Persönliche PDF-Datei für Isabel Rosemeier, Gerhard K. Wolf · 2020. 3. 12. · Atelektasen...

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Persönliche PDF-Datei für www.thieme.de Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver- wendung auf der privaten Homepage des Autors). Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen, dies gilt auch für soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen. Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Verlag und Copyright: Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags Isabel Rosemeier, Gerhard K. Wolf Individuelle Beatmung in der Neonatologie und Pädiatrie 10.1055/a-0747-9421 Neonatologie Scan 2020; 8: 65–77 © 2020 by 2194-5462

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    Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver-wendung auf der privaten Homepage des Autors).Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung inRepositorien vorgesehen, dies gilt auch für sozialeund wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen.

    Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag

    Verlag und Copyright:

    Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 1470469 StuttgartISSN

    Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

    Isabel Rosemeier, Gerhard K. Wolf

    Individuelle Beatmung in der Neonatologie und Pädiatrie

    10.1055/a-0747-9421 Neonatologie Scan 2020; 8: 65–77

    © 2020 by

    2194-5462

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    Physiologische GrundlagenBarotrauma (hohe Beatmungsdrücke) und Volutrauma(hohe Tidalvolumina) führen zur Lungenüberdehnungund zur Disruption der Alveolen, außerdem aktivierensie die inflammatorische Kaskade im Lungengewebe.Pulmonale Atelektasen verursachen Hypoxie und eben-falls Lungeninflammation. Sowohl das Bestehen vonAtelektasen als auch das wiederholte Öffnen undSchließen atelektatischer Bereiche sowie die Überdeh-nung tragen wesentlich zur beatmungsbedingten Lun-genschädigung (Ventilator induced Lung Injury; VILI)bei.

    Die elektrische Impedanztomografie (EIT) ist ein bild-gebendes Verfahren, welches Impedanzänderungendes Thorax misst und über den Thoraxquerschnitt dar-stellt. Die EIT bietet damit die Möglichkeit, regionaleLungenveränderungen wie Atelektasen oder regionaleLungenüberdehnung in Echtzeit zu quantifizieren unddie Beatmung entsprechend lungenprotektiv zu steu-ern.

    MerkeAufgrund der Strahlungsfreiheit hat die Technologiegerade für die pädiatrische und neonatologischePatientenpopulation große Vorteile und kann eineindividuell gesteuerte, lungenprotektive Beatmungermöglichen.

    FunktionsprinzipDas Prinzip der elektrischen (Thorax-) Impedanzmes-sung wurde vor 35 Jahren von Barber und Brown be-schrieben. Die Technologie baut darauf auf, dass sichdie Bioimpedanz der Lunge mit dem Luftgehalt, undim geringeren Ausmaß auch mit der Lungenperfusion,verändert. Normal belüftete, atelektatische und über-

    dehnte Lungenareale haben eine unterschiedliche Im-pedanz und lassen sich so voneinander unterscheiden.

    Um den Brustkorb des Patienten werden je nach Gerät16–32 Impedanzelektroden angebracht. An einElektrodenpaar wird ein definierter Wechselstrom an-gelegt (▶Abb. 1, „I“), die resultierenden Spannungen(▶Abb. 1, „V“) werden jeweils paarweise von gegen-überliegenden Elektroden gemessen.

    Aus bekannter Stromstärke und gemessener Oberflä-chenspannung lässt sich die Impedanz ermitteln. DieImpedanz ist u. a. abhängig von Ionenkonzentrationenund der Flüssigkeitsmenge im Gewebe. Der Stromnimmt in der Lunge nicht den direkten Weg durch die

    Elektrische ImpedanztomografieIndividuelle Beatmung in der Neonatologieund Pädiatrie

    Isabel Rosemeier, Gerhard K. Wolf

    CME-Fortbildung

    ABKÜRZUNGEN

    ALI acute Lung InjuryARDS acute respiratory Distress SyndromeAVD Area of Ventilation DelayCDP continuous distending PressureCL CollapseCoV Center of VentilationCPAP continous positive Airway PressureCV Coefficient of VariationEIT elektrische ImpedanztomografieFiO2 inspiratorische SauerstofffraktionGI Global Inhomogenity IndexOD OverdistensionpaCO2 arterieller SauerstoffpartialdruckpaO2 arterieller KohlendioxidpartialdruckPEEP positive end-expiratory PressurePIP peak inspiratory PressureRDS respiratory Distress SyndromeRVD regional Ventilation DelayVILI Ventilator induced Lung Injury

    Früh- und Neugeborene sind gegenüber einer beatmungsinduzierten Lungen-schädigung sehr vulnerabel, insbesondere, wenn eine inhomogene Lungen-pathologie zu einer inhomogenen Beatmungssituation führt. EIT-Messungenermöglichen hier funktionelle Querschnittsbilder der Lungenbelüftung.

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    Luft in den Alveolen, sondern fließt entlang der Alveo-larsepten. Durch die Ausdehnung der Alveolen wäh-rend der Inspiration verlängert sich der Weg des Stro-mes und die Impedanz nimmt zu.

    Da die Position der einspeisenden und messenden Elek-troden sehr schnell rotierend wechselt, wird mit jederRotation ein Schnittbild erzeugt, welches in der räumli-chen Orientierung eines CT-Bildes die regionale Lun-genbelüftung darstellt. Früher wurden die Elektrodeneinfach auf die Haut aufgeklebt und vorher sogar nocheinzeln mit der Schere zugeschnitten und angepasst;heute gibt es kommerzielle EIT-Gürtel in verschiede-nen Größen, welche einen hohen Tragekomfort habenund in den letzten 5 Jahren eine signifikante Weiterent-wicklung erfahren haben.

    Eine wesentliche Weiterentwicklung der Technologiebesteht darin, mithilfe von differenzierten Rekonstruk-tionsalgorithmen das Ausmaß der normal belüftetenLungenareale, aber auch der Atelektasenbildung einer-seits und der Lungenüberdehnung andererseits zuquantifizieren. Kardiale und pulmonale Perfusions-änderungen werden ebenfalls abgebildet, aber durchdie Software wieder herausgefiltert.

