Pflegewelt – Ausgabe 01/2016
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Transcript of Pflegewelt – Ausgabe 01/2016
Ausgabe 1 - Januar 2016Sonderedition zur 2. Berliner Pfl egekonferenzSonderedition zur 2. Berliner Pfl egekonferenz
Staatssekretär Karl-Josef Laumann zu den zentralen Herausforderungen der Pflege
Stetige VeränderungProf. Dr. Sandra Bachmann über die Akademisierung in der Pflege
Palliative CareAus indischer Perspektive auf Fragen in Deutschland blicken
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Becker–Ebel
—
+ exklusive Interviews + Otto Heinemann Preis 2015 + Marie Simon Pfl egepreis 2015
+
und weitere Highlights...
OT TO H E I N E M A N N P R E I S 2 0 1 6
Z U R V E R E I N B A R K E I T VO N B E RU F U N D P F L E G E
Wir suchen Vorbilder für eine
pflegefreundliche Arbeitswelt – bundesweit!
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird in immer mehr
Unternehmen zu einem wichtigen Thema. Vor dem Hintergrund der
demografischen Entwicklung und des absehbaren Fachkräftemangels
rücken dabei auch Erwerbstätige,
die gleichzeitig Familienangehörige pflegen müssen,
zunehmend in den Fokus der Arbeitgeber.
Gesucht wird daher das innovativste Unternehmen,
das in herausragender Weise für seine Beschäftigten optimale
Bedingungen zur Vereinbarkeit von Pflege und Arbeit schafft und
mit Ideenreichtum und unternehmerischer Weitsicht
auf das Wohl seiner Angestellten zielt.
Bewerbungsschluss: 31.8.2016
Alle Informationen rund um die Ausschreibung auf
www.otto-heinemann-preis.de
Garantie, dass ihr Engagement und Einkommen auch ihr
Auskommen sichert. Vieles wird bereits auf gesetzlichem
Wege eingeleitet. Aber bei allen Reformbemühungen
muss deutlich werden, dass das System dem Menschen
dient und nicht umgekehrt. Den bestehenden Konflikt
zwischen Pflegeversicherung und Kommune gilt es daher
durch ein geeignetes Case-Management zu überwinden
und unser gemeinsames Ziel muss es sein, ein umfassen-
des Coaching-Modell für Familien zu etablieren, damit
Angehörige in die Lage versetzt werden, auch zuhause zu
betreuen.
Ungeachtet aller Paragrafen und Richtlinien kann uns dies
aber nicht aus der Verantwortung entlassen, selbst etwas
dafür zu tun, dass aus unserer alternden Gesellschaft eine
familien- und altersfreundliche Gesellschaft wird. Viele
Beispiele, Anregungen und Positionen hierzu haben wir
auf der 2. Berliner Pflegekonferenz vorgestellt und disku-
tiert. Einige davon haben wir in unserem Magazin zur Kon-
ferenz noch einmal für Sie zusammengefasst und doku-
mentiert. Ich hoffe, dass viele der guten Ideen und Ansätze
den Weg in unseren Alltag finden, und wünsche Ihnen eine
spannende „Nachlese“.
Herzlichst Ihr
Yves Rawiel
05
„Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit
ihren alten Menschen umgeht.“ Dieses alte japanische
Sprichwort ist heute aktueller denn je. Wir leben in einer
alternden Gesellschaft, der demografische Wandel schrei-
tet in großen Schritten voran – und auch der derzeitige
Flüchtlingsstrom wird nicht verhindern, dass statistisch
gesehen immer weniger junge Menschen auf immer mehr
ältere treffen werden. Aber ist das wirklich ein Problem?
Mitnichten. Ja, unsere sozialen Sicherungssysteme stehen
vor großen Herausforderungen – und gewiss: Die Genera-
tionengerechtigkeit wird vor eine Geduldsprobe gestellt.
Doch wir alle sollten uns über die gewonnenen Lebensjah-
re freuen, statt über „die Alten“ und das Altern zu lamen-
tieren! Die Statistik besagt, dass jedes zweite neugebore-
ne Kind in Deutschland heute die Chance hat, 100 Jahre
alt zu werden. Meine Kinder werden sich also hoffentlich
auf ein langes Leben freuen können!
Damit aus der Chance auf ein langes, aber auch ein er-
fülltes Leben werden kann, müssen wir umdenken und
entsprechend handeln: Pflege und Beruf müssen wie
Kindererziehung und Beruf besser vereinbar werden, Ar-
beitgeber müssen ihre Mitarbeiter so lange wie möglich
so gesund wie möglich halten – Stichwort betriebliche Ge-
sundheitsförderung –, und pflegende Angehörige und pro-
fessionell Pflegende brauchen mehr Anerkennung und die
Editorial
06
Inhalt
Editorial + 04Inhaltsverzeichnis + 06
Impressum + 74
Pfl egepolitik
08Zentrale Herausforderungen der Pflege
+Staatssekretär Karl-Josef Laumann
Bevollmächtigter für Pflege der Bundesregierung
09Kraftakt
+Dr. Gerd Landsberg
Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes
10Sektorengrenzen überwinden
+Franz Knieps
Vorstand des BKK Dachverbandes e.V.
11Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
+Jürgen Hohnl
Geschäftsführer des IKK e.V.
Ausgabe 1 — Januar 2016Sonderedition zur 2. Berliner Pflegekonferenz
12Pflegepolitik ist Chefsache
+Im Gespräch mit Andreas Westerfellhaus
Präsident des Deutschen Pflegerates
Demografi e
14Der Mensch entwickelt sich von der Konzeption
bis zum letzten Atemzug+
Interview mit Prof. Dr. Ursula LehrBAGSO e.V.
16Hält Arbeit jung und gesund?
+Interview mit Prof. Dr. Victoria Büsch
SRH Hochschule Berlin
18Für eine neue Sichtweise auf das Alter
+Prof. Dr. Hermann Brandenburg
Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
20Die Midlife—Boomer
+Warum es nie spannender war, älter zu werden —
und warum Ältere immer bessere Karten im Arbeitsmarkt haben
Margaret Heckel
07
Pflegepraxis
22Gewaltprävention in der Pflege
+Interview mit Dr. Ralf Suhr
Zentrum für Qualität in der Pflege
24Malteser und Silviahemmet
+Interview mit Dr. med. Ursula Sottong
Malteser Deutschland gemeinnützige GmbH
28Ambulant und stationär
+Interview mit Dieter Wopen
Marseille–Kliniken AG
30Vereinbarkeits—Dilemma
+Eva Prinz
Commerzbank AG
33Selbstbestimmtes Leben
+Thomas Nöllen
spectrumK GmbH
343 Fragen
+Daniel BahrAllianz AG
Die Veranstaltung
35Impressionen zur 2. Berliner Pflegekonferenz
+Fotos, Berichte & die Preisträger
38Otto Heinemann Preis 2015
+Pflege und Beruf — Vom Tabuthema zur Normalität?
43Die Enkelin
+Frau Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann
46Marie Simon Pflegepreis 2015
+Ein Pflegeprojekt, das Schule machen sollte.
Pflegeausbildung
52Wir brauchen eine Revolution
+Prof. Dr. Michael Ewers
Charité Berlin
56Pflege — die Disziplin der Zukunft
+Prof. Dr. phil. Christian Rester
Technische Hochschule Deggendorf
58Stetige Veränderung
+Prof. Dr. Sandra Bachmann
Hochschule für Gesundheit Bochum
Palliativversorgung
63Der Tod gehört zum Leben
+Prof. Dr. med. Winfried Hardinghaus
Deutscher Hospiz- u. PalliativVerband e.V.
64Der Mensch fürchtet sich mehr vorm Sterben
als vor dem Tod+
Dr. Erika PreisigStiftung Eternal Spirit/ CH
66Palliative Care
+Prof. Dr. Jochen Becker-Ebel
MediAcion
08
Weichen gestellt. Jetzt kommt es darauf an, ganz konkret
vor Ort diesen gesetzlichen Rahmen mit Leben zu füllen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass hierbei der Ausbau
der Tagespflege eine ganz zentrale Rolle spielt: Angehöri-
ge werden dadurch spürbar entlastet und Pflegebedürfti-
ge bekommen ein Angebot, das ihnen sinnvolle Beschäfti-
gungen und soziale Kontakte ermöglicht und somit ihrem
Alltag Struktur geben kann.
Rund 20 Jahre nach ihrer Einführung steht die Pflegever-
sicherung auf einem stabilen und jetzt auch modernen
Fundament. Denn mit den Pflegestärkungsgesetzen und
dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff machen wir die
Pflege zukunftssicher und gerechter. Das ist auch nötig,
denn der demografische Wandel ist real: Auf absehba-
re Zeit werden wir jedes Jahr zwei bis drei Prozent mehr
Pflegebedürftige in unserem Land haben.
In diesem Zusammenhang beschäftigt mich erstens die
Frage, wie es uns gelingt, dass sich auch künftig genügend
Menschen für den Pflegeberuf entscheiden. Dazu gehört
vor allem ein angemessener und fairer Verdienst. Und
deshalb brauchen wir endlich auch in der Pflege flächen-
deckend Tariflöhne. Wichtig ist zudem die Reform der
Pflegeausbildung im Sinne der Generalistik. Dies wird die
Bundesregierung mit dem geplanten Pflegeberufsgesetz
angehen. Damit wird dann auch das Schulgeld, das in eini-
gen Bundesländern noch für die Pflegeausbildung gezahlt
werden muss, endlich der Vergangenheit angehören.
Die zweite große Frage, die mich beschäftigt, ist, wie wir
die richtigen Angebote schaffen, um die Vereinbarkeit
von Familie, Pflege und Beruf zu stärken und dem Leben
der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen eine sichere
Struktur geben zu können. Mit den Pflegestärkungsge-
setzen der Bundesregierung wurden hierfür die richtigen
Zentrale Herausforderungen
der Pflege
Karl-Josef Laumann +
StaatssekretärBeauftragter der Bundesregierung für
die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege
www.patientenbeauftragter.de
Pflegeberuf attraktiver machen, Tagespflege ausbauen
09
Dr. Gerd Landsberg+
Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes
www.dstgb.de
Es war ein Kraftakt, ein kinderfreundliches Land zu er-
schaffen. Um auch ein alters- und familienfreundliches
Land zu werden sind noch eine Menge weiterer Schritte
erforderlich. Viele Arbeitgeber und auch viele Kommunen
haben die Notwendigkeit bereits erkannt, sich für ihre
Mitarbeiter und darüber mittelbar für deren Angehörige
einzusetzen. Für die Standortattraktivität ist nicht nur
entscheidend, dass ein Arbeitnehmer finanziell ausrei-
chend ausgestattet ist, sondern auch, dass lokale Akteure
einschließlich der Kommunen und der Unternehmen ein
soziales Umfeld gestalten – ein Umfeld, das es den Men-
schen ermöglicht, Familie und Beruf miteinander in Ein-
klang zu bringen. Aus Sicht des Deutschen Städte- und
Gemeindebundes ist es Aufgabe von Arbeitgebern und
der öffentlichen Hand, eine solche familienfreundliche
Umgebung zu schaffen. Deshalb ist es sinnvoll, wie auf der
Berliner Pflegekonferenz, die richtigen Fragen zu stellen
und aktiv nach Antworten zu suchen. Erste Ansätze, wie
Flexibilisierung von Arbeitszeiten oder Lokale Bündnisse
für Familie, weisen in die richtige Richtung.
KraftaktEin Statement von
Dr. Gerd Landsberg
Pflegepolitik
10
ihre Altvorderen das Privileg der Weißkittel mitnichten
für gottgegeben halten.
Pflegebedürftigkeit im Kontext der Pflegeversicherung
ist keine medizinische Diagnose, sondern eine komplexe
fachwissenschaftliche und sozialrechtliche Konstruktion.
Diese Konstruktion verlangt Antworten, die von gesamt-
gesellschaftlicher Verantwortung und Handeln geprägt
sind. Der eigentliche Paradigmenwechsel kommt erst zu-
stande, wenn wir Pflege gemeinsam neu denken, wenn
sich Krankenversicherung und Pflegeversicherung aufei-
nander zubewegen und wenn Beratungskompetenz der
Kassen, professionelle Pflegeangebote und kommunale
Infrastrukturplanung ineinandergreifen, damit Menschen
in ihren Wohnungen und in ihren gewohnten Nachbar-
schaften alt werden können. Und vor allem muss das pro-
fessionelle System endlich den Wunsch der Menschen re-
spektieren, möglichst lange selbstständig leben zu können.
Das deutsche Gesundheitswesen ist im internationalen
Vergleich sehr leistungsfähig, aber auch durch Abgren-
zung und erstarrte Strukturen geprägt. Hiervon ist die
Versorgung pflegebedürftiger Menschen nicht ausge-
nommen. In der Debatte können wir uns eine künstliche
Trennung zwischen kurativer medizinischer Versorgung
und Pflege nicht länger leisten. Wir orientieren uns in
beiden Bereichen zu wenig am Krankheitsverlauf der Pa-
tienten und am wirklichen Bedarf von Pflegebedürftigen.
Zudem hatten wir bisher zu sehr die Defizite der Betrof-
fenen im Blick. Erst jetzt betont das PSG II den Grad der
Selbstständigkeit und legt damit die Grundlage für einen
Paradigmenwechsel hin zur Ressourcenorientierung. Sol-
che Paradigmenwechsel sind allerdings keine Selbstläu-
fer, sie benötigen die richtige politische Weichenstellung,
die nicht an Sektorengrenzen haltmachen darf und auch
die sozialen Sicherungssysteme Pflegeversicherung und
Krankenversicherung gemeinsam hin zu einer konsequen-
ten Patientenorientierung verändert.
Wir müssen Faktoren identifizieren, die zwei massive Hin-
dernisse überwinden. Die starren und seit Jahren folgen-
los beklagten Sektorengrenzen der Versorgung wurden
durch ein Anreizsystem hervorgebracht, das vor allem
von Finanzierungsinteressen der Leistungserbringer ge-
steuert ist. Dies wird zuverlässig flankiert von Standes-
vertretern, die bei einem Pyramidenbild des Gesundheits-
systems verharren – mit den Ärzten an der Spitze. Aber
in einer Gesellschaft, in der wir weniger, älter und zuneh-
mend chronisch krank werden, stellen sich junge, moti-
vierte und gut ausgebildete Pflegefachkräfte auf für ein
vernetztes, patientenorientiertes Arbeiten auf Augenhö-
he. Sie treffen auf eine Generation junger Mediziner, die
in Zeiten globaler Informationsvernetzung nicht länger
auf Abgrenzung und Abschottung setzen und anders als
Sektorengrenzen überwinden
Franz Knieps+
Vorstand des BKK Dachverbandes e.V.www.bkk-dachverband.de
Kranken- und Pflegeversicherung müssen sich aufeinander zubewegen
11
Der demografische Wandel ist mittlerweile zum geflü-
gelten Wort geworden. Das darf aber nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass auf unterschiedlichen Feldern kon-
krete Maßnahmen erforderlich sind, um die sozialen
Sicherungssysteme nachhaltig zu stabilisieren. Es liegen
große Aufgaben vor uns zur Sicherstellung der medizini-
schen und pflegerischen Versorgung sowie zur finanziel-
len Absicherung. Die gesetzliche Krankenversicherung
muss aufgrund der einkommensabhängigen Finanzierung
immer auch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt im
Blick haben. Gerade für die Innungskrankenkassen als
unternehmensnahe Krankenversicherung ist die Unter-
stützung ihrer Betriebe, der Arbeitgeber wie der Versi-
cherten eine große Herausforderung. Insbesondere die
Handwerksbetriebe – in der Regel kleinere bis mittel-
ständische Unternehmen – spüren den Fachkräftemangel
deutlich und müssen die Aufgaben, die mit einer alternden
Belegschaft einhergehen, stemmen. Ein Thema ist unter
anderem die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege: Was tun,
wenn in einem Malerbetrieb, der gerade mal fünf Mitar-
beiter zählt – den Handwerksmeister eingeschlossen –,
sich einer davon plötzlich um einen pflegebedürftigen
Angehörigen kümmern muss? Da sind dann Improvisati-
onskunst, Ärmelhochkrempeln und individuelle Lösungen
gefragt. Aber auch die Themen Gesundheitsförderung
und Prävention sind dabei wichtig: Wie kann es ein kleiner
Betrieb schaffen, dass seine Mitarbeiter möglichst lange
möglichst gesund bleiben? Und wie kann er das Arbeits-
umfeld so gestalten, dass es für den Nachwuchs attrakti-
ver wird? Solche und andere Fragen werden gerade bei
den Innungskrankenkassen ausgiebig diskutiert. Sie set-
zen sich deshalb ganz besonders dafür ein, Maßnahmen
der betrieblichen Gesundheitsförderung auszubauen und
die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu stärken.
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Jürgen Hohnl+
Geschäftsführer des IKK e.V.www.ikkev.de
Wichtiger Baustein der betrieblichen Gesundheitsförderung
Pflegepolitik
12
Im Sommer hat das Bundeskabinett die jüngste Pflegereform gebilligt. Kern ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff. Künftig soll es nicht mehr drei Pflegestufen geben, sondern fünf Pflegegrade. Ist das in Ihren Augen sinnvoll?
Ja, sicher. Wir vom Deutschen Pflegerat haben an der Re-
form ja mitgearbeitet. Entscheidend ist, dass wir uns von
einer Defizit– zu einer Ressourcenorientierung hinbewe-
gen. Im Fokus steht, was der Mensch kann, wie man ihn
dabei unterstützen kann, nicht mehr wie früher, was er
nicht kann. Das ist nicht nur aus Sicht des Patienten abso-
lut sinnvoll, es entspricht auch sehr viel mehr dem profes-
sionellen Anspruch der Pflegenden.
Durch die Reform kommen aber auch große Probleme auf Sie zu. Da bei der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade niemand schlechtergestellt werden soll,
werden eine halbe Millionen Menschen zusätzlich Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben. Ist das personell überhaupt zu leisten?
Das ist der Schwachpunkt an der Reform. Wenn nicht
sichergestellt ist, dass die zusätzlichen Leistungen, die wir
erbringen wollen, auch erbracht werden können, und zwar
von professionell dreijährig ausgebildeten Pflegenden,
wird sie zum Flop.
Vor zwei Jahren haben Sie gefordert, dass die Pflegepolitik zur Chefsache werden muss. Ist sie das heute?
An den Rahmenbedingungen der Leistungserbringer hat
sich bisher leider noch nichts geändert. Wenn nicht aus-
reichend Pflegende vorhanden sind, die nicht angemessen
bezahlt werden und Bedingungen vorfinden, unter denen
sie ihre Arbeit machen können, stehen wir demnächst vor
Pflegepolitik istChefsache.
Im Gespräch mit Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates
13
einem Scherbenhaufen. Man kann so viele Reformen ver-
ordnen, wie man will - wenn man niemanden hat, der das
leistet, wird daraus nichts.
Der Pflegeberuf ist nach wie vor wenig attraktiv. Viele springen schon in der Ausbil-dung wieder ab. Glauben Sie, dass sich unter diesen Umständen die personelle Frage in absehbarer Zeit lösen lässt?
Ich bin da optimistisch. Sonst wäre ich nicht im Ehrenamt
Präsident des Deutschen Pflegerates. Wir arbeiten mit
Hochdruck daran, den Beruf durch eine generalistische
Ausbildung zeitgemäßer und attraktiver zu machen. Wir
kämpfen um verpflichtende Personalschlüssel in allen
Sektoren, in der Altenpflege und in den Krankenhäusern.
Wir fordern von den Gewerkschaften, sich ohne Wenn
und Aber für eine Änderung der tariflichen Bezahlung
einzusetzen. Der Zug ist schon ins Rollen gekommen. Der
Pflegeberuf wird heute anders wahrgenommen als noch
vor einigen Jahren.
Noch mal zurück zur Ausbildung. Was meint die generalisierte Ausbildung?
Die drei bisher getrennten Ausbildungen Kinderkranken-
pflege, Altenpflege, Krankenpflege werden in eine neue
Pflegequalifikation überführt mit Schwerpunkt zum Bei-
spiel in der Pädiatrie oder Geriatrie. Die größere Durch-
lässigkeit in puncto Fachdisziplinen wird den Beruf ganz
sicher attraktiver machen.
Wie war das damals, als Sie sich für eine Ausbildung in der Pflege entschieden haben? Was hat Sie angetrieben?
