Pestizide vom Acker holen Artenvielfalt erhalten! · Auf deutschen Äckern werden heute 50 Prozent...

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Gemeinsame Veranstaltung vom 12. Dezember 2016 Pestizide vom Acker holen Artenvielfalt erhalten! Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen Hrsg.: Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Landtag Nordrhein-Westfalen, März 2019

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Gemeinsame Veranstaltung vom 12. Dezember 2016

Pestizide vom Acker holenArtenvielfalt erhalten!

Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

Hrsg.: Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Landtag Nordrhein-Westfalen, März 2019

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2 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

IMPRESSUMAUTORLars Neumeister; Die Kapitel II; V und VIII wurden größtenteils aus dem Bericht des NABU Baden-Württemberg „Pesti-zidbericht Baden-Württemberg“ (2018) übernom-men und angepasst. Deren Autoren sind J. Enssle, L. Neumeister und J. Goedecke.

REDAKTION Anna von Spiczak, Anna Fritsch

Titelbild: @flickr/Global2000 - @Pexels/kie-ker

KONTAKTHERAUSGEBERIN (V.i.S.d.P.)Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Nordr-hein-Westfalen (Visdp)Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf Tel.: +49.211.884 2281 Fax: +49.211.884 3511 E-Mail: [email protected]://gruene-fraktion-nrw.de/www.facebook.com/GrueneFraktionNrw/twitter.com/gruenefraknrwwww.youtube.com/user/grueneltnrw

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3Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

Vorwort

Pestizide vom Acker holen – Artenvielfalt erhalten!

Vorstellung des ersten Pestizidberichts Nordrhein-WestfalensDie Verwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden in der intensiven Landwirtschaft belastet die Tier- und Pflanzenvielfalt. Sie gehört zu den stärksten Treibern des Artenrückgangs in der Agrarlandschaft. Auf deutschen Äckern werden heute 50 Prozent mehr Herbizide, Fungizide und Insektizide eingesetzt als noch 1995 – und das, obwohl die Wirkstoffe immer giftiger werden.

Der starke Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist wahrscheinlich auch ein Hauptgrund für das massive In-sektensterben. Darauf deutet eine Vielzahl von Studien hin. Gerade Insektizide - insbesondere die Grup-pe der Neonicotinoide - stehen hierbei seit Längerem im Fokus. Im Oktober 2017 hat beispielsweise eine Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld dramatisch Zahlen zum Insektensterben in Deutsch-land geliefert. Sie belegt einen alarmierenden Rückgang von 75 Prozent an Biomasse bei Fluginsekten in den letzten 27 Jahren. Besonders betroffen sind Artengruppen wie Schmetterlinge, Wildbienen und Nachtfalter. Das wiederum ist eine Bedrohung für die Biodiversität, unsere Ökosysteme und Ökosystem-leistungen.

Pestizide bis in den Körper nachweisbar

Ackergifte treffen nicht nur genau die Pflanzen und Lebewesen, gegen die sie eingesetzt werden. Sie ver-nichten quasi als Kollateralschaden Wildkräuter und Insekten, die dann wiederum vielen Tierarten als Nahrungsgrundlage fehlen. Damit befördern sie den Verlust der Biodiversität in mehrfacher Weise.

Pestizide belasten unsere Nahrungsmittel, unser Grundwasser und gelangen bis in unsere Körper. Über 90 Prozent des Obstes und Gemüses aus konventioneller Produktion ist mit Pestizidrückständen belastet. Auch in Flüssen und Kleingewässern werden immer wieder solche Rückstände nachgewiesen. Und selbst in Trinkwasservorkommen sind sie zu finden, weshalb Wasserversorger bereits heute viel Geld in die Hand nehmen müssen, um Pestizidrück-stände aus dem Wasser zu entfernen.

Auch Bürger*innen sorgen sich um die Artenvielfalt

Viele Bürger*innen verfolgen diese Entwicklung mit großer Sorge. Das bewies auch das unglaublich er-folgreiche Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt in Bayern. Rund 1,8 Millionen Menschen sind dort in die Rathäuser geströmt, um für einen effektiveren Artenschutz zu unterschreiben. Eine Hauptforderung des Begehrens war ein Verbot von Pestizideinsatz in Schutzgebieten.

Auch die breite Ablehnung innerhalb der Bevölkerung gegen eine Verlängerung der Zulassung des Pe-stizids Glyphosat hat eindrucksvoll gezeigt, dass viele Menschen die unkontrollierte Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ablehnen. Andere Länder handeln bereits. Frankreich etwa strebt ein zeitnahes Verbot von fünf Pestiziden an, denen ein maßgeblicher Anteil am Insektensterben zugesprochen wird. In Deutschland wird ein solches Verbot zwar seit Längerem diskutiert, konkrete Ausstiegs- oder Reduktions-szenarien gibt es bislang jedoch nicht.

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4 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

Gemäß dem Vorsorgeprinzip fordern wir GRÜNE seit Jahren die Reduktion des Pestizideinsatzes. Wir dür-fen unsere Gesundheit, unser wichtigstes Lebensmittel Wasser und unsere Öko-systeme keiner unkalku-lierbaren Gefahr aussetzen. Doch der Pestizideinsatz steigt deutschlandweit und in Nordrhein-Westfalen weiter an, während gleichzeitig das Artensterben voranschreitet.

Wir brauchen eine Pestizidminderungsstrategie

Dass der Pestizideinsatz nicht abnimmt, liegt an den unzureichenden Maßnahmen der Bundespolitik in ihren nationalen Aktionsplänen und den fehlsteuernden Förderregeln der EU-Agrarpolitik. Die landwirt-schaftlichen Betriebe werden von diesen in eine Zwangslage getrieben. Sie müssen auf zu enge Frucht-folgen und intensive Ackerbewirtschaftung setzen, um kurzfristig maximale Erträge zu erzielen. Das Pe-stizidproblem kann aber nicht isoliert betrachtet und gelöst werden. Die Landwirtschaft steht vor vielen Umbrüchen und Herausforderungen, beispielsweise auch bei Düngung und artgerechter Tierhaltung.

Langfristig brauchen wir eine auf Bundesebene erarbeitete effektive Pestizidminderungsstrategie, die den Einsatz von Pestiziden in Masse und Toxizität reguliert, kontrolliert und im Ergebnis auch reduziert.

Der Pestizidbericht: Eine Ausgangsbasis für künftige Reduktionsziele

Für realistische Reduktionsziele brauchen wir zunächst eine Einschätzung des aktuellen Pestizideinsatzes, die mit diesem Bericht erstmals vorliegt. Er basiert auf Erhebungen des beim Bundesministerium für Er-nährung und Landwirtschaft angesiedelten Julius-Kühn-Instituts (JKI), dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Für diese Erhebungen werden Daten zum durchschnittlichen Pestizideinsatz aus mehr als 1.300 landwirtschaftlichen Testbetrieben auf die Anbaufläche der jeweiligen landwirtschaftlichen Kultur hochgerechnet. Für diesen Bericht wurden diese Zahlen vom Pestizidexperten Lars Neumeister auf Nord-rhein-Westfalen heruntergebrochen. Der Bericht liefert somit einen realitätsnahen Eindruck davon, wel-che Pestizid-Gesamtmengen in der Landwirtschaft Nordrhein-Westfalens verwendet werden.

Darüber hinaus beinhaltet der Bericht vier spezifische und bereits andernorts erprobte Reduktionszenari-en. So zeigt er, wie eine deutliche Pestizidreduzierung auch in Nordrhein-Westfalen zeitnah erreicht wer-den könnte, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen würden. Eine solche Reduktion wäre angesichts des dramatischen Artensterbens dringend geboten. Nur wenn wir Vögeln, Insekten und Amphibien sowie Pflanzen wieder eine für sie optimale Lebensumwelt bieten, werden wir das Artenster-ben stoppen können.

Eine deutliche Reduktion des Einsatzes von Pestiziden kann ein entscheidender Hebel sein, um die Um-welt von Giftstoffen zu befreien. Der flächendeckende, regelmäßige und systematische Einsatz von Acker-giften muss dafür einem sparsamen und gezielten Einsatz weichen. Denn die Natur braucht einen erheb-lich verringerten Pestizideinsatz, um wieder zu einem stabilen und artenreichen Ökosystem werden zu können.

Norwich Rüße MdL

Sprecher für Landwirtschaft, Natur-, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW

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Inhaltsverzeichnis

I. Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 6

II. Datengrundlage und Methodik zur Ermittlung des Pestizideinsatzes 8

III. Pestizideinsatz bundesweit 12

IV. Pestizideinsatz in Nordrhein-Westfalen 16

V. Pestizide wirksam reduzieren 19

VI. Reduktionspotentiale 22

VII. Vom Ziel zur Umsetzung 23

VIII. Diskussion der Methodik 27

IX. Literatur 29

Anhang 1 – Karte Betriebsgrößen in Nordrhein-Westfalen 33

Anhang 2 – Karte Verteilung der GAP Fördersummen (Basisprämie und Greening) 34

Anhang 3 – Behandlungsindex und Toxic Load nach Fruchtart 35

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I. Landwirtschaft in Nordrhein-WestfalenDie Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen wird von mittelgroßen Betrieben mit einer Durchschnittsgröße von 25-50 ha bestimmt. In einigen Landkreisen (Lippe, Rhein-Erft, Soest) sind die Betriebe größer. Eine Kar-te der durchschnittlichen Betriebsgröße in NRW befindet sich im Anhang 1.

Die Verteilung der Landnutzung auf der landwirtschaftlichen Fläche in NRW unterscheidet sich nicht stark vom Durchschnitt Deutschlands. Auf etwa 65 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche (ohne Wald) in NRW werden klassische einjährige Ackerkulturen (etwa eine Million ha) angebaut. Dauergrünland wird auf rund 27 Prozent unterhalten. Die restlichen acht Prozent stellen sonstige Ackerkulturen (zum Beispiel Gemüse, Zierpflanzen), Dauerkulturen (Apfelanbau, Baumschulen) und Brachen.