    MerkeEIT-Messungen ermöglichen funktionelle Quer-schnittsbilder der Lungenbelüftung, die auf derMessung von Oberflächenspannungen auf der Hautdurch einen Elektrodengürtel basieren.

    Einsatz in der Neonatologieund PädiatrieFrüh- und Neugeborene sind gegenüber beatmungsin-duzierter Lungenschädigung sehr vulnerabel, beson-ders, wenn eine inhomogene Lungenpathologie zueiner inhomogenen Beatmungssituation führt. Hierzusind speziell zu erwähnen:▪ Neugeborene mit schwerem Atemnotsyndrom,▪ Neugeborene mit Pneumonie,▪ Neugeborene mit Mekoniumaspiration und▪ Neugeborene mit Respiratory-Syncytial-Virus-Infek-

    tion.

    Alle modernen Beatmungsgeräte ermöglichen zwar diegenaue Messung der globalen Tidalvolumina, selbstwährend der Hochfrequenzbeatmung, und natürlichgibt die Thoraxröntgenaufnahme eine Übersicht überZwerchfellposition und Atelektasenbildung; dennochkönnen regionale Überdehnungen und regionale Ate-lektasen über Tage bestehen bleiben und zum beat-mungsinduzierten Lungenschaden beitragen (Ventila-tor induced Lung Injury, VILI). Dieser Lungenschadenähnelt morphologisch stark dem acute Lung Injury(ALI) und hat einen wesentlichen Anteil an der Morbidi-tät und Mortalität der betroffenen Patienten.

    MerkeEin großer Vorteil für die neonatologische Patienten-population ist die Nichtinvasivität und die Strah-lungsfreiheit der Technologie.

    Informationen über die Lokalisation oder die Verbesse-rung der Belüftung von atelektatischen Lungenarealenim Krankheitsverlauf könnten sonst nur über wieder-holte Thoraxröntgenaufnahmen oder CT-Bilder gewon-nen werden. Ein weiterer Vorteil ist die Tatsache, dassEIT-Geräte tragbar sind: Damit können die Informatio-nen in Echtzeit am Patientenbett gewonnen werden.Insbesondere bei der Behandlung von Frühgeborenen,bei denen auch innerklinische Transporte möglichstvermieden werden sollen, ist dies von Vorteil. Aufgrundder hohen zeitlichen Auflösung mit hohen Scan-Ratenpro Sekunde ist die EIT auch während der in der Neona-tologie angewendeten Hochfrequenzbeatmung nutz-bar.

    Signifikante Risiken der EIT-Anwendung für den Patien-ten bestehen nach derzeitigem Wissenstand nicht.

    ▶Abb. 1 Funktionsprinzip der Elektrischen Impedanztomografie.

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    Individuelle Beatmungssteuerung

    Die Evidenz von zwei Jahrzehnten randomisierter, mul-tizentrischer Beatmungsforschung bei erwachsenenPatienten mit ARDS lässt sich – grob vereinfacht undbewusst etwas pointiert – wie folgt zusammenfassen:

    Diese Datenlage, verbunden mit der klinischen Beob-achtung, dass Patienten mit ARDS sehr unterschiedlichauf eine Veränderung der Beatmungsstrategie anspre-chen, gibt einen Hinweis darauf, dass eine individuali-sierte Beatmungsstrategie mit EIT zum „Benefit“ desPatienten sein könnte. Diese individualisierte Beat-mungsstrategie könnte wie folgt aussehen:

    ▪ Nur Patienten mit einem hohen Anteil von Atelekta-sen bekommen ein Rekrutierungsmanöver und eineBeatmungsstrategie mit entsprechend hohem PEEP.

    ▪ Patienten, welche in Bauchlage eine deutliche Re-krutierung zeigen, bleiben in Bauchlage, ansonstenwerden sie wieder in Rückenlage gedreht.

    ▪ Nur falls die Sedierung/Relaxierung zur Rekrutie-rung von Lungenarealen und zur Verringerung vonLungenüberdehnung beiträgt, wird diese beibehal-ten, ansonsten kann der Patient bei leichter Sedie-rung spontan mitatmen.

    PRAXIS

    Praktische Anwendung der elektrischen Impe-danztomografie▪ Die Strahlungsfreiheit macht EIT insbesondere

    für die pädiatrische und neonatologischePatienten interessant.

    ▪ 24-h-Messungen sind möglich.▪ Das Thorax-EIT von vielen Firmen ist CE-zertifi-

    ziert.▪ Den Gürtel bei beatmeten Patienten sicher zu

    platzieren erfordert oft zwei Personen.▪ Der EIT-Gürtel kann lokale Druckstellen auf der

    Haut verursachen.

    TAKE HOME MESSAGE

    Beatmungssteuerung▪ 6ml/kg Tidalvolumen sind lungenprotektiver

    als 12ml/kg Tidalvolumen [1].▪ Ein hoher Druckunterschied (Driving Pressure,

    PIP-PEEP) ist mit einem schlechteren Outcomeassoziiert [2].

    ▪ Flüssigkeitsüberladung erhöht die Mortalität imARDS [3].

    ▪ Variable Ergebnisse zeigten sich beispielsweisehinsichtlich PEEP, Bauchlage und Muskelrelaxie-rung:– Ein hoher PEEP verringert per se nicht die

    Mortalität, es sei denn in einer ausgewähl-ten Population von besonders schwer kran-ken Patienten.

    – Bauchlage (Prone Positioning) verbessertdas Outcome nur bei einer ausgewähltenPopulation von Patienten mit ARDS.

    – Muskelrelaxanzien sind vermutlich nur beischwer betroffenen Patienten innerhalb derersten 24–48h mit einer Verringerung derMortalität assoziiert.

