der 1Rassenhumanistische< Tradition beruft und sich explizi t Anleihen auch bei Immanuel Kant, Johann Goufried Herder und Christoph Meiners hoJt.3 Der neue, sozialistische Mensch, der in Anlehnung an die aufk lrerische Tradition der Erzichbarkeit einer Formung unterzogen werden sollte, differenziert sich offensichtlich >nur< hinsichtlich seiner Fortschrittsflihigkeit. Die Tatsache, dass ein nationalsozialistisches Rassekonzept mit den inhalt lichen Argumentationen des 18. Jahrhunderts bestritten werden soll und dabei die Begriffe (interessanterweise) >Rasse VariettSpielartVolk< und vor allem schlielich auch >Nation< mit aufklrerischem Impetus wieder belebt werden. gibt nicht nur hinsichilich einer kommunistischen Variante von >Rasse< zu denken,4 sondern auch hinsichtlich der so wieder belebten Begriffseinschreibungen. Dabei fl!llt auf, dass ein Konzept mit demselben bekmpft werden soll . >Rasse< in ihrer nationalsozia-listischen Prgung - als unvernderlich und stagnierend, welches schlielich die Stigmatisierung einzelner Menschengruppen erst hervorriefe, wird mit einem Kon-zept von >Rasse< begegnet. welches die Einheitlichkeit der Menschheit durchaus in sich vereinbart. Die Referenzen hierlU sind deutlich, stellt doch auch Immanuel Kant in seiner viel beachteten Schrift Von den verschiedenen Racen der Menschen, in der er 1775 den Bcgritr der >Racc< schlielich in ein folgenschweres Konzept kleidet, g leich zu Beginn fest:

    Nach diesem Begnffe gehren alle Menschen auf der we11en Ebene zu ein und derselben Naturgattung, weit sie durchgngig miteinander fruchtbare Kinder zeugen. so groe Ver-schiedenheiten auch sonst in ihrer Gestillt mgen angetroffen werden. Von dieser Einheit der Naturgattung [ ... ] kann man nur eine einzige notUrliche Ursache anfhren: nmlich, dn sie alle zu emem einzigen Stamme gehllrco [ ... J.5

    Die Proklan1ierung dieses Gleichheitsaspekts im Ursprung der Menschheit wird immer wieder herangezogen um Kants - filr die weitere Aufklrungsideologie ma-Sc11WARZE PERSPEKTIVEN ZU WEJSEIN IN DEUTSCHLAND 31

  • l"EGGY t'lt:SCHE

    gebliches RassekonLept als em neutrale:.. gar fortschnuhche:. und schlielich auch Rlr das postfasch1stischc 20. Jahrhundert frnchtbar zu machendes Theorem immer wieder zu trodieren.6 Demnach wren alle Menschen, gleich welcher >RasseStamme, gemeinsame >Gattung< oder >Familie< verstanden. Das crfolg1 in enger Anlehnung an Kant, der in scmer Einleitung ltm der Verscl11edenhe11 der Racen berhaupt all diese BegnfTe glcichsel.11. um sie schlielich gezielt in den Begriff der >Racec mnden .tu lassen. Eine der wesentlich-sten .Zuschreibungen, die eine 11Jerarch1s1erung mnerhalb semes Rassekonzeptes bereits andeuten, hat Kant schon zuvor unmissverstilndhch dargestellt. als er sich 111 den Beohaclmmgen ber dm Gefiihl des Schnen und Erhabenen ( 1764) David l lwne anschlie! und feslhlt.

    da unter den hundcntaUSl'lldcn on Seh"l"lcn. die 111> ihm. Ulndem andera :in vcr fl_lhn werden. obgleich deren sehr viele auch in Freiheu gcsclZt "erden. dennoch mcht ein em11ger jemols gcfnden worden. der ent\\cdcr in KunZ1vihsa11onc verbunden werden, haben bl'' sind keme >Rasse< oder haben vielmehr dieses Studium Uber-Y.unden. sind dieser Stufe quasi entwachsen Vlker, die mit eben Jenem Begriff nicht verbunden werden man vergleiche den ausschltelichen Verweis auf die >GemUthsfiihigkenenc der Litierten afrikanischen Vlker. wobei niemals auf die >Verstandesfhigkeit< vem1csen wird-. verharren gleichsam auf der ihnen rogc-schriebenen Stufe der >RasseRasse< zu rcnen. verschleiert die Position des weien sprechenden Subjektes. welches sich aus der Pcr;pcktive der Zuschre1bungsmacht eben Jener Begriffiichkc1ten (>ZivilisationVolke. >Na11on< etc) artikuliert. .

