Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus ... · Teil sehr kontrovers diskutiert...

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Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte Studie im Auftrag der INFRA Project Development GmbH Endbericht DI Dr. Jürgen Neubarth e3 consult OG Andreas-Hofer-Straße 28a 6020 Innsbruck Tel. +43 (0)512 908892 E-Mail [email protected] www.e3-consult.at

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Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht

unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte

Studie im Auftrag der INFRA Project Development GmbH

Endbericht

DI Dr. Jürgen Neubarth e3 consult OG Andreas-Hofer-Straße 28a 6020 Innsbruck

Tel. +43 (0)512 908892 E-Mail [email protected] www.e3-consult.at

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung .................................................................................................................... 1  

1   Hintergrund und Zielsetzung ............................................................................................. 3  

2   Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel ........................ 4  2.1   Die Erneuerbaren-Ziele der europäischen Energiepolitik bis 2050 .............................. 4  2.2   Herausforderung System- und Marktintegration ........................................................... 5  2.3   Beitrag von Speicherkraftwerken zur Integration Erneuerbarer ................................... 8  

3   Marktumfeld für Wasserkraftprojekte ........................................................................... 13  3.1   Aktuelle Entwicklung Strom- und Regelenergiemarkt ............................................... 13  3.2   Ausblick 2020/2030 .................................................................................................... 19  

4   Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel ....................................................... 23  4.1   Ein Blick zurück: Ex-post Analyse Strommarkt 2004 - 2011 ..................................... 23  4.2   Chancen und Risiken im Kontext Energiewende 2050 ............................................... 27  4.3   Zusammenführung der Ergebnisse .............................................................................. 32  

5   Literatur ............................................................................................................................. 34  

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:   Entwicklung des Bruttostromverbrauchs und Beitrags erneuerbarer Energien

in der EU 27 bis 2050 ................................................................................................ 4  

Abb. 2:   Schwankungen der Wind- und PV-Stromerzeugung in Deutschland ........................ 6  

Abb. 3:   Systemtechnische Möglichkeiten zur Integration erneuerbarer Energien .................. 7  

Abb. 4:   Qualitative Erzeugungseigenschaften von Speicher- und Laufwasserkraft im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung ......................... 9  

Abb. 5:   Stromgestehungskosten für Stromerzeugungsanlagen in Österreich ....................... 10  

Abb. 6:   Bandbreite der arbeitsbezogenen Investitionskosten unterschiedlicher Speichertechnologien als Stundenspeicher .............................................................. 11  

Abb. 7:   Grundprinzip der Preisbildung im Strommarkt ........................................................ 14  

Abb. 8:   EEX/EPEX-Spotmarktpreise und EEX-Forwardnotierungen für Deutschland/Österreich ............................................................................................ 15  

Abb. 9:   EPEX-Spotpreise für das Marktgebiet Deutschland/Österreich sowie Wind- und PV-Stromerzeugung in Deutschland vom 18. - 24. Juni 2012 ......................... 16  

Abb. 10:   EEX Phelix Baseload Year Futures für 2013 .......................................................... 17  

Abb. 11:   Schematischer Ansatz zur Bewertung von Speicher- und Pumpspeicher-kraftwerken am Strom- und Systemdienstleistungsmarkt ....................................... 17  

Abb. 12:   Mittlere tägliche Leistungspreise im deutschen Regelenergiemarkt, Jänner 2009 bis September 2011 ............................................................................. 18  

Abb. 13:   Prognose der Strompreise (Großhandelspreis) in verschiedenen Studien bis 2030 sowie EEX Baseload Year Future bis 2018 .............................................. 19  

Abb. 14:   Mittlerer Importpreis für Erdgas nach Europa WEO 2011 sowie NCG Future für Lieferung 2013 .................................................................................................. 20  

Abb. 15:   CO2-Zertifikatpreise in Europa ................................................................................ 21  

Abb. 16:   Stündliche EEX-Spotmarktpreise im Jahr 2011 sowie Mittelwert und Jahres-dauerlinie ................................................................................................................. 23  

Abb. 17:   Nutzbare Abflussmengen und optimierte Erzeugung KWOI im Stundenverlauf für 2008 und 2009 .................................................................................................... 25  

Abb. 18:   Nutzbarer Abfluss KWOI zwischen 18. und 26.6. in den Jahren 2007, 2008 und 2009 ......................................................................................................................... 26  

Abb. 19:   Erlöspotenziale des Kraftwerks Obere Isel im day ahead-EEX-Spotmarkt 2004 bis 2011 in Abhängigkeit unterschiedlicher Speichergrößen ........................................ 27  

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Abb. 20:   Modellierter Effekt erneuerbarer Energien auf die Volatilität der stündlichen Strompreise .............................................................................................................. 29  

Abb. 21:   EPEX-Spotmarkt Day Ahead und Intraday Spotmarktpreise .................................. 30  

Abb. 22:   Erlöspotenziale des Kraftwerks Obere Isel zwischen 2020 und 2030 ..................... 32  

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:  Ergebnisse Einsatzoptimierung KWOI im EEX-Spotmarkt 2004 - 2011 ............... 25  

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Zusammenfassung 1

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Zusammenfassung

Die INFRA Project Development GmbH entwickelt und plant gemeinsam mit den Gemeinden Prägraten und Virgen das Wasserkraftwerk Obere Isel mit einer Engpassleistung von 46,5 MW, einer Jahreserzeugung von rd. 130 GWh/a sowie einen Tagesspeicher mit in Sum-me 200.000 m3 Speichervolumen. Zur Einbindung der Bevölkerung sowie als Plattform für eine öffentliche Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts wird der Pla-nungsprozess u. a. durch die sog. Iselforen begleitet. Nach den Themenbereichen Tourismus und Ökologie stand beim 3. Iselforum am 29. Juni 2012 das Thema Wirtschaftlichkeit im Fo-kus, in dessen Rahmen die Ergebnisse der vorliegenden Kurzstudie „Perspektiven des Was-serkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht unter besonderer Berück-sichtigung wirtschaftlicher Aspekte“ präsentiert und diskutiert wurden.

Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel

Auf Grund der gegenüber Wasserkraft, Biomasse und Geothermie deutlich höheren Ausbaupo-tenziale werden Wind- und Sonnenenergie den mit Abstand größten Beitrag zur Erreichung der ehrgeizigen Ausbauziele der EU aber auch Österreichs zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien leisten. Jedoch bringen Wind- und Sonnenenergie vor allem durch ihre ausgeprägten Schwankungen im Tages- und Jahresverlauf sowie eingeschränkte Prognostizierbarkeit von allen erneuerbaren Energien auch die größten Herausforderungen für das bestehende Strom-versorgungssystem mit sich.

Wasserkraftwerke mit Speicherfunktion können durch die Möglichkeit einer bedarfsorientier-ten Betriebsweise sowie ihre schnelle Regelfähigkeit den Ausgleich fluktuierender erneuerba-rer Energien unterstützen. Entsprechend wird in der energiepolitischen Diskussion über die weitere Entwicklung des europäischen Stromversorgungssystems im Ausbau der vorhandenen Speicher- und Pumpspeicherkapazitäten auch ein wichtiger Baustein zur Umsetzung der EU Energie- und Klimaziele gesehen. Gerade in Österreich steht mit der Wasserkraft damit nicht nur eine Technologie mit den tendenziell geringsten Erzeugungs- und Systemkosten zur Ver-fügung, sondern gleichzeitig eine Technologie, mit der „grüner Strom durch grünen Strom“ ausgeregelt werden kann.

Marktumfeld für Wasserkraftprojekte

Im Gegensatz zu den mittel- und langfristig prinzipiell sehr positiven energiewirtschaftlichen Randbedingungen für den Bau neuer Wasserkraftwerke lässt sich jedoch nicht nur in Österreich sondern in praktischen allen europäischen Ländern in den letzten drei bis vier Jahren eine ten-denziell ungünstige Entwicklung der Preise im Strom- und z. T. auch im Regelenergiemarkt feststellen. Diese kurzfristige Entwicklung führt vor allem bei potenziellen Investoren zu bewer-tungsrelevanten Unsicherheiten, die eine Entscheidung über den Bau von Anlagen, welche sich im Wettbewerbsmarkt refinanzieren müssen, maßgeblich beeinflussen können.

Gerade für Wasserkraftwerke, die typischerweise eine sehr lange Planungs- und Genehmi-gungs- sowie Bauphase haben (6 - 10 Jahre), können die aktuellen Spot- und Forward-

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Zusammenfassung 2

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Notierungen im Strommarkt jedoch nur eingeschränkt im Rahmen einer Investitionsentschei-dung berücksichtigt werden, da diese nicht notwendigerweise die langfristige Entwicklung der Marktpreise widerspiegeln. Inwieweit dabei die strompreisdämpfenden Effekte der erneu-erbaren Energien zukünftig durch steigende Gas- und CO2-Zertifikatspreise wieder „ausgegli-chen“ werden können, ist aus heutiger Sicht zwar nicht eindeutig zu beantworten. Jedoch ist zu erwarten, dass die Gas- und CO2-Preise ausgehend von ihrem aktuell niedrigen Niveau eher wieder steigen als langfristig weiter fallen werden, wovon sowohl Lauf- als auch Spei-cherkraftwerke durch die folglich steigenden Großhandelspreise profitieren können.

Da grundsätzlich alle Erzeugungs- und Speichertechnologien außerhalb von geförderten Ein-speisetarifen für erneuerbare Energien von diesem schwierigen Marktumfeld betroffen sind, besteht die Gefahr, dass die für eine Umsetzung der ehrgeizigen Ausbauziele für erneuerbare Energien langfristig erforderlichen flexiblen Backup- und Regelkraftwerke nicht in dem not-wendigen Umfang errichtet werden. Entsprechend wird auf politischer Ebene bereits über ggf. notwendige regulatorische Maßnahmen – wie Kapazitätsmärkte – diskutiert, die sicherstellen sollen, dass ein langfristig stabiles Investitionsklima für neue flexible Erzeugungs- und Spei-cherkapazitäten und damit auch für die Speicherwasserkraft geschaffen wird.

Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel

Gerade bei Speicherkraftwerken mit ihrer Möglichkeit, gezielt in teuren Stunden zu produzie-ren, können die jahresmittleren Strompreise für eine Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht unmit-telbar herangezogen werden. Im Rahmen dieser Studie wurde daher das Kraftwerk Obere Isel im Speicheroptimierungs- und -simulationsprogramm SOPSIM der e3 consult abgebildet und der Einsatz für die Jahre 2004 bis 2011 stundenscharf optimiert. Die Ergebnisse der Simulati-onsläufe zeigen u. a., dass durch die Einsatzoptimierung ein gegenüber dem Basepreis im Mittel um 15 % höherer spezifischer Preis pro MWh hätte erlöst werden können.

Wird für die ersten 10 Jahre nach der geplanten Inbetriebnahme des Kraftwerks Obere Isel eine im Vergleich zu verfügbaren langfristigen Strompreisprognosen konservative Entwick-lung des Strompreises zwischen 50 - 55 €2012/MWh und ein durch die Speicheroptimierung erzielbares „Upside-Potenzial“ gegenüber dem Basepreis von 15 - 18 % unterstellt, liegt das Erlöspotenzial bei einer reinen Spotvermarktung (Day-Ahead) zwischen 58 und 65 €2012/MWh. Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt, dass von vielen Marktteilnehmern eine deutlich steigende Volatilität im Strommarkt und damit ein höheres „Upside-Potenzial“ zum Basepreise erwartet wird. Auch kann grundsätzlich durch die Optimierung des Speicherein-satzes am Intraday-Markt sowie Erlöse aus dem Regelenergiemarkt und einer möglichen zu-künftigen Kapazitätsprämie für die Bereitstellung gesicherter Leistung ein zusätzlicher Mehrwert für das Kraftwerk Obere Isel geschaffen werden – als konservative Abschätzung lassen sich hierfür in Summe 3 - 5 €2012/MWh darstellen.

Im Ergebnis zeigt die qualitativ-quantitative energiewirtschaftliche Analyse damit eine Bandbreite der spezifischen Erlöse von 61 bis 70 €2012/MWh, die für das Kraftwerk Obe-re Isel für den Zeitraum 2020 bis 2030 als realistisch eingestuft werden können.

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1 Hintergrund und Zielsetzung 3

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

1 Hintergrund und Zielsetzung

Die INFRA Project Development GmbH entwickelt und plant gemeinsam mit den Gemeinden Prägraten und Virgen ein Wasserkraftwerk an der oberen Isel im Osttiroler Virgental. Nach heutigem Planungsstand soll das Kraftwerk Obere Isel mit einer Engpassleistung von rd. 47 MW, einem elektrischen Regelarbeitsvermögen (RAV) von rd. 130 GWh/a sowie einem Tagesspeicher mit einem Volumen von 120.000 m3 und einem zusätzlichen Stollenspeicher mit einem Volumen von 80.000 m3 ausgeführt werden. Die Gesamtinvestitionen liegen laut Anga-ben der Projektentwickler bei rd. 144 Mio. €2011, die Inbetriebnahme ist für 2018 geplant [1].