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    Respondererfolgreiche Rekrutierung

    Non-Responderfehlgeschlagene

    Rekrutierung

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    Atelektasen Überdehnung

    -0,5 0 0,5 1

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    Pmax -15

    Pmax -10

    Pmax -5

    Pmax

    ▶Abb. 2 Rekrutierungsmanöver, linke Spalte Responder,rechte Spalte Non-Responder (rot =Atelektasen, blau=Überdehnung). Korrespondierender Plateaudruck (pplat) incmH2O cmH2O (Quelle: Wolf GK, Gomez-Laberge C, KheirJN et al. Reversal of dependent lung collapse predicts re-sponse to lung recruitment in children with early acutelung injury. Pediatr Crit Care Med 2012; 13: 509–515.doi:10.1097/PCC.0b013e 318245579c. https://journals.lww.com/pccmjournal/Fulltext/2012/09000/Rever-sal_of_dependent_lung_collapse_predicts.3.aspx) [rerif]

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    Rekrutierungsmanöver bei pädiatrischenIntensivpatienten – Responder undNon-Responder

    Bei beatmeten Kindern mit schwerer ALI zeigte sichwährend eines Rekrutierungsmanövers, dass nicht alleKinder auf das Rekrutierungsmanöver ansprachen(▶Abb. 2) [4].

    Das Rekrutierungsmanöver erfolgte schrittweise, in-dem alle 5 Minuten der PEEP um 5cmH2O gesteigertwurde, und zwar so lange, bis sich eine wesentlicheVerbesserung des Gasaustausches ergab (kombinierterpaO2+paCO2>400mmHg). Mittels EIT wurden die un-terschiedlichen Lungenareale als atelektatisch, normalbelüftet oder überdehnt eingeordnet. Während der Re-krutierung durch die schrittweise Anhebung von PEEPund Plateaudruck entstand zunächst immer eine signi-fikante Überdehnung von ventralen Lungenanteilen,

    FALLBEISPIEL

    Fall 1: Response versus Non-ResponseEin 3 Jahre und 10 Monate alter Patient mit schwererneurologischer Grunderkrankung wird mit ARDS beiVerdacht auf Pneumonie auf die pädiatrische Inten-sivstation aufgenommen. Der Horovitz-Quotientbeträgt 204mmHg, der Patient wird druckkontrol-liert beatmet mit einem PEEP von 10mbar, einemInspirationsdruck von 31mbar, bei 40% FiO2. Beieinem Rekrutierungsversuch mittels EIT kann durcheine PEEP-Erhöhung von 10 über 14 auf 16mbarkeine wesentliche Rekrutierung von atelektatischenLungenarealen festgestellt werden. Eine schrittwei-se Reduktion des PEEP-Levels auf 8mbar zeigt einezunehmende Verschlechterung der Kollapswerte.Auch ein erneuter Rekrutierungsversuch zeigt eine

    zunehmende Verschlechterung der regionalenCompliance (Überdehnung und Kollaps).Der Patient wird als Non-Responder (▶Abb. 3a)eingestuft, es werden an diesem Tag keine weiterenRekrutierungsversuche unternommen. Als Grundfür den Non-Response wird die erhöhte Rigidität derLunge bei bestehender pulmonaler Hämorrhagievermutet.Am nächsten Tag wird ein erneuter Rekrutierungs-versuch unternommen. Hierbei zeigt sich eine deut-liche Verringerung des kollabierten Lungengewebesum 28%. Die auftretende Überdehnung (maximal11%) kann durch eine schrittweise PEEP-Reduktionauf 0,4% minimiert werden (▶Abb.3b).

    ▶Abb. 3 PEEP-Titration (OD=Overdistension, CL =Collapse, AVD=Area of Ventilation Delay) a Non-Response.b Response.

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    während die Atelektasen in dorsalen Lungenarealen zu-nächst unberührt blieben. Um alle dorsalen atelektati-schen Lungengebiete vollständig zu rekrutieren, warenkurzzeitig hohe Plateaudrücke bis 50 cmH2O notwen-dig, während ein Großteil der Lunge signifikant über-bläht war.

    Responder hatten vor dem Rekrutierungsmanöver ins-gesamt einen höheren Anteil an Atelektasen, die dannbei dem Manöver geöffnet wurden, wodurch sich einverbesserter Gasaustausch ergab. Non-Responder wie-derum hatten insgesamt weniger dorsale Atelektasen;bei Non-Respondern kam es damit weder zu einer sig-nifikanten Öffnung von atelektatischen Lungenarealennoch zu einem verbesserten Gasaustausch, auch nichtbei Spitzendrücken von 50 cmH2O. Mehr Atelektasenerhöhten die Wahrscheinlichkeit, auf die Lungenrekru-tierung anzusprechen [4].

    In Fallbeispiel 1 ist der Unterschied von Response undNon-Response auf ein Rekrutierungsmanöver eines Pa-tienten mit ALI an zwei unterschiedlichen Tagen darge-stellt. Der Fall zeigt, dass es nicht nur gilt, Respondervon Non-Respondern zu unterscheiden, sondern dassder Nutzen eines Rekruitment-Manövers auch von Tagzu Tag beim gleichen Patienten mit Lungenschädigungvariieren kann.

    MerkeMittels EIT besteht die Möglichkeit, Response auf Re-kruitment-Manöver von Non-Response zu unter-scheiden. So kann ein Patient, der aktuell nicht voneinem Rekrutierungsmanöver profitieren würde, voraggressiveren, potenziell lungenschädigenden Re-kruitment-Strategien bewahrt werden.

    EIT-gesteuerte Beatmung

    MerkeZiel der EIT-gesteuerten Beatmung ist es, die Beat-mungsparameter so einzustellen, dass eine minimaleLungenüberdehnung, eine maximale Lungenrekru-tierung sowie ein minimales phasisches Öffnen undSchließen atelektatischer Lungenareale vorliegen.

    Über Echtzeit-EIT-Messungen können PEEP und PIP je-weils so titriert werden, dass die Atelektasen geöffnetwerden, um im Anschluss die Drücke soweit zu reduzie-ren, dass auch die parallel aufgetretene Lungenüber-dehnung wieder minimiert wird, ohne dass neue Ate-lektasen auftreten.

