Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen...

6
Persönliche PDF-Datei für www.thieme.de Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver- wendung auf der privaten Homepage des Autors). Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen, dies gilt auch für soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen. Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Verlag und Copyright: Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

Transcript of Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen...

Page 1: Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo- gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen

Persönliche PDF-Datei für

www.thieme.de

Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver-wendung auf der privaten Homepage des Autors).Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung inRepositorien vorgesehen, dies gilt auch für sozialeund wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen.

Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag

Verlag und Copyright:

Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 1470469 StuttgartISSN

Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

Page 2: Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo- gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen

Reuss-Borst M, Lange U. Metabolische Knochenkrankheit: Osteomalazie. Akt Rheumatol

Übersichtsarbeit

AutorenMonika Reuss-Borst1, Uwe Lange2

Institute1 Facharztpraxis Rehabilitations- & Präventionszentrum, Bad Bocklet2 Rheumatologie, Klinische Immunologie, Physikalische Medizin und

Osteologie, Kerckhoff-Klinik, Universität Gießen, Bad Nauheim

SchlüsselwörterOsteomalazie, Rachitis, Vitamin-D, tumor-induzierte Osteomalazie (TIO)

Key wordsosteomalacia, rickets, vitamin D, tumour-induced osteomalacia (TIO)

BibliografieDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-118697 Online-Publikation: 2017 | Akt Rheumatol © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0341-051X

KorrespondenzadresseProf. Dr. med. Monika Reuss-BorstFacharztpraxis amRehabilitations- und PräventionszentrumFrankenstraße 3697708 Bad BockletTel.: + 49/9708/799 200, Fax: + 49/971/6994 878 [email protected]

Zusammenfassung

Die Osteomalazie ist eine seltene Erkrankung des Knochenstoffwechsels, die mit einer verminderten Knochenmineralisation einhergeht. Ursächlich sind meist ein Vitamin-D-Mangel oder eine Störung des Phosphatstoffwechsels (sog.

hypophosphatämische Osteomalazie). Leitsymptome der Osteomalazie sind dumpfe, lokalisierte oder auch generalisierte Knochenschmerzen, Muskel-schwäche und -krämpfe sowie eine gehäufte Sturzneigung. Differenzialdiag-nostisch müssen vor allem rheumatische Erkrankungen wie z. B. Polymyalgia rheumatica, rheumatoide Arthritis, Myositiden und Fibromyalgie-Syndrom ausgeschlossen werden. Im Labor sind eine Erhöhung der alkalischen Phospha-tase sowie ein erniedrigtes Serum-Phosphat und/oder 25-OH-Vitamin D3 für eine Osteomalazie wegweisend. Die Übergänge von einem Vitamin D-Mangel zur manifesten Osteomalazie sind fließend. In unklaren Fällen kann die Diag-nose einer Osteomalazie durch eine Knochenbiopsie aus dem Beckenkamm gesichert werden. Die Therapie umfasst im Wesentlichen die Gabe von Vitamin D und Calcium, bei Resorptionsproblemen ggf. auch parenteral. Bei Phosphat-verlust-Syndromen ist die Substitution von Phosphat meist Therapie der Wahl.

abstr act

Osteomalacia is a rare disorder of bone metabolism associated with reduced bone mineralisation. The most common causes of this disease are vitamin D deficiency and a disturbed phosphate metabolism (hypophosphataemic os-teomalacia). Leading symptoms include dull localised or generalised bone pain, muscle weakness and cramps as well as an increased tendency to fall. Rheuma-tic diseases such as polymyalgia rheumatica, rheumatoid arthritis, myositis or fibromyalgia must be considered as a differential diagnosis. Alkaline phospha-tase (AP) is typically elevated in osteomalacia, while serum phosphate and/or 25-OH vitamin D3 levels are reduced. There is just a fine line between vitamin D deficiency and manifest osteomalacia. In cases of doubt, the diagnosis of osteomalacia can be confirmed by iliac crest bone biopsy. Treatment strategies include supplementation of vitamin D and calcium, both of which may also be given parenterally in patients with intestinal malabsorption syndromes. In renal phosphate-wasting syndromes, substitution of phosphate is the treatment of choice.