    Oie berfhrung dieser von Kant wesentlich mspirierten Gleichung (>Fortschnu< >Zivilisation< >Volk versus >Stagna11on< - >Wildheit< >Ursprnglichkeit< >RasseWissenschafilichkeilc 1m Konzept >Rasse< kommt wohl Hegel zu, der in semen Vorlesungen Ober die Philosophie der Geschichte mit >Afr1kac'4 ein Gegenbild lur europischen Fortschrittsdynamik entwirft:

    Deo den Nei;cm 1bl nnmhch dns Chnr.ikterisuschc grade. dll ihr Bewu,cyn noch nicht zur An-chnuung irgend einer festen ObJcklivitlt gekommen 1s1. wie rum ei;p1el (liind1gk.-11 dar von aller r.hrfurchl und Sitllichkcu. von dem wu\ Geruht heit mu m~n ubstr.1h1rcn. wenn man ihn nchug aull;Mcn "oll es "' nicht' an das Mcn!>thhehc Anklingende in diesem Chnr.iktcr fU finden I

    Mn diesem um das Moment des Fortschrius crweitencn biolog1stischen Konzept >Rasse lie sich schhchch auch die Sklaverei al!. ein Mittel der Entwicklungs-mglichkeit dieser >Rasse< rechtfemgen.16

    Die Neger werden van den F.urop5em 1n die Scloverc1 gefllhrt und nach Amcn~a hin erkauft. Troizdcm ist ihr Loos im eigenen Lande fast noch schhmmer, wo ebenso al>-\Olutc Sclacrc1 \orhandcn ist, denn c- ist die Grundlage der Scla,crc1 Oberhaupt, da dcr Me11>Anderen< als Projek-11onsf!che des >Eigenen< konnte so glatt und brnchlos bis 111 die heutige Zeit fortgcschneben werden, weil sie mit der Kategone >Rasse< arbeitete. die im AuflJ-rungsprojekl Ober das hier aufgezeigte Fortschrittsmoment hinaus m11 Annahmen. Setzungen und Zuschreibungen gefllt wurde

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  • 2. DIE ABSURDITT DES WElfJEN SUBJEKTS ODER: DIE AUFLSUNG IN DER NORM

    ~ant ~ntwickelt sein~n Rassebegriff entlang an den bis dahin gltigen Begriff-lichkeiten der Zoolog1~. Um_ ausgehend von seiner Eingangsthese des einheitlichen Mensche~ursp~gs d~e fr ihn offensichtlichen> Verschiedenheiten< begrnden zu knnen, smd d~e erblichen Merkmale der AbstammungIS wichtig, um schlielich Uber den Begriff der >Abartungen< zu dem der >Rasse< zu kommen.

    Unter Abanungen. d.i. den erblichen Verschiedenheiten der Thiere die zu einem e' g. Stamme gehren. heien ~iejcnigen, :welche sich sowohl bei allen Verpanzungen 1[~] ~~ langen Zeugungen un1er sich besliind1g erhalten, nls auch in der Vermischung mit andereo Abanungen, desselb1gen Stammes jederzeit halbschlllcbtige Junge zeugen. Racen.19

    Die wei~er oben berei_ts beschriebene Verknpfung von >Rasse< und Fremdzuschrei-bung, ~1e_ vor allem m den letzten zwei Jahrzehnten in einer kritischen Theorie20 vermemthch neu ~erausgearbeitet und analysiert wurde und damit gleichsam einer Verschttung. entrissen wurde, l~st sich hier bei Kant ganz unverblmt nachlesen.