Das ist schon relativ lange her. Ich habe den Beruf durch
Krankenhauspraktika und freiwillige Leistungen kennen-
gelernt. In der Ausbildung wurde mir schnell klar, wie
vielfältig er ist, welche enormen Chancen sich bieten, in
unterschiedlichsten Segmenten zu arbeiten. Auf der In-
tensivstation oder in der Geriatrie, in der Reha oder in
der Prävention, am Bett oder in der Lehre. Ich habe viele
Jahre am Bett des Patienten gearbeitet und mich später
dann für Management, Lehre und für die berufspolitische
Arbeit entschieden.
Letzteres ist ein sehr zeitintensives Ehren-amt. Es gibt 1,2 Millionen Pflegekräfte, das ist mit Abstand der größte Berufsstand im Gesundheitswesen.
Kann es sein, dass er politisch von Ehren-amtlichen vertreten wird?
Nein, deshalb brauchen wir eine größere Solidarität in
dieser Berufsgruppe. Wenn wir die mal haben, können wir
uns auch andere strukturelle Prozesse leisten.
Wer vertritt die Vielzahl von pflegenden Angehörigen?
Wir versuchen sehr intensiv, eine Brücke zwischen pro-
fessionellen Pflegenden und pflegenden Angehörigen zu
schlagen. Zu schauen, wo sind die Schnittstellen? Wo be-
darf es der gegenseitigen Unterstützung? Wir kommuni-
zieren eng mit Verbänden von pflegenden Angehörigen.
Dabei muss man immer auch im Auge behalten, wie weit
man in der Belastung des pflegenden Angehörigen gehen
kann und wo zwingend Profession einsetzen muss. Eines
ist klar: Ohne die Leistungen der Angehörigen und des Eh-
renamtes wäre das System längst kollabiert.
Vielen Dank für das Gespräch.
Andreas Westerfellhaus+
Präsident des Deutschen Pflegerateswww.deutscher-pflegerat.de
Pflegepolitik
14
Wie sind Sie als junge Wissenschaftlerin damals zum Thema Gerontologie gekommen?
Das war zu Beginn der 50er-Jahre. Ich bin Psychologin;
mich interessierte besonders Entwicklungspsycholo-
gie – und die endete im Alter von etwa Mitte 20 mit der
Berufsfindung und Familiengründung des Individuums.
Nach allen damaligen Lehrbüchern fand Entwicklung nur
in den ersten zwei bis drei Lebensjahrzehnten statt, war
eine „Ausfaltung von Anlagen“. Dann hat sich mein Leh-
rer, Prof. Hans THOMAE, intensiv mit den verschiedenen
Entwicklungstheorien auseinandergesetzt, diese kritisiert
und selbst Entwicklung definiert als „Veränderung des
Erlebens und Verhaltens auf dem Hintergrund des Kon-
tinuums eines Lebenslaufes“. So gesehen verändert sich,
entwickelt sich der Mensch von der Konzeption bis zum
letzten Atemzug. (Veränderung kann Zunahme, Abnahme,
qualitative Umstrukturierung, Gewinn von Potenzialen
und Kompetenzen, aber gleichzeitig auch auch Verlust von
Fähigkeiten und Fertigkeiten bedeuten). Dann suchten wir
durch empirische Untersuchungen Belege für diese Defi-
nition der „Entwicklung als Veränderung“. 1958 veröffent-
lichten wir die Ergebnisse einer Follow-up-Studie (mehr-
malige Untersuchungen der gleichen Personen über einen
längeren Zeitraum) zur „Leistungsfähigkeit älterer Arbeit-
nehmer“ und stellten fest, dass es keinen mit dem Lebens-
alter zu erklärenden Leistungsabbau gab. Nachdem wir
die 55-65-Jährigen erfasst hatten, interessierten uns die
Älteren. Durch die Stiftung Volkswagenwerk wurde eine
Längsschnittstudie (Männer und Frauen der Jahrgänge
Der Mensch entwickelt
sich von der Konzeption bis
zum letzten Atemzug
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Ursula Lehr
15
1890 bis 1910) finanziert, die von 1965 bis 1983 in zwei-
bis dreijährigem Abstand jeweils mehrere Tage lang psy-
chologisch, soziologisch und medizinisch untersucht wur-
den. Ergebnis: Es gibt keine Altersnormen, sondern nur
verschiedene Alternsformen. Die Anzahl der Lebensjahre
ist ein sehr fragwürdiges Kriterium für eine jede Alters-
grenze!! Schon 1968 forderte ich eine „Flexibilität der Al-
tersgrenze“, die jetzt nach bald einem halben Jahrhundert
der Realisierung etwas näher zu rücken scheint.
In meinem UTB-Taschenbuch „Psychologie des Alterns“
(1972) hatte ich mich erstmals mit dem Defizitmodell
des Alters auseinandergesetzt und dieses weitgehend
verworfen. Es war die erste deutsche wissenschaftliche
Arbeit, die ein positiveres Altersbild einleitete (11. A.
überarbeitet, 2007 – übersetzt ins Niederländische, Itali-
enische, Spanische, Türkische, Japanische). Das Thema Er-
forschung des Alterns ließ mich nicht mehr los, obwohl ich
auch andere Forschungsschwerpunkte hatte (Vergleich
Heimkinder/Familienkinder in den ersten drei Lebensjah-
ren; die Frau im Beruf; die Rolle der Mutter – und des Va-
ters – in der Sozialisation des Kindes u.a.m.)
Was hat sich von damals bis heute getan?
Gerontologie ist zu einem universitären Ausbildungsfach
geworden; 1986 hatte ich den ersten Lehrstuhl geschaf-
fen (Universität Heidelberg); Fragen zur „lebenslangen
Entwicklung“ und auch zur „Entwicklung im Alter“ werden
nun in jedem entwicklungspsychologischen Lehrbuch be-
handelt. Das Bild vom alten Menschen ist differenzierter
geworden. Die Politik befasst sich – seit 1989 – nun nicht
mehr nur mit Renten und Krankheiten im Alter, sondern
auch mit dem gesunden Alter, mit dem „Normal Ageing“,
mit dem Aktiven Alter (siehe Altenberichte der Bundes-
regierung). Ältere Menschen selbst sind aktiver, gesün-
der, engagementbereiter geworden. Die BAGSO bzw.
die durch sie vertretenen etwa 13 Millionen Seniorinnen
und Senioren in den 113 zur BAGSO gehörenden Verbän-
den spiegeln das sehr deutlich.
Und auch die Medizin hat erkannt, dass man durch Prä-
vention den Alternsprozess beeinflussen kann; dem Geri-
ater war das klar, aber erst ganz allmählich glaubt auch der
Hausarzt an Möglichkeiten einer Rehabilitation.
Was macht für Sie gutes Altern aus?
Nicht dem nachzutrauern, was früher besser, schöner,
leichter war, sondern sich an dem zu erfreuen, was noch
möglich ist, und diese Möglichkeiten zu nutzen. Altern
fällt leichter, wenn man mit großer Zufriedenheit auf sein
bisheriges Leben zurückschauen kann, wenn man manche
seiner Ideen in der jüngeren Generation weiterleben sieht.
Was muss noch getan werden, um unsere Gesellschaft nicht nur kinder-, sondern auch seniorenfreundlich zu machen?
Ich finde unsere Gesellschaft nicht gerade seniorenfeind-
lich. Sicher, zum Teil liegt es an den Senioren selbst, wie sie
auftreten, ob sie sich in andere, Jüngere, hineinversetzen
können – oder nur stur auf ihre Rechte pochen, ohne an
die Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen
zu denken. Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit zwischen
Jung und Alt (und Mittelalt!), denn auch manchen Jünge-
ren fällt es schwer, sich in gewisse Begrenzungen bei Se-
niorinnen und Senioren hineinzudenken und darauf Rück-
sicht zu nehmen.
Welche großen Chancen sehen Sie selbst im Alter(n)?
Zu erleben, wie das, wofür man früher bekämpft wurde,
heute allgemein anerkannt und hochgepriesen wird. Au-
ßerdem: Es ist beruhigend, auf allen Posten, die man je
innehatte, gute, sehr gute Nachfolger zu haben, die das
Geschaffene weiter aufbauen! Es ist etwas eigenartig,
die eigenen Söhne (wegen derer man als „Rabenmutter“
verschrien wurde! Vielleicht haben sie sich gerade wegen
einer ununterbrochen vollzeitberufstätigen Mutter so gut
entwickelt??) an der Schwelle zum „Seniorenalter“ zu erle-
ben – aber es ist sehr wohltuend, mit erwachsenen Enkeln
zu diskutieren, ihnen etwas weiterzugeben, aber auch, von
ihnen zu lernen, zu erfahren, was junge Menschen von 20
bis 35 Jahren heute denken, anstreben, planen, wie sie die
Welt gestalten wollen. Es ist einfach spannend, in der heu-
tigen Zeit zu leben!
Vielen Dank für das Gespräch.
Prof Dr. Ursula Lehr+
Stellvertretende Vorsitzende BAGSO e.V.Bundesministerin a.D.
www.bagso.de
Demografie
16
Prof. Dr. Victoria Büsch+
Präsidentin der SRH-Hochschule Berlinund Expertin in Sachen Demografie und alternde
Belegschaften in Unternehmenwww.srh-hochschule-berlin.de
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Hält Arbeit jung und gesund?
Da gibt es kein eindeutiges Ja oder Nein. Das hängt von
der Branche ab, vom Beruf, von der Persönlichkeit. Die in-
dividuellen Unterschiede sind so groß, dass man weniger
darauf schauen sollte, was mit dem Alter passiert, sondern
welchen Menschen ich vor mir habe. Der Workability-In-
dex zeigt, dass sich bei 30 Prozent die Leistungsfähigkeit
reduziert, bei 60 Prozent bleibt sie auf demselben Level
und bei 10 Prozent steigt sie sogar.
Was folgt daraus für das Unternehmen?
Habe ich die genannten 30 Prozent vor mir, muss ich
mich fragen, warum die Workability abnimmt, warum der
Mensch, den ich vor mir habe, an Leistungsfähigkeit ein-
gebüßt hat. Ich muss also keine altersabhängigen, sondern
typenabhängige Konzepte schneidern. Alter ist kein guter
Indikator, welches Gesundheitskonzept greift.
Interessant ist beim Workability-Index, dass es immer diese drei Gruppen gibt: eine, deren Leistungsfähigkeit nachlässt, eine, die sie hält, und eine, die sie sogar verbessert, unabhängig von der Berufsgruppe. Je älter man wird, desto unterschiedlicher wird die Workability. Woran liegt das?
Dazu haben wir keine Forschung gemacht, ich würde also
in den Rahmen der Spekulation gehen.
Was wir untersucht haben, ist die Bereitschaft für eine
Weiterbeschäftigung im Rentenalter. Für Frauen ist es
wichtig, im Unternehmen Wertschätzung zu erfahren. Ge-
brauchtwerden bewirkt bei ihnen eine hohe Identifikation
mit dem Job. Für Männer steht eher die Karrierefrage im
Vordergrund, Perspektiven für eine Weiterentwicklung.
Generell werden unsere Erwerbsbiografien länger. Des-
halb muss man dringend darüber nachdenken, sie flexibler
zu gestalten. Modelle wie Senior for Success zeigen, dass
es vielen älteren Menschen guttut, noch dazuzugehören.
Sie wollen vielleicht keinen Vollzeitjob mehr, sich aber für
eine bestimmte Zeit im Jahr engagieren. Aus Umfragen
wissen wir, dass 45 Prozent Interesse haben, später in
Rente zu gehen. Im Gegenzug wünschen sie sich allerdings
eine höhere Selbstbestimmtheit.
Wie stehen die Unternehmen zu längeren Erwerbszeiten?
Hier findet ein Umdenken statt, aber das ist noch kein
flächendeckendes Phänomen. In den 1990er-Jahren, als
wir die ganzen Frühverrentungen hatten, war eine hohe
Stigmatisierung von Älteren zu beobachten. Das hat sich
durch die Einführung des allgemeinen Gleichstellungsge-
setzes geändert. Man hat auch gemerkt, dass man in vielen
Branchen einen hohen Wissensbedarf hat. Unternehmen
wie die Otto Group halten die Älteren gern länger.
Vielen Dank für das Gespräch.
Hält Arbeit jung und gesund?Interview mit Prof. Dr. Victoria Büsch
Demografie
18
+ Mehr oder weniger durch Zufall kam Prof. Dr. Hermann
Brandenburg mit dem Thema Pflege in Berührung: In den
80er-Jahren war er Zivildienstleistender in einem Pflege-
heim. Ursprünglich wollte er den Dienst in einer Schule für
geistig behinderte Kinder ableisten. Er war aber spät dran,
und am Nachmittag war die Schule natürlich geschlossen.
Das Altenheim, das er danach aufsuchte, hat ihm dann ei-
nen Job als Zivildienstleistender angeboten. Sein erster
Eindruck: „Man versuchte zwar auch damals schon, den
alten Menschen ein möglichst lebenswertes Umfeld zu
schaffen, aber die Abläufe erinnerten doch sehr stark an
das Krankenhaus, waren in hohem Maße reguliert.“ An
eine Situation erinnert er sich noch ganz genau: „Da kam
ich nach dem Urlaub zurück auf die Station – und da hieß
es nur: In den hinteren Zimmern müssen Sie gar nicht
nachschauen – die Herren sind leider verstorben. Fangen
Sie doch einfach vorne an!“ Dennoch bemerkte Branden-
burg damals eine „Offenheit“ in der Einrichtung – und
dass es Menschen gibt, die „etwas bewegen wollen“. Dass
er selbst einmal zu den Triebfedern in der Pflegewissen-
schaft gehören könnte, glaubte er damals nicht.
„Ich habe zunächst Sozialwissenschaften in Bochum, später
Gerontologie in Heidelberg studiert, das hatte mit Pfle-
ge eher wenig zu tun. Aber bereits damals habe ich mich
für Grenzsituationen im Alter sehr interessiert“, erzählt
Brandenburg. Richtig relevant wurde das Thema Pflege
für ihn dann erst in den 90er-Jahren, als er in die Pflege-
wissenschaft einstieg. Zu seinem Erstaunen hatte sich
bis dahin nicht viel getan – und auch heute bewegt sich
alles in kleinen Schritten: „Auch damals war das Thema
der Personalsituation schon prekär, auch die zunehmen-
de Vulnerabilität und Multimorbidität der Bewohner –
die Herausforderungen waren also damals schon ganz
ähnlich wie heute.“ Er gehöre aber gewiss nicht zur Frak-
tion der „Dramatiker, die auf die Langzeitpflege einschla-
gen“. Denn auf Heime wird man auch in der Zukunft nicht
Für eine neue Sichtweise
auf das AlterProf. Dr. Hermann Brandenburg über den Kampf
für die Weiterentwicklung der Versorgung und eine bessere Anerkennung der Pflegeberufe
19
verzichten können. Aber aus Sicht von Brandenburg gibt
es „einiges zu optimieren – und im Bereich der Prozesse
sehe ich eher eine Verschlechterung“. Das liege aber nicht
allein in der Verantwortung der Heime. Finanziell eng be-
grenzte Ressourcen und eine „durchgetaktete“ Pflege er-
schwerten die Bedingungen zunehmend, so Brandenburg.
„Wenn man sich mal überlegt, was sich die Mitarbeiter in
der Pflege alles vorschreiben lassen – wie viele Minuten
sie welche Arbeit verrichten dürfen. Da würde jede Fach-
gesellschaft bei den Ärzten Sturm laufen!“, ärgert sich der
Pflegeexperte. „Kaum ein Bereich in der Versorgung in
Deutschland ist so fremdbestimmt wie die Pflegearbeit.“
Prof. Dr. Brandenburg will das nicht auf Dauer hinnehmen.
Als Pflegewissenschaftler kämpft er gemeinsam mit ande-
ren Experten für die Weiterentwicklung der Versorgung
und eine bessere Anerkennung der Pflegeberufe. „Das ist
nicht leicht, denn wir bewegen uns da in einem Spagat“,
weiß er. Auf der einen Seite seien da die stetig steigenden
Anforderungen an die Pflegenden – auf der anderen Sei-
te der Fachkräftemangel. In Deutschland versuche man,
dem mit Pragmatik zu begegnen und mehr Menschen in
die Pflegeberufe zu bekommen. „Das sehe ich aber sehr
ambivalent. Denn man löst kurzfristig ein Problem – aber
langfristig wird das Image des Berufes dadurch schlechter.“
Internationale Studien, die zeigten, dass durch eine Pro-
fessionalisierung der Pflege die Mortalität gesenkt wer-
den kann, würden hierzulande weitgehend ignoriert. „Da
wird bei uns dann die übliche Polemik gefahren, dass wir
nur noch examinierte Pflegekräfte haben wollen – aber
wir wissen doch alle, dass es auf eine gute Mischung zwi-
schen der Praxis vor Ort und konzeptioneller Planung an-
kommt.“ Zudem liege der Akademikeranteil in der Pflege
bei verschwindenden 1 bis 2 Prozent. „Hier von einer Aka-
demikerschwemme zu reden, ist also geradezu lächerlich“,
sagt Brandenburg.
Auch seien die Zeiten, in denen es ausreichte, in der Pfle-
ge „nur das Herz am rechten Fleck zu haben“, vorbei. Um
gute Pflege zu organisieren, sei zukünftig mehr gefordert:
Angehörige müssten genauso einbezogen werden wie das
bürgerschaftliche Engagement. „Dies zu managen, setzt
Moderationsfähigkeiten und Gestaltungskompetenz vor-
aus, die heute so bei den Pflegekräften nicht immer vor-
handen ist.“
Brandenburg wirbt aber nicht nur für ein besseres Image
der Pflege, sondern auch für ein besseres Bild des Alters.
„Wenn ich sehe, dass im Bundestag darüber diskutiert
wird, dass wir uns die Pflege von demenziell Erkrankten
bald nicht mehr leisten können – und wenn ich lese, dass
alte Menschen nach Thailand geschickt werden, damit
sie dort gepflegt werden, dann frage ich mich schon, wo
wir angekommen sind: Wir leben in einem der reichsten
Länder der Erde“, betont er. Es gehe nicht darum, die Pfle-
ge weg zu organisieren, sondern Pflege anders zu organi-
sieren. In diesem Zusammenhang spricht sich der Pflege-
experte auch gegen die sogenannten Demenzdörfer, wie
sie in Holland zu finden sind, aus: „Damit stoßen wir eine
Entwicklung an, deren Dynamik wir nicht mehr kontrol-
lieren können“, meint Brandenburg. Vielmehr müsse man
demenzkranke Menschen auch weiterhin am öffentlichen
Leben beteiligen. Das sei nicht nur das Thema der Fami-
lien, sondern auch der Bürgerschaft insgesamt. „Und hier
geht es auch nicht in erster Linie ums Geld, sondern dar-
um, dass zum Beispiel der Sportverein die alten Menschen
nach wie vor ins Geschehen einbindet, dass der öffentli-
che Nahverkehr sich auf ältere Menschen einstellt, dass
wir also eine Haltung entwickeln, Krankheit und Gebrech-
lichkeit in das Leben zu integrieren – und nicht jedes Mal
nach öffentlicher Entsorgung durch Professionelle ru-
fen.“ Pflege sei schließlich eine Aufgabe, die alle angehe –
von der Familie über die Gemeinde bis hin zu kirchlichen
Einrichtungen. Darauf müssten sich insbesondere auch
die Kirchen einstellen: „Die Zeiten des verklärten Alters-
bildes mit Kaffeenachmittag und Singstunde sind vorbei!“
Prof. Dr. Hermann Brandenburg+
Dekan der Pflegewissenschaftlichen FakultätLehrstuhl für Gerontologische Pflege
Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar www.pthv.de
Demografie
20
Die Midlife—Boomer
Warum es nie spannender war, älter zu werden — und warum Ältere immer bessere Karten im
Arbeitsmarkt haben
Von Margaret Heckel
Heike Nash war 52 Jahre alt, als sie ihr Diplom als „staat-
lich examinierte Altenpflegerin“ in den Händen halten
wird. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern sprüht
vor Lebensfreude, wenn sie über ihre berufliche Zukunft
erzählt: „Nach ein paar Jahren will ich Teamleiterin wer-
den und dann sicher bis 67, vielleicht auch noch länger ar-
beiten.“ Die resolute Rheinländerin hatte Zeit ihres Lebens
immer wieder als Hilfskraft in der Pflege gearbeitet. Doch
sie ist viel mit ihrer Familie umgezogen, alle Pläne für eine
Ausbildung zerschlugen sich. Mit Ende 40 wollte sie das
nachholen. Sie marschierte zum Arbeitsamt – auch, weil
sie gehört hatte, dass es Ausbildungsangebote für Ältere
gibt. Ihr erster Berater hat sie nur angesehen und gesagt:
„Sie sind zu alt.“ Nash ließ sich davon nicht beirren. Sie ging
einfach zur nächsten Beraterin im Jobcenter. Und die ver-
mittelte sie an die Sozialholding Mönchengladbach, die
ein eigenes Programm für ältere Auszubildende aufgelegt
hat. Die sympathische Frau mit den Lachgrübchen kann es
kaum erwarten, nach den Prüfungen im Herbst richtig los-
zuglegen: „Das ist der Beruf, den ich schon immer machen
wollte“, sagt sie zufrieden, „ich habe gezeigt, wie stark ich
bin.“ Nash ist zu Recht stolz auf das, was sie geschafft hat:
„Ich könnte ja auch hier sitzen und rumjaulen, ich bin jetzt
schon über 50 und das Leben ist schlecht zu mir.“ Heike
Nash ist eine Midlife-Boomerin: In der Mitte ihres Lebens
ist sie noch einmal aufgebrochen, Neues zu erkunden. Sie
gehört zu einer zahlenmäßig starken und gut ausgebilde-
ten Generation um die 50, deren Erfahrungen und Quali-
täten auch morgen gefragt sein werden.