EinführungDie Osteomalazie ist eine metabolische Knochenerkrankung, die mit einer verminderten Knochenmineralisation einhergeht. Ursache sind sowohl Störungen des Vitamin-D – als auch Phosphatstoffwechsels. Das der Osteomalazie entsprechende Krankheitsbild im Kindesalter ist die Rachitis, eine Erkrankung, die vor allem im 19. Jahrhundert in Industriestädten weit verbreitet war. Sie kommt heute in Deutsch-land aufgrund der routinemäßig durchgeführten Vitamin-D-Supple-mentation im Säuglingsalter praktisch nicht mehr vor.

Angesichts der in den letzten Jahren drastisch steigenden Zahl von (auch jugendlichen) Migranten aus Gebieten, in denen keine Vitamin D Versorgung sicher gestellt ist, könnte sie jedoch auch bei uns wieder an Bedeutung zunehmen [1]. Deshalb sollten die klinischen Symptome der Osteomalazie und Rachitis – es handelt sich überwiegend um rheumatische Beschwerden – bekannt sein. Bei unklaren muskulo-skelettalen Symptomen sollte vor allem bei Risikogruppen (ältere Menschen, Migranten) eine Osteomalazie/

Metabolische Knochenkrankheit: OsteomalazieMetabolic Bone Disease: Osteomalacia

Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo-gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen Fällen heilbar ist. Ziel dieses Artikels ist es, das Krankheits-bild der Osteomalazie wieder etwas in Erinnerung zu rufen, indem ein Überblick über Ursachen, Diagnostik und Therapie gegeben wird.

Ursachen der OsteomalazieBei der Osteomalazie wird die sog. Vitamin D-abhängige Form, der ein Mangel an Vitamin D bzw. seltener auch eine verminderte Vit-amin-D Wirkung zugrunde liegt, von der sog. hypophosphatämi-schen Osteomalazie unterschieden. Die klinischen Symptome sind in beiden Fällen meist unspezifisch und Folge der Hypocalcämie, der Hypovitaminosis D und der konsekutiv verminderten Minera-lisierung des Knochens.

Page 3: Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo- gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen

Reuss-Borst M, Lange U. Metabolische Knochenkrankheit: Osteomalazie. Akt Rheumatol

Übersichtsarbeit

Vitamin-D-MangelVitamin D3 (Cholecalciferol) und seine Vorstufen werden überwie-gend (bis zu 95 %) in der Haut unter dem Einfluss von UVB-Licht (280–320 nm) aus 7-Dehydrocholesterol (Provitamin D3) gebildet, zum geringeren Anteil mit der Nahrung aufgenommen. Hydroxylierun-gen in Position 25 in der Leber und 1-alpha in der Niere aktivieren Cholecalciferol zum D-Hormon Calcitriol (1,25 (OH)2 Vitamin D3), die biologisch aktive Form von Vitamin D, die an den Vitamin D–Re-zeptor (VDR) bindet und vielfältige (pleiotrope) Wirkungen an un-terschiedlichsten Organen zur Folge hat (▶abb. 1).

Was das muskuloskeletale System betrifft, so ist die Regulation der Calcium- und Phosphataufnahme im Dünndarm und der Rück-resorption in der Niere von entscheidender Bedeutung für den Kno-chenstoffwechsel.

Vitamin D hat daneben auch eine besondere Bedeutung für die Muskulatur. So führt ein Mangel an Vitamin D zu Muskelschwäche, Muskelschmerzen und Gangstörungen. Neben einer Vielzahl anderer Organe besitzt auch die Muskelzelle Vitamin-D-Rezeptoren und Vit-amin D ist für die Muskelfunktion sowie neuromuskuläre Koordina-tion von großer Bedeutung wie auch Supplementationsstudien mit Vitamin D (vor allem bei Älteren) zur Sturzprävention belegen [2, 3].