    In einem Tiermodell des pädiatrischen ARDS [5] zeigtesich, dass EIT-gesteuerte Beatmung im Vergleich zum„Standard of Care“ (ARDSnet-Beatmung) zu verbesser-ter Atemwegsmechanik (Compliance), verbessertemGasaustausch und verminderter Atelektasenbildung

    im direkten Vergleich im CT-Bild (▶Abb. 4), sowie zuhistopathologisch reduziertem Lungenschaden führte.

    Diese Tiermodellstudie konnte in einem translationalenAnsatz bei Kindern mit ALI wiederholt werden. In die-sem „Bench to Bedside Approach“ wurden im Rahmeneiner prospektiven Pilotstudie pädiatrische Intensiv-patienten mit ALI mittels EIT-Steuerung beatmet.

    Die Studie [6] stellt einen aus der vorangehenden Tier-studie modifizierten PEEP-Titrationsalgorithmus zurEIT-gesteuerten Beatmung vor. Bei acht pädiatrischenARDS-Patienten wurde an jeweils drei aufeinanderfol-genden Tagen eine PEEP-Titration vorgenommen. DiePatienten wurden druckkontrolliert und lungenprotek-tiv nach ARDSnet-Kriterien beatmet. Um eine hohe Pa-tientensicherheit zu gewährleisten erhielten Patientenminimal den niedrigsten möglichen PEEP-Wert nachder ARDSnet PEEP-Tabelle, und maximal den höchstenvorgegebenen Wert.

    Schrittweise wurde der PEEP-Level zusammen mit demInspirationsdruck um 4mbar angehoben. Mittels EITwurde in Echtzeit nach jeder PEEP-Änderung die regio-nale Compliance pro Pixel analysiert. Hieraus lässt sichder prozentuale Anteil von überdehntem und kollabier-tem Lungengewebe berechnen. Bei regionalem Com-pliance-Gewinn wurde der PEEP-Level erneut erhöht,

    EIT-gesteuerte GruppeKontrollgruppe

    Ende der Einatmung

    Ende der Ausatmung

    ▶Abb. 4 Tiermodell ARDS, linke Spalte ARDSnet-Beat-mung (Kontrollgruppe), rechte Spalte EIT-gesteuerteBeatmung. Atelektasen, besonders in den posterioren(dorsalen) Lungenbereichen im CT zu erkennen, sinddurch die EIT-gesteuerte Beatmung deutlich verringert(Quelle: Wolf GK, Gomez-Laberge C, Rettig JS et al.Mechanical ventilation guided by electrical impedancetomography in experimental acute lung injury. CriticalCare Medicine 2013; 41: 1296–1304. doi:10.1097/CCM.0b013e3182771516. https://journals.lww.com/ccmjournal/Fulltext/2013/05000/Mechanical_Ventilati-on_Guided_by_Electrical.16.aspx) [rerif]

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    bis ein Abbruchkriterium erreicht war, der höchste vor-gegebene PEEP-Level erreicht war, oder keine weitereRekrutierung bei ausschließlicher Überdehnung ver-zeichnet wurde. Im Anschluss wurde der PEEP-Level in2 mbar-Schritten verringert, um die entstandene Über-dehnung zu reduzieren.

    Bei ersten Anzeichen des Kollapses von Lungengewebewurde der aktuelle PEEP-Level beibehalten und die re-

    gionale Compliance stündlich überprüft. Bei zuneh-mendem Kollaps wurde eine erneute Rekrutierung vor-genommen. Die mittels EIT als kollabiert quantifizier-ten Lungenareale ließen sich durch die Titration deut-lich reduzieren (–9,9%), während die Überdehnungam Ende der Titration nicht signifikant anstieg. Im Mit-tel war der mittels EIT festgelegte PEEP-Level höher alsder zuvor klinisch bestimmte PEEP. Durch die Titrationließen sich die Atemmechanik (erhöhte globale Com-

    FALLBEISPIEL

    Fall 2: PEEP-Titration bei ARDSEine 1 Jahr und 10 Monate alte Patientin mit schwe-rer neurologischer Grunderkrankung erkrankt akutan einer obstruktiven Bronchitis mit nachfolgendemARDS.Nach Intubation beträgt der Horovitz-Quo-tient 165mmHg, die Patientin wird druckkontrolliertbeatmet mit einem PEEP von 6mbar, einem inspira-torischen Druck von 27mbar und 40% FiO2. Zur Fin-dung des optimalen PEEP-Levels und Rekrutierungvon atelektatischen Lungenarealen erfolgt eine EIT-gesteuerte PEEP-Titration.Nach einer Erhöhung des PEEP von 6 auf 10mbarzeigt sich ein regionaler Compliance-Gewinn (blaumarkiert) in den dorsalen Lungenarealen (▶Abb. 5,Reihe 1). Dies impliziert Rekruitment in den betref-fenden Arealen. Bei einer weiteren PEEP-Erhöhungauf 14mbar zeigt sich zudem ein Compliance-Ver-lust (orange-farben markiert) in den ventralen Lun-

    genbereichen, hinweisend auf eine Überdehnungdieser Bereiche. Bei einer schrittweisen PEEP-Reduk-tion erweist sich der PEEP-Level von 10mbar als op-timal.Der initial auftretende Kollaps (▶Abb. 5, Reihe 2: CL,weiß markiert; ▶Abb. 5: orange-farbene Linie) kanndurch die Titration von 25% auf 1% reduziert wer-den. Währenddessen steigt die Überdehnung(▶Abb. 5, Reihe 2: Overdistension=OD, orange-far-ben markiert; ▶Abb. 5: blaue Linie) auf 20% bei ma-ximalem PEEP-Level an. Mit der PEEP-Reduktion lässtsich die Überdehnung auf 5% reduzieren.Nach erfolgreicher Titration steigen die globaleCompliance sowie der Horovitz-Quotient, der Oxy-genierungsindex sinkt, und der effektive Inspirati-onsdruck lässt sich reduzieren.