Der demografische Wandel schafft für Menschen um die
50 eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten. In Deutschland
ist die Gruppe der 40- bis 50- Jährigen die zahlenmäßig
stärkste Dekade, die wir im Land haben. 13,7 Millionen
Menschen, jeder sechste, der im Land lebt. Sie werden
gebraucht. Durch den sich in Zukunft kontinuierlich ver-
schärfenden Facharbeitermangel werden sie auf dem Ar-
beitsmarkt immer gefragter. Wer als Firma attraktiv sein
will, muss in Zukunft flexible Arbeitszeitmodelle anbieten,
die dem einzelnen Arbeitnehmer weit mehr individuelle
Gestaltungsmöglichkeiten als früher einräumen.
Kein Bereich der Personalpolitik wird sich so stark än-
dern wie der Umgang mit älteren Mitarbeitern. Schon in
wenigen Jahren wird es keine Frage mehr sein, dass Ar-
beitnehmer bis weit ins sechste Lebensjahrzehnt geschult
und fortgebildet werden. Altersgemischte Teams werden
normal sein. In den Fabriken werden die Arbeitsabläufe,
Fließbänder und Maschinen so optimiert sein, dass die
Mitarbeiter so körperschonend wie nie zuvor arbeiten
können – egal, ob sie alt oder jung sind. Es wird noch immer
21
Bereiche harter körperlicher Arbeit geben, doch die Un-
ternehmen werden sie schon aus Eigeninteresse so weit
wie nur irgend möglich reduzieren.
Der von der Politik immer wieder heraufbeschworene
Dachdecker wird ganz selbstverständlich nach seinem 50.
Geburtstag in andere Tätigkeiten hineinwachsen – egal,
ob in die Büroarbeit, in die Beratung von Kunden oder die
Ausbildung anderer Mitarbeiter. Auch wenn er nicht mehr
auf dem Dach steht, wird er im Arbeitsleben bis an die
Schwelle des 70. Geburtstages gebraucht werden. Dieses
»Gebraucht Werden« ist ein Paradigmenwechsel, dessen
Bedeutung man kaum überschätzen kann. Er löst ein
Vierteljahrhundert ab, in dem der ältere Arbeitnehmer in
der Politik, der Wirtschaft und den Medien als ersetzbar,
nicht belastbar und verbraucht beschrieben wurde. Die-
se Abwertung menschlicher Leistungsfähigkeit ist noch
weit schlimmer als die immens hohen Kosten, die uns die
fatale Frühverrentungspolitik seit Ende der 1980er Jahre
beschert hat.
Zu viele Menschen glauben noch, dass es ab dem 50. Ge-
burtstag abwärts geht. Mit dem Leben. Mit der Karrie-
re. Mit der Gesundheit. Mit dem Glück. Das aber ist ein
Trugschluss, wie unzählige neue Studien zeigen. Ganz im
Gegenteil deuten sie daraufhin, dass die Menschen ab
50 glücklicher und zufriedener werden. Die Glückskurve
stellte sich als »U«-Form heraus, mit einem statistischen
Tiefpunkt im Alter von 46. Auch die Lebenszufriedenheit
ist im Alter noch weit höher als in der Phase der frühen
Erwachsenenzeit. Noch gibt es nur wenige Unternehmen,
die offensiv Angebote für ihre älter werdende Belegschaft
machen. Einer davon ist Helmut Wallrafen-Dreisow, der
Chef von Heike Nash. Die Motivation seiner älteren Aus-
zubildenden sei außergewöhnlich, sagt der Geschäfts-
führer der Sozial-Holding Mönchengladbach. Der Alters-
schnitt seiner ungewöhnlichen »Lehrlinge« liegt bei 45,
eine Dame war bei Ausbildungsbeginn bereits 57 Jahre alt.
Wallrafen-Dreisow ist es auch wichtig, mit dem Vorurteil
aufzuräumen, dass die älteren Auszubildenden nicht so
leistungsfähig oder etwa häufiger krank seien als seine
jüngeren Mitarbeiter. „Die Gruppe der Über-50-Jährigen
hat bei uns mit 4,5 Prozent den geringsten Krankenstand
überhaupt“, sagt er, „das ist in der Realität ganz anders
als es so oft diskutiert wird.“ Die Krankenquote über alle
Altersgruppen liegt bei der Sozialholding bei unter sechs
Prozent und damit weit unter dem Branchenschnitt. Er
betont, dass die Wertschätzung der älteren Mitarbeiter
der wichtigste Motivationsfaktor überhaupt sei. In einer
noch laufenden Studie mit der Forschungsgesellschaft
für Gerontologie hat er 300 ältere Mitarbeiter befragen
lassen. „Bei älteren Mitarbeitern spielt die Ansprache
durch die Vorgesetzten die entscheidende Rolle“, sagt
Wallrafen-Dreisow, „wenn der Vorgesetzte dem älteren
Mitarbeiter sagt, das begreifst Du nie, dann wird das auch
nichts – und umgekehrt.“
Ein Jahrzehnt noch, dann werden an den Bändern des
Automobilbauers BMW vier von zehn Mitarbeitern über
50 Jahre sein. Bei der Softwareschmiede SAP wird es
deutlich mehr 55-Jährige als 35-Jährige geben. Und bei
der Berliner Stadtreinigung haben ein Drittel der rund
3.000 Müllmänner den 60. Geburtstag hinter sich. In den
deutschen Unternehmen bahnt sich eine Zeitenwende an.
Der so lange vorherrschende Jugendkult in deutschen Un-
ternehmen geht zu Ende. Selbst wenn es den Firmen hier
und da gelingt, junge Zuwanderer aus allen Erdteilen nach
Deutschland zu locken, bleibt der grundsätzliche Befund
eindeutig: Ältere werden in Fabriken und Büros immer
wichtiger. Durch den demografischen Wandel nimmt die
Zahl jüngerer Mitarbeiter beständig ab. Die Bundesagen-
tur für Arbeit erwartet bereits Mitte der 2020er Jahre
rund 6,5 Millionen erwerbsfähige Personen weniger als
heute. Einen wichtigen Teil dieser Lücke werden Frauen
und Männer füllen, die mindestens bis 67, vielleicht aber
auch noch länger im Berufsleben bleiben. Ältere verfügen
über einen über Jahrzehnte hinweg aufgebauten Erfah-
rungsschatz, haben ihre Gefühle besser im Griff, sind zu-
verlässig und gewissenhaft. Sie sind: aus Erfahrung gut.
Margaret Heckel
Die Midlife-Boomer:
Warum es nie spannender war, älter zu werden
220 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-89684-091-2
Margaret Heckel+
Politikjournalistin, Autorin, Moderatorinwww.margaretheckel.de
Demografie
22
Ein Schwerpunkt Ihrer Stiftungsarbeit ist „Gewaltprävention in der Pflege“. Wo fängt Gewalt in der Pflege überhaupt an und wie äußert sie sich?
Misshandlung gegen alte und pflegebedürftige Menschen
ist – auch aus Sicht der WHO – eine der großen, weltwei-
ten Herausforderungen von Gesundheitssystemen. Sol-
che Misshandlungen zu verhindern, ist ein höchst relevan-
ter Aspekt bei der Sicherstellung von Versorgungs- und
Pflegequalität in Deutschland.
Gewalt gegen diese hoch verletzlichen Menschen kann
viele Gesichter haben. Dazu gehören neben körperlichen
Übergriffen oder verbalen Aggressionen ebenso die Miss-
achtung der Intimsphäre, finanzielle Ausbeutung, Ein-
schränkung der Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit,
aber auch Vernachlässigung. Umgekehrt können aber
auch Pflegende von gewalttätigem Verhalten betroffen
sein, zum Beispiel in Form von Beleidigungen oder aggres-
siven Übergriffen seitens der pflegebedürftigen Person.
Dieses Verhalten kann durch eine Krankheit oder manch-
mal auch durch die Nebenwirkungen bestimmter Medika-
mente hervorgerufen werden.
Generell gilt: Die Gründe, die letztendlich zu gewalttäti-
gem Verhalten gegenüber Pflegebedürftigen führen, sind
komplex und vielschichtig und in hohem Maße abhängig
von der individuellen Konstellation.
Gewaltprävention in der Pflege
Im Gespräch mit Dr. Ralf Suhr
Dr. Ralf Suhr+
Vorstandsvorsitzender der gemeinnützigen Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege
www.zqp.de
23
Was muss denn konkret getan werden, um Gewalt in der Pflege zu verhindern?
Der Aufklärungsbedarf zu dem Thema ist zunächst einmal
erheblich. Gewalt in der Pflege findet häufig nicht bös-
willig statt. Die öffentliche Wahrnehmung des Problems
wird aber leider zu häufig von einer skandalisierenden Be-
richterstattung geprägt. Dies trägt dazu bei, dass Vorfälle
verheimlicht werden. Wichtig ist, für die verschiedenen
Erscheinungsformen von Gewalt zu sensibilisieren und
aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, etwas dagegen
zu tun.
Aus Sicht des ZQP muss einiges angepackt werden, damit
Gewaltprävention im Pflegealltag besser gelingen kann.
Pflegeanbieter müssen stärker als bisher die Verantwor-
tung für Gewaltprävention wahrnehmen. Sie dürfen ihre
Mitarbeiter mit dem Thema nicht allein lassen. Insbeson-
dere eine bessere Qualifizierung der professionellen Pfle-
ge wäre notwendig. Zudem muss die geplante neue Quali-
tätsberichterstattung umfassender als bisher Transparenz
zu Gewaltpräventionsmaßnahmen und der Vermeidung
von Freiheitsentzug schaffen. Darüber hinaus müssen
pflegende Angehörige besser beraten und bei belastender
Pflege stärker als bisher unterstützt werden.
Mit mehr Wissen und Kompetenz in dem Thema könnten
viele Krisenfälle verhindert werden, weil eskalierende
Pflegesituationen oftmals im Vorfeld vermeidbar wären.
Deshalb stellt das ZQP einen kostenfreien Ratgeber und
ein Onlineportal bereit, das allen Beteiligten in der Pflege
wertvolle Informationen zu Hilfe- und Entlastungsmög-
lichkeiten sowie Kontaktdaten zu bundesweiten Krisente-
lefonen bietet.
Wenn wir über Gewalt in der Pflege sprechen, beleuchten wir nur einen Teilaspekt der Qualitätsdiskussion zum deutschen Pflegesystem. Wo sehen Sie weitere zentrale Herausforderungen für eine nachhaltige Verbesserung?
Wir sind mittlerweile in einer Gesellschaft des langen Le-
bens angekommen. Diese Entwicklung schenkt uns zusätz-
liche gesunde Lebenszeit und damit Chancen. Wenn wir
über die Herausforderungen sprechen, die damit auch ein-
hergehen, müssen wir zunächst feststellen, dass die Zahl
älterer Menschen, die von Pflegebedürftigkeit und even-
tuell Demenz betroffen sein werden, steigt. Um diesen
Menschen gerecht werden zu können, brauchen wir mehr
zeitgemäß ausgebildete Fachkräfte. Außerdem müssen
wir pflegende Angehörige besser unterstützen und Prä-
vention und Rehabilitation in der Pflege vermehrt in den
Blick nehmen. Nicht zuletzt gilt es, eine gesellschaftliche
Haltung zu entwickeln, die Menschen mit Einschränkun-
gen in ihrer Leistungsfähigkeit anerkennt – und sich nicht
abwendet.
In der genaueren Analyse muss dann teilweise zwischen
den Problemen der stationären und der häuslichen Pfle-
ge unterschieden werden. Im stationären Bereich hat
sich die Bewohnerstruktur in den vergangenen Jahren
gravierend verändert. Eine unserer Studien stützt die Er-
kenntnis, dass immer mehr multimorbide Bewohner mit
einem hohen Pflegebedarf und zum Teil chronischen und
komplexen Erkrankungen in den Einrichtungen gepflegt
werden. Etwa drei Viertel der Bewohner sind in ihrer
Alltagskompetenz stark eingeschränkt. Aber wir wissen
auch: Jeder fünfte Bewohner könnte seinen Alltag selbst-
ständiger gestalten, wenn gezielte gesundheitsfördernde
Maßnahmen eingeleitet und die Hilfsmittelversorgung
optimiert würde. Anforderungen an die Pflege haben sich
also grundlegend geändert. Es geht unter anderem darum,
dass wir uns auf neue Bedarfs- und Bedürfnislagen viel
besser als bisher einstellen. Zudem muss die Qualitäts-
sicherung und -darstellung in der stationären Pflege nun
endlich auf eine solide Basis gestellt werden.
Von der Öffentlichkeit weithin unbeachtet ist nach wie vor
das Versorgungsgeschehen in der häuslichen Pflege. Über
1,2 Millionen Menschen und damit etwa die Hälfte aller
Pflegebedürftigen in Deutschland werden im eigenen
Zuhause ausschließlich von nahestehenden Personen ge-
pflegt – gänzlich ohne professionelle Unterstützung. Hier
müssen Möglichkeiten der Entlastung und Beratung pfle-
gender Angehöriger weiter verbessert werden. Wichtige
Schritte dazu sind im Rahmen der derzeitigen Pflegere-
form bereits erfolgt bzw. stehen in Aussicht. Dazu zählen
die Stärkung der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI, des
Beratungsbesuchs nach § 37,3 SGB XI sowie der Schulung
nach § 45 SGB XI. Dies entspricht auch unseren Wünschen
an die Bundesregierung. Das ZQP stellt zur Unterstützung
dieses Gesetzesvorhabens ab Anfang 2016 einen Quali-
tätsrahmen zur Beratung und Schulung zur Verfügung, der
von maßgeblichen Experten erarbeitet wurde.
Überdies sind Herausforderungen im Bereich der Quali-
tätssicherung der ambulanten Pflege gravierend und noch
komplizierter als im stationären Bereich, weil es sich bei
der Pflege zu Hause oftmals um einen komplexen Versor-
gungsmix von verschiedenen Akteuren handelt. Zunächst
muss hier ein einheitliches Qualitätsverständnis definiert
werden. Auch hieran arbeitet die Stiftung bereits mit einer
multidisziplinären Arbeitsgruppe. Zudem wird nun fest-
zulegen sein, wie Qualität von professioneller häuslicher
Versorgungsleistung eigentlich gemessen und dargestellt
werden soll.
Vielen Dank für das Gespräch.
Pflegepraxis
24
Frau Dr. Sottong, wie sind Sie als Ärztin denn überhaupt zum Thema Pflege gekommen?
Ich habe schon als Schülerin Ende der 60er-, Anfang der
70er-Jahre in den Ferien immer in der Altenpflege gear-
beitet. Das waren Zustände, da dürften Sie heute nicht
den MDK im Haus haben. Es gab teilweise Zimmer mit fünf
oder sechs Betten – und mitten darunter auch Demenz-
kranke. Es ging im Grunde genommen nur ums Verwahren.
Ich stellte mir damals die Frage: „Möchte ich alt werden,
um so zu leben?“ Dann habe ich während meines Studiums
lange im Krankenhaus in der Pflege gearbeitet und dort
erlebt, wie Menschen in der „vertrauten“ Umgebung blei-
ben konnten, bis sie gestorben sind.
Damals habe ich auch gesehen, dass die Pflegekräfte ei-
gentlich die engere Beziehung zu den Menschen haben.
Mir wurde klar: Wenn wir als Ärzte nicht eng mit den Pfle-
gekräften zusammenarbeiten, können wir die Menschen
nicht richtig versorgen. Wenn Sie zum Beispiel als Ärztin
in der Therapie alles dafür tun, dass der Mensch wieder
nach Hause kommen kann und dann von der Nachtwa-
che erfahren, dass die Angehörigen das gar nicht wol-
len, weil sie Angst davor haben. Das ist die eigentliche
Herausforderung.
Nach dem Studium habe ich mich als junge Ärztin im Ärz-
tinnenbund stark für das Thema Pflege engagiert und
auch an Anhörungen im Bundestag teilgenommen. Mich
hat gestört, dass es anscheinend unter anderem nur da-
rum ging, dass Töchter und Schwiegertöchter die Eltern
pflegen – und nicht auch die Söhne und Schwiegersöhne.
Und dann habe ich über meine Arbeit bei den Maltesern,
für die ich seit 25 Jahren arbeite, immer wieder mit dem
Thema Pflege zu tun gehabt.
An eine Situation kann sich Frau Dr. Sottong noch ganz genau erinnern: Da stapfte sie mit ihrer Kollegin im
Februar 2005 durch den Stockholmer Schnee die Anhöhe hinauf zum Silviahemmet. Oben angekommen, sagt sie,
sei die Überraschung groß gewesen: „Dort erschloss sich uns eine andere Welt.“
Malteser und Silviahemmet
25
Wie kam es denn zum Projektmit Silviahemmet?
Wir haben uns als Malteser schon sehr früh mit dem The-
ma Demenz beschäftigt – ganz einfach aus dem Grund,
weil wir in der Pflege damit konfrontiert werden und da-
mit umgehen müssen. Um die Jahrtausendwende hatten
wir bereits ein Konzept für die Altenhilfe – „Leben und
wohnen mit Demenz“.
Zu unserer Altenhilfetagung in Wismar haben wir dann
2001 die erste Palliativmedizinerin Schwedens, Prof.
Barbro Beck-Friis, eingeladen, die die Mutter der schwe-
dischen Königin medizinisch betreut hat. Prof. Beck-Friis
hat bereits in den 80er-Jahren eine Einrichtung für de-
menzkranke Patienten aufgebaut und sie auf der Grund-
lage der Palliative-Care-Philosophie versorgt. Sie hat die
Idee der Palliativmedizin – Erhalt von Lebensqualität bei
unheilbaren Erkrankungen bis zum Lebensende – auf die
Versorgung von Demenzkranken ausgedehnt. Sie war der
Auffassung, dass man den Fokus viel stärker auf die Pflege-
bedürftigen und deren Angehörige legen und viel pragma-
tischer an das Thema herangehen sollte. Dieser Ansatz ist
dann die Basis der Arbeit von Silviahemmet geworden, der
von der schwedischen Königin Silvia gegründeten Stiftung.
Was ist für Sie das Besondere an Silviahemmet?
Da wird in der Ausbildung ganz viel Wert auf die prakti-
sche Tätigkeit gelegt. Wir haben uns gefragt, ob Silviahem-
met auf Deutschland übertragen werden kann – und auch,
ob wir das so überhaupt wollen. 2007 hatten wir eine ers-
te Delegation für eine Modellschulung im Silviahemmet in
Schweden – ein multiprofessionelles Team, bestehend aus
(Chef-)Ärzten, Krankenschwestern, Sozialarbeitern, Psy-
chologen, Physiotherapeuten und Ehrenamtlichen. Da-
mals kamen wir zu der Erkenntnis, dass wir in Deutschland
keine schlechte Arbeit leisten, dass die Schweden aber
viel praxisnäher ausbilden – und näher am Menschen. Für
uns war klar: Es lohnt sich, sich mit dem Thema näher zu
befassen. 2009 haben wir dann ein Modellprojekt gestar-
tet, das wir wissenschaftlich evaluiert haben und in dem
wir in verschiedenen Bereichen – vom Krankenhaus über
die Altenhilfe und ambulante Pflege bis hin zum Ehrenamt
– geschaut haben, ob es gelingen kann, das Silviahemmet-
Modell auf Deutschland zu übertragen.