Geografischer Breitengrad, Jahres- und Tageszeit sowie Wetter-bedingungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die kutane Produktion von Vitamin D3. Vor allem von Oktober bis Mai ist die Sonneneinstrahlung ab einer geografischen Breite von 40 ° zu ge-ring für eine optimale Versorgung. Mangelnde Sonneneinstrahlung erklärt somit auch die Zunahme der weltweiten Inzidenz ab einer geografischen Breite von > 40 °. In unseren Breiten ist ungenügen-de Sonnenlicht-Exposition vor allem bei Migranten durch verhül-lende Kleidung ein wichtiger Risikofaktor [4]. Mangel an Sonnen-licht, unzureichende Zufuhr von Calcium, aber auch von Vitamin D (z. B. über Milchprodukte) sind beim älteren Menschen häufig. Mit zunehmender Hautalterung wird in der Haut weniger Vitamin D gebildet, was zusätzlich einen Vitamin-D-Mangel beim älteren Menschen begünstigt [5].

So weisen bis zu 55 % der allgemein-internistischen Patienten einen Vitamin-D-Mangel auf, bei bettlägerigen Patienten und älte-ren Heimbewohnern sind bis zu 80 % betroffen [6–9]. Auch wenn der optimale Vitamin D3 Spiegel noch immer kontrovers diskutiert wird, so besteht zwischenzeitlich weitgehend Konsens, dass bei einem 25(OH) Vitamin-D-Spiegel < 20 ng/ml (50 nmol/l) ein Vitamin-D-Mangel vorliegt. Der Übergang von einem (noch asymptomatischen) Vitamin-D-Mangel zu einer manifesten Osteomalazie ist fließend. In einer großen deutschen Autopsie-Studie klinisch knochengesunder

Verstorbener ließen sich bei ca. 25 % der Untersuchten pathologisch erhöhte Anteile von nicht-mineralisiertem Knochengewebe nach-weisen, die mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln assoziiert waren [10]. Genaue Daten zur Prävalenz einer klinisch manifesten Osteomalazie liegen bislang für Deutschland nicht vor.

Weitere (seltene) Ursachen, die ebenfalls zu einem Vitamin-D-Mangel führen können sind in ▶tab. 1 aufgeführt. Neben Malab-sorptions-Syndromen sei hier insbesondere auf die nicht nur in der Rheumatologie häufig eingesetzten Steroide sowie auch auf Me-dikamente zur Therapie der HIV-Infektion hingewiesen, die den Abbau von 25(OH)-Vitamin D3 und 1,25(OH)2 Vitamin D3 fördern und damit einen Vitamin-D-Mangel durch gesteigerten Abbau be-günstigen [11].

Hereditäre Störungen des Vitamin D-StoffwechselsErbliche Formen einer Osteomalazie/Rachitis sind selten. Dem Krankheitsbild der hereditären „Pseudo-Vitamin-D-Mangel-Rachi-tis“ liegen ein 1-alpha-Hydroxylase-Defekt in der Niere mit fehlen-der bzw. nur geringer Bildung von 1,25-OH-Vitamin D bzw. ein De-fekt des Vitamin-D-Rezeptors (Vitamin-D-Resistenz) zugrunde. Bei beiden Rachitis-Formen treten bereits in früher Kindheit Hypo-kalzämie und eine schwere Rachitis auf.