Die Kulturen, in denen der Pestizideinsatz vom JKI erfasst wird, werden auf ca. 850.000 ha angebaut. Das sind ca. 80 Prozent der NRW Ackerfläche. Die folgende Abbildung zeigt die Anbauflächen der erfassten Ackerkulturen in NRW 2011-2017 (Statistisches Bundesamt). Winterweizen und Mais dominieren die Flä-che.

Abbildung 1: Anbauflächen – PAPA Kulturen1 in NRW 2011-2017 ohne Apfelanbau

Im Vergleich zu Deutschland wurden in NRW 2017 deutlich weniger Winterraps und weniger Winterweizen, aber dafür mehr Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben angebaut. Apfelanbau gibt es auf rund 2000 ha. Wein und Hopfen werden nicht angebaut. Abbildung 2 zeigt den Anbau im Jahresvergleich.

1 PAPA = Panel Pflanzenschutz-Anwendungen. Für die PAPA-Erhebungen wurden kulturspezifische Netze von Erhebungsbetrieben geschaffen, in denen jährlich die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel detail-liert erfasst und in anonymisierter Form an das JKI weitergeleitet werden. Siehe: https://papa.julius-kuehn.de/?menuid=1&getlang=de.

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Abbildung 2: Vergleich PAPA Kulturen 2017 in Deutschland und NRW ohne Apfelanbau

Die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung in NRW wurden im Jahr 2017 mit rund 611 Millionen Euro aus der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) gefördert. Das sind 9,4 Prozent der gesamten deutschen GAP-Fördermittel (6,5 Milliarden Euro). Fast 35.000 Empfänger*innen gab es in NRW, im Durch-schnitt wurden etwa 17.500 Euro ausgezahlt. Zwei Drittel der Fördermittel wurden als Basisprämie und für das sogenannte „Greening“2 ausgezahlt. Die Basisprämie ist eine Hektarpauschale und je größer ein Betrieb ist, desto mehr absolute Förderung wird ausgezahlt. Die GAP steht stark in der Kritik und wird für den Zeit-raum 2021-2027 neu festgelegt.

Abbildung 3 zeigt die Verteilung der Fördermittel in NRW nach Förderschema.

Abbildung 3: Verteilung der Agrarsubventionen nach Förderschema in NRW 2017

2 Landwirt*innen erhalten eine flächenbasierte Förderung für Maßnahmen, die Umwelt und Klima zugutekommen, wie beispielsweise den Erhalt permanenten Graslandes. Siehe: https://ec.europa.eu/agriculture/direct-support/gree-ning_en.

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Die meisten Fördermittel in NRW gehen in den Landkreis Warendorf, gefolgt von Soest. Eine Karte mit den GAP Subventionen in NRW nach Landkreis (Basisprämie und Greening) befindet sich in Anhang 23 .

II. Datengrundlage und Methodik zur Ermittlung des Pestizideinsatzes

1. Datengrundlage

Jeder landwirtschaftliche Betrieb ist verpflichtet, seinen Pestizideinsatz gemäß § 11 des Pflanzenschutz-ge-setztes (PflSchG) zu dokumentieren, aber diese Daten werden derzeit nicht zentral von den Behörden erfasst. Daher gibt es zurzeit keine Zahlen zum Pestizideinsatz speziell in Nordrhein-Westfalen. Eine regi-onalspezifi-sche Erhebung wird im Rahmen eines regionalen Reduktionsprogrammes notwendig werden.

Die Daten des Julius-Kühn-Instituts (JKI)

Das Julius-Kühn-Institut (JKI) erhebt seit dem Jahr 2000 bundesweit kulturspezifische Daten zum Einsatz von Pestiziden. Die Erhebungen fanden in der Vergangenheit nicht jährlich statt. Die flächenmäßig bedeut-samen Ackerkulturen (z.B. Getreide, Raps) wurden beispielsweise nur im Jahr 2000 erfasst und dann wieder im Jahr 2011. Seit 2011 gibt es jährliche Erhebungen der bedeutendsten Ackerkulturen Winterweizen, Win-tergerste, Winterroggen, Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben sowie der drei Dauerkulturen Tafeläpfel, Hopfen und Wein. Vollständige Ergebnisse liegen aus den Erhebungen 2011-2017 vor.

Die erhobenen Kulturen repräsentieren etwa 80 Prozent der deutschen Ackerfläche und etwa 70 Prozent des bundesweiten Pestizideinsatzes . Die Anzahl der Testbetriebe bewegt sich zwischen 80 (Hopfen) bis 400 (Zuckerrüben) Betrieben. Die Ergebnisse gelten als repräsentativ und werden im Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) als Referenz verwendet.

Das JKI veröffentlicht folgende Ergebnisse für jede erhobene Kultur und für die relevanten Anwendungs-typen (Herbizide, Fungizide, Insektizide und so weiter):

• Behandlungshäufigkeit• Behandlungsindex• Wirkstoffranking• eingesetzte Menge (Schätzwert in kg) pro Wirkstoff (für 2011-2017 verfügbar) und• behandelte Fläche (Schätzwert in ha) pro Wirkstoff (für 2011-2017 verfügbar).Der Behandlungsindex, die eingesetzten Wirkstoffmengen und die behandelte Fläche pro Wirkstoff sind die wichtigsten Daten für die Bewertung des Pestizideinsatzes. Der Behandlungsindex beschreibt die Intensi-tät des Pestizideinsatzes. Mit den Daten zu den eingesetzten Wirkstoffmengen und den behandelten Flä-chen können, in Verbindung mit Wirkstoffeigenschaften (Giftigkeit, Umweltverhalten), Aussagen über das Risikopotenzial getroffen werden.

3 Eigene Datenauswertung der EU Daten: https://ec.europa.eu/agriculture/cap-funding/beneficiaries/shared_de. 4 Ohne Einberechnung von Dauergrünland. 5 Eigene Berechnung aus den aufsummierten Wirkstoffmengen des JKI und dem veröffentlichten Inlandsabsatz des BVL. 6 Als Behandlungsindex (BI) wird die Anzahl der angewandten Pflanzenschutzmittel bezogen auf die zugelassene Auf-wandmenge und die Anbaufläche bezeichnet. Der Behandlungsindex dient als quantitatives Maß zur Beschrei-bung der Intensität der Anwendung von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln. Die Behandlungshäufigkeit beschreibt dagegen die Anzahl der „Durchfahrten“ mit dem Anwendungsgerät. Da z.B. Fungizide und Insektizide in einer Durchfahrt ausgebracht werden können (als Tankmischung), ist die Behandlungshäufigkeit weniger aussagekräftig als der Behandlungsindex.

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Anbauflächen

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht auf www.destatis.de Berichte zu Wachstum und Ernte für die unterschiedlichen landwirtschaftlichen Kulturen. Daten zum Anbau von Feldfrüchten, Grünland, Baumobst und Wein (Rebflächen) erscheinen jährlich. Diese Berichte enthalten auch Angaben zu den Anbauflächen in den 16 Bundesländern.

Berichte zum ökologischen Anbau werden unregelmäßiger erhoben. Erst für das Jahr 2016 gibt es detail-lierte Daten zu den Flächen in den einzelnen Bundesländern und für die relevanten Kulturen7.

Wirkstoffeigenschaften - Toxic Load Indicator (TLI)

Der Toxic Load Indicator ist ein numerisches Rankingverfahren für Pestizidwirkstoffe. Er bietet einen schnel-len und umfassenden Überblick über die wichtigsten Eigenschaften eines Wirkstoffes. Der Toxic Load In-dicator wurde unter anderem entwickelt, um im Rahmen von Reduktionsprogrammen Erfolge und Misser-folge besser sichtbar zu machen. Er kann für die Analyse und Prognose des Pestizideinsatzes verwendet werden. Der TLI wird von großen Umweltverbänden sowie vom Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN-Germa-ny) anerkannt. Er wird derzeit in Pestizidreduktionsprogrammen der Handelskette Edeka und den Zertifi-zierungssystemen Fair´n Green, Better Cotton Initiative und der Aid by Trade Foundation angewendet. Der TLI ist ein qualitativ-numerischer Indikator und in Verbindung mit den Einsatzdaten (Wirkstoffmengen) ein stärkeres „Messinstrument“ als die Wirkstoffmenge allein. In Dänemark wird zur Messung des Pestizidein-satzes ein sehr ähnlicher Indikator, der Pestizidbelastungsindikator (PBI) und seit Kurzem eine Pesticide Load, verwendet (Kudsk et al 2018).

Der Toxic Load Indicator basiert auf 15 Parametern (siehe Abbildung 4), die sich wiederum aus verschiede-nen Datensätzen/Quellen ergeben. Grundlage für die Bewertung sind toxikologische Endpunkte (zum Bei-spiel letale Dosen), offizielle Stoffeinstufungen (zum Beispiel Mutagenität nach VO 1272/2008/EC) und In-dikatoren für das Umweltverhalten (z.B. Versickerungspotenzial).

Abbildung 4: Der Toxic Load Indicator und seine 15 Parameter

7 Statistisches Bundesamt (2017): Fachserie 3 Reihe 2.2.1. Betriebe mit ökologischem Landbau. Agrarstrukturerhe-bung. Verfügbar auf www.destatis.de.

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Die Daten für die Bewertung stammen vor allem aus Verordnungen, Berichten oder Datenbanken der EU, der EFSA, der WHO und der US-Umweltschutzbehörde (US EPA).