Und das Ergebnis?
Das war überwältigend und überzeugend zugleich: Es
stellt den Menschen in den Mittelpunkt und lässt sich gut
umsetzen. Wir lernen vom Demenzkranken. 2011 wurde
auf Basis von Silviahemmet die Strategie der Malteser
zum Thema Demenz verabschiedet und eine Fachstelle
Demenz eingerichtet. Inhalt der Strategie ist, dass alle
Malteser-Mitarbeiter – angefangen beim Pförtner über
die Hausleitung bis hin zum Chefarzt und Rettungsdienst-
fahrer – und mindestens 80 Prozent der Ehrenamtlichen,
die mit demenzkranken Menschen und ihren Angehörigen
zu tun haben, in Anlehnung an ihre Tätigkeit verbindlich
geschult werden. Für die Angehörigen sollte ein eigenes
Schulungskonzept entwickelt werden. Wir haben ange-
fangen, die verschiedenen Curricula zu entwickeln, zu er-
proben und systematisch einzuführen. Im Laufe der Arbeit
haben wir gesehen, dass viele Menschen nicht wissen, was
sie tun müssen, wie sie reagieren sollen, wenn sie einen
Menschen mit Demenz versorgen. Wir reden zum Beispiel
von herausforderndem Verhalten. Nun ist es aber so, dass
das meist kein Symptom der Erkrankung ist, sondern da-
mit zu tun hat, dass der Demenzkranke auf eine bestimm-
te Situation nicht mehr adäquat reagieren kann. Wenn Sie
zum Beispiel ein Vanilleeis angeboten bekommen und es
nicht mögen, dann sagen Sie: „Nein danke.“
Wenn eine demenzkranke Person das angeboten be-
kommt und nicht mehr sagen kann, dass sie kein Vanilleeis
mag, dann gibt es drei Möglichkeiten: Sie isst es erst gar
nicht; sie isst es einfach ganz still, obwohl sie es nicht mag
– oder sie wird aggressiv. Die Aggressivität ist dann nicht
durch die Demenzerkrankung bedingt, sondern dadurch,
dass die erkrankte Person sich nicht verständigen und die
Umgebung damit nicht angemessen umgehen kann. Wir
müssen verstehen, dass wir oft die Ursache für Verhal-
tensweisen sind, die wir bei Demenzkranken erleben. Und
das ist ein Teil der Schulung. Eigentlich ist das der Erfolg,
dass wir in die Lage versetzt werden, mit Demenzkranken
angemessen und respektvoll umzugehen, und damit ihnen
auch ermöglichen, länger in der gewohnten Umgebung
bleiben zu können – unter anderem, indem wir auch die
Angehörigen unterstützen und entlasten. 2012 haben wir
übrigens in Bottrop die erste Einrichtung für Menschen
mit einer beginnenden Demenz eröffnet und diese Ein-
richtung von der Evangelischen Hochschule Berlin evalu-
ieren lassen.
Wie haben Sie es geschafft, gegen die alten Gewohnheiten in der Pflege anzugehen?
Das Erste ist, dass wir Modelleinrichtungen haben – und
dort zeigen, dass es geht und wie es geht. Das Zweite ist:
Es braucht natürlich den Willen der obersten Leitungs-
ebene. Wir haben zum Beispiel in unseren Krankenhäu-
sern besondere Stationen für akut erkrankte Menschen,
die auch eine Demenz haben. Dort haben wir eine späte
Nachtmahlzeit eingeführt, damit diese Menschen nicht
Pflegepraxis
26
um fünf Uhr morgens denken, es ist Frühstückszeit – und
zwar nicht deshalb, weil sie eine Demenz haben, sondern
weil sie unterzuckert sind, denn im Krankenhaus gibt es
in der Regel schon gegen fünf, sechs Uhr Abendessen.
Als „normaler“ Krankenhauspatient haben Sie vielleicht
noch ein paar Kekse im Nachtkasten und essen die nachts,
wenn Sie Hunger bekommen. Als Demenzkranker haben
Sie die vielleicht auch im Schrank, aber Sie wissen das
nicht mehr. Diese späte Nachtmahlzeit war natürlich nicht
so einfach umzusetzen, denn da tauchen sofort die Fragen
der Gestaltung des Ablaufs, der Hygiene und des notwen-
digen Personals auf.
Im Grunde folgt im Krankenhaus der Patient den Organi-
sationsstrukturen – bis die Struktur dem Patienten folgt,
braucht es lange Zeit. Aber wir müssen uns daran gewöh-
nen, mehr auf den Patienten und auf seine Bedürfnisse
einzugehen.
Ein weiteres Beispiel ist, dass wir meinen, wir müssten die
Menschen im Altenheim den ganzen Tag beschäftigen, und
uns wundern, wenn sie aggressiv werden. Aber mal ganz
ehrlich: Wollen Sie, wenn Sie 90 Jahre alt sind, den ganzen
Tag zugetextet werden? Da brauchen Sie vielleicht auch
mal Ruhephasen und nicht noch ein Gedicht und noch ein
Gedächtnistraining. Apropos Gedächtnistraining: Hier
geht es nicht um „schulische Leistungen“, sondern um den
Erhalt wichtiger Funktionen und Fähigkeiten im Alltag. Da
müssen wir noch viel dazulernen.
Wir müssen auch mit den Angehörigen darüber reden,
dass alte Menschen ruhig mal dasitzen dürfen, zuschauen
und „nichts tun“. Wir müssen also darüber reden, was das
Leben im Alter wertvoll macht. Wir rennen das ganze Le-
ben hinter unseren Verpflichtungen her – das müssen wir
doch im Alter nicht auch noch machen.
Das bedeutet doch aber auch eine Personali-sierung der Pflege – ich muss mich dann auf jeden einzelnen Patienten einlassen.
Sie haben aber dann doch nicht mehr Arbeit, sondern eine
andere. Ein Beispiel: Wir, eine Praktikantin und ich, haben
in einem Wohnbereich Sterne ausgeschnitten. 18 Frauen
– und keine hat mitgemacht. Aber eine hat mir das Papier
gereicht und eine andere den Kleber. Als wir fertig waren
und die Sterne aufgehängt haben, kam die Stationsleitung
und fragte: „Wer hat denn die schönen Sterne gebastelt?“
– und die Frauen sagten: „Ich.“ Das ist auch eine Form von
Beteiligung – und ein Stimulus. Und das ist Lebensqualität,
weil alle dachten, sie hätten etwas vollbracht! Im Grun-
de genommen muss ich meine Konzepte, die Leitlinien
etc. stets an die Bedürfnisse meiner Patienten anpassen.
Heutzutage ist es ja so, dass Sie für alles einen Experten,
einen Manager haben. Aber im Pflegealltag müssen Sie
viele Entscheidungen aus der Erfahrung heraus gleichzei-
tig selbst treffen. Dazu müssen wir in der Ausbildung die
Menschen aber auch befähigen. Darüber hinaus brauchen
wir eine offene Fehlerkultur. Der Mensch ist nun mal kein
Computer. Sind wir eine „Pflegefabrik“ und optimieren wir
uns – oder müssen wir nicht die Pflegeeinrichtung als letz-
tes Zuhause sehen? Dann kann ich jemanden sein Zimmer
umdekorieren oder in seinem Schrank kramen lassen ...
Auch die Form der Angebote sollte überdacht werden. Die
gemeinsamen Mahlzeiten strukturieren ja ohnehin schon
den Alltag in der Gruppe – da brauche ich nicht unbedingt
noch eine große Zahl zusätzlicher Gruppenangebote.
Manchmal reicht es einfach, eine Mahlzeit gemeinsam
vorzubereiten oder nach dem Essen noch gemeinsam
länger erzählend am Tisch zu sitzen und nicht, weil der
Speisewagen zurück muss, die Tafel aufzulösen und ab-
zuräumen. Für mich sind das vielfach strukturelle Fragen
und keine Pflegefragen – aber die strukturellen Fragen
steuern heute die Pflege.
Ich glaube – und da bin ich vielleicht ein bisschen revolu-
tionär –, die Pflegekräfte sollten aufhören, darüber zu kla-
gen, dass sie mehr Geld, mehr Personal und Zeit brauchen,
um ordentlich pflegen zu können. Sondern: Sie sollten
ganz selbstbewusst hervorheben, dass sie unter den Be-
dingungen, die heute herrschen, gute Arbeit leisten. Dass
sie aber noch mehr könnten, wenn ... Das heißt, dass Pfle-
ge auch mehr einfordern und manchmal sagen sollte: So
geht das nicht — und gleichzeitig konstruktive Vorschläge
macht. Im Grunde genommen müssen sich alle, die in der
Pflege arbeiten, als Team verstehen. Ich möchte allen Pfle-
gekräften Mut machen, ihre Kompetenz in die Waagschale
zu werfen!
Vielen Dank für das Gespräch.
27
Wilhelmina Hoffmann+
Dr. med. Wilhelmina Hoffman CEO, Stiftelsen Silviahemmet, SE
www.silviahemmet.se
Dr. med. Ursula Sottong+
Leiterin der Fachstelle DemenzMalteser Deutschland gemeinnützige GmbH
www.malteser-demenzkompetenz.de
28
Welche Berührung mit dem Thema „Pflege“ hatten oder haben Sie als Privatperson ?
Jeder verdrängt es, mit „Pflege“ in Berührung zu kommen,
solange es nur geht. Das ist menschlich. Doch irgendwann
ereilt es einen. Das war auch letztes Jahr bei uns zu Hau-
se der Fall. Meine 82-jährige Mutter hatte sich bei einem
Sturz einen Hüft- und Oberschenkelhalsbruch zugezogen.
Einem langen Krankhausaufenthalt folgte eine vierwöchi-
ge stationäre Rehabilitation. Nachdem auch danach die
Gehfähigkeit noch nicht wieder hergestellt werden konn-
te, gab ich meine Mutter anschließend für vier weitere
Wochen in die Kurzzeitpflege einer Pflegeeinrichtung in
Wohnortnähe. Dort hat man sich liebevoll um meine Mut-
ter gekümmert. Physiotherapeuten und Psychologen ha-
ben Körper und Seele wieder stabilisiert. Heute lebt meine
Mutter wieder in ihren eignen vier Wänden und versorgt
sich selbst. Alles geht etwas langsamer als vor dem Sturz,
aber das nimmt man gerne in Kauf. Ich bin dem Pflegeper-
sonal in der Einrichtung sehr dankbar.
Was tun die Marseille-Kliniken, um ihren Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern ?
Gerade in der Pflege ist es für die Beschäftigten nicht
leicht, das Familienleben und die unterschiedlichen beruf-
lichen Anforderungen zu vereinbaren. Dies ist für uns alle
eine besondere Herausforderung. Ein familienbewusstes
Verhalten gegenüber den Mitarbeitern ist ein wichtiger
Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie.
Ein wesentlicher Aspekt ist beispielsweise eine transpa-
rente und konstante Bestimmung von Einsatzzeiten.
Beschäftigte sehen Einsatzzeiten als familienfreund-
lich an, wenn diese mit Vorlauf planbar und verlässlich
sind. Oft wird in der Altenpflege auf Basis einer Monats-
dienstplanung gearbeitet. Eine Entwicklung zu langfristig
ausgerichteten Dienstplänen ist hier eine zielgerichtete
Maßnahme.
Wichtig ist es, dass die betriebliche Beweglichkeit mit den
Wünschen der Beschäftigten in Einklang gebracht wer-
den kann. In den Einrichtungen der Marseille-Kliniken AG
haben wir beispielsweise erfolgreich eine Dreimonatspla-
nung eingeführt, die den Angestellten eine optimalere Ein-
teilung und dementsprechende Verlässlichkeit verschafft.
Für uns ist eine lebensphasenorientierte Personalpo-
litik eine nicht mehr wegzudenkende Säule im Bereich
der Mitarbeitergewinnung und -bindung. So ist eine ver-
lässliche und gute Kinderbetreuung während der Arbeits-
zeiten der Eltern entscheidend, wenn Vereinbarkeit von
Beruf und Familie funktionieren soll. Daraus resultierend
erhalten unsere Mitarbeiter einen Betreuungszuschuss
für ihre Kinder, der für die Tagespflege oder den Besuch
einer Kita verwendet werden kann.
Wie entwickeln die Marseille-Kliniken als Leistungserbringer die Pflege weiter?
• Ständige Evaluation der Pflegeprozesse
• Konzentration auf das Wesentliche
mit Unterstützung durch intelligente Assistenzsysteme
• Innovative Kommunikations- und
Austauschmöglichkeiten mit Angehörigen
Ein hoch professionelles Team von Qualitätsmanagern
kümmert sich ausschließlich um die Optimierung der
Ambulant und stationär
Alles zu seiner Zeit — ein Gespräch mit Dieter Wopen
29
Pflegeprozesse. Dabei steht einzig die Qualität aller Leis-
tungen am und für den Bewohner im Fokus.
Durch die Entwicklung eigener Programme zur Unter-
stützung der Mitarbeiter in ihren Tätigkeiten an unseren
Standorten können wir sehr direkt sämtliche zur Steue-
rung im Tagesgeschäft notwendigen Prozesse aufzeigen
und auswerten. Dabei nutzen wir vorwiegend die Mög-
lichkeit der grafischen Darstellung, um einen möglichst
leichten Zugang zu ermöglichen.
Unsere Leitungskräfte an den Standorten können bei-
spielsweise die wichtigsten Kennzahlen zur Lage ihrer Ein-
richtung in „Realtime“ abrufen. Insbesondere der schnelle
Zugriff auf Indikatoren zur Qualitätsentwicklung bildet
hierbei ein neues Niveau, da es den Führungskräften vor
Ort mit einem Blick möglich ist, anstehende Problemfelder
zu identifizieren und gezielt in die Analyse einzusteigen.
Mithilfe unserer langjährigen Erfahrung in der Entwick-
lung des Pflegemarktes und der damit einhergehenden
Charakteristika ist zudem die Darstellung von Prognosen
möglich – wir bewerten demnach nicht nur die zurücklie-
genden Daten und den Status quo, sondern können auch
nach vorne schauen auf der Basis unserer empirischen
Daten.
Durch diese aktive Gestaltung wollen wir das Bewusstsein
des täglichen Leitens einer Pflegeeinrichtung verbessern
und fordern und fördern ein Umdenken unserer Leitungs-
kräften. Diese assistierenden und auch sensorischen Sys-
teme können dazu beitragen, den Fokus auf die wesentli-
chen Dinge zu richten – nämlich die Bedürfnisse unserer
Bewohner und Mitarbeiter.
Neben der Steuerung unserer Einrichtungen möchten
wir, an die wandelnden Familienstrukturen unserer Zeit
angepasst, den Angehörigen unserer Bewohner die Mög-
lichkeit geben, jederzeit über den Zustand informiert zu
sein. Im Gegensatz zu früheren Generationen leben die
Familienmitglieder heutzutage oftmals weit voneinander
entfernt. Für Besuche der Eltern oder Großeltern bleibt,
bedingt durch Beruf und eigene Kinder, wenig Zeit.
Um dieses Ziel umzusetzen, wurde „Mein Gesundheits-
buch“ entwickelt. Mit diesem individualisierten Zugang
kann der Angehörige die Vitaldaten, Berichte zum Befin-
den und weitere Details rund um die pflegerische Versor-
gung jeweils 24 Stunden nach Eintrag in unsere Dokumen-
tation geschützt einsehen. Die Sicherheitsstandards sind
dabei identisch mit denen des Online-Bankings und garan-
tieren ein Höchstmaß an Sicherheit bei der Abfrage dieser
sensiblen Daten.
Hinterlegt der Angehörige seine Mobilnummer und
stimmt dem Empfang von SMS zu, wird in Notfällen wie
zum Beispiel einer Einweisung ins Krankenhaus sofort eine
Mitteilung durch unser System automatisiert versandt.
Wie möchte ich als Privatperson im Alter leben? Welche Vorstellungen habe ich davon?
Daheim, im Hunsrück, in Schöneberg, fühle ich mich auch
sehr wohl – hier, in meinem Zuhause in Hanglage. 60 Kilo-
meter weit kann ich über Wälder und Weinberge schauen.
Hier, auf dem Land, möchte ich im Alter bleiben. Zum Alter
gehört es dann, unser Haus, in dem wir seit vielen Jahren
leben, Zug um Zug seniorengerecht umzugestalten, bis
sämtliche Hilfestellungen vorhanden sind – ein Treppen-
lift zum Beispiel, ebenerdige Duschtassen. Zu Hause will
ich bleiben, solange es geht. Und dann? Darüber hinaus
kann ich mir eine Wohngemeinschaft vorstellen – mit Leu-
ten, die sich in ähnlichen Situationen befinden und sich
gegenseitig unterstützen. Mein größter Wunsch ist eine
Mischform: betreutes, aber weitgehend selbstbestimmtes
Wohnen. So viel Betreuung wie nötig also, so viel Selbst-
bestimmung wie möglich. Für diesen Lebensabschnitt, für
diesen großen Wunsch, haben meine Frau und ich schon
ein Grundstück gekauft. Rund 1.100 Quadratmeter. Es
liegt neben unserem Haus, wir haben es immer im Blick.
Dort könnte die WG einmal Wirklichkeit werden. Dabei
kann ich auch meinem Hobby nachgehen, dem Bau von
Senioreneinrichtungen, den natürlich nicht ich selbst,
sondern befreundete Architekten übernehmen. Zu dem
Thema habe ich übrigens ein Buch geschrieben. Wenn
ein Leben in einer Wohngemeinschaft nicht mehr funkti-
oniert, wenn meine Frau und ich pflegebedürftig werden
sollten, werden wir in eine Pflegeeinrichtung ziehen. Wir
erwarten nicht, dass unsere Kinder uns pflegen. Mehr
noch: Ich möchte das nicht. Das sollen Profis tun. Das
haben wir schon jetzt schriftlich festgelegt und damit so
früh entschieden, dass es kein anderer für mich entschei-
den muss. Ganz klar: Für mich ist dies die letzte Station.
Wenn ich selbst nicht mehr kann.Ähnlich denke ich auch
als Vorstand eines Pflegeheimkonzerns. Auch hier gilt die
Auffassung: Ambulant geht vor stationär. Wer sich noch
selbst versorgen kann, wer das körperlich und finanziell
schafft, soll dies tun. Dafür steht das Portfolio der Mar-
seille-Kliniken AG. Wir halten sämtliche Wohnformen
vor. Wir betreiben bundesweit 60 voll- und teilstationäre
Einrichtungen. Drei Wohnanlagen für betreutes Wohnen
und ein ambulanter Pflegedienst gehören als wesentliche
Pfeiler dazu.
Vielen Dank für das Gespräch.
Dieter Wopen+Vorstand der Marseille-Kliniken AGwww.marseille-kliniken.de
Pflegepraxis
30
Eva Prinz+
Stellvertretende Abteilungsdirektorin Diversity Management Commerzbank AG www.commerzbank.de
31
Die Commerzbank ist nicht nur im Werbespot „die Bank
an Ihrer Seite“. Vielmehr gilt dieses Versprechen für unse-
re Kunden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Zei-
ten des demografischen Wandels und des zunehmenden
Fachkräftemangels ist es für uns besonders wichtig, dass
wir unsere Angebote als Bank verstärkt an den Bedürf-
nissen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausrich-
ten – deshalb setzt sich die Commerzbank als Arbeitgeber
intensiv für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein.
Das gilt für die Betreuung der Kinder von berufstätigen
Eltern ebenso wie für flexible Arbeitszeitmodelle bis hin
zur Unterstützung von Mitarbeitern mit pflegebedürfti-
gen Angehörigen.