Tumorinduzierte Osteomalazie (TIO) Synonym: Onkogene OsteomalazieBei der tumorinduzierten Osteomalazie handelt es sich um ein sel-tenes paraneoplastisches Syndrom, bei dem vom Tumor sog. Phos-phatonine gebildet werden. Diese regulieren im Gegensatz zu Pa-rathormon (PTH) oder Calcitriol primär den Phosphathaushalt. Phosphatonine hemmen die renale Phosphatrückresorption und die 1-alpha-Hydroxylase in der Niere (und damit die Aktivierung des D-Hormons). Patienten mit diesem seltenen paraneoplasti-schen Syndrom bilden meist Fibroblast-Growth-Factor-23 (FGF-23). In der Niere bindet es an spezielle FGF-Rezeptoren. Diese Bin-dung wird durch den dort ebenfalls vorhandenen Co-Rezeptor Klotho verstärkt [12]. Aber auch andere Faktoren z. B. FGF-7 (Fib-roblast Growth Factor 7), MEPE (Matrix Extracellular Phospho-Gly-coprotein) oder sFRP-4 (Secreted-Frizzled-Related Protein 4) kön-nen von den Tumorzellen sezerniert werden und führen alle in der

▶abb. 1 Vitamin-D-Stoffwechsel (verein-facht).

Page 4: Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo- gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen

Reuss-Borst M, Lange U. Metabolische Knochenkrankheit: Osteomalazie. Akt Rheumatol

Niere zu einer Herunterregulierung der Phosphattransporter und damit vermehrten Ausscheidung von Phosphat („Phosphate Was-ting“).

Die Produktion der Phosphatonine erfolgt sehr häufig in gutar-tigen, schwer zu detektierenden und meist langsam wachsenden Mischtumoren verschiedenster Entitäten, oft im Kopf-/Halsbereich. Am häufigsten wurden sie bislang in mesenchymalen Tumoren (z. B. Hämangiopericytomen) nachgewiesen. Aber auch bei häma-tologischen Systemerkrankungen wie Non-Hodgkin-Lymphomen [13] sowie malignen soliden Tumoren wurde in seltenen Fällen eine tumorinduzierte Osteomalazie beschrieben. Die konsequente, in-tensive Tumorsuche und Tumorentfernung bzw. Systemtherapie der Grunderkrankung hat oft eine Heilung zur Folge [14, 15].

Genetisch-bedingte Hypophosphatämi-sche OsteomalazienDie häufigste der insgesamt seltenen, angeborenen Formen ist die X-gebundene hypophosphatämische Rachitis (XLHR), verursacht durch eine aktivierende Mutation im PHEX-(Phosphate regulating endopeptidase homolog, x-linked) Gen, welche eine erhöhte FGF-23 (Fibroblast-Growth-Factor 23) Produktion im Knochen bewirkt. Das in den Osteoblasten gebildete FGF-23 ist der wichtigste Regu-lator des Phosphatstoffwechsels. Hohe FGF23-Spiegel im Serum bedingen bei Betroffenen eine Hypophosphatämie, Hyperphos-phaturie („Phosphat-Diabetes“) und ein niedriges Calcitriol.

Ebenfalls durch FGF23-Überschuss gekennzeichnete angebore-ne Formen sind:

Autosomal-dominante-hereditäre Rachitis (ADHR), ursächlich ist hier eine aktivierende Mutation im FGF23-Gen. Diese Form kann auch erst im Erwachsenenalter auftreten.

Autosomal-rezessive-hereditäre Rachitis (ARHR): Hier sind der-zeit Mutationen in 2 Genen bekannt: jeweils aktivierende im DMP-1 (dentin matrix acidic phophoprotein 1) und ENPP1-(ectonucleotide pyrophosphatase/phosphodiesterase) Gen.

DiagnostikKlinische SymptomeLokalisierte Knochenschmerzen, die bevorzugt in der Wirbelsäule, dem Rippenbogen, Becken- und Schultergürtel auftreten, aber auch generalisierte (dumpfe) Knochenschmerzen sind häufige Symptome. Sie sollten von chronischen Schmerz-Syndromen (z. B. dem Fibromyalgie-Syndrom) abgegrenzt werden. Polyarthralgien und Synovitiden der Gelenke sowie eine (oft) proximal lokalisierte Muskelschwäche lassen primär an eine entzündlich-rheumatische Erkrankung wie z. B. eine Polymyositis denken, treten aber typi-scherweise auch bei der Osteomalazie auf. Gesteigerte Sturznei-gung und Frakturen sowie Muskelkrämpfe, Tetanien und zentral-nervöse Symptome wie Absencen – letztere als Folge einer Hypo-calcämie – können ebenfalls Ausdruck einer Osteomalazie sein. Bei der klinischen Untersuchung sollte ein durch moderaten Druck aus-gelöster Schmerz am Sternum und der anterioren Tibia an eine Os-teomalazie denken lassen. Dieser Schmerz tritt auch auf, wenn noch keine Fraktur aufgetreten ist.