    ▶Abb. 5 PEEP-Titration mittels EIT bei einem pädiatrischen ARDS-Patienten (OD=Overdistension, CL =Collapse, AVD=Area of Ventilation Delay).

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    pliance und erniedrigter effektiver Inspirationsdruck)und der Gasaustausch (paO2 und Horovitz-Quotient[paO2/FiO2]) verbessern.

    Dies zeigt einen möglichen Ansatz zur individuellen Be-atmung in der Pädiatrie mittels EIT. Fallbeispiel 2 zeigteine entsprechende PEEP-Titration.

    Studienergebnisse zu weiteren Einsatz-möglichkeiten in der Neonatologie

    Die aktuelle Datenlage zum Einsatz von EIT in der Neo-natologie wurde von Frerichs et al. [7] 2017 in einerÜbersichtsarbeit ausführlich dargestellt.

    Observationsstudien

    Bisher wurde die elektrische Impedanztomografie häu-fig im Rahmen von Studien angewendet. In den letztenJahren erschienen auch vermehrt Publikationen zumEinsatz in der Neonatologie. Viele dieser Studien warenObservationsstudien, die es ermöglichten, verschiede-ne existierende Hypothesen zur Beatmung von Neuge-borenen zu bestätigen oder neue Konzepte zu entwi-ckeln. So konnte bei Frühgeborenen mit RDS beispiels-weise das Phänomen der regionalen Lungenhysteresewährend Hochfrequenzbeatmung gezeigt werden [8].

    Untersuchungen zur Ventilationsverteilung bei Frühge-borenen zeigten eine hohe Variabilität der Verteilungdes Tidalvolumens in der Lunge. Dies änderte sich z. T.von Atemzug zu Atemzug und war abhängig vom Alterder Frühgeborenen [9]. Im aktuellen Bedside-Monito-ring schien diese Variabilität unterschätzt zu werden.

    Auswirkungen auf das endexspiratorische Lungenvolu-men durch unterschiedlichste Maßnahmen wie Bauch-lage [10], endotracheale Absaugung [11] oder Extuba-tion [10] können mittels EIT sichtbar gemacht werden.

    Auch die Wirkung von therapeutischen Maßnahmen,wie der Surfactant-Gabe bei Frühgeborenen mit RDS,konnte mittels EIT gezeigt werden. In einer Studie an15 Frühgeborenen, die mittels Hochfrequenzbeat-mung beatmet wurden, kam es nach Surfactant-Gabezu einer raschen Erhöhung und nachfolgenden Stabili-sierung des endexspiratorischen Lungenvolumens.Dieser Effekt war regional unterschiedlich stark undzeigte sich am stärksten in den abhängigen Lungena-realen. Es kam zu einem Compliance-Anstieg bei nied-rigeren Atemwegsdrücken [12].

    Nicht nur unter invasiver Beatmung ließen sich Atem-wegsdrücke mittels EIT optimieren. Eine Studie an 14Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht be-wies die Möglichkeit, den Drucklevel der nichtinvasivenBeatmung nach Extubation mittels EIT zu optimieren[13].

    An 20 Frühgeborenen unter der 32. Schwangerschafts-woche mit mildem RDS am 1. Lebenstag konnten Bha-tia et al. mittels EIT Rekrutierungseffekte bei nichtinva-siver Beatmung zeigen. Bei einer an- bzw. absteigen-den Titration des CDP bei nasalem CPAP konnten ate-lektatische Lungenareale rekrutiert werden. Die Rekru-tierbarkeit zeigte sich von Kind zu Kind variabel, so gabes auch in dieser Studie Non-Responder. Die Ergebnisselegen nahe, dass auch bei nichtinvasiver Beatmungnicht alle Neugeborenen vom gleichen als optimal defi-nierten CDP profitieren, sondern auch bei nichtinvasi-ver Beatmung eine individuelle Titration ratsamscheint. EIT kann bei der Findung des optimalen CDPhelfen, auch hier mögliche Responder von Non-Res-pondern der Rekrutierung unterscheiden [14].

    Erkennung von unerwünschten Ereignissen

    Ein weiteres zukünftiges Einsatzfeld einer kontinuier-lichen Impedanzmessung könnte das Erkennen von un-erwünschten Ereignissen während der Beatmung vonNeugeborenen sein. Einzelne Fallberichte beschreibendie frühzeitige Erkennung eines Pneumothorax (s. Fall-beispiel 3) [15]. Auch bei Frühgeborenen mit extremgeringem Geburtsgewicht war die Erkennung einerunilateralen Atelektase möglich [16]. Bei einem mode-raten Frühgeborenen mit pränataler Thrombose derlinken Pulmonalarterie und Infarzierung des linken Lun-genflügels konnten die resultierenden Ventilations-und Perfusionsdefekte durch EIT dargestellt werden.Auch kleine Bereiche mit minimaler Ventilation konn-ten noch dargestellt werden. Dies könnte in Zukunfteine dynamische Beurteilung von Ventilations-Perfusi-ons-Mismatching am Patientenbett ermöglichen [17].

    Bei Kindern jenseits der Neugeborenenperiode konntewährend einer geplanten Intubation gezeigt werden,dass mittels EIT eine Tubusfehllage bestimmt werdenkann. Einseitige Ventilation bei Tubuslage in einemHauptbronchus, sowie eine ösophageale Tubuslagewurden erkannt [18]. Die Möglichkeit, rezidivierendstrahlungsfrei die korrekte Tubuslage zu kontrollieren,könnte grade bei den Neugeborenen von großem Vor-teil sein, bei denen wenige Zentimeter Verschiebung zueiner Extubation oder einer Fehllage führen können.

    Eine Forschungsgruppe konnte in einem Fallbericht dasPotenzial der Impedanztomografie zur Bronchospas-muserkennung bei einem beatmeten 16 Monate altenKind zeigen [19].