Für jeden Parameter wurde ein numerisches Bewertungsverfahren mit den Stufen 1-2-5-8-10 entwickelt. Je höher ein Parameter bewertet wird, desto höher ist das Gefährdungspotenzial. Basis für diese Einstufung sind in der Regel vorhandene Klassifizierungen der oben gennnten Organisationen.

Der höchstmögliche TLI ist 150. Je nach Kontext können Parametergruppen gewichtet werden (Dokumen-tation zum TLI in Neumeister 2017). Ein niedriger TLI bedeutet nicht notwendigerweise, dass ein Stoff kein Gefährdungspotenzial aufweist. Ein Wirkstoff mit einem niedrigen TLI kann zum Beispiel „wahrscheinlich krebserregend“ sein, aber bei allen anderen Parametern niedrige Scores haben.

Datenverarbeitung und Berechnungsverfahren

Alle erhobenen Daten zum Pestizideinsatz (2011-2017) wurden in eine relationale Datenbank eingefügt. In dieser sind die JKI-Daten, die landesspezifischen Anbauflächen der jeweiligen Kulturen und die Toxic Load Indikatoren miteinander verknüpft worden. Dafür wurden alle Namen für die Kulturen und die Wirkstoffe harmonisiert beziehungsweise indiziert.

Das JKI verwendet für die Wirkstoffe die Namen von sogenannten chemischen „Grundkörpern“, auch wenn ausschließlich bestimmte Salze/Ester zur Anwendung kommen (zum Beispiel Glufosinat für Glufosinatam-monium; Deiquat für Diquat dibromid). Die Stoffeigenschaften (Toxizität, Umwelteigenschaften) werden in der Regel aber für das gebräuchliche Salz, den Ester oder anderes bestimmt. Deswegen wurden den Grund-körpern - wenn nötig - die relevanten Salze/Ester zugeordnet. Mittels der BVL Datenbank8 können die rele-vanten Salze/Ester leicht bestimmt und zugeordnet werden.

In der Datenbank werden folgende Berechnungen für Deutschland durchgeführt:

1. Kultur- und wirkstoffspezifischer Einsatz (JKI Schätzwert in kg) / Hektar Anbaufläche (Bundesamt für Sta-tistik) = Wirkstoffaufwand in kg/ha Anbaufläche

2. Kultur- und wirkstoffspezifischer Einsatz (behandelte Fläche, JKI Schätzwert in ha) *100/ Hektar Anbau-fläche (Bundesamt für Statistik) = behandelter Anteil der Anbaufläche in Prozent (%)

Für die Berechnung des Pestizideinsatzes in Nordrhein-Westfalen wird der Wirkstoffaufwand in kg/ha An-baufläche mit der jeweiligen Anbaufläche in Nordrhein-Westfalen und dieser wiederum mit dem wirkstoff-spezifischen Toxic Load Indicator multipliziert. Für eine bessere Übersichtlichkeit wurden die Mengen in Tonnen und die Flächen in 1000 ha umgerechnet.

Statistikfelder (Summe von „Mengen“, „Flächen“, „Toxic Load“) berechnen die jeweiligen Summen in der Da-tenbank.

Die folgende Abbildung zeigt einen Screenshot aus der Datenbank. Für die Darstellung ausgewählt wurden Fungizide im Winterweizen. Dargestellt sind nur die Top 10 mit dem größten Flächenanteil, aber die Sum-men in der Zeile „Fungizide“ beziehen sich auf die Summe aller Fungizideinsätze im Winterweizen (2017). Bei der Interpretation der kumulativ behandelten Fläche (Summe) ist zu beachten, dass durch Mehrfachbe-handlungen beziehungsweise Tankmischungen die kumulativ behandelte Fläche in der Regel um ein Viel-faches größer ist als die reine Anbaufläche.

8 Das BVL stellt die Zulassungsdatenbank als Microsoft Access Datenbank zur Verfügung.

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Abbildung 5: Datenbankauszug mit den Daten des JKI, des Bundesamtes für Statistik und den Ergebnissen für Nordrhein-Westfalen

Für die Reduktionsszenarien wurden in der Datenbank die jeweiligen Anwendungen ausgeschlossen und die Summen jeweils aggregiert. Effekte von Fruchtfolgegeboten/-verboten oder anderen Maßnahmen (zum Beispiel Blühstreifen für den biologischen Pflanzenschutz) können in diesem Rahmen nicht modelliert werden. Den Ausschluss einzelner Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen (etwa Glyphosat oder Neonicotinoide) könnte man mit der vorhandenen Datenbank modellieren. Dafür müssten aber qualifizierte Annahmen da-rüber getroffen werden, mit welchen Wirkstoffen und Aufwandmengen diese Wirkstoffe ersetzt werden. Ein solches Substitutionsszenario würde den Rahmen dieser Expertise sprengen.

2. Methodik

Um Daten zum Pestizideinsatz speziell im Bundesland NRW zu erhalten, müssen die Durchschnittsdaten des JKI für die in NRW angebauten Fruchtarten herangezogen werden. Es erfolgt eine Umrechnung der kultur- und wirkstoffspezifische Pestiziddaten des JKI auf die landwirtschaftlichen Kulturen in Nordrhein-Westfalen. Basisjahr ist 2017. Aufgrund der geringen Betriebszahl im Erhebungssystem wird dieses Vorge-hen vom JKI stark kritisiert. Trotz aller Schwächen (siehe Diskussion) ist es jedoch momentan die einzige Möglichkeit, die Ist-Situation des Pestizideinsatzes in NRW einschätzen zu können. Für eine regelmäßige Bewertung auf Landesebene eignen sich die JKI-Daten nicht.

Wirkstoffspezifische Eigenschaften (Giftigkeit, Umweltverhalten) und das Risikopotenzial wurden mit dem Toxic Load Indicator ermittelt. Dafür wurde die jeweils eingesetzte Wirkstoffmenge mit dem Toxic Load In-dicator multipliziert und für jeden Anwendungstyp (Herbizid, Fungizid und andere) und jede Fruchtart auf-summiert.

Ein weiterer wichtiger Parameter ist die kumulativ behandelte Fläche. Sie zeigt an, ob sich neben dem Ge-fährdungspotenzial (Toxic Load) auch die Intensität des Pestizideinsatzes verändert. Um diese zu ermitteln, wurde für jeden Wirkstoff, jeden Anwendungstyp (Herbizid, Fungizid und andere) und jede Fruchtart die

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behandelte Fläche aufsummiert. Bei der Interpretation der kumulativ behandelten Fläche ist zu beachten, dass durch Mehrfachbehandlungen und Tankmischungen die kumulativ behandelte Fläche in der Regel um ein Vielfaches größer ist als die Anbaufläche der jeweiligen Kultur. Wird zum Beispiel ein Hektar Getreide von der Saat bis zur Ernte vier Mal behandelt, beträgt die kumulativ behandelte Fläche vier Hektar.

Im Anschluss wurden anhand von Praxisbeispielen Szenarien für eine wirksame Pestizidreduktion entwi-ckelt. Mit Hilfe der bekannten Daten zum flächenmäßigen Einsatz und dem Toxic Load Indicator wurden das Risi-kopotenzial und die kumulativ behandelte Fläche für alle Szenarien berechnet.

III. Pestizideinsatz bundesweitIm November 2004 legte Renate Künast, die damalige9 Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) das Reduktionsprogramm „Chemischer Pflanzenschutz“ vor. Ab 2005 sollte der Einsatz von Pestiziden sinken. Im März 2005 sagten die Agrarminister der Länder auf der Agrarminister-konfe-renz dem Reduktionsprogramm ihre Unterstützung zu. In ihrem Beschluss hieß es: „Sie (die Agrarmi-nisterinnen, -minister und Senatoren der Länder) gehen davon aus, gemeinsam mit den Landwirten und den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln sowie unter Berücksichtigung der sonstigen Aktivitäten der Länder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in zehn Jahren um 15 Prozent weiter vermindern zu können.“

Diese Reduktion ist nicht eingetreten – ganz im Gegenteil. Im Zeitraum 2000-2005 lag der jährliche In-landsabsatz in Deutschland immer bei 30.000 Tonnen (Wirkstoffmenge ohne inerte Gase wie CO2). Ab 2006 bis zur Finanzkrise im Jahr 2008 stieg der Inlandsabsatz auf fast 35.000 Tonnen an (+17 Prozent). Seit 2013 werden im Mittel knapp 34.000 Tonnen abgesetzt. Ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 2000-2005 vor dem Reduktionsprogramm. Gleichzeitig schrumpfte die landwirtschaftlich genutzte Fläche um etwa 300.000 ha (BMEL 2019).

Der Absatz von Pestiziden korreliert10 mit den Weltmarktpreisen für Lebensmittel (Korrelationskoeffizient: 0,79). Dieser Zusammenhang ist als „Versicherungseffekt“ bekannt. Je wertvoller eine Kultur ist, desto mehr Pestizide werden eingesetzt, obwohl nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Schaderreger- und Beikrautdruck abhängig von den Weltmarktpreisen steigt oder sinkt.

Abbildung 6: Inlandsabsatz in Deutschland 2000-2017 (Wirkstoffmenge in Tonnen, ohne inerte Gase (BVL verschiedene Jahre)

9 Renate Künast war Ministerin von 2001-2005.10 Eine starke positive Korrelation liegt bei einem Korrelationskoeffizienten ab 0,8 vor.

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13Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

Abbildung 6 zeigt den Inlandsabsatz in Deutschland in den Jahren 2000-2017 und die Weltmarktpreise aus-gedrückt als FAO Food Price Index (Lebensmittelpreisindex der FAO11). Bis 2012 war der mengenmäßige Anstieg vor allem bei Herbiziden zu verzeichnen, seit 2013 vor allem bei Fungiziden.