Zur Einbindung der Bevölkerung sowie weiterer Interessensgruppen wird der Planungspro-zess des Kraftwerks Obere Isel durch den sog. Iselrat – als Schnittstelle zwischen Bevölke-rung und Projektentwickler – sowie durch die sog. Iselforen – als Plattform für eine öffentli-che Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts – begleitet. Während sich die Iselforen am 19. Dezember 2011 und 1. Juni 2012 mit den Themenbereichen Tourismus bzw. Ökologie auseinandersetzten, stand beim 3. Iselforum am 29. Juni 2012 das Thema Wirtschaftlichkeit des Kraftwerksprojekts im Fokus, das in den vergangenen Wochen zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurde (u. a. [2], [3]).

Vor diesem Hintergrund wurde die e3 consult von der INFRA Project Development GmbH mit einer Kurzstudie beauftragt, die einerseits zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks Obere Isel beitragen und andererseits den Diskussionsprozess unterstützen soll. Entsprechend wurden die Ergebnisse der Studie „Perspektiven des Wasserkraftwerksprojekts Obere Isel aus energiewirtschaftlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftli-cher Aspekte“ beim 3. Iselforum diskutiert und im Nachgang in Form des vorliegenden Be-richts veröffentlicht.

Hierzu werden einleitend in Kapitel 2 die energiewirtschaftlichen Herausforderungen durch den steigenden Anteil an Wind- und Solarstrom im europäischen aber auch österreichischen Stromversorgungssystems dargestellt, wobei der mögliche Beitrag von Speicherkraftwerken zur Systemintegration erneuerbarer Energien besonders berücksichtigt wird. In Kapitel 3 wird anschließend das für Wasserkraftprojekte erlösbestimmende Marktumfeld in Österreich bewertet. Die Analysen werden in Kapitel 4 mit einer Bewertung der Erlöspotenziale des Kraftwerks Obere Isel abgeschlossen.

Ziel der Kurzstudie ist dabei nicht die Durchführung einer vollständigen Wirtschaftlichkeits-analyse und Projektbewertung. Vielmehr sollen erlösseitige Faktoren, die eine wesentliche Randbedingung für eine solche Bewertung darstellen, qualitativ und nach Möglichkeit auch quantitativ aufgezeigt und diskutiert werden.

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2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel 4

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel1

2.1 Die Erneuerbaren-Ziele der europäischen Energiepolitik bis 2050 Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (EE) wird heute auf europäischer Ebene als wesentlicher Hebel zur langfristigen Reduzierung der Treibhausgasemissionen be-trachtet [4], [5]. Bis 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung inner-halb der EU 27 gemäß den Nationalen Aktionsplänen für erneuerbare Energien der einzelnen Mitgliedstaaten (sog. NREAP) von rd. 16 % im Jahr 2005 auf 31 bis 34 % erhöht werden [6]. Auf Grund der gegenüber Wasserkraft, Biomasse und Geothermie deutlich höheren Ausbau-potenziale werden dabei Wind- und Sonnenenergie den größten Beitrag leisten. Entsprechend den von der EU für 2030 und 2050 geplanten bzw. in Diskussion befindlichen Klimazielen könnte der Anteil erneuerbarer Energien an der europäischen Stromerzeugung bis 2030 auf 45 % und bis 2050 auf über 80 % steigen [5], wobei auch nach 2020 Wind- und Sonnenener-gie den Zubau erneuerbarer Energien dominieren werden. (Abb. 1).

Abb. 1: Entwicklung des Bruttostromverbrauchs und Beitrags erneuerbarer Energien in der EU 27

bis 2050 ([7]; Daten: [5], [6])

In Österreich besteht zwar grundsätzlich noch ein vergleichsweises hohes technischen-wirtschaftliches Ausbaupotenzial zur Stromerzeugung aus Wasserkraft (rd. 18 - 20 TWh/a [8]), trotzdem wird auch hier eine deutlich verstärkte Nutzung der Wind- und Sonnenenergie erforderlich werden, wenn eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und Importen im Stromsektor erreicht werden soll. So hat beispielsweise die Studie „Energieautarkie für Öster-reich 2050“ gezeigt, dass eine bilanzielle Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern im Stromsektor zu einem Anteil der Wind- und Solarenergie an der gesamtösterreichischen Stromerzeugung von etwa 40 % führen würde. Je nach Szenario müssten hierfür etwa 7.000 MW an Windkraftleistung und 17.000 bis 22.000 MW an PV-Leistung in Österreich installiert werden – in Summe also mehr als das 4-fache der heutigen Lastspitze.

1 Für eine ausführliche Darstellung der hier beschriebenen Zusammenhänge siehe [7]

Wasserkraft, Meeresenergie, Biomasse

und Geothermie

Wind und Solar

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

4500

2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

TW

h/a

Solar (PV und CSP) Wind Offshore Wind Onshore Geothermie

Biomasse Meeresenergie Wasserkraft Bruttostromverbrauch

Nationale Entwicklungspläne für erneuerbare Energien

Möglicher Entwicklungspfad zur Erreichung eines EE-Anteils am Stromverbrauch von 45 % (2030) bzw. 80 % (2050)

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2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel 5

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Entsprechend sieht bereits der österreichische Nationale Aktionsplan für erneuerbare Energien bis 2020 einen Schwerpunkt im Ausbau der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie: Von den nach Brüssel gemeldeten Ausbauzielen von in Summe rd. 2.600 MW sollen 1.800 MW (70 %) von der Windkraft und Photovoltaik beigesteuert werden [9] und damit das Ziel der nationalen Energiestrategie erreichen, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von rd. 72 % im Jahr 2005 auf knapp 80 % im Jahr 2020 zu erhöhen [10]. Ein längerfristiges Ausbauziel für erneuerbare Energien wurde auf Bundesebene bisher je-doch noch nicht festgelegt. Auf Länderebene wurde aber beispielsweise von der Tiroler Lan-desregierung und dem Tiroler Landtag im Frühjahr 2011 beschlossen, dass vom insgesamt in Tirol technisch noch nutzbaren Potenzial aus Wasserkraft (etwa 7 TWh/a) bis zu 40 % (rd. 2,8 TWh/a) in den kommenden 25 Jahren ausgebaut werden sollen [11].

2.2 Herausforderung System- und Marktintegration Die zukünftig (quantitativ) tragende Rolle der Wind- und Sonnenenergie ist aus energiewirt-schaftlicher Sicht insofern von Relevanz, da diese von allen erneuerbaren Energien die größ-ten Herausforderungen für das bestehende Stromversorgungssystem mit sich bringen. Beide zeigen ausgeprägte Schwankungen im Tages- und Jahresverlauf, eingeschränkte Prognosti-zierbarkeit und häufig eine ungleiche regionale Verteilung (z. B. in Österreich eine lokale Konzentration von Windkraftanlagen im Nordburgenland).

Während die regionale Verteilung der Erzeugungsanlagen für den Betrieb und Ausbau der Verteil- und Übertragungsnetze relevant ist, haben mögliche Schwankungen sowie die Prog-nosequalität der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vor allem Auswirkungen auf den konventionellen Kraftwerkspark. Abb. 2 zeigt hierzu beispielhaft die Schwankungen der Stromerzeugung aus Windenergie und Photovoltaik in Deutschland für unterschiedliche Zeit-raster. Im Stunden- und Tagesverlauf sind in Abhängigkeit von den herrschenden Wetter- und Windbedingungen Erzeugungsschwankungen zwischen nahezu 0 und knapp 85 % der instal-lierten Windkraftleistung möglich. Innerhalb einzelner Monate sind Abweichungen zum je-weiligen langjährigen Monatsmittel um bis zu +90/-50 % bzw. in einzelnen Jahren Abwei-chungen zum langjährigen Jahresmittel um +/-15 % möglich.

Für die photovoltaische Stromerzeugung sind diese Zusammenhänge durch eine stärker aus-geprägte tageszeitliche und saisonale Erzeugungscharakteristik gekennzeichnet. Deutlich zu erkennen sind dabei in Abb. 2 die saisonale Sommer-Winter- sowie tageszeitliche Tag-Nacht-Charakteristik und zusätzlich die Effekte einer überregionalen Bewölkung an einzelnen Tagen.

Neben der absoluten Schwankungsbreite innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls ist aus Sicht der Systemsicherheit jedoch auch die Geschwindigkeit dieser Leistungsänderung (sog. Leistungsgradient oder Rampe) von Relevanz. Zusätzliche Anforderungen an das Stromver-sorgungssystem ergeben sich aus der Vorhaltung von Regelleistung für den kurzfristig not-

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wendigen Ausgleich zwischen tatsächlicher und prognostizierter Erzeugung aus Wind- und PV-Kraftwerken2.

Abb. 2: Schwankungen der Wind- und PV-Stromerzeugung3 in Deutschland [7], [13]

Bereits heute zeigt sich, dass die bestehenden Erzeugungs- und Netzstrukturen nur bedingt geeignet sind, den steigenden Anteil der Stromerzeugung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien effizient zu integrieren. Entsprechend erfordert der EE-Ausbau eine Reihe system-begleitender Maßnahmen. Neben einer Erhöhung der Netzkapazitäten durch die Optimierung bestehender Netze sowie einen Netzausbau auf nationaler und internationaler Ebene muss der Erzeugungspark an die sich ändernde Versorgungsaufgabe angepasst werden. Hierfür kann das Betriebsverhalten bestehender konventioneller Kraftwerke optimiert bzw. können diese durch flexiblere Erzeugungseinheiten ersetzt werden. Zusätzlich werden Speicherkapazitäten zur kurz- und langfristigen Speicherung überschüssiger Strommengen aus erneuerbaren Ener-gien benötigt. Flexibilität und Speicherkapazität kann neben der Erzeugungsseite aber auch über verbraucherseitige Maßnahmen, wie beispielsweise das Ab- oder Zuschalten von steuer-baren Lasten, bereitgestellt werden. Auch können die Erneuerbaren selbst einen Beitrag zur Systemintegration leisten, indem ihre Erzeugung stärker an die Nachfrage angepasst wird und

2 Regelleistung wird zur Sicherstellung eines permanenten Gleichgewichtes zwischen ein- und ausgespeister elektrischer Energie innerhalb

der jeweiligen Regelzone benötigt. Ungleichgewichte zwischen Ein- und Ausspeisungen entstehen durch Kraftwerksausfälle, die Verbrau-cherlast (Lastprognosefehler und Lastrauschen) sowie den regelzonenübergreifenden Stromhandel. Daneben wurde durch die stochastische und nur eingeschränkt prognostizierbare Einspeisung aus Wind- und Solarkraftwerken ein weiterer vom „klassischen“ Regelleistungsbe-darf zu differenzierender Ausgleichsbedarf geschaffen. Begrifflich abzugrenzen ist die Regel-/Reserveleistung dabei von der Langzeitre-serveleistung, welche im Zusammenhang mit der Ausbauplanung eines Kraftwerkssystems (Zeitraum von Jahren) von Bedeutung ist.

3 Solare Einstrahlungswerten von 2005 übertragen auf ein PV-Anlagenkollektiv von rd. 50.000 MW

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sie sich an der Erbringung von Netzdienstleistungen beteiligen. In Abb. 3 sind die Möglich-keiten einer systemtechnischen Optimierung zur Integration erneuerbarer Energien zusam-menfassend dargestellt.

Abb. 3: Systemtechnische Möglichkeiten zur Integration erneuerbarer Energien [7]

Wasserkraftwerke mit Speicherfunktion können durch die Möglichkeit einer bedarfsorientier-ten Betriebsweise den Ausgleich fluktuierender erneuerbarer Energien unterstützen. Aus Sicht der Integration erneuerbarer Energien in das Stromversorgungssystem sind Speicherkraftwer-ke allerdings nicht nur für den Ausgleich der Erzeugungsschwankungen von Windkraft- und PV-Anlagen von Relevanz. Durch ihre schnelle Regelfähigkeit können diese auch Netz- und Systemdienstleitungen erbringen, die heute häufig noch von konventionellen Kraftwerken bereitgestellt werden.

Vor dem Hintergrund dieser energiewirtschaftlichen Randbedingungen – steigender Bedarf an flexibler Erzeugungsleistung sowie an Speicherbedarf zum Ausgleich von Überschüssen und Defiziten in der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien – wird in der energiepolitischen Diskussion über die weitere Entwicklung des europäischen Stromversorgungssystems grund-sätzlich eine hohe Notwendigkeit für den Ausbau der vorhandenen Speicher- und Pumpspei-cherkapazitäten gesehen. U. a. definiert auch die Europäische Kommission in ihrer Energy Roadmap 2020 [5] sowie in ihrem Energy Infrastructure Priorities for 2020 [14] im Ausbau der Speicherkapazitäten in Europa einen wichtigen Baustein zur Umsetzung der EU Energie- und Klimaziele.

Die beschriebenen Flexibilitäts- und Ausgleichspotenziale – Kraftwerke, Speicher, Netze und Verbraucher – können jedoch nur dann effizient genutzt werden, wenn diese dem Markt auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Da die bestehenden Marktregeln die spezifischen Erzeu-gungseigenschaften der fluktuierenden Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie oft zu wenig berücksichtigen, ist daher parallel zur systemtechnischen Integration erneuerbarer Energien eine Weiterentwicklung der rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen auf österreichischer als auch auf europäischer Ebene erforderlich (vgl. hierzu Kapitel 3.2).