    EIT-Parameter zur Beurteilung der Beatmungs-situation

    Aktuell werden von unterschiedlichen Forschungs-gruppen und Geräteherstellern viele verschiedene EIT-Parameter zur Darstellung der Beatmungssituation ein-gesetzt. Im Idealfall sollte ein derartiger Parameteroder eine bildliche Darstellung in der Praxis auf einen

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    Blick anzeigen, ob die Lunge überdehnt, atelektatischoder ideal belüftet ist.

    Für die Darstellung der regionalen Compliance werdenzusätzlich zur Impedanzänderung auch die vom Beat-mungsgerät übertragenen Atemwegsdrücke benötigt:

    „Win/Loss“

    Der Index „win/loss“ zeigt beispielsweise farblich undnumerisch die Areale an, welche sich seit der letztenReferenzmessung verändert haben. „Win“ sind Areale,welche an Compliance gewonnen haben, „Loss“ sindAreale, welche an Compliance verloren haben.

    „Overdistension/Collapse“

    Beim Index „overdistension/collapse“ (OD/CL) werdennach einigen PEEP-Veränderungen retrospektiv über-dehnte und kollabierte Lungenareale angezeigt. Diesgeschieht vereinfacht nach folgendem Prinzip: Für je-des Pixel im Bild wird die PEEP-Stufe mit der bestenCompliance ermittelt. Areale, welche gut rekrutiertwaren und bei höheren PEEP-Stufen dann eine geringe-re regionale Compliance aufweisen, sind überdehnt.Areale, welche bei niedrigeren PEEP-Stufen eine gerin-gere regionale Compliance zeigen, sind kollabiert.

    „Center of Ventilation“

    Beim sogenannten „Center of Ventilation“ (CoV) wirdentlang der ventrodorsalen Achse die waagerechte Li-nie ermittelt, bei der ebenso viele regionale Tidalvolu-mina ventral wie dorsal vorkommen. Ist die Lunge per-fekt homogen belüftet, liegt diese Linie genau in derMitte des EIT-Bildes. Ist die untere Hälfte der Lungekomplett atelektatisch, liegt die Linie in der Mitte deroberen Hälfte.

    „Regional Ventilation Delay“

    Beim „regional Ventilation Delay Index“ (RVD) werden inder Inspiration die Phasenverschiebungen beschrieben;so sollten sich atelektatische Lungenareale in der Inspi-ration später öffnen als bereits rekrutierte.

    Sonstige Parameter

    Weitere eingesetzte EIT-Parameter die z. B. die Inho-mogenität der Ventilation beschreiben sind▪ der „Global Inhomogeneity Index“ (GI) oder▪ der „Coefficient of Variation“ (CV).

    Verfügbare GeräteDerzeit sind verschiedene EIT-Geräte auf dem Markt.Die Technologie der Impedanzmessung ist im Prinzipvergleichbar. Dennoch haben die Geräte unterschiedli-che Rekonstruktionsalgorithmen und z. T. auch schonSoftwarefunktionen, welche eine aktive Beatmungs-steuerung, wie z. B. eine PEEP-Titration ermöglichen.

    Verfügbare EIT-Geräte sind

    ▪ Pulmovista 500 (Dräger Medical, Lübeck, Deutsch-land),

    ▪ Enlight (Dixtal, Sao Paolo, Brasilien),▪ Goe MF-II (Carefusion, Hochberg, Germany) sowie▪ Swisstom BB2 (Swisstom Landquart, Schweiz).

    Limitationen bei der Anwendung in der Neonatologiewaren bislang die verfügbaren EIT-Gürtel, welche zugroß und sperrig waren. Verschiedene Firmen habenmittlerweile auch EIT-Gürtel auf den Markt gebracht,welche einen Einsatz in der Neonatologie zulassen. Inder CRADL-Studie kommt beispielsweise ein textilerGürtel (Swisstom) zum Einsatz, in den 32 Elektrodeneingearbeitet sind und welcher sich mittels Klettver-schluss relativ einfach am Neugeborenen befestigenlässt. Die Firma Dräger bietet bislang Gürtel in den Grö-ßen von 36cm bis 150 cm Thoraxumfang an (▶Abb. 6).Das Unternehmen Dixtal stellt ebenfalls Gürtel für neo-natale Patienten zur Verfügung.

    Limitationen und AusblickAktuelle Limitationen der elektrischen Impedanztomo-grafie, speziell in der Pädiatrie und Neonatologie, sindnach wie vor fehlende kommerziell erhältliche neona-tale EIT-Gürtel. Auch die Bildrekonstruktionsalgorith-men sollten speziell auf diese Patientenpopulation an-gepasst werden. Zudem werden derzeit diverse EIT-Parameter in Studien für die Beurteilung der Ventilati-on herangezogen.

    MerkeUm die Technologie im praktischen klinischen Einsatzbreiter zugänglich zu machen, werden für die ver-schiedenen Einsatzmöglichkeiten standardisierteInterpretationsschemata benötigt.

    ▶Abb. 6 EIT-Gürtel Größe S von Firma Dräger am Patien-ten.

    CME-Fortbildung

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    Diese sollten in der klinischen Anwendung auch außer-halb von Forschungsgruppen einfach anwendbar sein.So werden z. B. Algorithmen für eine PEEP-Titrationoder eine Beurteilung von Lageveränderungen mittelsEIT benötigt. Diese müssen dann in größeren klini-schen Studien validiert werden. Das Weiteren musssich zeigen, ob diese Methoden einer individuellerenBeatmung das Patienten-Outcome verbessern können.

    FAZIT

    Die aktuelle Studienlage weist darauf hin, dassindividuelle Beatmung lungenprotektiver seienkönnte und dass grade bei Erkrankungen mitinhomogener Belüftung wie dem (A)RDS durchregionale Bildgebung wichtige Informationengewonnen werden können.