Die Absatzmenge an Wirkstoffen sagt nichts über die Intensität der Anwendung, die Gefährlichkeit der Stof-fe, die Effekte in der Umwelt oder über die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit aus. So könnte man aus dem verringerten Herbizidabsatz zwischen 2012-2017 eine Reduktion des Einsatzes ableiten – das Gegenteil ist eingetreten (siehe Abbildung 11). Die Absatzdaten des BVL sind ungenügend für eine ausführ-liche Bewertung und das Amt weigert sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Herausgabe spezifischer Absatzdaten pro Wirkstoff. Erst die Erhebungen des JKI ermöglichen vielfältige Auswertungen.

Abbildung 7 zeigt einen Intensitätsindex für Deutschland für die neun PAPA Kulturen. Für diese Darstellung wurde für jedes Jahr die behandelte Fläche (JKI Schätzwert pro Kultur & Wirkstoff) aufsummiert und durch die Anbaufläche (Bundesamt für Statistik) dividiert. Im Mittel wurde 2011 jede Fläche achtmal mit Pestizi-den behandelt, im Jahr 2017 9,5mal (alle Angaben ohne Saatgutbehandlung). Der größte Anstieg erfolgte durch eine Erhöhung der behandelten Fläche mit Herbiziden (siehe Abbildung 11).

Abbildung 7: Intensitätsindex Deutschland 2011-2017 (Summe behandelte Fläche/ Sum-me Anbaufläche PAPA Kulturen)

Zwischen 2011 und 2017 verloren viele flächenmäßig bedeutende und teilweise hochgefährliche Stoffe die Zulassung beziehungsweise wurden stark eingeschränkt (zum Beispiel einige Neonicotinoide). Trotz-dem hat sich das Risikopotenzial (Toxic Load) erhöht.

Für die Abbildung 8 wurde für jeden eingesetzten Wirkstoff (n=199) der Toxic Load Indicator (TLI) berech-net (∑ 15 Parameter – s. Kapitel zur Methodik). Der JKI Schätzwert (Menge pro Wirkstoff) wurde dann mit dem TLI multipliziert, aufsummiert und durch die Anbaufläche geteilt. Daraus ergibt sich die Toxic Load pro Hektar.

Abbildung 8 zeigt einen Anstieg der Toxic Load pro Hektar seit 2013. Einen sehr starken Anstieg gab es un-ter anderem bei Wirkstoffen, die besonders giftig für wirbellose aquatische Organismen sind. Für die Ab-bildung 9 wurde jedem eingesetzten Wirkstoff eine Toxizitätsklasse für wirbellose aquatische Organismen zugeordnet. Die Einordnung in die vier Klassen erfolgte für die meisten Stoffe anhand der Giftigkeit für die jeweils empfindlichste Art (US EPA Benchmarks). Für elf Stoffe wurden wegen fehlender Daten die LC50 Da-ten zum Wasserfloh (Daphnia magna) der Pesticides Properties DataBase (Lewis et al. 2018) herangezogen. Die ausgebrachten Mengen wurden für die jeweilige Klasse pro Jahr aufsummiert und durch die Anbauflä-che (neun PAPA Kulturen) dividiert.

11 http://www.fao.org/worldfoodsituation/foodpricesindex/en/.

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14 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

Abbildung 8: Toxic Load pro Hektar in Deutschland (neun Kulturen) Deutschland 2011-2017

Die Abbildung 9 zeigt einen deutlichen Anstieg des Einsatzes der hochgiftigen Stoffe.

Abbildung 9: Ausgebrachte Wirkstoffmengen in g/ha – Wirkstoffe mit akuter Toxizität unter 0,1 mg/l (LC5012 48h) nach Toxizitätsklassen, Deutschland 2011-2017.

12 Letale Konzentration für 50 Prozent der getesteten Organismen in einer Testgruppe.

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15Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

Der Anstieg im LC50 Bereich unter 0,05 mg/l liegt vor allem an einem höheren Einsatz von drei Fungiziden: Chlorothalonil, Trifloxystrobin und Pyraclostrobin. Auch der Anstieg im LC50 Bereich unter 0,05-0,1 mg/l liegt an einem höheren Einsatz von Fungiziden - vor allem Mancozeb und in geringerem Maße Schwefel. Der Einsatz von Insektiziden im LC50 Bereich <0,0005-0,1 mg/l blieb gleich hoch.

Der Anstieg der Anwendung von Chlorothalonil ist sehr problematisch. Der Wirkstoff ist hoch wahrschein-lich krebserregend13 (US EPA 2018 EFSA 201814) und gefährdet das Grundwasser (UBA 2018; Reemtsma et al. 2013). Chlorothalonil und die daraus formulierten Produkte sind so giftig, dass Anwender*nnen unter anderem im Kartoffel- und Tomatenanbau stark gefährdet sind, selbst wenn Schutzkleidung getragen wird. Menschen, die sich in der Nähe der Anwendung aufhalten (by-standers), sind ebenfalls gefährdet (EFSA 2018).

Man muss davon ausgehen, dass Wirkstoffe mit einem sehr niedrigen AOEL15 Wert wie Chlorothalonil, aber auch Epoxiconazole (EFSA 2008) ein hohes Risiko für Anwender*nnen und gegebenenfalls Anwohner*innen darstellen. Der Einsatz von Wirkstoffen mit AOEL Werten < 0,01 mg/kg Körpergewicht16 hat seit 2013 stark zugenommen. Verantwortlich für diesen Anstieg (+34 Prozent) sind vor allem die Fungizide Chlorothalonil, Epoxiconazole und das Maisherbizid Terbuthylazin.

Abbildung 10: Ausgebrachte Wirkstoffmengen in g/ha: Wirkstoffe mit potenziell hoher Anwendertoxizi-tät (AOEL < 0,01 mg/kg Körpergewicht) und potenziell grundwassergefährdende Stoffe (UBA Priorität 1), Deutschland 2011-2017

Durch den erhöhten Einsatz von Chlorothalonil, Epoxiconazole und Terbuthylazin nahm auch die Grund-wassergefährdung zu. Da der Einsatz anderer Wirkstoffe nicht abnahm, stieg der Einsatz von Wirkstoffen, die beziehungsweise deren Metaboliten potenziell das Grundwasser gefährden können (UBA Priorität 1 nach

13 US EPA: „Likely to be Carcinogenic to Humans.” EU GHS Carc 1B entspricht = „Presumed human carcinogen”.14 Laut EFSA Bericht (EFSA Journal 2018;16(1):5126) sollte Chlorothalonil als „Carc 1B“ eingestuft werden. 15 AOEL = Acceptable Operator Exposure Level = Akzeptable Dosis für die Anwenderexposition.16 Je kleiner die akzeptable Dosis ist, desto giftiger ist die Substanz.

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16 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

UBA 2018) insgesamt an. Der Einsatz dieser Stoffe hat seit 2011 um fast 40 Prozent zugenommen. Abbil-dung 10 zeigt die ausgebrachten Wirkstoffmengen (g/ha) für Wirkstoffe mit AOEL < 0,01 mg/kg Körperge-wicht und die Stoffe der UBA Priorität 1.

Bei der Interpretation ist zu beachten, dass sich die Mengen in den Grafiken nicht addieren (kein Flächendi-agramm), weil ein Wirkstoff (etwa Chlorothalonil, Epoxiconazole und Terbuthylazin) unter Umständen bei-den Kategorien zugeordnet werden kann. Den stärksten Zuwachs in der Behandlungsintensität verzeichnen Herbizide. Zwischen 2011 und 2017 erhöhte sich die kumulativ behandelte Fläche um fast fünf Millionen Hektar (+14,5 Prozent). Der Einsatz von Glyphosat blieb annähernd gleich beziehungsweise sank leicht seit 2015. Andere Herbizide nahmen hingegen stark zu – hier muss es nicht zwingend einen Zusammenhang geben. Abbildung 11 zeigt im Flächendiagramm den Einsatz aller 83 erfassten Herbizidwirkstoffe 2011-2017. Glyphosat war 2017 auf Rang vier. Die Top 11 Herbizide17 machten 2017 weniger als die Hälfte (46 Prozent) der behandelten Fläche aus. Glyphosat dominiert(e) keineswegs.

Abbildung 11: Mit Herbiziden behandelte Fläche (ha, kumulativ) in den neun PAPA Kulturen, Deutschland 2011-2017)

IV. Pestizideinsatz in Nordrhein-WestfalenIn NRW werden sieben der neun PAPA Kulturen angebaut. Weinanbau und Hopfen fehlen beziehungsweise die Flächen sind so klein, dass sie statistisch nicht erfasst werden. In den flächenmäßig großen Kulturen (Winterweizen, Mais und Wintergerste) werden in der Summe die meisten Pestizide eingesetzt. Die höchste Intensität gibt es im Apfel- und Kartoffelanbau. Mais hat die geringste pro-Hektar Intensität und die ge-ringste Toxic Load pro Hektar. Dennoch ist der Herbizideinsatz im Mais aus zwei Gründen problematisch: Erstens aufgrund der intensiven chemischen Beikrautkontrolle im Anfangsstadium und weil die spätere Be-schattung durch den hohen Mais die Beikrautflora unterdrückt. Die Artenvielfalt wird damit auf großen Flä-chen (280.000-290.000 ha in NRW jährlich) stark reduziert. Zweitens sind viele Maisherbizide grundwasser-

17 Da es zwischen Rang 10 (Quinmerac) und 11 (Flurtamone) fast keinen Unterschied in der Größe der behandelten Fläche gibt, wurden die Top 11 statt der üblichen Top 10 dargestellt.

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17Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

gefährdend. Diese Herbizide verursachen hohe Folgekosten (externe Kosten). Einige Wasserbetriebe gehen deshalb Kooperationen mit Landwirten ein und fördern (und vergüten) herbizidfreien Maisanbau.