Gerne möchte ich noch genauer auf das Thema Pflege ein-
gehen: Die Entwicklungen, die der demografische Wandel
mit sich bringt, sind für ein Unternehmen wie die Com-
merzbank deshalb von zentraler Bedeutung, weil sich die
Altersstruktur der Belegschaft ändern wird: In wenigen
Jahren wird die größte Altersgruppe der Commerzbank-
Mitarbeiter bei Anfang bzw. Mitte 50 liegen. Und gerade
diejenigen Mitarbeiter, die zum heutigen Erfolg beigetra-
gen haben, werden dann – und zwar nahezu zeitgleich – in
den Ruhestand gehen. Darüber hinaus übernehmen bei
uns auch immer mehr ältere Beschäftigte pflegerische
Verantwortung, oder sie fallen kurzfristig aus, weil sie die
Betreuung von Angehörigen regeln müssen. Und wir alle
wissen, dass dies eine große Herausforderung ist: Pfle-
ge ist nicht vorhersehbar - oder zumindest größtenteils -
planbar. Der „Pflegefall“ tritt meist plötzlich und uner-
wartet ein, der Verlauf ist unberechenbar und die Dauer
ungewiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Familie
und Beruf unter einen Hut bekommen müssen, stecken
dann schnell in dem Dilemma, beides zu vereinbaren. Die
Folge: Sie sind doppelt, manchmal auch dreifach, belastet,
sie können sich schlecht konzentrieren, sind nicht mehr so
leistungsfähig – und fallen dann häufig durch Krankheit
aus.
Für die Angebote im Rahmen der Vereinbarkeit von Pfle-
ge und Beruf sprechen neben den menschlichen also auch
viele unternehmerische Gründe. Was also können wir als
Commerzbank tun? Durch entlastende Maßnahmen wie
flexiblere Arbeitszeiten, Vermittlung von Pflegekräften
und Tagespflegeplätzen, aber auch durch eine Notbetreu-
ungshotline, einen Hausnotruf und Information bieten wir
unseren Mitarbeitern Unterstützung auf allen Ebenen.
Mit vielen maßgeschneiderten Angeboten zur Pflege von
Angehörigen stellt sich die Commerzbank frühzeitig auf
die Alterung der Belegschaft und die damit verbundenen
Herausforderungen ein. Hierzu entwickelt das Team „Di-
versity Management“ innovative Konzepte.
In Kooperation mit dem Pflegedienstleister AGAPLESION
und pme Familienservice bietet die Commerzbank auch
direkte Unterstützung zur Pflege an: Um eine qualitativ
gute Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen
sicherzustellen, zum Beispiel aufgrund betrieblicher Er-
fordernisse, kann das Martha-Keller-Haus in Frankfurt-
Sachsenhausen als Tagespflegeeinrichtung genutzt wer-
den. Des Weiteren gibt ein geriatrisches Assessment im
Diakonissen-Krankenhaus Frankfurt (Medizinisch-Geria-
trische Klinik) Klarheit über die erforderliche Behandlung
und Betreuung eines Angehörigen. Dass wir mit unseren
Angeboten ins Schwarze treffen, zeigen uns die Reakti-
onen der Mitarbeiter. Diese sind nicht nur unter den Be-
troffenen durchweg positiv, sondern auch bei denjenigen,
die sie nicht nutzen. Ein wichtiger Aspekt für uns ist auch,
dass durch unsere pflegeorientierten Angebote das The-
ma unter den Mitarbeitern nicht mehr verschwiegen wird,
sondern dass offen darüber gesprochen wird – und das
hilft nicht nur dem Unternehmen und seiner Belegschaft,
sondern auch der Gesellschaft.
Vereinbarkeits–dilemma
Die Commerzbank bietet Auswege
Pflegepraxis
33
Das Thema Pflege geht uns alle an. Spätestens dann, wenn
ein Mitglied der eigenen Familie betroffen ist, steht man
vor vielen Herausforderungen: Worum muss ich mich
kümmern? An wen kann ich mich wenden? Woher bekom-
me ich gesicherte Informationen? Solche und andere Fra-
gen gilt es zu beantworten. Dabei helfen die Pflegeberate-
rinnen und Pflegeberater von spectrumK. Sie übernehmen
nicht nur die Pflegeberatung, die den Betroffenen und
Angehörigen gesetzlich zusteht, sondern noch viel mehr:
Die etwa 700 bundesweit tätigen Pflegeexperten helfen
den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, sich im
Dschungel des Gesundheitswesens zurechtzufinden, ana-
lysieren den Hilfebedarf, erstellen einen Versorgungsplan
– und unterstützen die Familien darin, ihn auch umzuset-
zen. Ziel des Servicedienstleisters spectrumK ist es dabei
immer, den Hilfebedürftigen ein möglichst selbstbestimm-
tes Leben im familiären Umfeld zu ermöglichen – und die
Angehörigen so gut wie möglich zu unterstützen.
Der Bedarf an häuslicher Pflege wird zunehmen. Das be-
deutet, dass auch der Beratungsbedarf steigen wird. Aus
unserer langjährigen Erfahrung vor Ort wissen wir, dass
sich Angehörige oft überfordert und alleingelassen fühlen.
Nur wenige wissen, wo sie Hilfe bekommen können – und
dass sie ein Recht auf eine umfassende Pflegeberatung
haben. Dabei ist gerade qualitätsgesicherte und leicht
zugängliche Information der Angehörigen wichtig, um
dem Grundsatz „Ambulant vor stationär“ gerecht werden
zu können. spectrumK baut deshalb als Dienstleister der
Pflegekassen nicht nur die Pflegeberatung stetig aus, son-
dern kümmert sich auch um eine gute Kommunikation zwi-
schen Pflegenden, Pflegebedürftigen und Pflegekassen.
Stichwort Kommunikation: Zwar hat die Bundesregie-
rung in den vergangenen Jahren vieles getan, um die
Pflege und die Pflegenden zu stärken. Doch bleiben viele
Möglichkeiten heutzutage weitestgehend ungenutzt: Bei-
spielsweise nutzt auch nach dem zweiten Pflegestärkungs-
gesetz bisher nur ein halbes Prozent aller 1,25 Millionen
Pflegenden die Möglichkeit, sich vorübergehend vom Job
freistellen zu lassen. Und auch das Darlehensangebot er-
reicht noch nicht viele Menschen.
spectrumK als Dienstleister der gesetzlichen Kranken-
und Pflegekassen sieht seine Aufgabe deshalb auch darin,
die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber heute schon bie-
tet, zu identifizieren, den Betroffenen aufzuzeigen und
ihnen Wege zu eröffnen, diese auch zu nutzen. Ein gutes
Beispiel sind die Pflegekurse für pflegende Angehörige
und Ehrenamtliche nach § 45 SGB XI, die vielerorts noch
nicht sehr bekannt sind: spectrumK hat für seine Pfle-
gekassen die „Individuellen Pflegekurse für Angehörige“
(INKA) entwickelt. Ziel der Schulungen ist es, die häus-
liche Pflege zu stärken und das ehrenamtliche Engage-
ment von Pflegekräften wirkungsvoll und nachhaltig zu
unterstützen. In bis zu sechs Hausbesuchen bekommen
pflegende Angehörige und Ehrenamtliche Basiswissen
zur Pflege vermittelt – und werden praktisch angeleitet.
Damit unterstützt spectrumK nicht nur die gesetzlichen
Krankenkassen in ihrem Vorhaben, die ambulante Pflege
zu stärken, sondern gibt den Pflegenden einen Leitfaden
an die Hand, wie gute Pflege im häuslichen Umfeld neben
all den anderen Anforderungen des Alltags gelingen kann.
Und das ist letztlich ein Gewinn für alle!
Selbstbestimmtes Leben
spectrumK unterstützt bundesweit bei der häuslichen Pflege
Thomas Nöllen+Referent PflegeversorgungspectrumK GmbHwww.spectrumk.de
Pflegepraxis
34
Daniel Bahr+
Generalbevollmächtigter Allianz Private Krankenversicherung (APKV) Leistungsmanagement und Zentrale Vertriebskoordination
Bundesminister a. D.www.allianz.de
Welche Berührungen hatten oder haben Sie als Privatperson mit dem Thema Pflege?
Intensiv habe ich mich erstmals vor etwa 15 Jahren mit
der Pflege auseinandergesetzt, als mein Großvater durch
einen Schlaganfall pflegebedürftig wurde. Er konnte dann
nicht mehr alleine in seiner bisherigen Wohnung bleiben
und wir haben ihn zu uns geholt. Seitdem begegnet mir das
Thema Pflege immer wieder. Ich halte die Pflege für eine
der größten gesellschaftlichen Herausforderung in einer
alternden Bevölkerung.
Was tut die Allianz, um ihren Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu erleichtern?
Als großer Arbeitgeber stellen wir unseren Mitarbeitern
konkrete Unterstützungsangebote zur Verfügung. Das
reicht von Beratung bei einem Pflegefall eines Angehöri-
gen über Informationstage zum Thema bis zur Bezuschus-
sung bei Kurzzeitpflege.
Wir wissen, dass Mitarbeiter mit pflegebedürftigen An-
gehörigen besonders belastet sind, und unterstützen sie,
damit sie Beruf und Pflege vereinbaren können.
Wie möchten Sie im Alter leben? Welche Vorstellungen haben Sie davon?
So wie die meisten Menschen: möglichst lange aktiv und
gesund in meinem persönlichen Umfeld.
Vielen Dank für das Gespräch.
3 Fragenan Daniel Bahr
38
Karriere und Pflege: Für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist das immer noch ein Widerspruch. Das muss sich ändern. Auf der Berliner Pflegekonferenz wurden deshalb erstmals drei Unternehmen für ihr zukunftsweisendes Engagement zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege mit dem Otto-Heinemann-Preis ausgezeichnet.
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland nimmt ra-
sant zu. Waren es Ende 2013 noch 2,63 Millionen, gehen
Prognosen für das Jahr 2030 von 3,4 Millionen aus – Ten-
denz weiterhin steigend. Damit finden sich immer mehr
Arbeitnehmer in der Rolle des Pflegenden wieder. Wie ge-
hen Arbeitgeber damit um? Wie weit ist das Thema Pflege
bereits auf das Radar von Unternehmen und Behörden
gerückt? Was tun sie, um ihre Mitarbeiter zu unterstützen
und die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu verbessern?
Der Otto-Heinemann-Preis zur besseren Vereinbarkeit
von Beruf und Pflege, der in diesem Jahr erstmals verlie-
hen wurde, lenkte den Blick auf diese wichtigen Fragen –
und zeigt, dass es bereits heute innovative und zukunftsfä-
hige Lösungen gibt.
Für die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg, die den
Preis in der Kategorie bis 50 Mitarbeiter erhielt, ist die
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf täglich gelebte Reali-
tät, denn ein Drittel der Beschäftigten nimmt bereits jetzt
Betreuungspflichten für Angehörige wahr.
Otto-Heinemann-Preis
Pflege und Beruf — vom Tabuthema zur Normalität?
Iris Gleicke, Staatssekretärin im BMWI mit den Preisträgern Dr. Michael Hoffschroer und Günther Tönjes von der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg
39
„Wir haben den Anspruch, ein guter Arbeitgeber zu sein.
Da gehört es einfach dazu, dass wir unsere Mitarbeiter
auch in dieser Frage unterstützen. So haben wir schon
vor vier Jahren damit begonnen, neue Dienstzeitver-
einbarungen mit dem Personalrat auszuhandeln, um die
Arbeitszeitregelungen zu flexibilisieren“, sagt Hauptge-
schäftsführer Dr. Michael Hoffschroer. „Das ist ein ganz
entscheidender Aspekt, wenn es um die Pflege von Ange-
hörigen geht. Ob Teilzeitregelungen, Vertrauensarbeits-
zeiten, Lebensarbeitszeitkonten oder Ähnliches: Hier
sollten gerade im Kleinbetrieb Grundlagen geschaffen
werden, um auf dieser Basis in gegenseitiger Wertschät-
zung schnell und flexibel agieren zu können. Uns geht es
darum, pflegenden Mitarbeitern verlässliche Strukturen
zu geben und sie aus der Rolle des Bittstellers zu holen.
Denn das Thema Angehörigenpflege ist für viele Arbeit-
nehmer noch immer heikel. Bei uns im Betrieb wird heute
deutlich offener über dieses Thema gesprochen und darü-
ber bin ich auch persönlich sehr froh.“
Die Enttabuisierung des Themas Pflege ist auch für Ludger
Osterkamp ein ganz wesentlicher Punkt. Der Geschäfts-
führer der ExTox Gasmess-Systeme GmbH, die in der Ka-
tegorie 50 bis 250 Beschäftigte ausgezeichnet wurde, ist
davon überzeugt, dass Initiativen in diesem Bereich „von
oben“ kommen müssen. Nur so können Berührungsängste
abgebaut werden.
„Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist bei uns Chef-
sache, und das muss auch so sein“, sagt Herr Osterkamp.
„Als wir vor zwei Jahren zu einem ‚Elternsprechtag‘ einlu-
den, gab es noch viel Zurückhaltung. Aber bei vielen hat
dann die Neugier gesiegt. Die älteste Teilnehmerin war
91 und fuhr mit dem Rollator vor. Es wurde ein sehr schö-
ner Nachmittag; für die Eltern der ‚angenehmste Eltern-
sprechtag, den sie je hatten‘. Dabei zeigte sich, dass Pflege
für viele ein wichtiges Thema ist.“
Heute gibt es bei ExTox zahlreiche Unterstützungsmaß-
nahmen, von flexiblen Arbeitszeiten über umfangreiche
Informations-, Beratungs- und Vermittlungsangebote bis
hin zu zwei ausgebildeten Pflegebegleitern als ständige
Ansprechpartner im Unternehmen (einer davon ist der
Chef selbst). Für Ludger Osterkamp ergibt sich das zwin-
gend aus dem Selbstverständnis des Unternehmens: „Wir
sehen uns als Familienbetrieb im wahrsten Sinne des Wor-
tes. Die Firma ist kein Selbstzweck, sondern für uns und
unsere Familien da. Niemand ist bei uns ersetzbar. Es zählt
der Mensch, nicht die Personalnummer.“
Wie sehr dem Unternehmen das Thema Pflege am Herzen
liegt, zeigt sich auch im neuesten Song der Firmenband, in dem
es um die schwierige Beziehung eines Demenz-
kranken zu seinem Pfleger geht (zu hören auf der
Website des Unternehmens www.extox.de).
In der Kategorie über 251 Mitarbeiter wurde das Soft-
wareunternehmen SAP ausgezeichnet. Das Walldorfer
Unternehmen hat vor etwa eineinhalb Jahren damit be-
gonnen, quartalsweise Informationsveranstaltungen zum
Thema Pflege abzuhalten.
„Zunächst war die Teilnahme sehr gering, trotz unserer
traditionell offenen und wertschätzenden Unterneh-
menskultur“, sagt Christine Rosendahl, die bei SAP für die
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verantwortlich ist. „Da
hat man schon gemerkt, dass das Thema für viele Kollegen
Iris Gleicke, Staatssekretärin im BMWI, mit den Preisträgern Ludger Osterkamp und Olaf Kayser von der ExTox Gasmess-Systeme GmbH
Die Veranstaltung
40
Schlüsselposition der Chefs wurde auch bei SAP klar er-
kannt: „Ein wichtiger Schwerpunkt für die Zukunft ist,
Führungskräfte noch stärker für das Thema zu sensibili-
sieren. Berührungsängste müssen abgebaut und pragma-
tische Lösungen möglichst unkompliziert und zeitnah aus-
gehandelt werden können“, sagt Frau Rosendahl.
Als weltweit tätiges Großunternehmen, das Fachkräfte
aus allen Teilen Deutschlands und der Welt anzieht, sieht
Frau Rosendahl auch die zunehmende Mobilität von Ar-
beitnehmern als Herausforderung, die es zu meistern
gilt: „Bei uns gibt es relativ wenige Mitarbeiter, die ihre
Angehörigen in der Nähe haben. Viele müssen Pflege aus
der Ferne organisieren. Das ist heute bereits ein weitver-
breitetes Phänomen. In dem Maße, in dem sich der Alters-
durchschnitt im Unternehmen erhöht, wird das Thema
Pflege für viele immer stärker in den Fokus rücken. Da ist
es ganz entscheidend, dass man gut vorbereitet ist und
nicht aus allen Wolken fällt, wenn es so weit ist.“
Für alle Preisträger und Nominierten ist die Bindung qua-
lifizierter Mitarbeiter ein wichtiger Beweggrund, sich mit
der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf auseinanderzuset-
zen. „Für uns geht es auch ganz klar darum, die Produktivi-
tät unserer Mitarbeiter zu erhalten“, sagt Frau Rosendahl.
„Deshalb wollen und müssen wir sie hier unterstützen. Das
liegt in der Verantwortung der Unternehmen, die ihre Mit-
arbeiter zu Recht als höchstes Gut betrachten. Wir müs-
sen die Rahmenbedingungen schaffen, um loyale und leis-
tungsfähige Fachkräfte gewinnen und halten zu können.“
scheinbar schwierig ist. Wir haben uns entschlossen, ein-
fach weiterzumachen, und das Interesse hat ständig zu-
genommen. Hier ist Kontinuität sehr wichtig. Wir haben
deutlich gemacht, dass wir das Thema ernst nehmen, und
unsere Mitarbeiter haben das irgendwann auch realisiert.
Heute haben wir viele sehr positive Rückmeldungen.“
Bei den ergänzenden Pflegeseminaren geht es zum Bei-
spiel um so wichtige Themen wie Vollmachten, Finanzie-
rung und Zeitmanagement. Für die Zukunft will SAP die
„Selbstpflege“ noch stärker in den Blick nehmen. „Ein ganz
wichtiger Punkt ist doch: Wie gehe ich als pflegender oder
mit dem Thema Pflege konfrontierter Angehöriger mit der
Belastungssituation um, die daraus erwächst? Wie kann
ich für Ausgleich sorgen? Wer kann mir helfen, das als Per-
son durchzustehen? Das sind entscheidende Fragen, die
am Ende auch die Qualität der Pflegesituation beeinflus-
sen“, sagt Frau Rosendahl.
In relativ kurzer Zeit hat SAP einen „bunten Strauß“ an
Maßnahmen für Mitarbeiter zusammengestellt, die ei-
nen Pflegefall in der Familie haben oder sich vorbeugend
beraten lassen möchten. Dabei arbeitet SAP auch mit
externen Dienstleistern zusammen. So können Mitar-
beiter selbst entscheiden, ob sie pflegebezogene Fragen
im Unternehmen selbst klären oder lieber anonym blei-
ben möchten. Flexible Arbeitszeitmodelle, Vertrauens-
arbeitszeit und auch Arbeitszeitkonten sind bei SAP seit
Längerem selbstverständlich und können ganz individuell
ausgehandelt werden. Erleichtert wird das dadurch, dass
die meisten Mitarbeiter auch mobil arbeiten können. Die
Staatssekretärin Iris Gleicke überreicht den Preis an Anka Wittenberg und Christine Rosendahl von SAP SE
41
Für alle drei Preisträger ist der Otto-Heinemann-Preis
eine Bestätigung ihres Weges und zugleich ein wichtiges
Signal an andere: „Der Preis bestärkt uns darin, unser En-
gagement fortzuführen und zu vertiefen. Und wir hoffen
natürlich, dass er dazu beiträgt, immer mehr Betriebe an
das Thema heranzuführen“, sagt Dr. Hoffschroer.
Der Preis wurde von Iris Gleicke, Staatssekretärin im
Bundeswirtschaftsministerium und Beauftragte für den
Mittelstand, im Beisein von rund 400 geladenen Gästen
verliehen. Namensgeber für den Preis ist der ehemali-
ge Prokurist der Firma Krupp in Essen. Der engagierte
Kommunalpolitiker und Vater des dritten Präsidenten
der Bundesrepublik Deutschland hat sich in ganz be-
sonderer Weise um das Betriebskrankenkassenwesen
verdient gemacht.
43
Die Enkelin
Frau Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann
Unser besonderer Dank für die aktive Mitwirkung bei der Auslobung und Verleihung des Otto Heine-mann Preises zur Vereinbarkeit von Beruf und Pfle-ge gilt der Familie Heinemann, speziell der Enkelin von Otto Heinemann, Frau Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann und ihrem Sohn.
In einem Filmbeitrag zitierte die katholische Theologin
und international renommierte Kirchenkritikerin Uta
Ranke-Heinemann u. a. aus den Lebenserinnerungen ih-
res Vaters, dem ehemaligen Bundespräsidenten Gustav
Heinemann. Darin schildert dieser seinen Vater Otto
Heinemann als ausgesprochen willensstarken und
engagierten Mann beim Aufbau des betrieblichen Gesund-
heitswesens und zugleich als liebevollen Familienvater.