    ~e~ wenn Jenen >halbschlchugen Jungen< diejenigen entgegengesetzt werde die sich >bestndig erhalten< und dementsprechend >nacharten< _ im Unterschi:d zum >A~arten< - dann werden diese schlielich >Spielarten< und nicht >Race< ge-nannt .. Eme besondere Fo~ dieser >Nachartung< wird dann als> Variett< angezeigt. Es gelingt Kant so. das Weie.aus der bei:eits stigmatisierend besetzen Zuschreibung von ~Rasse< qu~s1 berauszuh1even und m eine Art Neutralitt zu setzen. Mit dem ~egnff der >SpielartenAbartungen< abgegrenzt ~ud, kons~tert Kant den Begri.ff der >Race< als fragmentierte Kategorie, aus der s17h z~ entziehen .durchaus mglich erscheint. Dass dies jedoch nicht allen obliegt, wird eilends unmissverstndlich deutlich gemacht:

    Auf diese Weise sind Neger und Weie zwar nicht verschiedene Anen von Menschen (denn sie gc~~ren ~c~ulhlich zu einem. Stamme), nber doch zwei verschiedeae Racen: weil [ .. ) beide mit eman~er nolhwend1g halbschlchtige Kinder oder Blendlinge (Mulatten) e~ugen. Dagegen sind londe und Brunettc nicht verschiedene Racen von We" 1 e'.n blonder Mano vo~ eine~ Brune11en auch lauter blonde Kinder haben kann. ob~le~~h ~~ dieser. Aba~ungcn sich bei allen Verpflanzungen lange Zeugungen hindurch hll Daher smd sie Spielarten der Wcien.21

    Das V~rerbungsmoment ist hier ebenfalls bereits eingeschrieben. Darber binaus suggeriert Kant den ~usa'."menhang zwischen physiologischen und geistig-kul-

    tur~l.lco Merkmal1:~1, dte nicht notwendigerweise in einer Verbindung mit den je-weiligen geog~ph 1sch~n .Bedingungen stilnden. 22 Dies ist umso bemerkenswerter, als vor allem die Verte_1d1ger. K~nts - schlielich auch Hegels -, die eine neutrale

    ~~tzung. des R~s~ebegnffs bei diesen dahingegen diskuiieren,23 dass eine vermeint-liche Htcrarc~1s1~rung 2~e~ >Rassen< den unterschiedlichen Lebensbedingungen gesch.uldet sem knnte, diese Argumente immer wieder ins Feld fhren. fn seiner Emte1/1111g der Mensche11ga1tu11g in ihre verschiedene Rar:en geht Kant von vier solch.er >Rassen~ aus und erffnet jedoch aberwitzige geographische Positionen die emer >Vermischung< entgegen wirkten. Diese Gedanken greift er spter noch 34

    DER WEt1;, FLECK UND DAS SlJBJEKT

    DER >fORTSCHRl1T< DER AUFKl.RVNG

    einmal auf, wenn er 1785 in der Abhandlung Bestimmung des Begriff.r einer Men-schenrasse25 die angeborenen >Rassemerkmale< von denen der Lebensumstnde 1rennt und Schwarze Menschen in Frank.reich fr weniger Schwarz hlt. Hier spielen allerdings wieder d.ie eingangs diskutierten Thesen der jeweils hheren Entwicklungsstufe und der Bedeutung von >Zivilisation< eine groe Rolle. Es darf dabei nicht bersehen werden, dass Kant eben nicht Ober die Bedingungen der Wirklichkeit, sondern ber die Bedingungen der Mglichkeit spricht. Da er - in Selbstaussage26- kein Empiriker ist. spricht er vom moralischen Sollen, ein Sollen, welches dann die Realitt verndern muss.

    3. HEGEMONIALES PARADOX: DIE ZENTRIERUNG DES WElfJEN SUBJEKTS ODER: Du:; EINGESCHRJEBENE ROCKFHRBARKEIT INS WE1SEtN Da auch geographisch fr die >Race der Weien< ein zwar mit vornehmlich Europa doch durchaus weiteres Feld positioniert wird. ermglich! Kant mit dem Begriff der >Race< Weisein als eine Kategorie zu gestalten, die durchaus Verndeningen an ihren Rndern unterliegt, aber gerade mit diesem othering within auch immer ein Prinzip von Rckfhrbarkeit ins Weisein trgt. Dies kann durchaus bis zur Markierung visueller Differenzen fhren, was natrlich noch nicht automatisch zu einer Aufhebung von Weisein fhrt. Die AusdifTerenzierung der Stammgat-lung27 in Weie von brnetter Farbe, die noch einmal abgetrennt wird von der erste[n] Race, hochblonde (nordl. Eur.) von feuchter Klte steht fr ein Prinzip des othering, welches >Rasse< nicht nur zulsst. sondern vielmehr mit einschliet. Die AusdifTerenzierung von Weisein nimmt Kant vornehmlich in der bereitS er-whnten Schrifi Bestimmung des Begri.ff.f einer Menschenrasse vor, in der er zehn Jahre nach der Einfhrung des >Raceabgesonderten VolkAbartung< betroffen, sondern werden als durchgngig vererbungsaffirma1iv und darber hinaus als Norm gesetzt, indem gerade die pathologischen Beispiele in den >Spielarten< des Weien in einem einzigen Verweis auf eben jene >anderen< >Ras-sen< projizien werden. Die hier deutlich verankerte Subjektivierung der >weien Rasse< wird so einem erzwungenen Kollektiv der vermeintlich anderen >Rassen< gegenber gestellt, die schlielich die zuvor als singulr gezeichneten patholo-gischen Beispiele innerhalb der weien Rasse als Gruppenzuschreibung quasi bemehmen.30 Wesentlich spter beschftigt sich Kant in der A11thropologische[11] Charakteristik (1798) noch einmal mit dem Komplex >VolkRasse< und >Gattung<