Die folgende Abbildung zeigt den Pestizideinsatz in NRW in der Zusammenfassung nach Fruchtart. In An-hang 3 werden die Behandlungsindices und Toxic Load/ha für jede der sieben Fruchtarten aufgeführt.

Abbildung 12: Verteilung kumulativ behandelter Fläche, Total Toxic Load, Summe ausgebrachter Menge und Toxic Load/ha in NRW nach Fruchtart

Der Einsatz von Herbiziden und Fungiziden dominiert auch in NRW den Pestizideinsatz. Abbildung 13 zeigt die Verteilung von kumulativ behandelter Fläche, Toxic Load und der ausgebrachten Wirkstoffmengen nach Anwendung.

Abbildung 13: Verteilung kumulativ behandelter Fläche, Total Toxic Load, Summe ausgebrachter Menge und Toxic Load/ha in NRW nach Anwendung

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Die folgenden Tabellen zeigen die Top 10 Wirkstoffe (für Herbizide Top 11) nach behandelter Fläche in Deutschland und deren Anteil in NRW. Unter den gebräuchlichsten Pestiziden befinden sich viele, die po-tenziell das Grundwasser gefährden. Azolfungizide dominieren unter den Top-10-Fungiziden. Diese Fun-gizide wirken eher spezifisch und Resistenzen entwickeln sich relativ schnell. Gegenwärtig werden resi-stente Schaderregerstämme häufig mit dem hochwirksamen (und hochgiftigen) Epoxiconazole beseitigt. Das ist aber eine gefährliche Strategie. Resistenz ist ein evolutionärer Prozess und bei jeder Anwendung können sich resistente Stämme entwickeln. Je häufiger und flächendeckender ein Wirkstoff eingesetzt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit. Deshalb müssen präventive, nicht-chemische Verfahren im-mer Vorrang vor dem chemischen Pflanzenschutz haben.

Unter den Top-10-Insektiziden dominieren Pyrethroide, die den überwiegenden Anteil am gesamten In-sektizideinsatz ausmachen. Die Dominanz von Pyrethroiden ist sehr problematisch. Sie sind in der Regel nicht selektiv und töten Nützlinge und Schaderreger gleichermaßen ab. Daher sind sie nicht mit integrier-tem Pflan-zenschutz kompatibel. Ihr Einsatz kann dazu führen, dass sich Schaderreger stärker vermehren. Wie bei den Azolfungiziden besteht durch die Dominanz des Einsatzes eine hohe Gefahr der Resistenz-bildung.

Tabelle 1: Top 10 Fungizide nach behandelter Fläche (kumulativ) in Deutschland und NRW

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19Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

Tabelle 2: Top 11 Herbizide nach behandelter Fläche (kumulativ) in Deutschland und NRW

Tabelle 3: Top-10-Insektizide nach behandelter Fläche (kumulativ) in Deutschland und NRW

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20 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

V. Pestizide wirksam reduzierenWenn man den Pestizideinsatz in der industriellen Landwirtschaft deutlich senken möchte, müssen fol-gende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Man braucht Motivation und Anreize.

2. Klare Ziele und Visionen müssen (lokal, regional, national) möglichst partizipativ entwickelt wer-den. Dabei sollten mikro- und makroökonomische Überlegungen einbezogen werden.

3. Politische und ökonomische Instrumente stehen zur Verfügung und agronomische, betriebliche Maßnahmen müssen umsetzbar sein.

4. Alle Beteiligten müssen sachlich und respektvoll miteinander umgehen.

Aus ökologischer Sicht sind Reduktionsziele zu wählen, bei denen möglichst große Flächen pestizidfrei be-wirtschaftet werden. Die Reduktion von Risiken (zum Beispiel Stoffeinträge in Gewässer, Biotope) ist nicht flächendeckend messbar und adressiert nicht die grundsätzlichen Probleme zum Beispiel Verlust der Ar-tenvielfalt auf den landwirtschaftlichen Flächen.

Um eine gezielte Pestizidreduktion überhaupt messbar zu machen, müssen Ziele ehrgeizig sein. Die 15 Prozent Pestizidreduktion, die 2005 von der Agrarministerkonferenz beschlossen wurden (Smolka & Neu-meister, 2006), wären mit der vorhandenen Datendichte kaum bestimmten Maßnahmen oder Programmen zuzuordnen. Allein aufgrund von jährlichen, zum Beispiel wetterbedingten Schwankungen und Marktver-änderungen, ändert sich der Pestizideinsatz von Jahr zu Jahr. Jedes Reduktionsziel muss signifikant größer sein als die jährliche Schwankung im Pestizideinsatz.

In Dänemark und Frankreich (siehe Lechenet et al. 2014) wurde eine 50prozentige Reduktion basierend auf dem Be-handlungsindex beschlossen. Dänemark geht ebenfalls in Richtung Reduktion des Toxic Load – auch wenn es dort „Pesticide Load“ genannt wird (Kudsk & Jensen 2014). Nach Einführung einer Pesti-zidsteuer im Jahr 2013 wurde in Dänemark der mittlere Toxic Load in den Jahren 2014-2016 im Vergleich zu 2009-2013 um 46 Prozent reduziert18. Eine Reduktion der bloßen Wirkstoffmenge führt aber nicht not-wendigerweise zu einer Reduktion der Umweltbelastung. Ersetzt man beispielsweise das relativ unbedenk-liche Schwefel, welches mit bis zu 15kg/ha ausgebracht wird, mit einem hochgiftigen Stoff zu 1 kg/ha, wür-de man zwar eine drastische Mengenreduktion erreichen, aber gegebenenfalls die Risiken für Mensch und Umwelt erhöhen, weil der eingesetzte Stoff pro Einheit sehr viel giftiger ist.

Großflächige Kulturen (Weizen, Mais, Wintergerste) sollten eher im Vordergrund stehen als die partielle Re-duktion in kleinflächigen Kulturen.

Die vom NABU Baden-Württemberg veröffentlichten und hier angewandten Reduktionsszenarien basieren auf etablierten Produktionsverfahren beziehungsweise Praxisbeispielen. Sie zeigen eine starke Reduktion in allen großen Ackerkulturen.

1. Szenario 1 – KraichgauKorn®

Im Norden von Stuttgart (Baden-Württemberg) gibt es die Erzeugergemeinschaft KraichgauKorn® (www.kraichgaukorn.de). Diese produziert seit 25 Jahren Brotweizen pestizidfrei. Pestizidfrei bedeutet, dass ab der Vorfrucht bis zur Ernte keine Pestizide einschließlich Wachstumsregulatoren eingesetzt werden. Die Bei-krautbekämpfung im Weizen erfolgt mechanisch. Die Erzeugergemeinschaft besteht gegenwärtig aus über 30 Betrieben mit etwa 1000 Hektar Anbaufläche. Der produzierte Weizen wird direkt an Mühlen und Bäcke-reien in der Region vermarktet.

18 Siehe Kasten unten.

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Das Modell KraichgrauKorn® - pestizidfreier Weizen - wird im Szenario 1 auf die gesamte Weizenfläche (Brot- und Futterweizen) in Nordrhein-Westfalen übertragen.

2. Szenario 2 – IP Suisse

In der Integrierten Produktion der Schweiz (IP Suisse) unter der Marke des „Marienkäfer[s]“ sind 20.000 Pro-duzenten zertifiziert. Sie produzieren eine Vielfalt an pflanzlichen und tierischen Produkten. IP Suisse ga-rantiert Aufpreise und bietet intensive Betreuung sowie Marketing. Brotweizen ist unter den Ackerkulturen die bedeutendste IP Suisse Kultur – zwischen 22.000-25.000 Hektar werden jährlich zertifiziert (Zeitraum 2012-2016; IP Suisse Jahresbericht 2016).

IP Suisse schränkt den chemischen Pflanzenschutz zum Teil sehr stark ein. Hinzu kommen Verbote bezüg-lich bestimmter Fruchtfolgen (zum Beispiel Weizen auf Weizen) und vorgeschriebene Anbaupausen (zum Beispiel mindestens vier Jahre bei Zuckerrüben, Kartoffeln). Je nach Kultur wird auch die Auswahl der Sor-ten eingeschränkt. Das Forschungs-institut Agroscope in der Schweiz untersuchte das Risikopotenzial für verschiedene Lebensräume (Saum, Boden, Gewässer) bei konventioneller und integrierter Produktion nach IP-Suisse (Waldvogel et al. 2018) und zeigte eine starke Reduktion besonders im Winterweizen und im Win-terraps bei Umsetzung von IP Suisse Richtlinien.

Die nachstehende Tabelle zeigt die spezifischen Verbote im chemischen Pflanzenschutz unter IP Suisse und die entsprechende Modellierung. Die Modellierung entspricht nicht immer eins zu eins den Anforderungen der IP Suisse Richtlinien. Abweichungen sind in der Tabelle beschrieben.

Tabelle 4: Spezifische Verbote unter IP Suisse und die entsprechende Modellierung

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22 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

Tabelle 4 (Forts.): Spezifische Verbote unter IP Suisse und die entsprechende Modellierung

3. Szenario 3 – Herbizidfreie Kulturen

Herbizide töten unerwünschte Beikräuter eziehungsweise Beigräser ab. Durch ihre Wirkung haben sie di-rekte negative Effekte auf die Diversität der Beikrautflora. Weil die Beikrautflora Nahrung und Lebensraum für viele Tierarten bietet, hat die Anwendung von Herbiziden indirekte Effekte auf das gesamte Ökosystem. Symptomatisch ist der auffällige Rückgang vieler Insekten- und Feldvogelarten. Viele Herbizide haben zu-dem ein hohes Versickerungspotenzial und verunreinigen das Grundwasser.