Systemtechnische Integration Erneuerbarer Energien

Erzeugung •  Flexible konventionelle Kraftwerke •  Systemverantwortung für Erneuerbare

Netz •  Netzoptimierung •  Ausbau bestehender Netze •  Neue Netzkonzepte (Supergrids)

Speicher •  Zentrale Speicher •  Dezentrale Speicher

Verbraucher •  Lastmanagement •  „Neue“ Verbraucher (z.B. Wärmepumpe,

E-Mobilität)

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2.3 Beitrag von Speicherkraftwerken zur Integration Erneuerbarer Welche Aussagen lassen sich nun aus den in Kapitel 2.1 und 2.2 aufgezeigten Entwicklungen und energiewirtschaftlichen Herausforderungen beim Umbau unseres Stromversorgungssys-tems auf die zukünftige Rolle der (Speicher-)Wasserkraft im Allgemeinen und des Kraft-werkprojekts Obere Isel im Speziellen ableiten? Zum einen kann die Wasserkraft mengenmä-ßig zur Erreichung der Erneuerbaren- und Klimaschutzziele beitragen. Zum anderen kann sie neben diesem quantitativen Aspekt auch einen qualitativen Beitrag zur effizienten und damit kostengünstigen Systemintegration der schwankenden erneuerbaren Energien leisten. Dieser potenzielle Beitrag zur Systemstabilität und Versorgungssicherheit wird in einem zukünftig stärker auf erneuerbare Energien basierendem österreichischen und europäischen Stromver-sorgungssystem immer wichtiger werden und längerfristig auch für die Wasserkraft zusätzli-che Erlösperspektiven schaffen können.

Aus energiewirtschaftlicher Sicht sind die qualitativen Unterschiede der Erzeugungscharakte-ristik und die daraus ableitbaren Kosteneffekte im Versorgungssystem ein wichtiges Kriteri-um für den Vergleich unterschiedlicher Erzeugungsoptionen. Auch wenn im Rahmen dieses Kurzgutachtes keine umfassende Diskussion dieser Zusammenhänge geführt werden kann, sollen im Folgenden wesentliche Argumente für eine solche Diskussion dargestellt und in Bezug auf das Kraftwerksprojekt Obere Isel bewertet werden.

Durch die Möglichkeit einer bedarfsorientierten und damit in Abhängigkeit von der Speicher-größe flexibel auf die Anforderungen des Gesamtsystems abstimmbaren Erzeugung können Speicherkraftwerke die im Stromversorgungssystem zunehmend benötigte Flexibilität zur Verfügung stellen. Durch die Verlagerung der Erzeugung in nachfragestarke oder erzeu-gungsschwache Zeiten vermeiden Speicherkraftwerke aber auch systemtechnische Maßnah-men zur EE-Integration, weil im Gegensatz zur Wind- und PV-Stromerzeugung sowie einge-schränkt auch zur Stromerzeugung in Laufkraftwerken bspw. kein zusätzlicher externer Spei-cher für den Ausgleich der Erzeugungsschwankungen erforderlich ist. Neben der eigentlichen Speicherfunktion können Speicherkraftwerke aber auch sehr hohe An- und Abfahrgeschwin-digkeiten (Leistungsgradient oder Rampe in MW/sec) erreichen, wodurch bei plötzlichen Än-derungen der Wind- oder Solarstromerzeugung ein Erzeugungsüberschuss- bzw. -defizit schnell ausgeglichen werden kann.

Die Laufwasserkraft zeigt im Vergleich mit der Wind- und PV-Stromerzeugung zwar grund-sätzlich wesentlich geringer ausgeprägte Erzeugungsschwankungen im Stunden- und Tages-verlauf sowie eine deutlich bessere Prognostizierbarkeit, die energiewirtschaftliche Bewer-tung sollte auf Grund der standortspezifischen Abflussverhältnissen jedoch projekt- und nicht technologiebezogen erfolgen. Insofern gibt der in Abb. 4 dargestellte Vergleich der qualitati-ven Erzeugungseigenschaften unterschiedlicher Technologien zur Stromerzeugung aus erneu-erbaren Energien eine grundsätzliche technologiespezifische Einordnung wieder, die für ein-zelne Projekte ggf. anzupassen ist.

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2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel 9

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Abb. 4: Qualitative Erzeugungseigenschaften von Speicher- und Laufwasserkraft im Vergleich mit

anderen erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung (nach [15])

Das Kraftwerk Obere Isel wird dabei zwischen der technologiespezifischen Einordnung der Speicher- und Laufwasserkraft liegen, da der Abfluss einen ausgeprägten Sommerschwer-punkt aufweist (d. h. hohe saisonale Schwankung) und damit über den vorgesehenen Stunden-speicher kein vollständig bedarfsorientierter Betrieb möglich ist bzw. auch die Prognostizier-barkeit der Erzeugung für einen längeren Zeitraum nur eingeschränkt möglich ist.

Entsprechend der in Abb. 4 dargestellten qualitativen Erzeugungseigenschaften liegen die im Stromversorgungssystem zusätzlich anfallenden Kosten für die Integration erneuerbarer Energien (u. a. Regelenergie zum Ausgleich von Prognosefehlern und Backup-Kraftwerke zur Sicherstellung der Stromversorgung bei Windflauten oder geringer solarer Einstrahlung) bei der Wasserkraft um eine Größenordnung unter den Systemkosten von rd. 5 - 10 €/MWh (vgl. u. a. [16], [17]) für die Integration von Wind- und PV-Strom. Die unterschiedlichen Progno-seeigenschaften der „erneuerbaren“ Technologien wurden nicht zuletzt auch durch die Festle-gung der aliquoten Aufwendungen für Ausgleichsenergie innerhalb der Aliquotierungsver-ordnungen berücksichtigt. Während beispielsweise für Windkraftanlagen die Aufwendungen im Jahr 2011 mit 0,294 Cent/kWh festgelegt wurden, fallen für die übrigen Ökostromanlagen mit 0,045 Cent/kWh nur knapp 15 % davon an.

Aus Systemsicht ist dies insofern von Relevanz, als dass damit die Wasserkraft von den in Österreich zur Verfügung stehenden Technologien zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien heute nicht nur die Technologie mit den tendenziell geringsten Stromgestehungskos-ten sondern auch den geringsten Systemkosten darstellt. Allerdings werden die Systemkosten bei einem rein kostenbasierten Vergleich der Erzeugungstechnologien meist nicht berücksich-tigt, da sie für den Anlagenbetreiber nicht oder nur eingeschränkt relevant bzw. z. T. nur schwer zu quantifizieren sind. Auch bei den von Kaltschmitt/Streicher [18] veröffentlichten

Prognos'zierbarkeit/

Erz

eugu

ngsm

uste

r

sehr gut eingeschränkt

vola

til

kons

tant

/bed

arfs

- or

ient

iert

Meeres-energie*

Biomasse, Geothermie, Speicherwasserkraft

* Gezeiten, Wellen und Meeresströmung

Laufwasser-kraft

Solarthermisch (mit Wärmespeicher)

Solar-PV Wind

KW Obere Isel

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2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel 10

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

und in Abb. 5 beispielhaft dargestellten Stromgestehungskosten von konventionellen und er-neuerbaren Erzeugungstechnologien sind diese nicht enthalten.

Abb. 5: Stromgestehungskosten für Stromerzeugungsanlagen in Österreich4 (nach [18]; eigenen Be-

rechnung für Photovoltaik und Erdgas-BHKW)

Die Bandbreite der Stromgestehungskosten einzelner Technologien leitet sich einerseits aus den unterschiedlichen Leistungsklassen sowie Ausnutzungsdauern ab. Andererseits ist vor allem die Stromerzeugung in Biomasse- und Geothermieanlagen von großen technologiespe-zifischen Unterschieden sowie, in Abhängigkeit von der Wärmeauskopplung, durch unter-schiedlich hohe Erlöse aus dem Wärmeverkauf gekennzeichnet.

Zusätzlich sind in Abb. 5 die Stromgestehungskosten des Kraftwerksprojekts Obere Isel ab-gebildet. Die Bandbreite leitet sich hier aus den vom Projektentwickler genannten Kosten von 48 €/MWh [1] sowie der nach dem Ansatz von Kaltschmitt/Streicher ermittelten Stromgeste-hungskosten von rd. 56 €/MWh ab, der jedoch wesentliche kostenbestimmende Randbedin-gungen der Projektfinanzierung sowie steuerliche Aspekte nicht berücksichtigt und damit tendenziell zu höheren spezifischen Kosten führt.

Aus der Höhe der Stromgestehungskosten kann i. Allg. jedoch noch keine Aussage in Bezug auf Wirtschaftlichkeit einer Investition getroffen werden, weil hierzu neben der Kosten- vor allem noch die Erlösseite berücksichtigt werden muss. Durch geförderte Einspeisetarife kön-nen auch Anlagen mit im Vergleich hohen Erzeugungskosten für einen Investor wirtschaftlich attraktiv sein bzw. können Wasserkraftwerke mit Speichern im Gegensatz zu Laufkraftwer-ken ihre Erzeugung gezielt in Stunden mit hohen Strompreisen verlagern sowie ggf. Zusatzer-löse am Regelenergiemarkt erzielen.

4 Durchschnittlichen Stromgestehungskosten; annuitätische Betrachtung mit Zinssatz von 4,5 %; ohne Berücksichtigung von Steuern und

sonstige Abgaben sowie Förderungen

0 100 200 300 400

KW Obere Isel Wasserkraft (<10 MW) Wasserkraft (> 10 MW)

Photovoltaik Windkraft

Geothermie Biomasse

Erdgas-BHKW* Steinkohle

Erdas-GuD

Stromgestehungskosten in €2012/MWh

> 1000 €/MWh

*Leistungsbereich 5 – 500 kWel

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2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel 11

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Dies gilt auch für das Kraftwerk Obere Isel, bei dem die Investitionskosten und damit die spe-zifischen Stromgestehungskosten durch den geplanten Speicher gegenüber einem reinen Laufwasserkraftwerk höher liegen. Aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist eine solche zusätz-liche Investition natürlich nur dann, wenn sich über entsprechende Mehrerlöse diese höheren Investitionskosten wieder refinanzieren lassen. Wie diese für die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks Obere Isel mit-entscheidenden energiewirtschaftlichen Zusammenhänge im Spe-ziellen aussehen, wird dabei in Kapitel 3 und 4 näher analysiert. Aus übergeordneter energie-wirtschaftlicher Perspektive stellen die zusätzlichen Investitionen in einen Speicher bei Was-serkraftanlagen – wo dies standortbedingt möglich ist – jedoch i. Allg. eine vergleichsweise günstige Form der Energiespeicherung dar.

In Abb. 6 ist dies anhand der arbeitsbezogenen Investitionskosten für verschiedene Speicher-technologien dargestellt. Als arbeitsbezogene Investitionskosten werden die von der eigentli-chen Energieumwandlung unabhängigen Kosten der Energiespeicherung verstanden, also bspw. bei Batterien die Kosten für den chemischen Speicher oder bei Wasserkraftwerken die Kosten für Speicher- und Schwallausgleichsbecken. Allerdings muss bei einem Vergleich auf Basis der arbeitsabhängigen Kosten berücksichtigt werden, dass diese Kosten nur einen Teil der Gesamtkosten der Speichertechnologien repräsentieren und für einen Systemvergleich damit nur eingeschränkt geeignet sind. Da beim hier diskutierten Beispiel jedoch nicht die Kosten für das gesamte Kraftwerk Obere Isel sondern nur für den Speicher in Relation zu alternativen Speichertechnologien gesetzt werden sollen, stellt dieser Ansatz die Vergleich-barkeit der Kenngrößen sicher.

Abb. 6: Bandbreite der arbeitsbezogenen Investitionskosten unterschiedlicher Speichertechnologien

als Stundenspeicher (u. a. nach [20], [21], [22], [23])

Insgesamt zeigen Druckluft- und Pumpspeicher deutlich geringere arbeitsabhängige Kosten als Batteriespeicher, wobei zu berücksichtigen ist, dass Pumpspeicher als einzige großtechni-sche Speichertechnologie am Markt verfügbar sind. Allgemein wird erwartet, dass trotz der hohen Entwicklungspotenziale bei Druckluft- und vor allem Batteriespeichern diese techno-

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900

KW Obere Isel

Pumpspeicher

Druckluftspeicher

Pb Batterien

NaS Batterien

Flow Batterien

Li-Ion Batterien

arbeitsabhängige Investitionskosten in €2012/kWh

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2 Ausbau erneuerbarer Energien: Stromversorgungssystem im Wandel 12

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

logischen und wirtschaftlichen Vorteile von Pumpspeichern zumindest mittelfristig bestehen bleiben (vgl. u. a. [20]). Im Vergleich zu den genannten „Strom-zu-Strom“-Speichertechnolo-gien können Speicherkraftwerke eine sehr wirtschaftliche Option zur Abdeckung des steigen-den Speicherbedarfs darstellen. Für den Stundenspeicher des Kraftwerks Obere Isel ergeben sich beispielsweise bei einem vom Projektentwickler geschätzten Investitionsbedarf von 10 Mio. €, einem Speichervolumen von in Summe 200.000 m3 und einem Arbeitswert von ca. 0,85 kWh/m3 spezifische arbeitsabhängige Speicherkosten von rd. 60 €/kWh. Diese liegen damit am untersten Ende der dargestellten Bandbreite, wobei einschränkend zu ergänzen ist, dass ein reiner Wasserspeicher im Gegensatz zu Stromspeichern keinen überschüssigen Strom aus dem Netz aufnehmen sondern „nur“ die eigene Erzeugung bei einem Überschuss reduzie-ren und einem späteren Defizit erhöhen kann. Demgegenüber gibt es bei der zeitlichen Verla-gerung der Stromerzeugung in Speicherkraftwerken keine energetischen Verluste – wie sie bei Stromspeichern zwangsläufig entstehen – wodurch diese aus energiewirtschaftlicher Sicht notwendigen Einschränkungen zumindest teilweise wieder „kompensiert“ werden.