Die Differenzialdiagnose dieser vielfältigen Beschwerden um-fasst somit eine Reihe von rheumatischen und anderen z. B. onko-logischen Erkrankungen (▶tab. 2). Dabei kann eine Osteomalazie auch in Assoziation mit rheumatischen Erkrankungen (Skleroder-mie, rheumatoide Arthritis, Spondylitis ankylosans) auftreten [16].

LaborDer wegweisende Laborbefund bei der Osteomalazie ist die Erhö-hung der alkalischen Phosphatase (AP), insbesondere der Knochen-AP (Ostase). Bei hypophosphatämischen Formen findet sich immer ein verminderter Serumphosphatspiegel (bei durch Vitamin-D-Man-

▶tab. 1 Ursachen der Osteomalazie.

Vitamin D-abhängig

● Mangel an Sonnenlicht (z. B. bei älteren Menschen, Migranten)● Unzureichende Zufuhr von Calcium und Vitamin D mit der Nahrung● Malabsorption– Zöliakie (Sprue)– Operationen: Gastrektomie, Bariatrische Operation, Dünndarmresek-

tion– Morbus Crohn– Lambliasis– Amyloidose● Malassimilations-Syndrome– Chronische Pankreatitis● Interaktion mit Medikamenten– Antikonvulsiva– HIV-Medikamente– Rifampicin– Orlistat– Barbiturate– Fumarsäure● Reduzierte D-Hormonaktivierung (1α-Hydroxylierung)– chronische Niereninsuffizienz– Ketokonazol– Vitamin D abhängige Rachitis Typ I (VDDR-I) (Mutation der

1α-Hydroxylase)● Zielorgan-Resistenz– Vitamin D-abhängige Rachitis Typ II (VDDR II) (Vit D-Rezeptor-Muta-

tion)– Phenytoin

Phosphatverlust-syndrome

● Erblich (x-chromosomal, autosomal)● Onkogene Osteomalazie● Virostatika (z. B. zur Therapie der Hepatitis C)● Antazida (Phosphatbinder)

renale tubulopathien

● Fanconi-Syndrom● Renal-tubuläre Azidose

Primäre mineralisationsdefekte

● Hypophosphatasie● Medikamente: Fluor, Etidronat

Page 5: Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo- gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen

Reuss-Borst M, Lange U. Metabolische Knochenkrankheit: Osteomalazie. Akt Rheumatol

Übersichtsarbeit

gel bedingter Osteomalazie nur in 15 % [17]. Nach den Bingham und Fitzpatrick-Kriterien [18] kann von einer Osteomalazie ausgegangen werden, wenn mind. 2 der folgenden Befunde vorliegen: niedriges Serum-Calcium, niedriges Serum-Phosphat, erhöhte AP und/oder typische radiologische Befunde. Die Labordiagnostik wird durch die Bestimmung des Parathormons komplettiert. Die Messung des in-takten Parathormons im Serum und Diagnose eines sekundären Hy-perparathyreoidismus (HPT) als Folge des Vitamin-D-Mangels lässt Rückschlüsse über die Dauer und Schwere der Osteomalazie und skelettale Auswirkungen (Stimulierung des Knochenabbaus) zu. Der sekundäre HPT führt zu einer Steigerung der tubulären Rückresorp-tion von Calcium und verminderten Rückresorption von Phosphat. Die Phosphatspiegel können deshalb erniedrigt sein, da auch weni-ger Phosphat gastrointestinal resorbiert wird.