    SCHWARZE PERSPEK11VEN ZU WE1SEIN IN DEUTSCHLAND 35

  • PtGGY PtrSCHI

    und arbeitet die unterschiedlichen >Nationalcharakterez1vihsiene< Vlker unterte1h, fhrt lU keinem Zeitpunkt seiner Argumentation zum Ausschluss erstgenannter aus der an Ober zwanzagj!lhrigcr Arben gefesugten Konstruktion des Weisems. Vielmehr trgt diese sp!lte Schrift 7Ur Festigung des Konzeptes bei, indem Kant entlang cmcr Argumentauonslime. bei der wir heute von so genannten \1entahtten sprechen worden, ein so ausdifferenziertes Bild europischen Weiseins le1chne1. dass d1e~es den normativen Platz m Oppos111on zu Rasse 1s1 gerade der allgemeine Charak1er des \'lke>. 11.oru er sclbs1 gehOne. und 1s1 Verachtung aller Ausv.llrtigen. be!.ondcrs darum 11.e1I es MCh allem einer 4chtcn, ~1aa1>b0rgcrlichcn rreihe11 im Innern nut Machl 11egcn Auen >crbindcnden Verfa~~ung rllhmen zu kOnncn glaubt.32

    Kant entwirf\ ein vc17Weigtes Feld nationalcharakterlicher Eigenheiten, deren ver-meintliche Russifi1ierung durch die natOrtiche Grundlegung von Entwicklungs momcnten erfolgt. Dabei behlt er jedoch die Gesamtheit der europischen >Rncec31 expli1it im Auge.H Die hier vorgenommene natrliche Grundlegung der einzelnen europischen > Vatiet!ltenc greift auf den bereits 1764 entwickelten Begri IT des Nationalcharakters in den Beobachtungen ber das Gefiihl des Sc/tnen und Erha be111m zurtlck. Darin entwarf Kant gleichsam die Eckpfeiler einer Definierbarkeit cmcs 1ukOnfligcn Nationalcharaktcrs.35 indem er das >Moralische< in l>Anlch nung an das l.:.rhabene und Schne36 ins L.entrum seiner Analyse stellt, wobei er selbstredend allen europischen Vlkern die >rhmlichen Charaktere< gleich mit .iusprach Unter diesem Eindruck entspann sich auch die 1784 beginnende so genannte Kontroverse 1w1schen Georg Forster und Christoph Memers. 37 0.:r Anthropologe und >Rassethcoretiker< Christoph Meiners, dem oO der Vorwurf des cm11cha1r travellen gemacht wurde. schickte sieb in den l 780er Jahren an. selbst lU reisen und seine Thesen mit eigener Erfahrung lU untermauern. In Briefe iiher clie Sc/111 eizl~ entwirft er cm Bild kultureller und >ethmsierender< D11Tcre1U innerhalb Europas, welche:. aus einer, dem damals klassischen >physiognomischem Blick< geschuldeten Perspekuve heraus histonsch-kulturelle und l!sthe11sch-phys1ologi sehe Beobachtungen und Argumentauonskeuen mneinander verbindet und diese in >nationale< und >krperliche< Unterschiede kleideL Dabei werden die ausfhrlich beschriebenen so genannten kulturellen Unterschiede mit einer Visualisierung verbunden, die den Krper als visuelle Evidenz fr schlielich erfolgende ethni-sierende Zuschrctbungen - gleichsam die Erffnung von Differcn:ren innerhalb des Eigenen - so benut7t, dass sie den Emschluss 1m europischen weien Rahmen nie gefllhrden. Die Abgren1ung zu eigentlichen Rassifizierungen bleibt selbstver stllndlich gewahrt, wenn die >gemeinen Walliserc zwar an >Houcntouen< erinnern und deren Lebensart mit denen der >Neger< verglichen wird. ihnen aber zu keinem Zeitpunkt die /.ughrigkcit zu dem >zivilisierten< System versagt wird, welches o.g.