Fazit: Durch den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien rücken Speicher-kraftwerke wieder verstärkt in den Fokus des energiepolitischen Interesses, da parallel zum Ausbau der Wind- und Solarenergie ein tiefgreifender Umbau des gesamten Stromversor-gungssystems erforderlich sein wird. Für eine effiziente Integration der rasant wachsenden Stromerzeugung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien ist insbesondere eine deutliche Steigerung der Flexibilität des verbleibenden Kraftwerksparks erforderlich, um diese Er-zeugungsschwankungen ausgleichen zu können. Speicherkraftwerke können dabei ihre Er-zeugung vom Angebot an Wind- und PV-Strom zeitlich entkoppeln und zusätzlich Netz- und Systemdienstleitungen erbringen, wie sie heute häufig noch von konventionellen Kraftwerken bereitgestellt werden. Auch zeigen Speicherkraftwerke unter den erneuerbaren Energien die geringsten Stromgestehungs- und Systemkosten und sind auch im Vergleich mit flexiblen Gaskraftwerken und Strom-zu-Strom-Speichertechnologien deutlich kosten-günstiger. Sie können damit einen wichtigen Baustein für den (flexiblen) Erzeugungsmix von morgen darstellen.

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 13

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte

Die Wirtschaftlichkeit eines Wasserkraftprojekts wird grundsätzlich von einer Reihe unter-schiedlicher Faktoren und den daraus ableitbaren Risiken bestimmt, die sich vereinfachend in die kostenbestimmenden Aspekte Bau & Betrieb sowie Finanzierung und den erlösbestim-menden Aspekt „Strompreis“ zusammenfassen lassen. Während die Kosten der Bau- & Be-triebsphase im Wesentlichen standortspezifisch und damit von der Projektentwicklung abhän-gig sind, wird die Finanzierungs- und Erlösseite von Wasserkraftprojekten vor allem vom Umfeld der internationalen Finanzmärkte bzw. des europäischen Strommarkts bestimmt. Bei-de Faktoren stellen dabei eine wichtige Randbedingung für die Bewertung der Wirtschaftlich-keit eines Wasserkraftprojekts dar. Die Betrachtungen im Rahmen dieser Studie beschränken sich jedoch auf die Analyse des energiewirtschaftlichen Marktumfeldes für Wasserkraftanla-gen. Im Folgenden werden daher die aktuellen Entwicklungen im Strom- und Regelenergie-markt analysiert sowie ein Ausblick auf das mögliche zukünftige Marktumfeld für Wasser-kraftanlagen vor dem Hintergrund der in Kapitel 2 dargestellten Herausforderungen für unser Stromversorgungssystem gegeben.

3.1 Aktuelle Entwicklung Strom- und Regelenergiemarkt Seit der Liberalisierung der nationalen Strommärkte und der Entwicklung eines europäischen Strombinnenmarktes stehen auch die Tiroler Wasserkraftwerke in einem gesamteuropäischen Wettbewerb. Die Wirtschaftlichkeit neuer Anlagen wird damit zum einen nicht mehr von ei-nem kostenbasierten sondern einem preisbasierten Ansatz bestimmt. Zum anderen bilden sich die Börsenstrompreise nicht ausschließlich aus Angebot und Nachfrage in Tirol oder Öster-reich, sondern aus Angebot und Nachfrage der im europäischen System mit Österreich ver-bundenen Länder. Österreich ist dabei heute vollständig in dem deutschen Strommarkt inte-griert – zu den Märkten in bspw. Frankreich, Italien und Benelux, der Schweiz sowie den ost-europäischen Nachbarstaaten besteht direkt bzw. indirekt eine in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Netzkapazitäten mehr oder weniger starke Kopplung. Durch die sehr enge Verknüpfung mit dem deutschen Strommarkt wird daher auch für Österreich i. Allg. die deutsche Strombörse in Leipzig (EEX, European Energy Exchange) als Referenz für die Er-mittlung der erlösbestimmenden Strompreise herangezogen5.

Die Preisbildung in wettbewerblich organisierten Strommärkten basiert auf dem Ansatz, dass Kraftwerke nur dann betreiben werden, wenn sie mindestens ihre variablen Kosten über den Strompreis decken können. Auf der anderen Seite werden sie ihre vorhandenen Kapazitäten grundsätzlich zu diesen (kurzfristigen) Grenzkosten im Markt anbieten, da sie damit ihre De-ckungsbeiträge maximieren. Die Angebotskurve im Markt ergibt sich somit aus den nach steigenden Grenzkosten angeordneten verfügbaren Kraftwerkskapazitäten, der sog. Merit-Order und bildet einerseits die verfügbare Kraftwerkskapazität und andererseits die im We-sentlichen von den Brennstoff- und CO2-Zertifikatskosten abhängigen variablen Betriebskos- 5 Der deutsch-österreichische Spotmarkt wird mittlerweile von der in Paris sitzenden European Power Exchange (EPEX) betrieben, an der

die EEX mit 50 % beteiligt ist.

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 14

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

ten dieser Kapazitäten ab. Da die variablen Kosten der erneuerbaren Energien annähernd bei Null liegen (Wind, Wasser und Solar) bzw. auf Grund der in Österreich und Deutschland ge-gebenen Fördersystematik für erneuerbare Energien auch Biomasse- und Geothermieanlagen vorrangig eingesetzt werden, sind die erneuerbaren Energien in der Merit-Order grundsätzlich an erster Stelle. Innerhalb der erneuerbaren Energien bilden Speicherkraftwerke eine Aus-nahme, da sich ihr Einsatz an den Strompreisen im Markt orientiert und sie in der Merit-Order daher deutlich weiter rechts liegen, als bspw. Laufwasserkraftwerke (Abb. 7).

Abb. 7: Grundprinzip der Preisbildung im Strommarkt (nach [7])

Dem verfügbaren Angebot an Erzeugungskapazitäten wird die entsprechende Nachfragekurve gegenübergestellt, die kurzfristig von einer Vielzahl an tages- und jahreszeitlichen Faktoren beeinflusst wird (u. a. Außentemperatur, Helligkeit, Ferien- und Feiertage). So schwankte bspw. in Österreich die Nachfrage der von der öffentlichen Stromversorgung belieferten Kun-den im Jahr 2011 zwischen 9.716 MW (am 19.12. von 17:45 bis 18:00) und 3.754 MW (am 13.06. von 04:45 bis 05:00) [25].

Der Schnittpunkt der beiden Kurven bildet das aus volkswirtschaftlicher Sicht optimale Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und definiert somit auch den im Zuge einer Auktion am Spotmarkt festgestellten Strompreis. Alle Anbieter erhalten bzw. alle Nachfrager bezahlen dabei denselben Preis (sog. Markträumungspreis), der sich anhand der Grenzkosten des teuersten, zur Deckung der Nachfrage gerade noch benötigten Kraftwerks ergibt. Am Spotmarkt der European Power Exchange (EPEX) werden dabei als kleinste Einheit stündli-che Produkte im Day-Ahead-Markt sowie viertelstündliche Produkte im Intraday-Markt für Deutschland/Österreich gehandelt (sog. Phelix). Von den Spotmärten zu unterscheiden sind die Terminmärkte, an denen Forwards (Futures) gehandelt werden, die eine physische oder finanzielle Erfüllung in weiter in der Zukunft liegenden Zeiträumen vorsehen. Die Forward-notierungen geben dabei eine Erwartung der Marktteilnehmer über den zukünftigen Wert ei-ner Stromlieferung auf Grundlage der allgemeinen Einschätzung in Bezug auf die strompreis-bestimmenden Faktoren wieder.

Wie haben sich nun die Strompreise in den vergangenen Jahren entwickelt und wie sehen die Marktakteure die Entwicklung für die kommenden Jahre? Abb. 8 zeigt hierzu die Spotpreise

Kernkraft

Stro

mpr

eis

in €

/MW

h

Verfügbare Kraftwerkskapazität in MW

Laufwasser, Erneuerbare

Gasturbinen, Speicher-

wasserkraft, Pumpspeicher

Strompreis

Nachfrage

Braun-/Steinkohle, Erdgas-GuD

Kernkraft

Stro

mpr

eis

in €

/MW

h

Verfügbare Kraftwerkskapazität in MW

Laufwasser, Erneuerbare

Gasturbinen, Speicher-

wasserkraft, Pumpspeicher

Strompreis

Nachfrage

Braun-/Steinkohle, Erdgas-GuD

Zusätzlicher Wind-/PV-Strom

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 15

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

der Jahre 2001 bis Mitte 2012 sowie die Forwardnotierungen bis 2018 für das Marktgebiet Deutschland/Österreich. Zu berücksichtigen ist dabei, dass zur besseren Vergleichbarkeit der einzelnen Jahre die Preise inflationsbereinigt im Geldwert des Jahres 2012 dargestellt sind und damit von den auf nominaler Basis notierenden Preisen abweichen. Entsprechend notierte bspw. der Forward für das Jahr 2016 an der Börse am 30.5.2012 nicht mit 47,3 €2012/MWh sondern mit 51,3 €2016/MWh.

Abb. 8: EEX/EPEX-Spotmarktpreise und EEX-Forwardnotierungen für Deutschland/Österreich (rea-

le Preise im Geldwert 2012) [24]6

Insgesamt befinden sich die Strompreise derzeit sowohl im Spot- als auch Forwardmarkt auf einem vergleichsweise moderaten Niveau und liefern damit im Gegensatz zu den in Kapitel 2 aufgezeigten mittel- und langfristig an sich sehr positiven energiewirtschaftlichen Randbedin-gungen keine eindeutigen Investitionssignale für den Bau neuer Wasserkraftanlagen. Diese nicht nur aus Sicht der Wasserkraft tendenziell ungünstige Entwicklung der Preise im Strom-markt lässt sich jedoch nicht nur im Marktgebiet Deutschland/Österreich sondern in praktisch allen europäischen Ländern feststellen.

Die Ursachen hierfür liegen zum einen in den aktuell niedrigen Preisen für Erdgas und CO2-Zertifikate. Zum anderen wird die Preisbildung im deutsch-österreichischen Spotmarkt durch den starken Zubau der erneuerbaren Energien wesentlich beeinflusst (sog. Merit Order-Effekt). Dies führt u. a. zu einer Reduzierung der Peak-Preise während der Mittagszeit bei hoher PV-Einspeisung sowie sehr niedrigen – teilweise sogar negativen – Strompreisen wäh-rend lastschwachen Zeiten an Wochenenden oder der Nacht und gleichzeitig hoher Wind-stromerzeugung. In Abb. 7 ist dieser grundsätzliche Zusammenhang im Unterschied zwischen linkem und rechtem Diagramm zu erkennen. Bei gleicher Nachfrage führt eine höhere ver-fügbare Erzeugung in Wind- und PV-Anlagen zu einem niedrigeren Strompreis. Durch den massiven Ausbau der deutschen Wind- und PV-Stromerzeugung in den vergangenen Jahren – Ende 2011 waren etwa 29.000 MW Windkraft- und 25.000 MW PV-Leistung in Deutschland

6 Spotpreise als Mittelwert Phelix Baseload Day-Ahead; Forwardnotierungen als Phelix Baseload Year Future vom 30.5.2012; für 2012

zeitgewichteter Mittelwert der Spotpreise bis 31.5.2012 und Monats- bzw. Quartalsforwards ab 1.6.2012; Indexierung über VPI 2000 bzw. ab 2013 jährliche Preissteigerung von 2 % unterstellt.

29,5

27,1

35,0

33,2

52,3

56,9

41,7

69,9

41,1

46,2

51,4

44,4

48,1

47,4

46,9

47,3

47,6

47,6

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

[€2012/MWh]

EEX/EPEX-Spotmarkt EEX-Forward

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 16

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installiert – lässt sich dieser Merit Order-Effekt mittlerweile auch sehr deutlich an den stünd-lichen Spotmarktpreisen im deutsch/österreichischen Marktgebiet erkennen. Abb. 9 zeigt dies am Beispiel der EPEX-Spotpreise für das Marktgebiet Deutschland/Österreich sowie der Wind- und PV-Stromerzeugung in Deutschland zwischen 18. und 24. Juni 2012.

Abb. 9: EPEX-Spotpreise für das Marktgebiet Deutschland/Österreich sowie Wind- und PV-

Stromerzeugung in Deutschland vom 18. - 24. Juni 2012 (Daten [24])

Deutlich zu erkennen ist, dass die Spotpreise mit zunehmender PV- und Windstromerzeugung sinken und bei einem sehr hohen Wind- und PV-Stromangebot und gleichzeitig niedriger Last (Wochenende) sogar unter die Grenzkosten der sich am Netz befindlichen konventionellen Kraftwerke fallen können.