Um die beiden Formen Vitamin-D-Mangel und hypophosphatä-mische Osteomalazie voneinander zu differenzieren, kann eine Be-stimmung von Calcium (Hypocalciurie < 50 mg/d) und Phosphat (Hyperphosphaturie > 1 000 mg/d) im Urin hilfreich sein. Bei einer sehr niedrigen AP sollte differenzialdiagnostisch an eine Hypophos-phatasie („Phosphatasemangelrachitis“), eine seltene erbliche Stö-rung des Knochenstoffwechsels gedacht werden, deren Ausprä-gung von einer nahezu 100 % letalen perinatalen Form bis zu sehr milden Erwachsenenformen reichen kann (▶tab. 3).

BildgebungIn der Skelett-Szintigrafie finden sich häufig Hinweise auf stattge-habte Frakturen bzw. Pseudofrakturen bei Patienten mit manifes-ter Osteomalazie. Radiologisch finden sich nicht selten (ca. 25 %) pathognomonische Veränderungen wie „Milchglasstrukturen“ und Loosersche Umbauzonen an multiplen Stellen des Skelettsystems (z. B. bevorzugt im Bereich des Tibiakopfes oder des Beckenrings) bis hin zu Ermüdungsfrakturen. 18F-FDG-PET/CT, 99mTc-Szintigra-fie und MRT sind moderne bildgebende Verfahren, die vor allem bei der Tumorsuche der tumor-induzierten Osteomalazie erfolg-reich zum Einsatz kommen können [19].

KnochenbiopsieDie Diagnose Osteomalazie kann durch eine Knochenbiopsie aus dem Beckenkamm gesichert werden. Histologisches Korrelat der manifesten Osteomalazie ist die mangelnde/fehlende Mineralisie-rung der durch Osteoblasten neu synthetisierten Extracellulärma-trix (Osteoidose; (▶abb. 2)).

TherapieFür die Prävention der Osteomalazie sind normalerweise 800– 1 000 IE Vitamin D täglich ausreichend [20]. Diese Prophylaxe soll-te vor allem bei Risikopatienten (z. B. ältere Menschen, Migranten) erfolgen, bei denen ein positiver Effekt einer Vitamin-D-Prophyla-xe gesichert ist. Eine generelle Vitamin-D-Prophylaxe auch bei ge-sunden Erwachsenen kann aufgrund der derzeitigen Datenlage nicht empfohlen werden.

Die Therapie der manifesten Osteomalazie umfasst die Zufuhr von ausreichend Calcium und Vitamin D, bei Resorptionsproble-men ggf. auch parenteral. Bei der oralen Substitution beträgt die Initialdosis 5 000–10 000 IE täglich, die Erhaltungsdosis 1 000–2 000 IE/d. Gleichzeitig muss auch eine Calcium-Supplemen-

▶tab. 2 Wichtigste Differenzialdiagnosen der Osteomalazie.

● Polymyalgia rheumatica (PMR)● Polymyositis● Rheumatoide Arthritis (RA)● Fibromyalgie-Syndrom (FMS)● DISH (Diffuse Idiopathische Skelettale Hyperostose)● Ossäre Metastasen● Plasmocytom (multiples Myelom)● Myeloproliferative Syndrome (MPS)● Systemische Mastozytose● Morbus Paget● Osteoporose

▶tab. 3 Mögliche Laborkonstellationen bei Osteomalazie.

Vitamin-D-mangel Hypophosphatämische Osteomalazie

erhöht:

Alkalische Phosphatase (AP) Alkalische Phosphatase

Parathormon (PTH) FGF23

Phosphat im Urin

erniedrigt:

Serum-Calcium Serum-Phosphat

25-OH-Vitamin D3

FGF23

Calcium im Urin

Im normbereich:

CRP CRP

BSG BSG

CK CK

Differenzial-Blutbild Differenzial-Blutbild

Kreatinin (GFR) Kreatinin (GFR)

▶abb. 2 Typischer histologischer Befund einer Osteomalazie mit breitem Osteoidsaum; Masson-Goldner-Färbung, 200-fach vergrö-ßert (Bild: Gabriele Lehmann, Universitätsklinikum Jena).