Hier geht's zum Film:
Die Veranstaltung
46
Gute Pflegeprojekte sind intelligent, pragmatisch und ganz nah am Menschen – wie die Initiative, die in diesem Jahr auf der zweiten Berliner Pflegekonferenz mit dem Marie-Simon-Pflegepreis geehrt wurde. Die Seniorengemeinschaft Kronach Stadt und Land e. V. beweist seit Jahren, welche wichtige Rolle bürgerschaftliches Engagement in der Pflege spielen kann. Aber auch die Bedeutung professioneller Pflegekräfte wurde bei der Preis-verleihung gewürdigt.
Wirklich gute Ideen sind oft einfach. Aber man muss erst
einmal drauf kommen. Ein gutes Beispiel: die Senioren-
gemeinschaft Kronach Stadt und Land e. V., die in diesem
Jahr mit dem Marie-Simon-Pflegepreis ausgezeichnet
wurde. Der Verein hat das Ziel, Pflegebedürftigen und
älteren Menschen, die ihren Alltag nicht mehr allein be-
wältigen können, schnell und unkompliziert zu helfen. Die
Mitglieder des Vereins unterstützen sich gegenseitig bei
einfachen häuslichen und handwerklichen Tätigkeiten,
mähen den Rasen, versorgen zum Beispiel bei Kranken-
hausaufenthalten Blumen und Haustiere, gehen einkau-
fen oder bieten Fahrdienste an. Der Grundgedanke: Jeder
macht, was er kann.
„Es sind die kleinen, aber wichtigen Dinge des Alltags, die
für ältere Menschen oft zu großen Problemen werden
können“, sagt Bianca Fischer-Kilian, die den Verein 2010
gründete und seitdem die Hilfeleistungen koordiniert.
„Für eine 80-jährige Dame ist schon das Auswechseln ei-
ner Glühbirne eine kaum zu bewältigende Hürde. Oder
der große Einkauf, der in unserer ländlichen Region ohne
Auto meist nicht bewältigt werden kann. Oder wer füt-
tert die Katze, wenn ich mal nicht da bin? All diese Dinge
werden von den Mitgliedern unseres Vereins übernom-
men, die noch fit sind und gern helfen wollen. So werden
die einen unterstützt, und die anderen haben das Gefühl,
gebraucht zu werden und einen Beitrag zu leisten. Das ist
für beide Seiten ein gutes Gefühl. Und es trägt dazu bei,
dass ältere Menschen länger selbstbestimmt in ihren eige-
nen vier Wänden leben können und eben nicht so schnell
zum akuten Pflegefall werden.“
Der Verein, der mittlerweile 663 Mitglieder im Alter von
14 bis 99 Jahren hat, ist in allen 18 Gemeinden des Land-
kreises aktiv und war der erste in Bayern, der eine flä-
chendeckende Versorgung anbot. Im Monat werden von
den Mitgliedern etwa 500 Arbeitsstunden geleistet. Je ge-
leistete Stunde erhalten sie vom Leistungsempfänger eine
Ehrenamtspauschale von acht Euro. Zwei Euro gehen an
den Verein, der davon einen Teil der laufenden Kosten be-
streitet, der Rest verbleibt beim Leistungserbringer. Die-
ser hat aber auch die Möglichkeit, die geleisteten Stunden
auf einem Unterstützungskonto gutschreiben zu lassen,
um später selbst die Hilfe anderer Mitglieder in Anspruch
nehmen zu können.
„So können gerade Menschen, die finanziell nicht so gut
dastehen, zum Beispiel Hausfrauen oder Frührentner, für
die Zeit vorsorgen, wenn sie selbst einmal Hilfe benöti-
gen“, sagt Frau Fischer-Kilian. „Dabei stehen wir nicht in
Konkurrenz zu professionellen Pflegediensten, das kön-
nen wir auch gar nicht leisten. Unsere Mitglieder überneh-
men die Aufgaben, die ein Pflegedienst eben nicht machen
kann, die aber genauso wichtig sind. Das alltägliche Drum-
herum. Wichtig ist auch die soziale Komponente. Unsere
Mitglieder stehen untereinander in Kontakt, verabreden
Marie-Simon-Pflegepreis
Ein Pflegeprojekt, das Schule machen sollte.
47
sich zu Spielenachmittagen, gehen miteinander spazieren,
ins Café oder erkundigen sich einfach mal, wie es dem an-
deren geht. So wirken wir auch der Vereinsamung im Alter
entgegen.“ Darüber hinaus organisiert der Verein regel-
mäßig Ausflüge und Veranstaltungen und sorgt so für ein
lebendiges, menschliches Miteinander.
Der Start des Projektes wurde unter anderem durch För-
dermittel des Landes Bayern ermöglicht. Die laufenden
Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und
dem Vereinsanteil aus der Stundenvergütung bestritten.
Am Leben erhalten wird der Verein durch das große eh-
renamtliche Engagement der Mitglieder, des Vorstandes
und vor allem durch Frau Fischer-Kilian, die viel Zeit und
Energie in das Projekt investiert: „Es ist schon eine gewis-
se Selbstausbeutung, die ich hier betreibe. Aber als pfle-
gende Angehörige habe ich damals selbst gemerkt, wie
viel diese Unterstützung bedeuten kann. Ich glaube an
unser Projekt und habe die Hoffnung, dass es sich noch
weiter herumsprechen wird. Dann könnten vielleicht auch
weitere Fördermittel bereitgestellt werden. Ab 1.000 Mit-
gliedern trägt sich solch ein Projekt selbst, inklusive der
Bezahlung des nötigen Personals.“
Doch Frau Fischer-Kilian denkt noch weiter. Ihre Vision ist
ein landesweites Netzwerk von Seniorengemeinschaften
mit einem übergreifenden System von Unterstützungs-
konten. Denn gerade in ländlichen Regionen wie dem frän-
kischen Kronach ziehen die Kinder irgendwann aus be-
ruflichen Gründen in andere Gegenden, können sich also
nicht mehr selbst um ihre Eltern kümmern. Ein System,
wie es Bianca Fischer-Kilian vorschwebt, würde es ihnen
ermöglichen, an ihrem Wohnort Leistungen für Senioren
zu erbringen und so ein Unterstützungsguthaben auf-
zubauen. Diese Stunden könnten dann mit den Hilfeleis-
tungen verrechnet werden, die andere für ihre Eltern und
Angehörigen daheim erbringen, oder für das eigene Alter
angespart werden.
Für Frau Fischer-Kilian ist der Marie-Simon-Pflegepreis
eine willkommene Bestätigung der bisher geleisteten Ar-
beit: „Zum fünfjährigen Jubiläum einen solchen Preis zu
bekommen, ist toll. Es wäre schön, wenn das dazu beiträgt,
unser Projekt noch weiter bekannt zu machen. Wir haben
schon jetzt immer wieder Anfragen aus anderen Teilen
Bayerns und der Bundesrepublik. Neulich war sogar eine
Delegation aus Südkorea da.“
V.l.n.r Yves Rawiel, Ulla Schmidt, Bianca Fischer-Kilian, Dr. Gerd Landsberg, Loring Sittler
Die Veranstaltung
48
Neben dem bürgerschaftlichen Engagement spielt natür-
lich die professionelle Pflege eine entscheidende Rolle.
Hier braucht es noch viel mehr qualifizierte und motivier-
te Fachkräfte, um den demografischen Wandel langfristig
zu meistern und einem Pflegenotstand entgegenzuwirken.
Darauf verweist auch der Sonderpreis, den die Jury des
Marie-Simon-Pflegepreises in diesem Jahr an den Verein
zur Förderung Pflegerischer Qualität e. V. vergab.
Eine wichtige Initiative des Vereins ist der Bundeswett-
bewerb „Bester Schüler in der Alten- und Krankenpflege“,
der seit 2011 stattfindet. In diesem Jahr nahmen 25.000
Pflegeschülerinnen und -schüler teil. „Uns geht es nicht
nur darum, den besten Schüler auszuzeichnen, sondern
insbesondere sollen damit die Werte und Fachkompeten-
zen, aber auch die Motivation der jungen Menschen in der
Pflege gestärkt werden“, sagt Jens Frieß, Präsident der
Initiative. Zudem sei gute Pflege nicht nur die Frage einer
qualifizierten Ausbildung, sondern hänge auch maßgeblich
davon ab, wie viel Wertschätzung den Menschen in der
Pflege entgegengebracht wird. Der Sonderpreis wurde
von Melanie Segelke (DRK-Schwesternschaft Hamburg)
entgegengenommen, die in diesem Jahr einen der beiden
zweiten Plätze beim Bundeswettbewerb belegte.
Der Marie-Simon-Pflegepreis für herausragende Pro-
jekte in der Pflege wurde 2015 bereits zum zweiten Mal
durch spectrumK und den Deutschen Städte- und Ge-
meindebund verliehen. Die Übergabe des Preises auf der
Berliner Pflegekonferenz erfolgte durch Bundesgesund-
heitsministerin a. D. Ulla Schmidt. Benannt ist der Preis
nach der „deutschen Florence Nightingale“ Marie Simon
(1824–1877). Die Krankenpflegerin, die unter anderem
im Deutschen und im Deutsch-Französischen Krieg auf-
opferungsvoll Kranke und Verwundete versorgte, leistete
einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung von Pfle-
geberufen und zum Aufbau des Deutschen Roten Kreuzes
im damaligen Königreich Sachsen.
Yves Rawiel, Ulla Schmidt und Dr. Gerd Landsberg mit der Jurypreisträgerin Melanie Segelke
53
Wie sind Sie denn zum Thema Pflege gekommen?
Das ist sehr, sehr lange her! Meine Karriere begann in
der Aids-Krise in den 80-er Jahren. Da war meine erste
Anstellung im Bereich der Großmodelle Aids- und Sozial-
stationen, in denen es darum ging, Menschen mit HIV auf
dem letzten Weg ihres Lebens pflegerisch zu begleiten.
Das nannte man damals noch nicht so, heute könnte man
aber von Palliative Care sprechen.
Was hat sich zwischen damals und heute in der Pflege getan?
Es hat sich alles in sehr kleinen Schritten weiterentwickelt.
Ich würde eher von einer Evolution sprechen denn von
einer Revolution, die wir eigentlich bräuchten. Nach wie
vor wird der Beruf als der mit dem großen Herzen wahr-
genommen – und nicht der, der wissenschaftlich fundiert
und kompetent arbeiten kann. Das Image der Pflege ist
erheblich verbesserungsbedürftig – das sieht man zum
Beispiel sehr gut im palliativen Bereich, über den ja gerade
viel diskutiert wird. Wenn es um die wissenschaftliche
Auseinandersetzung geht, dann spricht man gerne von der
Palliativmedizin – obwohl die Palliativpflege sicherlich
fachlich genauso fundiert ist.
Wie erklären Sie sich das?
Der Status der Pflege ist historisch bedingt. Ein nachge-
ordneter Frauenberuf, der hier in Deutschland nachhal-
tig beeinflusst wurde durch kirchliche Traditionen. Diese
kirchliche, sehr stark auf Frauen ausgerichtete Entwick-
lung, verbunden mit einer starken Medizin und einem hi-
erarchisch strukturierten Gesundheitssystem, führt dazu,
dass Pflege als nachgeordneter Beruf gesehen wird, den
jeder praktizieren kann.
Wie könnte die Revolution in der Pflege aussehen?
Wir benötigen mehr akademisch qualifiziertes Pflegeper-
sonal, das in der Lage ist, die wissenschaftlichen Erkennt-
nisse anzuwenden oder auch zu entwickeln – davon sind
Im Gespräch mit Prof. Dr. Michael Ewers, Charité, Berlin
Wir braucheneine Revolution
Pflegeausbildung
54
wir noch sehr weit entfernt. Der Wissenschaftsrat hat vor
zwei Jahren gefordert, dass 10 bis 20 Prozent aller Auszu-
bildenden eines Jahrgangs an einer Hochschule ausgebil-
det werden sollten – davon sind wir meilenweit entfernt.
Wir brauchen viel Geld im Bereich der Forschung, um
neue Erkenntnisse gewinnen zu können. Da sind wir in Eu-
ropa Schlusslicht! Das ist natürlich immer ein Kampf um
Ressourcen, weil das Geld, das für Veränderungen in der
Pflege eingesetzt würde ja anderswo weggenommen wer-
den müsste. Und das ist wiederum eine Frage der Macht
und des Einflusses. Hier gibt es mächtige Lobbyverbän-
de, die sich dagegen wehren. Ich wäre ja aber schon froh,
wenn es einige wichtige Dinge außer der Akademisierung
gäbe, die sich ändern würden – zum Beispiel die berufliche
Ausbildung: Hier brauchen wir mehr akademisch ausge-
bildetes Lehrpersonal in allen Einrichtungen. Ich erlebe
ja persönlich auf Diskussionsrunden immer wieder eine
Überraschung, wenn ich erzähle, dass in Deutschland je-
der Grundschullehrer ein Studium braucht, aber um Ge-
sundheitsberufe auszubilden, brauchen Sie das nicht! Da
müssen Sie vielfach nur den Beruf gelernt und eine Wei-
terbildung durchlaufen haben – dann sind Sie Lehrer!
Was ist also zu tun?
Wir müssen beides verbessern: Wir müssen die Anstren-
gungen im Bereich der Akademisierung intensivieren. Da
sind wir dabei – aber wir müssen gleichzeitig dafür sorgen,
dass sich die Berufsausbildung verbessert. Die hat erheb-
liche Mängel hierzulande. Wir müssen auch über die Frage
diskutieren, wie wir international anschlussfähig bleiben:
Deutschland ist das letzte Land, in dem man mit einer
zehnjährigen Schulausbildung eine Pflegeausbildung be-
ginnen kann. In allen anderen Ländern wurde das auf zwölf
Jahre Allgemeinbildung festgelegt. Wir hoffen ja auf das
neue Pflegeberufegesetz. Eine Akademisierung und eine
bessere Ordnung der Berufe sind ja Schritte, auf die wir
lange gewartet haben und die auch über einen fast 20-jäh-
rigen Diskurs gegangen sind. Und natürlich brauchen wir
stärkere Lobbyverbände. Ich begrüße daher die Bemü-
hungen um die Einrichtung von Pflegekammern in einigen
Bundesländern. Letztlich muss die Pflege ihre Interessen
besser organisieren, als dies in der Vergangenheit der Fall
war!
Die Schwierigkeit ist, dass wir sehr spät angefangen ha-
ben mit den Veränderungen, dass wir dafür sehr lange
benötigen und dass die Veränderungen bei den Pflege-
bedürftigen noch nicht immer ankommen. Ich glaube, das
Problembewusstsein ist überall da. Es gibt immer noch
Lobbygruppen, die bremsen, aber den Zug zum Stehen
bringen, können Sie glaube ich nicht mehr. Dazu ist das
Thema Pflege politisch auch zu wichtig geworden.
Was können wir aus dem Ausland lernen?
Was mir immer wieder auffällt: dass die Kolleginnen und
Kollegen eine sehr fundierte Ausbildung haben und ein
sehr gesundes Selbstbewusstsein. Zwischen medizini-
schen Wissenschaftlern und Pflegewissenschaftlern gibt
es keine Unterschiede in der Wertschätzung mehr. Sie
bewegen sich dort sehr souverän und können mithalten –
und daran mangelt es hierzulande. Wir haben viel zu we-
nig Selbstbewusstsein, um zu sagen, dass wir auch schon
vieles geleistet haben und dass wir Erfolge vorweisen
können. Da können wir von den internationalen Kollegen
etwas lernen. Und ich träume ja immer noch von einem
unbefristeten Pflegestreik, bei dem alle die Arbeit nieder-
legen – und wir dann schauen, was in diesem Land passie-
ren würde. Pflegende leisten eine Arbeit, über die wir sehr
wenig sprechen und die von der Gesellschaft auch wenig
gewürdigt wird. In Ländern wie Kanada und den USA sind
„Fireworkers“ und „Nurses“ die Helden des Alltags!
Was geben Sie Ihren Studenten denn mit auf den Weg?
Ich hoffe, Selbstbewusstsein. Dass sie stolz sein können
auf das, was sie hier lernen – und dass sie bereit sind, als
Kliniker oder auch Lehrende Verantwortung zu über-
nehmen und die Pflege mitzugestalten. Das ist uns ganz
wichtig, sie in ihrer Professionalität zu stärken und sie zu
Pflegenden zu machen, die wissen, dass sie einen Beruf
mit langer Tradition und großer Verantwortung für die
Zukunft unserer Gesellschaft haben. Das ist unser Ansatz.
Vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Michael Ewers+
Charité – Universitätsmedizin Berlin www.ewers-ecc.de
56
+ Prof. Dr. Christian Rester kommt aus einer „Pflegefami-
lie“ – sein Bruder ist Pflegewissenschaftler, die Mutter ar-
beitete in der Altenpflege, sein Vater leitete 30 Jahre lang
ein Altenheim und ist erst kürzlich in Rente gegangen. „Ich
war schon im Alter von zehn Jahren oft im Altenheim dabei,
da war es fast kein Wunder, dass ich am Ende jetzt auch im
Bereich Pflege arbeitet. Rester wollte aber eigentlich Mu-
siker werden, gesteht er. „Ich habe auch Schlagzeug in ei-
ner Band gespielt, kann aber sehr gut damit leben, dass es
nicht zum Rockstar gereicht hat“, erzählt er schmunzelnd.
Er hat dann – ganz solide – eine Pflegeausbildung gemacht.
Und sich mit Pflegejobs auch sein Studium finanziert.
„Und glückliche Umstände ermöglichten es mir dann, dass
ich auch noch promoviere“, sagt er bescheiden. Kürzlich
hat er in Deggendorf damit begonnen, den Schwerpunkt
Pflege an der dortigen Technischen Hochschule aufzubau-
en. „Moment einmal – Pflege und Technische Hochschule,
wie passt denn das zusammen?“, mag sich der eine oder
andere da fragen. „Wir fangen zwar dieses Jahr mit dem
ersten Studiengang an, aber ich sehe jetzt schon, dass
da ganz große Potenziale in der Verbindung zwischen
Pflege und Technik liegen“, sagt Prof. Rester stolz. „Da
passiert sehr viel, da gibt es auch einen Markt – da liegt
Wirtschaftspotenzial!“
Die Menschen würden schließlich immer technikaffiner.
„Handy, Technik, Mobilität, Einkaufen – bis hin zur Frage
der betrieblichen Angehörigkeit pflegender Angehöriger –
das alles befindet sich im Wandel“, erklärt Rester. Einer-
seits sei da das sozialpolitische Ziel, die Lebensarbeitszeit
zu verlängern, andererseits sei es gerade diese Generati-
on, die die Pflege von Angehörigen zu managen habe. „Die
50-plus-Tochter, die in der ländlich strukturierten Gegend
lebt und die die Mutter versorgen muss, ist da so ein ganz
typischer Fall, für den wir neue Formen der Kooperation
brauchen“, so der Gerontologe. Kreativität sei da nicht nur
bei den Betrieben gefragt, sondern auch in der Wissen-
schaft: „Pflegewissenschaft, Gerontologie und Demogra-
fie müssen da ganz eng zusammenarbeiten.“
Gerade in den strukturschwachen Regionen werde das
Missverhältnis von Erwerbspersonen und Pflegebedürfti-
gen noch mehr an Schärfe gewinnen, meint Rester – da es
dort zusätzlich eine Emigration der Jugend in die Ballungs-
zentren gebe. „Klar wollen die alten Menschen zu Hause
in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, das zeigt jede
Umfrage – aber es wird eine große Herausforderung wer-
den, dies auch zu bewerkstelligen“, betont der Pflegewis-
senschaftler. Kommunen, Betriebe und der Staat müssten
hier die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen,
fordert Rester.
Pflege — die Disziplin der
ZukunftProf. Dr. phil. Christian Rester
über neue Formen der Kooperation
Prof. Dr. phil. Christian Rester+Gerontologie und demografische EntwicklungTechnische Hochschule Deggendorf www.th-deg.de
58
Prof. Dr. Sandra Bachmann+
Studiengang Pflege (Bachelor)Hochschule für Gesundheit, Bochum
www.hsg.de
59
+ Frau Prof. Dr. Sandra Bachmann ist Professorin im Studi-
engang Pflege an der hsg in Bochum – der einzigen Hoch-
schule in Deutschland, die grundständige Studiengänge im
Bereich der Ergotherapie, Hebammenkunde, Logopädie,
Pflege und Physiotherapie sowie ab 2015/16 den Master-
Studiengang Evidence-based Health Care anbietet. Und
darauf ist sie ganz besonders stolz: „Wir leisten einen
Beitrag zur Akademisierung der Gesundheitsfachberufe“,
erzählt die Expertin in Sachen Pflege. Die Kombination
aus staatlicher Prüfung und Studium ermögliche es, dass
man gleichzeitig die Berufszulassung erlangen und einen
Bachelor-Abschluss erwerben kann. Seit 2009 vereinigt
die hsg so alle Gesundheitsfachberufe an einem Campus,
seit Neuestem sogar auf dem Gelände der Ruhr-Uni — dem
Gesundheitscampus. Das gebe es sonst nirgendwo. Ist Bo-
chum in der Gesundheitsausbildung der Nabel der Welt?