Vor allem die hohe mittagszeitliche Einspeisung aus PV-Anlagen führt in den Sommermona-ten zu einer kontinuierlichen „Erosion“ der in der Vergangenheit in diesen laststarken Zeiten auftretenden Strompreisspitzen und damit zu einem auf Jahressicht moderaten mittleren Strompreis (Basepreis). Die aktuellen Notierungen im deutsch/österreichischen Forwardmarkt zeigen dabei auch für die kommenden Jahre keine Erholung der Strompreise, da mögliche Effekte steigender Brennstoff- und CO2-Kosten durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien kompensiert werden. Allerdings bestehen in dieser vom Markt erwarteten Entwick-lung erhebliche Schwankungen und damit Unsicherheiten, wie in Abb. 10 am Beispiel der Notierungen des Forwards für das Lieferjahr 2013 aus den vergangenen 6,5 Jahren zeigt.

0

10

20

30

40

50

60

70

1 25 49 73 97 121 145

€/MWh]

0

10000

20000

30000

1 25 49 73 97 121 145

[MW]

Solar Wind Solar+Wind

Mo Di Mi Do Fr Sa So

PV „drückt“ Spotpreis

Wind „drückt“ Spotpreis

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Abb. 10: EEX Phelix Baseload Year Futures für 2013 [24]

Im Gegensatz zu Laufkraftwerken können Speicherkraftwerke neben dem Strom- auch im Regelenergiemarkt vermarktet werden. Regelleistung wird von den Übertragungsnetzbetrei-bern (ÜNB) zur Sicherstellung eines permanenten Gleichgewichtes zwischen ein- und ausge-speister elektrischer Energie innerhalb der jeweiligen Regelzone benötigt7. Die Beschaffung der Regelleistung erfolgt mittlerweile im Großteil der europäischen Länder über einen eige-nen Markt, an dem jene Kraftwerke teilnehmen können, die ihre Erzeugung flexibel an die Anforderungen der ÜNB anpassen können. Wasserkraftwerke mit Speicher sind hierzu im besonderen Maße geeignet, da sie sehr kurze An- und Abfahrzeiten haben und im Teillastbe-trieb im Gegensatz zu konventionellen Kraftwerken kaum Wirkungsgradverluste entstehen. Grundsätzlich stehen den Erlösen am Regelenergiemarkt jedoch Mindererlöse am Spotmarkt entgegen, da die Erzeugungsleistung eines Kraftwerks nicht uneingeschränkt in beiden Märk-ten vermarktet werden kann (Abb. 11).

Abb. 11: Schematischer Ansatz zur Bewertung von Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken am

Strom- und Systemdienstleistungsmarkt

Trotzdem hat sich in der Vergangenheit der Regelenergiemarkt zu einer attraktiven Vermark-tungsoption für Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke entwickelt, da die Erlöse z. T. deut-lich über dem Strommarkt lagen. Parallel zur Entwicklung an den Strommärkten haben sich in den letzten Jahren jedoch auch in einzelnen Segmenten der Regelenergiemärkte die Preise

7 vgl. auch Fußnote 2 (Seite 6)

Spotmarkt

Regelenergiemarkt

Spot Regelenergie Einsatzzweck

„Wert“ im Spotmarkt

„Wert“ im Regel- energiemarkt

Gesamtwert

Erl

öspo

tenz

ial

Erl

öspo

tenz

ial

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 18

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

tendenziell nach unten bewegt – vor allem die Preise am Minutenreservemarkt8 befinden sich heute deutlich unter dem Niveau der vergangenen Jahre. Abb. 12 zeigt hierzu beispielhaft die Entwicklung der Preise für die Vorhaltung von Regelleistung (sog. Leistungspreis) in Deutschland, die unabhängig vom tatsächlichen Abruf (sog. Arbeitspreis) an die in einem Bieterverfahren ausgewählten Kraftwerke vergütet werden.

Abb. 12: Mittlere tägliche Leistungspreise im deutschen Regelenergiemarkt, Jänner 2009 bis Septem-

ber 2011 [31]

Neben der unmittelbaren Beeinflussung der Regelleistungspreise durch den Strommarkt wur-de die Entwicklung der Preisstruktur am deutschen Regelenergiemarkt vor allem durch die signifikante Reduzierung des Regelleistungsbedarfs sowie ein grundsätzlich steigendes Ange-bot an regelfähigen Kraftwerken bestimmt. In Abhängigkeit vom tatsächlichen Angebot an regelfähigen Kraftwerken bilden sich jedoch immer wieder Phasen mit sehr hohen Preisen, insbesondere für die Bereitstellung negativer Regelleistung, aus.

Im Gegensatz zum Strommarkt, wo über die Forward-Notierung eine kurz- und mittelfristige Einschätzung der Preisentwicklung gegeben ist, gibt es für den Regelenergiemarkt keine ent-sprechenden Märkte, da die Ausschreibungen und damit Preisbildungen meist täglich oder wöchentlich erfolgen. Durch die in der Vergangenheit gegebene Korrelation der Preise im Regelenergiemarkt mit den Preisen im Spotmarkt kann jedoch davon ausgegangen werden, 8 In Abhängigkeit von u. a. der Aktivierungszeit werden Primär- und Sekundärregelleistung sowie Minutenreserveleistung unterschieden.

Zusätzlich wird zwischen negativer und positiver Regelleistung differenziert. Sind die Regelzonen insgesamt überdeckt (d. h. die Summe der Einspeisungen ist größer als die Summe der Ausspeisungen) wird durch den Bezug negativer Regelleistung die Einspeisung soweit reduziert, dass sich ein Gleichgewicht einstellt. Umgekehrt wird bei einer Unterdeckung der Regelzonen durch den Bezug positiver Regel-leistung die Einspeisung bis zum Erreichen eines Gleichgewichtes erhöht.

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 19

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

dass sich die Preise eher moderat entwickeln werden, wobei wie in der Vergangenheit kurz-fristige Preisausschläge nicht auszuschließen sind.

3.2 Ausblick 2020/2030 Gerade für Wasserkraftwerke, die typischerweise eine sehr lange Planungs- und Genehmi-gungs- sowie Bauphase haben (6 - 10 Jahre), können die aktuellen Spot- und Forward-Notierungen im Strommarkt jedoch nur eingeschränkt im Rahmen einer Investitionsentschei-dung herangezogen werden, da diese nicht notwendigerweise die langfristige Entwicklung der Marktpreise widerspiegeln. Häufig erfolgt die wirtschaftliche Bewertung von Kraftwerken daher mit Hilfe von langfristigen Strompreisprognosen, die auf Grundlage sog. Fundamen-talmodelle erstellt werden. Wesentliche Eingangsgrößen in diese Modelle sind dabei u. a. die Entwicklung der Brennstoff- und CO2-Preise, der Nachfrage, des Netzausbaus sowie des Ausbaus der (geförderten) erneuerbaren Energien. Die Ergebnisse von fundamentalen Strommarktmodellen können damit die langfristige Strompreisentwicklung nur mit einer der Unsicherheit dieser Eingangsgrößen entsprechenden Bandbreite prognostizieren und unter-scheiden sich in ihren Ergebnissen mitunter sehr deutlich. Abb. 13 zeigt dies am Beispiel ver-schiedener Strompreisprognosen für den deutsch-österreichischen Großhandelsmarkt.

Abb. 13: Prognose der Strompreise (Großhandelspreis) in verschiedenen Studien bis 2030 sowie EEX

Baseload Year Future bis 2018 (Notierungen am 30.5.2012) [24], [26], [27], [28], [29], [30]9

Die wesentlichen Ursachen für diese großen Unterschiede liegen vor allem in den unter-schiedlichen Annahmen zur Entwicklung der Gas- und CO2-Preise sowie der Stromnachfrage – die Studien gehen bspw. für das Jahr 2020 von Gaspreisen zwischen 25 und 40 €2012/MWh und CO2-Preisen zwischen 25 und 50 €2012/tCO2 aus. Im Vergleich dazu liegen derzeit für den Lieferzeitraum 2015 die Preise für Gas bei etwa 25 €2012/MWh und für CO2-Zertifikate bei rd. 10 €2012/tCO2. Entsprechend befinden sich auch die aktuellen Forward-Notierungen im Strom-

9 Da sich die Ergebnisse der Studien auf unterschiedliche Basisjahre (zwischen 2007 und 2009) beziehen, wurden diese auf einen einheitli-

chen Geldwert des Jahres 2012 umgerechnet.

30

40

50

60

70

80

90

100

2015 2020 2025 2030

[€2012/MWh]

r2b/EEFA

enervis

PIK/IIRM

Prognos/EWI/GWS

IER/RWI/ZEW

EEX Baseload Year Future* *30.5.2012

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 20

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

markt für 2015 bis 2018 an der unteren Grenze der in Abb. 13 dargestellten Strompreisprog-nosen. Eine ausschließliche Bewertung von Erzeugungsprojekten anhand dieser langfristigen Strompreisprognosen würde daher für den Zeitraum 2020/2030 tendenziell zu einer Über-schätzung der Erlöspotenziale führen, sodass im Folgenden ausgehend von den aktuellen Forward-Notierungen und Langfristprognosen eine qualitativ-quantitative Einschätzung der Strompreisentwicklung bis 2030 durchgeführt wird.

Trotz aller Unsicherheiten lassen die übergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepoli-tischen Randbedingungen einen zumindest moderaten Anstieg der Strompreise für den Zeit-raum nach 2020 erwarten. Zum einen gehen die meisten mittel- und langfristigen Prognosen von einem langsam wieder steigenden Erdgaspreis aus – Abb. 14 zeigt hierzu beispielhaft die in den Szenarios des World Energy Outlook 2011 unterstellte Entwicklung der europäischen Erdgaspreise sowie im Vergleich dazu die aktuelle Notierung des Gasfutures 2013 am virtuel-len Handelspunkt im Marktgebiet der NetConnect Germany (NCG).

Abb. 14: Mittlerer Importpreis für Erdgas nach Europa WEO 2011 sowie NCG Future für Lieferung

2013 (reale Preise im Geldwert 2010 bezogen auf oberen Heizwert; Futures Notierung vom 12.7.2012; Wechselkurs: 1 € = 1,22 $; MBtu = thousand British thermal units) [24], [32]

Zum anderen werden auf europäischer Ebene die aktuell niedrigen Preise für CO2-Zertifikate (Abb. 15) für die Erreichung der langfristigen Klimaschutzziele sehr kritisch bewertet und bereits mögliche Maßnahmen diskutiert, wie die CO2-Preise in der 2013 beginnenden 3. Pha-se des europäischen Zertifikatehandels in einen klimapolitisch „akzeptablen“ Bereich gesteu-ert werden können (vgl. u. a. [33]).

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2010 2015 2020 2025 2030 2035

[$2010/MBtu]

New Policies Scenario

Current Policies Scenario

450 Scenario

NCG Natural Gas Year Futures 2013* *12.7.2012

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 21

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Abb. 15: CO2-Zertifikatpreise in Europa [24]

Analysen gehen davon aus, dass sich der Strompreis bei einem Anstieg des CO2-Preises von derzeit 7 - 9 €/tCO2 auf den in der politischen Diskussion genannten Zielwert von 20 - 25 €/tCO2 um etwa 11 €/MWh erhöhen könnte [34]. Bei einem gleichzeitigen moderaten Anstieg der Gaspreise könnte damit der jahresmittlere Strompreis im Jahr 2020 durchaus um bis zu 15 €/MWh über dem aktuellen Bereich von 45 - 50 €/MWh liegen. Inwieweit dabei die strompreiserhöhenden Effekte von steigenden Gas- und CO2-Preisen durch den Merit Order-Effekt der erneuerbaren Energien wieder „ausgeglichen“ werden können, ist aus heutiger Sicht jedoch nicht eindeutig zu beantworten, da die langfristige Entwicklung sowohl der Commodity-Preise als auch der erneuerbaren Energien von einer gewissen Unsicherheit ge-kennzeichnet ist. Entsprechend sollte in einer Abschätzung der langfristigen Erlöspotenziale von Wasserkraftwerken die Steigerung der Strompreise konservativ bewertet werden – ein Bereich zwischen 50 und 55 €2012/MWh im Zeitraum 2020/2030 und damit eine Steigerung um 5 €2012/MWh gegenüber dem aktuellen Niveau ist dabei aus energiewirtschaftlicher Sicht darstellbar.