Page 6: Persönliche PDF-Datei für(2017... · Rachitis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezo- gen werden, zumal dieses Krankheitsbild meist gut zu therapieren, in vielen

Reuss-Borst M, Lange U. Metabolische Knochenkrankheit: Osteomalazie. Akt Rheumatol

tation von täglich 1 000–1 500 mg erfolgen. Bei starken Beschwer-den (z. B. diffusen Knochenschmerzen) kann zu Beginn auch eine Behandlung mit dem aktiven Vitamin-D-Hormon (Calcitriol) in einer Dosierung von 0,25–0,5 μg/d eingesetzt werden. Dies ist auch der Fall, wenn eine fehlende Aktivierung des D-Hormons ursäch-lich für die Osteomalazie ist. Liegt dem Vitamin-D-Mangel ein Mal-absorptions-Syndrom zugrunde, ist die Therapie der Grunderkran-kung entscheidend und es sollte primär eine parenterale Substitu-tion mit 300,000IE Vitamin D i.m. erfolgen mit Wiederholung in 6–12 monatigen Abständen zur Erhaltung des Therapieresultates. Die Symptome der Hypokalzämie und der Myopathie sistieren unter adäquater Therapie innerhalb weniger Wochen, die Besse-rung der Knochenschmerzen kann länger dauern. Die Serumwerte für Calcium und Phosphat normalisieren sich üblicherweise in ein paar Wochen. Die alkalische Phosphatase kann zu Beginn der The-rapie noch steigen, normalisiert sich aber in 3–6 Monaten.

Phosphatverlust-Syndrome werden durch Phosphatsubstitu tion in einer Dosis von 1–3 g/d (aufgeteilt in 3–4 Dosen über den Tag) behandelt. Häufig ist die gleichzeitige Gabe von D-Hormon (Calci-triol 0,5–2 ug/d) sinnvoll, um die Phosphataufnahme im Darm zu-sätzlich zu steigern. Bei paraneoplastischen Syndromen ist die voll-ständige Entfernung des zugrundeliegenden Tumors fast immer kurativ. Ist die operative Entfernung des Tumors nicht bzw. nicht vollständig möglich, sprechen manche Tumoren auch auf die Gabe von Octreotid [21] an, was den Phosphatbedarf senken kann.

Vitamin-D IntoxikationEine Überdosierung von Vitamin D ( > 400 nmol/l) kann zur vermehr-ten Calcium-Absorption aus dem Darm und Knochen und damit einer Hypercalcämie und auch Hypercalciurie führen. Sie ist nur möglich durch excessive Zufuhr von Supplementen, nicht durch übliche Le-bensmittel oder UVB-Strahlung. Die Folgen sind eine Nephrocalci-nose, Nepholithiasis, Osteoporose sowie Kalkablagerungen in Weich-teilen. Klinische Symptome sind Erbrechen. Übelkeit, Bauchkrämp-fe, Bluthochdruck sowie Myalgien. Damit eine chronische Überdosierung auftreten kann, ist die längerfristige Einnahme von > 40 000 IE Vitamin D tgl. über mehrere Monate notwendig.

FazitDie Osteomalazie ist eine generalisierte Stoffwechselstörung des Kno-chens, der entweder ein Vitamin D oder Phosphat-Mangel zugrunde liegt. Da sie sich mit unspezifischen muskulo-skelettalen Beschwer-den manifestiert, sollte sie in die differenzialdiagnostischen Überle-gungen regelmäßig einbezogen werden. Wegweisend ist meist ein erhöhter Wert der alkalischen Phosphatase. Die Therapie der Erkran-kung umfasst in erster Linie die Gabe von Vitamin D und Calcium, bei der tumorinduzierten Osteomalazie neben der Phosphatsupplemen-tation vor allem die Behandlung der Grunderkrankung.