    FALLBEISPIEL

    Fall 3: Pneumothorax beim FrühgeborenenAufgrund eines Atemnotsyndroms (RDS) wird einweibliches Frühgeborenes der 34. Schwanger-schaftswoche auf eine neonatologische Intensivsta-tion aufgenommen. Die benötigte Atemunterstüt-zung erfolgt nichtinvasiv, mittels continous positiveAirway Pressure (CPAP). Im Alter von 18 Stundenwird das Mädchen in eine EIT-Observationsstudieeingeschlossen, und eine kontinuierliche EIT-Mes-sung wird gestartet. Nach einer klinischen Ver-schlechterung im Tagesverlauf wird mittels Rönt-genthorax die Diagnose eines linksseitigen Pneu-mothorax gestellt.Bereits 3 Stunden vor Diagnosestellung und 1,5Stunden vor der deutlichen klinischen Verschlechte-rung zeigen sich erste Veränderungen der EIT-Para-meter. Die linksseitig erhöhte endexspiratorische

    Lungenimpedanz zeigt den erhöhten Luftgehalt deslinken Hemithorax, während die sich verschlech-ternde Ventilation zu linksseitig niedrigeren tidalenImpedanzänderungen führt. Vermutlich aufgrunddes mediastinalen Shifts ist die end-exspiratorischeLungenimpedanz auf der Gegenseite verringert.

    KommentarDer Fall beleuchtet die Möglichkeit, bei Frühgebore-nen mittels EIT Komplikationen wie einen Pneumo-thorax zu erkennen. Dies könnte bei kontinuierlichenMessungen und regelmäßigen Auswertungen derDaten zu einer schnelleren Diagnose führen und so-mit helfen, solche potenziell lebensbedrohlichenKomplikationen bereits vor erheblicher klinischerVerschlechterung zu behandeln [15].

    KERNAUSSAGEN

    ▪ Die elektrische Impedanztomografie (EIT) er-mittelt durch die Einspeisung von Wechselströ-men und die Messung der Oberflächspannun-gen auf der Haut mithilfe eines Elektodengür-tels die Bioimpedanz und kann durch Rekon-struktionsalgorithmen ein funktionelles Quer-schnittsbild der Lunge erzeugen.

    ▪ Dadurch lassen sich nichtinvasiv, strahlungsfreiund in Echtzeit die Belüftungsveränderungen inder Lunge während der Beatmung darstellen.

    ▪ Atelektatische und überdehnte Bereiche kön-nen erkannt werden.

    ▪ Besonders Neu- und Frühgeborene könnten vondieser Technologie profitieren.

    ▪ Ziel einer EIT-gesteuerten Beatmung sollte einekontinuierliche Anpassung der Beatmungsdrü-cke sein, die eine Rekrutierung von atelektati-schen Lungenarealen erlaubt, ohne dauerhafteine Überdehnung hervorzurufen.

    ▪ Mittels EIT können Responder auf verschiedenetherapeutische Maßnahmen von Non-Respon-dern unterschieden werden und so die Beat-mung individueller gestaltet werden.

    ▪ Derzeit werden noch Interpretationsstandardsfür die verschiedenen Einsatzmöglichkeitenund die EIT-Parameter benötigt. Diese sollten ingrößeren Studien mit dem Endpunkt Patienten-Outcome validiert werden.

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    Schlüsselwörter

    Elektrische Impedanztomografie, ARDS, ALI, lungen-protektive Beatmung

    Interessenkonflikt

    Erklärung zu finanziellen Interessen

    Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwertenVorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Be-rater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein;Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner,Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein;Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner,Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein.

    Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen

    Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

    Autorinnen/Autoren

    Isabel Rosemeier

    Jahrgang 1990. 2010–2017 Studium der Hu-manmedizin an der Friedrich-Alexander-Uni-versität Erlangen-Nürnberg. Seit 2017 Assis-tenzärztin in Weiterbildung in der Abteilungfür Kinder- und Jugendmedizin am KlinikumTraunstein. Seit 2013 Promotion zum Thema

    EIT-gesteuerte Beatmung an der LMU München.

    Gerhard K. Wolf

    PD Dr. med. Jahrgang 1970. Studium LMUMünchen, Fellowship für Pediatric CriticalCare Medicine am Boston Children’s Hospital2003–2005, Oberarzt Division of Critical CareMedicine Boston 2006–2012. Assistant Pro-fessor der Harvard Medical School 2009–

    2012, Habilitation 2014 an der LMU München. Seit 2013Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, KlinikumTraunstein. Schwerpunkte: Neonatologie und pädiatrischeIntensivmedizin.

    Korrespondenzadresse

    PD Dr. med. Gerhard WolfKinderklinik TraunsteinAkad. Lehrkrankenhaus der LMU MünchenKliniken Südostbayern AGCuno-Niggl-Straße 383278 TraunsteinE-Mail: [email protected]

    Wissenschaftlich verantwortlich gemäßZertifizierungsbestimmungen

    Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs-bestimmungen für diesen Beitrag ist PD Dr. med. GerhardWolf, Traunstein.

    Literatur

    [1] The Acute Respiratory Distress Syndrome Network. BrowerRG, Matthay MA et al. Ventilation with lower tidal volumesas compared with traditional tidal volumes for acute lunginjury and the acute respiratory distress syndrome. N Engl JMed 2000; 342: 1301–1308

    [2] Amato MB, Meade MO, Slutsky AS et al. Driving pressureand survival in the acute respiratory distress syndrome.N Engl J Med 2015; 372: 747–755

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    [12] Miedema M, de Jongh FH, Frerichs I et al. Changes in lungvolume and ventilation during surfactant treatment in ven-tilated preterm infants. Am J Respir Crit Care Med 2011;184: 100–105

    [13] Rossi FdeS, Yagui AC, Haddad LB et al. Electrical impedancetomography to evaluate air distribution prior to extubationin very-low-birth-weight infants: a feasibility study. Clinics(Sao Paulo) 2013; 68: 345–350

    [14] Bhatia R, Davis PG, Tingay DG. Regional volume characte-ristics of the preterm infant receiving first intention conti-nuous positive airway pressure. J Pediatr 2017; 187: 80–88e82

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    CME-Fortbildung

    74 Rosemeier Isabel et al. Elektrische Impedanztomografie… Neonatologie Scan 2020; 09: 65–77

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    [16] van der Burg PS, Miedema M, de Jongh FH et al. Unilateralatelectasis in a preterm infant monitored with electricalimpedance tomography: a case report. Eur J Pediatr 2014;173: 1715–1717

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    [18] Steinmann D, Engehausen M, Stiller B et al. Electrical impe-dance tomography for verification of correct endotrachealtube placement in paediatric patients: a feasibility study.Acta Anaesthesiol Scand 2013; 57: 881–887

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    Bibliografie

    DOI https://doi.org/10.1055/a-0747-9421Neonatologie Scan 2020; 09: 65–77© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 2194-5462

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    Diese Fortbildungseinheit ist in der Regel 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar.Den genauen Einsendeschluss finden Sie unter https://cme.thieme.de.Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter https://cme.thieme.de/hilfeeine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantwortender Fragen!