Abzuwarten bleibt jedoch, ob mit dem heutigen Marktmodell der grenzkostenbasierten Strompreisbildung ausreichende Investitionsanreize geliefert werden, damit die für die Um-setzung der Energiewende langfristig erforderlichen flexiblen Kraftwerks- und Speicherkapa-zitäten auch tatsächlich errichtet werden. Grundsätzlich werden Unternehmen nur dann in Flexibilitäten auf der Erzeugungs- und Verbraucherseite sowie in Speichertechnologien inves-tieren, wenn über die Lebensdauer der Anlagen eine angemessene Rendite erzielt werden kann. An sich sollte der steigende Bedarf an Flexibilität und Speichern eine solche Rendite mit hoher Wahrscheinlichkeit garantieren und damit Anreize für Investitionen liefern. Der rasante Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien könnte jedoch auch das Ge-genteil bewirken (vgl. Merit Order-Effekt). Damit würden mit dem heutigen Marktmodell der grenzkostenbasierten Strompreisbildung anhand der Merit-Oder-Kurve der verfügbaren Er-zeugungskapazitäten keine ausreichenden Anreize für Investitionen in flexible Kraftwerke und Speicher geliefert werden. In diesem Zusammenhang spricht man häufig auch von einem „Missing Money Problem“, d. h. auf Grund der fehlenden Fixkostendeckung werden bei einer ausschließlich grenzkostenbasierten Preisbildung im Strommartkt die benötigten Kraftwerks- und Speicherkapazitäten nicht zugebaut. Ein möglicher Ansatz, um dieses „Investitionsdi-lemma“ aufzulösen, stellen sog. Kapazitätsmärkte dar, bei denen vereinfacht ausgedrückt ne-

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3 Marktumfeld für Wasserkraftprojekte 22

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

ben dem grenzkostenbasierten Energiepreis (€/MWh) zusätzlich noch für eine vorab festge-legte Zeitspanne ein Leistungspreis (€/MW) für die Erzeugungs- oder Speicherkapazität bzw. zu- und abschaltbaren Lasten vergütet wird [35], [36].

Die Diskussionen über Kapazitätsmärkte werden in jüngster Zeit sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene intensiver aber auch durchaus kontrovers geführt. In jedem Fall würde die Einführung von Kapazitätsmärkten auf Grund ihres komplexen Designs eine sorg-fältige Analyse der energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Randbedingungen und sinnvollerweise auch eine europaweite Koordination erfordern. Entsprechend ist nicht damit zu rechnen, dass ein solcher massiver Eingriff in das Marktdesign deutlich vor dem Jahr 2020 erfolgt und damit Zusatzerlöse für flexible Kraftwerke und Speicher aus der gesicherten Be-reitstellung von Erzeugungsleistung vor diesem Zeitpunkt möglich sind. Langfristig ist jedoch zu erwarten, dass auch die gesicherte Leistung österreichischer Speicherkraftwerke in einem von Wind- und Solarstrom dominierten europäischen Stromversorgungssystem finanziell ver-gütet wird. Eine Quantifizierung der möglichen Kapazitätsprämien für Speicherkraftwerke bzw. auch andere Erzeugungs- und Speicheroptionen wird jedoch erst dann möglich sein, wenn die konkreten Randbedingungen eines Kapazitätsmarkts festgelegt worden sind. Erfah-rungen aus Märkten mit bestehenden Kapazitätsprämien zeigen jedoch eine vergleichsweise große Spannbreite. Beispielsweise erhalten in Spanien Kraftwerke im Jahr 2012 zwischen rd. 1.200 und 4.600 €/MW wohingegen in den USA zwischen 20.000 und 35.000 €/MW p.a. in der Vergangenheit vergütet wurden [37], [38].

Fazit: Im Gegensatz zu den mittel- und langfristig prinzipiell sehr positiven energiewirt-schaftlichen Randbedingungen für den Bau neuer Wasserkraftwerke haben sich die Preise im Strom- und z. T. auch im Regelenergiemarkt aus Sicht der Wasserkraft in den letzten drei bis vier Jahren tendenziell ungünstig entwickelt. Neben vergleichsweise niedrigen CO2- und Gaspreisen hat vor allem der unerwartet starke Zubau an erneuerbaren Energien in Deutschland die Großhandelspreise im deutsch-österreichischen Marktgebiet unter Druck gesetzt. Auch wenn kurzfristig eine nachhaltige Erholung der Börsenstrompreise nicht zu erwarten ist, kann insbesondere von einem klimapolitisch gewollten Erhöhung der CO2-Preise auch für den Strommarkt ein positiver Impuls ausgehen, so dass im Zeitraum 2020/2030 ein jahresmittlerer Strompreis zwischen 50 und 55 €2012/MWh aus energiewirt-schaftlicher Sicht darstellbar ist. Zusätzlich werden von den in Diskussion befindlichen re-gulatorischen Anpassungen im Marktdesign auch Speicherkraftwerke profitieren können, wenn bspw. über Kapazitätsmärkte die Bereitstellung gesicherter Leistung in flexiblen Er-zeugungs- und Speicherkapazitäten zusätzlich vergütet wird.

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4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel 23

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel

Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks Obere Isel (KWOI) stellt die Höhe der Erlöse aus der Vermarktung des erzeugten Stroms aber auch der gesichert vorgehaltenen Leistung eine wesentliche Randbedingung dar. Bei „typischen“ Finanzierungsstrukturen von Wasserkraftwerken sind die Erlöse der ersten 10 bis 15 Jahre nach Inbetriebnahme dabei von besonderer Relevanz – für KWOI also etwa die Jahre 2020 bis 2030.

Im Folgenden Abschnitt wird daher ausgehend von einer ex-post Analyse der KWOI-Einsatzcharakteristik im deutsch-österreichischen Strommarkt in den Jahren 2004 - 2011 eine qualitativ-quantitative Prognose der Erlöspotenziale für den Zeitraum 2020/2030 unter Be-rücksichtigung der Chancen und Risiken im Kontext der Energiewende 2050 durchgeführt.

4.1 Ein Blick zurück: Ex-post Analyse Strommarkt 2004 - 2011 Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Bewertung eines Wasserkraftwerks auf Grundlage histo-rischer Strompreise können zwar nicht unmittelbar in die Zukunft fortgeschrieben werden, es lassen sich jedoch wichtige energiewirtschaftliche Erkenntnisse u. a. in Bezug auf die Ein-satzoptimierung und Auslegung der Anlage gewinnen, die für eine Bewertung der zukünfti-gen Erlöspotenziale berücksichtigt werden sollten.

Die Bewertung von Stromerzeugungsanlagen kann dabei grundsätzlich nicht auf Basis der in Abb. 8 dargestellten jahresmittleren Strompreise erfolgen, sondern es müssen die tages- und jahreszeitlichen Unterschiede im Erzeugungsverhalten in Bezug zu den ebenfalls im Tages- und Jahresverlauf schwankenden Strompreisen gesetzt werden. Abb. 16 zeigt hierzu beispiel-haft für 2011 die stündlichen Spotmarktpreise an der EEX sowie den Jahresmittelwert10.

Abb. 16: Stündliche EEX-Spotmarktpreise im Jahr 2011 sowie Mittelwert und Jahresdauerlinie [24]

10 In Abb. 18 sind die Preise im Geldwert 2011 dargestellt, wohingegen in Abb. 10 die nominalen Strompreise

der einzelnen Jahre auf einen einheitlichen Geldwert 2012 umgerechnet wurden. Dadurch weichen die darge-stellten jahresmittleren Spotpreise in den beiden Abb. von einander ab (51,1 €2011/MWh bzw. 51,4 €2012/MWh)

51,1 €2011/MWh

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[€2011/MWh]

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Während der Einsatz konventioneller Kohle- oder Gaskraftwerke von der Höhe der Strom-preise abhängig gemacht werden kann, erzeugen die dargebotsabhängigen Technologien Wind- und Wasserkraft sowie Photovoltaik grundsätzlich in Abhängigkeit vom erneuerbaren Energieangebot und nicht von der Höhe der Strompreise. Eine Ausnahme bildet dabei die Speicherwasserkraft, wo in Abhängigkeit von der Zuflusscharakteristik und Speichergröße eine Optimierung des Kraftwerkseinsatzes zur Erzeugung in den Stunden mit den höchsten Strompreisen erfolgen kann. Eine solche Einsatzoptimierung wurde im Rahmen dieser Studie für das Kraftwerk Obere Isel für die Jahre 2004 bis 2011 anhand der zur Verfügung stehenden hydrologischen Daten sowie EEX-Spotmarktpreise in stündlicher Auflösung modelliert11. Zur Umsetzung der Modellierung wurden die technischen und hydrologischen Parametern des Kraftwerks im Speicheroptimierungs- und -simulationsprogramm SOPSIM12 der e3 consult abgebildet und der jährliche Einsatz für die Jahre 2004 bis 2011 stundenscharf mit der Ziel-funktion einer Maximierung der Erlöse optimiert. Als Randbedingungen wurden dabei die folgenden Parameter berücksichtigt:

• Ausbaumenge Wasserfassung: 19,0 m3/s

• Ausbaudurchfluss Turbine: 15,0 m3/s

• Engpassleistung elektrisch: 47,0 MW

• Mittlerer Energiekennwert: 0,870 kWh/m3

• Speichervolumen: 200.000 m3 (80.000 m3 Stollenspeicher und 120.000 m3 Speichersee)

• Regelarbeitsvermögen: 130 GWh/a

• Eigenverbrauch für Pumpstation Dorferbach: 2,8% der jeweiligen Jahreserzeugung

• Nutzbarer Wasserabfluss: Stündliche energiewirtschaftlich nutzbare Wassermenge unter Berücksichtigung vorgeschriebener Restwassermengen für die Jahre 2001 - 2009 [39]

• Strompreis: Stündliche Day-Ahead EEX-/EPEX-Spotpreise für das Marktgebiet Deutschland-Österreich [24]

Die Ergebnisse der Einsatzoptimierung sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Dabei sind bei den jährlichen Erzeugungsmengen und Erlösen der energetische Verbrauch der Pumpstation Dorferbach und die daraus resultierenden geringeren Erlöse bereits berücksichtigt. Zur besse-ren Vergleichbarkeit der Ergebnisse werden die nominalen Größen über den jeweiligen Ver-braucherpreisindex (VPI) 2000 auf den Geldwert des Jahres 2012 inflationsbereinigt darge-stellt. Im Mittel der betrachteten Jahre liegt die Erzeugung der Anlage bei rd. 132 GWh/a und damit etwas über dem auf Basis langjähriger Abflusskennlinien hergeleiteten Regelarbeits-vermögen von 130 GWh/a. Abzüglich des mittleren Pumpstromverbrauchs der Beileitung

11 Da für die Jahre 2010 und 2011 die hydrologischen Daten nicht vollständig stundenscharf vorlagen, wurden

die beiden Jahre mit den hydrologischen Zuflussreihen des Jahres 2006 modelliert, das sowohl in Bezug auf Abflusscharakteristik als auch Abflusshöhe einen repräsentativen Mittelwert der Jahre 2004 bis 2009 darstellt.

12 Lineares Optimierungsmodell realisiert in GLPK (GNU Linear Programming Kit; http://www.gnu.org/soft-ware/glpk/)

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4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel 25

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Dorferbach von knapp 4 GWh/a ergibt sich somit eine „vermarktbare“ mittlere jährliche Er-zeugungsmenge von rd. 128 GWh/a. Bei einer vollständigen Vermarktung der Jahreserzeu-gung am Spotmarkt hätten im Durchschnitt ca. 7,2 Mio. €2012 erlöst werden können, wobei in Abhängigkeit von der jährlich verfügbaren Wassermenge und des jeweiligen Strompreisni-veaus die Bandbreite zwischen 5,1 und 10,7 Mio. €2012 liegt.

Tabelle 1: Ergebnisse Einsatzoptimierung KWOI im EEX-Spotmarkt 2004 - 2011

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Erzeugung1 GWh/a 133,2 122,4 130,4 115,7 126,3 136,8 130,4 130,4

Gesamterlös (nominal)1 Mio. € 4,4 6,6 7,7 5,3 10,1 5,7 6,4 7,2

Inflation (VPI 2000)2 % 116,3% 113,7% 112,0% 109,7% 106,3% 105,7% 103,8% 100,6%

Gesamterlös €20121 Mio. € 5,1 7,6 8,7 5,8 10,7 6,1 6,7 7,3

Spezifischer Erlös €2012 €/MWh 38,1 61,7 66,4 49,8 84,8 44,2 51,1 55,9

Basepreis €2012 €/MWh 33,2 52,3 56,9 41,7 69,9 41,1 46,2 51,4

Upside zu Basepreis % 115% 118% 117% 119% 121% 108% 111% 109% 1 exkl. Pumpstromverbrauch Beileitung Dorferbach; 2 2012 = 100 %

Durch die Möglichkeit, die Abarbeitung des energiewirtschaftlich nutzbaren Wasserabflusses zum Teil in Stunden mit höheren Strompreisen verschieben zu können, liegen die spezifi-schen Erlöse mit rd. 56,5 €2012/MWh im Durchschnitt um 15 % über den jahresmittleren Spotpreisen. Auf Grund des mit 200.000 m3 verhältnismäßig kleinen Speichervolumens (Ab-arbeitung bei 15 m3/s Ausbauwassermenge in 3:45 Stunden) kann mit dem KWOI keine sai-sonale Verschiebung der nutzbaren Wassermengen, sondern in Abhängigkeit der Abfluss-mengen nur eine Optimierung im Tages- oder Wochenverlauf erfolgen. Abb. 17 zeigt hierzu exemplarisch die nutzbaren stündlichen Abflussmengen und die daraus simulierte Einsatzcha-rakteristik für die Jahre 2008 und 2009.