Interessenkonflikt

Nein.

Literatur

[1] Högler W, Munns CF. Rickets and osteomalacia: a call for action to protect immigrants and ethnic risk groups. Lancet Glob Health 2016; 4: e229–e230

[2] Bischoff-Ferrari HA, Dawson-Hughes B, Staehelin HB et al. Fall prevention with supplemental and active forms of vitamin D: A meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 2009; 339: b3692

[3] Bischoff-Ferrari HA. Relevance of vitamin D in muscle health. Rev Endocr Metab Disord 2012; 13: 71–77

[4] Erkal MZ, Wilde J, Bilgin Y et al. High prevalence of vitamin D deficiency, secondary hyperparathyroidism and generalized bone pain in Turkish immigrants in Germany: identification of risk factors. Osteoporosis Int 2006; 17: 1133–1140

[5] MacLaughlin J, Holick MF. Aging decreases the capacity of human skin to produce vitamin D3. J Clin Invest 1985; 76: 1536–1538

[6] Chapuy MC, Preziosi P, Maamer M et al. Prevalence of vitamin D insufficiency in an adult normal population. Osteoporosis Int 1997; 7: 439–443

[7] Lips P. Vitamin D deficiency and secondary hyperparathyreoidism in the elderly: consequences for bone loss and fractures and therapeutic implications. Endocr Rev 2001; 22: 477–501

[8] Holick MF. Vitamin D Deficiency. N Engl J Med 2007; 357: 266–281

[9] Schilling S. Epidemic vitamin D deficiency among patients in an elderly care rehabilitation facility. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 33–38

[10] Priemel M, von Domarus C, Klatte O et al. Bone mineralization defects and vitamin D deficiency: histomorphologic analysis of iliac crest bone biopsies and circulating 25-hydroxyvitamin D in 675 patients. J Bone Miner Res 2010; 25: 305–312

[11] Pinzone MR, DiRosa M, Malaguarnera M et al. Vitamin D deficiency in HIV infection: an underestimated and undertreated epidemic. Eur Rev Med Pharmacol Sci 2013; 17: 1218–1232

[12] Erben RG, Andrukhova O. FGF-23-Klotho signaling axis in the kidney. Bone 2016; DOI:10.1016/j.bone.2016.09.010

[13] Elderman JH, Wabbijn M, de Jongh F. Hypophosphataemia due to FGF-23 producing B cell non-Hodgkin’s lymphoma. BMJ Case Rep 2016; DOI:10.1136/bcr-2015-213954

[14] Jan De Beur SM. Tumor-induced Osteomalacia. JAMA 2005; 294: 1260–1267

[15] Dadoniene J, Miglinas M, Miltiniene D et al. Tumour-induced osteomalacia: a literature review and a case report. World J Surg Oncol 2016; 14: 4

[16] Reginato AJ, Falasca GF, Pappu R et al. Musculoskeletal manifestations of osteomalacia: report of 26 cases and literature review. Semin Arthritis Rheum 1999; 28: 287–304

[17] Gifre L, Peris P, Monegal A et al. Osteomalacia revisited. Clin Rheumatol 2011; 30: 639–645

[18] Bingham CT, Fitzpatrick LA. Noninvasive testing in the diagnosis of osteomalacia. Am J Med 1993; 95: 519–523

[19] Yu WJ, He JW, Fu WZ et al. Reports of 17 Chinese patients with tumor-induced osteomalacia. J Bone Miner Metab 2016 ;DOI: 10.1007/s00774-016-0756-9

[20] Wacker M, Holick F. Vitamin D – Effects on Skeletal and Extraskeletal Health and the Need for Supplementation. Nutrients 2013; 5: 111–148

[21] Seufert J, Ebert K, Müller J et al. Octreotide therapy for tumour-indu-ced osteomalacia. N Engl J Med 2001; 345: 1883–1888