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    VNR 2760512020158722070

    Frage 1

    Auf welchem Prinzip beruht die elektrische Thorax-Impedanz-tomografie zur Anwendung bei beatmeten Neugeborenen?

    A Bioimpedanzmessungen der HautB Änderungen der Hounsfield-Einheiten im ThoraxC Bioimpedanzmessungen der LungeD Röntgenimpedanzmessungen des ThoraxE Widerstandmessungen im Beatmungskreislauf

    Frage 2

    Wie viele Elektroden werden bei der elektrischen Impedanz-tomografie in der Regel um den Brustkorb angebracht?

    A 3B 6C 12–14D 16–32E 64

    Frage 3

    Welches der folgenden Thoraxphänomene lässt sich nichtmittels elektrischer Impedanztomografie (EIT) abbilden?

    A AtelektasenB ÜberdehnungC kardiale und pulmonale PerfusionsänderungenD normal belüftete LungenarealeE Knochenfrakturen

    Frage 4

    Eine der folgenden Aussagen zur evidenzbasierten Beatmungs-forschung ist falsch. Welche?

    A 6ml/kgKG Tidalvolumina sind lungenprotektiver als12ml/kgKG Tidalvolumina.

    B Hoher PEEP ist in jedem Fall lungenprotektiv gegenüberniedrigem PEEP.

    C Liberales Flüssigkeitsregime verschlechtert das Outcome.D Prone Positioning ist nur in ausgewählten Patienten lun-

    genprotektiv.E Hohe Δp (hohe Differenzdrücke=Driving Pressures) ver-

    schlechtern das Outcome im ARDS (= acute respiratory Dis-tress Syndrome).

    Frage 5

    Wodurch ist die Technologie der elektrischen Impedanztomo-grafie (EIT) gekennzeichnet?

    A Bildrekonstruktionsalgorithmen sind unabhängig vomAlter bzw. der Größe der Patienten universell gültig.

    B Die auf dem Markt verfügbaren Geräte arbeiten mit unter-schiedlichen Funktionsprinzipien.

    C Die EIT-Beatmung hat durch die Methoden einer individu-elleren Beatmung das Patienten-Outcome signifikantverbessern können.

    D Aufgrund der Strahlungsfreiheit bietet die EIT-Technologiegerade für die pädiatrische und neonatologische Patientengroße Vorteile.

    E Die Geräte wurden ursprünglich für neonatologischePatienten entwickelt, so dass erst nach und nach eineGrößenanpassung für pädiatrische und erwachsene Patien-ten erfolgte.

    CME-Fortbildung | CME-Fragebogen

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    Punkte sammeln auf CME.thieme.de

    Fortsetzung ...

    Frage 6

    Welche Aussage über Studien zu EIT-gesteuerter Beatmung beiKindern ist falsch?

    A EIT-gesteuerte Beatmung ist prospektiv anwendbar.B Sie verbessert den Gasaustausch.C Sie verbessert die Lungenmechanik.D Sie führt zur Rekrutierung von Atelektasen.E Sie führt zu anhaltender Lungenüberdehnung aufgrund

    hohen PEEP.

    Frage 7

    Welche Aussage ist falsch? EIT-Parameter zur Beatmungs-steuerung sind …

    A Overdistension and Collapse (OD/CL)B “Win/Loss”C Center of Ventilation (Cov)D regional Ventilation Delay (RVD)E overall Ventilation Collapse

    Frage 8

    Welche Aussage über Studien zu regionalen Lungenverände-rungen in der EIT bei der schrittweisen Rekrutierung der Lungevon beatmeten Kindern mit ARDS ist falsch?

    A Recruitment ging immer mit vorübergehender Lungen-überdehnung einher.

    B Es gab Responder und Non-Responder.C Spitzendrücke von bis zu 50 cmH2O waren notwendig.D Ventrale Lungenabschnitte (im Querschnitt bei Patienten

    in Rückenlage) öffneten sich vor dorsalen Lungenabschnit-ten.

    E Hoher PEEP führte bei allen Patienten zur vollständigenRekrutierung.

    Frage 9

    Welche Aussage über regionale Lungen-Compliance beiKindern ist falsch?

    A Regionale Lungen-Compliance verhält sich wie die globaleLungen-Compliance.

    B Atelektasen finden sich in Rückenlage oft in dorsalen Lun-genbereichen.

    C Lungenüberdehnung findet sich in Rückenlage oft in ven-tralen Lungenbereichen.

    D Thoraxröntgenaufnahmen vermitteln oft einen ungenauenEindruck von Atelektasen.

    E Lungenüberdehnung und Atelektasen können bei inhomo-gener Lungenschädigung nebeneinander vorkommen.

    Frage 10

    Welche Aussage über das Thorax-EIT ist falsch?

    A Das Thorax-EIT kann zu lokalen Verbrennungen der Hautführen.

    B Der EIT-Gürtel kann lokale Druckstellen auf der Haut ver-ursachen.

    C Bei beatmeten Patienten sind oft zwei Personen notwen-dig, um den Gürtel sicher zu platzieren.

    D Messungen über 24 Stunden sind möglich.E Das Thorax-EIT von vielen Firmen ist CE-zertifiziert.

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