Abb. 17: Nutzbare Abflussmengen (orange) und optimierte Erzeugung KWOI (schwarz) im Stunden-

verlauf für 2008 (oben) und 2009 (unten)

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[m3/s] [MWh/h]

Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

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1 732 1463 2194 2925 3656 4387 5118 5849 6580 7311 8042 8773

[m3/s] [MWh/h]

Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Gut zu erkennen ist zum einen, dass in den abflussschwachen Wintermonaten die Erzeugung in vergleichsweise wenigen Stunden konzentriert ist, da hier über die Speicherfunktion die stochastisch auftretenden Strompreisspitzen trotz des geringen mittleren Abflusses mit 100 % der Nennleistung „abgefahren“ werden können. Zum anderen können auch in den Monaten mit sehr hohen durchschnittlichen Abflüssen (Mai bis August) die nutzbaren Abflussmengen unter die Ausbauwassermenge von 15 m3/s fallen. Trotz des mit 200.000 m3 verhältnismäßig kleinen Speichervolumens führt der Speicher daher auch in den Sommermonaten zu einer Optimierung des Kraftwerkseinsatzes und dadurch bei derselben Abflusscharakteristik in Summe auch zu einer Erhöhung der Gesamterzeugung im Vergleich zu einer reinen Lauf-kraftanlage. In Abb. 18 ist dies im Detail anhand der nutzbaren Abflussmengen für den 18. bis 24. Juni der Jahre 2007, 2008 und 2009 zu sehen.

Abb. 18: Nutzbarer Abfluss KWOI zwischen 18. und 26.6. in den Jahren 2007, 2008 und 2009 [39]

Innerhalb der exemplarisch dargestellten Wochen der Jahre 2007 - 2009 liegt der stundenmitt-lere Abfluss im Mittel in 53 % der Stunden unter der Ausbauwassermenge von 15 m3/s. Im gesamten Zeitraum 2001 - 2009, für den im Rahmen dieser Studie stündliche Abflussdaten verfügbar waren, lag der Abfluss zwischen 18. und 24. Juni in immerhin 47 % der Stunden unter 15 m3/s, wobei nur in 2 Jahren (2002 und 2006) während der gesamten 7 Tage der nutz-bare Abfluss durchgehend über 15 m3/s war. Die Speicherfunktion des geplanten KWOI führt damit nicht nur in den abflussärmeren Wintermonaten sondern auch in den Sommermonaten mit hohem aber stark schwankendem Abfluss zu einem energiewirtschaftlichen Mehrwert.

Grundsätzlich steigt der energiewirtschaftliche Wert eines Wasserkraftwerks mit zunehmen-der Speichergröße, jedoch besteht i. Allg. kein linearer Zusammenhang zwischen Speicher-größe und Erlöspotenzial, vielmehr nähern sich die Erlöse asymptotisch einem Grenzwert an. Um die Frage der „optimalen“ Speichergröße für das Kraftwerksprojekt Obere Isel beantwor-ten zu können, wurde daher zusätzlich zu den Simulationen mit dem projektierten Speicher-

0 5

10 15 20 25 30 35 40 45 50

1 25 49 73 97 121 145

[m3/s]

2007 2008 2009 Ausbauwassermenge

18.6. 19.6. 20.6. 21.6. 22.6. 23.6. 24.6.

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

volumen von 200.000 m3 eine Variation der Speichergröße zwischen 0 und 1 Mio. m3 durch-geführt – die entsprechenden Ergebnisse sind in Abb. 19 dargestellt.

Abb. 19: Erlöspotenziale des Kraftwerks Obere Isel im deutsch-österreichischen Day-Ahead-

Spotmarkt 2004 bis 2011 in Abhängigkeit unterschiedlicher Speichergrößen

Das Ergebnis der Simulationsläufe zeigt, dass das derzeit projektierte Speichervolumen von in Summe 200.000 m3 am unteren Ende eines Bereichs liegt, in dem eine weitere Vergrößerung des Speichervolumens nur noch einen vergleichsweise geringen Effekt auf die Erlöspotenziale in den Jahren 2004 - 2011 gehabt hätte. Das projektierte Speichervolumen liegt damit inner-halb einer aus energiewirtschaftlicher Sicht sinnvollen Bandbreite, zumal ein Kraftwerk mit einem deutlich kleineren Speicher auch den Nachteil hätte, am Regelenergie- oder einem zu-künftigen Kapazitätsmarkt nur eingeschränkt teilnehmen zu können. Für die abschließende Beantwortung der Frage der „optimalen“ Speichergröße sind neben der Erlösseite zusätzlich auch die Kostenseite, also die Investitionskosten für den Speicher, zu berücksichtigen, welche im Rahmen dieser Studie jedoch nicht betrachtet werden.

4.2 Chancen und Risiken im Kontext Energiewende 2050 Mit dem in Kapitel 3.2 dargestellten Ausblick auf die Strompreisentwicklung im Zeitraum 2020/2030 sowie der in Kapitel 4.1 durchgeführten Bewertung anhand historischer Strom-preise kann eine erste Einschätzung der Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel gegeben werden. Jedoch werden bei einer solchen Betrachtung mögliche zusätzliche Chancen – aber auch Risiken – für Speicherkraftwerke nicht notwendigerweise berücksichtigt, die sich aus den mit der Umsetzung der nationalen und europäischen Klima- und Erneuerbaren-Ziele zusammenhängenden Veränderungen im Strommarkt ergeben können. Die folgenden Aspekte werden in diesem Zusammenhang für das KWOI dargestellt und diskutiert:

2004

2005

2006

2007

2008

2009 2010 2011

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11

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0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

Erl

öse

in M

io. €

2012

/a

Speichervolumen in Mio. m3

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4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel 28

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

• Langfristige Entwicklung des Speicherbedarfs

• Neue Speichertechnologien

• Steigende Volatilität der Strompreise

• Untertägige Einsatzoptimierung im Intraday-Markt

• Kapazitätsprämie für die Bereitstellung gesicherter Leistung

Ein grundsätzliches Risiko bei der Bewertung von Speicherkraftwerken stellt die langfristige Entwicklung des Speicherbedarfs dar, der zum einen von der Geschwindigkeit des Ausbaus der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und damit vom Bedarf an zusätzlicher flexib-ler Erzeugungs- und Speicherleistung abhängig ist. Zum anderen werden Speicherkraftwerke im Wettbewerb mit anderen Erzeugungs- (z. B. GuD-, Blockheizkraftwerke) und Speicher-technologien (z. B. Batterien) sowie einem intelligenten Lastmanagement stehen. Beispiels-weise zeigt eine aktuelle VDE-Studie für Deutschland [40], dass die schwankende Erzeugung von Windkraft und PV bis zu einem Anteil der erneuerbaren Energien an der jährlichen Stromerzeugung von etwa 40 % durch thermische Kraftwerke und eine geringe Abregelung der Erneuerbaren effizient ausgeglichen werden kann. Erst ab einem Anteil von 40 % werden zusätzliche Kurz- und Langzeitspeicher parallel zum Ausbau der Erneuerbaren für die Auf-rechterhaltung einer stabilen Stromversorgung erforderlich. Nach den Zielen des aktuellen Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) soll dieser Anteil in Deutschland zwischen 2020 und 2025 erreicht und bis 2050 auf 80 % ausgebaut werden. Für einen 80 %-Anteil der erneuerba-ren Energien schätzt die o. a. VDE-Studie, dass in einem volkswirtschaftlich optimierten Stromversorgungssystem zusätzlich zu den heute vorhandenen Speichern etwa 14 GW bzw. 70 GWh an Kurzzeitspeichern und ca. 18 GW bzw. 7,5 TWh an Langzeitspeichern benötigt werden. Auch wenn sich dieser Speicherbedarf primär auf Strom-zu-Strom-Speichertechnologien bezieht, zeigt der Vergleich zum aktuellen Speicherbestand in Deutsch-land (ca. 6,5 GW bzw. 40 GWh), dass langfristig ein sehr hoher Bedarf an zusätzlicher flexib-ler Erzeugungs- und Speicherleistung besteht, von dem auch Speicherkraftwerke ohne Pump-option – wie KWOI – profitieren können. Insofern kann unter der Prämisse einer weiteren Umsetzung der nationalen und europäischen Klima- und Erneuerbaren-Ziele das Risiko eines nicht gegebenen zusätzlichen Flexibilitäts- und Speicherbedarfs im deutsch-österreichischen aber auch europäischen Stromversorgungssystem als gering eingestuft werden.

Neben diesem (geringen) Mengenrisiko besteht grundsätzlich auch ein Technologierisiko, da für die Systemintegration erneuerbarer Energien neben den seit Jahrzehnten marktreif verfüg-baren Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken zukünftig beispielsweise dezentrale Klein-speicher oder die chemische Speicherung des erneuerbaren Stroms als Wasserstoff bzw. syn-thetisches Methan genutzt werden können. Allerdings sind Batteriespeicher derzeit noch rela-tiv weit von einer wirtschaftlichen Anwendbarkeit zur großtechnischen Stromspeicherung entfernt bzw. befindet sich das Konzept der Wasserstoff- und Methanspeicherung erst am Anfang der Forschungs- und Entwicklungsphase. So geht das an sich sehr optimistische Eck-punktpapier der Deutschen Energie-Agentur zu Speichergas davon aus, dass die Systemlö-

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e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

sung Power to Gas nicht vor dem Zeitkorridor 2020/25 als [...wirtschaftlich tragfähige, groß-technisch erprobte Option...] verfügbar sein wird [41]. Auch zweifelt mittlerweile selbst der deutsche Umweltminister Altmaier daran, dass die Zielvorgabe der deutschen Bundesregie-rung bei der Elektromobilität von 1 Mio. Fahrzeuge bis 2020 auch nur annähernd erreicht werden kann [42]. Damit würden die in den Fahrzeugen installierten Speicher jedoch auch nicht zur Netzregelung und Lieferung von Reserveleistung zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund kann zumindest für den Zeitraum bis 2030 unterstellt werden, dass die Entwick-lung der Strompreise nicht nachhaltig von einer signifikanten Marktdurchdringungen mit Bat-terie- und Wasserstoff-/Methanspeichern negativ beeinflusst wird. Auch hier kann für das Kraftwerksprojekt Obere Isel das unmittelbare Risiko einer „Marktverdrängung“ durch alter-native Speichertechnologien als gering bewertet werden kann.

Neben den Risiken durch eine beschleunigte technologische Innovation liefert die Energie-wende für das KWOI aber auch Chancen, die sich aus dem insgesamt steigenden Bedarf für flexible Erzeugungs- und Speicherkapazitäten ableiten lassen. Durch den volatilen Charakter der Wind- und PV-Stromerzeugung und der damit einhergehenden starken Schwankungen im Angebot an verfügbarer Kraftwerksleistung ist zu erwarten, dass mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien die Volatilität im Strommarkt wieder ansteigen wird. Auch bei einem im Jahresmittel ggf. nur moderat steigenden Strompreis (vgl. Kapitel 3.2) kann sich dadurch die wirtschaftliche Attraktivität von schnell regelfähigen Speicherkraftwerken deut-lich erhöhen, da parallel zur Volatilität der Strompreise auch die „Upside“-Potenziale gegen-über dem Jahresbasepreis ansteigen werden. Abb. 20 zeigt diesen grundlegenden Zusammen-hang anhand der Jahresdauerlinie der stündlichen Forwardkurve13 für 2012 sowie zweier Sze-narios der fundamentalen Strompreisprognose der Trianel für 2025 [43].

Abb. 20: Modellierter Effekt erneuerbarer Energien auf die Volatilität der stündlichen Strompreise

(HPFC: Hourly Price Forward Curve) [43]

13 Die stündliche Forwardkurve (hourly price forward curve, HPFC) bildet den für einen definierten Zeitraum verfügbaren Forwardpreis

(z. B. 1 Jahr) in einer stündlichen Ganglinie ab. Die „Umwandlung“ erfolgt dabei modellgestützt auf Basis historischer Erfahrungswerte sowie einer Prognose über die kurzfristig auf die Strompreisbildung wirkenden Einflussfaktoren.

Stunden

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4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel 30

e3 consult Energiewirtschaftliche Perspektiven Kraftwerk Obere Isel

Die Kurven stellen dabei den gleitenden Mittelwert der jeweils auf- bzw. absteigend sortierten stündlichen Strompreise dar und sind so zu interpretieren, dass beispielsweise für die Sensiti-vität C (d. h. ein Szenario mit einem deutlich höheren Anteil der erneuerbaren Energien als in der dargestellten HPFC des Jahrs 2012) der Mittelwert der 2.000 teuersten Stunden etwa bei 175 % und der Mittelwert der 2.000 billigsten Stunden bei etwa 25 % des Basepreises liegt. Im Vergleich hierzu liegt

Für das Kraftwerk Obere Isel und seine Möglichkeit, über die Bewirtschaftung des Speichers die Erzeugung zu einem Teil an die Höhe der Strompreise anzupassen, führt eine steigende Volatilität der Strompreise damit zu einem höheren mittleren Erlös je erzeugter MWh. Auch wenn dieses „Upside-Potenzial“ gegenüber dem Basepreis in den vergangenen 3 Jahren auf etwa 10 % zurückgegangen ist (vgl. Tabelle 1), sollte mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien mittel- und langfristig jedoch zumindest wieder die obere Bandbreite der vergangenen 8 Jahre erreicht werden. Als eher moderater Ansatz wird daher für den Zeitraum 2020/2030 ein „Upside“ von 15 - 18 % für die Bewertung des Kraft-werksprojekts Obere Isel berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die-ser Mehrerlös gegenüber dem Basepreis nicht auf andere Wasserkraftwerke übertragen wer-den kann, da diese i. Allg. vom KWOI abweichende hydrologische sowie technische Eigen-schaften haben werden. Dies gilt insbesondere für reine Laufwasseranlagen, die im Extremfall sogar einen unter dem jahresmittleren Basepreis liegenden spezifischen Erlös zeigen können.