    36 DER WF.ijJE. FLECK UND OAS Sl ,llJI KI

    O lR >fORl'liCHRlTf< DER AUFKLARUNG

    . r chafl\ 39 Wenn die Berner Bevlkerung mit rassifiLierende Zu~chretbungden erst~ ~ m. Miggang und Ausschweifungen spanischen Kolo~1alherre~.' h:~e:i~~e s~~eschieht dies vor allem auch immer in Lugesch~eben wird. "~~~erlandunse.~e . . ~ t eren Meincrs Grenzllberschreitungen nattonale Rivalittstbese an.. a~tt mam es l E d Ausschlossen. die sich Jedoch alle auf Stereotypen und die F1x1erung von m- un

    Bod d zuvor bereiteten weifJen Feldes bewegen. dem eFn es Bl'ck in seinen Ansicl11e11 ,om V1ederrhe111'' ist so versch1e-

    Georg orsters 1 F r gen Vermischung mtt den mch~. Mit l!hnlich~n -~~:~:~e~~:;~ng~".:~1 1:~;cn Beobachtungen zu .den franzsischem Blut

    4 M . at'onale Eng~umigkeit m~ Pos111ve

    >Nuancierungen der Nordeuroper~ Ne1~ers ;ge~tah< 43 >NationalcharaktcrSpielarten< -. ste s J prsentieren kann.

    BIBUOORAFIE f . 8 Ir . Dir F111Wlrk/1mg tle1 Stmitl!.< Ans101elc. . Politik &hrif/1m :ur Staatsphi/n.wphll'. .ntl!.< I" .

    S ~ Ph lipp Reclam Jun t9!19 1\ t h 1u11g-.; ' 1 /\ r Tt'xt' ur l'h1l1m1phl:11t:rl1au111 ~m Jt11 vcnclrredenen .Race11 der Mc111~ '~ . r h-Preu1schcn Akademie der W1~~en...:haf-1

  • Prnciv Pir sc fll

    Thom, Manma Mfmmanucl Kant. Ro~au hat mich 1.urcchtgebrachtc.c< In: fojlclanmg 8mrag1 :ur Ph1lmuph1t lmmanud Kant;, Tatt' zur Ph1laophtl'. Hefi 15, hrsg. von der RoqLu~crn bufiSt1fiun11 e V Le1f'l1g 2005, S. 21-56

    Wimmer, lranz \1anm R-1smus und Kulturpb1losoplue. In. Gemot Hei ua (llrsg.l. U-ilf. 'Jhr1~, UtH~n.tchaft 011' t.:nn~nlf(Jf IJicn 1938-1945. Wien Verlag lllr Ge>tlls.:hafi,knuk, 1989. s 89-11

    Zante>p. SU#llnc: 1tAll)ich1en und Angesicht. fOMer und Meincrs als ph~1ognom1sche Gmv C.aniier In Renate Schlesier & Ulnle lellmann (Hrsg.): Ro!ISl.'ll uber Grrn:en Aontukt 1111-,tsmw. \uchte tu erarbeiten und ''allem auch den Foruchnu bei Hegel betonte. H1cnn 1e1111 sich, da.-sen Kont111en1< \Olltn W1 d1c-.er Stelle nicht noch emmal bemllhl werden, dagegen vcl\\e1fOKT'IC'llRITI< DER AUFKl.ARUNG

    22 Diese Verbindung wurde daM J schhehch auch von Hc11ct und andcn:n bcre1""1llig oufgrif-rcn

    23 Hier ,.or allem der bcn:ib erw!lmte Wimmer Ra.~mmu.1 11nd K11/1urplttlll\uph1< 2 be

    ~ummt, folglich mus 39