„Die Hochschule hat sozusagen das Thema Professionali-
sierung der Gesundheitsfachberufe und Weiterentwick-
lung der Versorgung verinnerlicht“, erzählt die Professo-
rin. Parallel dazu sei die Hochschule aber auch zentrales
Glied eines einzigartigen Modellprojektes in Deutschland.
„NRW ist momentan das einzige Bundesland, das die Aka-
demisierung der Gesundheitsfachberufe wissenschaftlich
begleitet und evaluiert“, freut sich Bachmann. Die ersten
Erkenntnisse dazu seien im Frühjahr veröffentlich worden.
Das Ergebnis: „Akademisierung ist der nächste Schritt in
Richtung Professionalisierung. Wir sind noch nicht so weit,
dass wir belegen können, dass wir die Versorgung verbes-
sern. Aber unsere Studenten bringen auf jeden Fall einen
höheren Grad an Reflexionsvermögen mit.“ Hinterfragen,
evaluieren, Verbesserungen anstoßen – darum geht es ihr.
Und darum, dass diese Erkenntnisse dann auch in der Pra-
xis umgesetzt werden. Die Rückmeldungen der Absolven-
ten zeigen, dass diese in direktem Patientenkontakt, also
in der Versorgung, bleiben. „Das bedeutet, dass wir also
höher qualifizierte Menschen in der Versorgung haben.“
Kritischer Punkt sei nach wie vor die Bezahlung. „Da hat
sich zwar im Tarifrecht einiges getan“, erzählt Bachmann.
Sie weiß aber aus der eigenen Erfahrung, dass es nicht
von heute auf morgen geht. „Ich habe selbst Pflegepäda-
gogik studiert, und auch da hat sich erst im Laufe der Zeit
gezeigt, dass es unterschiedliche tarifliche Eingruppierun-
gen geben kann.“
Einen großen Bedarf sieht Bachmann für Absolventen
aus dem Bereich der Pflege auch in ganz neuen Berufs-
feldern: „Besonders bemerkenswert finde ich, dass viele
der Studenten und Absolventen im beraterischen Kontext
Interesse zeigen und Arbeitsplätze finden“, sagt sie. Etwa
Stetige Veränderung
Prof. Dr. Sandra Bachmann über die Akademisierung in der Pflege
Pflegeausbildung
60
ein Drittel der Absolventen nutzt auch die Möglichkeit,
sich im Master-Studiengang der hsg weiterzuqualifizieren,
bleibt aber der Praxis studienbegleitend erhalten.
Geht es nach Sandra Bachmann, wird sich das Bild der
Pflege stetig verändern: „Meine Idee ist, dass wir mit mehr
akademisch qualifizierten Experten in der Pflegepraxis ar-
beiten. Wir haben ja jetzt schon Pflegeexperten, die sich
im Bereich der onkologischen Erkrankungen spezialisiert
haben, im Bereich von Menschen mit demenziellen Er-
krankungen, im Entlassungsmanagement oder als Wund-
experten arbeiten. Eigentlich müssten wir in Zukunft auf
jeder Station Experten für unterschiedliche fachliche
Fragen haben – oder für ein bestimmtes Patientenklien-
tel“, meint sie. Zwar sollten diese Mitarbeiter auch direkt
im pflegerischen Bereich tätig sein – aber ganz bestimm-
te Fachfragen beantworten können. Im Moment gebe es
kaum Ressourcen für eine Spezialisierung. Den Fachkräf-
ten sei es so kaum möglich, Fallbesprechungen durchzu-
führen und ihr eigenes Handeln zu reflektieren.
Mit Studiengängen, wie sie an der hsg angeboten werden,
könnte sich das ändern. „Und ich merke auch, dass das ge-
nau bei meinen Studenten ankommt: nicht nur lernen, son-
dern das erworbene Wissen auch umsetzen.“ Das erlebt
sie als Professorin täglich. Praktische Erfahrungen sam-
meln die Studenten bei einem der über 500 Kooperations-
partner, mit denen die Hochschule zusammenarbeitet –
große Kliniken, aber auch kleinere Praxen und Altenpfle-
geheime in und um Bochum. Für die Pflegestudenten sind
diese gleichzeitig Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber.
Auch in Hospizen, beim MDK und bei der Alzheimergesell-
schaft können die Studierenden Praktika absolvieren. Die
einzige Herausforderung dabei: „Für uns gilt sowohl das
Hochschulgesetz als auch das Berufsrecht“, erklärt Bach-
mann. Doch die nimmt sie gemeinsam mit ihren Studenten
gerne an.
„Von der klassischen berufsschulischen Ausbildung in der
Pflege, die ich ja auch noch durchlaufen habe, werden wir
so zwar keine Vollakademisierung erreichen – aber zumin-
dest eine Teilakademisierung“, sagt Bachmann. Und das sei
auf jeden Fall erstrebenswert. „Die Studierenden sind fest
verwurzelt in der Pflege, haben aber gleichzeitig die Mög-
lichkeit, sich weiterzuentwickeln und sich andere Wege zu
erschließen.“ Pflege sei damit keine Sackgasse mehr.
Gut findet Bachmann auch die Generalisierung in der Pfle-
ge. „Wir haben hier die Studierenden der Altenpflege, der
Gesundheits- und Krankenpflege und der Gesundheits-
und Kinderkrankenpflege, die alle dieselbe theoretische
Ausbildung durchlaufen. Auch die praktischen Einsatzfel-
der sind generalistisch ausgerichtet. Am Ende unterschei-
den sich die Absolventen nur darin, dass sie die praktische
staatliche Prüfung in dem Schwerpunkt ablegen, den sie
vertraglich gewählt haben“, so Bachmann.
Dass zu wenige Absolventen am Ende in der Altenpflege
arbeiten, sieht Bachmann überhaupt nicht: „Diese strikte
Trennung ist heute nicht mehr zeitgemäß. Wir sehen, dass
sich die Studierenden nach spätestens zwei Jahren ent-
scheiden, in welchen Bereich sie gehen wollen. Viele wol-
len in die Altenpflege gehen. Aber viele entscheiden sich
auch für ganz andere Bereiche, die wir ja zukünftig auch
verstärkt brauchen – beim MDK, im Bereich der Pflegebe-
ratung oder in großen Unternehmen, die eigene Pflegebe-
rater einstellen. “
Problem der Altenpflege sei vielmehr, dass die Arbeit zwar
hochgeschätzt werde. „Aber die Art und Weise, wie man
mit den Kolleginnen und Kollegen umgeht, zeigt ein ganz
anderes Bild. Der Altenpflege täte es gut, wenn in Zukunft
mehr akademisch qualifizierte Fachkräfte da sind, die sich
behaupten, die reflektierter sind und die aufstehen und
sagen: So geht es nicht mehr!“
Ohnehin sei in Zukunft eine multikomplexe Behandlung
nötig: Gerade Menschen mit kognitiven Einschränkungen
bräuchten eine andere Expertise – und eine Kombinati-
on aus Altenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege.
„Im Moment haben wir eine Trennung in der Finanzierung
zwischen SGB-V-Leistungen und SGB-XI-Leistungen, das
heißt, dass eine Pflegekraft in der stationären Altenpfle-
ge bestimmte pflegerische Handlungen nicht durchführen
darf und diese nicht abgerechnet werden können.“ Das
führe dazu, dass alte Menschen zum Beispiel wegen einer
Exsikkose oder einer Pneumonie häufig im Krankenhaus
landeten, obwohl die Behandlung auch genauso gut im Al-
tenheim hätte stattfinden können.
Und auf eine bessere Versorgung von Menschen mit einer
Demenz legt Bachmann ganz besonderen Wert. Schließ-
lich hat sie lange Zeit in einem Projekt zur Verbesserung
der Versorgung von Menschen mit Demenz im häuslichen
und stationären Setting gearbeitet.
63
+ Wenn ich das Wort Freitodbegleitung höre, geht es mir
nicht gut. In meiner langjährigen Praxis als Palliativmedizi-
ner habe ich noch nie erlebt, dass jemand, der einen Todes-
wunsch äußerte, dabei geblieben ist, nachdem ich ihm die
Möglichkeiten und Alternativen einer würdevollen, angst-
und schmerzfreien Palliativbehandlung aufgezeigt habe.
Mein Eindruck ist, dass Menschen eine Selbsttötungsbe-
gleitung ins Auge fassen, weil sie ungenügend aufgeklärt
sind. Dass der Tod zum Leben gehört, dass wir ihn in jedem
Alter erleiden können, ist noch nicht wirklich in den Köpfen
angekommen. Bei einer Umfrage des DHPV vor drei Jahren
kannte gerade mal die Hälfte der Befragten den Begriff Pal-
liativmedizin, davon wiederum konnten ihn nur 30 Prozent
richtig definieren. Nimmt man polarisierende Positionen
von Politikern hinzu, die von „Qualtod“ sprechen, schürt
das zusätzlich Ängste. Dabei muss unter den heutigen Be-
dingungen wirklich niemand einen „Qualtod“ erleiden.
Das Wichtigste ist Aufklärung. Mit dem Projekt „Hospiz
macht Schule“ engagiert sich unser Verband dafür, dass die
Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben schon im
Grundschulalter beginnt. Dann kommen viele Ängste gar
nicht erst auf.
Ich bin entschieden gegen Liberalisierungsbestrebung, die
die Selbsttötung als etwas scheinbar Normales ans Ende
der Behandlungskette stellt. Das würde den Druck, sich ei-
ner solchen Selbsttötungsmöglichkeit zu bedienen, auf Alte
und Schwache in fataler Weise erhöhen. Im Einzelfall kann
ich nachvollziehen, dass einem eventuell nur die Sterbe-
hilfe bleibt. Dazu muss man allerdings nicht in die Schweiz
fahren. Sie ist in Deutschland auch nach dem neuen Ge-
setz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der
Selbsttötung der Gruppe straffrei. Zusammen mit dem von
Bundesgesundheitsminister Gröhe initiierten und mittler-
weile in Kraft getretenen Hospiz- und Palliativgesetz sind
damit in diesem Jahr zwei äußert wichtige Entscheidung
zur Sterbebegleitung getroffen worden, vereinen sich hier
doch die klare Absage an die organisierte, gewerbliche
Beihilfe zum Suizid und die Stärkung der zugewandten hos-
pizlichen und palliativen Versorgung und Begleitung. Beide
Gesetze werden dabei helfen, dass jeder Mensch unabhän-
gig von seiner zugrunde liegenden Erkrankung, der persön-
lichen Lebenssituation oder vom Versorgungsort eine qua-
litativ hochwertige palliative und hospizliche Behandlung
und Begleitung erhält.
Der Tod gehörtzum Leben
Prof. Dr. med. Winfried Hardinghaus+
Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands e.V. www.dhpv.de
Prof. Dr. Winfried Hardinghaus über die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben
Palliativversorgung
65
+ Die größte Angst hat der Mensch nicht vor dem Tod,
sondern davor, wie er stirbt. Vor Schmerzen, dem Ausge-
liefertsein, der Erstickungsnot, den Angstzuständen. Ich
habe 20 Jahre als Hausärztin palliativmedizinisch gearbei-
tet und Dinge erlebt, dass ich Angst vor meinem eigenen
Sterben bekommen habe. Durch die Freitodbegleitung
meines Vaters durfte ich erfahren, dass es noch etwas an-
deres gibt. Auch für mich persönlich ist es sehr wichtig, zu
wissen: Wenn ich es nicht mehr aushalte, kann ich Natriu
Pentobarbital nehmen. Das Narkotikum ermöglicht einen
schnellen, angst- und schmerzfreien Tod.
Die Freitodbegleitung wird in Deutschland kritisch gese-
hen. Dabei blendet man jedoch aus, dass das Leiden durch
den enormen medizinischen Fortschritt ein unerträgliches
Ausmaß annehmen kann. Ist es falsch, dafür eine Lösung
anzubieten? Nachdem Ärzte dem Herrgott, der den Men-
schen schon lang hat heimholen wollen, so viele Male ins
Handwerk gepfuscht haben?
Die Palliativmedizin begleitet beim Sterben, wir begleiten
zum Sterben, und zwar Menschen, die klar denken und ei-
genständig Entscheidungen treffen können.
Palliativmediziner sagen: „Wir wissen es besser. Wenn
wir helfen, hat der Mensch nicht mehr den Wunsch, zu
sterben.“
Wie auch? Die Palliativmedizin setzt gegen Schmerzen,
Angst und Atemnot Morphium ein. Der Mensch stirbt in
einem komaähnlichen Zustand. Nicht er, ein Mediziner
entscheidet die terminale Sedation. Menschen müssen 70,
80 Jahre Verantwortung für ihr Leben übernehmen, nur
für ihr Sterben dürfen sie es nicht? Das ist absurd.
Ja, es gibt einen negativen Aspekt bei der Freitodbeglei-
tung: dass Menschen in einem absolut reiseunfähigen Zu-
stand in die Schweiz reisen müssen und auch noch als Ster-
betouristen bezeichnet werden. Deshalb wünsche ich mir
für Deutschland klare Richtlinien, unter welchen Bedin-
gungen Ärzte eine Freitodbegleitung machen dürfen. Der
deutsche Gesetzgeber könnte beispielsweise eine sechs-
monatige Probezeit einrichten. Erfahrene Schweizer Ärz-
te könnten Hausärzte begleiten.
Vor allem brauchen wir eine Sterbekultur. Dazu gehört,
sich über alle Facetten des Sterbens zu informieren. Über
die Pflege zu Hause, über Hospize, Palliativmedizin, Ster-
be- und Freitodbegleitung. Jeder sollte mit Erreichen der
Volljährigkeit eine Patientenverfügung verfassen. Aber
was macht man mit 18? Man kauft sich ein Motorrad. Wie
schwer Sterben sein kann, dass man Angehörige entlasten
muss, wird vielen erst bewusst, wenn sie einen Menschen
verloren haben.
Der Mensch fürchtet sich mehr vorm Sterben als
vor dem TodDr. Erika Preisig über Freitodbegleitung und
die Notwendigkeit einer Sterbekultur
Palliativversorgung
66
Sehr geehrter Herr Professor, Sie arbeiten bereits seit geraumer Zeit im Bereich Palliativversorgung und Sterbebegleitung. Wie kam es zu dieser speziellen Ausrichtung des beruflichen Schwerpunktes? Was war Ihre Triebfeder?
Im Erstberuf war ich katholischer Priester. Dann hat es
mich nach Indien gezogen, wo ich insgesamt siebenein-
halb Jahre gelebt habe. Als ich dann aus Indien zurückkam,
nicht mehr Priester war und auch nicht mehr als Entwick-
lungshelfer tätig war, stellte sich mir die Frage: Was mache
ich jetzt?
Ich startete als Supervisor im Bereich Hospiz- und Palliati-
ve Care. Dies gab schließlich den Anstoß für die Gründung
eines Unternehmens, das Pflegefachkräfte speziell im Be-
reich Palliativversorgung ausbildet. Dieses Unternehmen
ist von Hamburg aus inzwischen für ganz Norddeutsch-
land und seit einiger Zeit auch in Südindien tätig.
Sehr interessant, und in Indien bilden Sie nun auch Fachkräfte im Bereich PalliativeCare aus?
Genau, mein Schwerpunkt liegt dennoch weiterhin in
Deutschland. Um Palliativmediziner zu werden, sieht die
BÄK meist ein Curriculum von viermal fünf Tagen (160 Un-
terrichtsstunden) vor. Ähnliches gilt für die Pflege. Wir ha-
ben bei MediAcion inzwischen 3.500 Pflegende und über
2.000 Mediziner so weitergebildet.
In Indien gibt es demgegenüber erst seit etwa acht Jah-
ren erste Bestrebungen zur geregelten Palliativbildung.
Die Inder haben sich entweder für ein sechswöchiges E-
Learning entschieden (mit drei Kontakttagen/optionalem
Praktikum) oder für eine zweijährige Facharztweiterbil-
dung in Palliative Care. Das E-Learning mag für eine erste
intellektuelle Begegnung mit diesem Thema genügen, aber
das Emotionale und Kommunikative fehlt vollkommen.
Meine Arbeit besteht darin, dass ich reguläre Universi-
tätsprofessoren der Medizin und der Pflege in diesem Pal-
liativbildungsbereich ausbilde. Inzwischen habe ich zwei
20-tägige Schulungen für Universitätsprofessoren durch-
geführt. Die nächsten starten Mitte Dezember. Bei diesen
Kursteilnehmern handelt es sich um Multiplikatoren, die
dann wiederum die anderen Studenten und weiter fortge-
schrittene Berufsangehörige unterrichten. Ziel ist es, die
in Deutschland bewährten Viermal-Fünftagekurse auch
in Indien zu etablieren und durch eine Reisetätigkeit der
Lehrenden gut auf ganz Indien zu übertragen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, waren Sie in Indien zunächst noch als katholischer Theologe tätig. Ist dies Ihre aktuelle Tätigkeit in Indien?
Also, meine jetzigen Tätigkeiten sind an der privaten Ma-
nipal-Universität und der muslimischen Yenepoya-Uni-
versität. Dort wurde mir im Mai ein Sonderlehrstuhl für
Palliative Care eingerichtet. Ich bin also gewissermaßen
ein muslimischer Professor mit katholischer Herkunft.
Palliative Careaus indischer Perspektive auf
Fragen in Deutschland blicken
Ein Interview mit Prof. Dr. Becker-Ebel
67
Sowohl meine Studentinnen als auch unterrichtende Do-
zentinnen kommen teilweise in Jeans oder mit schwarzem
Umhang vom Scheitel bis zum Knöchel in die Vorlesungen.
Gibt es da unterschiedliche Herangehensweisen hinsichtlich des Themas Palliativversorgung und Sterbebegleitung? Das Wertebild in Deutschland ist ja eher christlich geprägt, wonach der Mensch eigentlich keinen Einfluss auf den eigenen Tod nehmen darf.
Also, ich bin nicht mehr ganz in der alten Haltung der Ab-
lehnung des Suizidenten und der Verbannung vom kirch-
lichen Friedhof groß geworden. Weiß aber, dass es solche
Tendenzen bis 1975 im Katholischen gab.
Indien ist wirklich ein Vielvölkerstaat und das Erstaunli-
che ist, dass die skeptische Haltung sowohl in der Bevölke-
rung als auch in Fachkreisen fast gegenüber jeder Art von
Sterbebegleitung besteht, das scheint kulturell bedingt zu
sein. Indien ist ein sehr lebensbejahendes Land.
Der Untersuchung aus Singapur zufolge nimmt Indien
2015 auf einer Skala der 80 untersuchten Länder den
Platz 67 ein, wenn es um die Bedeutung und Umsetzung
von Palliativmedizin geht. Jede Überlegung, ob man die
Therapie eines unheilbar an Krebs Erkrankten zugunsten
einer reinen Schmerzbehandlung beendet, wurde meist
verneint. Erst vor zwei Jahren wurde das Verbot des Ein-
satzes von Opiaten in der häuslichen Krankenversorgung
aufgehoben. Und so entwickelt sich da langsam so etwas
wie Palliative Care, ähnlich wie in Deutschland vor 20 Jah-
ren. Der indische Arzt versteht sein Tun als Lebensrettung
und Lebensverlängerung. Angehörige fühlen sich ver-
pflichtet, den Patienten irgendwie dem Tod zu entreißen,
ansonsten sind sie schlechte Kinder. Diesen Schuldmecha-
nismus aufzulösen, ist eine sehr anstrengende Arbeit.
Es beginnt schon mit den „breaking bad news“, also ins
Deutsche übersetzt mit dem Überbringen der Todesnach-
richt bzw. der Nachricht der unheilbaren Erkrankung. Das
wird in Indien einfach nicht gemacht. Generell nicht. Indi-
en hat da seine Besonderheit, wir haben ein Curriculum
für Ärzte und Pflegende geschrieben: 18 indische Exper-
ten und der Brite Max Watson und die Leiterin der ameri-
kanischen Palliativgesellschaft und ich.