In den meisten Kulturen ist ein herbizidfreier Anbau möglich. Mechanische Kontrollen, Untersaaten und weite Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten sind gängige und praktikable Methoden für die nicht-chemische Kontrolle. Eine 100prozentige Beseitigung der Beikrautflora ist in keinem Fall anzustreben und in der Re-gel auch nicht nötig.

Das Szenario 3 – herbizidfreie Kulturen werden in den Kulturen Getreide (Winterweizen, Wintergerste), Mais, Kartoffel, Wein und Apfel modelliert.

4. Kombi-Szenario 4

Das Szenario 4 ist eine Kombination aus Szenario 1 (pestizidfreier Weizen) und 2 (IP Suisse). Für die Kul-turen Wintergerste, Kartoffeln, Zuckerrübe und Raps gelten die IP Suisse Modelle aus Tabelle 4 (dritte Spal-te), für Winterweizen werden alle Anwendungen ausgeschlossen.

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23Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

VI. ReduktionspotentialeSetzt man die oben modellierten Szenarien in Nordrhein-Westfalen um, würde sich der Pestizideinsatz massiv reduzieren. Mit dem Szenario „Winterweizen ohne Pestizide“ wäre ca. ein Drittel der NRW Ackerflä-che pestizidfrei. Die Umsetzung der IP Suisse Richtlinien würde die kumulativ behandelte Fläche am stärk-sten reduzieren. Kombiniert man beide Szenarien, reduziert sich die kumulativ behandelte Fläche um über 80 Prozent.

Das folgende Diagramm zeigt, wie stark sich bei den unterschiedlichen Szenarien die kumulativ behandel-te Fläche reduzieren würde.

Abbildung 14: Kumulativ behandelte Fläche (NRW 2017) nach Reduktionsszenarien

Mit einer Variante „Mais ohne Herbizide“ in Kombination mit „Winterweizen ohne Pestizide“ wüchse die (fast) pestizidfreie Fläche auf über 65 Prozent an. Diese Reduktion ergibt sich aus den großen Anbauflächen beider Kulturen und dem Fakt, dass im Mais fast nur Herbizide eingesetzt werden.

Die Reduktion der Toxic Load fällt im Vergleich zur Flächenreduktion weniger stark aus (siehe folgende Ab-bildung). Die maximale Reduktion liegt bei 65 Prozente für das Szenario „Winterweizen ohne Pestizide“ bei gleichzeitiger Umsetzung der IP Suisse Richtlinien in den anderen Kulturen.

Die positiven Effekte in den einzelnen Kulturen und auf großen Flächen wären erheblich. Mit der Umset-zung von IP Suisse würden zum Beispiel Anwendungen von lambda-Cyhalothrin, einem für Insekten hoch-giftigen Wirkstoff auf über 120.000 ha eingespart werden, da es nur noch im Kartoffelanbau eingesetzte werden dürfte.

In den herbizidfreien Varianten würden extrem problematische Wirkstoffe wie Pendimethalin (persistent, bioakkumulativ und giftig) wegfallen. Auch Prosulfocarb, dessen hohe Flüchtigkeit und Verfrachtung die angebauten Erzeugnisse ökologisch produzierender Betriebe wertlos macht, wäre verboten. Das weitrei-chende Insektizidverbot (Blattapplikationen) durch IP Suisse würde auf rund 45 Prozent der Landesacker-fläche gelten.

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24 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

Abbildung 15 Toxic Load (NRW 2017) nach Reduktionsszenarien

Die Szenarien zeigen, welche Reduktion man in NRW erreichen kann, wenn man bestimmten Beispielen be-ziehungsweise Zielen folgt. Das IP Suisse Modell oder das Kraichgau Modell lassen sich nicht ohne Wei-teres auf alle Betriebe in NRW übertragen. Um von Zielen zur Umsetzung zu kommen, benötigt man neben dem Willen zur Veränderung vor allem wirksame politische Instrumente, finanzielle Mittel und konkrete Maßnahmen auf Betriebsebene.

VII. Vom Ziel zur Umsetzung1. Politische Maßnahmen

Konkret gibt es theoretisch mehrere Möglichkeiten, eine Pestizidreduktion zu erreichen:

1. Totales Pestizidverbot

2. Teilverbote bestimmter Anwendungsarten

3. Zulassung von Pestiziden ohne „Nebenkosten“

4. Einpreisung der gesellschaftlichen Kosten in den Pestizidpreis und Lebensmittelpreis (Besteuerung)

5. Subventionierung der Vermeidung des Einsatzes

6. Betriebliche und mikro-ökonomische Maßnahmen

Alle Möglichkeiten werden diskutiert19 und teilweise auch umgesetzt. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele (siehe Szenarien). Eine einfache, globale Lösung gibt es nicht. Die gesamte Gesellschaft muss sich an den Lösungen beteiligen. Der einzelne konventionelle landwirtschaftliche Betrieb hat sicher einigen Spielraum für eine partielle Reduktion, aber dafür muss es bessere Anreize geben.

Die Betriebe müssen auch motiviert werden, über eine andere Art der Produktion und Vermarktung nach-

19 In der Schweiz gibt es zum Beispiel derzeit zwei Initiativen, die (fast) ein Totalverbot fordern: „Initiative sauberes Trinkwasser“ & „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizi

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zudenken und entsprechend zu handeln. Die kleinen und mittleren Betriebe in NRW konkurrieren mit gi-gantischen Betrieben in anderen Regionen, hinter denen teilweise Investmentfonds und Banken stehen. Ertragsteigerungen helfen nicht, denn das versuchen alle Betriebe. Die Ertragssteigerungen führen zum Preisverfall und zum „Höfesterben“. Die Kooperative KraichGauKorn zeigt wie es anders geht: regionale Di-rektvermarktung in Kooperation.

Eine weite Fruchtfolge jenseits von Weizen-Silomais-Wintergerste/Raps erreicht man nur, wenn man die zusätzlichen Fruchtarten auch vermarkten kann. Betriebe sollten darin unterstützt werden, aktiv solche Ver-marktungswege zu finden. Die Lebensmittelbranche ist flexibel; neue Produkte erobern ständig den Markt. Der sich verstärkende Klimawandel wird regionale Produktion und Verarbeitung notwendig machen, die Tierproduktion wird sinken müssen. Diese Herausforderungen sind nur zu bewältigen, wenn man koo-periert und neue Wege beschreitet. Zielkonflikte zwischen Energiepolitik (mehr Bio-Energie aus Mais und Raps) und Grundwasser- und Artenschutz („Vermaisung“) müssen adressiert werden.

Die deutsche Landwirtschaft wird jährlich mit 6.5 Milliarden Euro allein aus EU-Mitteln subventioniert. Nach NRW fließen davon immerhin 611 Millionen Euro. Die Subventionen müssen so gestaltet werden, dass ein gesellschaftlicher Nutzen entsteht und keine gravierenden Schäden. Es wäre vermutlich volkswirt-schaftlich besser, sogar noch mehr Subventionen zu zahlen und dafür die teuren Schäden an Umwelt und Gesundheit zu vermeiden. Eine Diskussion darüber muss geführt werden. Dabei geht es nicht nur um Pesti-zide, sondern um die Gesamtbilanz der industriellen Landwirtschaft.

Die Einführung einer Pestizidsteuer ist zwingend nötig. Dadurch verringert sich massiv der Pestizideinsatz (Neumeister 201920). Die eingenommenen Steuergelder sollten verwendet werden, um Betriebe finanziell zu entlasten und bestimmte Maßnahmen für den nicht-chemischen Pflanzenschutz zu fördern.

2. Betriebliche Maßnahmen

Es gibt viele Möglichkeiten, Schäden durch Schädlinge, Krankheiten und Unkraut auf Betriebsebene zu ver-hindern. Die meisten von ihnen sind bekannt, effizient und wurden schon früher durchgeführt (zum Bei-spiel weitere Fruchtfolgen). Häufig führen diese Maßnahmen sogar zu besseren Betriebsergebnissen (sie-he Lechenet et al. 2017). In den vielen Fällen erscheinen sie - in der konventionellen Landwirtschaft - unter den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als nicht wettbewerbsfähig. Deshalb sind ökono-mische Initiativen wie Kooperation, Direktvermarktung und Lebensmittelverarbeitung ebenso wichtige In-strumente der Pestizidreduktion wie agronomische Maßnahmen.

Es gibt eine umfassende Literatur zur umweltfreundlichen Kontrolle von Schaderregern, daher werden hier nur einige wichtige Maßnahmen aufgeführt, die Schädlingsprobleme verhindern. Spezielle Techniken wie Freisetzung von Biokontrollorganismen, Pestizide mit geringerem Risiko, Bio-Fumigation, Solarisation, Ver-edeln (Anwendung in der Gemüseproduktion) und anderen werden nicht diskutiert.

Schadschwellenprinzip beachten

Eines der Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes ist das Schadschwellenprinzip. Es bedeutet, dass eine Kontrollmaßnahme erst dann durchgeführt wird, wenn die Populationen des Schaderregers, Beikräu-ter, eine spezifische ökonomische Schadschwelle überschreiten. Um dies zu ermitteln, muss man auf das Feld gehen und eine Überwachung durchführen. Auch die Effizienz von Nützlingen bei Schädlingen aus der Gruppe der Arthropoden muss in diesem Zusammenhang immer ermittelt werden. Aus verschiedenen Grün-den wird die Überwachung und das Schadschwellenprinzip nicht konsequent durchgeführt (siehe Korrela-tion Weltmarktpreise und Pestizideinsatz). Eine verbesserte Beratung diesbezüglich oder die konsequente

20 Neumeister L (2019): Ruiniert die dänische Pestizidsteuer die dortige Landwirtschaft? Unveröffentlichter Entwurf.

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Einhaltung des Schadschwellenprinzips könnten 20 Prozent des Pestizideinsatzes reduzieren (Freier et al. 2014). Beikräuter sind für ein funktionierendes Agrarökosystem essenziell; Sie zu 100 Prozent zu bekämp-fen, ist kontraproduktiv.