Zusätzlich zur Optimierung des Speichereinsatzes im Day-Ahead-Spotmarkt wird zukünftig eine untertägige Einsatzoptimierung im Intraday-Markt an Bedeutung gewinnen. Durch die Möglichkeit, systemimmanente Prognoseabweichungen der Last und vor allem der Erneuerba-ren im Intraday-Markt ausgleichen zu können, liegt die Volatilität der Preise im Intraday-Markt i. Allg. höher als im Day-Ahead-Markt. In Abb. 21 ist dies am Beispiel des EPEX-Spotmarkts Day-Ahead und Intraday für jeweils eine Woche im Jänner und Juni 2012 dargestellt.

Abb. 21: EPEX-Spotmarkt Day-Ahead und Intraday Spotmarktpreise (gewichteter Stundenwert) für

die Wochen 23. - 29.1.2012 und 18. - 24.6.2012 [44]

0 20 40 60 80

100

1 25 49 73 97 121 145

€/MWh] Day Ahead Intraday

0

20

40

60

80

1 25 49 73 97 121 145

€/MWh]

18.6. 19.6. 20.6. 21.6. 22.6. 23.6. 24.6.

23.1. 24.1. 25.1. 26.1. 27.1. 28.1. 29.1.

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4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel 31

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Gut zu erkennen ist dabei, dass die Volatilität der Spotpreise im Intraday-Markt deutlich hö-her als im Day-Ahead-Markt ist und damit Speicherkraftwerke bei einer untertägigen Ein-satzoptimierung zusätzliche Erlöspotenziale erschließen können. In den exemplarisch analy-sierten Wochen liegen die mittleren Preise im Intraday-Markt um 3,2 bzw. 2,0 €/MWh (rd. 8 bzw. 4 %) über den Day-Ahead-Preisen – bei einer Optimierung des Speichereinsatzes in bei-den Märkten kann gegenüber dem ausschließlichen Einsatz im Day-Ahead-Markt das „Upsi-de“ sogar bis zu 13 % (5,1 €/MWh; 23. - 29.1.2012) bzw. 6 % (2,7 €/MWh; 18. - 24.6.2012) erreichen. Allerdings wird es in der praktischen Umsetzung der Kraftwerkseinsatzoptimierung nicht möglich sein, immer die jeweils höchsten Preise im vor- bzw. untertägigen Spotmarkt zu erzielen. Auch können die Ergebnisse der beiden exemplarisch dargestellten Wochen nicht ohne eine weitergehende Analyse des Intraday-Markts auf einen längeren Zeitraum übertra-gen werden. Jedoch wird allgemein davon ausgegangen, dass Intraday-Märkte zukünftig vor allem für den Ausgleich der schwankenden erneuerbaren Energien weiter an Bedeutung ge-winnen werden (u. a. [45], [46]), wodurch sich gerade für Speicherkraftwerke zusätzliche attraktive Vermarktungsoptionen ergeben können. Für die Ermittlung der Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel sollte jedoch im Hinblick auf eine konservative Bewertung nur ein zusätzlicher Wertbeitrag aus der Möglichkeit einer untertägigen Einsatzoptimierung von 1 - 2 €2012/MWh berücksichtigt werden, auch wenn sich längerfristig durchaus höhere Opti-mierungspotenziale ergeben sollten.

Der energiewirtschaftliche Wert eines Speicherkraftwerks zeigt sich jedoch nicht ausschließ-lich in den gegenüber dem jahresmittleren Basepreis höheren spezifischen Erlösen sondern auch durch die Möglichkeit, eine zusätzliche Kapazitätsprämie für die Bereitstellung gesi-cherter Leistung erhalten zu können, was heute bei einer Vermarktung von Regelleistung und zukünftig ggf. auch im Rahmen eines Kapazitätsmarkts möglich ist. Die Vermarktung von Regelleistung ist dabei vor allem im deutschen Markt attraktiv, der im Vergleich zu Ös-terreich eine deutlich höhere Nachfrage und ein tendenziell höheres Preisniveau aufweist. Zwar ist der grenzüberschreitende Handel von Regelleistung bisher nur eingeschränkt mög-lich; die Europäische Kommission hat den Prozess zur Entwicklung eines wettbewerblichen europäischen Regelenergie- und Regelleistungsmarktes jedoch bereits angestoßen [47], so-dass zukünftig auch die Regelleistungsmärkte der österreichischen Nachbarländer für die Vermarktung heimischer Speicherkraftwerke offen stehen. Allerdings ist die Quantifizierung der möglichen Zusatzerlöse auf dem Regelleistungsmarkt für ein Speicherkraftwerk ver-gleichsweise komplex, da diese neben den Regelleistungs- und Regelenergiepreisen insbe-sondere von der Vermarktungsstrategie abhängig sind. Zusätzlich muss berücksichtigt wer-den, dass ein Kraftwerk in unterschiedlichen Märkten nur eingeschränkt parallel vermarktet werden kann und das eigene Angebot in den Auktionsverfahren für Regelleistung nicht immer einen Zuschlag erhalten wird. Auch wenn das heutige Preisniveau am Regelleistungsmarkt im langjährigen Vergleich bereits sehr niedrig liegt14, sollte daher für die Quantifizierung der

14 Die Preise im deutschen Regelleistungsmarkt lagen bspw. in dem in Abb. 12 dargestellten Zeitraum für positive und negative Sekun-

därregeleistung bei etwa 250 €/MW, was etwa 55.000 bzw. 90.000 €/MW*a entspricht und für positive bzw. negative Minutenreserve bei etwa 10.000 - 15.000 €/MW*a bzw. 30.000 - 40.000 €/MW*a.

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langfristig möglichen Zusatzerlöse für das Kraftwerk Obere Isel ein sehr konservativer Ansatz gewählt werden. Werden dabei die Zusatzerlöse aus der Regelleistungsvermarktung und die Erlöse aus einem nach 2020 sehr wahrscheinlichen Kapazitätsmarkt gemeinsam als „Kapazi-tätsprämie für die Bereitstellung gesicherter Leistung“ betrachtet, kann eine konservative aber durchaus realistische Bandbreite mit 5.000 - 8.000 €/MW*a abgeschätzt werden. Bei einer geplanten Nennleistung des KWOI von 46,5 MW und einer mittleren Jahreserzeugung von 130 GWh/a entspricht dies einem Erlöspotenzial von etwa 2 - 3 €/MWh.

4.3 Zusammenführung der Ergebnisse Aufbauend auf dem in Kapitel 3.2 dargestellten Ausblick auf das allgemeine Marktumfeld für Wasserkraftprojekte können die Ergebnisse der in Kapitel 4.2 aufgezeigten und quantifizier-ten Erlöspotenziale für das Kraftwerk Obere Isel zu einer abschließenden Aussage in Bezug auf die aus energiewirtschaftlicher Sicht darstellbaren mittleren spezifischen Erlöse für den Zeitraum 2020/2030 zusammengeführt werden (Abb. 22).

Abb. 22: Erlöspotenziale des Kraftwerks Obere Isel zwischen 2020 und 2030

Ausgehend vom aktuellen Niveau im Spot- und Forwardmarkt (45 - 50 €2012/MWh) sollte sich der jahresmittlere Strompreis insbesondere durch die bereits intensiv diskutierte klimapoli-tisch gewollte Erhöhung der CO2-Preise zumindest auf einen Bereich von 50 - 55 €2012/MWh entwickeln. Mit dem weiteren Ausbau der Stromerzeugung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien wird auch die Volatilität im Strommarkt wieder steigen, sodass über die Einsatzop-timierung des Speichers im Kraftwerk Obere Isel ein um 15 - 18 % über dem Jahresbasepreis liegender spezifischer Erlös erzielt werden kann (58 - 65 €2012/MWh). Zusätzliche Erlöse können durch die Möglichkeit einer untertägigen Einsatzoptimierung im Intraday-Markt so-wie die Bereitstellung gesicherter Leistung im Regelleistungs- und zukünftig ggf. auch im

45 50

58 61

50 55

65 70

Aktuelles Strompreisniveau

Strompreisniveau nach 2020

Einsatzoptimierung Speicher

Intraday-Opt. + gesicherte Leistung

[€2012/MWh]

steigende Gas- und CO2-Preise + höhere Volatilität der Strompreise +

untertägige Einsatzoptimierung + Anpassungen im Marktdesign

65 €/MWh

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4 Erlöspotenziale des Kraftwerksprojekts Obere Isel 33

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Kapazitätsmarkt erzielt werden (3 - 5 €2012/MWh), sodass sich aus energiewirtschaftlicher Sicht eine Bandbreite der spezifischen Erlöse von 61 bis 70 €2012/MWh für das Kraft-werk Obere Isel im Zeitraum 2020 bis 2030 darstellen lässt.

Ergänzend anzumerken ist dabei, dass dieses Erlöspotenzial nicht unmittelbar auf andere Wasserkraftwerke angewendet werden kann, da auf Grund der in der Regel unterschiedlichen Abflussregimes und Anlagenparameter grundsätzlich eine standort- und projektbezogene Be-wertung erfolgen muss.

Fazit: Trotz des verhältnismäßig kleinen Volumens von 200.000 m3 kann über den Spei-cher des Kraftwerks Obere Isel der Kraftwerkseinsatz so optimiert werden, dass die spezifi-schen Erlöse im Durchschnitt der vergangenen 8 Jahre um rd. 15 % über den jahresmittle-ren Spotpreisen gelegen hätten. Die durchgeführten Simulationsläufe zeigt im Weiteren, dass aus energiewirtschaftlicher Sicht das projektierte Speichervolumen in einer für den Kraftwerksstandort sinnvollen Bandbreite liegt. Durch den Umbau unseres Stromversor-gungssystems hin zu einem auf fluktuierenden erneuerbaren Energien basierenden Erzeu-gungspark werden für flexible Erzeugungs- und Speichertechnologien zukünftig zusätzliche Erlöspotenziale erschlossen. Im Ergebnis kann aus der durchgeführten energiewirtschaftli-chen Analyse damit eine Bandbreite der spezifischen Erlöse von 61 bis 70 €2012/MWh ab-geleitet werden, die das Kraftwerk Obere Isel im Zeitraum 2020 bis 2030 erwirtschaften kann.

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5 Literatur 34

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5 Literatur [1] INFRA Project Development GmbH: Wasserkraft Obere Isel - Der Virgentaler Weg,

http://www.virgentalerweg.at/ (aufgerufen am 8. Juni 2012). [2] Bürgerinitiative gegen das Kraftwerk Virgental: http://kraftwerk-virgental.at/ (aufgerufen am

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online.at/osttirol-privat/forum/6-leserbriefe/1156-isel-strom-fuer-wen (aufgerufen am 8. Juni 2012). [4] European Commission (2008): EU Klima- und Energiepaket vom 17. Dezember 2008. [5] European Commission (2011): A Roadmap for moving to a competitive low carbon economy

in 2050 (Energy Roadmap 2050), COM(2011) 885/2. [6] Beurskens, L.W.M.; Hekkenberg, M. (2011): Renewable Energy Projections as Published in

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[10] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Bun-desministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (2010): Energiestrategie Österreich – Maßnahmenvorschläge.

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5 Literatur 35

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[39] Infra/Dr. Krauß ZT GmbH (2012): Excel-Datei der nutzbaren Stundenmittelwerte Kraftwerk Obere Isel.

[40] Adamek, F. et al. (2012): Energiespeicher für die Energiewende, Studie des VDE e.V., Frank-furt a. Main.

[41] Deutsche Energie-Agentur (2012): Eckpunkte einer Roadmap Power to Gas (13.06.2012), Berlin.

[42] Welt Online (2012): Energiewende: Altmaier zweifelt an planmäßiger Umsetzung (15.07.2012). http://www.welt.de/newsticker/news1/article108297002/Energiewende-Altmaier-zweifelt-an-planmaessiger-Umsetzung.html (aufgerufen am 18. Juli 2012).

[43] Kox, A. (2011): Das Investitionsdilemma für konventionelle Kraftwerke Wer schließt die Er-zeugungslücke?, Vortrag im Rahmen der BDEW-Veranstaltung „Kraftwerke 2030 – von der Grundlast zum Backup?“, 18.11.2011, Berlin.

[44] European Power Exchange: Marktdaten Auktions- und Intraday-Handel, verfügbar unter www.epex.com.

[45] Eurelectric (2011): RES Integration and Market Design: are Capacity Remuneration Mecha-nisms needed to ensure generation adequacy?, Brüssel.

[46] Weber, C. (2011): Wettbewerb und Erneuerbare, Vortrag im Rahmen der „Internationalen Energiewirtschaftstagung IWET 2011“, Wien.

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