Und dort bestand die Problematik, ein Wort mit der De-
finition für Collution zu finden. Collution wird übersetzt
mit verbotenen Drittmittelgeschäften und ist mit der
Börse verbunden. In Indien wird dieser Begriff im Pallia-
tive-Care-Bereich gebraucht. Er bedeutet, dass der Arzt
immer dem (ältesten) Familienmitglied sagt, wie es um
den Patienten steht, niemals dem Patienten selbst. Und
selbst wenn in seltenen Fällen dem Patienten direkt vor
seinem Tod doch mitgeteilt wird, wie es um ihn steht, weil
es unausweichlich ist, dann stirbt der Patient meist bald
danach. Daraus folgern viele Ärzte, dass der Patient durch
die Nachricht demotiviert wird und daher sofort stirbt.
Das hat sich in der indischen Kultur stark verfestigt. Die
sehr engagierte Professorin für Geriatrie mit Interesse für
das Thema Palliative Care, Prof. Dr. Prabha Adhikari, hat
mich für die Manipal-Universität gewonnen. Sie hat ihre
Mitarbeiter/Oberärzte, die dort an der Uni unterrichten,
zusammengetrommelt. Dann begann der Unterricht. Fast
alle haben steif und fest behauptet, in Indien ginge das mit
„breaking bad news“ nicht.
Über ein Rollenspiel haben wir dann erarbeitet, wie es
doch funktionieren könnte. Ich habe das Projekt auch dem
Staatssekretär im Gesundheitswesen vorstellen können,
der das Projekt stark unterstützte. Ich habe mit meinem
deutsch-indischen Team anschließend viermal fünf Tage
unterrichtet. Einer der Teilnehmenden kam nach zwei Mo-
naten auf mich zu und berichtete, er hätte das gemacht,
„mit den Patienten sprechen“. Es sei total schwierig gewe-
sen, aber es hätte funktioniert. Meiner Frage nach der in-
dischen Kultur wurde entgegnet, dass es wohl eher daran
lag, dass sie nicht wussten, wie man das macht.
Welchen Mehrwert hat es denn für Patienten, Gewissheit über den eigenen Zustand zu haben? Früher war es auch in unserer Kultur durchaus üblich vorher Angehörige zu fragen, ob der Patient die Wahrheit verträgt.
Ich habe mit dem „Papst“ der indischen Palliative-Care-
Bewegung, Dr. Rajagopal aus Trivandrum, einmal in Kal-
kutta zusammen zu diesem Thema unterrichten dürfen.
Die teilnehmenden Ärzte fragte Dr. Raj, wie sie es denn
selbst für sich haben wollten. Da war die Meinung dann
einhellig, dass jeder darüber informiert sein wollte. Eine
Begründung dafür, warum es denn für andere Patienten
nicht so sein solle, blieben sie schuldig.
Palliativversorgung
68
Meiner Meinung nach weiß jeder Sterbende, dass irgend-
was nicht stimmt, aber die Angst, darüber miteinander zu
kommunizieren, ist groß. Meine Arbeit zielt darauf ab, in
20 Tagen Professoren, Ärzte und Studenten darin zu un-
terrichten, wie man darüber miteinander ins Gespräch
kommen kann. Und das ist ein Mehrwert an sich, weil man
sich nicht mehr versteckt. Weil Schuld und Scham das Le-
ben nicht bestimmen und weil man manche Sachen auch
noch planen und regeln kann und auch noch letzte Worte
wechseln kann.
Die Frage, wie mit dem Thema Sterben und Tod umgegangen wird, kann damit durchaus kulturübergreifend beantwortet werden. Wobei das Thema Tod auch bei uns gern tabuisiert wird.
Der Tod selbst ist in Indien weniger tabuisiert. Es ist mehr
das Sterben. In Indien ist nach dem allgemeinen Gefühl der
Tod selbst nicht so heftig.
In Indien ist der Tod präsenter. Es wird auch sehr heftig ge-
trauert. Es gibt Klageweiber aus der Nachbarschaft, die da-
für Essen und Geld bekommen, damit sie laut weinen und
die anderen mitweinen, man wird dazu eingeladen. Auch
Trommler kommen dazu. Dann kann auch laut geschluchzt
werden, weil die Trommelwirbel viel lauter sind. Anschlie-
ßend geht man mit Blumen dann zur Verbrennungsstätte.
Aber das Sterben, die Zeit vorher, das ist in Indien tabu-
isiert. Die neu ausgebildete Assistenzprofessorin berich-
tete aber auch Erfolge: Vier Familien von verstorbenen
Angehörigen seien auf sie zugekommen, die berichteten,
wie positiv sie diese Begleitung in der letzten Lebensphase
empfunden hätten. Das sei ihr in 20 Berufsjahren vorher
nicht passiert. Das hat zur Folge, dass diese Vorgehens-
weise nun auch weiter Anwendung und Verbreitung fin-
den wird.
Das stellt ja schon eine deutliche Veränderung im Umgang mit dem Sterben dar. Die aber nach Ihrer Einschätzung kulturübergreifend positiv von den Menschen aufgenommen wird.
Also, ich würde mich jetzt nicht als Handelsreisenden se-
hen, der als Nächstes nach Kenia oder sonst wohin reist.
Vielmehr ist es so, dass ich siebeneinhalb Jahre in Indien
gelebt habe, mit der dortigen Kultur vertraut bin, und vor
diesem Lebenshintergrund traue ich es mir zu, die Kultur
in Indien für dieses Thema zu öffnen. Mein Ziel ist es, die
einheimischen Fachkräfte dafür zu gewinnen und auszu-
bilden, damit diese die Sterbebegleitung weitertragen.
Es gilt, die Menschen vor Ort davon zu überzeugen, diese
Idee weiterzutragen.
Gibt es da Unterschiede im Umgang mit dem Thema Sterbebegleitung, ob es sich um eine hinduistisch geprägte oder um eine muslimische Familie handelt?
Nein, das Thema Lebensverlängerung um jeden Preis
scheint in allen Bevölkerungsschichten gleich zu sein. Ich
sehe da wenige Unterschiede. In meinen Ausbildungs-
gruppen gibt es Christen, Muslime, Hindu und Neulibera-
le. Also Menschen, die zwar einer Religion angehören, die
auch gewisse Riten beachten, aber eigentlich an keinen
Gott mehr glauben. Die Probleme sind bei allen dieselben.
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Wie ich das verstehe, konnten Sie in Indien inzwischen einen wichtigen Impuls zu einer neuen Sichtweise auf das Thema Sterbebegleitung geben. Haben Sie im Gegenzug auch etwas aus Indien mitgenommen, das Sie hier in Deutschland einsetzen möchten, bzw. was haben Sie dort gelernt, das Ihre Arbeit hier in Deutschland beeinflusst?
Ich würde sagen, dass Indien mein Leben mehr beeinflusst
hat als umgekehrt. Ich bin mit 25 das erste Mal nach Indi-
en gekommen. Ich habe neben der Entwicklungshilfe auch
viel meditiert. Das, was ich an Intuition besitze, habe ich
der Meditation zu verdanken. Die Einfühlung in andere
Menschen und in mich selbst, die Wahrnehmung der eige-
nen Gefühle. Das habe ich durch langjähriges Meditieren
in Indien gelernt. Und das ist das Handwerkszeug, das ich
nun für die Palliative Care einsetze.
Und wenn mich Ärzte in Deutschland fragen, was ich für
das Wichtigste halte, was ich vermitteln will, dann sage ich
immer: „Ich nehme an, Sie sind alle gekommen, um das Ge-
fühl der Hilflosigkeit zu überwinden. Mein Ziel ist es, dass
Sie sich mit Ihrer Hilflosigkeit anfreunden. Es geht um still
werden, aushalten lernen und Emotionen erleben dürfen,
ohne weggeschwemmt zu werden.“
Ich habe in einem der Palliativmedizinkurse einen Arzt er-
lebt, der berichtete von einem Krebspatienten, vor dem er
sich immer bei Hausbesuchen gefürchtet habe. Nach der
Methode des Psychodramas habe ich dann ein Rollenspiel
inszeniert, bei dem eine Person den Patienten und eine
andere dann auch die Rolle der Angst spielt. In diesem Rol-
lenspiel wählte der Arzt, der selbst nur 1,75 Meter groß
war, für die Rolle der Angst einen Mann, der über 1,95
Meter groß war. Dadurch war der dahinter sitzende Mit-
spieler „Patient“ gar nicht mehr zu sehen. Ich schlug vor,
mit der „Angst“ zu verhandeln, etwas zur Seite zu gehen.
Dann erschrak sich der Arzt: „Jetzt sieht mich ja der Pa-
tient, dass ich mit einer so großen Angst zu ihm komme
…“ Ich schlug ihm vor, die Rolle des Patienten zu überneh-
men und sich alles aus dieser Perspektive anzusehen. Und
plötzlich lächelte er. In diesem Moment wurde dem Arzt
klar, dass ihn seine Angst sehr nahe an den Patienten he-
rangebracht hat, der unter der gleichen großen Angst litt.
Als „Patient“ mochte er genau diesen „Arzt mit Angst“. Im
Austausch in der Kursgruppe konnten dann auch die ande-
ren Kursteilnehmer von ihren Ängsten berichten.
Die Angst des Mediziners war die Angst, dem Patienten nicht helfen zu können.
Nicht helfen zu können, nicht die richtigen Worte zu ha-
ben, hilflos dazustehen, beschimpft zu werden, warum
heilst du mich nicht usw. Plötzlich war die Angst nicht mehr
der Knoten, sondern die verbindende Brücke, um mit dem
Patienten Klartext zu reden, dass wohl keine Hilfe mehr
möglich ist. Das war ein besonders eindrucksvoller Fall.
Aber das passierte in den Folgejahren immer wieder. Dass
die Ärzte erkannt haben, dass alles, was sie verbergen wol-
len, genau das ist, was sie für den Umgang mit Sterbenden
brauchen. Das klappt auch nicht mit jedem Patienten, und
so etwas gelingt höchstens einmal am Tag oder einmal in
der Woche, um sich selbst emotional nicht zu überfordern.
Der Kampf zielt also nicht darauf, wie verdränge ich meine
Gedanken und Gefühle, sondern, wie lasse ich all diese Ge-
danken, auch die negativen Bilder über mich, zu.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der Palliativversorgung und der Sterbebegleitung in Deutschland. Welche Note würden Sie Deutschland auf dieser Ebene geben?
Also, die Note, die eine Gruppe von Professoren – geför-
dert von einer Stiftung in Singapur – 2010 Deutschland
gegeben hat, war die Note 9 von 40, also der Platz 9. Mitt-
lerweile ist Deutschland noch weiter raufgeklettert (Platz
7 von 80 in 2015). Es hat sich einiges verbessert in den
letzten fünf Jahren.
Ich bin viel in Niedersachsen tätig gewesen. Im ländlichen
Raum ist es sehr schwierig, durch die langen Anfahrtswege
die gleiche Wirkung in der Krankenversorgung zu erzielen
wie in städtischen Gebieten. Und das bedeutet, dass die
Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum entweder auf
Kosten der Gesundheit oder auf Kosten der finanziellen
Stabilität der Arztpraxen geht, und das gilt dann auch für
die Pflegedienste. Das neue Hospiz- und Palliativgesetz
vom November 2015 will hier nachbessern.
Mein Hauptaugenmerk gilt seit über zehn Jahren den
Pflegeheimen. Ich glaube, dass der Pflegeheimbewohner,
speziell der demente Pflegeheimbewohner, in seinen Nö-
ten wenig wahrgenommen wird und auch die Angehörigen
wenig wahrgenommen werden. Da haben wir sicher was
zu verbessern.
Aber Palliative Care muss auch aufpassen, sich nicht in-
strumentalisieren zu lassen. Denn nicht die Symptom-
freiheit ist das Ziel, sondern dem Leben mehr qualitative
wertvolle Tage zu verschaffen – und nicht einfach nur ins-
gesamt mehr „symptomfreie“ Tage.
Palliativversorgung
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Meine Befürchtung geht genau dahin, dass sterbenskranke Menschen so stark unter Drogen gesetzt werden, dass sie weder denken noch fühlen können, aber dafür symptomfrei sind und dann auf Dauer am Leben erhalten werden, wie ein Patient, der sich im Koma befindet, ohne Aussicht, jemals daraus zu erwachen. Symptomfrei wäre dann ein fragwürdiges Ziel.
Ich glaube, damit geht es an den ethischen Knackpunkt.
Ich teile diese Einschätzung nicht ganz. Der Patient be-
stimmt ja vorher, wie weit es gehen soll.
Ich bin zwar der Meinung, dass es gesellschaftlich rich-
tig ist, Grenzen aufzuzeigen, aber ebenso wichtig ist es,
dem Menschen seine Entscheidungshoheit zu belassen.
In Nordrhein-Westfalen gab es Fälle, dass Menschen mit
aufsteigender Nervenlähmung, ALS genannt, todbringen-
de Medikamente auf Verlangen zur Verfügung gestellt
wurden, die sie hätten nehmen können, wenn sie es denn
haben wollten. Diese wurden nur in sehr seltenen Fäl-
len genommen. Aber die Lebensqualität während dieser
Krankheit ist dadurch erheblich und nachweislich gestie-
gen, auch weil der Patient selbst entscheiden durfte, wie
weit er sein Leben weiterführen wollte. Er muss nicht je-
den Tag schauen, was noch geht und was nicht mehr geht,
also nicht mehr nur vom Defizit her denken.
Wo Sie die Entscheidung im Bundestag erwähnen. Es gibt Äußerungen, wonach die Entwürfe mangels hinreichender Bestimmtheit zum Thema Sterbehilfe dem Grundgesetz nicht standhalten würden, wie sehen Sie das?“ (Redaktioneller Hinweis: Mittlerweile wurde der neue § 217 mit Mehrheit im Bundestag beschlossen).
Wenn ein Sterbender bei vollem Bewusstsein entschei-
det, dass er so nicht weiterleben möchte, muss hier eine
professionelle Begleitung möglich sein. Es kann nicht sein,
Sterbende dann allein zu lassen, nur damit sich niemand
strafbar macht. Da fehlt mir der humanitäre Ansatz. Ich
bin kein Experte in Rechtsfragen, ich betrachte das eher
von der Praxis und von der Umsetzung her. Ich empfehle
keinem Pflegeheim und keinem Arzt, damit zu werben,
hier gibt es Sterbehilfe. Aber es wird immer wieder ein-
zelne Situationen geben, wo Menschen in eine solche Not-
lage kommen. „Es ist eine intime Verabredung zwischen
zwei Menschen und der eine von beiden ist dann tot“, sag-
te der letzte BÄK-Präsident Hoppe, „und so soll man das
auch belassen.“
Deutschland steht nicht vor der Wahl, dass Ärzte regulär
die Suizidbeihilfe oder gar die Tötung auf Verlangen im
Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit übernehmen sollen. In
Deutschland wird ständig auf Windmühlen hingewiesen,
die keiner baut. Es steht überhaupt nicht zur Diskussion,
dass Ärzte Sterbehilfe leisten. Und sie tun das auch nicht.
Es ist nur die Beihilfe zum Suizid, die gerade in der Diskus-
sion ist. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Gibt es denn ein Land, von dem Sie sagen würden, die haben das vorbildlich gelöst, das heißt im Sinne der Betroffenen?
Noch einmal zurückgehend auf meine Indienerfahrung. Es
gibt in jedem Land eine gewisse Kultur und der Gesetzge-
ber wird sich auch an dieser Kultur des Landes – zumin-
dest ein Stück weit – orientieren. Und da gibt es liberalere
Länder, wie die Benelux-Länder, und nicht ganz so liberale.
In Deutschland wirken immer noch die Erfahrungen der
Nazizeit nach. Ich vermute, dass hier die Schuld bei den
Ärzten auch noch nachwirkt, denn Ärzte werden vielfach
in Ärztefamilien geboren. Da stellt sich dann die Frage:
Was haben die Großeltern im Krieg gemacht? Und deshalb
übt Deutschland hier mehr Vorsicht als andere Länder.
Daher können wir nicht sagen, dort ist es super, sondern
die Kultur des Landes muss zur Gesetzgebung passen. Und
die Kultur in Deutschland, unter der Ärzteschaft, ist leider
Gottes eine völlig andere als die Kultur der Bevölkerung.
Welchen Umfragen man auch immer glaubt. Es gibt keine
Mehrheit für das Verbot der Suizidbeihilfe und auch kei-
ne Mehrheit für ein Verbot der Sterbehilfe. Darauf muss
der Gesetzgeber auf Dauer eine Antwort finden. Und
wenn Kirchen und Ärzteschaft so stark auf ihren eigenen
Ideen und Vorbehalten beharren, dann könnte es auf die
Dauer zu einer Entfremdung kommen und das wäre sehr
bedauerlich.
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin hat zumin-
dest schon darauf hingewiesen, dass der Sterbewunsch
eines Patienten erst einmal wahrgenommen werden soll,
um mit dem Patienten im Gespräch dann zu ermitteln, was
dem zugrunde liegt. Die Aussage der Ärzteschaft kann
nicht mehr nur lauten, „Dafür sind wir nicht zuständig!“,
sonst bleibt der Sterbende allein. Aber den Menschen ge-
rade nicht allein zu lassen, das ist für mich Palliative Care.
Und damit ist nicht gesagt, noch am selben Abend sofort
das Gift auf den Tisch zu stellen. Aber es wird noch viel zu
stark tabuisiert. Da wird auch viel vermischt. Vielfach wird
nicht zwischen Sterbehilfe und Suizidbeihilfe unterschie-
den. Ich bitte daher Journalisten immer wieder explizit da-
rum, damit sorgsamer umzugehen.
71
Da fehlt es also an der nötigen Trennschärfe?
Absolut!
In der Schweiz gibt es diesbezüglich nun gar keine Regelung, es sei denn, dem Unterstützer eines Suizids können selbstsüchtige Gründe nachgewiesen werden. Vertreter von Dignitas in der Schweiz gehen sogar davon aus, dass durch ein bestehendes legales Angebot der Beihilfe zum Suizid die Anzahl der Suizidversuche rückläufig sei. Also ähnlich wie in der von Ihnen beschriebenen Situation in Nordrhein-Westfalen, wo es dem Todkranken freigestellt war, das tödliche Gift zu sich zu nehmen oder nicht.
Also, ich sehe mich in meiner Haltung nicht gerade an der
Seite von Dignitas. Die sind mir dann doch zu tendenziell
in ihren Äußerungen und in der Handhabung der gesam-
ten Sache. Da eignet sich schon eher die Vorgehensweise
von Exit, die allerdings nur Schweizern hilft und auch nur
ehrenamtlich, das heißt ohne Kosten praktiziert. Das ist
für mich insgesamt stimmiger. Das mit den ALS-Patienten
in Nordrhein-Westfalen ist mir von einem Arzt, der dort
ALS-Patienten berät, berichtet worden. Das wird so natür-
lich nicht mehr durchgeführt, nachdem die Berufsordnung
für Ärzte geändert worden ist, und es ist daher im Moment
nicht mehr erlaubt.
„Gesellschaftsfreundliches Frühableben“ wurde es in den
70er-Jahren schon in der Literatur sarkastisch genannt.
Aber ob das Strafrecht da das Richtige ist, das bezweif-
le ich. Das sage ich als Sohn von Juristen. Meine Mutter
war als Juristin trotz ihrer Gläubigkeit immer gegen das
strafrechtsbewehrte Abtreibungsverbot. So was lässt sich
durch das Strafrecht nicht wirklich regeln. Das trifft oft
den Falschen.
Wir müssten eigentlich viel mehr überlegen, wie wir in
Deutschland etwas Gutes für die alten Menschen tun und
die Lebensqualität älterer Menschen gerade in Pflegehei-
men heben können, dann sinkt auch der Sterbewunsch
und das Suizidinteresse.
Für mich war das ein sehr anregendes Gespräch, das viele neue Perspektiven eröffnet hat. Offensichtlich löst das Thema Sterbebegleitung kultur- und religionsübergreifend Ängste aus, auf die vielfach mit Tabuisierung reagiert wird. Ziel muss es also sein, Tabus zu brechen, um über das Sterben einen anderen Blick auf das Leben zu erhalten. Und dass Sterben nicht nur ein schmerzvoller, erschreckender, lang dauernder unerträglicher Prozess sein muss.
Prof. Dr. Jochen Becker-Ebel+
Gründer und Geschäftsführer MediAcionwww.MediAcion.de
Palliativversorgung
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