Umstellung auf ökologischen LandbauIn den meisten europäischen Ackerkulturen ist der Pestizideinsatz im ökologischen Landbau gleich null (Lechenet et al. 2014), wobei Kartoffeln und Raps eine Ausnahme darstellen. Kupfersalze und Schwefel sind nach wie vor wichtige Fungizide vor allem im Weinanbau, einigen Obst- Gemüsekulturen und Kartoffeln. Alternative Lösungen wie mikrobielle Antagonisten oder wichtigere pilztolerante/resistente Sorten benöti-gen Zeit für die Entwicklung und Akzeptanz auf der Verbraucherseite. Direktmarketing und Lebensmittel-verarbeitung sind ein Weg, um einen Markt für Nicht-Standard-Sorten zu etablieren.

Während der biologische Landbau in einer Marktwirtschaft den gleichen Marktmechanismen (Internatio-naler Wettbewerb) unterliegt, sind die negativen Nebenwirkungen weniger schwerwiegend (Lechenet et al. 2014; Gomiero et al. 2001; Reganold 2001) und eine Meta-Analyse (Crowder & Reganold 2015) zeigt, dass er im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft profitabler ist. Während die Flächenerträge je nach Ern-te gleich oder nicht wesentlich niedriger sind (siehe auch Seufert et al. 2012; Reganold 2001), überwiegen die niedrigeren Kosten für Vorleistungen und Prämienpreise das geringere Produktionsvolumen.

In Zeiten höherer klimatischer Variabilität – Stichwort Starkregenereignisse - ist der ökologische Landbau der sicherere Weg. Böden unter ökologischem Landbau nehmen mehr Wasser auf und speichern es länger (Gomiero et al. 2001).

Bodenmanagement - eine nachhaltige Basis schaffenNachhaltige Landwirtschaft beruht auf einer effizienten Bodenbewirtschaftung und einer kontinuierlichen Verbesserung der Bodenqualität. Böden mit viel organischer Substanz, einer aktiven Bodenbiologie und we-nig Störungen entwickeln eine reiche Vielfalt an krankheitsunterdrückenden Bakterien (Kremer & Li, 2003; Peter et al. 2003). Solche Böden sorgen für eine gute Bodenfruchtbarkeit und Pflanzen weisen weni-ger Insektenfraß auf (Altieri & Nicholls 2003). Es gibt mehrere Methoden, um gesunde Böden zu etablieren und zu erhalten: Fruchtfolge, Di- oder Polykultur inklusive Gründünger, Düngen mit organischem Material (Kompost), reduzierte Bodenbearbeitung und Verzicht auf das Pflügen. Letzteres kann aber manchmal not-wendig sein, um Krankheiten oder Unkrautdruck zu reduzieren beziehungsweise vorzubeugen.

FruchtfolgenEine weite Fruchtfolge erhöht die Biodiversität im Boden und in der Kultur. Schädliche Krankheiten, Schäd-linge und Unkräuter bilden langsamer schädliche Populationen, da bestimmte Beziehungen zwischen Kul-turpflanzen, Unkraut und Schädlingen unterbrochen werden. Außerdem sind Ernterückstände häufig Wirte von Pathogenen oder von überwinternden Schädlingsstadien. Wechselnde Kulturen verhindern die An-sammlung und Infektion von Rückständen in der Wirtspflanze. In einigen Kulturen wie Zuckerrüben, Kar-toffeln und Raps ist eine drei- bis vierjährige Produktionspause an demselben Standort eine bewährte Me-thode, um die Entstehung von Krankheiten zu verhindern und Böden wiederherzustellen (Carter et al. 2009, Walters [hrsg.] 2009). Bestimmte Kulturen können Krankheiten und Unkraut aktiv unterdrücken, andere wie Leguminosen erhöhen den Bodenstickstoff und die bakterielle Aktivität und erhöhen so den Ertrag (Zou et al. 2015). Im Allgemeinen sind die Vorteile der Fruchtfolge für die Bekämpfung von Krankheiten und Schäd-lingen höher, wenn die Pflanzen botanisch nicht miteinander verwandt sind. Bestimmte Krankheiten kön-nen lange Zeit in Böden andauern und haben ein breites Wirtsspektrum. Daher muss jedes Rotationsma-nagement an die lokale Situation angepasst werden [Walters (Hrsg.) 2009]. Das größte Hindernis für die Fruchtfolge sind die Marktanforderungen und Subventionen. Landwirtschaftliche Unternehmen reduzieren oft die Anzahl der Kulturen auf die Profitabelsten.

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Poly- oder Di- statt Monokulturen

Die geringe genetische Variabilität und Biodiversität in modernen Monokulturen, die mit Hybridsaatgut ge-züchtet und mit Herbiziden behandelt werden, macht das Anbausystem anfälliger für Schädlinge und Krank-heiten. Eine Meta-Analyse von Letourneau et al. (2011) zeigt eine sehr gute Unterdrückung von Schädlingen, erhöhte Wirkung natürlicher Feinde und verringerte Ernteschäden in diversifizierten Anbau-systemen (siehe auch „Biodiversität erhöhen“).

Das Mischen verschiedener Sorten derselben Kulturpflanze stellt die einfachste Form der Unterbrechung einer Monokultur dar, kann sich positiv auf den Krankheitsdruck auswirken und ist leicht umzusetzen. Die häufigste Form der Di-Kultur ist wahrscheinlich die Verwendung von Untersaaten wie Klee unter der Hauptkultur. Im ökologischen Landbau wird unter anderem die sogenannten „Weite Reihe“ praktiziert (sie-he Kasten). Fortgeschrittene Formen (Poly-Kultur) mischen verschiedene Kulturen (Fernández-Aparicio et al. 2010).

Im Allgemeinen hat der Anbau von mehr als einer Sorte oder Kultur auf einem Feld/Schlag mehrere posi-tive Auswirkungen auf den Schädlings-, Unkraut- und Krankheitsdruck:

• Verdünnungseffekt - ein zunehmender Abstand zwischen empfindlichen Pflanzen verlangsamt die Infek-tionsgeschwindigkeit für pilzliche Erreger (Castro 2007; Sapoukhina et al. 2010).

• Barriereeffekt - das Vorhandensein von krankheitsresistenten Pflanzen stellt eine physische Barriere ge-gen die Pilzsporenbewegung dar.

• Induzierte Resistenz - Wenn Pflanzen von Schädlingen oder Krankheiten „angegriffen“ werden, emittieren sie biochemische Verbindungen und Nachbarpflanzen verstärken ihre Abwehrmechanismen. Das Vorhan-densein anfälliger und weniger anfälliger Pflanzen in einem Feld unterstützt diesen Prozess.

• Modifikation des Mikroklimas - das Vorhandensein von Sorten oder Arten mit unterschiedlichem Habitus (zum Beispiel Höhe, Blattposition) kann das Mikroklima in Richtung weniger günstiger Bedingungen für Krankheiten verändern (Castro 2007; Fernández-Aparicio et al. 2010).

• Schatten- und/oder Wettbewerbseffekt - Unkraut kann unterdrückt werden, wenn verschiedene Kulturen oder andere Nutzpflanzen (zum Beispiel Klee) Unkraut überdecken, indem sie den Platz besetzen oder die Überdachung schließen.

• Repellente Wirkung - bestimmte Pflanzen stoßen Arthropodenschädlinge der Nachbarpflanzen ab.

• Bereitstellung von Lebensräumen - Zwischensaaten mit bestimmten Gemischen können natürliche Feinde von Arthropodenschädlingen der Hauptkultur ernähren (Smith & Liburd 2015; Parolin et al. 2012; Iverson et al. 2015; Sunderland & Samu 2000).

BodenbearbeitungKonservierende Bodenbearbeitung oder minimale Bodenbearbeitung führen häufig zu einer Anhäufung von Krankheitserregern in Ernterückständen und von Unkrautsaatgut. In Verbindung mit Monokulturen (be-ziehungsweise engen Fruchtfolgen) führt die konservierende Bodenbearbeitung zur Notwendigkeit einer chemischen Schädlings- und Unkrautbekämpfung. Bodenbearbeitung kann Saatgut von Unkräutern, Krank-heitserregern und Schädlingen, die in Ernterückständen leben, begraben und diese „immobilisieren“. Im Ackerbau ist das Pflügen eine der wichtigsten pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen. Das Pflügen hat je-doch auch viele Nachteile und es wird erforscht, wie das Pflügen im ökologischen Landbau reduziert wer-den kann, ohne die Erträge zu beeinträchtigen (FIBL 2014). In der konventionellen Landwirtschaft sollte der vorsichtige Einsatz von (flachem) Pflügen bei der integrierten Schädlingsbekämpfung berücksichtigt und gegen die agrarökologischen Nachteile des Pestizideinsatzes abgewogen werden.

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28 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

Biodiversität erhöhen

Die natürliche Schädlingsbekämpfung ist ein kostenloser „Ökosystemdienst“ von unschätzbarem Wert (van Lenteren 2006, Losey & Vaughan 2006, Cardinale et al. 2003). Der Einsatz von Pestiziden und die zuneh-mende Verarmung der ländlichen Biodiversität reduzieren diese biologische Kontrolle. Die Grundregeln des integrierten Pflanzenschutzes müssen unbedingt eingehalten werden: 1. Pestizide dürfen nur verwendet werden, wenn mit einem inakzeptablen wirtschaftlichen Schaden zu rechnen ist. Das erfordert eine qua-lifizierte Überwachung. 2. Es muss das für andere Organismen am wenigsten schädliche Pestizid gewählt werden.

Nicht behandelte Flächen mit verringerter Düngung auf dem Schlag begünstigen die allgemeine Biodiver-sität und sind auch ein wertvoller Zufluchtsort für natürliche Feinde von Schädlingen (Nash et al. 2008; Sunderland & Samu 2000). Sie sind besonders wichtig auf großen Feldern.

Auf großen, weniger diversen Betrieben mit großen zusammenhängenden Feldern sollten neue Land-schaftselemente und Lebensräume (z. B. Hecken, Wildblumengebiete, Blumenstreifen) geschaffen werden (Fiedler et al. 2008; Schmidt-Entling & Döbeli 2009; Langelotte & Denno 2004). Es gibt zahlreiche prak-tische Nachschlagewerke sowie kommerzielle Lösungen (Samenmischungen, die nützliche Insekten anzie-hen) (Philips et al. 2014, Landis et al. 2000). Forschungen in der Schweiz zeigen eine hohe Wirksamkeit von annuellen Blühstreifen, durch die der Schädlingsbefall von Blattkäfern unter die wirtschaftliche Schwelle sinkt. Die Autoren schließen daraus, dass die untersuchten Blühstreifen eine sinnvolle Alternative zum In-sektizideinsatz in Getreide darstellen (Tschumi et al. 2015).

In Obstplantagen und anderen Anbaugebieten spielen Vögel eine wichtige Rolle bei der Insektenbekämp-fung (Mols & Visser 2002). Durch die Bereitstellung von Lebensräumen, Nistkästen, Sitzstangen und Fut-terplätzen für Schleiereulen beispielsweise kann eine wirksame Nagetierbekämpfung geschaffen werden. Fledermäuse ernähren sich von Nachtmotten wie dem Apfelwickler und obwohl sie geschützt und geför-dert werden müssen, weiß man bisher kaum, wie man sie besser zur Schädlingsbekämpfung nutzen kann (Boyles et al. 2011).

Robuste Sorten

In mehrjährigen Anbausystemen wie Wein und Obst sind Fruchtfolge und sanitäre Bodenbearbeitung keine Option. Eine wichtige Lösung zur Vermeidung von Krankheitsproblemen ist die Wahl der Sorte. Es gibt viele alte und neue Sorten, die tolerant oder krankheitsresistent sind. Einschränkungen durch Verbraucher und/oder Einzelhändler können über Direktmarketing und Kommunikation begegnet werden.

VIII. Diskussion der MethodikDatengrundlage

Um die Ist-Situation bezüglich des Pestizideinsatzes speziell in Nordrhein-Westfalen zu berechnen, wurden repräsentative nationale Durchschnittswerte verwendet und auf die spezifische Anbaufläche der jeweiligen landwirtschaftlichen Kulturen umgelegt (s. II. Datengrundlage und Methodik). Der Vergleich mit den Anbau-flächen in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass alle flächenmäßig bedeutsamen Kulturen in Nordrhein-Westfa-len durch die JKI Daten erfasst werden. Hier gibt es keine „weißen Flecken“. Trotzdem wird es aufgrund von Betriebsstrukturen und klimatischen Bedingungen Unterschiede geben. Unterschiede mag es auch bei der Umsetzung von konservierender und/oder pflugloser Bodenbearbeitung geben. Diese hat Einfluss auf den

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29Pestizidbericht für Nordrhein-Westfalen

Beikraut- und Schaderregerdruck. Die regionalen Unterschiede können mit den vorliegenden Daten nicht erfasst werden.

Ein Erfolgsmonitoring für eine Pestizidreduktionsstrategie auf Landesebene wäre mit vergleichsweise ge-ringem Aufwand möglich. Dazu müsste das Netz der Testbetriebe des JKI regional und repräsentativ ver-dichtet werden. So könnte Nordrhein-Westfalen direkt an die bundesweiten Erhebungen und Auswertung anknüpfen. Darüber hinaus wäre ein Vergleich mit dem bundesweiten Durchschnitt möglich.

Ökologisch bewirtschaftete Flächen: Ökologisch bewirtschaftete Flächen wurden nicht berücksichtigt, weil weder kulturspezifische Flächengrößen für das Referenzjahr noch belastbare Daten zum Pestizideinsatz vorliegen. Bei ökologisch produziertem Obst, Wein und Kartoffeln werden regelmäßig Pestizide (unter an-derem Kupfer, Schwefel) eingesetzt. Ökologisch produzierter Weizen ist den Anforderungen des ökolo-gischen Landbaus entsprechend pestizidfrei, es fehlen aber die Flächenangaben. Wegen der gegenwärtig vergleichsweise geringen Fläche von Bio-Weizen in Nordrhein-Westfalen21 ist der Einfluss auf den Gesamt-pestizidverbrauch vermutlich nicht messbar.

Nicht mehr zugelassene Wirkstoffe: Für die Berechnung der Ist-Situation und der Szenarien wurde auf die Daten aus dem Jahr 2017 zurückgegriffen. Einige Stoffe, die 2017 zum Beispiel noch bedeutend waren, sind bereits nicht mehr zugelassen (unter anderem Flupyrsulfuron, Isoproturon und Picoxystrobin22). Das hat Einfluss auf die Toxic Load und andere Parameter, die aber nicht ohne Weiteres modelliert werden können.

Szenarien

Um Reduktionspotenziale aufzuzeigen, wurden vier Szenarien entwickelt. Machbarkeit und Effekt auf gro-ßer Fläche waren die Hauptkriterien für die Auswahl der Szenarien. Denkbar sind aber viele weitere Sze-narien. Apfelanbau ist zum Beispiel auch ohne chemisch-synthetische Insektizide (aber mit Pheromonen) möglich und wünschenswert.

Das IP Suisse Szenario zeigt, dass große Kulturen ganz ohne bestimmte Anwendungen (insbesondere Fun-gizide, Insektizide, Wachstumsregulatoren) auskommen. Der Herbizideinsatz wird von IP Suisse aber bisher kaum reduziert und gerade die Beikrautflora ist ein wichtiger Bestandteil der Biodiversität. IP Suisse be-lohnt bzw. fordert aber bestimmte Maßnahmen für den Schutz und die Steigerung der Biodiversität23.

Fruchtfolge und widerstandsfähige Sorten sind zwei der wirksamsten Maßnahmen zur Vorbeugung von zu hohem Schaderreger- und Beikrautdruck. IP Suisse macht dazu einige Vorschriften. Die Auswirkungen konn-ten in diesem Rahmen nicht modelliert werden.

Maßnahmen wie verbesserte Beratung oder die konsequente Einhaltung des Schadschwellenprinzips konnten nicht in die Szenarien einfließen. Mit diesen Maßnahmen kann der Pestizideinsatz um 20 Prozent reduziert werden (Freier et al. 2014).

Bei der Entwicklung von Zukunftsszenarien werden häufig nur einige Parameter geändert, weil andere kon-stant bleiben. Das ist auch hier so. Eine Verschiebung von Anbaukulturen wurde nicht angenommen. Wenn sich beispielsweise die Anbaufläche von Weizen zugunsten von Kartoffeln und Zuckerrüben reduziert, än-dert sich auch der Pestizideinsatz. Obwohl Änderungen der Flächen technisch relativ einfach modelliert werden können, wurde darauf verzichtet, da zu viele (spekulative) Annahmen getroffen werden müssten.

21 Annahme aus den Daten des Statistischen Bundesamts für 2016.22 Zusammen rund zwei Millionen ha in Deutschland 2017 und anteilig etwa 180.000 ha in NRW.23 IP Suisse (2015): Leitfaden für die Anwendung des Punktesystems. Biodiversität. IP Suisse.

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30 Pestizide vom Acker holen - Artenvielfalt erhalten

Weiterhin konnten absehbare Änderungen in der Zulassung nicht modelliert werden. In Zukunft werden flä-chenmäßig bedeutsame und hochgiftige Pestizide wie Chlorthalonil, Thiacloprid, Epoxiconazole und Chl-ortoluron die Zulassung verlieren (Ende 2019/Frühling 2020). Da Wirkstoffe fast immer mit anderen Wirk-stoffen substituiert werden, ist eine Modellierung kaum möglich. Es müssten zu viele Annahmen getroffen werden, welche Stoffe durch andere ersetzt werden. Im IP-Suisse-Modell wurden verbotene Herbizide er-satzlos gestrichen. Diese eher unrealistische Vereinfachung hat allerdings im Getreide kaum Auswirkungen auf die Ergebnisse, weil die betroffenen Herbizide nur geringe Anteile haben. Ein ersatzloses Verbot von Lenacil und Chloridazon im Anbau von IP Zuckerrüben ist dagegen eine Vereinfachung mit größeren Aus-wirkungen. Beide grundwassergängigen Stoffe gehörten 2017 zu den bedeutendsten Wirkstoffen im Zu-ckerrübenanbau.

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50°00.00

0′N

50°00.000′N10°00.000′E

10°00.000′E

0 100 km

Basisprämie und Greening (€) Summe 3.930 - 200.000 200.000 - 400.000 400.000 - 600.000 600.000 - 800.000 800.000 - 1.000.000 1.000.000 - 1.200.000 1.200.000 - 1.400.000 1.400.000 - 1.600.000 1.600.000 - 1.800.000 1.800.000 - 2.000.000 2.000.000 - 2.091.631 NRW LandkreisNordrhein-WestfalenLandesgrenze

Legende

N

Anhang 3 - Verteilung der GAP-Fördersummen (Basisprämienund Greening)

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Anhang 4 Behandlungsindex und Toxic Load nach Fruchtart

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

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Anhang 4 Behandlungsindex und Toxic Load nach Fruchtart

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

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Anhang 4 Behandlungsindex und Toxic Load nach Fruchtart

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

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Anhang 4 Behandlungsindex und Toxic Load nach Fruchtart

(Wirkstoff TLI * Wirkstoffmenge kumuliert)/Anbaufläche

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